Piratennest wird Paradies

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Piratennest wird Paradies
Wie von Riesen aufgeschüttet wirken die
Felsen von The Baths
auf Virgin Gorda
Piratennest wird Paradies
Jungfräuliche Inseln und karibische Sonne, Easy Going und der bei jeder Regatta fällige
Adrenalinstoß. Das sind die Zutaten, aus denen der „Karibik Trophy“ genannte Cocktail
gemixt wird: einer Droge mit hohem Suchtpotenzial. Text und Fotos: Carl Victor
CHARTER & REISE
V
or langer Zeit
soll auf Norman
Island die Beute
eines spanischen
Schatzschiffes
vergraben worden sein. Eine
Kunde, die Robert Louis Stephensons Fantasie so beflügelte, dass er das Inselchen zur
„Schatzinsel“ ausschmückte
und auf ihr John Silvers Piraten um Käpt‘n Flints Schätze
kämpfen ließ. An jene Zeiten
erinnert noch der Name des
Restaurants „Pirates“, in dem
wir uns vom „Sound der Karibik“ auf die Trophy einstimmen lassen, den eine Steelband gekonnt aus ihren „Pans“
zaubert. Heute käme niemand
mehr auf den Gedanken, dass
deren Vorgänger jene mit Häuten bespannten Trommeln
der aus Afrika verschleppten
Sklaven waren. Als ihnen die
Trommeln von ihren weißen
Herren weggenommen wurden, suchten sie nach anderen
Möglichkeiten, um ihre ungebrochene Lebensfreude auszudrücken. Fündig wurden sie
auf dem an Erdöl reichen Trinidad, wo es „Barrels“ zuhauf
gab. Anfangs hämmerten sie
Calypsorhythmen aus diesen
stählernen Trommeln, später
kam Klassisches für den touristischen Geschmack dazu.
Uns machen sie heute die
Tropennacht zum Tag. Auch
wenn morgen eine Regatta auf
uns wartet: Heute wird gefeiert! Immer getreu dem Motto
dieser Trophy: „It’s just for
fun!“
Painkiller Race
Ich bin Fahrtensegler, kein Regattasegler. Deshalb schäme
ich mich auch nicht zu gestehen, dass ich von Wettfahrtregeln keine Ahnung habe. Um
nicht unangenehm aufzufallen, arbeite ich mit meiner
Crew einen Zwei-Punkte-Plan
aus, der besagt: 1) Wir lassen
beim Start dem Rest des Feldes höflich den Vortritt. 2) Wir
rollen dann das Feld von hin-
ten auf. Punkt eins zu verwirklichen, fällt uns nicht schwer;
mit Punkt zwei hingegen will
es nicht so recht klappen. Obwohl: Schiffe zu jagen hat eine
lange Tradition in den Virgins.
Als Kolumbus die Inseln entdeckte, erschienen sie ihm so
rein und unberührt, dass er sie
der Heiligen Ursula und ihren,
angeblich von den Hunnen gemeuchelten, elftausend Jungfrauen weihte. Schon bald verloren die jungfräulichen Inseln
ihre Unschuld, denn zu günstig lagen sie, und allzu viele
sichere Schlupfwinkel boten
sie jenen unter der Freibeuterflagge segelnden Gentlemen.
Noch heute erinnert Jost van
Dyke an einen holländischen
Freibeuter, während Norman,
Peter, oder Cooper Island erzählen, wessen Piratenwort
dort einst Gesetz war.
Uns hingegen gelingt es erst
bei der Kreuz zum Thatch
Island Cut mit einem Reff
im Groß, gegen die ungerefft
ihre Leereling durchs Wasser schleifende Konkurrenz
Höhe, Speed und Plätze heraus zu schinden. Genau dieses Stück Tuch fehlt uns auf
dem letzten Schlag, um vor
der, bei Halbwind von ihrem
Vollzeug begünstigten Konkurrenz, durchs Ziel zu gehen.
Wer wagt zu behaupten, wir
würden nur zum Spaß segeln?
Nur gut, dass im „Pussers Landing“ schon ein „Painkiller“
auf uns wartet, auch wenn seine zwei Unzen Rum unseren
Schmerz über die Niederlage
nur betäuben können.
Foxy’s Race
Noch vor dem Start zur zweiten Regatta wappnen wir uns
mit einem Reff im Groß gegen
die von Tortolas Hügeln herab
pfeifenden Böen. Doch kaum
haben wir die Linie passiert,
fährt uns schon eine so in die
Segel, dass wir einige Fadenlängen früher als geplant eine
ungeplante Wende fahren.
Nach einigen unfreiwilli- ➤
Die Charteryacht
Allgemeines:
Charterfirma: Sunsail Veranstalter: KH+P Yachtcharter
Charterzeitpunkt: 22.- 30.11.2008 Yacht: Cyclades 43
Preis: ca. 2.200 Euro (pro Person incl. Flug). Rabatte:
keine Extras: keine Kaution: 5.000 Euro Kautionsversicherung: im Versicherungspaket Reparaturgarantie: Durch
Begleitboot
Anreise:
Technischer Zustand:
Erreichbarkeit:
Transfer:
Motor:
Technik:
Rigg:
Segel:
Decksausrüst.:
Navigation:
Elektronik:
Dingi:
Außenborder:
Ankergeschirr:
Stützpunkt:
Freundlichkeit:
Komfort:
Sanitärräume:
Duschen:
Sicherheit:
Umfeld (Hell Ville):
Restaurants:
Versorgung:
Preisniveau:
Übergabe:
Kompetenz:
Ausstattung:
Sauberkeit:
Das Schiff:
Komfort:
Pantry:
Sanitärräume:
Bettwäsche:
Handtücher:
Basisset Pantry:
Schnorchelausr.:
Obwohl als Low-Budget-Schiff gedacht, bot die Cyclades 43
mit ihren drei Doppelbettkabinen (jede mit eigenem Sanitärraum!) viel Komfort. Dazu trugen auch die großzügig geplante Pantry und das geräumige Cockpit bei. Die Ruderanlage
war bei unserem Schiff etwas schwergängig. Wenig zufrieden
waren wir mit der Sparversion von Schotwinschen. Obwohl
das Vorsegel wegen der außen angebrachten Wanten eher
klein ausfiel, war es immer ein Stück Arbeit, bis wir das
Segel dicht hatten. Ähnlich beim Großsegel: Erst als wir die
klemmenden Mastrutscher mit Kriechöl gängig gemacht hatten, ließ es sich leicht setzen und reffen. Dicker Pluspunkt:
die gute, selbst für tropische Temperaturen ausreichende
Belüftung. Auch mit dem Ankergeschirr war ich zufrieden,
obwohl zwanzig Meter Kette mehr nicht geschadet hätten.
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gen Aufschießern winsche ich das zweite Reff ins Groß, bis wir die Ziellinie vor
Sandy Island kreuzen. Kaum haben wir
die verkatteten Anker in den Grund des
Grand Harbour von Jost van Dyke gefahren, ist die Crew auch schon auf Landtrip.
Diesmal ohne Skipper, der sich seine Erinnerungen an die Bar „Foxy`s“ nicht
trüben lassen möchte, in der er schon vor
zwanzig Jahren von „Island in The Sun“
träumte. An der Bar lehnten damals Gestalten mit geeisten Bierflaschen in ihren
Pranken, die Hemingways Short Stories
hätten entsprungen sein können.
Anegada Race
Beim Start meint es der Passat noch gut
mit uns, doch schon bei den Dog Islands
beginnt er sein Interesse am Regattafeld
zu verlieren, und als das nur wenige Fuß
über die Wasserlinie ragende Anegada
sich über die Kimm schummelt, dreht
er gar zurück auf Nordost. Nun liegt die
Ziellinie plötzlich hoch zu Luv. Kreuz
und flauer Wind: Das zerrt an den Nerven! Nicht zu überhören ist dies auf dem
ständig vor sich hin schnarrenden UKWFunk. Doch plötzlich schlägt die Stimmung um, als Gabi vom BVI Tourist Board
mit Inselrundfahrt, Lobsterdinner und
anderen erfreulichen Events zu locken
beginnt. Plötzlich summt der Äther von
„Gabi hin und Gabi her“, was für mich ein
Grund ist, an die Teilnehmer die Frage zu
stellen: „Warum Karibik Trophy?“ Lukas
vom Bodensee, der sich selbst als Semi-
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Segelprofi sieht, ist dem karibischen Mix
aus „Don’t worry, be happy!“ und der
seglerischen Herausforderung bei den
Regatten verfallen. Sabine, einzige Frau
unter fünf Männern (das ist nur positiv!),
kommt aus der Reisebranche und findet:
„Immer nur die schönen Bilder zu sehen,
das war mir zu wenig“; von der ersten Regatta schwärmt sie: „Mann! War das spannend!“ Von der Damen-Crew auf „Trophy
14“ gesteht die eine: „Wir sind alle Wiederholungstäter!“, die nächste schwört:
„Die Regatten, die machen Sinn!“ worauf sich die dritte mit: „Gierig sind wir
schon!“ kämpferisch gibt. Für Reimer
Loop von „Trophy 11“ sind die Regatten Nebensache, er gesteht aber, dass sie
Pepp in den karibischen Segelalltag bringen. Für ihn zählt: „Nach dreißig Jahren
Segeln in der Nordsee wollte ich einfach
in die Wärme.“ Wärme tanken will auch
die Ärztecrew von „Trophy 16“, bevor zu
Hause das „Weihnachtsgeschäft“ mit den
psychosomatischen Leiden, verursacht
durch fehlendes Licht und weihnachtlichen Stress, losgeht. Die einfachste Erklärung liefert Guido von der „Trophy 10“
mit: „Wir machen das „just for fun!“
Jumbee-Race
An der Einfahrt zum Gorda Sound, unweit
jener Stelle an der die berühmte Rennjacht Ondine ihr unrühmliches Ende auf
dem Colquhoun Riff fand, endet die letzte
Regatta. Mit ihr klingt der sportliche Teil
der Karibik Trophy aus, der gesellschaft-
Früher ein Piratennest, gehört Jost van
Dyke heute zu den beliebtesten BVI-Zielen
liche hingegen strebt mit den „Moko Jumbees“, den Stelzenläufern der Karibik,
seinem Höhepunkt zu. Auch sie haben
ihre Wurzeln in Afrika. „Moko“, das war
jener Gott, der im Kongo, in luftiger Höhe
schwebend, über die Dörfer wachte, bevor er, „mit dem Wissen von Jahrhunderten beladen“, über den Ozean wandernd,
in die Karibik kam. Dass er dort in Trinidad an Land gegangen sein muss, beweist
das seinem Namen angehängte „Jumbee“. „Meh es me jumbee“, hatte mir vor
Jahren einer der „Kings“ seine von ihm
beim Karneval in Port of Spain getanzte
Karnevalsfigur vorgestellt und es mir aus
dem Insel-Creolo mit: „Das ist mein guter
Geist“ übersetzt. Hätte ich noch Zweifel,
würden diese von den Socca-Rhythmen
beseitigt, mit denen die Stelzenläufer die
Stimmung anheizen.
Ein Tag verbleibt uns danach, um von
den gastfreundlichen Inseln Abschied
zu nehmen. Was würde sich dafür mehr
anbieten als „The Baths“? Dessen Granitmonolithe und versteckte Pools sind
nicht nur die Attraktion auf der „dicken
Jungfrau“ Virgin Gorda, sondern auf den
gesamten British Virgin Islands. Zudem
liegen sie auf direktem Weg zurück nach
Tortola, wo die Gewinner der Karibik
Trophy ihren Sieg feiern und die weniger
glücklichen sich mit einem: „It was just
for fun!“ trösten dürfen. z
CHARTER & REISE
Revierinformationen
Reise
Linienflug
ca. 1.400 Euro
Reisepapiere
Reisepass
Devisen
1 € = ca. US $ 1,40
Notarzt/Notruf
Kanal 16 über VISAR anfordern. Tel: 911 o. 999
Zeitunterschied
MEZ - 5 h
Hafen
Essen & Trinken
$ 30,- bis 60,Charterfirma: Sunsail, Irland, Tel: 00353/
7196/ 202 45, www.sunsail.com. Vertreten
durch: KH+P Yachtcharter, Ludwigstraße 112,
70197 Stuttgart. Tel: 0711/ 63 82 82,
www.khp-yachtcharter.de.
Schiffe & Preise: Angeboten werden Einrumpfyachten von 32 bis 51 Fuß zu Preisen
von 1.730 bis 5.950 Euro sowie Katamarane
von 38-46 Fuß à 3.085 bis 8.150 Euro.
Revier: Die BVIs, insbesondere der geschützte Sir Francis Drake Channel, gelten als das
Familienrevier der Karibik. Doch auch hier
kann der NE-Passat kräftig wehen.
Seekarten: Imray-Iolaire Karten A231 und
A232 (CYC-Series 1). Auch gut: die britischen
Seekarten 15532B, 2005, 2008, 2019.
Nautische Literatur: Nancy & Simon Scott:
„Virgin Islands“, von Cruising Guide Publications (www.cruisingguides.com)
Wind & Wetter: Die BVIs liegen im Passatgürtel. Von November bis Mai weht der Wind
(von Januar bis März meist recht kräftig)
aus NE-lichen Richtungen, in den Sommerund Herbstmonaten aus E bis SE. In den
Wintermonaten Durchzug von Kaltfronten,
die stürmischen Wind aus N bis NW bringen.
Hurrikanzeit ist von Juni bis November, als
gefährlichster Monat gilt der September.
Wetterberichte: NOAA-Weather sendet rund
um die Uhr auf den Kanälen WX 3, 4 oder 6.
BVI-Radio sendet nach Ankündigung auf Kanal 16 Wetterberichte auf Kanal 28 oder 85.
Leuchtfeuer & Seezeichen: In der gesamten
Karibik gilt Lateral System B (Grün an Backbord, Rot an Steuerbord). Die Hauptschifffahrtsrouten sind gut betonnt und befeuert.
Trotzdem würde ich davon abraten, nachts
zu segeln.
Schwer
abzuschätzen ist der
Strom vor
Anegadas Küsten; meist setzt er nach NW
und das mit bis zu zwei Knoten.
Navigation: In diesem Revier werden Sie fast
immer auf Sicht navigieren. Tropenschauer
können diese auf Null reduzieren.
Anreise: Air France fliegt täglich von Paris –
CdG nach St. Maarten mit Zubringerflügen
von allen großen deutschen, schweizerischen
und österreichischen Flughäfen.
Einreise & Zoll: Sie benötigen einen gültigen
Reisepass. Lebensmitteleinfuhr ist verboten.
Telefon: Auf den BVI gibt es ein Handynetz,
doch müssen Sie vorher sicherstellen, dass
Ihr Netzbetreiber dort auch akzeptiert wird.
Klima: Trocken und fast immer sonnig von
Dezember bis Mai durch den NE-Passat.
Während der Hurrikansaison von Juni bis
November schwül-heiß.
Kleidung: Leichte Baumwollkleidung reicht
das ganze Jahr über; ein Pullover sollte,
ebenso wie das Ölzeug, in den Wintermonaten immer mit an Bord sein.
Gesundheit & Impfungen: Impfungen sind
nicht vorgeschrieben; Sonnen- und Mückenschutz sind hingegen ein Muss.
Sicherheit: Die BVIs gelten als sehr sicher,
vor Diebstählen sind Sie aber auch hier nicht
gefeit.
Reiseführer: APA-Guide: „Karibik“. Weitere Informationen: BVI Tourist Board, Schwarzbachstraße 32, 40822 Mettmann, Tel: 02104/ 28
66 71, www.britishvirginislands.de
Liegeplatz/Kosten
Moorings $ 20 bis $ 30,
Marina $ 60
Tidenhub
0,3 Meter
Hafenschutz
Ambiente
Segeln
Windvorkommen
20. Karibik Trophy,
20. 11.- 1. 12. 2009
Infos zur „Jubiläumsregatta“ finden Sie unter www.
khp-yachtcharter.de/events.
Unterlagen können Sie auch
telefonisch unter 0711/
63 82 82 oder schriftlich
bei KH+P Yachtcharter,
Ludwigstr. 112, D-70197
Stuttgart anfordern. Es gibt
drei Regattaklassen: Sun
Odyssey 39i / Océanis
473/ Lagoon 410. Selbstfahrer zahlen (je nach Belegung) 1.870 bis 2.790 Euro
p.P. Einzelbucher: 2.140 /
2.370 Euro. Die Preise verstehen sich für Schiff, Flug
und diverse Events, nicht für
die Bordkasse.
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