SCHÖN, ABER SCHWER - Flyfishing Europe

Transcrição

SCHÖN, ABER SCHWER - Flyfishing Europe
R EISE – M ÖHN E
SCH Ö N, ABER
SCHWER
An solchen Stellen zeigt sich schon,
dass es nicht ganz einfach ist, die
Fliege überall punktgenau zu servieren
– aber dort stehen die dicksten Fische
W
enn ich es nicht besser gewusst
hätte, hätte ich auf Biber getippt.
Aber sie kommen an der Möhne nicht vor. Also müssen es Forellen gewesen sein, die mit einem Geräusch
zwischen Gurgeln und Klatschen irgendwas
von der Wasseroberfläche, geschlürft ist in
diesem Falle nicht das richtige Wort, eher gerissen haben. Die Biester standen aber genau
dort, wo niemals eine Fliege wird landen können – es sei denn nach einer Brandrodung. Es
war auch Hochsommer, und viele gute Stellen, an denen große Fische standen, waren einfach zugewuchert. Wegen des enorm heißen
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Wetters war tagsüber die Steigerei äußerst verhalten, und somit blieb nur die Nymphe. Um
aber tief genug fischen zu können, sind lange Vorfächer angesagt. Im Unterholz damit
einen zielgenauen Switch-Wurf hinzulegen,
bleibt David Copperfield überlassen. Aber
wenn, wenn die Nymphe einmal richtig kam,
gab’s gleich hammerharte Kontakte. An einem
großen Baum, der gut die Hälfte der Flussbreite überspannte, stiegen zwei, drei große Fische. Die Nymphe musste aber so dicht an dem
Grünzeug abgelegt werden, dass kein Spielraum für Wurffehler blieb. Nach einer guten
halben Stunde und einigen Nymphen weni-
Nun komm schon her! Der wilde Drill ließ schon ahnen,
warum für Vorfächer Mindeststärken vorgeschrieben sind
ger endlich die gewünschte Drift. Mit einem
Ruck wurde die Schnurspitze unter das Astwerk gerissen. Anhieb, gewaltiger Widerstand
– und weg! Das 0,18er Vorfach glatt gesprengt.
Danach war auch Ruhe im Busch. Ein Stück
oberhalb ein leises Gurgeln. Sekunden später war die leicht beschwerte Nymphe auch
schon nah am am Zentrum der auseinander
laufenden Wellen. Die Nymphe sank Richtung Grund, und eine Sekunde später blieb
die Schnurspitze stehen. Eine 45er Regenbogen erblickte kurz darauf das Licht der Welt.
An genau der gleichen Stelle folgten innerhalb
weniger Minuten noch drei andere Fische, alle
Fotos: privat, Siegi Stümke
Schön ist die Möhne, keine Frage.
Und ein Fluss der dicken Fische – was
Fotos und Berichte klar belegen.
Aber wie stehen die Chancen wirklich
– fragte sich auch Siegi Stümke
Die vielen Gesichter der Möhne
– hier ein schöner Schuss mit
tiefem Gumpen
Was für eine Bachforelle! Für kapitale Fische
muss man die Fliege an vielen Stellen grundnah
anbieten, am besten mit einem Sinker
in den 40ern. Danach herrschte
Ruhe, auch an anderen Stellen.
Nach einem ausgiebigen Essen
im Gasthof Niederbergheimer
Hof direkt am Fluss ging’s an die
„Rentner-Strecke”. Die ihren Namen auch wirklich verdient: leicht
zu begehen, auch watenderweise,
viel Platz zum Werfen – und jede
Menge Fische. Da dort aber auch
gerne viele Angler ihr Glück versuchen, zeigten uns die Fische zuerst mal die kalte Rückenflosse.
Das änderte sich schlagartig am
späten Nachmittag, als zaghafter
Schlupf einsetzte. Hier ein zarter
Ring, da noch einer. Meine MiniCDC dümpelte im Zeitlupentempo in der trägen Strömung. Und
in genau der gleichen Geschwindigkeit schob sich eine Forelle vom Grund hoch, öffnete das Maul, ließ sich unter
der Fliege einen halben
Mirjana Pavlic kennt ihr Wasser –
und weiß, wie der Hase läuft. Aber eine
solche Bachforelle ist auch ihr
nicht jeden Tag vergönnt
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R EISE – M ÖHN E
Kurve mit tiefem Gumpen – wer weiß, was
dort am Grund auf die Fliege lauert!
Meter mittreiben – und schlürfte sie langsam und genüsslich
ein. Schon besser, die Regenbogen hatte so knapp 50 Zentimeter und legte an der feinen 4er
Rute einen Veitstanz hin. Bis zum
frühen Abend, bevor ein kühler
Wind dem Schlupf ein Ende bereitete, kam dann doch noch eine
stattliche Anzahl guter Fische zusammen.
G EW USST
W IE
Am nächsten Morgen schaute
Mirjana Pavlic von Flyfishing
Europe zum Frühstück vorbei.
Wie’s gelaufen sei, erkundigte
sich die leidenschaftliche Fliegenfischerin. So là là. Ungläubiges Kopfschütteln. Da musste wohl ein ortskundiger Guide
ran. Wenige Minuten später wa74 FISCH & FLIEGE
ren wir dann gemeinsam am Wasser, und so erfuhr ich nebenbei,
was in den vergangenen Jahren
schon für Brocken an die Fliege gegangen sind. Das mir ein
Angler am Vortag auch schon erzählt hatte, von einer 90er Forelle, die sich allerdings mit einem
meterweiten Satz ins Buschwerk
verabschiedet hatte. „Die Großen stehen tief, du musst nur runter mit der Fliege,” klärte mich
Mirjana auf. Mit meiner Zusammenstellung nicht so einfach zu
bewerkstelligen, aber mit ihrer!
Eine mittelschwere Sinkschnur,
200 Grain, und ein sehr kurzes
Vorfach. So bringt man die Fliege auch mit wenig Schnur und
Rückraum zum Grund. Und wie
der Teufel es wollte, dauerte es
nicht lange, bis das Wasser vor
Mirjanas Füße schäumte. Oha,
das sah nicht schlecht aus. Aber
erst an kurzer Schnur offenbarte sich, was Mirjana da am Band
hatte. Dem Fisch schien die Sache
inzwischen auch nicht mehr ganz
geheuer und gab erstmal kräftig
INFO
Die Streckenlänge der Oberen Möhne beträgt knapp 10
Kilometer. Fliegenfischer finden alle möglichen Schwierigkeitsgrade vor, denn der
Lauf der Möhne ist sehr abwechslungsreich. Einige Stellen sind relativ leicht mit
Nymphe und Tockenfliege zu
befischen, andere dagegen
nur geübten Werfern zu empfehlen. Aber da stehen natürlich auch gewichtige Fische!
Deshalb sind auch für die verschiedenen Methoden Mindeststärken für die Vorfächer
vorgeschrieben: Trockenfliege
nicht unter 0,16mm, Nymphe
nicht unter 0,18mm und Streamer nicht unter 0,25mm. Es
besteht auch Kescherpflicht!
Entnahme ist ein Salmonide
pro Tag. Die Tageskarte kostet 28 Euro, eine 4-Tages-
karte 75 Euro. Vom 15. Mai
bis 15. August werden auch
Halbtageskarten für 18 Euro
ausgegeben. Weitere Infos
(auch Übernachtungsmöglichkeiten) finden Sie im Internet
unter: www.flyfishingeurope.de
Kartenausgabe:
Flyfishing Europe GmbH,
Linkstraße 27
D-59515 Möhnesee
Tel. 02924/87 430
Fax 02924/87 43 28
E-Mail:
[email protected]
Das Frühjahr ist eine heiße Zeit für Dickfisch – das Gewässer ist noch nicht so zugewuchert,
und mit Sinkschnur und Streamern lassen sich solche Partien perfekt abklopfen
Gas. Spätestens jetzt wusste ich,
warum Mirjana mit so kräftigem
Gerät angerückt war. Trotzdem
zog sich der Drill in die Länge,
natürlich eine gute Gelegenheit,
ein paar schöne Fotos zu schießen.
Als der Fisch dann endlich das
Handtuch warf, zeigte sich, was
da eigentlich den hellen Streamer verhaftet hatte: eine gewaltige Bachforelle, wie ich sie nur
selten in Natura gesehen haben –
an die 70 Zentimeter lang! Das
war auch für Mirjana ein mehr
als außergewöhnlicher Fisch,
obwohl sie die Möhne wie ihre
Fliegenweste kennt und schon so
manch kapitalen Fisch hat landen
können. Man soll ja eine Party
dann verlassen, wenn die Stimmung auf dem Höhepunkt ist –
was sollte jetzt noch kommen?
Also beendeten wir den Angeltag bei einem frisch Gezapften –
und machten schon einen Termin
für den nächsten Trip aus. Denn
die Möhne wird mich wiedersehen, schwierig hin oder her. ¢
Siegi Stümke an der „Rentnerstrecke“ – da
blieb dann auch mal eine schöne Regenbogen hängen