des politischen Widerstands
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des politischen Widerstands
Zeitschrift des Südasienbüro e.V. 26. Jahrgang, Nr. 4/2006 Formen des politischen Widerstands Impressum Herausgeber Südasienbüro e.V. Redaktionsanschrift SÜDASIEN Postfach 140 110 53056 Bonn Tel +49 (0) 176 - 26 10 09 79 [email protected] www.asienhaus.de/suedasienbuero Redaktionsteam Thomas Bärthlein Bernd Basting Jürgen Clemens Thomas Döhne Dirk Geilen Karl-Heinz Golzio Christina Kamp Sabine Kayser Signe Kirde (verantwortlich) Walter Keller Elena Krüskemper Nisa Punnamparambil Jorge Scholz Heinz Werner Wessler (verantwortlich) Layout Susanne Hoffmann Weitere MitarbeiterInnen Reinhold Schein Marina Rimscha Geschäftsführung Sylvia Schneider Titelbild Der historische Dalit-Führer B.R. Ambedkar, dessen Todestag sich am 6.12.2006 zum 50. Mal jährte, neben einem Bildnis des historischen Buddha. Foto: Maren Bellwinkel-Schempp Druck Medienhaus Plump Erscheinungsdatum: 19.12.2006 Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe: 22.1.2007 Bankverbindung Sparkasse Bonn Konto 92429 BLZ 380 500 00 Einzelheft 6,50 Euro Doppelausgabe 13 Euro Jahresabonnement Inland 26 Euro Europa 32 Euro Kündigungen zum Jahresende, spätester Termin: 15. November Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Gefördert vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) durch den ABP. ISSN 0933-5196 Editorial 3 Tendenzen der Gegenwartsliteratur 4 4 Mahasweta Devi Eröffnungsrede Frankfurter Buchmesse 8 Jai Prakash Kardam Vier Gedichte 9 Jyoti Lanjewar Sieben Gedichte 10 Bernard Imhasly Gut zum Druck? Indiens Buchmarkt 12 Vinay Dube Vielleicht 12Rajesh JoshiUndSoWeiter 12 Bhagvat RavatAngst 13 Heinz Werner WesslerInterview mit Uday Prakash Indien 16 16Thomas BärthleinIm Überblick 18 Gita Dharampal-Frick 100 Jahre Satyagraha 22 Frank Kürschner-PelkmannWiederstand der Dalit-Christen 26 Brigitte VoykowitschLatrinenreiniger in Indien 28 Stefan MentschelAFSPA, Sharmila und die Meira Peibis 31 Gerhard Klas Es begann in Naxalbari 34 Elias DöhneAbenteuer Schule in Indien Nepal 36 36Thomas DöhneIm Überblick 37Thomas Döhne Friedenabkommen in Nepal 41 Stefan Mentschel „Wir wollen eine Demokratie ohne König“ BangladesCh 44 44 Patrizia Heidegger/Moritz MarbachÜberblick 46Tobias Grote-Beverborg Friedensnobelpreis für M. Junus 47 Patrizia Heidegger Verhärtete Fronten 49 Christoph SprungDie Bangladesh Nationalist Party Afghanistan 54 54Thomas RuttigIm Überblick 56 Hans Jürgen Mayer Karen Fischer – Nachruf 58 Hans Jürgen MayerTelefoninterview mit Karen Fischer 59Thomas RuttigAfghanische Vertrauenskrise Pakistan 61 61Thomas BärthleinIm Überblick 63 Nils Rosemann Entwicklungspolitische Bestandsaufnahme 66 Sayed Wiqar Ali Shah Khudai Khidmatgar-Bewegung Südasien 70 Hagen Berndt Satyagraha weltweit 73 Bernd Basting Serie Religionen: Sikhismus 70 76 Heinz Werner WesslerAdigranth Buchrezensionen Gelbe Seiten A-DAdivasi-Rundbrief 28 E-HInfo: Dalit Solidarität 13 77 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, „A bschied von Gandhi“ heißt das vor einigen Monaten erschienene neueste Indienbuch des renommierten Indien-Korrespondenten Bernhard Imhasly, das wir in diesem Heft rezensieren. Der große Mann des gewaltfreien Kampfes um die indische Unabhängigkeit auf der Briefmarke von 2000 zu drei Rupien in den Umrissen Indiens – von hinten, in sich versunken: Ist Bapuji („Väterchen“) im 60sten Jahr der Unabhängigkeit Indiens von der Bühne abgetreten - 100 Jahre nach der ersten Aktion des satyagraha („Festhalten an der Wahrheit“) in Südafrika? Gita Dharampal-Frick ruft den historischen Kontext des ersten satyagraha noch einmal ins Gedächtnis und holt ihn damit in die Gegenwart, Hagen Berndt zeigt auf, wie der Gandhianismus weiterhin weltweit gewaltfreie Aktion inspiriert. Gandhi global – Mao regional: Für die maoistisch inspirierten Widerstandskämpfer in Indien und Nepal ist Gandhi ein reaktionärer Bourgeois, freiwillig oder unfreiwillig Vorläufer der modernen Eiferer für ein national-hinduistisches Indien. Für den Widerstand der Unterprivilegierten – ob Dalits, Adivasis oder „Other Backward Classes“ (OBC) - ist Gandhi praktisch undiskutabel. Aus ihrer Sicht ist sein jahrzehntelanger Einsatz für die Förderung der Dalits als „Kinder Gottes“ unter Beibehaltung der Kastenordnung einfach nur eine Form von Paternalismus – Epiphanie gesellschaftlicher Hierarchie in pseudopazifistischem Gewand – mit dem ihm inhärenten hohen Grad struktureller und direkter Gewalt. Das Jahr 2006 markiert nicht nur 100 Jahre satyagraha, sondern auch 50 Jahre Konversion vom Hinduismus zum Buddhismus des historischen Dalit-Führers B.R. Ambedkar (1891-1956). Die öffentlich manifestierte Konversion zum Buddhismus ist seitdem ein hochrangig politisiertes Symbol der sozialen und spirituellen Emanzipation der Dalits (siehe Titelbild – mehr dazu im nächsten Heft von SÜDASIEN). A ll dies sind Formen des politischen Widerstands, mit denen sich die Autoren des vorliegenden Hefts beschäftigen. In der Kolonialzeit hatten die Briten suggeriert, dass der Subkontinent aus sich selbst heraus nur einen ungenügenden Zusammenhalt habe, dass die zentrifugalen Kräfte zu stark seien. Nur dank der vermittelnden Kraft der ausländischen Kolonialherrschaft könne vor allem der Bürgerkrieg zwischen Muslims und Hindus vermieden werden. H eute, im Zeitalter einer beispiellos prosperierenden indischen Wirtschaft, hat diese Behauptung keine praktische Bedeutung mehr. Trotz der traumatischen Teilungsunruhen von 1947, trotz zahlreicher regionaler Konfliktherde und gelegentlich gewalttätig aufbrechender innergesellschaftlicher Spannungsflächen ist die ganz große Krise ausgeblieben. Im Gegenteil: Der moderne indische Staat hat eine bemerkenswerte Flexibilität beim Umgang mit separatistischen, sozialrevolutionären, kommunalistischen oder politisch gezielt angezettelten Krisen entwickelt und mit einer Mischung aus staatlicher Gewalt, Verhandlungsangeboten und geduldiger Überzeugungsarbeit in den Griff bekommen. Im Großen und Ganzen ist es gelungen, die lebenswichtige Balance zwischen den vielen Interessengruppen zu erhalten und sich damit die grundsätzliche Loyalität von Minderheiten für das Staatswesen zu erhalten. Auf diese nicht nur politische, sondern gesamtgesellschaftliche Leistung kann Indien stolz sein. In Nepal wird der Maoismus vom politischen System erfolgreich kooptiert. Bangladesch dagegen, das abgesehen von dem traditionell unruhigen Chittagong sein Territorium relativ gut im Griff hat, reibt sich an den Widersprüchen der beiden führenden Frauen in der Politik, ihrer Clans und ihrer Parteien auf. Pakistan krankt dagegen an seinen politischen Widersprüchen und vor allem an der endemischen Korruption. Noch mehr Grund zur Sorge bietet aber Afghanistan. Die straff geführte Organisationsstruktur der Taliban ist nach wie vor intakt und wagt sich vermehrt aus der Deckung heraus – sogar die Regierung Karzai hat erkannt, dass sie mit einer rein militärischen Strategie nicht weiter kommt. Die innere Aussöhnung des geschundenen Landes am Hindukusch erscheint mehr und mehr als ein gescheitertes Projekt, wobei die Ermordung von Karen Fischer und ihres deutschen Lebensgefährten am 7. Oktober 2006 wie ein Menetekel wirkt. Südasien 04/2006 |