Innen Beton, außen Holz - BLAESIG ARCHITEKTEN GmbH
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Innen Beton, außen Holz - BLAESIG ARCHITEKTEN GmbH
technik Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Innen Beton, außen Holz Mischbau ❙ Weil sich die Bauherrschaft mit einer reinen Holzbauweise nicht anfreunden konnte, entwarfen die Architekten bei einer Hangbebauung eine ungewöhnliche Mischkonstruktion: Die tragenden Bauteile von Haus Riewenherm bestehen aus Stahlbeton. Für die hoch wärmegedämmte Hülle hingegen wurden Holzelemente Joachim Mohr Bilder und Zeichnung: Bläsig Architekten verwendet. Am Tag tritt die extravagante Fassade mit Leistenschalung und Furniersperrholzplatten in den Vordergrund. T raditionell kommt man beim Architekturund Ingenieurbüro Blaesig in Bad Aibling vom Massivbau. 1970 gegründet und inzwischen in der zweiten Generation von Jörg Blaesig geführt, hat das Büro ein breit gefächertes Geschäftsfeld. Bei seinen energieoptimierten Gewerbe- und Objektbauten, 14 Mehr- und Einfamilienhäusern oder Modernisierungen setzt der Architekt zunehmend Holz als Baustoff ein. Dies vor allem wegen der guten Dämmmöglichkeiten und des einfachen Handlings auf der Baustelle: „Gerade im Wohnungsbau ist Holz unglaublich gut, und inzwischen versuchen wir auch im Gewerbebau, die Vorteile des Baustoffs zu nutzen“, zeigt sich Blaesig überzeugt. Haus Riewenherm wurde auf einem steilen Hanggrundstück gebaut, dessen Untergrund sich aus Fels, gewachsenem Boden und einer aufgeschütteten Kiesgrube zusammensetzt. Auf diesem Grundstück bauen mit holz · 2.2012 Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Das Mehrfamilienhaus in Hanglage bietet großzügige Fensterflächen und eine halbtransparente Fassade, die am Tag Licht durchlässt und gleichzeitig verschattet. sollte auf Wunsch der Baufamilie ein außergewöhnliches Projekt entstehen: ein Mehrgenerationenhaus, teilweise in Split-LevelBauweise, teilweise barrierefrei, mit großem Arbeitsbereich im Untergeschoss, und das Ganze möglichst nah am Passivhaus-Standard. 2.2012 · www.bauenmitholz.de Reines Holzhaus im Vorfeld ausgeschlossen Ein Holzhaus, wie es aus energetischen Gründen von den Architekten vorgeschlagen wurde, schloss die Bauherrschaft kategorisch aus. Deshalb entwickelte Norman Richter, der für das Projekt verantwortliche Planer, eine Mischkonstruktion: ein Haus mit tragenden Innenwänden, tragenden Kellerwänden und Decken aus Stahlbeton und einer Hülle aus Holzelementen. Bereits im Gewerbebau hatten die Architekten mit dieser Bauweise gute Erfahrungen gemacht. 15 technik Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Den inneren Abschluss der Außenwände bildet eine 50 mm starke Lenotec-Dickholzplatte. Im Obergeschoss beträgt ihre Stärke 100 mm, um punktuell die Last der Dachkonstruktion aufzufangen. Aus optischen Gründen entschied sich die Baufamilie, diese Brettsperrholzplatten innen noch einmal mit 15 mm dicken Gipskartonplatten zu verkleiden. Die Brettsperrholzplatten sind in die Betonkonstruktion eingepasst und bilden die luftdichte Schicht der Konstruktion. Sicrall-Klebebänder von Siga sorgen für luftdichte Stöße und Übergänge zu anderen Bauteilen. Auf die Holzplatten montierten die Zimmerleute der Zimmerei Heiß Holzbau aus Waakirchen die Dämmebene der Außenwandkonstruktion. Sie besteht aus aufgeschraubten, 240 mm starken TJITrägern, deren Gefache vor Ort mit einer 40 mm starken Holz faserdämmplatte geschlossen und mit 240 mm Zellulosedämmung ausgeflockt wurden. Den konstruktiven Abschluss der Außenwand bilden auf der südlichen Giebelwand 9 mm dicke, als Betoplan bekannte, dunkelbraune Furniersperrholzplatten. Der übrige Teil der Fassade ist mit einer farblich darauf abgestimmten Winddichtungsbahn abgedeckt. Davor setzte die Zimmerei eine Fassade aus schwebenden Holzlamellen. Die Konterlattung hinter den Lamellen ist bei dieser Fassade mit schwarzen Kunststoffabstandshaltern an den TJI-Trägern befestigt. So entstand ein halbtransparentes Gebilde, durch das man wie durch einen Schleier hindurch sehen kann. Die Fassade wurde größtenteils vorgefertigt und elementiert auf die Baustelle geliefert. Lediglich kleine Flächen wie die Giebel wurden auf der Baustelle montiert. Die Außenwände und das Dach bilden bei Haus Riewenherm eine homogene Hülle. Dies wurde dadurch erreicht, dass die Sparren vor der Dämmebene gekappt sind, diese also nicht durchstoßen. So entsteht eine durchgehende, wärmebrücken- und durchdringungsfreie Dämmebene. Die Dachüberstände werden von 85 mm star- BaUtafeL Architektur- und Ingenieurbüro Blaesig Architekten GmbH, 83043 Bad Aibling www.blaesig-architekten.de Holzbauarbeiten Heiß Holzbau, Waakirchen www.heissholzbau.de ken Kertoholzplatten gebildet, die oberhalb der Dämmebene platziert sind. Komplizierte Statik durch große Räume Prinzipiell ist die Mischung aus tragenden Betonbauteilen und vorgehängten Holzbauelementen eine gut funktionierende Im Schnitt ist zu erkennen, dass im Gebäudeinneren Betonbauteile für die Lastabtragung sorgen. Die wärmedämmende Hülle ist dagegen in Holzbauweise ausgeführt. 16 bauen mIt holz · 2.2012 Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Bauweise. Kompliziert wurde die statische Berechnung beim Haus Riewenherm allerdings durch den Wunsch der Baufamilie nach einer extrem offenen Grundrissgestaltung. Dies betrifft vor allem die Decke des Wohnbereichs im Erdgeschoss, die bei einer Fläche von knapp 64 m² nur an zwei Flanken von einer Betonwand bzw. einem Unterzug gehalten wird. Über der Decke befindet sich eine begrünte Dachterrasse, deren Gewicht den Durchstanzeffekt der Decke und das Knickverhalten der Stütze verstärkte. In enger Zusammenarbeit mit den Statikern wurde ein Tragwerk entwickelt, bei dem die Lasten durch komplexe Verteilung über mehrere Bauteile abgetragen werden. Die Decke wurde in einen Rahmen eingespannt, der aus dem Keller und der hinteren Wand besteht. Die auskragende Last wird also teilweise von hinten gehalten. So konnten die Querschnitte der notwendigen Stahlstützen im Wohnbereich sehr schlank dimensioniert werden. Eine der Stützen verschwand in einer Wandscheibe, drei stehen offen sichtbar im Wohnbereich vor der verglasten Nordfassade – filigran und unauffällig. Split-Level-Bauweise ermöglicht eine Raumhöhe von 285 cm, die angesichts der großen Grundfläche die Proportionen harmonisiert und dem Raum zusätzliche Weite verleiht. Großzügigkeit und Offenheit prägen auch die beiden 14,5 m² großen Kinderzimmer. Die Fassade ist hier vollflächig verglast, der Blick ins Tal also ebenfalls Teil des Wohngeschehens. Die Schlafbereiche auf der südlichen Giebelseite werden auf beiden Ebenen über schmale raumhohe Fenster belichtet. Über die nördliche Giebelseite bekommen sie dagegen ein gedämpftes Licht ohne direkte Sonneneinstrahlung. Ihre schmalen Lichtbänder auf der Talseite verschwinden hinter der halbtransparenten Leistenfassade, die bei hoch stehender Sonne als wirkungsvolle Beschattung fungiert. Barrierefrei trotz Hanglage Haus Riewenherm besteht aus zwei jeweils zweigeschossigen Baukörpern, die um ein Geschoss versetzt L-förmig ineinander geschoben sind. Der Haupttrakt des Hauses (mit Satteldach) liegt parallel zur Straße und erfüllt die Festsetzungen des Bebauungsplans. Hier wurde die Hanglage optimal genutzt, um die beiden separaten Wohnungen ebenerdig und damit barrierefrei zu erschließen. Der Nebentrakt, ein Kubus mit Flachdach, wurde ein Geschoss tiefer platziert. Sein Dach bildet die begrünte Dachterrasse der Seniorenwohnung. Darunter befindet sich, drei Stufen tiefer als die übrigen Räume, der Wohnbereich der Hauptwohnung. Das Untergeschoss dieses Trakts wird als Büro, Technik- und Abstellraum genutzt. Lebenszentrum der Hauptwohnung ist der Wohnbereich, der mit Küche und Essplatz eine offene Einheit bildet. Über Eck verglast, bietet der Raum von allen Bereichen aus einen ungehinderten Blick nach außen. Glastüren zur Terrasse schaffen einen fließenden Übergang ins Freie. Die 2.2012 · www.bauenmitholz.de Während der Rohbauarbeiten war zunächst kaum zu erkennen, dass auf der Baustelle ein Mischbau aus Holz und Beton entsteht. Für die Hülle verwendeten die Zimmerer Brettsperrholzelemente die sie an der tragenden Betonkonstruktion befestigten. 17 technik Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Dicke Dämmpakete und Fast-Passivhausfenster Auf die Brettsperrholzplatten wurden TJI-Träger montiert. Diese erhielten eine Außenschale aus Holzfaserdämmplatten. Die Hohlräume wurden später mit Zellulose ausgeblasen. Schwierig, aber mit geschickter Tragwerksplanung lösbar war die Ausführung der großen freitragenden Wohnraumdecke mit Dachterrasse im talseitigen Gebäudeteil. 18 Dach und Außenwände von Haus Riewenherm weisen einen U-Wert von 0,14 W/(m²K) auf, die Fenster sind mit einer Dreifach-Verglasung versehen, die einen U-Wert von 0,9 W/(m²K) hat. Die Bodenplatte ist in der Fläche mit einer 250 mm starken, verdichteten Schaumglasschüttung und an den Rändern mit einer vorgesetzten, 200 mm starken StyrodurDämmung gedämmt. Ihr U-Wert liegt bei 0,22 W/(m²K). Diese hochgedämmte Hülle war eine der Voraussetzungen dafür, dass der von der Baufamilie gewünschte Energiestandard auch erreicht werden konnte. Sie entspricht der Philosophie des Architektenbüros: „Wenn wir merken, dass ein Bauherr die Grenze seines Budgets erreicht, raten wir eher zu Abstrichen bei der Ausstattung als bei der Bauqualität“, erläutert Jörg Blaesig. Sanitärobjekte oder Türen könne man nach ein paar Jahren gegen hochwertigere austauschen, eine Wärmedämmung aber nicht. Dies gilt auch für wichtige Bereiche der Haustechnik, etwa eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, wie sie in jede der beiden Wohnungen eingebaut wurde. Die Luftansaugung der Anlagen erfolgt über Erdwärmeregister, in denen die Zuluft im Sommer gekühlt und im Winter vorgeheizt wird. Als Wärmequelle dient eine Pelletheizung – aus Sicht der Architekten die nachhaltigere und damit konsequentere Variante, wenn man mit Holz baut: „Wärmepumpen laufen mit Strom aus dem Netz, und der hat einen relativ schlechten Wirkungsgrad.“ Und die Montage einer Photovoltaikanlage zur dezentralen Stromerzeugung ist wegen der Ausrichtung des Dachs nach Osten und Westen nicht sinnvoll. Der massive Speicherkern des Hauses sorgt für einen gleichmäßigeren Temperaturverlauf und damit im Winter wie im Sommer für niedrige Energiekosten. Unter dem Strich hat Haus Riewenherm einen Jahres-Primärenergiebedarf von 26,32 kWh/(m²a). Der Heizwärmebedarf liegt bei 21,27 kWh/(m²a), der Endenergiebedarf bei 60,85 kWh/m². Fazit: gelungene Kombination Haus Riewenherm ist eine gelungene Kombination zweier Bauweisen. Zu den bauen mit holz · 2.2012 Copyright Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages Im Ergebnis eröffnet sich den Bewohnern durch die großen Fensterflächen ein ungehinderter Blick ins Tal. Vorteilen dieser Mischbauweise gehören – neben den konstruktiven Möglichkeiten und der Kombination von hoher Speichermasse und hervorragender Dämmung – vor allem vergleichsweise niedrige Baukosten. Sie sind einer der Gründe, weshalb sie im Gewerbebau zunehmend an Boden gewinnt.❙ Autor Dr. Joachim Mohr ist freier Baufachjournalist und Inhaber eines Pressebüros in Tübingen. Software Wärmebrücken im Holzrahmenbau Detailkatalog für den Nachweis nach DIN 4108 Beiblatt 2 Bruderverlag Albert Bruder GmbH & Co. KG Preis: 49,00 € (inkl. MwSt.) Dieser Artikel wurde im Preis gesenkt! Zuvor: 79,00 Euro ISBN: 978-3-87104-168-6 2008 CD-ROM mit ca. 50 technischen Detail-Zeichnungen Die CD-ROM Wärmebrücken im Holzrahmenbau bietet nachgewiesene Wärmebrücken-Details von Holzrahmenbauten zur direkten Verwendung im Wärmeschutznachweis. Die Detailpunkte sind gemäß DIN 4108 berechnet und liefern unmittelbar den Gleichwertigkeitsnachweis nach Beiblatt 2 zur Norm. Eine umfangreiche Wärmebrückenberechnung über komplexe Finite-Elemente-Programme kann entfallen. 2.2012 · www.bauenmitholz.de Weitere Informationen finden Sie auf www.baufachmedien.de. 19