motion capturing
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MOTION CAPTURING Eine Ausarbeitung für das Proseminar “How to make a Pixar movie“ von Thomas Parsch “Our Quality Assurance Guarantee: 100% Genuine Animation! No motion capture or any other performance shortcuts were used in the production of this film.“ aus dem Abspann von Ratatouille Wie man diesem Zitat entnehmen kann, steht Pixar dem Thema Motion Capturing – also der Erfassung von Bewegung in einem computerlesbaren Format - mit einer ablehnenden Haltung gegenüber. Es gilt unter manchen Kunstschaffenden der Animationsstudios als unschicklich arbeitserleichternde Hilfsmittel wie Motion Capturing einzusetzen. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die Regeln zur Vergabe des Oscars für den besten animierten Spielfilm angepasst hat und Motion Capturing für sich genommen als keine Animationstechnik mehr ansieht. (The Academy of Motion Picture Arts and Sciences) Ein weiterer Grund ist sicherlich auch das Phänomen des sog. Uncanny Valley, also des „unheimlichen Tales“. Im Allgemeinen würde man erwarten, dass umso realistischer eine künstliche Figur dargestellt wird, sie auch umso mehr vom Betrachter als menschlich akzeptiert wird. Allerdings gibt es eine Schwelle, ab der die Akzeptanz deutlich einbricht und sogar die eines offensichtlich artifiziellen Gegenstands, welcher über einige wenige menschliche Eigenschaften verfügt, unterschreitet. So werden beispielsweise die Figuren im Film „Der Polarexpress“ von vielen Betrachtern als unnatürlich wahrgenommen. Doch kann dieses Tal durchschritten werden, indem man die Menschenähnlichkeit weiter erhöht und die Betrachter den Unterschied zwischen künstlicher Kreation und Realität nicht mehr differenzieren können. Allerdings ist es bislang nicht gelungen, das Auftreten dieses Effektes speziellen Intensitäten von Merkmalen einer Figur zuzuordnen. (Pollick, 2010) Akzeptanz Menschenähnlichkeit UNCANNY VALLEY (EIGENE DARSTELLUNG) Durch zu lebensnahen Animationen, welche mit Hilfe von Motion Capturing erstellt worden sind, könnte es nun passieren, dass eine Figur aus einem Pixar Animationsfilm in das “Uncanny Valley“ abgleitet. Ein weiteres Argument gegen Motion Capturing ist, dass häufig noch im Nachhinein die Animationen durch einen Animator nachbearbeitet werden müssen. Weiterhin ist Motion Capturing nur mit stark erhöhtem Aufwand einsetzbar, wenn Bewegungen, welche einen Menschen unmöglich sind, animiert werden sollen. Dies ist gerade bei der Animation von Cartoon Figuren hinderlich, welche oftmals über überproportionale Gliedmaßen oder spezielle 1 übermenschliche Fähigkeiten verfügen. Eine nachträgliche Änderung des Bewegungsablaufs durch einen Animator ist ebenfalls sehr aufwendig. ANWENDUNGSBEREICHE Die Motion-Capture-Technologie wird in zahlreichen weiteren Bereichen eingesetzt. So dient es in der Medizin unter anderem der Erfassung des Gangs eines Patienten. Auf diese Weise können Haltungsschäden vermieden werden oder auch die Wirksamkeit von orthopädischen Rehabilitationsmaßnahmen überprüft werden. (Universitätsklinikum Münster) Im Sportbereich können, neben sportmedizinischen Untersuchungen, auch kleinste Fehler in den Bewegungen eines Spitzensportlers erfasst werden. Dadurch ist es möglich die Leistung der Athleten in Wettkämpfen weiter zu steigern. In der Computerspielindustrie wird Motion Capturing zum einem als kostengünstiges Verfahren zum Erstellen von Bewegungsabläufen, wie beispielsweise das Abspringen vom Boden oder die Laufsequenz einer Spielfigur verwendet. Zum anderen werden in neuerer Zeit auch immer mehr Zwischensequenzen mit einer aus der Filmproduktion bekannten Vorgehensweise erstellt, da die Grenzen von Computerspiel zu Film zu verwischen beginnen. Eine sehr junge Entwicklung ist der Einsatz von Motion-Capture-Techniken nicht nur bei der Erstellung von Spielen, sondern auch bei der Erfassung von Eingabedaten durch den Benutzer. So werden bei Microsofts Kinect für die Xbox 360 die Bewegungen der Spieler vor dem Fernseher erfasst und direkt auf die MOTION CAPTURING FÜR FIFA 09 Bewegungen der Spielcharaktere übertragen. (Microsoft Resarch) HTTP://WWW.THEOFFSIDE.COM/FILES/2008/07/ EDU-MOTION-CAPTURE.JPG Ein großer Einsatzbereich sind, wie bereits eingangs erwähnt, Film- und TV-Produktionen. Es gibt Filme, die fast vollständig auf Motion Capturing setzten, wie beispielsweise Happy Feat, aber auch Produktionen, in denen virtuelle Charaktere in realen Aufnahmen retourschiert werden. Hier ist als berühmtes Beispiel die Verfilmung der Herr der Ringe Trilogie von Peter Jackson zu nennen. Ein gerade in diesem Gebiet nicht zu vernachlässigender Aspekt der Motion-Capture-Techniken ist, dass sie über eine große Sichtbarkeit in der Presse verfügen. Daher werden auch gerne, bereits vorab Herstellungs-Dokumentationen erstellt, um die Aufmerksamkeit im Vorfeld auf den Film zu erhöhen. Eine in Deutschland relativ unbekannte Anwendung von Motion Capturing in der Praxis ist die Animation von Tathergängen in amerikanischen Geschworenenprozessen. (3D Court Animation) In diesen Animationen sind die Charaktere meist stark stilisiert, da es strenge Vorschriften gibt, damit die Geschworenen den Film lediglich als Informationsquelle nutzen, nicht jedoch im Sinne des Opfers oder der Täter beeinflusst werden. Allerdings lassen die zahlreichen am Markt konkurrierenden Firmen darauf schließen, dass durchaus die Jury sich durch solche Animationen in ihrer Entscheidungsfindung leiten lässt. ANIMATION FÜR GERICHTSPROZESS HTTP://WWW.CHARTER.NET 2 Ein weiterer sehr wichtiger Bereich, in dem Motion Capturing eingesetzt wird, sind die Forschung und Entwicklungsabteilungen von Firmen sowie die universitäre Forschung. Die Forschungsgebiete sind zahlreich, hier sei als Beispiel die Ergonomie herausgegriffen. So werden in großen Automobilfirmen die Arbeitsplätze der Arbeiter in der Montage mit Hilfe von Motion-Capture-Technologie vermessen. Mit den gewonnen Datensätzen können die Arbeitsabläufe weiter optimiert werden, sodass die Werker schneller montieren und gleichzeitig eine gesündere Arbeitshaltung einnehmen. (King, et al., 2007) METHODEN DES MOTION CAPTURING Der folgenden Abschnitt wurde an den Inhalt des Buches „Understanding Motion Capture for Computer Animation and Video Games“ von Alberto Menache angelehnt. (Menache, 2000) Jedoch wurde einiges angepasst und aktuelle Einflüsse berücksichtigt, da heutzutage beispielsweise der Nachteil mancher Systeme, Kabel zur Datenübertragung nutzen zu müssen, durch große Fortschritte in der Funktechnik obsolet geworden ist. KLASSIFIZIERUNG VON MOTION-CAPTURE-METHODEN Die Systeme, welche zur Erfassung von Bewegungsdaten genutzt werden, können in drei Kategorien eingeteilt werden: Inside-in Systeme, Inside-out Systeme und Outside-in Systeme. Der erste Teil der Kategoriebezeichnung verweist auf die Lage der Sensoren. Während der zweite auf die Position des Bezugspunktes der Messung hindeutet. MECHANISCHE SYSTEME Mechanische Systeme sind exoskelettartige Strukturen, welche die Darsteller aufsetzen. In den Gelenken befinden sich Potentiometer, welche die Auslenkung des Gelenks messen. Daher handelt es sich bei diesen Systemen um ein Inside-in System, da sowohl Sensor als auch die Bezugspunkte sich direkt an der Person befinden. Durch diese Bauweise sind diese Systeme sehr transportabel und erlauben es auch raumgreifende Bewegungen aufzuzeichnen, da nicht notwendigerweise ein Studio oder eine besonders vorbereitete Umgebung erforderlich ist. Auch kann aufgrund der Konstruktionsweise kein Messpunkt verdeckt werden. Allerdings sind die Bewegungen der Schauspieler eingeschränkt, da trotz leichter Bauweise das Motion-Capture-System den Träger ermüdet und auch dazu verleiten kann, gewisse Bewegungen anders auszuführen, als er es GYPSY 7 TORSO HTTP://WWW.METAMOTION.COM/IMAGES/GYPSY-7ohne Bewegungserfassungssystem getan hätte. Ein Nachteil ist, dass die TORSO.JPG Systeme nur relative Laufbewegungen erfassen. Tritt während der Aufzeichnungen ein Fehler auf, kann später nur schwerlich der Bewegungsablauf rekonstruiert werden. Darüber hinaus ist es mit einem mechanischen System nicht oder nur durch großen Aufwand möglich, das Sensorsetup – also die Anordnung der Sensoren am Körper – zu variieren. DIGITALE ARMATUREN Verwandt zu den mechanischen Systemen sind die digitalen Armaturen. Hierbei werden Figuren mit mechanischen Gelenken, in denen sich Sensoren befinden, von Puppenspielern genutzt um Bewegungsdaten aufzuzeichnen. Sie sind sehr geeignet um Stop-Motion-Techniken, also das schrittweise Animieren durch ständige kleine Haltungsänderungen in die digitale Welt zu überführen. Weiterhin zeichnen sie sich durch eine große Flexibilität bzgl. der Form und Proportion der dargestellten Figur aus, sodass leicht auch Tiere und Cartoon-Charakter animiert 3 werden können. Zudem sind diese Systeme im Vergleich zu den übrigen vergleichsweise günstig. Allerdings werden, wie bereits erwähnt, professionelle Puppenspieler benötigt, um schnell ansprechende Ergebnisse zu erhalten. Ähnlich den mechanischen Systeme zeichnen die meisten kommerziell erhältlichen digitalen Armaturen nur Relativbewegungen auf. ELEKTROMAGNETISCHE SYSTEME Bei elektromagnetischen Systemen werden Magnetfeldsensoren auf dem Schauspieler aufgebracht. Damit diese ein ausreichend starkes Magnetfeld zur Messung vorfinden, werden im Studio Magnetfeldspulen zur Erzeugung des Feldes aufgestellt. Systeme dieser Art sind der Klasse der Inside-out zugeordnet, da sich die Sensoren auf dem Körper des Protagonisten befinden, dass Feld jedoch außerhalb. Ein Vorteil dieser Systeme ist, dass nie ein Sensor verdeckt wird, da das Feld durch den menschlichen Körper hindurch gemessen werden kann. Es gibt sowohl Systeme, die mit Feldern, welche mit Wechselstrom erzeugt werden, als auch welche deren Felder mit Gleichstrom generiert werden. Aufgrund dieser MOTION CAPTURING FÜR Funktionsweise sind elektromagnetische Motion-Capture-Systeme „empfindlich GOLLUM AUS HERR DER RINGE, gegenüber metallischen Flächen und Gegenständen“. (Diehl, 1997) HTTP://MEDIA.SCREENED.COM/UPLOADS/ 0/2434/236985-GOLLUM_SUPER.JPG Gleichstrombasierte Systeme sind vor allem Störeinflüssen durch Metalle und Metalllegierungen wie Eisen oder Stahl, ausgesetzt. Während Systeme, deren Felder durch Wechselstrom erzeugt werden, falsche Daten unter dem Einfluss von Metallen wie Aluminium und Kupfer liefern. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Sensoren nach kurzer Zeit rekalibriert werden müssen und daher Änderungen der Anordnung der Marker nur sehr schwer möglich sind. OPTISCHE SYSTEME Mehrere Markerpunkte werden bei optischen Systemen am Protagonisten festgemacht und diese aus mehreren Blickwinkeln aufgezeichnet. Durch Triangulation kann nun auf die Position der einzelnen Punkte rückgeschlossen werden. Mit Hilfe dieser Punktewolken kann nun die Bewegung des Schauspielers auf einen virtuellen Charakter übertragen werden. Hier wird von Outside-in Systemen gesprochen, da die Kameras, welche als Sensoren fungieren, sich außerhalb befinden – die Markerpunkte jedoch auf dem Körper der Protagonisten befestigt sind. Bei optischen Motion-Capture-Systemen wird zwischen aktiven und passiven unterschieden. Die Marker der aktiven Systeme leuchten selbst, während KALIBRIERUNG EINES OPTISCHEN bei passiven Systemen die Marker von außen durch Strahler beleuchtet werden. MOTION CAPTURE SYSTEMS Meist wird hier auf das Infrarotspektrum zurückgegriffen, um die Schauspieler nicht HTTP://WWW.CACS.LOUISIANA.EDU/LABS/EC RG/VICON/BACKSUIT.JPG durch Lichtreflexe zu irritieren. Durch das stetig zunehmende Auflösungsvermögen und die ansteigende Frequenzrate von Digitalkameras liefern optische Motion-Capture-Systeme sehr präzise Datensätze. Auch erlaubt es inzwischen die durch aktuelle Computer bereitgestellte Rechenleistung mit einer großen Anzahl an Markern umzugehen. Daher können auch mehrere, miteinander interagierende Personen gleichzeitig aufgezeichnet werden. Durch die große Markeranzahl und der Möglichkeit, die Anordnung am Körper bei Bedarf schnell zu variieren, ist es leicht, Rückschlüsse auf das Skelett der Schauspieler zu ziehen und so deren Bewegungen direkt auf den zu animierenden Charakter zu übertragen. Die berührungslose Erfassung der Daten und die geringe Größe der Marker gibt den Schauspielern 4 große Bewegungsfreiheit. Auch lassen sich mit mehreren Kameras problemlos größere Flächen abdecken, in denen aufgezeichnet werden kann. Dass eine speziell vorbereitete Umgebung – im Normalfall ein Studio – notwendig ist, stellt einen Nachteil dieser Methode dar. Außerdem leidet auch dieses System unter Störeinflüssen wie ungewollten Lichtreflexen oder einem Verrutschen der Markern. Dies kann aber durch moderne Algorithmen teilweise ausgeglichen werden. Aufgrund der vielen Vorteile und der wenigen Nachteile sind optische Systeme sehr weit verbreitet. Eine spezielle Form von Motion Capturing, das sog. Facial Capture, findet zunehmend Verbreitung. Hierbei werden sehr kleine Marker auf dem Gesicht der Schauspieler aufgebracht, um auch deren Mimik zu erfassen. Diese Technik ist sowohl in Kombination mit optischen Systemen als auch einzeln zur nachträglichen Mimikanimation im Einsatz. AKTUELLE FORSCHUNG IM BEREICH DES MOTION CAPTURING Da die kommerziell erhältlichen Systeme bereits sehr zuverlässig arbeiten und die Hersteller nur wenig über ihre Neuentwicklungen publizieren, hat sich der Fokus der Forschung im Bereich des Motion Capturing weg vom Film zu komplexeren Fragestellungen verschoben. So ist die automatisierte Erfassung von hunderten Personen auf einmal beispielsweise in einem Bahnhof von Interesse oder bei nur einer Kamera die Beobachtung eines Ganges, in dem sich mehrere Personen verdecken und aneinander vorbeilaufen. (Gilbert, et al., 2007) Eine derzeit noch in der Erforschung befindliche Technologie ist das sogenannte Performance Capturing. Da es sich um eine „markerless“ Technik handelt, wird auf den Einsatz von Markern verzichtet und die zu erfassende Person allein von Kameras erfasst. Die Bildinformationen werden nun auf ein 3D-Modell der Person zurückgeführt. Diese Entwicklung könnte zu deutlich kostengünstigeren, genaueren Motion-Capture-Systemen führen, welche den Darstellern große Bewegungsfreiheit gewähren. (de Aguiar, et al., 2008) PERFORMANCE CAPTURING EINES CAPPEIRA TÄNZERS HTTP://WWW.MPI-INF.MPG.DE/RESOURCES/PERFCAP/IMAGES/PCMV.PNG LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS 3D Court Animation. [Online] [Cited: Juli 14, 2011.] http://www.3dcourt.com/. de Aguiar, Edilson, et al. 2008. Performance capture from sparse multi-view video. ACM Transactions on Graphics (TOG) - Proceedings of ACM SIGGRAPH 2008. 2008, Bd. 27, 3. Diehl, Monika. 1997. Anwendung von Motion Capture zur Generierung virtueller Charaktere für Trickfilme. Berlin : Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, 1997. Gilbert, Andrew und Bowden, Richard. 2007. Multi Person Tracking Within Crowded Scenes. Human Motion Understanding, Modeling, Capture and Animation. Rio de Janeiro : Springer, 2007. 5 King, B.A. und Paulson, L.D. 2007. Motion Capture Moves into New Realms . Computer. 40, 2007, 9. Menache, Alberto. 2000. Understanding Motion Capture for Computer Animation and Video Games. San Diego : Morgan Kaufmann, 2000. Microsoft Resarch. Kinect for Windows SDK beta. [Online] [Cited: Juli 14, 2011.] http://research.microsoft.com/enus/um/redmond/projects/kinectsdk/. Pollick, Frank E. 2010. In Search of the Uncanny Valley . Lecture Notes of the Institute for Computer Sciences, Social Informatics and Telecommunications Engineering. 2010, 40. The Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Oscars.org. [Online] [Cited: Juli 10, 2011.] http://www.oscars.org/awards/academyawards/rules/rule07.html. Universitätsklinikum Münster. Universitätsklinikum Münster / Kliniken / Orthopädie / Technische Orthopädie / Einrichtungen / Klinische Prüfstelle / Ganglabor. [Online] [Zitat vom: 14. Juli 2011.] http://www.klinikum.unimuenster.de/index.php?id=toganglabor. 6