Kawasaki-Syndrom

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Kawasaki-Syndrom
Wie lautet Ihre Diagnose?
Der Kardiologe 2007
DOI 10.1007/s12181-007-0014-4
© Springer Medizin Verlag 2007
Redaktion
P. Stawowy, Berlin
Anamnese und Befunde
Ein 18-jähriger Mann stellt sich mit seit
1 Tag bestehenden, progredienten und
zuletzt persistierenden linksthorakalen
Schmerzen in der Rettungsstelle eines peripheren Krankenhauses vor. Das EKG
zeigt ST-Hebungen in V1–V3, diskrete STSenkungen in II, aVF, V4–V6 und T-Negativierungen in I und aVL (. Abb. 1).
Die Bestimmung des Troponin I ergibt
eine Erhöhung auf das 3-Fache der Norm.
Am späten Nachmittag erfolgt die Verlegung in unsere kardiologische Abteilung.
Hier zeigt sich echokardiographisch die
systolische linksventrikuläre Funktion bei
septaler Hypokinesie gering reduziert, das
Septum ist zum linken Ventrikel hin abgeflacht, der rechte Ventrikel ist dilatiert
und zeigt eine deutliche Pumpfunktionsstörung. Die Vitalparameter sind regelrecht.
Der Patient war bislang altersentsprechend belastbar, kardiovaskuläre Risikofaktoren bestehen nicht. Eine Anamnese
für einen akuten entzündlichen Prozess
bleibt leer, ebenso anamnestische Fragen
bezüglich einer Lungenarterienembolie.
Die Blutgasanalyse zeigt keine Auffälligkeiten.
Trotz mangelnder Risikofaktoren
wird bei persistierenden linksthorakalen Beschwerden und formal akutem
Koronarsyndrom im Einvernehmen mit
dem Patienten sowie den Eltern die Entscheidung zu einer Akutkoronarangiographie getroffen. Der Patient erhält
eine thrombozytenaggregationshem-
| Der Kardiologe 2007
F. von Knobelsdorff-Brenkenhoff · T. Polch · B. Pilz · S. Bohl · J. Schulz-Menger ·
C.M. Gross · M.W. Bergmann
Franz-Volhard Klinik am Max-Delbrück-Centrum, Charité
Campus Buch, HELIOS Klinikum Berlin, Berlin
Akuter Myokardinfarkt im
frühen Erwachsenenalter
mende Therapie mit Acetylsalicylsäure
und Clopidogrel (300 mg „loading dose“). Darüber hinaus erfolgt die Hemmung der plasmatischen Gerinnung mit
intravenösem unfraktioniertem Heparin. Die Koronarangiographie zeigt ausgedehnte Aneurysmata des proximalen R. interventricularis anterior (RIVA;
Diameter 8,4 mm) und der proximalen
rechten Koronararterie (RCA; Diameter
14 mm) mit thrombotischem Verschluss
der RCA (. Abb. 2). Der Patient erhält
den GPIIb/IIIa-Inhibitor Abciximab
als gewichtsadaptierten Bolus plus anschließende 12-stündige Infusion. Nach
Drahtpassage des RCA-Verschlusses in
das distale Lumen via das teilthrombosierte Aneurysma und erneuter Darstellung der RCA nach Positionierung
des Guiding-Katheters kann ohne weitere Dilatationen ein regelrechter Kontrastmittelfluss (TIMI 3) hergestellt wer-
den (. Abb. 3). Klinisch zeigt sich die
rechtsventrikuläre Beteiligung des Myokardinfarktes mit abdominellem Druckgefühl und hypotonen Blutdruckwerten,
sodass eine Volumentherapie durchgeführt wird.
Unter Berücksichtigung der Differenzialdiagnosen bei Koronaraneurysmata
(. Tab. 1) werden die Eltern des Patienten erneut befragt. Retrospektiv berichten sie von einem Krankenhausaufenthalt
im Alter von 6 Jahren mit über 7 Tage bestehendem Fieber bis 40°C, einer Lymphknotenschwellung im Bereich des rechten
M. sternocleidomastoideus, generalisiertem Hautausschlag mit Ablösen der Haut
periungual an den Fingern, Hals- und abdominellen Schmerzen, wässriger Diarrhö, Konjunktivitis und Stomatitis. Die
Entlassungsdiagnose war damals eine Salmonelleninfektion, allerdings ohne Erregernachweis.
Tab. 1 Ätiologie von Koronaraneurysmata und deren Häufigkeit [2]
Ätiologie
Atherosklerose
Kawasaki-Syndrom und kongenitale Ursachen
Mykotisch und septisch-embolisch
Erkrankungen des Bindegewebes, Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom
Arteriitis, z. B. Polyarteriitis nodosa, Takayasu, systemischer Lupus erythematodes
Neurofibromatose
Tumorerkrankung, primäres kardiales Lymphom
Iatrogen, z. B. perkutane transluminale Angioplastie, Stentimplantation,
Rotablation, Laserangioplastie
Trauma
Ungefähre Häufigkeit
50%
17%
11%
<10%
<10%
Selten
Selten
Selten
Selten
I
V1
II
V2
III
V3
aVR
V4
aVL
V5
aVF
V6
Abb. 1 8 Zwölfkanal-EKG bei Aufnahme des Patienten
Abb. 2 8 Angiographie der linken Koronararterie in RAO 30° (links) und der rechten Koronararterie in
LAO 90° (rechts)
Abb. 3 8 Rechte Koronararterie nach Drahtpassage und Thrombenentfernung in LAO 90°
Ihre Diagnose? D
Der Kardiologe 2007 | Wie lautet Ihre Diagnose?
D
iagnose: Akuter Hinterwandinfarkt
D
durch ein thrombosiertes Koronaraneurysma bei Kawasaki-Syndrom
Aufgrund der Befunde und der Anamnese wird die Diagnose eines Hinterwandinfarkts durch ein akut thrombosiertes Koronaraneurysma im Rahmen eines Kawasaki-Syndroms gestellt.
Am Folgetag beklagt der Patient erneut pektanginöse Schmerzen, das EKG
stellt sich unverändert dar. Es wird eine
Rekoronarangiographie durchgeführt.
Hier zeigt sich ein guter Kontrastmittelfluss in der RCA. Das vorher teilthrom-
bosierte Aneurysma ist jetzt in der gesamten Ausdehnung sichtbar, enthält jedoch
weiterhin Thromben. Angesichts der persistierenden Schmerzen des Patienten sowie der möglicherweise weiterhin embolisierenden Thrombenlast im Aneurysma
fällt der Entschluss zur Stentimplantation. Mit dem Ziel der Überbrückung des
RCA-Aneurysmas erfolgt die Implantation eines Bare-Stents (Diameter 3,5 mm,
Länge 28 mm) unter Einsatz eines Embo-
Abb. 4 8 Positionierung des Stents in der rechten Koronararterie (LAO 90°, links) und Ergebnis nach
Stentimplantation (LAO 90°, rechts) bei rezidivierenden Beschwerden 24 h nach dem Erstereignis
Abb. 5 8 Kardiale MRT: Darstellung des RCA-Aneurysmas in identischen Schichtebenen aus 3-D-Datensatz (Navigatortechnik) akut (links) und nach 10 Monaten (rechts). Das Aneurysma weist initial umspültes thrombotisches Material auf. In der Verlaufskontrolle ist das Aneurysma vollständig perfundiert, das Aneurysma zeigt sich größenkonstant, und der Stent ist in identischer Position zentral im
Aneurysma gelegen
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lieprotektionssystems (Filterwire, Boston
Scientific). Das proximale Stentende wird
ostial in dem kurzen, normkalibrigen Abschnitt der RCA platziert, das distale Ende kommt im normkalibrigen Bereich
der RCA distal des Aneurysmas zu liegen
(. Abb. 4).
Der postinterventionelle Verlauf gestaltet sich unauffällig. Die Maxima der Myokardnekroseparameter sind am Tag der
Stentimplantation erreicht: CK 2702 U/
l (Referenz bis 309 IU/l), CK-MB 211 U/l
(Referenz bis 25 U/l), Troponin T 3,7 µg/
l (Referenz bis 0,03 µg/l). In der kardialen Magnetresonanztomographie (MRT)
zeigt sich ein nichttransmuraler basaler
Hinterwandinfarkt (50% Transmuralität) mit Beteiligung der basalen Anteile
des leicht dilatierten, rechten Ventrikels.
Die globale linksventrikuläre Morphologie und Funktion sind regelrecht. Auch
im MRT kann umspültes thrombotisches
Material innerhalb des RCA-Aneurysmas
nachgewiesen werden (. Abb. 5, links).
Die weitere Therapie erfolgt konservativ
mit gerinnungshemmender Medikation
aus Acetylsalicylsäure, Clopidogrel und
Phenprocoumon (Ziel-INR von 2–2,5).
Eine Kontrollkoronarangiographie nach
11 Tagen bestätigt die regelrechte Stentposition, das Aneurysma ist jetzt frei von
Thromben, das Gefäß zeigt einen regelrechten Fluss.
Nach 3 Monaten zeigt eine elektive
Koronarangiographie einen unveränderten Befund (. Abb. 6). Die kardiale
Magnetresonanztomographie stellt einen
normal dimensionierten rechten Ventrikel mit erholter systolischer Funktion dar.
Die gerinnungshemmende Medikation
wird auf Acetylsalicylsäure und Phenprocoumon (Ziel-INR 2–2,5) reduziert. Der
Patient hat zu diesem Zeitpunkt keinerlei Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit mehr.
Eine kardiale Magnetoresonanztomographie nach 10 Monaten zeigt eine anhaltend regelrechte Stentposition und thrombenfreie Aneurysmata von RCA und RIVA (. Abb. 5, rechts; . Abb. 7). Symptome einer myokardialen Ischämie bestehen nicht, sodass zu diesem Zeitpunkt
die Gefahr der stenosierenden koronaren
Herzkrankheit durch Flussphänomene im
Edge-Bereich der Aneurysmata gebannt
zu sein scheint.
Hintergrund
Das Koronararterienaneurysma ist definiert als eine Dilatation eines Koronarabschnitts auf das 1,5-Fache des angrenzenden normalen Abschnitts [1]. Nach
absoluter Ausdehnung unterscheidet
man kleine (<5 mm), mittlere (5–8 mm)
und Riesenaneurysmata (>8 mm). Ein
Koronararterienaneurysma wird bei ca.
0,3–4,9% der Koronarangiographien diagnostiziert [1]. Die verschiedenen Ätiologien eines Koronararterienaneurysmas
und deren ungefähre Häufigkeiten sind in
. Tab. 1 dargestellt [2]. Nach der Atherosklerose ist das Kawasaki-Syndrom die
häufigste Ursache, v. a. wenn multiple Aneurysmata in der Kindheit oder Adoleszenz auftreten.
Das Kawasaki-Syndrom ist eine Vaskulitis unklarer Genese, die v. a. mittelgroße, extraparenchymale Arterien betrifft und vorwiegend bei Kleinkindern
und Kindern auftritt. Die jährliche Inzidenz reicht von 8–17 pro 100.000 Kinder unter 5 Jahren in Großbritannien und
den USA bis zu 134 pro 100.000 Kinder
in Japan. Die charakteristischen Symptome der Krankheit sind in . Tab. 2 dargestellt. Der hier präsentierte Patient hatte
im Alter von 6 Jahren – nach rückblickender Analyse des damaligen Entlassungsbriefes – mit Fieber und 5 Hauptkriterien
ein Kawasaki-Syndrom erlitten. Die Therapie besteht in der akuten Krankheitsphase aus der Gabe von Immunglobulinen und Acetylsalicylsäure [3, 4].
Bei 15–25% der unbehandelten Patienten treten als Spätkomplikation der
Vaskulitis Koronaraneurysmata auf, 20%
von diesen entwickeln Koronarstenosen
[5]. Die rechtzeitige Immunglobulintherapie senkt das Risiko der Aneurysmaentstehung auf unter 5% [6]. Die Hälfte der im Rahmen der Kawasaki-Krankheit entstehenden Koronaraneurysmata
bildet sich spontan zurück, 20% der Aneurysmata entwickeln sich zu einer Stenose, und bei 40% persistiert das Aneurysma ohne Stenosebildung [5]. Bei Patienten mit Riesenaneurysmata kommt es
in 50% zur Stenosebildung oder Okklusion, bei zwei Dritteln dieser Patienten zum
Myokardinfarkt [5].
Die unspezifischen Symptome des Kawasaki-Syndroms und das Fehlen eines
Abb. 6 8 Angiographie der linken Koronararterie in RAO 30° (links) und der rechten Koronararterie in
LAO 90° (rechts) 3 Monate nach Stentimplantation in die RCA
Abb. 7 8 Kardiale Magnetresonanztomographie 10 Monate nach Koronarintervention. Darstellung
des RCA-Aneurysmas mit Stent in T1-gewichteten Turbo-Spinecho-Aufnahmen („Black-blood-Präparation“) in axialer (links) und sagittaler (rechts) Ebene. Das hypointense Artefakt entspricht dem zentral
im Aneurysma liegenden Stent. Aufgrund des langsamen Flusses im Aneurysma gelingt eine vollständige Suppression des Blutsignals nicht
diagnostischen Tests erschweren jedoch
die Diagnosestellung, sodass das Kawasaki-Syndrom häufig erst verspätet im Zusammenhang mit einem plötzlichen
Herztod oder einem Myokardinfarkt festgestellt wird [7, 8].
Therapie der akuten
Koronarthrombose bei
Kawasaki-Syndrom
Medikamentöse Therapie
Die Gefäßdilatation innerhalb eines Koronaraneurysmas führt zu relativer Stase
des Blutflusses und fördert so die Thrombusbildung [5, 9]. Die medikamentöse
Gerinnungshemmung stellt daher sowohl für die akute als auch die chronische
Therapie von Patienten mit Koronaraneurysmata die wichtigste Maßnahme
dar. Die Intensität der Behandlung richtet
sich dabei nach der Risikoklassifizierung
(s. “Langzeittherapie“). Die initiale Therapie einer koronaren Thrombose beim Kawasaki-Patienten umfasst die intensive gerinnungshemmende Therapie mit Heparin, Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, GPIIb/IIIa-Antagonisten und – je nach Verfügbarkeit eines Herzkatheterplatzes – eine systemische Lyse [3].
Kathetergeführte Therapie
Das Research Committee of the Japanese Ministry of Health, Labor, and Welfare empfiehlt eine Katheterintervention bei
Kawasaki-Patienten mit akuten Ischämiezeichen, mit reversibler Ischämie in einem
Belastungstest oder mit bekannter RIVAStenose über 75% (Evidenzgrad C; [10]).
Die Erfahrungen mit kathetergeführten
Koronarinterventionen bei Kawasaki-Patienten sind jedoch begrenzt, v. a. in Europa angesichts der niedrigen Inzidenz. Die
unterschiedliche Pathogenese und MorDer Kardiologe 2007 | Wie lautet Ihre Diagnose?
Tab. 2 Die klinischen Kriterien des Kawasaki-Syndroms [3]
Fieber über mindestens 5 Tage
Außerdem mindestens 4 dieser Hauptsymptome:
Veränderungen der Extremitäten:
– Akut: Palmar- und Plantarerythem, Ödem der Hände, Ödem der Füße
– Subakut: Ablösen der Haut periungual an den Fingern und Zehen nach 2–3 Wochen
Polymorphes Exanthem
Beidseitige nichtexsudative Konjunktivitis
Veränderungen der Lippen und der Mundschleimhaut:
Erythem, Hauteinrisse, Erdbeerzunge, Rötung von Mund- und Rachenmukosa
Zervikale Lymphknotenschwellung (Durchmesser >1,5 cm), meist einseitig
Ausschluss anderer Krankheiten mit ähnlichen Symptomen
phologie der Koronaropathie bei Arteriosklerose und bei Kawasaki-Syndrom bedingt darüber hinaus einige technische
Besonderheiten.
Aufgrund starker Fibrosierung und
Verkalkung der Koronarwand in der chronischen Phase der Kawasaki-Krankheit
sind zur Behandlung der prä- und postaneurysmatisch auftretenden Stenosen
hohe Inflationsdrücke bei der Ballonangioplastie von Koronarstenosen notwendig. Dadurch wird jedoch die Entstehung
von Intimadissektionen und Neoaneurysmata begünstigt, sodass eine isolierte
Ballondilatation mit maximal 10 bar Inflationsdruck und lediglich bei Stenosen
innerhalb von 6 Jahren nach Beginn des
Kawasaki-Syndroms empfohlen wird [11,
12]. Alternativ wird zur Rotablation und
druckreduzierten Angioplastie geraten
[10]. Durch den Einsatz von Stents konnte die Inzidenz von Neoaneurysmata und
Restenosen signifikant reduziert werden
[13]. Die Implantation eines medikamentenfreisetzenden Stents sollte bei dieser
Patientengruppe zurückhaltend erfolgen,
da pathophysiologische Bedenken bezüglich der Entzündungsreaktion bestehen.
Li et al. beobachteten nach Implantation
eines beschichteten Stents bei einem Kawasaki-Patienten neue Aneurysmata direkt proximal und distal des Stents und
vermuteten einen Zusammenhang zwischen der Sirolimusbeschichtung des
Stents und den Neoaneurysmata [14].
Der hier geschilderte Patient präsentiert sich ohne Koronarstenosen. Eine
formelle Indikation zur Stentimplantation ist daher nicht gegeben. Die Stentimplantation gewinnt jedoch auch bei isolierten Koronaraneurysmata ohne stenotische Komponente an therapeutischer
Bedeutung. Die thrombogenen Flussei-
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genschaften innerhalb eines Aneurysmas
bedeuten nämlich ein hohes Risiko rezidivierender thrombotischer oder thrombembolischer Ereignisse, v. a. bei Riesenaneurysmata [15, 16]. Ziel der Stentbehandlung eines Koronaraneurysmas ist dessen
Ausschaltung, sodass der Koronarfluss
auf das Stentlumen reduziert und stagnierender in laminaren Blutfluss umgewandelt wird. Arteriosklerotisch bedingte
Koronaraneurysmata konnten durch die
Implantation von mit Polytetrafluoroethylen (PTFE) ummantelten Stents ausgeschaltet werden [17, 18]. Die optimale
medikamentöse Therapie nach derartiger
Stentimplantation ist jedoch noch nicht
definiert, und Langzeitdaten v. a. bezüglich Stentthrombosen fehlen [19]. Die Implantation eines ummantelten Stents in
ein Kawasaki-Aneurysma wurde bisher
erst 1-mal von Waki et al. im Jahr 2006
beschrieben [20].
Das Schmerzrezidiv unseres Patienten
am 1. Tag nach dem akuten Myokardinfarkt kann als Symptom einer persistierenden Koronaraffektion durch Mikroembolisationen aus dem zu diesem Zeitpunkt noch teilthrombosierten Aneurysma interpretiert werden. Angesichts der
begrenzten Erfahrungen in der Implantation von ummantelten Stents in ein Kawasaki-Aneurysma und angesichts der
Dynamik des Krankheitsgeschehens unseres Patienten fiel die Entscheidung, in
etablierter Technik einen Stent ohne Ummantelung in das Aneurysma zu setzen.
Chirurgische Therapie
Entsprechend den Empfehlungen einer
Expertenkommission soll eine aortokoronare Bypassoperation beim KawasakiPatienten bei Okklusion des Hauptstam-
mes oder mehr als 1 Hauptkoronararterie oder des proximalen RIVA erwogen
werden [21]. Dabei soll angesichts überlegener Offenheitsraten eine total-arterielle Revaskularisation der Verwendung
venöser Grafts vorgezogen werden [22].
Für Kawasaki-Patienten liegen zufriedenstellende Offenheitsraten von arteriellen
Grafts jedoch bisher nur für die ersten
10 Jahre vor [22]. Angesichts der intakten
Funktion der linken Koronararterie erfüllt
unser Patient kein Kriterium für eine chirurgische Therapie.
Langzeittherapie
Entsprechend den Empfehlungen des
Committee on Rheumatic Fever, Endocarditis and Kawasaki Disease der Americam Heart Association ist das Ausmaß der
Langzeittherapie von Kawasaki-Patienten
abhängig von deren Einordnung in eine
Risikoklasse [3]. Als Patient mit stattgehabter Koronarobstruktion zählt unser Patient zur höchsten Risikogruppe. Für diese wird eine lebenslange thrombozytenaggregationshemmende Therapie (Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel) empfohlen. Patienten mit Riesenaneurysma sollen zusätzlich Phenprocoumon (Ziel-INR
2–2,5) erhalten. Unser Patient wird daher
mit Acetylsalicylsäure und Phenprocoumon behandelt und erhält zusätzlich während der ersten 3 Monate nach Implantation des unbeschichteten Stents Clopidogrel. Nach Myokardinfarkt erfolgt die
Therapie mit β-Blocker (Metoprolol succinat 50 mg) und ACE-Hemmer (Ramipril 5 mg). Bei Hypotonie und Bradykardie wurde diese Therapie nach 6 Monaten auf 2,5 mg Ramipril reduziert. International werden halbjährlich eine Echokardiographie und ein EKG und jährlich
ein Belastungstest empfohlen. Die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren
sollen unter strenger Kontrolle sein [3].
Der hier vorgestellte Patient wird zurzeit
in 3-monatigen Abständen ambulant klinisch untersucht, alle 6 Monate werden
ein Belastungs-EKG sowie eine echokardiographische Evaluation durchgeführt.
Es erfolgte eine Patientenschulung zur
Selbstanpassung der PhenprocoumonBehandlung. Eine neuerliche Koronarangiographie ist nur bei positivem Ischämienachweis oder entsprechender Sympto-
matik des Patienten vorgesehen [3]. Die
exakte Darstellung von Dimension und
Morphologie der Koronaraneurysmata
und der Stentposition mittels kardialer
Magnetresonanztomographie macht diese strahlungsfreie Bildgebungsmodalität
attraktiv für Verlaufskontrollen [23].
Fazit für die Praxis
Das Kawasaki-Syndrom ist eine seltene
Ursache einer Koronaropathie und Myokardischämie. Vor allem bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen,
die sich altersuntypisch mit Symptomen
und Zeichen einer Myokardischämie vorstellen, sollte eine Vaskulitis differenzialdiagnostisch erwogen und die Patientenanamnese hinsichtlich des KawasakiSyndroms geprüft werden.
Korrespondenzadresse
PD Dr. M.W. Bergmann
Franz-Volhard Klinik am Max-Delbrück-Centrum,
Charité Campus Buch, HELIOS Klinikum Berlin
Schwanebecker Chaussee 50, 13125 Berlin
[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Der Kardiologe 2007 |