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JOHANNES PAUL I.
Ein Lächeln für jeden Tag
365 Gedanken
Johannes Paul I.
Albino Luciani
Ein Lächeln
für jeden Tag
365 Gedanken
Herausgegeben von Francesco Taffarel
Aus dem Italienischen von Regina Kummer
Tyrolia-Verlag · Innsbruck-Wien
Titel der italienischen Originalausgabe:
PAPA LUCIANI, Un pensiero ogni giorno
ISBN 978-88-250-2204-9
© 2008 by P.P.F.M.C. MESSAGGERO DI S: ANTONIO – EDITRICE
Basilica del Santo – Via Orto Botanico, 11 – I-35123 Padova
www.edizionimessaggero.it
Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2012 Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlagfoto: © Servizio Fotografico – L’Osservatore Romano 2012
Umschlaggestaltung, Layout und digitale Gestaltung: Tyrolia-Verlag,
Innsbruck
Druck und Bindung: FINIDR, Tschechien
ISBN 978-3-7022-3189-7
E-Mail: [email protected]
Internet: www.tyrolia-verlag.at
Vorwort
Die hier vorgestellten Texte Papst Johannes Pauls I.
sind fast wie das Brevier eines Pilgers, der auf seinem Weg Pausen einlegt und sich täglich mit einem
Gedanken stärkt. So wie es der Wanderer tut, der
sich an einem Brunnen mit frischem Wasser labt
und dann – derart gestärkt – seinen Weg wieder
aufnimmt.
Diese Gedanken können auch – in Anlehnung
an eine Abhandlung von Albino Luciani – als „Brosamen der Katechese“ bezeichnet werden, denn es
sind Brosamen biblisch-evangelischer und menschlicher Weisheit als „Proviant“ für die tägliche Wegstrecke.
Für den, der sie zu pflücken versteht, können sie
den Duft von Feldblumen verströmen. Sie können
auch ganz bescheiden lächeln und rascheln wie eine nostalgische Einladung in die Vergangenheit. Sie
können Samenkörner sein, die mit einzigartiger
und unwiederholbarer Kunstfertigkeit ausgestreut
wurden. Sie können aber auch Splitter sein, die in
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die Haut eindringen – ohne allerdings der grundlegenden Lehrmeinung der Kirche und der Schriftauslegung zuwiderzulaufen.
Diese Gedanken, mit ihrer Dichte an kultureller Bildung und Überzeugungskraft, gehören in die
Zeit ihres Entstehens, aber ihre Wurzeln reichen viel
tiefer in die Heilige Schrift. Sie haben die Kraft des
Senfkorns und der Hefe. Sie keimen, gehen auf und
wachsen. Sie durchdringen den Geist, sie erleuchten ihn, und – einmal ausgesät – verbreiten sie allgemeine Freude.
Die schlichte und einfache Sprache verkündet
die „Frohe Botschaft“ der Hoffnung, der Freude, der
Liebe, der Brüderlichkeit und des Seelenfriedens.
Luciani liebte es, sich selber als Spatz im Geäst
der Kirche zu beschreiben, und flog lieber wie eine
Taube von einem Dachfirst zum nächsten, als sich
wie ein Adler in die Lüfte zu erheben. Entlang den
Zäunen unseres Lebensweges begegnen wir diesem
Spatz, und das Piepsen Albino Lucianis wird zum
Gesang für unser Alltagsleben. Es entwickelt sich
zur vertrauten Sprache unseres Zuhauses, atmet die
Atmosphäre einer Familie und versprüht den Zauber der Wahrheit, die wir mit Verwunderung im
Tiefsten unseres Herzens entdecken.
Die „Motive“ des Gesangs sind eines Adlers würdig, aber sie erklingen gedämpft, ohne sich störend
aufzudrängen.
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Luciani begleitet den Leser durch jeden Tag des
Jahres. Er trifft ihn quasi zufällig, aber Zufall ist das
nicht. Auf der Lebensreise hört er zu und knüpft das
Gespräch gerade dort an, wo jeder steht. Er geht mit
ihm und nimmt den neuen Freund an der Hand,
er erhebt ihn und lässt sein Herz in Liebe brennen,
auch wenn der Weg mühsam, mit Dornen übersät,
beschwerlich und einsam sein sollte.
Seine Gedanken zeugen von einem großen Herzen als Vater, als Seelsorger, als „Postbote Gottes“,
der Gott und die Menschen liebte. Sie sollen nicht
dabei helfen, „Luciani kennenzulernen“, sondern –
wie er – sich „Gott staunend und wundernd zu nähern“.
Francesco Taffarel
7
Januar
1. Januar
Ein neues Jahr. Man fängt ein neues Heft an, und jeder träumt davon, dass es mit Gottes Hilfe zu einem
kleinen Meisterwerk wird. Trotz der unvermeidlichen Schwierigkeiten – verzagen wir nicht, geben
wir nicht auf! Er ist uns nahe.
2. Januar
Obwohl der Herr den Menschen und den Kräften
der Natur ihre Freiheit lässt, hält er alles in seinen
Händen. Er ist bei uns und begleitet uns und unsere
Unternehmungen aktiv und voller Interesse.
3. Januar
Wenn Gott spricht, sollte der Mensch antworten: Ja,
Herr, ich glaube an das, was du sagst. Für mich gibt
es keinen Zweifel mehr.
4. Januar
Der Glaube ist ein Ja zu Gott, ein Zustimmen des
Verstandes, eine Verbeugung des Geistes vor Gott.
5. Januar
Meine Priester und ich als Bischof, wir können lehren, aufklären, auch überzeugen, aber nicht mehr:
Nur Gott kann das Herz des Menschen anrühren
und bekehren.
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6. Januar
Wenn jemand zum Glauben an Gott kommt, dann
bedeutet das, dass Gott zuerst an ihn geglaubt hat
und ihn mit der zärtlichen Kraft seiner Gnade angezogen hat.
7. Januar
Glauben ist nicht dasselbe wie naiv sein. Glauben
heißt nicht, alles blauäugig hinzunehmen und den
Verstand auszuschalten. Bevor ich mich auf Gott
einlasse, muss ich mich mit Vernunft und Überlegung wirklich davon überzeugen, dass es richtig
ist, mein Vertrauen in ihn zu setzen, und dass es die
größte Dummheit wäre, es nicht zu tun.
8. Januar
Wir gehören zusammen, Herr, ich fühle wirklich,
dass ich zu dir gehöre. Wo ich auch bin, ich weiß
mich immer in deiner Gesellschaft, o Herr. Und jedes Mal sage ich dir: Was willst du, dass ich tue? Was
würdest du in diesem Augenblick, in dieser Situation tun?
9. Januar
Der Glaube an Gott ist wie das Ja eines Kindes. Ich
muss Vertrauen und Liebe in mir tragen, und ich
muss mich klein fühlen und akzeptieren, dass Gott
in mein Leben eingreifen, es lenken und leiten kann.
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10. Januar
Der Glaube, das Ja-Sagen zu Gott, erfordert Demut
und Bescheidenheit: Ich bin nicht einer, der alles
weiß, der alles versteht, der in jeder Beziehung das
letzte Wort haben kann. Im Gegenteil, ich muss immer wieder hinzulernen und es gelingt mir nicht,
alles zu verstehen, was Gott mir sagt.
11. Januar
Der Glaube ist kein Sprung ins Dunkel, kein Risiko
– ganz bestimmt nicht. Man springt nicht ins Dunkel, sondern in die offenen Arme Gottes.
12. Januar
Erzählt mir nicht, ihr wäret nicht sicher, ob es Gott
gibt, nur weil ihr ihn nie gesehen habt. Euren Urgroßvater habt ihr auch nie gesehen, und doch seid
ihr sicher, dass es ihn gegeben hat.
13. Januar
Wer sich auf den Weg des „später einmal“ begibt,
endet auf dem Weg des „niemals“.
14. Januar
Die Gnade Gottes hätte die Kraft dazu, aber sie will
keinen Zwang ausüben. Sie will mit Liebe überzeugen und nicht der Freiheit Gewalt antun.
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15. Januar
„Hoffe, Israel, auf den Herrn“, ruft der Psalmist voller Freude und Vertrauen. Der Demütige, der diesen Ruf ausstößt, ist alles andere als ein schüchterner und unentschlossener Schlappschwanz! Er ist
ein tüchtiger, ein starker Mensch, der sich nicht allein – voller Überheblichkeit – auf sich selber verlässt, sondern der sein Vertrauen auf Gott und sein
kraftvolles Wirken setzt.
16. Januar
Wenn wir Jesus Christus wirklich lieben, dann finden wir auch die Kraft, die Menschen zu lieben, weil
sie Brüder und Schwestern Christi sind. Auch dann,
wenn sie uns unsympathisch sind.
17. Januar
Man muss sich immer in die Lage der anderen hineinversetzen. … Früher habe ich es selber nicht geglaubt, aber auch höhergestellte Personen erleben
Augenblicke der Entmutigung. Da verschafft ein
gutes Wort Erleichterung, man muss es nur zu sagen wissen.
18. Januar
In schwierigen Situationen sollte man die Einheit
bewahren und nicht Spaltungen und Hass aussäen. Demjenigen, dessen Aufgabe es ist, sich auch in
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schwierigsten Fragen für das Wohl aller einzusetzen,
sollte man Ermutigung und Unterstützung zukommen lassen.
19. Januar
Das Ja als Antwort auf Gottes Anruf darf ich nicht
nur mit dem Verstand geben, auch mein Herz muss
dahinterstehen. Und es muss Auswirkungen auf
mein äußeres und inneres Leben, mein Handeln,
auf mein ganzes Dasein haben.
20. Januar
Das Gott gesagte Ja ist ein schwieriges Ja. Denn was
Gott uns von sich mitgeteilt hat, können wir nicht
mit den Augen sehen und beweisen, sondern nur
glaubend erahnen. Wir sehen etwas in einem Spiegel, es ist nicht die Wirklichkeit, sondern das Abbild
der Wirklichkeit. Aber wir glauben voller Gewissheit, dass Abbild und Wirklichkeit übereinstimmen.
21. Januar
Wer hat die Kräfte und das Universum erschaffen?
Wer, wenn nicht der, der vor all dem war?
22. Januar
Die hauptsächliche Garantie, dass sich das Wort
Gottes treu in der Kirche bewahrt, ist das Lehramt
des Papstes und der Bischöfe.
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23. Januar
Oft ist nicht der Glaube an sich in der Krise, sondern nur eine bestimmte Art zu glauben.
24. Januar
Gott existiert. Anders als wir und unendlich viel besser und größer als wir. Ohne ihn gäbe es uns nicht.
25. Januar
Vor Gott kann es nur ein Verhalten unsererseits geben: Du allein bist heilig, du allein der Herr, du der
Höchste. So wie Abraham sagte: „Vor dir, Herr, sind
wir nur Staub und Asche.“
26. Januar
Alle Gläubigen, unabhängig von ihrem Stand und
ihrem Rang, sind zur Fülle des christlichen Lebens
und zur Vollkommenheit in der Liebe berufen.
27. Januar
Die Liebe Gottes befähigt die Laien, im Alltag nach
den Seligpreisungen zu leben. Indem sie dem armen Jesus folgen, verzagen sie nicht, wenn sie Mangel leiden, und im Überfluss brüsten sie sich nicht
damit. Indem sie dem demütigen Christus nachfolgen, spielen sie sich nicht auf, sondern versuchen,
Gott mehr zu gefallen als den Menschen, und sind
immer bereit, Christus zuliebe alles aufzugeben.
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28. Januar
Lass mich wissen, Herr, was du von mir möchtest,
sag es mir. Zuerst aber schenke mir die Kraft und
die Gabe, es tun zu können.
29. Januar
Die Laien sollten ihre berufliche Kompetenz hoch
einschätzen, ihren Familien- und Bürgersinn und
die sozialen Tugenden wie Rechtschaffenheit und
Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Höflichkeit und
Geistesstärke – alles Tugenden, ohne die ein wahrhaft christliches Leben nicht möglich wäre.
30. Januar
Die christliche Verkündigung durch Laien wird allzu leicht unterschätzt. Aber sie gewinnt ihre Kraft
in der Wärme der Familie und des Freundeskreises
und bedient sich einer einfachen und klaren Sprache. Sie ist anpassungsfähiger und sie wird weniger
verdächtigt, eigenen Interessen nachzugehen. Sie
findet bei Nichtgläubigen eher Gehör.
31. Januar
Ich bin nicht der Herr und der Motor meines Daseins. Er ist es, der mich lenkt und leitet, und ich
muss versuchen, den Weg zu gehen, den er mich
lehrt, auch wenn ich dafür unter großen Opfern
mein Leben umkrempeln muss.
16
Februar
1. Februar
Den Nächsten lieben und tragen, mit ihm fühlen,
ihm helfen und vergeben: Das ist ein schönes Programm für alle, die wirklich Christen sein wollen.
2. Februar
Es kann etwas Mühe kosten, die Last der Sünden
abzuwerfen, aber es schenkt der Seele Heiterkeit
und Frieden.
3. Februar
O Herr, ich bereue, dass ich nicht bereue! O Herr, es
schmerzt, dass es nicht schmerzt!
4. Februar
Kümmert euch ruhig um die Belange dieser Welt,
das ist nichts Schlechtes. Macht euch jedoch immer
bewusst, dass die Erde euch nicht auf ewig tragen
wird. Engagiert euch ruhig in der Politik, aber – egal
ob rechts oder links – behaltet das Oben und Unten
im Auge: oben – das Paradies, unten – die Hölle.
5. Februar
Der Weg zum Paradies ist eng, die Reise dorthin anstrengend. Aber die Aussicht unterwegs ist wunderschön und lieblich. Das wollen wir in die Waagschale werfen und so versuchen, das Reisen weniger
mühselig zu gestalten.
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6. Februar
Gott ist allmächtig, er liebt mich über alle Maßen, er
bleibt seinen Verheißungen treu.
7. Februar
Echte, innerliche Reue ist eine Art geistige Kehrtwendung: Ich will nicht mehr, was ich bisher wollte; ich missbillige, was ich wertschätzte; ich verabscheue jetzt, was ich liebte. Ich habe zum Beispiel
einem Menschen den Gruß verweigert. Es wäre ein
Ausdruck meines Stolzes, meiner Würde, dachte ich. Jetzt muss ich zugeben, es war Engherzigkeit
und Hochmut.
8. Februar
Indem ich die Widrigkeiten des Lebens bereitwillig
annehme, zeige ich auch äußerlich die Ernsthaftigkeit meines Bereuens.
9. Februar
Das innere Bereuen ist eine geistige Rückwärtsreise: Früher habe ich Gott die Schultern gezeigt und
mich für etwas Verbotenes entschieden – jetzt zeige
ich dem Bösen die Schultern und mache mich von
neuem auf den Weg zu Gott. Diese Reise ist bisweilen schmerzhaft und verlangt Demut und Aufrichtigkeit, aber sie endet immer in großer Freude und
tiefem Frieden.
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10. Februar
Die Heiligkeit ist keine fertige Jacke, die man einmal
anzieht, und es reicht für alle Zeiten! Wenn dem so
wäre, dann wären wir alle mit einem Mal heilig.
11. Februar
Die Heiligkeit ist ein Kleid, das wir uns nach und
nach zurechtschneidern müssen. Das ist mühsam,
denn nur der Wille treibt uns an, während die niedrigen Instinkte uns immer wieder zurückziehen.
Wir müssen es so machen, als befänden wir uns auf
einer Straße. Da hinten sind Hunde. Sie bellen und
belästigen uns. Lassen wir sie ruhig bellen und gehen wir unverdrossen weiter!
12. Februar
Herr, nimm mich, wie ich bin, mit all meinen Unvollkommenheiten, aber lass mich werden, wie du
mich haben willst.
13. Februar
Keine Sünde ist zu groß. Eine endliche Verfehlung,
und sei sie noch so groß, wird immer bedeckt von
der unendlichen Barmherzigkeit Gottes.
14. Februar
Es ist nie zu spät. Gott nennt sich nicht nur Vater,
sondern er ist Vater, der Vater des verlorenen Soh20