PDF - Globetrotter
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Damals vor 30 Jahren… …1976 auf dem L Text Ruedi Bless Bilder Urs Herger und Ruedi Bless Damals hatte jeder eine Art Reisebibel dabei, meistens ein Sehnsuchts-Neoklassiker wie Hiltons «Verlorener Horizont», Hesses «Siddhartha», Tolkiens «Herr der Ringe» oder Kerouacs «On the road». Meine war «Der billigste Trip nach Indien» von Robert Treichler. Damals im Juni 1976, als mein Reiseleben vor dem Verkehrshaus in Luzern begann… Mit gestutzter Hippiemähne direkt vom Coiffeur kommend, ausgerüstet mit sperrigem Gestängerucksack, adrett bekleidet mit Twist-Jeans und «umgebautem» Militärhemd (verpönt aber stark), standen Urs und ich am Strassenrand, erwartungsvoll den Daumen in Richtung Indien gestreckt. U rs kannte ich schon seit der Sekundarschulzeit. Inzwischen waren wir 20 geworden (damals wurde man erst mit 20 Jahren «volljährig, erwachsen»…). Er Eishockeyspieler vom Typ Haudegen, spontan, intelligent, anpackend. Genau das richtige Pendant zu meiner eher introvertierten, analytischen Art. Wir trafen uns einige Monate zuvor in der Kultbeiz «Fritschi» zu Luzern und ich konfrontierte ihn mit meinem Entschluss, auf Reisen zu gehen. Einfach so, ohne Vorwarnung. Irgend etwas trieb mich dazu. All die philosophierten Abhandlungen, warum jemand so etwas macht – Flucht, Neugier, Abenteuerlust und was es noch alles hiess – trafen zu. Oder auch nicht. Wer weiss?! Urs war kurz zuvor in seine erste eigene Wohnung gezogen, hatte sein erstes Auto vor der Tür. Eigentlich Abenteuer genug, sollte man meinen. «Ich komme mit!» sagte er, als wär’s die normalste Bemerkung der Welt. Manchmal ist das Leben ganz einfach. Bis man mit Rechnen beginnt… Autostopp für Anfänger Wohin? Wie lange? Wieviel Kohle brauchen wir? – immer diese Details. Nach Indien, überland, das war schnell klar. Es folgten Monate der Planung und des Sparens. Sowas hatte zumindest einer schon vor uns gemacht, eben: Robert Treichler. Das Buch mit dem Jeansumschlag war Kult unter den «Trampern». So hiessen die zu der Zeit. Heute sind das eher 46 «Traveller». Menschen, die reisen wollen, nicht mehr und nicht weniger. Treichler hatte schon 1972 als Pionierleistung einen Reiseführer für Leute wie uns, also Reisende mit Kleinstbudget, gemacht. Er führte mit mehr oder weniger schlauen Tipps von Stadt zu Stadt. Von Land zu Land. Über Kultur liess er sich dabei wenig aus, das war wohl auch nicht die Absicht. Vielmehr waren es reisetechnische Feinheiten, welche die Sucherei an den jeweiligen Orten verkürzten. Hotels, Restaurants, Postoffice, und, und. Das verhinderte, dass sich ein sensibler Tramper als Individualreisender fühlen konnte… So gesehen wurde mit dieser und ähnlichen Reisebibeln unfreiwillig ein Informationsgrundstein zum späteren Massentourismus gelegt. Man traf immer wieder die gleichen Gesichter mit gleicher Ausrüstung in den gleichen Kneipen, beim gleichen Geldwechsler, im gleichen Zug. Ein wenig «Zuhause» auf Reisen. Da standen wir also, sinnigerweise beim Verkehrshaus der Schweiz, und hofften auf baldige Mitfahrgelegenheit. Nicht zuletzt deswegen, weil mein Vater sarkastisch angedroht hatte, am nächsten Morgen uns das Frühstück da hin zu bringen. So schlimm kam’s nicht, aber volle drei Stunden standen wir am gleichen Fleck. Dann endlich hielt der erste Wagen. «Nach Küssnacht am Rigi fahre ich» – immerhin 10 Minuten Autofahrt von hier. Nur weg, dachten wir und hievten unser Gepäck rein. Der Autor dieser Nostalgie-Reportage, Ruedi Bless, als 20-jähriger Tramper unterwegs auf einem Lastwagen in Afghanistans Bergen. Die Billig-Passagiere sitzen hier auf einer Ladung dünner Baumstämmchen. In den Siebzigerjahren als Tramper unter wegs bis nach Südostasien – ein nostalgischer Rückblick auf jene abenteuerlichen Reisezeiten Landweg nach Indien Die erste Nacht – das sei hier zur Ehrenrettung gesagt – verbrachten wir dann immerhin schon in der Nähe von Verona – im Schlafsack bei einer Autobahnraststätte. Einmal also durften wir am ersten Tag unsere neu-glänzenden Pässe vorweisen. Der Ernst des Reisens hatte damit begonnen. Eine Anekdote aus Jugoslawien: Hält eine Wellblechkiste vor uns an: «Wohin des Weges?». Wir, gut aufgelegt, schon so weit gekommen zu sein: «Nach Australien!». «Das trifft sich gut, da will ich nämlich auch hin», sagte der Deutsche allen Ernstes. Und das stimmte sogar, wie wir auf der Fahrt herausfanden. Doch so direttissima wollten wir da nun auch wieder nicht hin, stiegen also schon in Griechenland wieder aus. Hellas für Höhlenforscher Keine Ahnung, ob, wann und wie viele Höhlenbewohner es in Griechenland gab, wir jeden- falls waren zwei von ihnen. Ios war ein Geheimtipp, und obwohl das Inselchen schon mit einer Disco bedacht war, fanden wir uns bald in einer wohnlichen Höhle wieder. Nicos, der Fischer und Betreiber einer Taverna, gab uns mit seiner Familie Gastrecht. Das Inselleben wurde von uns in vollen 47 Zügen genossen: ausschlafen, schnorcheln, wandern, mit Nicos fischen, abends dann in die Disco«Zivilisation» – um dann wieder von vorne zu beginnen. Schliesslich mussten wir uns von den vergangenen und zusätzlich von den kommenden Reisetagen erholen. Swimmingpool, Kühe und Joghurt in der Wüste Das war auch gut so, denn es war Arbeit angesagt. Der KibStart ’76 vor dem Verkehrshaus Luzern el: Reisebib Treichlersach Indien» rt e b o R DerbilligsteWegnachAfghanistan,Inn Aus gste Trip «Der billi dien und Nepal führt über Land. Wenn du mit Bahn und Bus reisest, kostet dich der Trip nach Indiens Hauptstadt Delhi nur 222 Franken oder 217 DM. Das sind die reinen Transportkosten für den rund 9000 km langen Hinweg. Dazu musst du pro Tag mit mindestens 4 bis 9 Fr. für Unterkunft und Essen rechnen, je nach Land. Du brauchst etwa 14 Tage bis Delhi – ohne Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Wenn du etwas sehen willst, brauchst du einen Monat. Dieses Büchleinbeschreibt,wiemandiebilligsteReisemacht.MittelklasseHotels, gute Restaurants (Food Trip) und billige Inland-Flüge sind für diejenigen angegeben, die vielleicht den zweitbilligsten Trip nach Indien. machen möchten. Gute Reise! Die Reiseroute: Sie führt von Europa über Istanbul nach Indien und Nepal. Dieses Büchlein beschreibt auch einige Abstecher und Umwege sowie eine Reisevariante zum Paradiesstrand Goa. Hauptroute Nebenroute Das ist der billigste Weg nach Indien Umrechnungskurs Ende 1975: 1 US$ =2.65 Fr./DM Land Teilstrecke Europa Türkei Türkei/Iran Iran Iran Afghanistan Afghanistan Afgh./Pak. Pakistan Pakistan Indien Indien Total Zürich–Istanbul Istanbul–Erzurum Erzurum–Tehran Tehran–Mashad Mashad–iranische Grenze Grenze (Islam Qala)–Herat Herat–Kabul Kabul–Peshawar Peshawar–Lahore Lahore–Wagah (Grenze) Attari (Grenze)–Amritsar Amritsar–Delhi Zürich–Delhi Distanz TransportMittel 2410 km 1728 km 1213 km 940 km 250 km 131 km 1050 km 280 km 443 km 27 km 29km 447 km 8948 km Fahrpreis in Landeswährung Bus 130 Bahn 87 Bus 177 Bus 350 Bus 100 Bus 50 Bus 200 Bus 100 Bus 14 Bus 1 Bus 1.40 Bahn 20.50 222 US$ (offiz. Kurs) Fr. 49.– US$ Türk. Lira 5.9 US$ Türk. Lira 12.– US$ Rials 5.1 US$ Rials 1.5 US$ Afghanis 0.9 US$ Afghanis 3.6 US$ Afghanis 1.8 US$ Pak-Rupees 1.4 US$ Pak-Rupees 0.1 US$ Ind-Rupees 0.2 US$ Ind-Rupees 2.3 US$ Franken 83.8 US$ buz «Yotvata» in der NegevWüste brachte uns zurück auf den Boden der geregelten Realität. Die Hitze im südlichen Israel bestimmte den Alltag; morgens um 04.00 Uhr Tagwache, Arbeit im Feld bis 08.00 Uhr, Frühstück, Arbeit bis 11.00 Uhr, Mittagessen, Schlaf, Swimmingpool, Party. «Swimmingpool»? Ja. Mitten in der Wüste wurde ein 30-MeterPool gebaut. Doch das war nicht das einzige Phänomen. Yotvata rühmte sich, die grösste Molkerei Israels zu betreiben. Eine der zugeteilten Arbeitseinsätze war denn auch das Abfüllen von Joghurt. Einer der privilegierten Jobs angesichts der 35–40° Hitze ausserhalb der klimatisierten Anlage. Schlechter waren diejenigen dran, die abkommandiert waren, mitten in der mit Steinen durchsetzten Sandwüste ein Mangofeld anzulegen. Dort musste man auch aufpassen, dass die Handschuhe nicht achtlos rumlagen. Skorpione haben nämlich die unangenehme Angewohnheit, sich in verborgene, dunkle Regionen zu begeben. Daraus machten wir eine Tugend: Skorpionefangen. In unsere Hütte legten wir ein aus Hühnergitter und Plastik gefertigtes Terrarium an. Wohl wissend, dass Skorpione nicht klettern können – nachzulesen bei Karl May – liessen wir das Terrarium oben offen. Am andern Morgen staunten wir nicht schlecht, als keiner der inzwischen auf acht Skorpione angewachsenen Population mehr gesichtet wurde. Nun galt es, akribisch zu suchen! Ein Skorpion in der Unterhose¸ was für ein verwegener Gedanke… Es half alles nichts – keine Spur von den niedlichen Tierchen. Hinlegen und Nachdenken war angesagt. Friedlich, als wollten sie die Welt einmal von oben betrachten, hingen sie alle an der Decke! Und was lehrt uns das? Karl May war tatsächlich nie in dieser Region… Gratis logieren in Höhlen der griechischen Insel Ios; ohne Lohn arbeiten im Kibbuz; billig essen im afghanischen Teehaus. 48 Anatolien im senfgelben Mercedes Szenenwechsel. «Puddingshop»: Diese legendäre Tramperbeiz, mitten im der Altstadt von Istanbul, gehörte zu den «Musts» eines jeden Indienreisenden. Sei er nun auf der Hin- oder Rückreise. Wobei die Rückreisenden in der Bewunderungshierarchie höher standen; sie hatten ja die Erfahrungen schon gemacht, ganz im Gegensatz zu uns Greenhorns. Natürlich gabs im Puddingshop auch Pudding, doch der interessierte uns weit weniger als die Erzählungen der andern Tramps. «Facts and Figures» wurden in mündlicher und schriftlicher Form (Schwarzes Brett) ausgetauscht. Ob all der «Gefahren», die da auf einen warten sollten, und der «Horrorstories» die da die Runde machten, konnte einem angst und bange werden. Nichtsdestotrotz begaben wir uns zum Billettbüro, welches in Treichlers Bibel als die Adresse für Busfahrten nach Teheran angegeben war. Ein Dutzend meist dunkelhäutige Orientalen lümmelten vor dem Eingang herum. «You want drive Mercedes?» Hä? Was hat der gesagt? Natürlich wollten wir! Schliesslich hatte ich eine Woche vor Abreise in Luzern mein «Billett» gemacht und konnte zu Recht behaupten, schon seit 5 Monaten im Besitz des Fahrausweises zu sein. Dass ich noch nie selbst gefahren war, mussten wir den Leuten ja nicht unter die Nase reiben… So kam es, dass nun Urs in einem weissen und ich in einem nagelneuen senfgelben Mercedes über die Überlandstrassen der Türkei sausten. Die «Studenten» erklärten uns, dass die Fahrzeuge in Deutschland gekauft und nun nach Bangladesh verschoben würden. Wir sollten die Wagen innerhalb einer Woche nach Teheran überführen und dort an einem vereinbarten Ort abgeben. Natürlich waren einige von ihnen auch mit dabei, damit wir uns nicht versehentlich abzusetzen versuchten. Total «lässig» (das damalige Wort für «cool») fanden wir natürlich diese Luxusfahrt durch Anatolien. Vor allem der Osten verschlug uns jeden Tag aufs Neue den Atem – eine grandiose Landschaft! Und Menschen, die uns immer wieder mit ihrer Gastfreundschaft beeindruckten. Nie wäre uns in den Sinn gekommen, dass unsere überall bewunderten Fahrzeuge bis oben hin vollgestopft mit Drogen sein könnten… Nie, bis wir an der iranischen Grenze – den Ararat vor Augen – im Grenzhäuschen die Hinweise entdeckten, dass im Iran Drogendealern kurzen Prozess gemacht würde. Die Grenzkontrolle war dann Bungyjumping-hoch-drei, was den Adrenalinausstoss betraf… Dieses Gefühl schwang dann nochmals zurück, als wir im Iran einheimische Autostopper mitnahmen. Autostopper bezahlten für den Taxidienst, was uns natürlich nicht unangenehm war. Allerdings, kurz vor Teheran, mit 140 km/h auf der Autobahn, wies ein alter, vollbärtiger Mitfahrer darauf hin, dass sein Dorf gleich dort drüben sei. Offenbar wusste er die Geschwindigkeit nicht so richtig einzuschätzen, öffnete er doch bei 140 km/h die Tür und wollte aussteigen! Afghanistan – ein Trip durchs Mittelalter Und nun zu Afghanistan, das bis 1979 bereisbar war und damals als legendäres (Alp)Traum-Zwischenland der Indienfahrer galt, wo auf dem Kabuler Friedhof schon für etliche junge Europäer Endstation gewesen war. Es fing überwältigend an: Herat, ein Traum von einer Kleinstadt. Bil- Das schöne, spektakuläre Tal von Bamiyan (Afghanistan) mit den riesigen, aus dem Fels gehauenen Buddha-Statuen, die 2001 durch die Taliban zerstört wurden. 49 der, wie sie nur die Wirklichkeit hinkriegt: Basargassen, Pferdekutschen, kein Asphalt, Schafmärkte, offene Metzgereien, Farben überall, und Düfte! Es war, als sei man das erste Mal in dem Orient angelangt, den man sich aus «1001 Nacht» vorstellte. In den islamischen Ländern war es damals so, dass Blutspenden nur sehr zögerlich gemacht wurden. Aus religiösen Gründen ging man davon aus, dass ent- Was mitnehmen? Schlafsack Der Schlafsack gehört zum Unentbehrlichsten: er lässt dich auch in den billigsten Hotels schlafen, wo die Bettwäsche nicht von Gast zu Gast gewechselt wird, zudem in Jugendherbergen, Eisenbahnen und Orten, wo nur Pritschen gibt. Verschiedenes Für die Wäsche unterwegs brauchst du eine Wäscheleine. Es gibt elastische, gezwirbelte von Goldzack, für die man keine Klammern braucht, sondern die Wäschestücke dazwischen klemmen kann. Ausserdem nützlich sind aufblasbare Kleiderbügel. Kernseife/Waschseife ist meist besser als Waschpulver, da Waschbecken in Hotels selten einen Ablaufverschluss haben und du das Waschpulver deshalb nicht auflösen kannst. Was man sonst noch brauchen kann: internationalen Führerschein, JugendherbergeAusweis, Taschenmesser, Übersichtskarte von Asien (Länderkarten bekommt man unterwegs meist kostenlos), Reisewecker, weichendes Blut mit einem Verlust der Persönlichkeit einher ginge. Das wusste ein richtiger Westler zu nutzen; schliesslich wurden für Tramper-Verhältnisse recht hohe Summen, bis zu einem Wochenreisebudget, für eine Blutspende geboten, gemäss Treichlers Handbuch. Und das geht schliesslich über den Persönlichkeitsverlust in unseren Breitengraden. Am ersten Abend in der dortigen Herberge stürzte ein schwitzend-aufgeregter Afghane an die Reception und fuchtelte irgend etwas mit dem zuständigen Hotelangestellten herum. Dieser kam dann nicht minder aufgeregt schnurstracks auf uns zu und fragte nach unserer Blutgruppe. Wir dachten kurz an die offenen Metzgereien, suchten in unseren Unterlagen die Blutgruppen. Gesagt, gepackt – und schon waren wir, ohne weitere Informationen, auf einer Pferdekutsche im nächtlichen Herat unterwegs. Am Bestimmungsort eingetroffen, meinte der englisch sprechende Arzt, es habe eine Sonnenbrille, Kartenspiel, Transistorradio. (Batterien überall erhältlich), und – lach nicht! – einen Taschenkalender als Tagebuch. Trag darin die Adressen von Freunden ein, denen du schreiben willst. Brillenträger sollten eine Ersatzbrille (zumindest das Rezept), Gebissträger ein Ersatzgebiss mitnehmen. Amerikanische Zigaretten, durchsichtige Gasfeuerzeuge mit Plastikblümchen drin, Leuchtfilzstifte und 4-Farben-Kugelschreiber sind willkommen als Gastgeschenke (wenn du eingeladen wirst) oder als Bakschisch, um kleine Probleme mit Grenzbeamten und Behörden zu lösen. Letzteres geht beispielsweise so: du bietest denen, um ein Formular auszufüllen, deinen knalligen Kugelschreiber an und «vergisst» ihn dann. Oft wird der Beamte (vor allem in Indien) ihn einfach einstecken. Zu den kleinsten und platzsparendsten Mitbringseln gehören: Prospekte (kostenlos), Postkarten deiner Heimat, Kalenderbilder, Kupfermünzen, Luftballons, Taschenspiegel, Ansteck-Abzeichen, Schlüsselanhänger, Streichholzbriefchen (in Asien wenig bekannt), buntbedruckte Taschentücher, Rasierklingen (in Indien), Briefmarken. Schiesserei gegeben und wir hätten genau die Blutgruppen, welche gesucht seien. Wir sahen schon die $-Noten vor Augen und legten uns bereitwillig hin. Nach getaner Arbeit – Urs war kurzfristig ins Reich der Träume abgetaucht – harrten wir freudig der Dinge, die da kommen sollten. Es kam je eine Cola… immerhin. Ein Original-Coke galt in Afghanistan als Luxus. Nach dessen Genuss verabschiedete sich der Arzt mit grossem Dank und kleinem Budget. Nichts war mit gut Verdienen. Wir trösteten uns damit, einen guten Dienst getan zu haben. Das hat ja auch seinen Wert. Basar vor der Festung von Herat (Afghanistan); Wasser schöpfen im ländlichen Indien. 50 «Schwarzer Afghan» ist bekanntlich kein Begriff aus der Ethnologie, sondern war vielmehr eines der Magnete für viele Westler, um überhaupt nach Kabul zu reisen. Nach der Durchquerung des wüstenhaften Südens, via Kandahar, erreichten wir die Hauptstadt. Dort – abends in gemütlicher Runde, trotz eisiger Kälte (es war inzwischen Ende November) im Patio sitzend – wurden Zigaretten und Pfeifen gereicht. Meine Skepsis überwog, doch Urs wollte sich die Sache mal «reinziehen», schliesslich war man eingeladener Gast. Nach einiger Zeit verabschiedete er sich Richtung Zimmer und kam kurz darauf in T-Shirt und Turnhose wieder zu un- serer Gruppe, die inzwischen recht aufgeräumt war. Nochmals: Es war eisig kalt, alle hockten in Daunenjacken und Wollmützen am Tisch; Urs wie einer, der gleich zum Eidgenössischen Turnfest aufgerufen werden sollte. Er spüre gar nichts und überhaupt, es sei ihm zu warm hier… Da halfen nur noch klare Befehle des noch nicht Berauschten, damit eine Lungenentzündung verhindert werden konnte. Die Fahrt ins Bamiantal war atemberaubend. Dort angekommen, musste zuerst verdaut werden, was man alles zu sehen bekam. Das hier adäquat zu beschreiben, sprengt die Möglichkeiten des Autors. Natürlich waren da auch noch die später Faszination, Staunen und Gastfreundschaft im Goldenen Tempel von Amritsar (Indien), de (2001) von den Taliban weggesprengten, 37 und 54 Meter hohen Buddhas in ihrer ganzen Eindrücklichkeit vorhanden. Unseren Gastgeber fragten wir dann, wie er unsere Idee einschätze, von hier nach Kabul zurück zu wandern? Abgesehen davon, dass er uns ungläubig ansah, meinte ich selbst in Unkenntnis seiner Sprache das Wort «Schwachsinn» interpretieren zu können. Immerhin waren das etwa 150 km. Doch das war das kleinere Problem, vielmehr, so meinte er, sei dies quasi Selbstmord, da sehr gefährlich wegen der einheimischen Bevölkerung, unter denen es – wie bei uns – nicht nur Nette gäbe. Schreiben wir es mal unserer jugendlichen Naivität zu, dass n), dem grössten Heiligtum der Sikh-Religion. wir uns trotzdem dazu entschlossen. Es sollte eines der eindrücklichsten Erlebnisse unserer ganzen Reise werden! «Biblische» Landschaften und Szenen begleiteten uns eine Woche lang. Überall wurden wir in den kleinen Dörfern mit aller Herzlichkeit empfangen und jeder wollte uns bei sich übernachten lassen. Einmal gabs sogar Streit über diese Frage, sodass der Bürgermeister eingriff und uns kurzerhand zu sich nahm. Dort angekommen, wurden wir fürstlich versorgt. Die Frauen kochten im Hintergrund und die Söhne servierten. Zum Dessert glaubten wir aber unseren Augen nicht mehr trauen zu können: Mit diebischem Grinsen nahm er uns in einen anderen Raum und präsentierte uns eine Dose Heineken-Bier. Unsere Freude war im wahrsten Sinne «überschäumend» – doch zu früh: Die Dose war leer und einzig dazu da, vor seinen Freunden zu protzen… Postlagernd in Pakistan… Nach der Überquerung des Khyber-Passes war es wieder mal an der Zeit, etwas Heimatluft zu schnuppern. In freudiger Erwartung betraten wir das «General Post Office» zu Peshawar. In Pakistan war alles anders, hektischer, geschäftiger. Sonnenbrillen waren der grosse Hit. Jeder, der etwas auf sich hielt, trug eine solche, meist viel zu gross, aber trotzdem Statussymbol. Doch zurück zur Post. Von Lahore nach Indien Grenze Die indischen Zöllner bitten um Kugelschreiber und Rasierklingen. Sie fragen nach Kameras, Tonbandgeräten, Radiorecordern etc. Was ihnen teuer scheint, wird im Pass eingetragen, damit man es nicht verkaufen kann in Indien. Der Zollbeamte frägt auch, wieviel Geld du bei dir hast. Du musst aber keine Gelddeklaration mehr ausfüllen. Indische Rupees einzuführen ist verboten! Weiter fragen die Grenzbeamten nach Hasch und pakistanischen Zeitungen – auch das darf man nicht einführen. «Eine dicke Beamtin in Wagah hat sich Ruhm über halb Asien erworben, weil sie in recht schamlosen Leibesvisitationen immer wieder Schwarzgeld zutage förderte», schreibt Leser Markus Maeder aus Zürich. Schmuggelverstecke fürs Geld: Zigaretten aushöhlen, also Tabak raus, Geld zusammenrollen, reinstecken und Zigarette in die angebrochene Packung zurück, die du dann ins Hemd steckst. Oder Geld in WC-Papierrolle einrollen oder in Plastik gepackt in Zahnpastatube (Tube unten öffnen). «Poste restante» stand da auf einem Schild – wir konnten es kaum erwarten. Mitleidig lächelnd sah uns der Beamte an und nahm uns mit in einen separaten Raum. Mit einer Geste wie «bedient euch» wies er auf einen Riesenhaufen von Briefen und Paketen. Wir sollten uns da bedienen und ihm dann die Funde präsentieren! Damit war das Tagesprogramm klar; stundenlang wühlten wir in der Post – oftmals sahen wir auch Briefe an Leute, die wir inzwischen kennen gelernt hatten – und ab und zu ein Freudenschrei, wenn unsere Namen gesichtet wurden. Kaum zu glauben, aber sogar Schokolade hatte die Reise nach Pakistan überstanden. Transit durch Pakistan. Noch in Kabul hatten wir uns reichlich mit billigen indischen Rupien eingedeckt; die Siebzigerjahre waren noch die Zeit der enormen Differenzen zwischen offiziellem Wechselkurs und Schwarzmarktkurs in etlichen asiatischen Ländern. (Ausser Auf idyllischen Wasserwegen durch Kerala. 51 der legendären Chicken Street in Kabul, wo Hühner und Hippies in den Tramperbeizen herumhingen, war ein Besuch der Money Changers Alley fast unumgänglich, wo die Geldwechsler im Schneidersitz in ihren offenen Marktständen sassen, um sie herum alle gängigen Währungen der Nachbarländer in enormen Bündeln aufgestapelt…) Nun also, auch Gestängerucksäcke haben ihre Vorteile: Die vielen grossen Scheine der schwarz gewechselten indischen Rupien konnten straff gerollt im Gestänge versteckt werden. Stolz auf unsere geniale Idee, sassen wir also im Bus zwischen Lahore und Amritsar. Es war wieder mal an der Zeit, den «Treichler» zu lesen, da ja wieder ein Grenzübertritt anstand: Indien! Ein kurzes Zucken, kalter Schweiss bildete sich, stand doch dort bei Stichwort Zoll: Wie man reist Verschiedenes Girls: Wenn du BH und Unterhöschen zuoberst im Gepäck hast, scheuen sich manche Zöllner, weiterzukontrollieren. – Um Museen, Sehenswürdigkeiten gratis besichtigen zu können, schmuggle dich in eine Gruppe, die grade reingeht. – Wenn dich ungebetene Reiseführer (Guides) belästigen oder wenn du der ewigen Ausfragerei («Where do you come from?») ausweichen möchtest, sag «English no». – Wenn dir bei Einladungen Ungeniessbares angeboten wird, sag, laut deiner Religion dürfest du das nicht essen. Das wird immer geglaubt. – Shorts sind nicht gern gesehen: entweder wirken sie kolonialistisch (Subkontinent) oder unmännlich oder lächerlich. Girls sollten in Muslim-Ländern ohnehin keine Shorts tragen, in Indien gilt das Entblössen der Beine als ebenso unanständig wie ein nackter Busen. – Im Subkontinent höre Radio Sri Lanka, das Unterhaltungsmusik mit Werbefunk mischt. – Deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften zum Lesen findest du (ausser in den jeweils angegebenen Leseräumen) auf deiner Botschaft, bei Swissair- und Lufthansa-Büros, in grossen internationalen Hotels. Wie gefährlich ist‘s? Leser haben angefragt: Gibt es in Indien wirklich genug zu essen oder muss man «Wenn ihr mit dem Bus von Lahore kommend die Grenze nach Indien erreicht, empfängt euch dort eine fette, pedantische Zöllnerin. Nehmt euch vor der in Acht! Und den Trick mit dem Versteck von Schwarzgeld im Rucksackgestänge kennt die schon lange…» Knigge war kein Inder Tja, wir überstanden es gut; sie war tatsächlich dort (die Beschreibung traf exakt zu…), doch nach Schikane war ihr an diesem Tag nicht zumute. Indien hatte uns inzwischen fest im Griff. Nach Delhi, Agra, Bombay und Goa – wo all die aus Nepal gestrandeten Junkies auf Weihnachten warteten – gelangten wir nach Cochin. Weiter südlich, in Alleppey, bestiegen wir ein Boot, welches uns in den nächsten sieben Stunden nach Quilon bringen sollte. Lebensmittelvorräte mitführen? Besorgte Mütter haben geschrieben: Mein Sohn will nach Indien, ist das nicht gefährlich? Er ist erst einundzwanzig. Nein, es ist nicht gefährlich, auch wenn der Sohn noch jünger ist. Es ist so ungefährlich, dass man nicht einmal eine Waffe mitzunehmen braucht (die kann einen nur in Schwierigkeiten bringen). Die Angst vor «diesen Schlitzäugigen» ist lediglich ein Vorurteil. Und die Hungersnöte, traurig zu sagen, treffen meist nur die Armen. Von Überschwemmungen erfährt man im voraus. Erregten Volksmassen bleibst du besser fern, aber wenn’s brenzlig wird, gehen die Grenzen ohnehin sofort zu. Raubüberfälle sind nicht häufiger als zu Hause, und auch die Verkehrstotenziffer ist in Europa höher. Unfällen entgehst du eher, indem du Bahn (statt Bus) fährst. Sei vorsichtig, wenn jemand dich um einen Gefallen bittet (sein Auto dort und dort hin fahren, deinen Pass fur einige Stunden ausleihen) und dir dafür Geld anbietet. Diebstähle geschehen – man kann es nicht oft genug wiederholen – meist unter westlichen Reise-«Kameraden». Krankheiten kann man vermeiden, indem man vorsichtig mit Essen und Trinken ist, die Krankheitskosten mildern sich durch eine Versicherung. Gegen Erdbeben, freilich, kann man sich nicht versichern. Auch nicht gegen Abenteuer. Die «Backwaters» sollen diese Fahrt besonders reizvoll gestalten, war nachzulesen. Das war eine gewaltige Untertreibung. Was wir hier zu sehen bekamen, war schlicht sensationell: Grün in allen Variationen – Wasseralgen, Felder, Kokospalmen zu Tausenden –, nur unterbrochen durch die farbigsten aller Saris, das Weiss der Zähne von lachenden Kindern und abgeschlossen von einem tiefblauen Himmel. Da konnten wir nicht einfach durchfahren! Wir entschlossen uns spontan, auszusteigen. Der Kapitän wollte uns allerdings davon abhalten: keine Unterkünfte, das hätte noch nie ein Tourist gemacht, gefährlich. Doch das hörten wir nur von Weitem, hatten wir das Boot doch schon verlassen. Und jetzt? Ungläubig staunend kamen die ersten Kinder auf uns zu. Weitere folgten, und noch mehr. Es wurde immer lauter und fröhlicher. Als wir an einer Schule vorbeikamen, gab der Lehrer umgehend schulfrei, damit er und die Kinder diese Exoten mal näher betrachten konnten. Dabei blieb es allerdings nicht; man fasste unsere Haut an und auch die blonden Haare waren Objekte der Begierde. Buchstäblich das ganze Dorf kam zusammen und es war nicht mehr genau auszumachen, wer eigentlich wen beäugte. In dieser Situation trat einer hervor, der eine etwas städtische Erscheinung hatte. Mit gutem Englisch lud er uns in sein Haus ein. Dort angekommen, wies er uns einen Raum zu – «your sleeping room» – und nach einer Pause wurden wir fürstlich bewirtet. Aber nur wir zwei; die ganze Familie sass um uns herum und verfolgte jede unserer Bewegungen. Natürlich amüsierten sie sich über unser ungeschicktes Essen von Hand. Nepals Hauptstadt Kathmandu: damals eine märchenhafte, verträumte Tempelstadt fast ohne motorisierten Verkehr. Reisen mit Indiens Menschenmassen – in und auf überfüllten Zügen, zu Fuss oder mit Fahrrad-Rikschas. 52 Berge von Köstlichkeiten um uns. Und wie hatte meine Mutter immer gesagt: «Seid anständig und esst aus.» Wir also bemüht, Anstand zu wahren, und es bedurfte einiger Anstrengung, wenigstens die Hälfte des Dargebrachten zu verspeisen. Dann konnten wir einfach nicht mehr. Wir lehnten zurück, lobten die Kochkunst wieder und wieder. Es sei uns auch peinlich, dass wir nicht alles aufessen könnten. «No problem», sagten sie und verzogen sich in einen andern Raum. Dort wurde dann im trauten Familienkreis das verspeist, was wir übrig liessen. Erst viel später erfuhren wir, dass es in dieser Weltgegend die Gastfreundschaft gebietet, den Gast die erlesensten Speisen zuerst kosten zu lassen und der Gastgeber dann das Übriggelassene isst. Gut, dass wir nicht alles aufgegessen hatten… In Ceylon gibt’s mehr als nur Tee Weihnachten/Neujahr in Ceylon (Sri Lanka). Die flüssigen Mittel nahmen langsam ab und so war Erfindergeist gefragt. Bei Tramper-Treffs wurde immer wieder über mögliche Einnahmequellen gesprochen. Natürlich auch über risikoreiche, illegale. Ein zwar risikoloser, aber doch illegaler Deal war der «Nägelihandel» (Nelken, engl. Cloves). Wir also auf den Märkten suchend, wo es die billigsten Nelken zu kaufen gab. Fündig geworden, kauften wir kiloweise ein, so viel, dass es uns fast schlecht wurde im Hotelzimmer. IIlegal war, diese dann in Indien zu verkaufen, weil dort als Mangelware gesucht. Ein gutes Geschäft war’s allemal und so verhalfen uns Nelken zu einigen zusätzlichen Reisetagen. Burmese Days for free In Nepal schlotterten wir dermassen vor Kälte, dass es uns schnell wieder in wärmere Ge- Hasch, lange Haare und Horrorstories Lange Haare Lange Haare bereiten – ausser in Bulgarien – auf der Reise nach Indien und Nepal keine Schwierigkeiten. Grenzbeamte, Behörden und Einheimische behandeln Kurzhaarige allerdings bevorzugt. Bei der Rückreise wird dein Gepäck eher auf Drogen untersucht, wenn du lange Haare hast. Das Passbild sollte mit dem Langhaar-Look einigermassen übereinstimmen. Lange Haare und Bart können bei der feuchten Hitze unangenehm sein. Ceylon kann das Visum oder die Einreise verweigern, wenn du langes Haar hast und dich nicht über genügend Geld ausweisen kannst. Hasch [in Nepal] Der Handel mit Haschisch (Charas) und, Marihuana (Ganja) ist nicht mehr legal seit Juli 1973. Geändert hat sich gegen aussen indes nicht viel. Verschwunden sind die Firmenschilder der Hasch-Läden («Best Quality Mustang Hashish for Sale here»), und die Preise haben sich vervierfacht. Eine Tola (11,08 g) Hasch kostet 25 bis 35 Rs. Der Kleinhandel wird toleriert. Auch das Rauchen in einigen Restaurants. Bestraft wird die Ausfuhr. Anfang Oktober 1975 wurden ein Amerikaner und ein Australier mit je 1000 Rs gebüsst, weil sie versucht hatten, 1,5 kg bzw. 2 kg Hasch im Fluggepäck herauszuschmuggeln – Tausend Rupees sind die Standardbusse. filde zog. Wir flogen nach Burma (Myanmar), nicht ohne vorher pro Mann eine Stange «555» und eine Flasche «Johnny Walker» (Red Label) zollfrei eingekauft zu haben. Dies alles nicht zum Eigenbedarf, sondern als äusserst begehrte Handelsware. Leider gab’s damals nur ein Einwochenvisum, doch diese 7 Tage sollten uns von der ungesunden Einfuhr finanziert werden. Schon die Zöllner, für den Zwischenhandel ideal positioniert, fragten uns danach, aber Mittramper hatten uns geraten, dort noch nicht auf einen Deal einzugehen, da im Stadtzentrum von Rangoon viel mehr geboten werde. Das YMCA war die bevorzugte Billigunterkunft und, wie damals der Puddingshop in Das pralle indische Leben: beim Coiffeur; Kuhfladen als begehrtes Heizmaterial. 53 Istanbul, der Treffpunkt für Reisende von und nach Australien. Im Innenhof dieses Etablissements begann ein reger Handel mit Ausrüstungsgegenständen. Die Australier benötigten warme Utensilien für ihr Nepal-Trekking – und die Europäer, von dort her kommend, wollten eben diesen Ballast los werden. Ein Aussie steckte uns noch den Tipp, mit einem Aktenkoffer zu reisen. Erst dachten wir an einen Witz, doch die Argumentation war einleuchtend: Es war immer noch Hippiezeit, und in Thailand, Malaysia und Singapore hingen beim Grenzübertritt Plakate, welche die Haartracht/-länge und das all- Hier geht’s ums Geld Geld schwarz wechseln Die ökonomische Situation der meisten Entwicklungsnationen bringt es mit sich, dass in diesen Ländern ein Geldschwarzmarkt existiert, der für harte westliche Währungen einen höheren als den offiziellen Wechselkurs zahlt. Mit andern Worten: Du kriegst mehr für deine Dollars. Geld auf dem Schwarzmarkt zu wechseln, verbilligt zwar deine Reise, aber es verstösst gegen das Gesetz und schadet der finanziellen Ökonomie asiatischer Entwicklungsländer. Das schliesst nicht aus, dass die meisten Reisenden einen Teil ihres Geldes auf dem Schwarzmarkt wechseln. Wenn du also dein Geld nicht auf der Bank, sondern bei den schwarzen Geldwechslern (Moneychangers) umtauschst, solltest du einige Verhaltensregeln kennen. Mach dich vor dem Wechseln mit der Landeswährung vertraut, damit man dir keine alten Noten, die ausser Kurs sind, andrehen kann. Nimm nicht mehr Geld mit als du wechseln willst. Wechsle nie in dunklen Treppenhäusern, WCs, Hinterhöfen oder fahrenden Autos. Wähle den Ort, wo du wechseln willst, möglichst selber, z.B. dein Hotelzimmer. Feilsche gemeine Erscheinungsbild von Einreisenden vorschrieb. Da lenke ein Aktenkoffer ganz erheblich von zu reichlichen Locken ab. Und so kam es, dass wir ab dort für ein halbes Jahr Tramper mit Aktenkoffern waren… Es sei vorweggenommen: der Tipp war Gold wert! Reif für die Insel Phuket war auch schon zu dieser Zeit kein echter Geheimtipp mehr. Vielmehr wurde ein neuer Name in Tramper-Kreisen geflüstert: Ko Samui (Ko = Insel in Thai). Apropos K.o.: Seit gut einem Jahr waren wir inzwischen unterwegs. Es war überfällig, einmal zurückzulehnen und die bisher erlebten Eindrücke in Ruhe zu verarbeiten. Reisen ist eine anstrengende Sache: Tausende von neuen Eindrücken prasseln auf einen ein, und all die Begegnungen und Erlebnisse wollen einigermassen geordnet werden. «Mach mal Pause», hiess die Devise. auch beim Geldwechseln um den Kurs. Je mehr Dollars du wechselst, desto besser der Kurs für dich. Du kannst einen besseren Kurs erzielen, wenn du grössere Noten wechselst (zum Beispiel eine 50-US-Dollar-Note statt zehn 5-US-Dollar-Noten). Geht zu zweit, vor allem, wenn du hohe Beträge wechseln willst. Lass dir die Landeswährung auf den Tisch zählen, bevor dein Freund die Dollars übergibt. Geht wieder zum gleichen Geldhändler, wenn er beim ersten Mal ehrlich war. Wechsle TravellersChecks nicht auf dem Schwarzmarkt, wenn die Polizei streng zu sein scheint. Die Unterschrift, dein Name auf dem Scheck kann dich verraten – Bargeld hingegen ist anonym. Das US-Wochenmagazin «Newsweek», das überall unterwegs erhältlich ist, veröffentlicht in jeder Nummer verschiedene Wechselkurse in der Tabelle «Foreign Exchange» (in der Sparte Business and Finance). Die Kurse in der Kolonne «$1.00 is worth» entsprechen ungefähr den Schwarzkursen, «Central Rate» bezeichnet den offiziellen Kurs. Die höchsten freien Wechselkurse findest du unterwegs in Kabul, der Hauptstadt von Afghanistan. Hier kriegst du am meisten Geld für deine Dollars. So begaben wir uns also nach Surat Thani, wo wir die Fähre nach Ko Samui nahmen. Dort angekommen, wollten wir auf die andere Seite der Insel, was gar nicht so einfach war. Trotzdem fanden wir jemanden, der uns mit seinem Tuk-Tuk mitnahm. Keine Lodge, kein Hotel, nur eine Strandkneipe war dort zu sehen. Nach ausgiebigem Fischessen wurde uns ein Raum zugewiesen, wo wir unsere Aktenkoffer erst mal deponierten. Da waren wir also: um uns nur glasklares Meer, Palmen, feiner Sand und Ruhe. Die jeweils abends einfahrenden Fischer zeigten uns ihren Fang und wir bestimmten adhoc das Abendessen. Lobster, Shrimps, Tintenfisch, Schwertfisch und Hai wechselten ab mit Hai, Schwertfisch, Tintenfisch, Shrimps und Lobster… Dazu gabs Reis. Das Frühstück bestand jeweils aus Ei, Porridge und Bananen. Dies drei Wochen lang und – richtig – alles in Farbe Weiss. Die Konsequenz beim täglichen WC-Gang kann man sich vorstellen: mehr und mehr «alles in Weiss»… Apropos Toilettengänge – dies ein wichtiges Thema auf Reisen: Mal abgesehen davon, dass viele damit Riesenprobleme hatten, gabs durchaus auch originelle «Sitzungen»… Dazu fällt mir nochmals Südindien ein, wo man bei der Verrichtung seiner Notdurft selten alleine war. In Goa beispielsweise war die «Toilet» hinter dem Haus. Wie auf einem Thron, musste etwas erhöht akrobatisch in einen zementierten Trog «gemacht» werden. Anfänglich fragten wir uns, wohin denn die ganze Sch… verschwinden sollte. Doch diese Unsicherheit währte nicht lang, hörte man doch schon nach kurzer Sitzung ein vertrautes Grunzen. Worauf wir dann «Pork» vorübergehend von der Menukarte strichen… Dasselbe galt in Kerala auch kurzfristig für Fisch. Dort – auf Bambusstangen balancierend – brauchte es zuerst etwas Überwindung, einfach so in den idyllischen Kanal zu «recyclen». Doch kaum war die schweisstreibende Stellung angenommen, Ruedi, umringt von Scharen neugieriger Kinder, in den Backwaters von Kerala, Südindien. Teepflückerinnen in Sri Lanka; Schwedagon-Pagode in Rangun, Burma; drei Wochen Erholung im Bergdorf Barlig, Philippinen. 54 tummelten sich Schwärme von grösseren und kleineren Fischen unter einem. Die Sprunggewaltigsten unter ihnen kamen zu den besten «Häppchen»… Zurück an unseren Traumstrand auf Ko Samui. Da wurde jeweils nach dem Abendessen ungefragt eine Schale mit verdächtig duftendem Inhalt hingestellt. Erst konnten wir es fast nicht glauben, doch da war tatsächlich «Ganja» («Gras» zum Rauchen) drin. Einfach so, «zum Dessert» und erst noch frei Haus! Etwas verstohlen nahmen wir gerne an, immer daran denkend, dass einige hundert Kilometer nördlich (in Bangkok) dafür mit der Todesstrafe gedroht wurde. Die Zeit in Thailand stellen wir unter das Motto: Der Gentleman geniesst und schweigt. Schliesslich waren wir schon bald ein Jahr abstinent unterwegs. Wurfpfeil als Reiseplaner Malaysia bestand für uns praktisch nur aus Penang – da wir zwischenzeitlich etwas abschlafften. In Singapur dann hielten wir uns – klimabedingt – vor allem in airconditioned Shopping Centers und Kinos auf (z.B «Doktor Schiwago», der im kühlen Russland spielt). Wir flogen auf die Philippinen. Die Philippinen waren für uns ein unbeschriebenes Blatt. Die meisten Tramps liessen die Inseln links liegen. Dass man dorthin fliegen musste, belastete das sonst schon strapazierte Budget. Wir wollten’s aber trotzdem wissen. Im Hochland der Hauptinsel Luzon – genauer: in Bontoc – lagen wir eines Abends auf unseren Betten und planten die weitere Route. «Lass uns doch einfach das Schicksal bestimmen, wohin wir weiterreisen.» Wir organisierten einen Dart-Pfeil und hängten eine Luzon-Karte an die Wand. Schuss – «Barlig»! Sofort konsultierten wir unsere Reiseliteratur. Kein Wort von Barlig. Genau so wünschten wir uns das. Anderntags waren wir also unterwegs in Richtung Nord. Auf der Karte war ersichtlich, dass wir nach etwa zwei Stunden Fahrt abzweigen mussten. Der Buschauffeur staunte nicht schlecht, als wir mitten in der «Pampa» ausstiegen. Nach längerem Warten nahm uns ein klappriges Gefährt mit. Barlig empfing uns mitten in Reisterrassen gelegen, ohne jede touristische Infrastruktur. Einzig die Dorfkneipe bot uns nach einigen Überzeugungsanstrengungen ein Zimmer an. Ganze drei Wochen sollten wir in diesem Nest hockenbleiben. Mit Verwunderung, aber grosser Herzlichkeit wurden wir im Dorf aufgenommen. Der holländische Missionar führte uns in die Gemeinschaft ein. Bei der sonntäglichen Messe brachten wir in der vollbesetzten Kirche die Kerzen zum Altar; in der Schule wurden wir in den Geografieunterricht integriert; beim Dorffest erhielten wir die besten Stücke des eben geschlachteten Schweins (Ohren und Ringelschwanz); am Unabhängigkeitstag begrüsste uns der Bürgermeister speziell vor Hunderten von Anwesenden, worauf wir sogar eine Rede halten mussten – und abends gabs jeweils Gitarrenklänge bei Gin und Sweet Potatoes mit der örtlichen Jugend. Wir waren Teil einer grossen Familie. Anmerkung: Letztes Jahr, also fast 30 Jahre später, besuchte ich mit meiner Familie die dort kennengelernte Krankenschwester Angie – notabene inzwischen in Florida wohnhaft, verheiratet und immer noch Krankenschwester… Letzte Abenteuer in Bangkok und Moskau… Der Abschied fiel schwer, und über den billigeren Umweg Taiwan – wo wir ein ganzes Restaurant unterhielten mit unserem Versuch, Pouletschenkel mit Stäbchen zu essen – flogen wir zurück nach Bangkok. Das verbliebene Geld reichte gerade noch, ein Aeroflot Ticket via Moskau nach Zürich zu kaufen. Doch nach Hause wollten wir noch nicht! Not macht bekanntlich erfinderisch. So machten wir einen Deal mit örtlichen Taxifahrern – der ging so: Taxifahrer, welche Touristen in Juweliershops brachten, erhielten beim Hintereingang eine Grundprämie, auch dann, wenn nichts eingekauft wurde. So liessen wir uns von Shop zu Shop chauffieren. Dort täuschten wir grosses Interesse am Kauf von Schmuck vor, so lang, bis der Fahrer das Zeichen der Geldübernahme gab. Danach vertrösteten wir die Verkäufer, verliessen den Shop und machten mit dem Fahrer fifty-fifty… Doch auch diese Geldquelle versiegte einmal. Also bestiegen wir die Aeroflot-Maschine. Da es in Moskau gleichentags keinen Anschluss nach Zürich gab, war im Flugpreis eine Hotelübernachtung inbegriffen. Der russische Grenzbeamte wollte uns einfach nicht glauben, als Urs und ich bei der Gelddeklaration noch gemeinsam $ 1.– angaben. Es stimmte aber, und wir mussten noch 24 Stunden überbrücken, für Essen und Sightseeing zahlen. Also gingen wir zum Roten Platz und verkauften vor dem Kreml unsere letzten Jeans. Blue Jeans waren damals in Moskau heimlich begehrte West-Produkte, doch wegen des Kalten Krieges nicht erhältlich. Dafür kriegten wir einen relativ horrenden Betrag, sodass wir geradezu mit Geld um uns schmeissen konnten. Die letzte Nacht der Reise verbrachten wir in einer der damals noch seltenen Discos und luden sämtliche Anwesenden zu einem Abschiedstrunk ein! Nastrodovje, Schwijzaria! Fremd erscheinende Heimat Nach der Rückkehr ins Schweizerland erschien uns zunächst alles anders und irgendwie fremd. Wir dachten, die Welt hätte sich in den 15 Monaten verändert. Doch mit nachrückender Enttäuschung mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass alles noch gleich war: Man sass in den gleichen Kneipen, sprach über die gleichen Nebensächlichkeiten, regte sich über eine Minute Busverspätung auf, zementierte seine Vorurteile mit den Schlagzeilen in den Medien. Aber wir hatten etwas gewonnen, etwas, das einem niemand wegnehmen kann: die Erinnerungen an inspirierende Begegnungen mit anderer Kultur und Natur, mit anderen Menschen und Möglichkeiten – und die sind auch 30 Jahre darnach noch kaum verblasst und zeitigen noch immer Wirkung. Relaxen nach Strapazen: Ruedi und Reisekumpel Urs. ©Globetrotter Club, Bern 55