Zoeliakie - Glutenintoleranz (HLA-Genotyp)

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Zoeliakie - Glutenintoleranz (HLA-Genotyp)
Institut für medizinische &
molekulare Diagnostik AG
14 · CH-8008 Zürich · Telefon 0041 44 497
Falkenstrasse
30 60
Zoeliakie und HLA Genotypisierung
OMIM 142800
1. Bedeutung
Die Zoeliakie (syn. einheimische Sprue, glutensensitive Enteropathie, Glutenintoleranz,
Glutenunverträglichkeit) ist eine chronische Erkrankung des Dünndarms bei genetisch
disponierten Individuen kaukasischer Abstammung. Durch Gluten - einem in vielen
Getreidearten enthaltenen Klebereiweiss - werden T-Zell-vermittelte Immunreaktionen
ausgelöst, die zu entzündlichen intraepithelialen Infiltraten der Mucosa, zu Kryptenhyperplasie und Zottenatrophie führen. Die damit verbundenen Funktionsstörungen
haben Malabsorption und Mangelerscheinungen zur Folge. Leitsymptome der klassischen frühkindlichen Zoeliakie sind Inappetenz, aufgetriebener Bauch, schmerzhafte
Blähungen, fettreiche, voluminöse Stühle, Gedeihstörung, Minderwuchs.
In den 1960er Jahren wurde die 1884 beschriebene Dermatitis herpetiformis Duhring [1]
(DHD) - eine chronisch schubweise verlaufende, quälend juckende und brennende
Hautkrankheit mit subepidermalen Bläschen - als kutane Manifestation der Zoeliakie
erkannt. Die DHD hat den gleichen immunpathologischen Hintergrund, doch haben über
90% der Patienten keine intestinalen Symptome, obschon bei der Mehrzahl (75%) die
genannten Läsionen in der Dünndarmschleimhaut vorliegen.
Als serologische Methoden für ein breites Screening verfügbar wurden zeigte es sich,
dass die beim Kleinkind bekannte Zoeliakie nur die "Spitze des Eisbergs" darstellt. Die
Glutenintoleranz ist weitaus häufiger als früher angenommen. Erste Symptome können
in jedem Lebensalter auftreten. Es sind heute oligo-, monosymptomatische und auch
extraintestinale ("atypische") Formen beschrieben, die sich mit derart vieldeutigen
Zeichen äussern, dass die Erkrankung oft lange nicht erkannt wird: allgemeine
Schwäche, Anämie, Eisenmangel, Blutungsneigung, Gewichtsverlust, Stomatitis
aphthosa, Oedeme, Myopathie, Arthritis, Amenorrhoe, Unfruchtbarkeit, Osteoporose,
neurologische Störungen usw. [Übersicht in 2,3,4,5]. Die Prävalenz des Vollbilds, wie es
der Pädiater kennt, liegt in der europäischen Bevölkerung bei 1/1000 Geburten, unter
Berücksichtigung der milden Formen älterer Kinder und Erwachsener ergibt sich eine
markant höhere von 1/100 bis 1/200 [6,7,8]. Bei strikt glutenfreier Diät sind sowohl die
funktionellen Störungen als auch die morphologischen Schäden reversibel. Unbehandelt
entwickeln Erkrankte mit bis zu 100fach erhöhtem Risiko ein intestinales T-ZellLymphom. Oft ist die Zoeliakie mit anderen Autoimmunkrankheiten assoziiert wie z.B.
Thyreoiditis und Diabetes mellitus Typ I.
Schon früh legten familiär gehäuftes Vorkommen, erhöhte Inzidenz der Erkrankung von
8-10% bei Blutsverwandten ersten Grades eines Patienten, Konkordanz von mehr als
75% bei identischen Zwillingen und Assoziation mit bestimmten HLA Antigenen der
Klasse II (DQ2/DQ8) einen genetischen Hintergrund nahe. Molekularbiologisch finden
sich bei etwa 95% der Patienten die Allele DQA1*0501 und DQB1*0201 (DQ2), in der
Gesamtbevölkerung sind es 20 bis 30%. Bei 3 bis 4% der Patienten liegen die Allele
DQA1*0301 und DQB1*0302 (DQ8) vor. In Populationen, in denen die Glutenintoleranz
selten ist (Afrikaner, Asiaten), werden diese Allele kaum gefunden. Ihr Vorliegen gilt
heute als unabdingbar notwendige Voraussetzung für die Erkrankung. Sie codieren für
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Moleküle der MHC Klasse II, die hauptsächlich auf Antigen präsentierenden Zellen
exprimiert werden [Übersicht in 9,10].
2. Nachweismethoden
Das Screening auf IgA Antikörper gegen Tissue Transglutaminase (tTG) und/oder
Endomysium (EMA) erreicht eine Sensitivität und Spezifität von 95 bis 99% [3,10,11].
Die Serologie versagt jedoch bei selektivem IgA-Mangel, den 3-10% der ZoeliakiePatienten aufweisen. Auch bei Kindern unter 5 Jahren ist sie nicht verlässlich [12,13].
Die Histologie der Dünndarmbiopsie gilt noch immer als diagnostischer Goldstandard
[13], obschon ihre Aussagekraft - vor allem bei älteren Kindern und Erwachsenen mit
atypischer Klinik - seit längerem in Zweifel gezogen wird [7,8]. Es ist absehbar, dass ihr
Stellenwert bei weiteren Verbesserungen der Labormethoden diskutiert werden wird.
Die molekulargenetische Untersuchung der Allele DQA1*05 und DQB1*02 (DQ2) und
des Allels DQB1*0302 (DQ8) mittels Real Time PCR hat einen sehr hohen negativen
Voraussagewert [14]. Sie tragen damit Wesentliches zum Entscheid zur Biopsie bei.
Wenn die besagten Allele nicht vorliegen, kann die Erkrankung mit einer
Wahrscheinlichkeit von über 98% ausgeschlossen werden und andere Ursachen der
klinischen Symptome müssen in Betracht gezogen werden [2,3,4,10,15,16]. Die
genetische Analyse bei Blutsverwandten eines Betroffenen gibt Auskunft über ihr
Erkrankungsrisiko [17].
3. Untersuchungsmaterial
• EDTA-Blut
4. Indikationen
• Ausschluss der Erkrankung bei uncharakteristischer Klinik
• unklare Resultate serologischer Untersuchungen (IgA-Mangel, Kinder <5j.)
• Risikoeinschätzung bei Blutsverwandten von Patienten
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iteratur:
[1] L.A. Duhring. Dermatitis herpetiformis. JAMA 1884, 3:225-229.
[2] Celiac Sprue 2006. http://www.emedicinehealth.com/celiac_sprue/article_em.htm
[3] A. Fasano: Celiac disease in the clinical spotlight - what’s new and what’s the path forward? 2006.
http://www.celiac.org/newsEvents/ev-0605-Fassano.php
[4] NIH Consensus development conference on celiac disease 2004.
http://www.consensus.nih.gov/2004/2004CeliacDisease118html.htm
[5] W. Holtmeier, W.F. Caspary. Celiac disease 2006. http://www.OJRD.com/content/1/1/3
[6] C. Catassi, I.-M. Rätsch, E. Fabiani, M. Rossini, F. Bordicchia, F. Candela, G.V. Coppa, P.L. Giorgi.
Coeliac disease in the year 2000: exploring the iceberg. Lancet 1994, 343:200-203.
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[8] C. Feighery, D.G. Weir, A. Whelan, R. Willoughby, S. Youngprapakorn, S. Lynch, C. O’Morain, P. McEneany,
C. O’Farrelly. Diagnosis of gluten-sensitive enteropathy: is exclusive reliance on histology appropriate?
Eur. J. Gastroenterol. Hepatol. 1998, 10:919-925.
[9] L.M. Sollid. Molecular basis of celiac disease. Annu. Rev. Immunol. 2000, 18:53-81.
[10] D.A. van Heel, J. West. Recent advances in coeliac disease. Gut 2006, 55:1037-1046.
http://gut.bmjjournals.com/cgi/content/full/55/7/1037
[11] A. Bürgin-Wolff, I. Dahlbom, F. Hadziselimovic, C.J. Petersson. Antibodies against human tissue
transglutaminase and endomysium in diagnosing and monitoring coeliac disease. Scand. J. Gastroenterol. 2002,
37:685-691.
[12] D. Brunner, J. Spalinger. Zöliakie im Kindesalter. Paediatrica 2005, 16(3): 34-37.
http://www.swiss-paediatrics.org/paediatrica/vol16/n3/index.htm
[13] WGO-OMGE practice guideline: celiac disease 2005.
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http://www.worldgastroenterology.org/globalguidelines/guide13/guideline13.htm
[14] N. Reinton, A. Helgheim, H. Shegarfi, A. Moghaddam. A one-step real-time PCR assay for detection of DQA1*05,
DQB1*02 and DQB1*0302 to aid diagnosis of celiac disease. J. Immunol. Methods 2006, 316:125-132.
[15] L. Sacchetti, L. Pastore, V. Carlino, G. Calcagno, A. Ferrajolo, F. Salvatore. Rapid identification of HLA
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1997, 43:2204-2206.
[16] E. Liu. Genetic testing for celiac disease 2006. http://www.mlo-online.com/articles/0106/0106cover_story.pdf
[17] E. Liu, M. Rewers, G.S. Eisenbarth. Genetic testing: who should do the testing and what is the role of genetic
testing in the setting of celiac disease? Gastroenterol. 2005, 128 (4 Suppl. 1):S33-S37.