Innen Beton, außen Holz - BLAESIG ARCHITEKTEN GmbH

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Innen Beton, außen Holz - BLAESIG ARCHITEKTEN GmbH
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Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages
Innen Beton,
außen Holz
Mischbau ❙ Weil sich die Bauherrschaft mit einer reinen Holzbauweise
nicht anfreunden konnte, entwarfen die Architekten bei einer
Hangbebauung eine ungewöhnliche Mischkonstruktion: Die
tragenden Bauteile von Haus Riewenherm bestehen aus Stahlbeton.
Für die hoch wärmegedämmte Hülle hingegen wurden Holzelemente
Joachim Mohr
Bilder und Zeichnung: Bläsig Architekten
verwendet.
Am Tag tritt die extravagante Fassade mit Leistenschalung und
Furniersperrholzplatten in den Vordergrund.
T
raditionell kommt man beim Architekturund Ingenieurbüro Blaesig in Bad Aibling
vom Massivbau. 1970 gegründet und inzwischen in der zweiten Generation von Jörg
Blaesig geführt, hat das Büro ein breit gefächertes Geschäftsfeld. Bei seinen energieoptimierten Gewerbe- und Objektbauten,
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Mehr- und Einfamilienhäusern oder Modernisierungen setzt der Architekt zunehmend
Holz als Baustoff ein. Dies vor allem wegen
der guten Dämmmöglichkeiten und des
einfachen Handlings auf der Baustelle:
„Gerade im Wohnungsbau ist Holz unglaublich gut, und inzwischen versuchen wir auch
im Gewerbebau, die Vorteile des Baustoffs
zu nutzen“, zeigt sich Blaesig überzeugt.
Haus Riewenherm wurde auf einem steilen Hanggrundstück gebaut, dessen Untergrund sich aus Fels, gewachsenem Boden
und einer aufgeschütteten Kiesgrube
zusammensetzt. Auf diesem Grundstück
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Das Mehrfamilienhaus in Hanglage bietet großzügige Fensterflächen und eine
halbtransparente Fassade, die am Tag Licht durchlässt und gleichzeitig verschattet.
sollte auf Wunsch der Baufamilie ein außergewöhnliches Projekt entstehen: ein Mehrgenerationenhaus, teilweise in Split-LevelBauweise, teilweise barrierefrei, mit großem Arbeitsbereich im Untergeschoss,
und das Ganze möglichst nah am Passivhaus-Standard.
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Reines Holzhaus im Vorfeld
ausgeschlossen
Ein Holzhaus, wie es aus energetischen
Gründen von den Architekten vorgeschlagen wurde, schloss die Bauherrschaft kategorisch aus. Deshalb entwickelte Norman
Richter, der für das Projekt verantwortliche
Planer, eine Mischkonstruktion: ein Haus
mit tragenden Innenwänden, tragenden
Kellerwänden und Decken aus Stahlbeton und einer Hülle aus Holzelementen.
Bereits im Gewerbebau hatten die Architekten mit dieser Bauweise gute Erfahrungen gemacht.
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Den inneren Abschluss der Außenwände
bildet eine 50 mm starke Lenotec-Dickholzplatte. Im Obergeschoss beträgt ihre Stärke
100 mm, um punktuell die Last der Dachkonstruktion aufzufangen. Aus optischen
Gründen entschied sich die Baufamilie, diese Brettsperrholzplatten innen noch einmal
mit 15 mm dicken Gipskartonplatten zu
verkleiden.
Die Brettsperrholzplatten sind in die
Betonkonstruktion eingepasst und bilden
die luftdichte Schicht der Konstruktion.
Sicrall-Klebebänder von Siga sorgen für
luftdichte Stöße und Übergänge zu anderen Bauteilen. Auf die Holzplatten montierten die Zimmerleute der Zimmerei Heiß
Holzbau aus Waakirchen die Dämmebene
der Außenwandkonstruktion. Sie besteht
aus aufgeschraubten, 240 mm starken TJITrägern, deren Gefache vor Ort mit einer 40
mm starken Holz faserdämmplatte
geschlossen und mit 240 mm Zellulosedämmung ausgeflockt wurden.
Den konstruktiven Abschluss der Außenwand bilden auf der südlichen Giebelwand
9 mm dicke, als Betoplan bekannte, dunkelbraune Furniersperrholzplatten. Der
übrige Teil der Fassade ist mit einer farblich
darauf abgestimmten Winddichtungsbahn
abgedeckt.
Davor setzte die Zimmerei eine Fassade
aus schwebenden Holzlamellen. Die Konterlattung hinter den Lamellen ist bei dieser Fassade mit schwarzen Kunststoffabstandshaltern an den TJI-Trägern befestigt.
So entstand ein halbtransparentes Gebilde,
durch das man wie durch einen Schleier
hindurch sehen kann. Die Fassade wurde
größtenteils vorgefertigt und elementiert
auf die Baustelle geliefert. Lediglich kleine
Flächen wie die Giebel wurden auf der
Baustelle montiert.
Die Außenwände und das Dach bilden
bei Haus Riewenherm eine homogene Hülle. Dies wurde dadurch erreicht, dass die
Sparren vor der Dämmebene gekappt sind,
diese also nicht durchstoßen. So entsteht
eine durchgehende, wärmebrücken- und
durchdringungsfreie Dämmebene. Die
Dachüberstände werden von 85 mm star-
BaUtafeL
Architektur- und Ingenieurbüro
Blaesig Architekten GmbH,
83043 Bad Aibling
www.blaesig-architekten.de
Holzbauarbeiten
Heiß Holzbau, Waakirchen
www.heissholzbau.de
ken Kertoholzplatten gebildet, die oberhalb der Dämmebene platziert sind.
Komplizierte Statik
durch große Räume
Prinzipiell ist die Mischung aus tragenden
Betonbauteilen und vorgehängten Holzbauelementen eine gut funktionierende
Im Schnitt ist zu erkennen, dass im Gebäudeinneren Betonbauteile für die Lastabtragung
sorgen. Die wärmedämmende Hülle ist dagegen in Holzbauweise ausgeführt.
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Bauweise. Kompliziert wurde die statische
Berechnung beim Haus Riewenherm allerdings durch den Wunsch der Baufamilie
nach einer extrem offenen Grundrissgestaltung. Dies betrifft vor allem die Decke
des Wohnbereichs im Erdgeschoss, die bei
einer Fläche von knapp 64 m² nur an zwei
Flanken von einer Betonwand bzw. einem
Unterzug gehalten wird. Über der Decke
befindet sich eine begrünte Dachterrasse,
deren Gewicht den Durchstanzeffekt der
Decke und das Knickverhalten der Stütze
verstärkte.
In enger Zusammenarbeit mit den Statikern wurde ein Tragwerk entwickelt, bei
dem die Lasten durch komplexe Verteilung über mehrere Bauteile abgetragen
werden. Die Decke wurde in einen Rahmen eingespannt, der aus dem Keller und
der hinteren Wand besteht. Die auskragende Last wird also teilweise von hinten
gehalten. So konnten die Querschnitte der
notwendigen Stahlstützen im Wohnbereich sehr schlank dimensioniert werden.
Eine der Stützen verschwand in einer
Wandscheibe, drei stehen offen sichtbar
im Wohnbereich vor der verglasten Nordfassade – filigran und unauffällig.
Split-Level-Bauweise ermöglicht eine
Raumhöhe von 285 cm, die angesichts der
großen Grundfläche die Proportionen harmonisiert und dem Raum zusätzliche Weite verleiht.
Großzügigkeit und Offenheit prägen
auch die beiden 14,5 m² großen Kinderzimmer. Die Fassade ist hier vollflächig verglast, der Blick ins Tal also ebenfalls Teil des
Wohngeschehens. Die Schlafbereiche auf
der südlichen Giebelseite werden auf beiden Ebenen über schmale raumhohe
Fenster belichtet. Über die nördliche Giebelseite bekommen sie dagegen ein
gedämpftes Licht ohne direkte Sonneneinstrahlung. Ihre schmalen Lichtbänder
auf der Talseite verschwinden hinter der
halbtransparenten Leistenfassade, die bei
hoch stehender Sonne als wirkungsvolle
Beschattung fungiert.
Barrierefrei trotz Hanglage
Haus Riewenherm besteht aus zwei jeweils
zweigeschossigen Baukörpern, die um
ein Geschoss versetzt L-förmig ineinander geschoben sind. Der Haupttrakt des
Hauses (mit Satteldach) liegt parallel zur
Straße und erfüllt die Festsetzungen des
Bebauungsplans. Hier wurde die Hanglage
optimal genutzt, um die beiden separaten
Wohnungen ebenerdig und damit barrierefrei zu erschließen.
Der Nebentrakt, ein Kubus mit Flachdach, wurde ein Geschoss tiefer platziert.
Sein Dach bildet die begrünte Dachterrasse der Seniorenwohnung. Darunter befindet sich, drei Stufen tiefer als die übrigen
Räume, der Wohnbereich der Hauptwohnung. Das Untergeschoss dieses Trakts
wird als Büro, Technik- und Abstellraum
genutzt.
Lebenszentrum der Hauptwohnung ist
der Wohnbereich, der mit Küche und Essplatz eine offene Einheit bildet. Über Eck
verglast, bietet der Raum von allen Bereichen aus einen ungehinderten Blick nach
außen. Glastüren zur Terrasse schaffen
einen fließenden Übergang ins Freie. Die
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Während der Rohbauarbeiten war zunächst kaum zu erkennen, dass
auf der Baustelle ein Mischbau aus Holz und Beton entsteht.
Für die Hülle verwendeten die Zimmerer Brettsperrholzelemente
die sie an der tragenden Betonkonstruktion befestigten.
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Dicke Dämmpakete und
Fast-Passivhausfenster
Auf die Brettsperrholzplatten wurden TJI-Träger montiert.
Diese erhielten eine Außenschale aus Holzfaserdämmplatten.
Die Hohlräume wurden später mit Zellulose ausgeblasen.
Schwierig, aber mit geschickter Tragwerksplanung lösbar
war die Ausführung der großen freitragenden Wohnraumdecke mit Dachterrasse im talseitigen Gebäudeteil.
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Dach und Außenwände von Haus Riewenherm weisen einen U-Wert von 0,14
W/(m²K) auf, die Fenster sind mit einer
Dreifach-Verglasung versehen, die einen
U-Wert von 0,9 W/(m²K) hat. Die Bodenplatte ist in der Fläche mit einer 250 mm
starken, verdichteten Schaumglasschüttung und an den Rändern mit einer vorgesetzten, 200 mm starken StyrodurDämmung gedämmt. Ihr U-Wert liegt bei
0,22 W/(m²K).
Diese hochgedämmte Hülle war eine
der Voraussetzungen dafür, dass der von
der Baufamilie gewünschte Energiestandard auch erreicht werden konnte. Sie entspricht der Philosophie des Architektenbüros: „Wenn wir merken, dass ein Bauherr
die Grenze seines Budgets erreicht, raten
wir eher zu Abstrichen bei der Ausstattung
als bei der Bauqualität“, erläutert Jörg Blaesig. Sanitärobjekte oder Türen könne man
nach ein paar Jahren gegen hochwertigere austauschen, eine Wärmedämmung
aber nicht. Dies gilt auch für wichtige Bereiche der Haustechnik, etwa eine zentrale
Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, wie sie in jede der beiden Wohnungen eingebaut wurde. Die Luftansaugung
der Anlagen erfolgt über Erdwärmeregister, in denen die Zuluft im Sommer gekühlt
und im Winter vorgeheizt wird.
Als Wärmequelle dient eine Pelletheizung – aus Sicht der Architekten die nachhaltigere und damit konsequentere Variante, wenn man mit Holz baut: „Wärmepumpen laufen mit Strom aus dem Netz, und
der hat einen relativ schlechten Wirkungsgrad.“ Und die Montage einer Photovoltaikanlage zur dezentralen Stromerzeugung ist
wegen der Ausrichtung des Dachs nach
Osten und Westen nicht sinnvoll.
Der massive Speicherkern des Hauses
sorgt für einen gleichmäßigeren Temperaturverlauf und damit im Winter wie im
Sommer für niedrige Energiekosten. Unter
dem Strich hat Haus Riewenherm einen
Jahres-Primärenergiebedarf von 26,32
kWh/(m²a). Der Heizwärmebedarf liegt bei
21,27 kWh/(m²a), der Endenergiebedarf bei
60,85 kWh/m².
Fazit: gelungene Kombination
Haus Riewenherm ist eine gelungene
Kombination zweier Bauweisen. Zu den
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Im Ergebnis eröffnet sich den Bewohnern durch die großen Fensterflächen
ein ungehinderter Blick ins Tal.
Vorteilen dieser Mischbauweise gehören
– neben den konstruktiven Möglichkeiten
und der Kombination von hoher Speichermasse und hervorragender Dämmung
– vor allem vergleichsweise niedrige Baukosten. Sie sind einer der Gründe, weshalb
sie im Gewerbebau zunehmend an Boden
gewinnt.❙
Autor
Dr. Joachim Mohr ist freier Baufachjournalist und Inhaber eines Pressebüros in
Tübingen.
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Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG
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