Ansicht - Helbling Verlag

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Armin Langer
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Lehrerkompetenzen
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… aus Schülersicht
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Der Begriff Kompetenz
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Der Begriff Kompetenz wurde durch
den amerikanischen Sprachwissenschaftler Avram Noan Chomsky (geb. 1928)
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im Bereich der Entwicklung der Sprachfähigkeit (der Kompetenz) eingeführt. Er
betrachtet sie „als angeboren, als unbewusstes, von der natürlichen Erfahrung
unabhängig existierendes Wissen von
der Regelhaftigkeit der Sprache.“1
Der Transfer des Begriffs von (musikalischen) Kompetenz(en) aus sprachstrukturellen Vorstellungen in Theoriekonzepte der Musikpädagogik ist nicht ganz
unproblematisch, will man den Begriff
‘Kompetenz’ nicht einfach durch ‘Fähigkeit’ ersetzen. Dies wird aus den Ausführungen des bekannten Musikpäda-
gogen H.J. Kaiser nach der Frage „Kompetent, aber wann?“ deutlich 2. Er verwendet statt der substantivierten Form
der musikalischen Kompetenz die prädikative und fragt: „Was muss ein Mensch
tun, damit wir ihn als (musikalisch)
kompetent bezeichnen?“3 Unter Einbeziehung handlungstheoretischer Aspekte kann darunter verstanden werden, „dass dieses (kompetente) Handeln
instrumentellen Charakter hat. Damit ist
gemeint, dass unser Handeln im Hinblick auf einen situierten Gegenstand als
angemessen, erfolgreich, … bestimmt
Foto: Gerd Dietner
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Die Verwendung des Begriffs ‘Kompetenz’ wirft einige Fragen auf: Wer wird
unter welchen Umständen als kompetent erachtet? Wie kommen (fach)gesellschaftliche Kompetenzansprüche zustande? Wie reagieren Schüler auf kompetentes bzw. inkompetentes Lehrerverhalten? Welche Kompetenzen erwarten
Schüler von ihrem Musiklehrer?
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Musiklehrerkompetenz(en)
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Der erste Teil dieses Beitrags beschäftigt
sich mit grundlegenden Fragen zur Kompetenz von Musiklehrern. Der zweite
Teil geht auf die Betrachtung von Musiklehrerkompetenz aus Schülersicht ein,
insbesondere auf eine Pilotstudie zum
musikalischen Gedächtnis von Jugendlichen, die vom Innsbrucker Institut für
Musikpädagogik durchgeführt wurde.
Vorläufige Ergebnisse dieser Studie lassen eindeutige Rückschlüsse auf die
Beurteilung von Lehrerkompetenzen
aus Schülersicht zu. Die von den Schülern als wichtig erachteten Lehrerkompetenzen können aufschlussreich bei der
Evaluation von Musikunterricht sein.
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Musiklehrer sollen in ihrer Arbeit kompetent sein, sie sollen persönliche, fachliche,
gesellschaftliche und politische Erwartungen erfüllen, so verlangt es die Öffentlichkeit. Was aber verlangen die Schüler selbst von ihren Lehrern? Wie beurteilen
sie Lehrerkompetenzen, welche erwarten sie? Die Ergebnisse einer Pilotstudie
können bei der Evaluation von Musikunterricht helfen.
Gründe für die Berufswahl des Musiklehrers
Orientierung
am Beruf des Musikers
Orientierung am Umgang mit
Musik ohne konkretes Berufsbild:
Ich will …
… mich als ’Musiker’ ausbilden lassen.
… ein Instrument richtig lernen.
… im Orchester spielen können.
Ich habe den Beruf gewählt, weil …
… ich schon immer gerne Musik
gemacht habe.
(Musik)pädagogische
Orientierung
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Orientierung
an einem Lebenskonzept
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tiger ideologischer Strömungen und
subjektiver Überzeugung, die durch
Beobachtungen oder/und durch (fach)gesellschaftliche Meinungsbilder gestützt werden. So sind die Begriffe
Lehrerpersönlichkeit, Qualifikation und
Kompetenz in ihrer Funktion als Anforderungsprofil an Musiklehrer zwar neu,
aber inhaltlich sind Innovationen auf der
Basis gesicherter Kenntnisse nicht zwingend zu erkennen. Eine Auswahl mag
dies belegen.
Der Reformpädagoge Georg Kerschensteiner formuliert 1921: „Ein Lehrer …,
der eine volle Persönlichkeit geworden
ist, ist selbst das wertvollste Bildungsgut... Denn in ihm sind die Werte nicht
latent wie in allen sachlichen Kulturgütern, hier sind sie voller Wirksamkeit,
hier springen sie dem Schüler im Erlebnis in voller Schönheit entgegen und
werden von allen offenen Seelen begierig aufgenommen.“6
Und der Erziehungswissenschaftler
Hartmut von Hentig bemerkt 1978:
„Muss der Lehrer – und muss nicht vor
allem der Musiklehrer – in erster Linie
ein Mensch sein, der mit seinen Erfahrungen, Empfindungen und Gedanken
redlich umgeht?! Er ist selbst sein bestes
und wichtigstes Curriculum. Es ist
in seine Person eingeschrieben oder
müsste es sein, und dann kann es auch
wirksam werden in dem, was er mit
seinen Schülern tut, auf das hin, was er
mit ihnen erreichen will.“7
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Kompetenz-Begriffe
im Wandel der Zeit
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Ich habe den Beruf gewählt, weil …
… man die Aufnahmeprüfung für ein
Solofach nicht schafft.
Hans-Christian Schmidt-Banse, Professor für Rezeptionsdidaktik an der Universität Osnabrück, gibt 1982 gleich
einen ausführlichen Tugendkatalog, in
dem er eine Vielzahl von ‘Kompetenzen’
einfordert, wie z.B. die Lust sich musikalisch auszudrücken, aktive und differenzierte Sprachfähigkeit, körperliche
Ausdrucksweise, Redlichkeit, Neugier,
Angstfreiheit, Humor. 8
Der Professor für Musikdidaktik
Werner Jank u. a. wenden sich gegen
solcherlei Tugendkataloge zur Beschreibung der Lehrerpersönlichkeit, weil sie
„gerade wegen ihres idealistischen
Anspruchs folgenlos bleiben mussten; zu
abstrakt, um in der situativen Vielfalt
der Unterrichtswirklichkeit handlungsorientierend zu wirken, zu großartig,
um den ‘Durchschnittslehrer’ mit seinen
Problemen zu erreichen, und zu statisch
gedacht, als dass sie auf Ausbildung
bezogen hätten werden können.“9
Daher fordern sie nur solche wissenschaftlichen Untersuchungen ein, „die
den Implikationszusammenhang aller
wesentlichen Faktoren der LehrerSchüler-Interaktion berücksichtigen.“10
In jüngerer Vergangenheit befasste
sich die Wiener Assistenz-Professorin für
Musikpädagogik Noraldine Bailer mit
diesem Themenkomplex mittels qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden. Ihre analytische Befragung
Musikerziehung als Beruf? gibt Anlass
weiter zu forschen. Sie stellt z.B. fest,
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Berufsethische Forderungen sind in den
Vorstellungen von Lehrern und auf der
administrativen oder moralischen Ebene
nicht neu und begleiten uns bis in die
heutige Zeit. Sie sind Ausdruck zeitgeis-
Studium aus Verlegenheit
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Ich habe den Beruf gewählt, weil …
… die Eltern Musiklehrer sind.
… weil Freunde ebenfalls musizieren
oder Musikpädagogen sind.
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Orientierung an Personen
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Wenn die oben zitierte Darstellung
stimmt, ist davon auszugehen, dass alle
Musikstudenten vor Studienantritt Erfahrungen im Bereich musikbezogenen
Handelns erworben haben, die sowohl
prozessorientiert, d.h. in Situationen
erlebt, als auch produktorientiert, d.h.
auf ihr musikbezogenes Handeln bezogen, als kompetent bewertet wurden. Es
ist weiter zu vermuten, dass Studienanfänger der Musikpädagogik ein Berufsbild projizieren, das ihnen die Legitimation gibt Musiklehrer zu werden. 5
Nicht repräsentative Befragungen am
Institut für Musikpädagogik der Universität Frankfurt/Main und am Innsbrucker Musikpädagogik Institut des
Mozarteums der letzten fünf Jahre
scheinen dies zu bestätigen. (siehe Berufswahl des Musiklehrers, oben)
Ich will …
… Instrumentalpädagoge werden.
… gerne mit Jugendlichen arbeiten.
… Schülern die Vielfalt der Musik
zeigen.
… besseren Musikunterricht machen.
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Ich will …
… als pragmatisierter Musiklehrer
einen geregelten Job und ein
festes Einkommen haben.
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(Selbst-)Kompetenz zum
Musiklehrer
1 Artikel: Chomsky, Avram Noan. In: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001
2 Kaiser, Hermann - Josef: Kompetent, aber
wann? In: Musik und Bildung. 3/ 2002. S. 5 - 11
3 Kaiser, Hermann - Josef: ebd. S. 8
4 ebd. S. 9
5 vgl. Bailer, Noraldine: Musikerziehung als Beruf. Wien 1999
6 zitiert nach: Jank, Werner/ Meyer, Hilbert/ Ott,
Thomas: Zur Person des Lehrers im Musikunterricht. Methodologische Probleme und Perspektiven zu einem Konzept offenen Musikunterrichts. In. Kaiser, Hermann – Josef: Musikpädagogische Forschung. Band 7. 1986. S. 88
7 ebd.
8 Schmidt, Hans – Christian: Der Lehrer im
Musikunterricht. In: Bastian, H.-G./ Klöckner,
D.: Musikpädagogik. Historische, systematische und didaktische Perspektiven. Düsseldorf
1982. S. 152 - 171
9 Jank u.a.1986. S. 89
10 ebd. S. 97
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wird. Vom Resultat dieses Handelns her
wird entschieden, ob jemand von uns als
kompetent bezeichnet wird oder nicht.
Daraus folgt, dass wir die Situation(en)
und die darin erscheinenden Gegenstände aufsuchen müssen, in denen
Schülerinnen und Schüler, Menschen
allgemein, kompetent, also sachkundig,
verantwortlich und damit hierfür zuständig musikbezogen handeln.“4
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zur Bestimmung idealer Merkmale
‘eines guten Musiklehrers’ durch zeitgemäßere Vokabeln ersetzen.12
Es hat den Anschein, als ob Begriffsstudien oder empirische Forschungsergebnisse im musikpolitisch-gesellschaftlichen Alltagsgeschäft ungehört bleiben.
Aussagen über Lehrerkompetenzen werden zeitgeistigen Forderungen dienstbar
gemacht. Es ist sicherlich notwendig
Standards für musikalische Qualifikationen oder Kompetenzen zu formulieren, um den Status aktueller Fachdiskussion(en) zu reflektieren und Sollforde-
rungen zu überdenken. Problematisch
wird es dann, wenn sie zur absoluten
Messgröße schulmusikalischer Missstände verwendet werden. Davon abgesehen ist dem Professor für Musikpädagogik Hans Bäßler zuzustimmen, wenn er
kritisch fragt, wie wohl tatsächlich
‘echte Persönlichkeiten’ in Schulen mit
schwierigem sozialen Umfeld unterrichten. Häufig genug stellen sich die ‘gelungenen Musikstunden’ aus Sicht des Lehrers anders dar, wenn man ehemalige
Schüler nach ihrer Sicht der Dinge
fragt13. Dem ist nichts hinzuzufügen.
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4. Tanzen:
a) Antwort von Mädchen: Für die Erarbeitung von Salsaschritten des
Videos (gemeint sind Videoclips
des Senders VIVA) hätten wir gerne
mehr Zeit gehabt.
b) Antwort der Jungen: Wir haben
die Stunden ‘erduldet’.
6. Musik in Medien:
a) Internetrecherchen zu bekannten Musikern wie Mozart und
Santana haben uns etwas
gebracht, weil wir mehr von den
Menschen erfuhren.
b) Beim Zusammensetzen von musikalischen Einzelteilen (gemeint
sind Sequenzen, die mit dem
Programm Fruity Loops erstellt
wurden) konnten wir unsere
Ideen einbringen und selbst
komponieren.
c) Sich über Musik im Fernsehen zu
unterhalten war interessant,
besonders, wenn wir sie aussuchen konnten; diese Musik auf
Keyboards zu spielen war
unmöglich, weil fast keiner von
uns Klavierspielen kann. 16
Fotos: Gerd Dietner
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5. Musizieren: Musiziert hätten wir
gerne, wenn wir es könnten; stattdessen Orff-Instrumente, wie in der
Grundschule; das ständige Zählen
von eins bis vier ging uns auf die
Nerven.
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3. Singen: Besonders das Klassen-Singen
zu Playbacks war cool, z.B. Let’s get
loud, weil es uns bekannt war.
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Zum Ende des Schuljahres werden
fünfzehnjährige Schüler befragt, was
sie sich quasi als Inhaltsverzeichnis
behalten haben. Der Lehrer verteilt
kleine Zettel und bittet die Schüler
das Erfragte aufzuschreiben. Die
gemeinsame Auswertung an der
Tafel ist für den Lehrer höchst aufschlussreich und ein wenig erschütternd. Die Schüler erstellten folgendes Tafelbild:
2. Musik hören: Das Thema Jazz in der
Gesellschaft (angegeben wurden
Swing, Bebop, Cool-Jazz, Rock-Jazz
und Fusion-Jazz mit genauen Titelangaben) haben wir uns gemerkt;
speziell der Titel Tutu von Miles Davis
und ein Szenenspiel dazu (in diesem
Zusammenhang wurde eine fiktive
Hör- und Spielszene mit den Schülern
erarbeitet) 15; ein Workshop mit Jazzmusikern.
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Fallbeispiel 2:
1. Musikgeschichte: Der Inhalt von Referaten zu bekannten Komponisten ist
vergessen.
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„Musiklehrer Müller spielt mit großer
Ausdruckskraft Beethovens Sonate
Nr. 23 op. 57 f-moll für Klavier. Das
Interesse der Klasse ist mäßig, dennoch verhält sie sich ruhig. Nur Kai
steckt sich verstohlen einen DiscmanKopfhörer in sein Ohr und startet
seine Musik, die neueste CD von
DJ Bobo. Melanie neben ihm fordert
ihn auf, doch endlich diesen
‘Schwachsinn’ abzustellen und, wenn
schon, dann ihre CD aufzulegen mit
East 17, ‘die ist echt geil’, fügt sie
hinzu. Missgestimmt wegen der
Störung bricht der Lehrer die Sonate
in der Mitte des 1. Satzes ab und fragt
die beiden, ob sie Haupt- und Seitenthema des Satzes erkannt hätten
und auch bemerkt, wie geschickt
der Komponist die Durchführung beginnen lasse. Kai, mittlerweile ohne
Kopfhörer, und Melanie schauen hilfesuchend zu den Nachbarn, die mit
einem Schulterzucken antworten.
Nach einigen Augenblicken beidseitigen Schweigens wendet sich der
Lehrer ob des offensichtlichen musikalischen Desinteresses, wie er es
nennt, fassungslos ab und erläutert
an der Tafel und am Klavier den Aufbau der Klaviersonate.“14
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Fallbeispiel 1:
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Lernsituationen live
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dass bei den befragten Musiklehrern
bezüglich ihres beruflichen Selbstverständnisses nicht vorrangig „das Bild der
Künstlerin bzw. des Künstlers dominiert,
sondern mehr jenes des Pädagogen mit
Erfahrungen auf dem Gebiet der Animation. Dass die wissenschaftlichen Fähigkeiten im unteren Bereich aufgelistet
werden, überrascht.“11 Auch neuere
musikpädagogische Veröffentlichungen
im deutschsprachigen Raum wie z.B.
Studienpläne u.Ä. fordern eine Großzahl
an Qualifikationen und Kompetenzen
ein, die letztlich einen Tugendkatatolg
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Fallbeispiel 2: Erinnerungsrelevante Unterrichtsthemen und kompetentes Lehrerverhalten
Positive Erinnerungen
Negative Erinnerungen
2 Durch eine schülerorientierte und handlungsaktive Unterrichtssituation
(Spielszene) und authentische Begegnungen (mit Jazz-Musikern) wird
der Unterrichtsgegenstand positiv verknüpft und behalten.
3 Es war eine leistbare Aufgabe aus dem Vokalbereich, die in der Gemeinschaft gelöst werden konnte.
1 Ausführen von rein kognitiven
Arbeiten ohne subjektive Bedeutung
4b Bewegungsgehemmte Schüler (bezogen auf die Klassensituation) fühlen
sich ausgegrenzt.
4a Genderorientierter Unterrichtsinhalt mit Wunsch zum Weiterarbeiten
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5 Musizieren (ohne konkrete Titelangabe) auf nicht altersgemäß eingesetzten Instrumenten – aber Wunsch
zum Musizieren durchaus vorhanden
6b Motivation durch raschen Erfolg und prozessorientiertes Arbeiten
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Erwartungen der Schüler:
Ergebnisse einer Pilotstudie 17
Im Sommersemester 2002 startete das
Innsbrucker Musikpädagogik Institut ein
Forschungsprojekt zum musikalischen
Erinnerungsvermögen. Jugendliche eines Innsbrucker Gymnasiums wurden
am Ende ihrer Schulzeit gebeten Auskunft darüber zu geben, woran sie sich
nach 12 Jahren Musikunterricht erinnern können und welche Erwartungen
sie an ihren Musikunterricht und ihren
Musiklehrer haben. Die befragten
Schüler erwiesen sich bei der durchgeführten Pilotstudie als kritisch-konstruktive und selektiv-wahrnehmende
Beobachter.
Die Aussagen bzw. Erinnerungen beziehen sich zum größten Teil auf das
Klassenmusizieren und sind geprägt
durch die emotionale Bewertung des
Musiklehrers unter Berücksichtigung
sozialer und fachlicher Kompetenzen.
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11 Bailer, Noraldine: Musikerziehung als Beruf?
Eine Befragung. Wien 1999. S. 91f.
12 vgl. www.mh-freiburg.de/studsm.html
edkwww.unibe.ch/PDF_Downloads/Erlasse/
Deutsch/40_d.pdf
www.deutscher-musikrat.de/bufa_mp/
bufamp_bsp3.htm
www.unioldenburg.de/musik/studord/
Sto_kurz.rtf
www.mdw.ac.at/docs/SP_entwuerfe/Studienplan_ME.pdf
www.uni-muenster.de/Studienberatung/
material/m466s_2.htm
www.moz.ac.at/german/studies/proof/me.pdf
ods.dokom.net/semdoi/fs-musik.html
http://lernen.bildung.hessen.de/musik/musikschule/print_all
http://www.schule.suedtirol.it/
landesschulamt/gremien/doku_nat_schulrat/
02-01-14b.htm
13 Bäßler, Hans: Dafür bin ich nicht ausgebildet.
In Jank, W. (Hg.): Schulmusik – ein Studium
im Umbruch = Mannheimer Hochschulschriften 2. Mannheim 1996, S. 27
14 Dethlefs-Forbach, Beate Christiane: Musikunterricht in der Schule des Lebens und
Lernens. In: Pilnitz, Karin/Schüssler, Berthold/
Terhag, Jürgen: Musikunterricht Heute 4,
Oldershausen 2001, S. 246 (der Beitrag ist
auf einer CD-ROM als PDF – Datei enthalten)
15 Sussmann, F./ Widmann, M.: Jazz aktiv. Mainz
1996. S. 97ff.
16 Die Stunde wurde im Rahmen einer experimentellen Lehrprobe gehalten
17 www.moz.ac.at/muspaed-innsbruck/
musikpaedagogik/systematische_forschung/
empirische_forschung.pdf
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Im alltäglichen schulmusikalischen Umgang wird sich kompetentes Verhalten
dann zeigen, wenn die Klassentür zu
geht und der Musikunterricht beginnt.
Heterogene Gruppen mit ganz unterschiedlichen Einstellungen und Erwartungen gilt es nun zu unterrichten, mehr
oder weniger ‘kompetent’. Jetzt hilft
keine postmoderne musikdidaktische
Konzeption oder vorzügliches Flöten-
sicht bewertet wird. Die Tabelle versucht
den Bedeutungsgehalt der Unterrichtsthemen darzustellen, die die Schüler im
Langzeitgedächtnis positiv oder negativ
abspeicherten (s. Erinnerungsrelevante
Unterrichtsthemen, oben).
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Kompetenz in Fallbeispielen
spiel. Vielmehr scheint es von großer
Bedeutung, wie eine konkrete Unterrichtssituation gehandhabt wird. Zu
fragen ist: Wie ‘kompetent’ handelt ein
Musiklehrer in einer adäquaten Lernsituation und welche Sicht entwickeln
die Schüler dabei?
Zwei Beispiele aus der Schulpraxis
mögen dies stellvertretend für unzählige
Lernsituationen zeigen. (siehe Lernsituationen live, links)
Während Beispiel 1 als missachtete
künstlerische Lehrerkompetenz interpretiert werden kann und zu daraus resultierendem lehrerzentriertem Frontalunterricht geführt hat, sind die Aussagen des
zweiten Beispiels Indizien dafür, wie
kompetentes Lehrerhandeln in komplexen Unterrichtssituationen aus Schüler-
Aktivierungs-Ansatz des Lehrers ohne
Aussicht auf Erfolg
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Lehrerkompetenz
in der Schulpraxis
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Lebensweltorientierte Thematik und Beteiligung an Inhalten (Aussuchen
der Musik)
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6a Einsatz von neuen Medien motiviert umfassende und interessengeleitete
Informationen einzuholen.
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„Das war total super,
weil der Musiklehrer
mit dem Saxophon
gespielt hat.“
„Also, wir haben ja eher moderne Lieder,
so was wie No Woman, No Cry gesungen. Das Lied haben wir mit Instrumenten begleitet und das war eigentlich total
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„Da haben wir
sogar gejodelt.“
Im letzten Jahr wurde
die Klasse
kurze Zeit von einem Schulpraktikanten
unterrichtet. Dieses Erlebnis war für sie
bedeutungsvoll. „Der hat es sogar fertig
gebracht, dass ich im Schulchor mitgesungen habe … der hat mich einfach
angesprochen. Bei dem hat der Unterricht soviel Spaß gemacht, da haben wir
sogar gejodelt und viele moderne Lieder
gesungen.“ (INT 2)
Die Lehrerpersönlichkeit ist für einen
Befragten bei der Beschreibung des
Musikunterrichts in der Oberstufe besonders relevant, denn „der Musiklehrer
ist ein Unikat … er hat halt seine eigene
Meinung, wie wahrscheinlich jeder von
uns, von dem, was gute Musik ist und
was schlechte Musik ist – darin stimmen
wir eigentlich größtenteils überein – , es
ist recht nett, wie er eigentlich versucht,
die für ihn schlechte Musik anzuschwärzen.“ (INT 3)
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Eine Schülerin meint, der Musiklehrer
sollte sehr viele Musikinstrumente spielen können und vor allem authentisch
sein, d.h. „er soll zuverlässig, ruhig,
durchsetzungsfähig und tolerant unterrichten.“ (INT 1) Allerdings bemängelt
sie teilweise das Verhalten des Musiklehrers, besonders „wenn er mit dem
Wort ‘niveaulos’ wertet, z.B. Hansi
Hinterseer, der ist mir eigentlich egal,
oder wenn er von neuen (Pop)Gruppen
negativ spricht, die nicht singen können
– das regt mich zwar nicht auf, weil ich
selbst keinen Pop mag, aber ich erwarte
vom Lehrer mehr Toleranz gegenüber
moderner Musik.“ (INT 2)
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18 INT steht für Interviewpartner 1 bis 5
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Weiter geht einer davon aus, „dass man
nur das singen und musizieren sollte,
was einen interessiert und was der
Lehrer kann.“ (INT 5)
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„Sind die Lieder
unbekannt, wird
nur geschwätzt.“
Eine andere Erinnerungen bezieht sich
auf gemeinsames Singen von Liedern,
die „ankommen.“ „Also, wenn wir Lieder singen, die dem Großteil der Klasse
gefallen und die bekannt sind, dann singen die meisten auch mit, sind die Lieder unbekannt, wird nur geschwätzt.“
Am liebsten wäre es ihm, „wenn wir
noch mehr musizieren würden, z.B.
noch mehr Popmusik, dann könnte ich
Schlagzeug, Gitarre oder Bass lernen
und mittags mit meinen Freunden üben,
„Man sollte nur
das singen, was
der Lehrer kann.“
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„Er soll zuverlässig, ruhig,
durchsetzungsfähig und
tolerant unterrichten.“
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„Das Klassenmusizieren
macht wahnsinnig viel
Spaß.“
Den aktuellen Musiklehrer bewundert
eine befragte Schülerin, „weil er interessante Sachen macht und wahnsinnig viel
mit ihnen singt, … der weiß, wie er mit
uns umzugehen hat … außerdem spielt
der Musiklehrer gut die Instrumente,
obgleich er nur mittelmäßig singt.“
Besonders das Klassenmusizieren „macht
wahnsinnig viel Spaß.“ (INT 2)
Der Musikunterricht wird positiv
beurteilt, „weil er schön vielseitig ist.
Die vielen Themen werden recht interessant behandelt und vermittelt.“ (INT 3)
wir wollen nämlich eine Band gründen.“
(INT 4)
„Der Musiklehrer hatte ein besonders
gutes Konzept, der weiß, worauf es
ankommt, denn wir haben nicht nur
irgendwelche sinnlosen Lieder gesungen, sondern auch manchmal abwechslungsweise Instrumente gespielt oder
auch Stoff gelernt.“ (INT 5)
Aus den Interviews 1 und 4 lässt sich
ein Zusammenhang zwischen den
Unterrichtsinhalten, den fachlichen und
sozialen Kompetenzen des Musiklehrers
und dem Wunsch ein Instrument zu lernen herstellen. Als Gründe können die
instrumentalen Fähigkeiten des Musiklehrers, die Auswahl des Unterrichtsgegenstandes, die methodische Umsetzung
im Klassenmusizieren und die Anwendungsbezogenheit des Gelernten benannt werden. Deutlich wird der
Wunsch solche Stücke zu musizieren,
die populärmusikalischen Schülerinteressen entsprechen und damit Erfolg versprechend durchführbar erscheinen,
d.h. individuelle und kollektive Qualifikationen kommen im Klassenverband
zur Geltung. Zudem können eben diese
Qualifikationen außerhalb der Schule
Anwendung finden.
Erstaunlich deutlich äußern die
Jugendlichen ihre Erwartungen über die
sozialen sowie fachlichen Kompetenzen
des Musiklehrers:
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super, weil der Musiklehrer da mit dem
Saxophon und dem Klavier dazu gespielt
hat.“ In dieser Zeit war die Schülerin
vom Saxophonspiel des Musiklehrers so
begeistert, dass sie am liebsten Unterricht nehmen wollte. Jetzt bevorzugt sie
eher die Gitarre. Besonders motivierend
ist es für sie, wenn die ganze Klasse mit
Orff-Instrumenten und „richtigen“
Instrumenten musiziert,“weil dann stehen immer die Leute draußen, die Gitarre spielen können; und das möchte ich
auch einmal machen; die anderen
spielen halt nur auf einem Stab.“ Vom
Musikunterricht erhofft sie sich, „dass
weiterhin viel gesungen und musiziert
wird, besonders Stücke, die wir auch
draußen singen können.“ (INT 1)18
„Bei Sachen, die einen
interessieren, da ist ein
Test unnötig.“
Ausgesprochen kritisch und mit einem
Lösungsvorschlag versehen beschreibt
ein Schüler die Problematik von Tests im
Musikunterricht, die er aus lerntheoretischer Sicht als redundant ablehnt, „weil
ich finde, was einen interessiert, soll
man selber aufnehmen, oder was einem
wichtig erscheint. Wenn einen was
überhaupt nicht interessiert, dann lernt
man das nur für den Test und nach drei
Wochen ist es wieder vergessen. Aber
gewisse Sachen, die einen interessieren,
die kann man sich halt merken, weil sie
interessieren. Die weiß man auch da-
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Coda
• Durchsetzungsfähigkeit
• Tolerantes Verhalten gegenüber musikalischen Genres
• Demokratischer Unterrichtsstil
• Klar strukturiertes Unterrichtskonzept
• Vielfältige Unterrichtsinhalte
• Hohes Maß an Methodenrepertoire,
z.B. Probenkompetenz
• Authentisches Verhalten
Das vorläufige Fazit könnte den Schluss
zulassen, dass es sich bei diesen Ergebnissen ähnlich wie bei Tugendkatalogen
um eine Auflistung von Schülererwartungen zu kompetentem Lehrerverhalten handelt, ohne den eingeforderten
wissenschaftlichen Diskurs zu berücksichtigen. Dazu sei darauf verwiesen,
dass es sich um Ergebnisse einer Pilotstudie handelt und nicht um eine persönliche Meinung. Zudem wird diese
Thematik im Zuge der Fortführung des
Forschungsvorhabens weiter diskutiert.
Allerdings ist die begründete Berücksichtigung schüler- und handlungsorientierter Aspekte bei der Auswahl von
Unterrichtsthemen und Unterrichtsformen, wie sie in solchen Schülerbeurteilungen von Lehrerkompetenzen zum
Ausdruck kommt, nicht alles. Es muss
betont werden, dass Musikunterricht
sich die Vielfältigkeit von musikalischem
Umgang nicht durch beliebige Schülerinteressen nehmen lassen darf. Kompetentes Handeln von Musiklehrern zeichnet
sich auch durch Wecken von Interesse
an Neuem und Fremdem, gegebenenfalls auch Unpopulärem aus.
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• Vom Musikunterricht erwarten die
Schüler den Erwerb von instrumentalen Fähigkeiten zur Anwendung im
privaten Bereich.
• Schüler erwarten Unterrichtsinhalte
aus ihrer Lebenswelt.
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Vorläufiges Fazit
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Auf der Basis der theoretischen Überlegungen zur ‘Kompetenz’ der beiden
Fallbeispiele sowie der Pilotstudie kann
folgendes vorläufige Fazit gezogen
werden:
• Forschungen zur Feststellung kompetenten Handelns sind zu forcieren.
• Die abstrakte Kompetenz des Musiklehrers gibt es nicht. Kompetentes
Verhalten konstituiert sich unter gege-
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Foto: Gerd Dietner
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Den Musiklehrer betreffend:
• Exzellente instrumentale Fähigkeiten
des Musiklehrers im Bereich populärer
Musik motivieren zum Mitspielen und
zum Erlernen von Instrumenten.
• Sozialpsychologische Kenntnisse zur
Durchführung altersadäquater Unterrichtsprozesse erleichtern den Musikunterricht.
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Erwartungen an den Musikunterricht:
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• Schüler bevorzugen popmusikalische
Songs zum Klassenmusizieren.
• Das Hören klassischer Musik dient
sowohl der Entspannung als auch der
Verbesserung der Hörfähigkeiten.
• Reden über klassische Musik wird
negativ beurteilt.
• Musizieren als Gemeinschaftserlebnis
bleibt besonders dann in Erinnerung,
wenn bekannte Lieder gesungen
werden.
• Ungewöhnliche Unterrichtsinhalte
wie Jodeln können kurzfristig der
Auflockerung des Musikunterrichts
dienen, wenn sie authentisch vom
Musiklehrer vorgetragen werden.
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Erwartungen an Musiklehrer:
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Den Musikunterricht betreffend:
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• Die persönliche Ansprache des Musiklehrers motiviert zur freiwilligen Teilnahme am Chor.
• Der Musiklehrer sollte nur die Unterrichtsinhalte behandeln, die er überzeugend vermitteln kann.
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nach noch, da ist der Test unnötig. In
den Musikunterricht sollten nur Leute
gehen, die sich dafür interessieren.“
(INT 5)
Dass es sich bei der positiven Beurteilung des Lehrers und des Musikunterrichts nicht nur um wohlwollende Äußerungen zur Verbesserung der Musiknote
handelt, wird aus den differenzierten
Beschreibungen deutlich, die folgende
Kategoriebildung zulassen.
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benen subjektiven und objektiven Bedingungen und ist situationsbezogen.
• Das Erinnerungsvermögen von Schülern an kompetentes Lehrerhandeln ist
umso höher, je mehr sie über einen
längeren Zeitraum in musikbezogene
Kontexte eingebunden waren, die
außerhalb der Schule anwendbar sind.
• Schüler erwarten vom Musiklehrer
soziale Handlungskompetenz durch:
authentisches Verhalten und sozialpsychologische Kenntnisse von Jugendlichen, demokratisches Lehrerverhalten
bei der Durchführung von Unterricht
und tolerantes Verhalten gegenüber
anderen Meinungen sowie direkte
Ansprache zum Mitmachen.
• Schüler erwarten vom Musiklehrer
Handlungskompetenz durch: spezielle
musikalische Fähigkeiten in mindestens einem Bereich (z.B. Stimme, Gitarre spielen können); Erstellung eines
erkennbaren Unterrichtskonzepts; didaktische und methodische Vielfalt.
Dr. Armin Langer ist Universitätsprofessor für
Musikpädagogik am Innsbrucker Musikpädagogik Institut der Universität Mozarteum Salzburg.
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