14-21 Azoren
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14-21 Azoren
Verloren im endlosen Mitten im Atlantik, 1500 Kilometer von Europa entfernt, liegen die Azoren. Rund um die Inseln tummeln sich Wale und Delfine, und auf dem Land findet man seltene Pflanzen und Vögel. Jahrhundertelange Rodungen haben jedoch die Lorbeerwälder und die Azorengimpel arg in Bedrängnis gebracht. Text: Andreas Stricker und Regula Bartholdi 14 Natürlich | 12-2003 S eit Stunden schon pflügt sich das Schiff durch die Wellen. Nichts als Wasser, soweit das Auge reicht. Vor über fünf Stunden hat die Fähre die Insel Faial verlassen. Bald müsste Flores am Horizont auftauchen, doch umgeben von der unermesslichen Weite des Meeres fällt einem die Vorstellung schwer, sich inmitten des azoreanischen Archipels zu befinden. Tief unter dem Schiff türmt sich der atlantische Rücken auf: jenes gigantische Unterwassergebirge, das sich von Norden nach Süden über die halbe Erdkugel erstreckt. Weil sich hier die amerikanische Kontinentalplatte im Westen von der eurasischen und der afrikanischen im Osten stetig entfernt, entstehen in der Erdkruste unter der Meeresoberfläche unablässig Blick von Flores auf die Insel Corvo Blau Reportage NATUR meisten anderen Länder, besassen keine weiteren Kenntnisse über die Azoren, als dass es sich um eine Inselgruppe von neun oder zehn Inseln handele, weit draussen im Atlantik, etwas weiter als halbwegs zwischen New York und Gibraltar. Das war alles.» Risse, aus denen Magma strömt, erkaltet und sich auftürmt. Genau unter den Azoren schieben sich ausserdem die afrikanische und die europäische Platte übereinander. Dadurch gerät die Erdoberfläche in ständige Unruhe, es entstehen tief im Wasser riesige Vulkangebilde, von denen 9 ihre Spitzen über die Wasseroberfläche strecken: die Azoren. Die Inseln mit dem mystisch klingenden Namen sind dem Rest der Welt weitgehend fremd geblieben. Schon 1867 bemerkte der amerikanische Schriftsteller Mark Twain: «Ich glaube, die Azoren sind (…) sehr wenig bekannt. In unserer ganzen Schiffsgesellschaft gab es nicht einen einzigen Menschen, der irgend etwas über sie gewusst hätte. Einige aus unserem Kreis, wohlbelesen über die Twains Feststellungen lassen sich ohne Weiteres auf die Europäer übertragen. Den meisten sind die Inseln höchstens aus den Wetterprognosen bekannt. Azoren, das klingt irgendwie nach schönem Wetter: Das Azorenhoch, Teil des subtropischen Hochdruckgürtels, wächst im Sommerhalbjahr an, drängt das Islandtief zurück und sorgt dann vor allem in Westeuropa für sonnige und warme Tage. Doch auf den Azoren selbst ist das Klima eher feucht: Auch im Sommer muss jederzeit mit Niederschlägen gerechnet werden. Grund ist die feuchte Atlantikluft, die über den Inseln ansteigt, oft kondensiert und dann für Bewölkung oder Regen sorgt. Trotz des klingenden Namens sind die Azoren also keine Destination für Badetouristen, zumal auch Sandstrände weitgehend fehlen. Wenngleich sich auf São Miguel, Santa Maria und Terceira ein gewisser Tourismus etabliert hat, liegt der Rest des Archipels touristisch grösstenteils brach. Ist man mit motorisierten Verkehrsmitteln unterwegs, ist es empfehlenswert, Bettler und Bauern Die Azoren gehören zu den ärmsten Regionen Westeuropas, dennoch geht es den Azoreanern heute materiell so gut wie nie zuvor. Vor rund 130 Jahren bot sich Mark Twain noch ein anderes Bild. Seinen Empfang auf Faial schildert er so: «Die Menge auf dem Pier war schäbig – Männer und Azoreanisches Wetterphänomen: Die feuchte Atlantikluft steigt an der Insel auf, kondensiert und bildet Wolken, während der Himmel über dem Meer strahlend blau ist. Foto: Andreas Stricker Foto: gettyimages Das Azorenhoch sich die Geduld und das Improvisationsvermögen der Inselbewohner anzueignen: Stets muss damit gerechnet werden, dass ein Schiff oder ein Flugzeug mit grosser Verspätung oder überhaupt nicht verkehrt, was oft, aber durchaus nicht immer, auf das unberechenbare Wetter zurückzuführen ist. Strassen oder Wanderwege können sich als unpassierbar erweisen, etwa weil sie vor Jahren durch ein Unwetter zerstört wurden, oder gar weil sie, obwohl auf der Landkarte verzeichnet, noch nicht gebaut wurden. Warten muss der Verkehr auch, wenn an einem der zahlreichen Feiertage irgendwo eine Prozession stattfindet. Das kann Anlass sein, die einzige Durchgangsstrasse auf der Inselhälfte für Stunden zu sperren. Die Hauptstrassen werden ebenso aufwändig wie liebevoll mit farbigen Mustern aus Blütenblättern verziert, Fahnen werden gehisst und Gardinen und Teppiche über die Fensterbrüstung gehängt, um die Heiligen zu ehren, die als Holzfiguren durch die Strassen getragen werden. Natürlich | 12-2003 15 NATUR Reportage London Paris Lissabon Azoren Die Strassen werden für den Umzug mit Blütenblättern verziert: Prozession auf São Miguel Casablanca Tripolis Dakar Die Azoren: Kurzportrait Die Azoren sind ein Archipel von 9 Inseln im Atlantik, rund 1500 Kilometer von Europa und 3500 von Nordamerika entfernt. Sie gehören als weitgehend autonome Region zu Portugal. Die Azoren teilen sich in 3 Gruppen auf: Die Inseln Santa Maria und São Miguel bilden die Ostgruppe; Terceira, Graciosa, São Jorge, Pico und Faial zählen zur Zentralgruppe; die Westgruppe besteht aus Flores und Corvo. Die Distanz von der westlichsten zur östlichsten Insel beträgt 600 Kilometer, wobei die Gesamtoberfläche aller Inseln lediglich 2335 km2 beträgt, auf denen knapp 250000 Menschen leben. Die grösste Insel, São Miguel, ist rund 60 Kilometer lang und beherbergt die grösste Stadt, Ponta Delgada, mit immerhin 40 000 Einwohnern. Mit seinen 2351 Metern ist der direkt aus dem Meer heraussteigende Pico der höchste Berg Portugals. Ihren Namen haben die Azoren übrigens von einem Vogel entliehen: Açores, portugiesisch für «Habichte», glaubten die Entdecker einst über den Inseln zu erkennen. Vermutlich waren es eher Bussarde, denn Habichte gibt es auf den Azoren keine. Doch der Name ist geblieben. Rund 20 Wal- und Delfinarten Dennoch wird den Walen auch heute noch nachgestellt – mit Whale-Watching-Booten. Denn in den Gewässern um die Azoren tummeln sich rund 20 ver- Fotos: Max Zumsteg Foto: Andreas Stricker Frauen, Jungen und Mädchen, zerlumpt und barfuss, und aus Instinkt, nach Erziehung und von Beruf alle Bettler». Doch er bemerkte auch: «Wenn jemals irgendwo die Chausseen und die Strassen und die Aussenfronten der Häuser vollkommen frei waren von jedem Anzeichen und jeder Andeutung von Schmutz oder Staub oder Schlamm oder Unsauberkeit irgendwelcher Art, so in Horta, so auf Faial. Die Stadt und die Insel sind wahre Wunder an Sauberkeit.» Rom Tangar Madeira Kanaren Das ist bis heute so geblieben und gilt für alle Inseln: Nirgends säumen Abfälle die Strassenränder, und wenn an einem der strahlend weiss gestrichenen Häusern ein gräulicher Fleck zum Vorschein kommt, wird dieser sogleich mit einer dicken Farbschicht übermalt. Einzig die zahllosen Häuserruinen, wie es sie in praktisch allen Orten gibt, bilden einen markanten Kontrast und zeugen von den Auswanderungswellen vor noch gar nicht so langer Zeit. Wichtigster Erwerbszweig auf den Inseln ist die Landwirtschaft, wobei heute Fleisch- und Milchwirtschaft dominieren. Auch die Fischerei ist von Bedeutung; führt man sich allerdings die geographische Lage der Inseln vor Augen, nimmt sie einen erstaunlich geringen Stellenwert ein, was an der weitgehend veralteten Flotte der azoreanischen Fischer liegt. Jahrhunderte lange Tradition hatte auf den Azoren bis vor wenigen Jahrzehnten der Walfang. Doch in den Achtzigerjahren wurde er auf den Azoren endgültig eingestellt. Dies geschah weniger auf Druck von Tierschutzorganisationen als aus wirtschaftlichen Gründen: das Jagen von Walen rentierte mit den überholten azoreanischen Walfangbooten nicht mehr. M Madrid Ein häufiges Mitglied der ursprünglich stark verbreiteten Lorbeer-Wachholder-Wälder: das endemische Blattreiche Johanniskraut Die ursprüngliche Vegetation musste vielerorts der Landwirtschaft weichen: die Vulkaninsel Terceira, unten Weideland und in der Höhe Lorbeerwald 16769-12 Gesundheitspraxis SanaVital Thomas Pfulg dipl. Masseur Münstergasse 70 3011 Bern Tel. 031 312 21 26 Fax 031 312 21 27 E-Mail: [email protected] – Klassische- und Sportmassage – Fussreflexzonenmassage – Akupunktmassage – Therapie und Seminare nach Dr. Hulda Clark 17011-12 14519-12 Sie verfügen über eine Ausbildung im medizinischen Bereich und Sie interessieren sich für eine Ausbildung in klassischer Homöopathie Wir bieten Ihnen die 3-jährige, berufsbegleitende Ausbildung Beginn: August 2004 Verlangen Sie unsere ausführlichen Ausbildungsunterlagen: Tel. 041 760 82 24 – Fax 041 760 83 30 – Internet: www.groma.ch/skhz.htm anspruchsvoll – zeitgemäss - praxisorientiert 16962-12 14080-12 16763-12 Natürlich | 12-2003 17 AUSBILDUNG Körper- und Atemtherapie LIKA® Berufsbegleitende Aus- und Weiterbildung Diplom Stufe 1 Grundausbildung 11 ⁄ 2 Jahre Diplom Stufe 2 Aufbauausbildung 11 ⁄ 2 Jahre (entspricht den Richtlinien des EMR) Orientierungsseminare: März und August 2004 Ausbildungslehrgänge: Beginn: Januar und September 2004 Informationsabend: 19.Januar 2004, 19–21 Uhr (kostenlos) zu unserem Aus- und Weiterbildungsangebot Verlangen Sie unser Aus- und Weiterbildungsprogramm! LIKA® GmbH, Lehrinstitut für PsychoDynamische Körper- und Atemtherapie Gesamtleitung Edith Gross-Gstöhl, Lindhofstr. 92, 5210 Windisch Tel. 056 441 87 38, Fax 056 442 32 52, www.lika.ch, [email protected] 16948-12 Fachschule für · Fusspflege -Pédicure · Fussreflexzonenmassage · Klassische Ganzkörper- pédi-suisse Daniel Grund- und Weiterbildungskurse - EMR Richtlinien CH-8820 Wädenswil - Seestrasse 128 13509-12 13561-12 Vitalität inTeneriffa st! e T e g e autpfl H S I T A GR Im klimatisch einmaligen Norden von Teneriffa, fernab von den grossen Touristenzentren, lassen sich bewusstes Geniessen und Gesundheit aufs Beste verbinden. Familiär geführtes Hotel mit 85 Appartements – alle mit Meerblick – und mit grossem Gesundheitszentrum: Naturheilverfahren, Sauerstofftherapie, Osteopathie und eigenes Regenerationszentrum für Therapie nach F.X. Gönnen Sie Ihrer Gesichtshaut fünf Tage Erholung von der Chemie Ihrer üblichen Crèmes. 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Rui Prieto gibt zu bedenken, dass jede Annäherung die Tiere stört. Doch gleichzeitig spricht er den azoreanischen Walbeobachtungsunternehmen ein Lob aus: Die allermeisten halten sich an die nötigen Regeln, etwa was das Annähern an die Tiere betrifft. Auch hält sich laut Rui Prieto die Zahl der Besucher in Grenzen. Im Gegensatz etwa zu den Kanarischen Inseln, wo jährlich rund eine Million Touristen auf Walbeobachtungstour fahren würden, seien es auf den Azoren lediglich 15 000. Foto: BirdLife International Früher im ganzen Atlantikraum weit verbreitet, auf den Azoren noch immer häufig: der Gelbschnabelsturmtaucher Schreiende Cagarros Sorgen machen sich azoreanische Naturschützer jedoch um eine ganz anderes Tier: In der Fussgängerzone von Velas stehen junge Frauen an einem Stand. «Protege os cagarros» steht auf ihren Plakaten: «Rettet die Cagarros». Gelbschnabel-Sturmtaucher heissen die albatrosähnlichen Vögel auf deutsch. Einst bevölkerten sie weite Teile der Atlantikküsten, vom Golf von Mexiko bis zum Mittelmeer und den Ostküsten Afrikas. An den meisten ursprünglichen Orten sind die Cagarros heute nur noch spärlich, wenn überhaupt noch vorhanden; auf den Azoren hingegen sind sie äusserst zahlreich: Auf 50 000 bis 100 000 schätzt BirdLife International die Zahl der Paare, die jährlich auf den Azoren brüten; Verträgt kaum Beweidung: Die endemische Azoren-Heidelbeere muss vielerorts der Landwirtschaft weichen. dies bei einer mutmasslichen Weltpopulation von 140 000 bis 210 000. Die Sorge der örtlichen Ornithologen um den Cagarro gründet unter anderem auf illegalen Abschüssen und häufigen Zusammenstössen mit Autos. Doch angesichts der immer noch sehr zahlreichen Cagarros haben es die Vogelschützer nicht leicht, die einheimische Bevölkerung von der Gefährdung dieser Vögel zu überzeugen. In den felsigen Küstenstreifen der Azoren ist der bizarre Ruf unzähliger Cagarros – manche Azoreaner sagen, er ähnle dem Schrei eines Babys – im Sommer nächtelang zu hören, und wer das seltsame kwääk-aua-aua-aua-kwääk je gehört hat, dem wird es noch lange in Erinnerung bleiben. Ein Azorensommer ohne den Cagarro, das wäre unvorstellbar. Foto: Max Zumsteg Zerstörung der Lorbeerwälder Bei ihrer Entdeckung im 15. Jahrhundert waren die Azoren fast ganz mit Wäldern bedeckt. Heute, nach Jahrhunderten langen intensiven und unkontrollierten Rodens durch die Landwirtschaft, findet man die einstige Vegetation lediglich noch an wenigen unzugänglichen Orten in Kratern, auf Klippen oder an Berghängen. Ernsthaft bedroht sind die ursprünglichen Lorbeer- und Wachholderwälder. Sie wurden zur Schaffung von Weideland kahl geschlagen und sind nur noch an wenigen geschützten Orten, zum Beispiel auf der Insel Faial, erhalten geblieben. An den vulkanischen Kliffen und Basaltfelsen der Küste wachsen vor allem Gräser, überwiegend die Festuca petraea, ein Süssgras. Häufig sind die Küsten bewaldet, in der Vergangenheit von der Wachsmyrte (Myrica faya) und der azoreansichen Picconie (Picconia azorica) Natürlich | 12-2003 19 NATUR Reportage Foto: Andreas Stricker dominiert. Das natürliche Weideland im Inselinnern zeichnet sich durch einen grossen Pflanzenreichtum aus. Es ist geprägt von Honiggras (Holcus rigidus), Schwingel (Festuca jubata) und Schmiele (Deschampsia foliosa). Durch die zunehmende Viehwirtschaft bedroht, findet sich natürliches Weideland jedoch nur noch an einigen der höchsten Stellen auf den Inseln über 700 Meter über Meer und in Vulkankratern. Das blattreiche Johanniskraut Auf den Azoren gibt es rund 60 endemische Pflanzen (das heisst nur auf den Azoren wachsend). Sie finden sich auf Meereshöhe bis zur Spitze des Pico (2351 m), dem höchsten Berg der Inseln. Die meisten dieser Arten sind selten und oft auf kleinste und unwirtliche Gebiete beschränkt. Der azoreanische Kleefarn (Marsilea azorica) beispielsweise wächst nur an einer einzigen Stelle auf Terceira, azoreanischer Augentrost (Euphrasia azorica) und Hornkraut (Ceratium azorica) beschränken sich auf die Westgruppe. Auf allen Inseln durch die Konkurrenz einwandernder Pflanzen bedroht ist. Die Azoren Heidelbeere (Vaccinium Cylindraceum) ist ein belaubter Strauch von bis zu 3,5 Metern Höhe, der auf allen Azoreninseln mit Ausnahme von Graciosa vorkommt. Sie wächst in der Regel oberhalb von 300 Metern über Meer, auf Pico bis 1800 Meter und ist häufiger Bestandteil des Lorbeer-Wacholderwaldes. Sie kommt auch verstreut in offenen Rasenflächen und auf sandigen Ablagerungen vor. Die Azoren Heidel- häufig ist das blattreiche Johanniskraut (Hypericum Foliosum Aiton), ein niedriger Strauch mit eiförmig-lanzettlichen Blättern, ziemlich grossen, gelben Blüten. Er wächst vorwiegend oberhalb 400 Metern über Meer und ist ein häufiges Mitglied des Lorbeer-Wacholder-Waldes, findet aber auch geeignete Bedingungen in dichten Pitosporum-Beständen. Das blattreiche Johanniskraut ist eine der wenigen endemischen Pflanzen der Azoren, die nicht durch die weitreichende Nutzung der natürlichen Vegetation oder Ruhe und Hektik: Velas und Angra treten, verbreiten ihren schwefligen Geruch im ganzen Talkessel. Der Parque Terra Nostra am Rand des Ortes ist nicht nur wegen seiner exotischen Parkbäume einen Besuch wert, sondern auch wegen seinem Natur-Schwimmbad: Das Wasser aus dem vulkanisch erwärmten Erdinnern ist gelblich und 38 Grad heiss. Baden in heisser Quelle: Furnas Dass der Vulkanismus auf den meisten Inseln noch allgegenwärtig ist, wird einem vor allem in Furnas vor Augen geführt. Heisse Quellen, die an verschiedenen Stellen aus dem Boden Ganz oben: Pico Mit seinen 2351 Metern ist der Pico Portugals höchster Berg. Einmal oben, bietet sich bei schönem Wetter ein einzigartiger Überblick auf sämtliche Inseln der Zentralgruppe. 20 Natürlich | 12-2003 Der äusserste Westen: Flores Wer das beschauliche Leben auf den Azoren eine Weile genossen hat und dann nach Flores reist, muss hier nochmals einen Gang zurückschalten. Die kleine Insel markiert nicht nur den äussersten Westen der Azoren, sondern von ganz Europa. Für seine 4000 Einwohner bedeutet dies ein Leben in tiefer Abgeschiedenheit. Einsamer ist es nur noch auf der Nachbarinsel Corvo, die lediglich ein einziger gewaltiger Vulkankrater ist, an dessen Fuss ein Ort mit 460 Einwohnern liegt. Junges Land: Capelinho Eine der spannendsten Gegenden der Azoren liegt am anderen Ende Faials: die mystische Landschaft um den jungen Vulkan Capelinho, der erst 1957 entstanden ist. Weite Teile des nahen Dorfes Capelos inklusive des Leuchtturmes wurden damals von Vulkanasche überschüttet. Die recht hohen und ziemlich steilen neuen Berge sind praktisch vollständig begehbar. Sie sind bis heute noch weitgehend unbewachsen. Foto: Andreas Stricker Angra do Heroísmo auf Terceira ist aus historischer Sicht die interessanteste Stadt der Inseln. Für kurze Zeit galt sie sogar einmal als Hauptstadt Portugals: Nachdem Portugal 1580 von Spanien vorübergehend annektiert worden war, flohen die Königstreuen auf die Azoren und erhielten mit Sitz in Angra die staatlichen Überreste ihres Landes aufrecht. Heute zeugt vor allem die Architektur von der bewegten Vergangenheit Angras: Renaissancebauten aus dem 17. Jahrhundert säumen die Strassen im Zentrum, spanischen Baustils ist die mächtige Kathedrale. Doch für Ruhesuchende zeigt sich manch anderer Ort auf den Inseln attraktiver als das enge und lärmige Angra. So zum Beispiel Velas, der ruhige Hauptort der wenig beachteten Insel São Jorge. Im Lavabecken baden die Einheimischen in Sichtweite des Pico. Ein kleiner Park ziert, wie in so manchem Azorenstädtchen, das Zentrum. Wurde 1957 von Vulkanasche verschüttet: das Dorf Capelos Ragt direkt aus dem Meer heraus und ist mit seinen 2351 Metern der höchste Berg von ganz Portugal: der Pico Reportage NATUR beere erträgt kaum Beweidung. Ihre rosafarbenen bis fast weissen Blüten sind in Trauben von 10 bis 20 Stück angeordnet. In Blüte ist die Azoren Heidelbeere sehr attraktiv. Ein ernst zu nehmendes Problem auf den Azoren ist die Invasion durch fremde, invasive Pflanzen, die die einheimischen Arten völlig verdrängen können. Gerade in jüngster Zeit hat ihre Zahl zugenommen. Die auffälligste invasive Pflanze auf den Azoren ist die Hortensie (Hydrangea macrophylla). Da sie das Logo der Tourismusbüros ziert, wird die ursprünglich aus Japan stammende Hortensie von Unkundigen oft als typisch azoreanische Pflanze angesehen. Auch sehr verbreitet ist der ebenfalls aus Asien stammende Wilde Ingwer (Hedychium gardneranum). Der schnelle Profit förderte in der Holzwirtschaft schnell wachsende Bäume, etwa Eukalyptus (Eucalyptus globulus), Götterbaum (Ailanthus altissima) und Kiefer (Pinus pinaster). Noch 120 Azorengimpel-Paare Unter der Zerstörung der ursprünglichen Lorbeerwälder hat auch die einheimische Vogelwelt zu leiden, allen voran der Azorengimpel (Pyrrhula murina), eine endemische Unterart des eurasischen Gimpels (Pyrrhula pyrrhula). Mit anderen Singvögeln zum landwirtschaftlichen Schädling erklärt, begann Mitte des vorletzten Jahrhunderts eine regelrechte Ausrottungskampagne, wie der Zoologe Markus Kappeler 1990 in einer Abhandlung über den Azorengimpel schrieb. Die letzte Zählung im Jahre 1999 ergab 120 Azorengimpel-Paare. Wichtige Nahrungsquellen findet der Azorengimpel in den immergrünen Lorbeerwäldern, einer Pflanzengesellschaft mit üppiger Moos-, Kraut- und Strauchschicht. Feldbeobachtungen haben ergeben, dass der Azorengimpel zwar ein gewisses alternatives Nahrungsangebot annimmt, jedoch nie die Früchte der Krausblättrigen Klebsame (Pitosporum undulatum), welche neben dem Ingwer zu den ärgsten Bedrängern des Lorbeerwaldes gehört. Eine für ihn wichtige, einst sehr verbreitete endemische Pflanze ist der Kirschlorbeerbaum (prunus lusitanica ssp. azorica). Gerade noch 7 dieser Bäume gibt es im 4 Quadratkilometer grossen Naturreservat von Pico da Vara im Osten der Insel São Miguel, erklärt Maria João Pereira, Doktorin an der Universität der Azoren in Ponta Delgada. Sie ist mit ihren Mitarbeitern an einem Projekt zur Rettung des Azorengimpels beteiligt. Ziel des von der EU finanziell unterstützten Projektes ist, die Fläche des noch bestehenden Lorbeerwaldes auszudehnen und die Population des Azorengimpels bis in 7 Jahren auf 150 bis 200 Paare zu erhöhen. ■ Foto: Andreas Stricker Wie aus dem Bilderbuch: die Lagoa das Furnas auf São Miguel Foto: Max Zumsteg Ernsthaft bedroht sind die ursprünglichen Lorbeer- und Wacholderwälder: hier der Gewellte Lorbeer (Klebsame), eine endemische Art Quellen: – Bussmann, Michael: «Azoren Reisehandbuch», Michael Müller Verlag, 2002 – Osang, Rolf: «Azoren», DuMont Reisetaschenbuch, 2001 – Schäfer, Hanno: «Flora of the Azores – A Field Guide», Verlag Margraf – Homepage des Autors: www.stricker.net/andreas/bilder/azoren