dadi bolero 5/13 - garden

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dadi bolero 5/13 - garden
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PortrÄt
AUTORIN : LeonI Hof
PORTRÄT : StÉpHAnIe GyGAx
FRIES&ZUMBÜHL SIND EIN
GRUNDVERSCHIEDENES DUO –
UND DAMIT ERFOLGREICH.
Fries & Zumbühl
GeNiaL diameTraL
J
eder erinnert sich an den Moment im Sportunterricht, als die Teams zusammengestellt wurden.
Man hielt die Luft an und hoffte, nicht bis zum
Schluss dazustehn. Ein ähnliches Erlebnis hatten
die angehenden Designer Kevin Fries und Jakob
Zumbühl während des Studiums. Paarweise sollte ein Projekt angegangen werden, und während
andere schnell zueinander fanden, blieben die beiden
inmitten eines immer kleiner werdenden Grüppchens
übrig. Riechen konnten sie sich nicht sonderlich. Der
eine fand den anderen seltsam, der andere hielt den
einen für einen Schaumschläger. Wenn ihnen damals
jemand gesagt hätte, dass dies quasi die Geburtsstunde eines der erfolgreichen Schweizer Designduos war,
hätten sie den wohl für verrückt erklärt. Damals fand
man zueinander, weil es das geringere Übel war. Wohlwissend, dass der andere so ganz verschieden tickte.
Fast zehn Jahre später hat sich das Duo Fries&Zumbühl
einen Namen gemacht, wurde mehrfach ausgezeichnet
mit dem IF-Award und dem red dot und nominiert für
den Schweizer Designpreis. In diesen zehn Jahren entstanden Möbel wie das Bett darling (2008), die Leuchtenfamilie Wald-Haus (2007) oder hocuspocus, ein
Salontisch für Eternit. Über den sagt Fries: «Wir mögen
es, mit fast nichts etwas zu kreieren, eine Stimmung zu
generieren, ein Schmunzeln auszulösen. Wir lieben den
hää?-Moment». Das Duo entwickelt aber auch Verpackungen und Objekte, sowie Raumgestaltungskonzepte
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PortrÄt
Der «Kronestuhl» für STUHL
und TISCH, 2012, der Übertopf
«potpot», 2012 und das Bett
«darling» für Moobel, 2008.
etwa für das Restaurant Krone, das in diesem
Jahre in Altstetten eröffnete. Zur Welt kam all
das in einem Atelier im Winterthurer SulzerAreal. Hier haben die beiden ihre Werkstatt,
ohne die sie nicht funktionieren würden: «Dort
werden unsere Entwürfe geboren, manchmal
ist Jakob der Geburtshelfer, manchmal ich,
manchmal sind wir beide Hebammen. Totgeburten gab es leider auch schon.»
Die beiden kamen – wenn schon nicht ganz
wie die Jungfrau zum Kinde, so doch über Umwege zum Design. Zumbühl ist Konstrukteur
mit technischer Berufsmatura. Fries machte
eine Ausbildung zum Dekorationsgestalter.
Als ein Freund ihm vom Studiengang Industrial Design an der Hochschule für Gestaltung
und Kunst (heute ZHdK) erzählt, «hat das für
mich getönt nach Aschenbecher für einen Zug
entwerfen oder Gepäckträger fürs Moped. Ich
hatte keine Ahnung, dass ein Industriedesigner auch Pet-Flaschen oder ein Sofa designt.»
Die Werkstätten der Hochschule hätten es
ihm dann aber angetan, hier konnte man mit
Kunststoff, Holz, Glas arbeiten, und für Fries
war klar, dass er hier studieren wollte. Auf die
anfängliche Begeisterung folgte schnell die
Ernüchterung: «Ich war es nicht gewohnt, so
präzise zu arbeiten. Mir fällt das heute noch
schwer, ich bastle lieber schnell etwas oder
skizziere etwas auf. Jakob denkt analytischer.
Er versteht hochkomplexe Dinge, die er dann
runterbrechen kann.» Zumbühl wiederum
sagt: «Ich stelle unangenehme Fragen, Fragen
nach der Daseinsberechtigung für ein weiteres
Produkt in unserer überfüllten Welt. Kevin ist
freier und kann besser alles ausblenden und
in seiner ästhetisierten Welt versinken. Treffen
wir dabei auf einen gemeinsamen Nenner, ist
es eine gute Basis für ein neues Projekt.»
fragen zu beantworten, Verträge anzupassen.
Die Arbeit teilen sich beide auf, selten tüfteln
sie gemeinsam an einer Sache. Fries vertritt
das Duo ausserdem mehr nach Aussen. Er
ist der Intuitivere, Zumbühl der argumentativ
Starke. Und doch sprechen die beiden eine
Sprache. Dass die Zusammenarbeit trotz aller
Verschiedenheiten funktioniert, erkannten
die beiden bei jenem zunächst so missmutig
gestarteten Gemeinschaftsprojekt. Für den
alten botanischen Garten sollten sie eine Parkbank entwerfen. Nachdem sie sich beschnuppert hatten, ohne wirklich warm miteinander
zu werden, entschlossen sie sich, eine Bank
und einen mobilen Sitzplatz zu entwerfen: So
konnte jeder an «seinem» Projekt arbeiten. Als
sie sich wieder trafen, fanden sie die Ideen des
anderen so gut, dass sie sowohl an der Bank als
auch der Sitzschale gemeinsam weiter arbeiteten. Die Sitzschale war das erste Produkt der
beiden, das in Serie ging. pachific (2003) wird
von einem deutschen Produzenten in China
gefertigt und pro Jahr 40000 Mal verkauft.
Der minimalistische Lounge Chair ist das am
besten verkaufte Produkt von Fries&Zumbühl.
Erst vor zwei Wochen besuchte Fries zum ersten Mal die Fertigungsstätte, er war anlässlich
Auf eine Prämisse zumindest können sich
die beiden einigen. Während des Studiums
habe sich ein Satz ihres Dozenten Franco
Clivio eingebrannt: «Ihr müsst die Intelligenz
vom Werkstoff erkennen.» Dieses Credo steht
heute wie eine unsichtbare Überschrift über
den Projekten des Duos Fries&Zumbühl.
Herauszufinden, was das Material kann, zu
experimentieren, wann etwa Holz bricht oder
wie dünnes Furnier fast unzerstörbar gemacht
werden kann. «Unsere Vorgehensweise hat
etwas von der alten Schule..» Am liebsten würden beide ständig in der Werkstatt sein. Es gilt
aber auch, den Papierkram zu erledigen, An-
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Der Tisch
«hocuspocus» für
Eternit, 2011, die
Garderobe «error» für
Mox, 2012 und die
Liege «link 1282» für
Intertime, 2012.
eines Vortrags am Design Forum nach China
gereist. «Wenn man in diese Halle kommt und
sieht, wie der Stuhl, den man entworfen hat, in
solch einer Masse produziert wird, fühlt man
sich geschmeichelt. Als Designer findet man
es erstmal einfach toll, wenn einer deine Entwürfe produziert. Dann geht man weiter und
sieht, wie zum Beispiel eine Frau mit einem in
Lösungsmittel getränkten Tuch diesen Stuhl
abputzt – ohne Maske und ohne Handschuhe. Das ist dann die Kehrseite der Medaille.
Als Designer müssen wir eine Verantwortung
wahrnehmen. Ich muss mir überlegen, was
ich in Zukunft anders mache, wenn ich ein
Kunststoff-Produkt entwerfe. In dem Moment
hatte die Euphorie einen Dämpfer bekommen.
Das hat mir gut getan und bringt einen weiter.»
Auch nach ihrem ersten Serienprodukt
wollten die beiden mittlerweile diplomierten
Designer nicht zusammen arbeiten, man tat
sich mit anderen in getrennten Ateliers zusammen, immer wieder bestritt man aber gemeinsam Wettbewerbe. «Wir waren die ersten im
Studio und die letzten, die gegangen sind. Alle
sagten: «Die spinnen, die beiden.» Drei Jahre
und einige Projekte später kam man 2006
dann doch nicht umhin einzusehen, dass ein
gemeinsames Atelier vieles erleichtern würde.
«Da wir noch keine Aufträge hatten, gaben wir
uns selber welche, wir überlegten: Was brauchen wir? Und da wir nicht ins Brocki wollten,
um Kleiderhaken zu kaufen, entwickelten wir
häkeln. Wir sind immer so vorgegangen, das
hat unseren Weg definiert.» Privat treffen diese
Wege selten aufeinander. Zumbühl hat Familie
und geht so oft es geht in die Berge, Fries gibt
gern Geld für Kleider und Konzerte aus, spielt
Klavier. Zumbühl sagt: «Wie in einer gut funktionierenden Beziehung hat jeder seine privaten Freiräume. Während Kevin vielleicht am
Klavier improvisiert, klettere ich eine Felswand
hoch. Während er bei einem Fotoshooting vor
der Kamera steht, wickle ich Zuhause meine
kleine Tochter. Wir lassen uns Spielraum für private Alleingänge, im Wissen, dass es bei der Arbeit besser ist, wenn wir die gemeinsam anpacken. Da überwiegen die gemeinsamen Stärken
eindeutig gegenüber dem Einzelkönnen.» In
Zukunft wollen die beiden Designer stärker in
den Bereich Verpackungsdesign gehen. «Da
gibt es ein wirkliches Bedürfnis, ein neues Sofa
hat es schwer neben all den bestehenden, aber
nach neuen Verpackungsideen, die funktionieren, ruft der Markt. Uns fasziniert auch die
Küche, wir kochen und essen gern, vielleicht
gestalten wir auch einmal Küchengeräte, ein
Fischmesser, eine Kaffeemaschine oder eine
Eierharfe.» www.frieszumbuehl.ch