Berlin, 11

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Berlin, 11
5.September 2008
Girokonto für jedermann weiterhin nicht verfügbar
Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbandes
gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen
zur weiteren Umsetzung der Empfehlung des Zentralen
Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. – vzbv
Fachbereich Finanzdienstleistungen
Markgrafenstr. 66
10969 Berlin
[email protected]
www.vzbv.de
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
5.9.2008
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
...................................................................3
2. Umsetzung des Bundestagsbeschlusses vom 30.6.2004 durch die Kreditwirtschaft.
...................................................................5
2.1 Schriftliche Begründung der Kontoverweigerung und Kontokündigung .......................5
2.2 Hinweis auf Schlichtungsverfahren ..............................................................................6
2.3 Entgegennahme sämtlicher Beschwerden ...................................................................8
2.4 Zeitnahe Prüfung der Beschwerden .............................................................................8
2.5 Veröffentlichung der Schiedssprüche in geeigneter Form............................................8
3. Grundsätzliche Praxis der ZKA-Empfehlung seit dem letzten Bericht der
Bundesregierung vom 14.7.2006
.................................................................10
3.1 Verweigerung von Girokonten auf Guthabenbasis.....................................................10
3.2 Erfahrungen mit dem Kontrahierungszwang in Sparkassenverordnungen ................11
3.3 Gebühren für Guthabenkonten und Kopplungsgeschäfte ..........................................12
3.4 Kündigungen von Girokonten .....................................................................................13
3.4.1 Nach Eingang einer Kontopfändung....................................................................13
3.4.2 Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.........................................................13
3.4.3 Wegen Eintragungen bei der Schufa, Arbeitslosigkeit und anderen Gründen ....14
3.5 Schlichtungsverfahren ................................................................................................15
3.5.1 Schiedssprüche ...................................................................................................15
3.5.2 Aussagekraft der Anzahl an Schlichtungsverfahren............................................15
4. Das Recht auf ein Girokonto in Belgien, Frankreich und Österreich ........................16
4.1 Belgien........................................................................................................................16
4.2 Frankreich...................................................................................................................18
4.3 Österreich ...................................................................................................................18
5. Fazit und Forderungen für Deutschland
.................................................................20
Forderung 1: Gesetzliche Verankerung des Rechts auf ein Guthabenkonto ...................20
Forderung 2: Reform des Kontopfändungsrechts ............................................................21
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
5.9.2008
1. Einleitung
Seit nunmehr 13 Jahren existiert folgende Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses
(ZKA):
„Alle Kreditinstitute, die Girokonten für alle Bevölkerungsgruppen führen, halten für
jede/n Bürgerin/Bürger in ihrem jeweiligen Geschäftsgebiet auf Wunsch ein Girokonto bereit“.
Da in den Folgejahren jedoch nach wie vor eine Vielzahl von Verbraucherinnen und
Verbrauchern über Probleme bei dem Versuch berichteten, ein Girokonto auf Guthabenbasis zu erhalten, hatte der Bundestag mit Beschluss vom 30.6.2004 einen deutlichen
Appell an die Kreditwirtschaft gerichtet:
„Der Deutsche Bundestag erwartet, dass die Kreditinstitute die Empfehlung des
Zentralen Kreditausschusses konsequent und flächendeckend anwenden.“ 1
Der Beschluss enthielt auch die Aufforderung an die Bundesregierung, sich gegenüber
der Kreditwirtschaft unter anderem dafür einzusetzen,
„dass die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft dahingehend ergänzt wird,
dass die Kündigung von Girokonten und die Ablehnung eines beantragten Girokontos schriftlich begründet und auf die Möglichkeit der kostenlosen
Inanspruchnahme einer Schlichtungsstelle deutlich hingewiesen wird;
dass die Schlichtungsstellen sämtliche Beschwerden von Kunden über die Ablehnung oder Kündigung von Girokonten entgegennehmen. Unabhängige
Personen sollen diese zeitnah prüfen. Die Schlichtersprüche sollen in geeigneter
Form veröffentlicht werden.“ 2
Die Kreditwirtschaft ist jedoch den Erwartungen an sie nicht nachgekommen. Als Reaktion auf die nach wie vor bestehenden Probleme wurden in dem letzten Bericht der
Bundesregierung 3 drei konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, um sicherzustellen, dass
zukünftig mehr Menschen am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen können:
• Die Reform des Kontopfändungsrechts.
• Der Austausch der ZKA - Empfehlung durch eine rechtsverbindliche Selbstverpflichtung der Banken.
• Die Verbindlichkeitserklärung der Schlichtungssprüche der Ombudsmänner für
die Banken.
Zwei der vorgeschlagenen Maßnahmen sollten von den Banken umgesetzt werden. Anstatt diese beiden Maßnahmen in seine Beschlussempfehlung aufzunehmen, hat der
Finanzausschuss dem Deutschen Bundestag den letzten Bericht lediglich zur Kenntnisnahme empfohlen. 4 Damit hat der Finanzausschuss die an ihn gerichteten
Aufforderungen der Bundesregierung nicht aufgegriffen und auch keine eigenen Lösungsansätze entwickelt.
Auch wenn die Abgeordneten möglicherweise das Beratungsergebnis zu der Reform des
Kontopfändungsrechts abwarten wollten (wie in dem Bericht des Finanzausschusses er1
BT-Drs. 15/3274 vom 8.6.2004; die Hervorhebungen und Unterstreichungen sind nicht Bestandteil des Originals.
2
BT-Drs. 15/3274 vom 8.6.2004; die Hervorhebungen und Unterstreichungen sind nicht Bestandteil des Originals.
3
BT-Drs. 16/2265 vom 14.7.2006.
4
BT-Drs. 16/9709 vom 23.6.2008, S. 4.
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
wähnt 5 ), musste der Finanzausschuss inzwischen jedoch selbst feststellen, dass der vorliegende Regierungsentwurf zur Reform des Kontopfändungsrechts nicht dazu geeignet
ist, die Situation beim Girokonto für jedermann zu verbessern. 6 Der Regierungsentwurf
gewährt nämlich nicht den Anspruch auf die Einrichtung eines P - Kontos, sondern lediglich die Umstellung eines bestehenden Girokontos auf ein P - Konto. Wer also kein
Konto hat, wird auch durch die Kontopfändungsreform kein Konto erhalten.
Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass der Regierungsentwurf in dieser Hinsicht verbessert wird. Vielmehr ist seit dem erweiterten Berichterstattergespräch des
Rechtsausschusses im April nun völlig unklar, ob die Reform überhaupt kommen wird.
Die drei ausgesprochenen Empfehlungen der Bundesregierung sind jedoch
grundsätzlich kumulativ gemeint. Die ungewisse Kontopfändungsreform könnte nur in
Verbindung mit einer Selbstverpflichtung der Banken, die ihren Namen verdient und der
Verbindlichkeitserklärung der Schlichtungssprüche der Ombudsmänner den Zugang von
finanziell schwächeren Menschen am bargeldlosen Zahlungsverkehr verbessern.
Ein unmissverständlicher Appell des Deutschen Bundestages an die Kreditwirtschaft bezüglich der Selbstverpflichtung der Banken und der Verbindlichkeitserklärung der
Schlichtungssprüche hätte das Recht auf ein Girokonto für jedermann ohne die Einführung eines gesetzlichen Anspruchs gefördert und das Reformvorhaben des
Kontopfändungsrechts in keiner Weise tangiert.
Hierzu hätte jedoch der Finanzausschuss eine entsprechende Beschlussempfehlung abgeben müssen. Eine schlichte Kenntnisnahme reicht nicht aus. Es ist nicht akzeptabel,
dass sich der Finanzausschuss den deutlichen Vorschlägen der Bundesregierung
widersetzt hat.
Obwohl auf den letzten Bericht der Bundesregierung hin nichts geschehen ist, erfolgt
nun ein neuer Bericht zur Umsetzung der Empfehlung des ZKA. Wir haben erneut Zahlen- und Datenmaterial zusammengetragen, möchten jedoch darauf hinweisen, dass die
Motivation der SchuldnerberaterInnen, Fälle zu schicken und Einschätzungen abzugeben, abgenommen hat. Sie rechnen nicht mehr mit einer Verbesserung der Lage
durch eine erneute Stellungnahme. Die Schuldnerberatungsstellen hatten weiterhin nur
knappe 5 Wochen Zeit, Daten und Fälle an uns weiterzugeben.
In der Stellungnahme werden folgende Auswertungen berücksichtigt:
•
•
•
•
Auswertung der Verbraucherzentrale Hamburg vom 1.1.-1.6.2008;
Auswertung der computergestützten Klientenstatistik der anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Berlin für das Jahr 2007 und das erste
Halbjahr 2008 - mitgeteilt durch die Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit
und Soziales (SenIAS);
Der 2008 veröffentlichte Überschuldungsreport des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff); 7
Statistiken einzelner Beratungsstellen.
Die Stellungnahme beschreibt die rechtlichen Entwicklungen des Girokontos für jedermann auch in anderen Ländern wie Belgien, Frankreich und Österreich, um
Ansatzpunkte für die politische Diskussion in Deutschland aufzuzeigen.
5
BT-Drs. 16/9709 vom 23.6.2008, S. 8.
BT-Drs. 16/9709 vom 23.6.2008, S. 8.
7
http://news.iff-hh.de/media.php?id=3056.
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4
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
2. Umsetzung des Bundestagsbeschlusses vom 30.6.2004 durch die Kreditwirtschaft
2.1 Schriftliche Begründung der Kontoverweigerung und Kontokündigung
Die Situation ist unverändert: Kontoverweigerungen erfolgen in aller Regel mündlich mit
Floskeln wie „Ihre Schufa - Auskünfte sind zu schlecht“ oder „Solche Kunden wie Sie wollen wir hier nicht“. Nur auf ausdrückliche Nachfrage wird die Kontoverweigerung schriftlich
begründet. Fordern Kontosuchende eine schriftliche Begründung ein, so erhalten sie in der
Regel eine Begründung, die nach keinem der Kündigungsgründe der ZKA - Empfehlung
gerechtfertigt ist.
Kontokündigungen werden zwangsläufig schriftlich verfasst, aber auch hier gilt: In vielen
Fällen ohne Begründung. Zur Veranschaulichung zitieren wir beispielhaft für eine Vielzahl
von Fällen unterschiedlicher Kreditinstitute eine klassische Kontokündigung ohne Angabe
von Gründen hier von der Deutschen Bank Darmstadt vom 15.5.2008:
„Sehr geehrter Herr (…), aufgrund Nr. 19 Abs. 1 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) haben wir das Recht, die gesamte Geschäftsverbindung zu Ihnen
jederzeit zu kündigen. Hiervon machen wir Gebrauch und kündigen Ihr Konto mit
Wirkung zum (…).“
Ohne die schriftliche Begründung kann ein Ombudsmann nicht prüfen, ob die Ablehnung
bzw. Kündigung rechtens im Sinne der ZKA - Empfehlung war. Diese Überprüfung scheint
aber auch nicht immer gewollt zu sein, wie folgendes Beispiel verdeutlicht:
Nachdem die Deutsche Bank Wuppertal mit Schreiben vom 13.11.2007 ein Girokonto ohne
Angaben von Gründen gekündigt hatte und der Bankkunde auf einer Begründung der Kontokündigung bestand, erwiderte die Bank mit Schreiben vom 21.11.2007:
„Gerne haben wir den Sachverhalt geprüft. Unser Fachbereich hat Ihre Konten nach
§ 19.1. unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gekündigt. Wir haben in
diesem Fall das Recht eine Kündigung ohne Angaben von Gründen auszusprechen.
Wir bitten daher um Ihr Verständnis, dass wir auch in diesem Fall keine Gründe angeben werden.“
Daraufhin wurde das Schlichtungsverfahren durchgeführt. Der Ombudsmann der Privaten
Banken, Horst-Diether Hensen, entschied mit Schiedsspruch vom 22.2.2008:
„Die Bank brauchte die Kündigung nicht zu begründen. Auf den Streit, ob die von ihr
genannten Gründe zutreffen oder nicht, kommt es also nicht an.“
Damit wird die in der ZKA - Empfehlung ausgedrückte Absicht, Guthabenkonten einzurichten, nicht nur von Seiten der Bank, sondern auch von Seiten des bankeneigenen
Schlichters vollständig ignoriert.
Auch die Verbraucherzentrale Hamburg berichtete uns, dass bei der Haspa eine schriftliche
Begründung für die Ablehnung selbst dann nicht gegeben wird, wenn Kontosuchende diese
ausdrücklich einfordern.
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vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
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Die fehlende schriftliche Begründung beeinträchtigt zudem die Rechtsposition der
Empfänger von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II, III und XII (Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe). Da sie nichts Schriftliches erhalten, können sie
nicht ihre gesetzliche Pflicht erfüllen, nachzuweisen, dass sie „unverschuldet“ ohne Konto
sind. Ohne diesen Nachweis zieht ihnen der Leistungsträger von ihrer Leistung die Baranweisungsgebühr ab.
Es scheint, dass viele Bankfilialen immer noch nicht über die Existenz des laut ZKA seit Juli
2005 zur Verfügung stehenden Vordruckes für eine schriftliche Begründung (Merkblatt) informiert worden sind. Das Merkblatt taucht bei den Banken vor Ort bis heute sehr
selten auf und wird seitens der Banken nur genutzt, wenn der Kontosuchende eine
schriftliche Begründung ausdrücklich einfordert.
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat in dem Zeitraum vom 01.01. bis 01.06.2008 ganze
124 Fälle von Kontoverweigerungen registriert. In keinem dieser Fälle hat die Bank eine
Begründung auf der Grundlage des Vordrucks, auch nicht in abgewandelter Form, ausgehändigt. Alle an diesen 124 Neufällen beteiligten Banken gehören zu Mitgliedsverbänden
des ZKA.
2.2 Hinweis auf Schlichtungsverfahren
Wir haben die Schuldnerberatungsstellen unserer Mitgliedsverbände gebeten, mitzuteilen,
ob sich die Information über das Schlichtungsverfahren in den letzten beiden Jahren verbessert hat. Hierzu interessierte uns wiederum das seit Juli 2005 „eingeführte“ Merkblatt,
das einen Hinweis auf das Ombudsmannverfahren enthält, aber auch die grundsätzliche Bereitschaft der Banken, bei Kontoablehnungen bzw. Kontokündigungen auf die
Möglichkeit des Ombudsmannverfahrens aufmerksam zu machen.
Aus den Rückmeldungen der Beratungsstellen geht hervor, dass - abgesehen davon, dass
die Banken in seltenen Fällen das Merkblatt aushändigen - keinem der SchuldnerberaterInnen überhaupt schon einmal ein Klient begegnet ist, der über die Möglichkeit des
Ombudsmannverfahrens von einer Bank informiert wurde.
Wir können deshalb feststellen, dass die Kontosuchenden auch weiterhin nicht über die
Möglichkeit der kostenlosen Inanspruchnahme der zuständigen Schlichtungsstelle
informiert werden und das Merkblatt lediglich in seltenen Einzelfällen erhalten. Um
die Einhelligkeit der Reaktionen der Beratungsstellen quer durch die Bundesrepublik zu
verdeutlichen, möchten wir exemplarisch den Wortlaut einiger Antworten indirekt wiedergeben:
•
Der Verbraucherzentrale Hamburg ist keine Bank bekannt, die bei der Kontoablehnung auf das Ombudsmannverfahren hingewiesen hat.
•
Das Diakonische Werk im Neckar-Odenwald-Kreis gibt an, dass den von ihnen
betreuten Kontosuchenden noch in keinem Fall das Merkblatt ausgeteilt wurde und
diese noch in keinem Fall über die Möglichkeit des Ombudsmannverfahrens informiert wurden.
6
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
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•
Der Diakonischen Bezirksstelle Esslingen ist bisher kein Fall bekannt, in dem im
Zusammenhang mit der Ablehnung eines Guthabenkontos auf das Ombudsmannverfahren hingewiesen wurde.
•
Der Verbraucherzentrale Hessen liegt kein Fall vor, in dem bei der Ablehnung eines Guthabenkontos bzw. bei der Kündigung eines Kontos auf die Möglichkeit des
Schlichtungsverfahrens hingewiesen wurde.
•
Die Schuldnerberatung Diakonisches Werk Cuxhaven gibt an, dass bei Kontoablehnung kein Hinweis auf das Schlichtungsverfahren erfolgt.
•
Die BeraterInnen der Schuldner- und Insolvenzberatung AWO FriedrichshainKreuzberg geben an, dass sie es in ihrer Beratung noch nie erlebt haben, dass ihren Klienten das Merkblatt ausgehändigt wurde und dass diese anderweitig über
das Ombudsmannverfahren informiert wurden.
•
Die Diakonie Hochfranken teilt mit, dass ihre Kunden von der Existenz eines Ombudsmannverfahrens nicht unterrichtet werden.
•
Die Schuldnerberatung des Caritasverbandes Karlsruhe trifft die Aussage, dass
von ihren Klienten noch keiner das Merkblatt erhalten hat.
•
Der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes Pfalz in Speyer ist kein
Fall bekannt, bei dem ihre Klienten über das Ombudsmannverfahren informiert wurden bzw. diesen das Merkblatt ausgehändigt wurde.
•
Das Diakonische Werk in Neustadt a.d. Aisch gibt an, dass in keinem der ihm bekannt gewordenen Fälle die Klienten seitens der Bank auf die Möglichkeit des
Ombudsmannverfahrens hingewiesen wurden; entsprechende Merkblätter seitens
der Bank wurden nicht ausgegeben.
Die Liste der Beratungsstellen, die dieselben Aussagen treffen, ließe sich lange fortsetzen.
Wir möchten auch anmerken, dass in keinem der von uns im Folgenden zitierten Schreiben
der Banken auf die Möglichkeit des Schlichtungsverfahrens hingewiesen wurde.
Auf der Internetseite www.zka.de steht das Merkblatt zum Download zur Verfügung. In
dem Tätigkeitsbericht des Ombudsmannes der Privaten Banken für das Jahr 2007 wird
angeführt, dass die Verwendung des Merkblattes im Ombudsmannverfahren „stetig zugenommen hat“. Welche Zahlen sich hinter der Formulierung „stetig zunehmen“ verbergen,
lässt der Tätigkeitsbericht offen. Da die Verbraucher den ZKA jedoch in der Regel nicht
kennen, weder namentlich noch in seiner Funktion, nutzt ihnen die Internetseite des ZKA
zum Girokonto für jedermann wenig.
Die Verbraucher erhalten die Merkblätter in der Regel dann, wenn sie - meist über eine
Schuldnerberatungsstelle - über ihre Rechte informiert worden sind und eine schriftliche
Begründung explizit eingefordert haben. Es wird nicht durch das Merkblatt über das
Schlichtungsverfahren informiert. Vielmehr erhalten nur die bereits vorher Informierten das
Merkblatt und können es an die Schlichtungsstellen senden.
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vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
2.3 Entgegennahme sämtlicher Beschwerden
Es werden nicht sämtliche Beschwerden von den Ombudsmännern entgegen genommen.
Wir zitieren aus einem Schreiben der Kundenbeschwerdestelle beim Bundesverband der
Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) vom 14.5.2008:
„Sehr geehrte Frau (…), wir bestätigen den Erhalt Ihres Schreibens vom (…) und
müssen Ihnen zu unserem Bedauern mitteilen, dass wir in der Angelegenheit nicht
tätig werden können. Die Bank nimmt nicht am Ombudsmannverfahren teil. Eine
Schlichtung durch den Ombudsmann ist deshalb nicht möglich. Wir bitten hierfür um
Ihr Verständnis.“
2.4 Zeitnahe Prüfung der Beschwerden
Die Dauer der Verfahren wird sehr unterschiedlich angegeben. Die Verfahren können recht
zügig verlaufen. So geben die Verbraucherzentrale Hamburg, der Caritasverband Konstanz
und andere Beratungsstellen an, dass die geführten Schlichtungsverfahren zwischen 6 bis
8 Wochen dauerten.
Nach den Erfahrungen der Schuldner- und Insolvenzberatung AWO FriedrichshainKreuzberg kann sich das Ombudsmannverfahren jedoch über mindestens 6 Monate hinziehen. Deshalb sei es mehrfach vorgekommen, dass das Verfahren Monate nach
Einleitung für erledigt erklärt wurde, weil es den Betroffenen zwischenzeitlich doch noch
gelungen sei, bei einer anderen Bank ein Konto zu erhalten. Auch andere Beratungsstellen
geben an, dass die geführten Verfahren mehrere Monate gedauert haben.
Wir schließen aus den unterschiedlichen Angaben, dass die Dauer der Verfahren im
Einzelfall stark variiert. Nahezu alle Menschen benötigen das Konto jedoch sofort. Um die
nächsten Zahlungen (ALG II, Sozialhilfe, Kindergeld, Rente usw.) zu sichern, ist das Ombudsmannverfahren nicht geeignet, da es dafür in jedem Fall zu lange dauert.
2.5 Veröffentlichung der Schiedssprüche in geeigneter Form
Es ist festzustellen, dass die Schlichtungssprüche nicht in geeigneter Form veröffentlicht
werden. Zunächst werden sie lediglich in den Tätigkeitsberichten der Ombudsmänner des
Bundesverbandes deutscher Banken und des Bundesverbandes Öffentlicher Banken
veröffentlicht. Die Volks- und Raiffeisenbanken und die Sparkassen veröffentlichen die
Schiedssprüche nicht.
Der Bericht des Ombudsmannes der Privaten Banken für das Jahr 2007 erwähnt 386
Beschwerden zum Girokonto für jedermann, im Vorjahr waren es 431. Davon wurden im
Jahr 2007 jedoch nur drei Schlichtungssprüche mit dem dazu gehörigen Sachverhalt im
Tätigkeitsbericht abgedruckt. Alle drei Sprüche behandeln unterschiedliche Fallkonstellationen. Es werden sowohl Schiedssprüche abgedruckt, die zugunsten des Verbrauchers
ausgegangen sind als auch solche zugunsten der Banken. Es fehlt allerdings die Information, ob die betroffenen Banken den Schlichtungssprüchen zugunsten der
Beschwerdeführer gefolgt sind.
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vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
Der Tätigkeitsbericht der Kundenbeschwerdestelle des Bundesverbandes Öffentlicher
Banken hat für 2007 lediglich zwei Schlichtungssprüche abgedruckt, die einem ähnlichen Aufbereitungsmuster folgen wie die Jahresberichte des Ombudsmannes der Privaten
Banken. Beide Schlichtungssprüche weisen das Begehren des Beschwerdeführers auf ein
Konto ab. Jedoch ging es in den skizzierten Fällen um einen Beschwerdeführer, der sein
Konto für gewerbliche Tätigkeiten verwenden wollte und einen andere Beschwerdeführer,
wo in einer früheren Geschäftsbeziehung zur Bank schwerwiegende Vertragsverletzungen
geschehen sind. Insofern sind die dargestellten Fälle nicht repräsentativ für eine Vielzahl
von Kontolosen, die ein Bankkonto für die fundamentalen alltäglichen Geschäfte benötigen.
Es ist insgesamt fraglich, ob der Abdruck von Schlichtungssprüchen im Tätigkeitsbericht der Ombudsmänner die erforderliche Publizität herstellen kann, denn es ist davon
auszugehen, dass nur ein ausgewähltes Fachpublikum überhaupt Kenntnis von diesen Tätigkeitsberichten erhält und eben nicht derjenige, der dringend ein Konto benötigt.
Der Sinn einer Veröffentlichung solcher Schlichtungssprüche sollte darin bestehen,
dass sie zum einen Verbraucher in die Lage versetzen eine Abwägung vorzunehmen, ob
ihre Beschwerde Aussicht auf Erfolg haben könnte. Zum anderen sollen die veröffentlichten
Schlichtungssprüche entsprechende Handlungsmaximen bei den Geldinstituten bewirken,
damit nicht immer wieder ähnlich gelagerte Sachverhalte den Kundenbeschwerdestellen
vorgelegt werden müssen. Wir müssen jedoch von dem Gegenteil ausgehen.
Obwohl eine negative Schufa - Auskunft für die Verweigerung eines Girokontos nach der
ZKA - Empfehlung allein nicht ausreicht und es hierzu bereits bestätigende Schlichtersprüche verschiedener Ombudsmänner gibt 8 , ist dies nach wie vor ein Dauerbrenner bei den
eingereichten Kundenbeschwerden. Damit hat sich die im vorletzten Bericht der Bundesregierung ausgesprochene Hoffnung, dass von den veröffentlichten Schlichtersprüchen
eine Signalwirkung auch auf andere Banken ausgeht, nicht bewahrheitet.
Weiterhin sind die Sachverhalte in den Tätigkeitsberichten, insbesondere im Tätigkeitsbericht des Ombudsmannes der Privaten Banken, jeweils in formal-juristischer Sprache
dargestellt. Dies erschwert Verbrauchern, den Kern der Schiedssprüche zu erkennen und
auf ihre Situation zu übertragen.
8
BT-Drs. 15/2500 vom 11.2.2004, S. 6.
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vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
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3. Grundsätzliche Praxis der ZKA-Empfehlung seit dem letzten Bericht der Bundesregierung vom 14.7.2006
3.1 Verweigerung von Girokonten auf Guthabenbasis
Nur die Banken können das Datenmaterial zur Verfügung stellen, das eine Gesamtbetrachtung aller Verweigerungen eines Girokontos auf Guthabenbasis in Deutschland
ermöglicht. Bereits auf den vorletzten Bericht der Bundesregierung im Jahre 2004 9 hin hat
der Deutsche Bundestag auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses 10 hin die
Bundesregierung aufgefordert,
„auf die Kreditwirtschaft in geeigneter Weise einzuwirken, die geforderten Daten
vorzulegen, ohne eine Überbürokratisierung herbeizuführen;“ 11
Eine Überbürokratisierung ist im Hinblick auf die heutigen EDV - technischen Möglichkeiten
auszuschließen. Die Kreditwirtschaft verweist stets auf die positive Entwicklung der Zahl der
Guthabenkonten. Wenn denn die Situation sich tatsächlich so prächtig entwickelt hätte wie
die Banken sie darstellen, so müsste es auch im Interesse der Banken liegen, aussagekräftige Daten zu präsentieren.
Dies haben die Banken jedoch nicht getan. Stattdessen haben sie Zahlen von Guthabenkonten angegeben, in die Girokonten Minderjähriger und Girokonten eingerechnet wurden,
die auf ausdrücklichen Wunsch der Kunden ohne Dispositionskredit geführt werden. Dies
zeigt die Mühe, ein vermeintlich positives Bild der Situation des Girokontos für jedermann
darzustellen.
Das Ziel der ZKA - Empfehlung von 1995 wurde nicht erreicht: Noch immer sind in
Deutschland zu viele Menschen ohne Konto. Im Folgenden führen wir Statistiken an, die
offensichtlich nur punktuell die aktuelle Situation widerspiegeln können. Wir möchten hinsichtlich der Beurteilung der Zahlen darauf hinweisen, dass die vorhandenen
Schuldnerberatungsstellen lediglich 10 - 15 % der überschuldeten Haushalte erreichen. 12
In dem Zeitraum vom 1.1.-1.6.2008 haben sich bei der Verbraucherzentrale Hamburg, die
eine von acht gemeinnützigen Trägern von Schuldnerberatung in Hamburg ist, 81 Kontosuchende gemeldet. Es wurden 124 Ablehnungen eines Kontos auf Guthabenbasis gezählt.
Die Commerzbank teilte im Mai mit, dass ihr Etat an Guthabenkonten erschöpft sei. Die
Haspa lehnte Kontolose mit der Aussage ab, dass die Bank, bei der sie zuletzt ein Konto
führten, sie zurücknehmen müsste.
Die computergestützte Klientenstatistik der anerkannten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Berlin - mitgeteilt durch die Berliner Senatsverwaltung für Integration,
Arbeit und Soziales (SenIAS) - verzeichnet eine steigende Tendenz von Kontolosen. Im
ersten Halbjahr 2007 lag die Quote der Kontolosen bei 8,68 %, im zweiten Halbjahr 2007
bei 9,24 % und im ersten Halbjahr 2008 bei 9,62 %. Es ist davon auszugehen, dass die
9
BT-Drs. 15/2500 vom 11.2.2004.
BT-Drs. 15/3274 vom 8.6.2004.
11
BT-Drs. 15/3274 vom 8.6.2004, S. 2; die Hervorhebungen und Unterstreichungen sind nicht Bestandteil des
Originals.
12
Stefan Sell, Schuldnerberatung ist Armutsbekämpfung, Vortrag bei der Jahresfachtagung der Bundesarbeits
gemeinschaft Schuldnerberatung in München am 23. April 2008.
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Zahl der Personen ohne Konto zu Beginn der Beratung noch höher ist, da die Daten zur
Kontolosigkeit im Verlauf des Beratungsprozesses aktualisiert werden und die Auswertung
den jeweils aktuellsten Stand erfasst. Hierbei ist anzumerken, dass die statistischen Daten
nur die in den Beratungsstellen laufenden Fälle widerspiegeln, das sind nur ca. 7 % aller
geschätzt überschuldeten Haushalte in Berlin.
Der 2008 veröffentlichte Überschuldungsreport des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) 13 beziffert den Anteil der Überschuldeten ohne Konto im Jahr 2007 auf 20 %. Dies
ist ein leichter Anstieg zu den Vorjahreszahlen aus 2005 und 2006, in denen 18 % ermittelt wurden.
In dem Zeitraum vom 1.6.2007-1.6.2008 weist die Computersoftware CaWin der AWO
Bremerhaven 247 Beratungsfälle auf, bei denen nur jeder Dritte über ein eigenes Konto
verfügte, was im Ergebnis etwa 82 Fälle betrifft.
Die Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung München (ARGE München) beziffert die
Anzahl der Fälle, in denen die Eröffnung eines Kontos zumindest zunächst verweigert wurde, in dem Zeitraum vom 1.1.2007-8.8.2008 auf ca. 700.
Die Schuldnerberatung NEUE ARBEIT GmbH in Stuttgart hat per Datenabgleich ermittelt, dass am 26.7.2008 von 1400 Personen 170 über kein oder kein eigenes Konto
verfügten, das sind 12,14 %.
Das Diakonische Werk Hamburg ermittelte anhand der Computersoftware CaWin: Im Jahr
2007 wurden dort 1566 Ratsuchende beraten, wovon 244 Personen kontolos waren, das
sind 16,2 %. Die Anzahl der Personen, die ein Konto von Verwandten oder Bekannten nutzten, lag bei 95, was 6,31 % entspricht. Die Zahl der Ratsuchenden vom 1.1.-29.8.2008 lag
bei 1382 Personen, von denen 198 ohne Konto waren, das sind 15,1 %. Die Anzahl von
Personen, die ein Fremdkonto nutzten, lag bei 86, was 6,56 % entspricht.
3.2 Erfahrungen mit dem Kontrahierungszwang in Sparkassenverordnungen
Die Sparkassenverordnungen in den Bundesländern Bayern, Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt sehen
für die Einrichtung von Guthabenkonten einen Kontrahierungszwang vor. Die Regelungen
orientieren sich an der ZKA - Empfehlung, allerdings begrenzen einige Sparkassenverordnungen die Ausnahmetatbestände auf wenige Unzumutbarkeitsgründe aus der ZKA Empfehlung. Die Sparkasse Berlin hat gegenüber dem Senat eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben, welche sie nach einer Gerichtsentscheidung in 2003 14 rechtlich bindet.
Die Rückmeldungen der Beratungsstellen zeigen, dass die Zahl der Problemfälle bei den
Sparkassen in diesen Bundesländern niedriger ist als in den Bundesländern ohne Kontrahierungszwang der Sparkassen. Es ist damit festzustellen, dass ein Kontrahierungszwang
zu einem deutlich höheren Disziplinierungseffekt führt.
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http://news.iff-hh.de/media.php?id=3056.
Urteil des Landgerichts Berlin vom 24.4.2003 – Gz. 21 S 1/03.
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vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
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3.3 Gebühren für Guthabenkonten und Kopplungsgeschäfte
Immer noch ist es Strategie einiger Banken, unerwünschte Kunden von sich aus „zum Gehen zu überreden“. Dabei werden die Kontoführungsgebühren für Guthabenkonten
dergestalt erhöht, dass Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger sich das Konto nicht mehr
„leisten“ können.
Die Verbraucherzentrale Hamburg teilte z.B. mit, dass vereinzelte Filialen der Deutschen
Bank in Hamburg nur ein Guthabenkonto gegen eine Gebühr von monatlich 9,95 Euro vergaben. Zur Veranschaulichung zitieren wir aus zwei klassischen Schreiben nach erfolgter
Kontopfändung. Die Stadtsparkasse Augsburg teilt ihrem Kunden mit Schreiben vom
24.7.2008 mit:
„Wir werden Ihr Konto Nr. (…) daher ab (…) nach unserem Preismodell „Intensivkonto“ führen. Dies beinhaltet gemäß unserem Preis- und Leistungsverzeichnis welches in allen Geschäftsstellen aushängt - einen monatlichen Grundpreis von
9,90 Euro. Wir bitten für diese Maßnahme um Ihr Verständnis. Im Falle Ihres Widerspruches wären wir bedauerlicherweise gezwungen, die bestehende
Kontoverbindung zu überdenken.“
Die Sparkasse Holstein führt in einem Schreiben vom 2.10.2007 aus:
„(…) Unseren Geschäftsbedingungen entsprechend fallen Guthabenkonten in unser
Preismodell „Girokomfort“ mit einem monatlichen Grundpreis von 7,50 Euro. Die
Führung als kostenfreies Onlinekonto ist nicht möglich. Wir werden Ihr Konto zukünftig mit diesem Preis abrechnen, beachten Sie die beigefügten Preisinformationen.“
Wie wirksam die Höhe der Kontoführungsgebühren auch als Druckmittel eingesetzt wird,
um Kunden „zur Räson“ zu bringen, verdeutlicht folgendes Beispiel: Nachdem einem Kunden Gebühren für die Nichteinlösung von Lastschriften mangels ausreichender
Kontodeckung auferlegt wurden und der Kunde auf ein BGH - Urteil hinwies, das die Unrechtmäßigkeit dieser Gebühren entschied und die Erstattung der Gebühren forderte,
schrieb die Sparkasse Bad Hersfeld-Rotenburg:
„Natürlich werden wir den Kostenersatz aufgrund des Urteils wunschgemäß erstatten, der von uns für die Bearbeitung der mangels Deckung erfolgten
Rücklastschriften vereinnahmt wurde. (…) Aufgrund unseres individuellen Aufwandes mit Ihrem Konto kommt eine Überprüfung des monatlichen Grundpreises in
Betracht. Bedenken Sie dies bitte, sofern Sie weiterhin auf eine Erstattung bestehen
sollten.“
Neuerdings scheint die Praxis aufzukommen, dass Banken von der verzweifelten Suche
nach einem Konto profitieren wollen: Die Schuldner- und Insolvenzberatung der Stadt München wie auch die AWO München erreichen immer wieder Schilderungen ihrer Klienten,
dass Banken die Eröffnung eines Girokontos von weiteren Vertragsabschlüssen, insbesondere dem Abschluss von Lebensversicherungen, abhängig machen.
12
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
3.4 Kündigungen von Girokonten
3.4.1 Nach Eingang einer Kontopfändung
Wir möchten die Aussage des ZKA aus dem vorletzten Bericht der Bundesregierung wiedergeben:
„Sämtliche Verbände betonen, dass in keinem Fall einzelne Pfändungsmaßnahmen zu einer Kündigung des Kontos führen. Die Geschäftsbeziehung werde
vielmehr erst dann abgebrochen, wenn durch eine Mehrzahl von Vollstreckungsmaßnahmen das Konto blockiert und eine Teilnahme am bargeldlosen
Zahlungsverkehr dadurch nicht mehr möglich ist.“ 15
Diese Aussage widerspricht den Fällen und Einschätzungen, die der vzbv von den Beratungsstellen erhielt. Danach kündigen Banken weiterhin regelmäßig aufgrund von nur
einer Kontopfändung.
Einige Banken drohen die Kontokündigung bereits unmittelbar nach Eingang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an. Die Kontokündigung ist in der Regel nur zu
verhindern, wenn der Kontoinhaber für die Ruhendstellung oder Aufhebung der Pfändungsmaßnahme in einem festgelegten Zeitraum (zwei bis sechs Wochen) sorgen kann.
Eine klassische Kontokündigung hier von der Postbank Dortmund vom 10.7.2008:
„Sehr geehrter Herr (…), wir erklären hiermit die Kündigung des Girovertrages mit
Wirkung zum (…). Bitte vernichten Sie zu diesem Termin Ihre ggf. noch vorhandenen Zahlungsverkehrsvordrucke und die zum Konto ausgestellte(n) Karte(n). Sollte
uns allerdings vorher die Aufhebung der Pfändung oder eine Ruhendstellung bekannt werden, werden wir diese Kündigung zurücknehmen.“
3.4.2 Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Der ZKA wird im vorletzten Bericht der Bundesregierung weiter wie folgt zitiert:
„Auf entsprechende Nachfrage betonten die Kreditinstitute jedoch, dass ein Girokonto bei
Einleitung eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich fortgeführt werde, es sei denn, es
gebe hinreichend andere Gründe, die zu einer Kündigung führen.“ 16
Mittlerweile ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein sehr verbreiteter Kündigungsgrund. In der Regel ist das kontoführende Institut nicht Insolvenzgläubiger.
Zur Veranschaulichung zitieren wir folgende Beispiele:
Die Volksbank - Raiffeisenbank Döbeln äußert sich deutlich in einem Schreiben vom
24.7.2008:
„Die Bank führt mit Eröffnung einer Privatinsolvenz generell keine Konten weiter,
auch wenn diese als Betreuerkonten verwaltet werden.“
15
16
BT-Drs. 15/2500, S. 4; die Hervorhebungen und Unterstreichungen sind nicht Bestandteil des Originals.
BT-Drs. 15/2500, S. 4; die Hervorhebungen und Unterstreichungen sind nicht Bestandteil des Originals.
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vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
Die Dresdner Volksbank Raiffeisenbank schrieb ihrem Kunden am 12.6.2008:
„Mit Beschluss des Amtsgerichtes Dresden vom (…) erhielten wir die Mitteilung,
dass über Ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren anhängig ist. Aufgrund dieses
Schreibens ist es uns - auch unter tunlichster Beachtung Ihrer berechtigten Belange
- nicht zuzumuten, die Geschäftsverbindung fortzusetzen. Unter Bezugnahme auf
Tz. 19 Abs. 3 unserer Allgemeinen Geschäftsverbindungen sehen wir uns daher
veranlasst, wegen dieses wichtigen Grundes die Geschäftsverbindung zu Ihnen mit
sofortiger Wirkung zu kündigen.“
Die Volksbank Darmstadt teilte Ihrem Kunden am 21.5.2008 mit:
„Wie uns bekannt wurde, wurde am (…) das Insolvenzverfahren beim Amtsgericht
(…) eröffnet. Auf Grund der vorgenannten Sachlage kündigen wir hiermit die gesamte, mit Ihnen bestehende Geschäftsverbindung gemäß § 19 Abs. 3 unserer
Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit sofortiger Wirkung (…). Die Gründe für die
fristlose Kündigung der gesamten Geschäftsverbindung liegen in der drohenden und
auch eingetretenen wesentlichen Verschlechterung Ihrer Vermögenslage, die sich
wiederum ausdrückt in der Gefährdung der Erfüllung Ihrer Verbindlichkeiten.“
Die Postbank Dortmund schrieb ihrem Kunden am 26.8.2008:
„Nach eingehender Prüfung können wir Ihnen heute leider keine positive Nachricht
geben. Mit ggf. eröffneter Insolvenz ist die o.g. Pfändung nicht unbedingt unwirksam.
Pfändungen, die mehr als drei Monate vor Antragstellung beim Drittschuldner zugestellt worden sind, müssen weiter beachtet werden. Hier hat der Gläubiger ein s.g.
„abgesondertes Befriedigungsrecht“. Zur Weiterführung des Girokontos benötigen
wir deshalb die Aufhebung der Pfändung durch den Gläubiger. Nur so kann unter
der bisherigen Kontonummer ein neuer Vertrag abgeschlossen werden, da die bisherige Geschäftsverbindung mit Insolvenzeröffnung gemäß §§ 115 und 116 InsO
erloschen wäre. Aus den o.g. Gründen halten wir an unserer Kündigung zum (…)
fest.“
3.4.3 Wegen Eintragungen bei der Schufa, Arbeitslosigkeit und anderen Gründen
In der ZKA - Empfehlung vom Juni 1995 heißt es:
„Die Bereitschaft zur Kontoführung ist grundsätzlich gegeben, unabhängig von Art
und Höhe der Einkünfte, z.B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Eintragungen bei
der Schufa, die auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Kunden hindeuten,
sind allein kein Grund, die Führung eines Girokontos zu verweigern.“
Uns wurde mehrfach beschrieben, dass die Sparda Bank generell bei Anfragen nach einem
Guthabenkonto die Kontosuchenden mit dem mündlichen Hinweis ablehnt, dass bei ihnen
nur Menschen mit regelmäßigen Gehaltseingängen ein Konto erhalten würden. Auch die
Verbraucherzentrale Hamburg zählte von 124 Ablehnungen eines Kontos auf Guthabenbasis 22 Ablehnungen aufgrund von Arbeitslosigkeit. Das Ablehnen von wirtschaftlich
Schwächeren scheint somit zu einer neuen Fallgruppe der Ablehnungsgründe zu
werden.
14
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
Auch die Variante, ein Guthabenkonto wegen negativer Schufa - Eintragungen abzulehnen, tritt sehr häufig auf. Die Verweigerung der Kontoeröffnung erfolgt in aller Regel
mündlich. Durch das Einholen der Schufa - Auskunft bei der Anfrage nach Eröffnung eines Guthabenkontos verstoßen die Banken gegen § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des
Bundesdatenschutzgesetzes. Bezüglich der Einzelheiten verweisen wir auf die Stellungnahme des vzbv vom 28.2.2006.
Manche Banken sind erfindungsreich, um die Eröffnung von Guthabenkonten zu verhindern, wie das folgende Beispiel zeigt:
Frau X, die mit ihrem Ehemann am 13.5.2008 eine Filiale der Berliner Sparkasse aufsuchte,
wollte explizit ein Guthabenkonto eröffnen. Die Mitarbeiterin der Bank fragte sie, ob sie arbeiten und Deutsch sprechen würde. Auf die Antworten hin lehnte die Bank eine
Kontoeröffnung ab. Das Ehepaar musste insistieren, um eine schriftliche Begründung für
die Kontoverweigerung zu erhalten. Als Begründung gab die Bank an:
„Die rechtliche Grundlage für eine Kontoeröffnung liegt nicht vor, da die Kundin ausschließlich französisch und arabisch spricht oder versteht. Ein amtlich vereidigter
Dolmetscher war nicht zugegen.“
Frau X arbeitet nicht - sie spricht Englisch, Arabisch und Französisch, ihr Ehemann spricht
Deutsch. Nachdem das Ehepaar durch Aktivwerden des Antidiskriminierungsnetzwerks
Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg von der Möglichkeit des Schlichtungsverfahrens erfahren hatte, wurde dieses eingeleitet. Die Kundenbeschwerdestelle des
Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands teilte am 12.6.2008 mit, dass die Landesbank Berlin zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Bis heute (28.8.2008) ist keine
weitere Information erfolgt.
3.5 Schlichtungsverfahren
3.5.1 Schiedssprüche
Keine Bank muss sich an einen Schiedsspruch halten. Dies hat das Hanseatische Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 22.12.2005 17 entschieden. Deshalb ist es nur natürlich,
dass immer wieder Fälle auftreten, in denen die Banken die Schiedssprüche nicht befolgen.
Aktuell ist uns durch die AWO Bremerhaven mitgeteilt geworden, dass sich im Landkreis
Cuxhaven einige Banken grundsätzlich weigern, die Schiedssprüche zu befolgen.
Mangels jeglichen verbindlichen Charakters der ZKA - Empfehlung selbst im Innenverhältnis „ZKA - Mitgliedsverbände - Geldinstitute“ kann es kein geeignetes Instrument sein, um
das Problem der Kontolosigkeit zu beheben.
3.5.2 Aussagekraft der Anzahl an Schlichtungsverfahren
Die Anzahl der bei den Ombudsmännern eingegangenen Beschwerden und ergangenen
Schiedssprüche sagt nichts über die eigentliche Anzahl derjenigen Verbraucher aus, denen
seitens der Banken ein Konto verweigert wurde.
17
Geschäftszeichen: 2 U 67/05 = 2 O 408/05. Gegenstand war hier die Schiedsordnung des Bundesverbandes
Öffentlicher Banken.
15
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
Wie bereits ausgeführt, wissen die Kontosuchenden in den allermeisten Fällen nicht, dass
es das Schlichtungsverfahren überhaupt gibt. Selbst wenn die Verbraucher von den
SchuldnerberaterInnen auf diese Möglichkeit hingewiesen werden, so nutzen die
Verbraucher diese Möglichkeit nur in wenigen Fällen, denn sie benötigen in der Regel so
dringend und zeitnah ein Konto, dass eine „Notlösung“ gefunden werden muss.
Diese besteht häufig darin, dass ein „Fremdkonto“ von einem Familienmitglied oder Freunden mitgenutzt wird. In vielen Fällen helfen die SchuldnerberaterInnen aber auch dergestalt
aus, dass sie ihren Klienten über gute Kontakte zu Bankangestellten ein Konto „vermitteln“
oder sie rüsten ihre Klienten mit Informationen zu der ZKA - Empfehlung und raten ihnen
bei weiteren Banken anzufragen, anstatt ein zeitintensives Schlichtungsverfahren anzustrengen.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass für abgewiesene Verbraucher die Aussicht auf
ein im besten Falle mehrwöchiges Ombudsmannverfahren mit ungewissen Erfolgsaussichten eine Option ist, die wenig Anklang findet. Insbesondere, wenn die
Verbraucher von den SchuldnerberaterInnen erfahren, dass aufgrund der Unverbindlichkeit
der Schiedssprüche selbst bei einem positiven Schiedsspruch nicht sicher ist, dass sie ein
Konto erhalten.
Die Zahl derjenigen, die ihre Rechte kennen und darüber hinaus bereit sind auf Konfrontationskurs zu gehen, ist gering. Das in Deutschland derzeit betriebene
Schlichtungsverfahren ist defizitär und nicht dazu geeignet, weite Kreise der kontolosen
Verbraucher bzw. die von Kontolosigkeit bedrohten Verbraucher zu erreichen.
4. Das Recht auf ein Girokonto in Belgien, Frankreich und Österreich
4.1 Belgien
Seit dem 1.9.2003 hat ein Verbraucher mit Hauptwohnsitz Belgien einen Rechtsanspruch
auf Einrichtung eines sogenannten Sichtkontos auf Guthabenbasis bei einer Bank seiner
Wahl. Der Anspruch ist im „Loi instaurant un service bancaire de base“ verankert. 18 Bezüglich der Einzelheiten und Hintergründe des gesetzlichen Anspruchs verweisen wir auf die
Stellungnahme des vzbv vom 28.2.2006.
Die im Juni 2006 veröffentlichte Untersuchung des unabhängigen Interessenverbandes
Réseau Financement Alternatif hat erste Erfahrungswerte mit der neuen Regelung ermittelt.
Beteiligt waren Banken, Arbeits- und Sozialämter, Verbraucher- und Schuldnerberatungsstellen sowie ein Vertreter des zuständigen Mediationsservices. Der Bericht spricht eine
deutliche Sprache:
18
•
Die Zahl kontoloser Bürger, die vor Inkrafttreten des Gesetzes im Jahre 2001 mit
rund 40.000 angegeben wurde, hat sich zum Dezember 2005 auf rund 10.000 reduziert.
•
Dem Mediationsservice sind von September 2003 bis Dezember 2005 lediglich
803 Kontoverweigerungen gemeldet worden (Hinweis: Das neue Gesetz verpflichtet
die Banken zu dieser Meldung).
Moniteur Belge/ Belgisch Staatsblad vom 15.5.2003, Edition 2, S. 26402-26405.
16
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
•
In demselben Zeitraum wurden rund 3.500 Konten geschlossen. Die
Schließungen gingen auf unterschiedliche Umstände zurück. Zum Beispiel verfügte
der Kontoinhaber über mehr Bankprodukte, als gesetzlich für die Inanspruchnahme
des Basiskontos gestattet waren oder die finanzielle Lage des Kontoinhabers hatte
sich so verbessert, dass er keinen Anspruch mehr auf das Basiskonto hat.
•
Die gesetzlich vorgesehene außergerichtliche Streitschlichtung durch das Service
Médiation Banques - Crédit - Placements hatte von September 2003 bis Dezember
2005 lediglich 15 Anträge zu bearbeiten. Davon sind vier Beschwerden aus dem
Jahr 2005, die übrigen aus den Vorjahren. Ferner gab es 2006 zwei Beschwerden
und keine im Jahre 2007. Im Jahr 2008 sind ebenfalls noch keine Beschwerden eingegangen.
•
Die Banken halten sich an die gesetzlich vorgeschriebene Obergrenze für die
Kontoführungsgebühr, die seit dem 1.1.2006 im Jahr 12,62 € beträgt. Zwei
Banken berechnen nur 8,68 € im Jahr; eine Bank bietet das Konto kostenlos an.
•
Die Banken bewerben das Konto zwar nicht aktiv, sie halten jedoch ganz
überwiegend von sich aus ihre gesetzliche Verpflichtung zu seiner Eröffnung und
Fortführung ein.
Damit demonstriert Belgien anschaulich die Vorzüge einer gesetzlichen Regelung:
Sie diszipliniert flächendeckend die Banken in einem viel stärkeren Maße, als es eine
Selbstregulierungsmaßnahme des eigenen Bankenverbandes vermag. Der
Disziplinierungseffekt bewirkt weiter, dass sich die Zahl echter Streitfälle auf ein
Minimum reduziert. Weiter sind auch Schuldner- und Verbraucherberatungsstellen von
einer Vielzahl von Problemfällen entlastet worden. Die belgische Regierung selbst beurteilt
die Einführung des „Loi insturant un service de base“ als durchweg positiv. So sei die Anwendung des Gesetzes durch die Banken schnell und problemlos erfolgt und der
Rechtsanspruch vom kontolosen Teil der Bevölkerung sehr weitgehend geltend gemacht
worden.
Mit dem Belgischen Königlichen Erlass vom 1.4.2007 zur Änderung des Königlichen Erlasses vom 7.9.2003 wurde der Anspruch auf Basis-Dienstleistungen seitens der Bank sogar
maßgeblich erweitert: Es wurde festgelegt, dass das Bestehen einer Kreditverpflichtung
nicht mehr Grund für die Ablehnung der Verweigerung von Bankdienstleistungen sein kann.
Darüber hinaus trat in Belgien am 1.1.2007 ein neues Kontopfändungsrecht in Kraft, welches einen neuen, pfändungsfreien Sockelbetrag verankert, dessen Minimalgrenzen im
Vergleich zur vorherigen gesetzlichen Regelung angehoben wurden.
Bestimmte Aspekte der belgischen Regelung sollten Vorbild für die politische Lösung in
Deutschland sein. Insbesondere die Beschränkung der Zulässigkeit der Kontoverweigerung
auf sachlich gerechtfertigte Unzumutbarkeitsgründe, die Regelung einer Preisobergrenze
und die finanziellen Ausgleichsregeln für Banken mit überproportionaler Nachfrage.
17
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
4.2 Frankreich
In Frankreich konnte sich bereits 1984 „jeder Antragsteller 19 , dessen Gesuch auf Eröffnung
eines Kontos von mehreren Kreditinstituten abgewiesen wird und der aufgrund dieses Umstandes kein Konto besitzt, an die Banque de France wenden, damit diese ihm ein
Kreditinstitut zuweist, bei der er ein Konto eröffnen kann.“ 20 Geregelt war dies in Artikel 58
des „Loi bancaire“.
Das Recht auf ein Konto ist seit dem 11.12.2001 in Art. L312-1 des „Code Monétaire et Financier“ geregelt. Bezüglich der Einzelheiten und Hintergründe des gesetzlichen Anspruchs
verweisen wir auf die Stellungnahme des vzbv vom 28.2.2006.
Obwohl die Anzahl der eröffneten Bankkonten seit 1998 erheblich angestiegen ist und dieser Anstieg seit 2004 weiterhin zunahm, hat sich die Umsetzung des Rechts auf ein Konto
in der Praxis deshalb als zu langwierig herausgestellt, weil sich die Banque de France für
die Zuweisung einer neuen Bank häufig zu viel Zeit lässt. Das Verfahren gilt daher als zu
wenig attraktiv und wird - auch nach Ansicht der französischen Regierung - noch zu wenig
in Anspruch genommen, so dass immer noch viele französische Bürger ohne Konto sind.
Ende Januar 2006 hat die französische Regierung einen Aktionsplan präsentiert, der die
Verpflichtungen benennt, für einen einfacheren Zugang der Bevölkerung zu einem Konto zu
sorgen, die Kontoinhaber obligatorisch mit einer Bankkarte für PIN - gestützte Transaktionen auszustatten und ihnen darüber hinaus den Zugang zu modernen Zahlungsmitteln zu
eröffnen, soweit dies angemessen ist. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Aktionsplans wird
auf die Stellungnahme des vzbv vom 28.2.2006 Bezug genommen.
An den Gesetzesvorstoß aus 2001 und den Aktionsplan aus 2006 hat sich eine weitreichende Diskussion über die Effizienz und Zugänglichkeit von Bankdienstleistungen
gegenüber allen Bevölkerungsschichten angeschlossen, die noch nicht beendet ist. Inhalt der Debatte sind ferner Bankgebühren und Mikrokredite für Arme.
Im Juni 2007 hat ein Regierungssprecher sogar verkündet, dass die französische Regierung an drei weiteren Punkten arbeitet, um die Kundenfreundlichkeit von Banken zu
gewährleisten: (1) So sollen die Möglichkeiten, für Angehörige aus niederen Einkommensschichten einen Kredit zu erlangen, erweitert werden. (2) Ferner soll eruiert werden, wie die
Informationen über Bankgebühren und Anlegemöglichkeiten dem Verbraucher besser zugänglich gemacht werden. (3) Weiterhin soll geklärt werden, wie Bankgebühren etwa
hinsichtlich ungedeckter Schecks und fehlerhafter Überweisungen reduziert werden können. Auch seitens der Bankenverbände steigt die Bereitschaft, Verbrauchern alle wichtigen
Informationen zu Bankleistungen, insbesondere auch dem Girokonto für jedermann, effektiv
und barrierefrei zur Verfügung zu stellen.
4.3 Österreich
Im Jahre 2006 gründete das Kreditinstitut Erste Bank in Österreich die Zweite Bank, um
Verbraucher, die in Österreich kein Konto erhalten, temporär aufzufangen. Die Kunden sollen ungefähr für eine Dauer von acht Jahren bei der Zweiten bleiben und dann wieder zur
19
20
Ergänzender Hinweis: Mit Hauptwohnsitz Frankreich.
Übersetzung durch Kaiser, Der Kontrahierungszwang beim Girokonto in Europa, Verbraucher und Recht
(VuR) 2000, 333.
18
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
Ersten wechseln. Die Gründung erfolgte in Kooperation mit der Caritas, die Finanzmittel
stammen aus einer Stiftung der Ersten Bank.
Die Zweite Bank ist ein hoch subventioniertes Projekt. Kontoführungsgebühren werden
zwar verrechnet, aber gleichzeitig auf einem Sparbuch gutgeschrieben. Bei Verlassen der
"Zweiten" wird dies dem Kunden ausgehändigt. Alle Mitarbeiter der "Zweiten" arbeiten ehrenamtlich. Weil das „Engagement“ der Zweiten Bank für ihr Image gut ist, hat sich nun
auch eine der größten Versicherungen Österreichs (Wiener Städtische) in das Projekt eingeklinkt und bietet den Kunden der Zweiten Bank eine günstige Rechtschutz- und
Haushaltsversicherung an. Diese Versicherungen sind allerdings für die Verbraucher nicht
dringend notwendig.
Obwohl das Angebot der Zweiten Bank von Verbrauchern ohne Konto begeistert in Anspruch genommen wird, sehen Experten das Projekt kritisch: Denn
Schuldnerberatungsstellen, die als Kooperationspartner der Zweiten Bank fungieren, sind
vertraglich darauf festgelegt, nur solche Klienten zu vermitteln, die eine Sanierung ihrer
Finanzen in Angriff genommen haben. Diejenigen, die dazu vorübergehend oder dauerhaft
nicht in der Lage sind, können demnach nicht vermittelt werden. Zu diesen Menschen zählen sehr viele Bezieher von Sozialhilfe bzw. Notstandshilfe. Damit gibt es immer noch
viele, die durchs Raster fallen und die Menschen werden in „Unterstützungswürdige“
und „nicht Unterstützungswürdige“ aufgeteilt.
Um auch die „nicht Unterstützungswürdigen“ mit einem Konto zu versorgen, experimentieren Schuldnerberater derzeit mit einer Art Treuhand-Konto, bei dem ein Treuhänder
(momentan der Dachverband der Schuldnerberater Österreichs) ein Konto auf den Namen
des Klienten eröffnet. Der Klient schließt mit dem Treuhänder einen Vertrag mit dem Inhalt,
dass das gesamte Einkommen auf dieses Konto eingeht und Daueraufträge für Miete und
Energie bzw. Überweisungsaufträge von dort abgebucht werden. Der gesamte Restbetrag
wird dann dem Klienten entweder auf ein Sparbuch bei irgendeiner Bank, oder auf eine
"Traveller-Card" (Angebot der großen Kreditkartenorganisationen) überwiesen.
Der Vorteil der Sparbuchversion ist dabei, dass lediglich die Kosten des Treuhandkontos
und die Kosten des Treuhänders anfallen. Für diese beiden Dienstleistungen werden derzeit 4,25 Euro pro Monat kalkuliert.
Der Nachteil der Sparbuchversion liegt jedoch darin, dass der Verbraucher nur bei diesem
Institut abheben kann. Bei Nutzung der „Traveller-Card" sind Geldabhebungen weltweit bei
allen Bankomaten möglich, es fallen jedoch zusätzliche Kosten von immerhin 5,- Euro pro
Monat an. Online-Banking ist in keiner der beiden Varianten möglich. Ein weiteres Dilemma
des Treuhand-Girokontos liegt darin, dass es von sehr vielen Menschen in Anspruch genommen werden muss, damit es kostengünstig kalkuliert werden kann. Das wiederum kann
aber nicht das Ziel einer sozialen Einrichtung sein.
Diese Entwicklungen haben zwar dazu geführt, dass sich nun auch größere Bankengruppen dazu entschlossen haben, ein sogenanntes "Passivkonto" anzubieten, was nichts
anderes ist als ein Guthabenkonto, das auch Verbraucher erhalten, die im KSV (der österreichischen Schufa) gespeichert sind. Individuelle Ablehnungen behält sich jedoch auch
diese Bank vor, so dass in Einzelfällen nach wie vor ein großer Aufwand betrieben werden
muss, um zu einem Konto zu gelangen.
Zudem ist nicht klar, ob das Ziel der Zweiten Bank, den Verbrauchern nur vorläufig ein Konto anzubieten - nämlich nur solange, bis diese ihre Finanzen wieder im Griff haben - erreicht
werden kann. Ob die Kunden wieder Anschluss an eine „normale“ Bank finden ist wegen
19
vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
der erst kurzen Existenz der Zweiten Bank nicht zu beantworten. Aufgrund der dargestellten
Defizite der „Bank für Arme“ wird auch in Österreich die Forderung nach einem gesetzlich verankerten Anspruch auf ein Guthabenkonto laut.
5. Fazit und Forderungen für Deutschland
Seit 13 Jahren wird auf die unverbindlichen Absichtserklärungen der Bankenverbände vertraut. Fakt ist jedoch: Die Situation der Menschen, die ohne Konto sind, hat sich nicht
verbessert. Das wurde schon 2004 erkannt, deshalb hat der Deutsche Bundestag den Beschluss vom 30.6.2004 gefasst. Dieser Beschluss ist bis heute nicht von der
Kreditwirtschaft umgesetzt worden. Auch die Praxis der ZKA - Empfehlung hat sich seit
dem letzten Bericht der Bundesregierung nicht zum Positiven verändert. Sogar die im letzten Bericht an die Kreditwirtschaft adressierten konkreten Vorschläge sind ignoriert worden.
Nach alldem kann nicht ernsthaft erwartet werden, dass der bisher beschrittene Weg zielführend ist. Der Versuch, über 13 Jahre auf den „good will“ der Banken zu setzen, ist
gescheitert.
Forderung 1: Gesetzliche Verankerung des Rechts auf ein Guthabenkonto
Um tatsächlich einen Zugang zu einem Girokonto für jedermann sicherzustellen, ist ein Anspruch auf Eröffnung eines Guthabenkontos gesetzlich zu verankern. Die damit verbundene
Einführung eines Kontrahierungszwangs ist verfassungsrechtlich zulässig. Zur Begründung verweisen wir auf die Stellungnahme des vzbv vom 28.2.2006.
Eckpunkte des erforderlichen gesetzlichen Anspruchs sind:
1. Die Gewährung eines subjektiven Rechts für den Verbraucher.
2. Als Standort für einen gesetzlichen Anspruch sollte das Bürgerliche Gesetzbuch
(BGB) gewählt werden. Hierfür würde sich die Umgebung um § 676 f BGB eignen, der
den Girovertrag regelt.
3. Auch vom Kontrahierungszwang muss es selbstverständlich Ausnahmen geben. Die
auf offensichtliche Unzumutbarkeitsfälle zu begrenzenden Ablehnungsgründe ließen
sich im zweiten Absatz des gesetzlichen Anspruchs verankern. Aus der ZKAEmpfehlung können die Unzumutbarkeitsgründe übernommen werden, die sich objektiv - und damit im Zweifelsfalle gerichtlich ohne größeren Aufwand - feststellen
lassen. Zu ihnen gehört
Ö der Missbrauch der Leistungen des Kreditinstituts durch den Kunden (Unzumutbarkeitsgrund Nummer 1 der ZKA-Empfehlung),
Ö die grobe Belästigung von Mitarbeitern des Kreditinstituts durch den Kunden
beziehungsweise deren Gefährdung durch ihn (Unzumutbarkeitsgrund
Nummer 3 in ZKA-Empfehlung) und
Ö die zwölfmonatige umsatzlose Kontoführung (Auszug aus Unzumutbarkeitsgrund Nummer 4 der ZKA-Empfehlung).
Darüber hinaus kann - ähnlich wie in Belgien und Kanada - die Verurteilung wegen einschlägiger Straftaten ebenfalls als Ablehnungsgrund aufgenommen werden.
Mit einer solchen Regelung ist auch keine „Klagewelle“ zu befürchten. Wir verweisen
diesbezüglich auf die Ausführungen in der Stellungnahme des vzbv vom 28.2.2006.
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vzbv-Stellungnahme zur Praxis der ZKA-Empfehlung „Girokonto für jedermann“
05.09.2008
Forderung 2: Reform des Kontopfändungsrechts
Die notwendige Reform des Kontopfändungsrechts muss durchgeführt werden - und zwar
mit folgenden Eckpunkten unter Berücksichtigung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 19.12.2007:
1. Das automatische Ende der Kontopfändung. Dies ermöglicht den Banken eine
EDV - technische Standardisierung und führt dadurch zu einer erheblichen Kostensenkung bei der Bearbeitung von gepfändeten Konten. Darüber hinaus macht erst die
Dauerwirkung die Kontopfändung als Druckmittel attraktiv, da für die Aufhebung
der Kontopfändung nur die Kontoinhaber in Betracht kommen, die die dafür geltenden,
eng definierten Voraussetzungen erfüllen.
2. Die Kontoführungsgebühr für das P - Konto muss in einem sachlich angemessenen Verhältnis zu seinen Funktionen und seinem Leistungsumfang stehen,
ansonsten kann die Einführung des P - Kontos durch horrende Kontoführungsentgelte
faktisch unterlaufen werden.
3. Sowohl die Umstellung als auch die Einrichtung eines P - Kontos ist kostenfrei.
4. Explizite Regelung, dass auch unpfändbare einmalige Geldleistungen von dem
Pfändungsschutz umfasst sind.
5. Explizite Regelungen des Pfändungsschutzes für die Einkünfte Selbständiger.
Diese sind insbesondere im Hinblick vieler „Verlegenheitsgründungen“ notwendig.
21