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Ein Arbitrary Lagrangian-Eulerian Finite
Elemente Modell mit hypoplastischem
Stoffgesetz für Penetrationsprozesse in Sand
Stavros A. Savidis, Daniel Aubram und Frank Rackwitz1
Zusammenfassung
Aufgrund der großen lokalen Verformungen und des nichtlinearen mechanischen Verhaltens des Bodens zählt die Eindringung von Pfählen in Sand zu den kompliziertesten Problemstellungen in der Bodenmechanik. Für eine kontinuumsmechanische Herangehensweise kann zwar auf hochentwickelte Stoffgesetze und leistungsfähige Finite Elemente Programmsysteme zurückgegriffen werden, jedoch sind die klassischen Formulierungen der Finiten Elemente nach Lagrange und Euler für hinreichend wirklichkeitsnahe Simulationen
des Eindringvorgangs ungeeignet. In dem Beitrag wird ein Arbitrary Lagrangian-Eulerian
(ALE) Finite Elemente Modell mit hypoplastischem Stoffgesetz für den Boden vorgestellt.
Die ALE Formulierung überwindet die Nachteile der klassischen Betrachtungsweisen durch
eine Entkopplung von Material und Elementnetz. Infolge der Relativgeschwindigkeiten zwischen Material und Elementnetz treten konvektive Terme in den mechanischen Grundgleichungen auf, deren Behandlung insbesondere für die Zustandsvariablen des verwendeten
Stoffgesetzes eine entscheidende Rolle spielt. Erste Ergebnisse numerischer Berechnungen
verdeutlichen die Vorteile des ALE Konzepts gegenüber der klassischen Lagrange Formulierung.
1
Einführung
Die Herstellung von Grundbauwerken und das Herstellungsverfahren der einzelnen Bauteile haben einen wesentlichen Einfluss auf die Zustandsänderungen im Baugrund. Im Zuge
geotechnischer Großprojekte im Zentralen Bereich von Berlin zeigte sich beispielsweise,
dass die Verformungen der Baugrubenwände nach der Herstellung der Verankerungspfähle für die Sohle größer waren als die prognostizierten Werte. Als maßgebliche Ursache
wiesen Untersuchungen den Herstellungsprozess der Pfähle aus, der in dem verwendeten Finite Elemente (FE) Modell keine Berücksichtigung fand [Savidis & Mittag, 1999],
[Triantafyllidis, 1998]. Eine typische numerische Simulation mit Finiten Elementen lässt
den Herstellungsprozess und dessen Auswirkungen auf die Zustandsänderungen im Baugrund unberücksichtigt.
Die Herstellung von Verdrängungspfählen in Sand zählt aufgrund des Zusammenspiels von
großen lokalen Verformungen, dem nichtlinearen mechanischen Verhalten des Bodens, den
1
Fachgebiet Grundbau und Bodenmechanik – Degebo, Technische Universität Berlin
2
Ein ALE Finite Elemente Modell für Penetrationsprozesse in Sand
frei verschieblichen Oberflächen und den wechselnden Kontaktbedingungen zu den kompliziertesten Problemstellungen in der Bodenmechanik und die FE Simulation des Eindringvorgangs weist bis heute einen großen Forschungsbedarf auf. In den meisten Arbeiten
wird der Eindringvorgang mit Finiten Elementen auf Kosten einer realitätsnahen Simulation gerade so modelliert, dass die auftretenden Elementverzerrungen gering bleiben.
Realisiert wird dies entweder durch kurze Eindringtiefen, durch die Abbildung der Eindringung in großen Tiefen als Strömungsproblem [v.d. Berg et al., 1996], oder durch eine
numerisch vorteilhafte Modellierung der Pfahlspitzengeometrie, an der die angrenzenden
Bodenelemente wie auf einer Schiene gleiten [Cudmani, 2001],[Mahutka & Grabe, 2005].
Die klassischen kontinuumsmechanischen Betrachtungsweisen nach Lagrange und nach
Euler und ihre Umsetzung in der FEM sind für die Simulation von Eindringprozessen
ungeeignet. Bei der Lagrange Formulierung, die standardmäßig in der Strukturmechanik
verwendet wird, können starke Elementverzerrungen auftreten, weil das Elementnetz fest
mit dem Material verbunden ist und sich mit diesem verformt. Dies führt zu instabilen
und ungenauen Berechnungen, oftmals auch zu deren Abbruch [Armero & Love, 2003].
Ständiges Neuvernetzen und Netzadaption können die numerischen Probleme zwar reduzieren, sie bewirken jedoch erheblich längere Rechenzeiten. Bei der Euler Formulierung,
welche in der Strömungsmechanik eine breite Anwendung findet, ist die Diskretisierung
des zu untersuchenden Gebiets ortsfest. Ihre Nachteile liegen in der Schwierigkeit, freie
Oberflächen und sich bewegende Berandungen aufzulösen, weil das Elementnetz und das
Material entkoppelt sind [Armero & Love, 2003].
Die Kombination der Vorteile beider klassischen Betrachtungsweisen gelingt mit der Arbitrary Lagrangian-Eulerian (ALE) Formulierung2 [Hirt et al., 1974],[Donea et al., 2004].
Hierbei wird das Elementnetz als ein vom Material (Lagrange) und dessen räumlicher
Konfiguration (Euler) unabhängiges Referenzgebiet gewählt. Die reine Lagrange und reine Euler Betrachtungsweise sind Spezialfälle der ALE Formulierung. Wie bei der Euler
Formulierung, so treten auch bei der ALE Formulierung konvektive Terme in den mechanischen Grundgleichungen auf, deren numerische Behandlung eine entscheidende Rolle
spielt, insbesondere für das im vorliegenden Beitrag eingesetzte hypoplastische Stoffgesetz.
Während der letzten drei Jahrzehnte sind die ALE Methoden zu einem leistungsfähigen Simulationswerkzeug für Problemstellungen mit großen Materialverformungen entwickelt worden, insbesondere auf den Gebieten der Metallformgebung und Oberflächenströmungen [Huétink et al., 1990],[Hughes et al., 1981]. Ihre Anwendung auf Penetrationsprozesse blieb in der Geotechnik bislang die Ausnahme und bezog vergleichsweise
einfache Stoffgesetze ein, um das nichtlineare mechanische Verhalten des Bodens abzubilden [Susila & Hryciw, 2003]. In jüngster Zeit werden ALE Methoden auch für die Untersuchung von Flachgründungen [Nazem et al., 2006] und bei Konsolidierungsproblemen
[Di et al., 2007] eingesetzt.
In Abschnitt 2 werden die kontinuumsmechanischen Grundlagen der ALE Formulierung
unter Verwendung eines hypoplastischen Stoffgesetzes hergeleitet. Anschließend werden
2
Die englische Bezeichnung wird auch im deutschsprachigen Raum verwendet.
3
im Abschnitt 3 die Berechnungsschritte der ALE Formulierung und ihre numerische Implementierung in ein FE Programm behandelt. Schließlich werden im Abschnitt 4 erste
Ergebnisse numerischer Berechnungen vorgestellt. Diese verdeutlichen bereits die Vorteile
des ALE Konzepts gegenüber der Lagrange Formulierung bei Randwertproblemen mit
großen Verformungen.
2
Kontinuumsformulierung
Der folgende Abschnitt fasst die Grundlagen der Kontinuumsmechanik in den Sichtweisen von Lagrange, Euler und ALE zusammen. Außerdem wird auf die Behandlung des
verwendeten hypoplastischen Stoffgesetzes in der ALE Formulierung eingegangen. Die
kontinuumsmechanischen Begriffe und Schreibweisen bauen auf der Differentialgeometrie
[Bishop & Goldberg, 1968] auf und folgen dabei weitestgehend [Marsden & Hughes, 1994].
Deren Vorgehensweise, den übergeordneten geometrischen Rahmen der Kontinuumsmechanik zu betonen, um verallgemeinerte Zusammenhänge mit einer geeigneten Sprache
darzustellen, ist inzwischen allgemein akzeptiert.
2.1
Kinematik, Lagrange und Euler Formulierungen
Unter der Arbitrary Lagrangian-Eulerian (ALE) Formulierung wird eine spezielle Formulierung der Kinematik eines materiellen Körpers verstanden, der über eine sogenannte
Referenzkonfiguration B ⊂ S im umgebenden Raum S eingebettet ist. P ∈ B bezeichne
die Materialpartikel in der Referenzkonfiguration. Eine Bewegung des Körpers ist eine
Familie von zeitabhängigen Konfigurationen, d.h. eine Kurve t ∈ R 7→ ϕt ∈ C:
ϕt : B → S
P 7→ ϕt (P ) = Q ,
(1)
wobei ϕt (P ) = ϕ(P, t) für ein festes t geschrieben wird. C = {ϕ | ϕ : B → S} ist der
Konfigurationsraum, ϕt (B) wird als Momentankonfiguration des Körpers bezeichnet und
Q = ϕt (P ) sind die momentanen Platzierungen der Materialpartikel (s. Bild 1).
Der umgebende Raum S wird nicht notwendigerweise als euklidisch, d.h. geradlinig, vorausgesetzt. Dies zeigt sich im Folgenden z.B. daran, dass eine konsequent lokale Beschreibung der Beziehungen verwendet wird und im Sinne einer modernen differentialgeometrischen Betrachtung der Kontinnuumsmechanik B und S als hinreichend differenzierbare
Mannigfaltigkeiten aufgefasst werden. Damit können den Umgebungen U(P ) ⊂ B eines
Partikels Karten (U, X) mit lokalen Koordinatenfunktionen
X(P ) = {X I } ∈ R3 zuge© ∂ ª
des Tangenordnet werden, deren partielle Ableitungen ∂X I ∈ TP B eine ©Vektorbasis
ª
tialraumes TP B an jedem P und die Koordinatendifferentiale dX I ∈ T∗P B die dazu
duale Basis des Kotangentialraumes darstellen. Gleichermaßen wird bei der Raummannigfaltigkeit S verfahren. Karten der Umgebungen V(Q) ⊂ S werden durch die Paare
(V, x) beschrieben, wobei x(Q) = {xi } ∈ R3 , d.h.©xi sind
ª die Koordinaten des umge∂
benden Raumes. Die Definition einer lokalen Basis ∂xi ∈ Tϕt (P ) S erfolgt analog. Weil
4
Ein ALE Finite Elemente Modell für Penetrationsprozesse in Sand
Euler
P
Lagrange
ϕt (B)
Q
ϕt
B
Ψt
Φt
S
R
ALE
Q̂
Bild 1: Lagrange, Euler und Arbitrary Lagrangian-Eulerian (ALE) Formulierungen:
Referenzkonfiguration B und Momentankonfiguration ϕt (B) des materiellen Körpers,
Bezugsgebiet R und Abbildungen.
Konfigurationen als Einbettungen verstanden werden, sind Kartenwechsel von X nach x
und umgekehrt kompatibel.
In der üblichen Schreibweise werden lateinische Großbuchstaben verwendet, um Koordinaten (I, J, K, . . . ∈ {1, 2, 3}), Vektoren und Tensoren auf der Referenzkonfiguration
darzustellen. Lateinische Kleinbuchstaben beziehen sich auf die Momentankonfiguration.
Desweiteren soll im Folgenden über gleiche Indizes – mit Ausnahme von t – summiert
werden (Einstein’sche Summenkonvention).
Fasst man die Koordinaten xi = ϕit (P ) := xi ◦ ϕt ◦ X −1 als Funktionen der X I mittels der
Bewegung ϕt auf, dann ist
¯
∂ϕit ¯¯ ∂
∂
Vt =
=: Vti (P ) i (Q) ,
(2)
¯
i
∂t P ∂x
∂x
mit Q = ϕ(P, t), das materielle oder Langrange Geschwindigkeitsfeld. V t ist ein sog. Vektorfeld über ϕt . Das räumliche oder Euler Geschwindigkeitsfeld erhält man durch Wechsel
der Bezugspunkte:
¶
µ i¯
∂
∂ϕt ¯¯
−1
−1
i ∂
◦ ϕt
v t = V t ◦ ϕt =
=:
v
∈ Γ(TS) ,
(3)
t
¯
∂t P
∂xi
∂xi
wobei ◦ die Verkettung von Abbildungen bezeichnet. v t (Q) = v(Q, t) ist im Gegensatz zu
V t tatsächlich ein Vektorfeld auf S, da es der Bewegung auf ϕt (B) folgt. Γ(TS) bezeichnet
die Menge
die Menge
aller Schnitte des Tangentialbündels
S
S aller Vektorfelder auf S, d.h.
?
TS = Q∈S TQ S. Führt man nun ϕt TS = ϕt (P )∈ϕt (B) Tϕt (P ) S als das sog. induzierte
Bündel ein, so gilt V t ∈ Γ(ϕ?t TS).
5
Der Tangentialabbildung zum Zeitpunkt t,
Tϕt : TB
∂
∂X I
→
7→
T(φt (B)) ⊂ TS
µ
¶
∂
∂ϕit ∂
∂
=
Tϕt
=: F ·
,
I
I
i
∂X
∂X ∂x
∂X J
(4)
kann ein Zweipunkttensor F , der Deformationsgradient
F (P, t) =
∂ϕit ∂
⊗ dX I
∂X I ∂xi
∈ Γ(ϕ?t TS ⊗ T∗ B) ,
(5)
zugeordnet werden. Die Punktmultiplikation in Gl. 4 stellt die Kontraktion von Tensoren
dar und ⊗ ist das Tensorprodukt.
Ein physikalisches Feld werde am Ort Q zum Zeitpunkt t durch die Feldgröße f (Q, t)
beschrieben. Hierbei soll f für eine beliebige tensorwertige Funktion stehen, d.h. für ein
Skalar-, Vektor- oder Tensorfeld auf S. Unter der Einschränkung Q = ϕt (P ) kann dasselbe
Feld auch als F (P, t) geschrieben werden. Je nachdem, ob P oder Q als die unabhängigen
Variablen dienen, bezeichnet man Ft (P ) = ft ◦ ϕt als materielle bzw. Lagrange und ft (Q)
als räumliche bzw. Euler Formulierung des Feldes.
Die materielle Zeitableitung f˙(Q, t) = ∂F
◦ ϕ−1
der räumlichen Feldgröße wird definiert
t
∂t
durch
¯
∂F
∂f ¯¯
−1
◦ ϕt =
+ ∇v f
= Υ (Q, t)
(6)
∂t
∂t ¯Q
und liefert eine wichtige Beziehung zwischen der Lagrange Formulierung und der Euler
Formulierung. Hierin bezeichnet Υ (Q, t) einen Quellterm, z.B. ein Stoffgesetz, ∇ ist der
Zusammenhang auf S und ∇v f ist die kovariante Ableitung von f entlang v.
2.2
Der ALE Operator
Als unabhängige Variablen muss man sich nicht allein auf die Materialpartikel oder ihre
momentanen Platzierungen beschränken. Stattdessen kann man ein zeitabhängiges Bezugsgebiet R mit den Einschränkungen einführen, dass die Abbildung R → B invertierbar und R ⊂ S eine Einbettung ist. Den Umgebungen W(Q̂) ⊂ R eines Bezugspunkts
Q̂ ∈ R n
weistoman die Karten (W, χ) mit den Koordinaten χµ zu. Die partiellen Ableitungen ∂χ∂ µ ∈ TQ̂ S bilden in bekannter Weise eine Vektorbasis des Tangentialraumes
an Q̂. Griechische Kleinbuchstaben sollen im Folgenden Koordinaten und Koordinatenindizes (für letztere gilt α, µ, ν, . . . ∈ {1, 2, 3}) kennzeichnen, die sich auf das Bezugsgebiet
beziehen, während entsprechende Vektoren, Tensoren u.s.w. überdacht werden.
Es sei Φt : R → S eine zeitabhängige Einbettung und Ψt : R → B , ∃ Ψt−1 eine reguläre
Abbildung, wobei Φt (Q̂) = Φ(Q̂, t) und Ψt (Q̂) = Ψ (Q̂, t) bei festem t. Außerdem gelte
ϕt = Φt ◦ Ψt−1 ,
(7)
6
Ein ALE Finite Elemente Modell für Penetrationsprozesse in Sand
so dass die physikalische Bewegung ϕt eine überlagerte Bewegung des materiellen Körpers relativ zum Bezugsgebiet ist (Bild 1). Dann heißt Φt die relative Abbildung und
Ψt die referenzielle Abbildung des Bezugsgebiets. Beide Abbildungen sind i.A. explizit
zeitabhängig.
Definiert man die Koordinatenfunktionen
Φit (Q̂) := xi ◦ Φt ◦ χ−1
(Ψt−1 )µ (P ) := χµ ◦ Ψt−1 ◦ X −1 ,
und
(8)
so können mit Gl. 7 die ϕit als
ϕit (P ) = Φi ((Ψ −1 )µ (P, t), t) = xi ◦ Φt ◦ (χ−1 ◦ χ) ◦ Ψt−1 ◦ X −1
(9)
geschrieben werden. Die Abbildungen Ψt und Φt motivieren die Definition weiterer Geschwindigkeitsfelder. Man nennt
¯
µ
¶
∂(Ψt−1 )µ ¯¯
∂
∂
µ
◦ Ψt
=:
ν
(
Q̂)
= ν t (Q̂)
∈ Γ(TR)
(10)
t
¯
∂t
∂χµ
∂χµ
P
die referenzielle Geschwindigkeit auf R und
!
Ã
¯
∂
∂
∂Φit ¯¯
◦ Φ−1
=: wti (Q) i = wt (Q)
t
¯
i
∂t Q̂
∂x
∂x
∈ Γ(TS)
(11)
die relative Geschwindigkeit auf S. Die referenzielle Geschwindigkeit bezeichnet die vom
Bezugsgebiet aus gemessene Partikelgeschwindigkeit, während die relative Geschwindigkeit dem räumlichen bzw. Euler Geschwindigkeitsfeld von Φt entspricht.
Die Anwendung von Gl. 9 auf die Komponenten des räumlichen Geschwindigkeitsfeldes
v t liefert
µµ i ¶
¶
∂Φt µ
i
i
−1
vt (Q) = wt (Q) +
ν ◦ Φt
(Q) .
(12)
∂χµ t
Der zweite Term auf der rechten Seite ist von fundamentaler Bedeutung und wird als die
Komponenten des konvektiven Geschwindigkeitsfeldes ct = v t − wt ∈ Γ(TS) definert,
wobei ct (Q) = c(Q, t) bei festem t. Die partiellen Ableitungen ∂Φit /∂χµ sind die Komponenten der Tangentialabbildung TΦt : TR → T(Φt (R)) ⊂ TS. Daher erhält man ct nach
[Marsden & Hughes, 1994] über den sog. Pushforward Φt? des referenziellen Geschwindigkeitsfeldes:
ct (Q) = TΦt ◦ ν t ◦ Φ−1
(13)
t = Φt? ν t .
Die konvektive Geschwindigkeit ist das notwendige Bindeglied zwischen dem materiellen
Körper, dessen Konfiguration und dem Bezugsgebiet. Sie bezeichnet die am Ort Q gemessene Relativgeschwindigkeit zwischen den Partikeln P = ϕ−1
t (Q) und den Bezugspunkten
−1
Q̂ = Φt (Q).
Mit den Definitionen von R, Φt und Ψt kann nun die physikalische Größe f (Q, t) =
F (ϕt (P ), t) bezüglich des Bezugsgebiets beschrieben werden, so dass
Ft = fˆt ◦ Ψt−1
und
ft = fˆt ◦ Φ−1
t .
(14)
7
[Bishop & Goldberg, 1968] zeigen im Abschnitt 5.7, dass der Zusammenhang ∇ auf S
mit den Koeffizienten (Christoffelsymbolen) γk ij einen Zusammenhang ∇? auf R über die
Abbildung Φt mit den Koeffizienten γj iα = γj ik ∂Φkt /∂χα induziert, mit dem die materielle
Zeitableitung von fˆt = ft ◦ Φt auf R als
¯
¯
˙ˆ ∂ fˆ¯
f=
= Υ̂ (Q̂, t) .
(15)
¯ + ∇?ν fˆ
∂t ¯
Q̂
geschrieben werden kann, wobei Υ̂ (Q̂, t) wieder einen Quellterm bezeichnet. Für den zweiten Term auf der rechten Seite gilt
∇?ν fˆ = ∇TΦ(ν) f = ∇(c◦Φ) f
(16)
(s. auch [Bishop & Goldberg, 1968], S. 223 und [Marsden & Hughes, 1994], S. 79). Zu˙
sammen mit ∂F
(P, t) = fˆ(Ψt−1 (Q̂), t) aufgrund der Kettenregel folgt daraus schließlich
∂t
der Arbitrary Lagrangian-Eulerian Operator
¯
∂F
∂ fˆ¯¯
◦ Ψt =
= Υ̂ (Q̂, t) .
(17)
¯ + ∇(c◦Φ) f
∂t
∂t ¯
Q̂
Die materielle Zeitableitung einer Feldgröße bezogen auf ein zeitabhängiges Bezugsgebiet
besteht also aus einer lokalen Zeitableitung bezüglich der fest gewählten Bezugspunkte
und einem konvektiven Anteil infolge der Relativbewegung zwischen Material und Bezugsgebiet. Die Lagrange Formulierung (Ψt = IdS , c = 0, IdS : Identität auf S) und die Euler
Formulierung (Φt = IdS , c = v) sind Spezialfälle der ALE Formulierung. Die Substitution
des ALE Operator für materielle Zeitableitungen in den mechanischen Grundgleichungen ermöglicht die Lösung von Anfangsrandwertproblemen bezüglich eines zeitabhängigen
Bezugsgebiets. In der numerischen Umsetzung mit der FEM dient das Elementnetz als
Bezugsgebiet.
2.3
Zum hypoplastischen Stoffgesetz in ALE Formulierung
Die Abhängigkeit des mechanischen Verhaltens sowohl vom Spannungszustand (Barotropie) als auch von der Lagerungsdichte (Pyknotropie) macht die mathematische Modellierung mit Stoffgesetzen insbesondere für Sand kompliziert. In den letzten Jahrzehnten
wurde eine nahezu unüberschaubare Fülle an Stoffgesetzen für Böden entwickelt, darunter
jedoch nur wenige, die in der Lage sind, das mechanische Verhalten von Sand über einen
weiten Spannungs- und Dichtebereich mit nur einem Parametersatz zu beschreiben. In der
ALE Community werden Stoffgesetze vom Ratentyp [Truesdell & Noll, 2004], zu denen
auch die Hypoplastizität zählt, favorisiert. Dies liegt zum einen an der Auslegung dieser
Stoffgesetze für große Verformungen. Zum anderen werden bei der ALE Formulierung gerade Änderungen bzw. Raten relativ zu einem beliebigen Bezugsgebiet beschrieben und
eine unverformte Ausgangskonfiguration des Materials, die für andere Stoffgesetztypen
erforderlich wäre, ist nicht auf natürliche Weise verfügbar.
8
Ein ALE Finite Elemente Modell für Penetrationsprozesse in Sand
Für Sand existieren inzwischen verschiedene Versionen von hypoplastischen Stoffgesetzen.
Im vorliegenden Beitrag wurde die Version nach [von Wolffersdorff, 1996] implementiert,
die allgemein als
σ ZJN (Q, t) = h(σ, d, e)
◦
und
ė(Q, t) = (1 + e) tr d
(18)
geschrieben werden kann. Hierin bezeichnet σ(Q, t) die Cauchy Spannung (eine räum◦
liche bzw. Euler Größe) und σ ZJN = σ̇ − w · σ + σ · w ihre Zaremba-Jaumann-Noll
Rate mit dem Wirbeltensor w = 21 (∇v − (∇v)T ). Die Porenzahl e taucht neben der
Spannung als weitere Zustandsgröße auf und d = 21 (∇v + (∇v)T ) ist die räumliche
Deformationsgeschwindigkeit. Die tensorwertige hypoplastische Funktion h ist isotrop,
vgl. [Truesdell & Noll, 2004], und nichtlinear in d . Es bezeichnen außerdem (·)T und tr(·)
die Transponierte und die Spur eines Tensors zweiter Stufe.
Die materiellen Zeitableitungen der Spannung und der Porenzahl in ALE Formulierung
erhält man durch Anwenden von Gl. 17 auf Gl. 18 (ohne Punktargumente):
¯
∂σ ¯¯
+ ∇c σ = h(σ, d, e) − σ · w + w · σ ,
(19)
∂t ¯Q̂
¯
∂e ¯¯
+ ∇c e = (1 + e) tr d .
∂t ¯Q̂
3
(20)
Numerische Implementierung
Durch die zusätzlichen konvektiven Terme infolge der ALE Formulierung hat sich die
Komplexität der Problematik der Penetration in Sand noch gesteigert und wird daher
folgendermaßen vereinfacht. Es wird nur trockener bzw. wassergesättigter und vollständig
drainierter Sand betrachtet. Massenträgheitskräfte werden vernachlässigt und es wird,
wie in der Strukturmechanik üblich, angenommen, dass Änderungen der Dichte gering
sind. Dadurch entfallen die konvektiven Terme in der Impulsbilanz, die Massenbilanz ist
implizit erfüllt und konvektive Terme tauchen gemäß der Gln. 19 und 20 nur noch bei
Änderungen des Materialzustands auf [Donea et al., 2004].
Eine weitere wesentliche Vereinfachung besteht darin, den ALE Operator Gl. 17 in jedem
Zeitinkrement in einen Lagrange Schritt (Gl. 211 ) und einen Euler Schritt (Gl. 212 ) zu
splitten [Benson, 1989]:
¯
∂ fˆ¯¯
∂ fˆ
(21)
= Υ̂ (Q̂, t)
und
¯ + ∇c fˆ = 0 .
∂t
∂t ¯
Q̂
Diese Vorgehensweise hat sich insbesondere für die Einbeziehung pfadabhängiger Stoffgesetze bewährt, weil für jeden Schritt die optimale Lösungsstrategie ausgewählt werden
kann. Durch den Operator-Split können einfachere und robustere Algorithmen implementiert werden als für das gekoppelte Problem.
9
Im Lagrange Schritt (Ψt = IdS ) wird die Materialkonvektion ausgeschaltet und nur die
materiellen Zeitableitung in Gl. 211 integriert. Dies entspricht jedoch gerade dem Ablauf in FE Programmen auf der Grundlage der Updated Lagrange (UL) Formulierung,
so dass sich durch den Operator-Split die Möglichkeit ergibt, bestehende Programme zu
erweitern. Das Gleichungssytem wird in üblicher Weise mittels impliziter oder expliziter
Verfahren für die globale Zeitintegration gelöst. Ebenso unbeeinflusst von der ALE Formulierung wird die Integration des hypoplastischen Stoffgesetzes durchgeführt, um den
Spannungs- und Dichtezustand des Bodens zu aktualisieren. Anschließend wird im Euler Schritt (Φt = IdS ) der Materialzustand „eingefroren“ und Gl. 212 gelöst. Es erfolgt
zunächst eine Regularisierung bzw. Entzerrung des im Lagrange Schritt verformten Elementnetzes und schließlich die physikalisch konsistente Abbildung der Lösungsvariablen
auf das regularisierte Netz (Konvektionsschritt).
Unter Netzregularisierung (auch: rezoning) wird die Verschiebung von Elementknoten zur
Wiederherstellung der Netzqualität bei fester Netztopologie nach a priori ermittelten, geometrischen Kriterien verstanden. Stark gestauchte und verzerrte Elemente müssen ebenso
vermieden werden wie zu große Elemente. Bei den Netzregularisierungsalgorithmen wird
zwischen verschiedenen Knotengruppen unterschieden. Innere Knoten liegen innerhalb der
Gebietsränder und Übergangszonen verschiedener Materialien. Randknoten liegen auf den
Gebietsrändern. Eckknoten sind ebenfalls Randknoten, sie bestimmen jedoch die Gestalt
des Gebiets und werden daher nicht verschoben. Die einen Inneren Knoten umgebende
Elementgruppe wird im Folgenden als Einzugsgebiet bezeichnet.
Für Randknoten bewirkt bereits die Anwendung von einfachen Mittelungsverfahren eine deutliche Verbesserung der Netzqualität [Savidis et al., 2008]. Für Innere Knoten sind
zahlreiche Algorithmen zur Netzregularisierung verfügbar. Es zeigte sich jedoch, dass mehrere in der Literatur dokumentierte Verfahren für die Problematik der Pfahleindringung
ungeeignetet sind. Falls die Gebietsränder nicht-konvex sind, werden unter Umständen
Innere Knoten nach außen bewegt, so dass sich die finiten Elemente umstülpen und das
Netz gewissermaßen gefaltet wird.
Von den Autoren wurden insgesamt drei Algorithmen zur Netzregularisierung für Innere
Knoten implementiert und untersucht [Savidis et al., 2008], wobei man sich auf Algorithmen für Dreiknotenelemente beschränkte. In nicht-konvexen Gebieten konnten die besten
Ergebnisse mit dem Verfahren nach [Braess & Wriggers, 2000] erzielt werden. Darin wird
ein Potential
X
X rout µ rout ¶3
= Min
(22)
W =
ω=
r0
rin
Elemente
Elemente
definiert, das zu minimieren ist. rout , rin sind der Umkreis- und Inkreisradius des Elements
und r0 = 1.0 ist ein Referenzradius der verhindert, dass einzelne Elemente zu groß werden.
Es ist ausreichend, ein lokales Minimum für jedes Einzugsgebiet eines Inneren Knotens
zu erreichen, daher läuft die Summe in Gl. 22 über die Anzahl der Elemente des Einzugsgebiets. Zur numerischen Bestimmung des Minimums wurde das Newton Verfahren
implementiert. Jedes Einzugsgebiet der Inneren Knoten des Netzes wird durchlaufen, die
Newton Iteration lokal durchgeführt und der jeweilige Innere Knoten versetzt. Weil kein
globales Minimum des Potentials, d.h. ein optimales Gesamtnetz bei einmaliger Anwen-
10
Ein ALE Finite Elemente Modell für Penetrationsprozesse in Sand
dung dieses Verfahrens erreicht werden kann, wird die Schleife über die Einzugsgebiete
mehrfach durchlaufen.
Zur Lösung des anschließenden Konvektionsschritts sind das Lax-Wendroff Verfahren und
das Verfahren vom Godunov Typ [Donea et al., 2004] in der Literatur am häufigsten vertreten. Beide aus der Strömungsmechanik stammenden Verfahren lösen die Konvektionsgleichung bei sonst gleichen Bedingungen in etwa mit derselben Genauigkeit. Das
Verfahren vom Godunov Typ greift jedoch größtenteils auf topologische bzw. geometrische Informationen über das Elementnetz zurück, die bereits im Lagrange Schritt und
im Schritt der Netzanpassung gesammelt wurden. Daher wurde hier das Verfahren vom
Godunov Typ implementiert.
Sei xL die Position eines Elementknotens nach dem Lagrange Schritt und xn+1 die neue
Position desselben Knotens nach der Netzregularisierung. Dann ist die konvektive Geschwindigkeit gegeben durch c = (xL − xn+1 )/∆t, wobei ∆t das Zeitinkrement ist. Der
Fluss des konvektiven Geschwindigkeitsfeldes über die Elementkanten Si mit dem Einheitsnormalenfeld n∗ und dem Kantenstück dSi berechnet sich aus
Z
fSi =
(n∗ · c) dSi .
(23)
Si
Die Konvektion muss für jede Komponente einer Zustandsgröße an den Integrationspunkten der Finiten Elemente durchgeführt werden, d.h. für jede Spannungskomponente und
für die Porenzahl, die im Folgenden mit dem Quadratsymbol ¤ dargestellt werden. Mit
dem Godunov Verfahren erhält man je Element die Komponente der Zustandsgröße ¤n+1
am Ende des Zeitinkrements aus der Komponente der Zustandsgröße ¤L am Ende des
Lagrange Schritts über die Beziehung
3
¤
n+1
¢
¡
∆t X
=¤ −
fSi ¤cSi − ¤L (1 − sign(fSi )) .
2A i=1
L
(24)
A ist die Fläche des Dreiknotenelements, ¤cSi sind die Komponenten der Zustandsgrößen des benachbarten Elements mit der gemeinsamen Elementkante Si und sign(·) ist
die Vorzeichenfunktion. Der gewählte Konvektionsalgorithmus ist nur dann stabil, wenn
das Material nicht innerhalb eines Zeitschritts ein Element vollständig durchfließt, die
Lastinkremente also nicht zu groß werden [Benson, 1989].
Um von dessen leistungsfähigen Pre-, Solution- und Postprozessoren zu profitieren, wurde
das ALE Konzept mittels Operator-Split in das implizite FE Programmsystem ANSYS
implementiert. ANSYS ist ein hochentwickeltes kommerzielles Programm, das dem Nutzer
zwar zahlreiche Eingriffs- und Erweiterungsmöglichkeiten bietet, jedoch nicht den kompletten Quellcode im Sinne einer Open-Source Anwendung zur Verfügung stellt. Vielmehr
ist der Nutzer an die Kommandos der internen Parametersprache und an die sog. UserRoutinen gebunden, die, je nach Aufgabe, an unterschiedlichen Stellen im Programmsystem eingreifen [ANSYS, 2004]. Aus diesem Grund erwies sich die Implementierung als sehr
komplex. Nichtsdestotrotz war mit ca. 1000 Zeilen an zusätzlichem Quellcode der Programmieraufwand verhältnismäßig gering, da weder beim Solutionprocessing, noch beim
Pre- und Postprocessing größere Anpassungen notwendig wurden.
11
Mit Hilfe der ANSYS Implementierungen des hypoplastischen Stoffgesetzes und der Netzregularisierungs- und Knovektionsalgorithmen kann ein leistungsfähiges und realitätsnahes ALE Finite Elemente Berechnungsmodell für die Simulation von Penetrationsprozessen in Sand aufgebaut werden.
4
4.1
Ergebnisse und Diskussion
Patch Test
Zur Verifizierung der implementierten Algorithmen und zur Veranschaulichung der Leistungsfähigkeit einer Operator-Split ALE Finite Elemente Berechnung wird ein allseitig
unverschieblich gelagerter, verzerrter Elementpatch herangezogen. Den Elementen wird
mittels des hypoplastischen Stoffgesetzes auf die folgende Weise ein Materialzustand,
hier Dichtezustand, eingeprägt: eine unverzerrte Elementgruppe innerhalb des Patches
(s. schraffierte Fläche in Bild 2 oben links) besitzt den Dichtezustand A (e = 0, 5), während sich die restlichen Elemente im Dichtezustand B (e = 0, 0) befinden (Bild 2 oben).
Dieses System bestehend aus Elementnetz und Materialzustand sei die gegebene Lösung
einer üblichen FE Berechnung mit Updated-Lagrange Formulierung (Schritt 1). Der Postprozessor ermöglicht dabei die elementweise oder interpolierte knotenweise Darstellung des
Materialzustands.
Das verzerrte Elementnetz aus Schritt 1 wird im Schritt 2 regularisiert (Bild 2 Mitte).
Da der Dichtezustand an die Elementgruppe gekoppelt ist, wird dieser mit dem Netz
verschoben und daher verfälscht. Im Schritt 3 wird das Elementnetz fixiert und der Konvektionsalgorithmus angewendet, um den Dichtezustand aus Schritt 1 wiederherzustellen
(Bild 2 unten). Dabei tritt numerische Diffusion auf, welches das Dichtefeld verschmiert,
an den Elementkanten ausfranst und vorhandene Spitzen beschneidet. Die numerische Diffusion und damit auch der Berechnungsfehler ist umso geringer, je kleiner die konvektive
Geschwindigkeit ist, d.h. je weniger das regularisierte Elementnetz von dem verzerrten
Netz abweicht. Unabhängig davon ist der Konvektionsalgorithmus konservativ, d.h. das
Integral der Zustandsgrößen über das Gebiet bleibt konstant und der „makroskopische“
Dichtezustand entspricht demjenigen aus dem Lagrange Schritt.
4.2
Starres Kreisfundament
In Bild 3 sind die Ergebnisse der FE Simulation eines starren Kreisfundaments mit eingeprägter Vertikalverschiebung (englisch: Coining Test) dargestellt. Bei diesem, in der numerischen Metallumformung weit verbreiteten, Benchmark-Test wird eine starre Kreisplatte
in hypoelastisches Material (E = 10000 kN/m2 , ν = 0, 0) eingedrückt. Dies entspricht dem
Verhalten des elastisch angenommenen Baugrunds infolge der Belastung durch ein starres
Fundament. Zwischen Fundament und Baugrund wurde in dem axialsymmetrischen Modell ein ideal glatter Kontakt angesetzt. Bis auf die vier Eckknoten und dem Knoten an
12
Ein ALE Finite Elemente Modell für Penetrationsprozesse in Sand
(e = 0,0)
(e = 0,5)
Bild 2: Verifizierung der ALE Algorithmen an einem Elementpatch mit eingeprägtem
Dichtezustand. Oben: Ausgangszustand bzw. Lösung der UL Berechnung, Mitte:
Elementnetz und Dichtezustand nach der Netzregularisierung, unten: Dichtezustand
mit numerischer Diffusion nach dem Konvektionsschritt.
13
UL Berechnung
ALE Berechnung
starres Kreisfundament
Bild 3: Finite Elemente Simulation eines starren Kreisfundaments auf hypoelastischem Material (E = 10000 kN/m2 , ν = 0, 0) mit eingeprägter Vertikalverschiebung
(Coining Test). Links: UL Berechnung, rechts: ALE Berechnung.
der unteren Ecke des Fundaments, die dem Randwertproblem die Gestalt geben, waren
alle Knoten für die Netzregularisierung zugänglich.
Bild 3 links zeigt die Berandung der unverformten Struktur zusammen mit dem verformten
Netz und dem Feld der Vertikalspannung σy nach einer UL Berechnung, d.h. ohne Netzregularisierung und Konvektion, bei einer Eindrückung von 50%. Unterhalb der linken Ecke
des Fundaments werden die Elemente stark gestaucht, die Fläche eines Elements geht
sogar gegen Null, wie das Detail verdeutlicht. Das Element versteift und verursacht eine
Spannungsspitze (siehe Minimalwert SMN), die mit dem gewählten Konturverlauf nicht
mehr dargestellt werden kann. Demgegenüber werden die Elemente neben dem Fundament
in die Länge gezogen und reduzieren daher die Knotendichte und somit die Genauigkeit
der Ergebnissse gerade in einem Gebiet, in dem der Gradient der Lösung besonders groß
ist.
Auf der rechten Seite von Bild 3 ist das Ergebnis der ALE Berechnung dargestellt. Im
Detail ist zu erkennen, wie die zuvor erwähnten problematischen Netzregionen von den
Algorithmen zur Netzregularisierung profitieren. Die Stauchung der Elemente unterhalb
der Fundamentecke wird sehr gut ausgeglichen. Das Mittelungsverfahren für die Lage der
Knoten an der freien Oberfläche verhindert zu starke Elementdehnungen und bewahrt
weitestgehend die Knotendichte neben dem Fundament. Infolge der numerischen Diffusion beim Konvektionsschritt wird die in der UL Berechnung auftretende Spannungsspitze
14
Ein ALE Finite Elemente Modell für Penetrationsprozesse in Sand
beschnitten und das σy Feld insgesamt etwas geglättet bzw. verschmiert, wie die angegebenen Maximal- und Minimalwerte (SMX und SMN) belegen.
4.3
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass das ALE Konzept mit hypoplastischem Stoffgesetz mittels
Operator-Split in ein standardmäßiges FE Programm basierend auf der Lagrange Formulierung implementiert werden kann. Die Stoffgesetzintegration unterscheidet sich in diesem Fall nicht von den bestehenden Algorithmen, weil die Konvektion der Zustandsgrößen
erst in einem nachfolgenden Schritt durchgeführt wird. Eine besondere Aufmerksamkeit
erfordern die Algorithmen zur Netzregularisierung. Bei der ALE Simulation von Penetrationsprozessen treten nicht-konvexe Netzregionen auf, die mit Standardverfahren oftmals
nicht ausreichend regularisiert werden können.
Mit Hilfe der ANSYS Implementierungen des ALE Konzepts kann ein leistungsfähiges und
realitätsnahes ALE Finite Elemente Berechnungsmodell für die Simulation von Penetrationsprozessen in Sand aufgebaut werden. Zur Validierung des Berechnungsmodells werden
am Fachgebiet der Autoren derzeit Modellversuche mit kleinmaßstäblichen Modellpfählen
geplant und durchgeführt. In den Versuchen werden die Modellpfähle über eine Einpressvorrichtung entlang einer Glasscheibe in Sand eingedrückt und das Geschwindigkeitsfeld
der Bodenkörner mit der Particle Image Velocimetry (PIV) Methode gemessen. Hieraus
lassen sich wiederum Rückschlüsse auf Porenzahländerungen ziehen.
Das vorgestellte Arbitrary Lagrangian-Eulerian Konzept eignet sich hervorragend für die
Simulation von geotechnischen Herstellungsprozessen, in denen die Materialverformungen
nicht zu groß sind. Treten hingegen sehr große Materialverformungen auf, wie z.B. bei
Injektionen und Mischungsproblemen, ist eine explizite Auflösung der Materialübergangszonen durch Elementkanten nicht mehr möglich und es werden weiterführende Methoden
erforderlich.
5
Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung
des in dem Beitrag auszugsweise vorgestellten Projekts (DFG Sachbeihilfen SA 310/21-1
und SA 310/21-2).
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