Mehr Tiefe für das Internet
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Mehr Tiefe für das Internet
32 Publisher 4·2001 Web-Publishing Macromedia Director 8.5 Shockwave Studio Mehr Tiefe für das Internet Macromedia hat ihr Authoring-Tool Director in der neuesten Version mit einer 3-D-Engine ausgestattet. Mit dem Shockwave-Format soll das Internet endlich dreidimensional werden. n MATTHIAS SCHÜSSLER VRLM war ein erster Versuch, das Internet in einen veritablen «Cyberspace» zu verwandeln. Damit sollte das Web nicht mehr bloss aus «flachen» Seiten mit Text und Bildern bestehen, sondern auch aus begeh- resp. durchklickbaren Welten. Obwohl die Browser mit der «Virtual Reality Markup Language» umgehen konnten, war im Web kaum je eine VRLM-Welt anzutreffen: Der Standard war weit davon entfernt, eine nur annähernd glaubhafte «virtuelle Realität» zu erschaffen. Offener Standard bewährt sich nicht Möglicherweise gelingt das Unterfangen «Mehr Tiefe fürs Internet», wenn Multimediaentwickler und Webpublisher kennen und lieben die Macromedia-Produkte. So positiv es auch ist, wenn ein wichtiges Webformat als Allgemeingut geboren wird – es nützt nichts, wenn es nicht gefördert, gepusht und umworben wird. Lara Croft lässt grüssen In der seit kurzem erhältlichen Version 8.5 des Macromedia Director (siehe dazu den Steckbrief-Kasten) ist neu eine von Intel entwickelte 3-D-Engine eingebaut. Auf diese Weise können Multimediaproduzenten in ihre Filme nicht bloss Vektor- oder Bitmap-Objekte einbauen, sondern auch richtige, dreidimensionale Modelle. Diese werden zur Laufzeit gerendert: Dadurch kann rendert) zurückgreifen kann, geschieht dies auf einem durchschnittlichen PCSystem ausreichend schnell. Dennoch dürfte Macromedias Verbreitungsprognose zu optimistisch sein: Der Hersteller behauptet, zweihundert Millionen PC-Systeme weltweit seien gerüstet für Director. Es mag ja sein, dass inzwischen so viele Browser-PlugIns heruntergeladen wurden. Aber längst nicht jeder Surf-PC ist den Anforderungen des 3-D-Rendering gewachsen. Modelling «ausser Haus» Die 3-D-Modelle lassen sich in Director wie gewohnt per Zeitleiste verändern oder per Lingo-Befehl steuern. Die Modelle selbst können jedoch nicht in Director entworfen werden. Diese Auf- Das letzte Einhorn lässt sich auf der Director-Bühne zu virtuellen Herden beliebiger Grösse formieren. kein offener Standard im Spiel ist, sondern eine Firma mit handfesten Gewinnabsichten die Sache in die Hand nimmt. Die Aussichten sind in diesem Fall besonders gut, weil die Firma Macromedia heisst. Das Unternehmen hat mit Flash bewiesen, dass es die Internetgemeinschaft für die eigenen Technologien begeistern kann. Noch wichtiger für den Erfolg ist die Akzeptanz auf Seiten der Produzenten, und die ist absolut gegeben: Designer, der Zuschauer nach Belieben zoomen, die Kameraposition verändern oder auch mit den Modellen interagieren – ganz so, wie man es von 3-D-Games wie Tomb Raider oder einem anderen der unzähligen Vertreter dieses Genres kennt. Da der Player vorhandene Hardwarebeschleunigung (DirectX oder OpenGL) nützt und auf Tricks wie das Multi-Resolution-Mesh (ein Objekt wird, je nach Potenz des Zielsystems, mit mehr oder weniger vielen Details ge- gabe überlässt Macromedia den etablierten Programmen. Somit können erfahrene 3-D-Modellartisten ihre gewohnte Software verwenden, sofern diese entweder das W3D- oder das OBJ-Format unterstützt. Für 3D Studio MAX existiert ein eigenes ExportPlugIn. Dieses erlaubt schon bei diesem Arbeitsschritt Optimierungsmassnahmen bezüglich endgültiger Dateigrösse: In einem Dialogfeld listet das PlugIn auf, wie viel Platz Texturen, Steckbrief: Director Director ist seit Jahren das Authoring-Tool für anspruchsvolles Multimedia. Das Werkzeug ähnelt in vielen Aspekten dem ebenfalls von Macromedia stammenden Animationsformat Flash. In beiden Produkten lassen sich Vektor- und Bitmapgrafiken, Klänge und sogar Filme kombinieren. Flash: Berührungspunkte und Unterschiede Auf einer Zeitleiste kann der Multimediaproduzent das Verhalten einzelner Objekte während des Abspielens steuern. Ausserdem lässt sich programmieren, wie Objekte auf Aktionen des Benutzers – Mausklicks oder Tastaturbefehle – zu reagieren haben. Und auf vergleichbare Weise lassen sich Flash- und Shockwave (so die Bezeichnung eines für die Darstellung im Webbrowser optimierten Director-Films) in Webseiten integrieren. Was die Programmierung anbelangt, ist Director sehr viel leistungsfähiger als Flash. Nur Director verfügt über die Programmiersprache Lingo, die dem Entwickler umfangreiche Möglichkeiten einräumt, aber erst einmal erlernt werden muss. Somit eignet sich Director zum Entwickeln einer breiten Palette von interaktiven Anwendungen: Virtuelle Museen, Computerspiele à la Myst, Lernsoftware, Präsentationen und – wie könnte es auch anders sein! – auch E-Commerce-Anwendungen lassen sich mit Director erstellen. Der Vorteil ist die Plattformunabhängigkeit: Dank Player für die beiden wichtigsten Plattformen laufen solche Anwendungen unter Windows und Mac – und mittels PlugIns in den allermeisten Browsern. Das Shockwave-Format ist einigermassen kompakt und eignet sich daher auch fürs Internet – mit dem Vorbehalt, dass man aus Rücksicht auf die vielen, immer noch per Analogmodem surfenden Webbenutzer nur wichtige und vom Benützer gesuchte Informationen als Shockwave-Film anbieten sollte. Ein 3-D-Werbebanner ist Unfug, auch wenn Macromedia das Gegenteil behauptet! Web-Publishing Geometrie, Animationen etc. in der Exportdatei belegen. Mit diesen Angaben kann der Multimediaproduzent die Qualität gezielt in denjenigen Bereichen reduzieren, wo es später nicht auffallen wird. Und unbenützte Features lassen sich ganz vom Export ausschliessen. Beeindruckend realistisch Für die Animation und die möglichst realistische Entstehung virtueller Welten hat Macromedia eine Menge an Möglichkeiten in den neuen Director gepackt. Modelle lassen sich mit physikalischen Eigenschaften versehen. Dies führt dazu, dass sich Objekte absolut glaubwürdig verhalten, wenn sie fallen gelassen oder beschleunigt werden. Es wirkt überzeugend, wenn via Maus im virtuellen Casino Spielchips auf den Pokertisch fallen gelassen werden oder die Würfel übers Backgammonfeld rollen. Ebenso wirklichkeitsnah wirken eine sich kräuselnde Wasseroberfläche, aufsteigender Rauch, im Wind flatternde Flaggen oder durch Partikelsysteme erzeugte Funken oder Feuerstürme. Die so genannte «Collision Detection» erlaubt es dem Multimediaproduzent, darauf zu reagieren, wenn zwei Modelle aneinander stossen: Ein entscheidendes Feature, damit mein eben designtes Auto nicht zum Geisterwagen wird und mühelos durch Wände fährt. Schliesslich lassen sich Modelle mit «Knochen» ausstatten. Ein solches Skelett aus Datenpunkten sorgt dafür, dass die Animation wie die eines richtigen Körpers wirkt und die Bewegungen natürlich scheinen. Praxistest: Ärger mit der Installation Keine Frage – mit Director wird beispielsweise das Entwickeln von 3-DSpielen sehr viel einfacher. Ein Praxistest zeigt, dass man schnell erfreuliche Resultate erzielt – wenn denn die erste, dornige Hürde genommen ist: das Setup. Es verweigerte sich schon ganz zu Beginn: Auf CD-Hülle und Registrierungskarte gabs nicht nur eine, sondern eine ganze Auswahl an Seriennummern. Doch keiner dieser alphanumerischen Zaubersprüche war geeignet, das Wunder der Installation zu bewirken. Da man ja die Schuld immer zuerst bei sich sucht und an seiner Fähigkeit zweifelt, eine vierundzwanzigstellige Ziffernfolge fehlerfrei abzutöggeln, vertrödelt man mit frustrierenden Versuchen erst einmal eine Menge Zeit. In einem nächsten Schritt versuchte der verzweifelte Softwaretester, die Prerelease-Version des Reviewer’s Guide zu installieren. Was klappte: Diese mit einem Verfallsdatum ausgestattete Vorabversion des Director lässt sich sogar starten, allerdings muss dazu das Systemdatum ein paar Monate zurückgedreht werden. Nun, leider arbeiten da noch nicht alle Funktionen ordnungsgemäss – besonders der für den Publisher-Test entscheidende Import eines 3-D-Modells will und will nicht klappen. Publisher 4·2001 Der lange Rede kurzer Sinn: Mit einer Seriennummer aus dem Internet gelingt die Installation der finalen Fassung und der Test kann beginnen! Die Arbeitsweise ist verblüffend einfach und für geübte Directoren unspektakulär: Man importiert ein Modell, welches dann im «Cast»-Fenster erscheint. Per Maus kann man so einen Schauspieler – egal, ob Auto oder Dromedar – auf die Bühne ziehen. Auch einfache Interaktivität wird per Mausklick hinzugefügt. Aus der Bibliothek zieht man per Drag&Drop eine «Action» auf sein Modell. Platziert man die Action «Automatic Model Rotation» auf seinem Objekt, dann braucht es nur noch einen Klick auf «Play», damit sich das Auto oder Dromedar um seine eigene Achse dreht. Rotierende Autos, rennende Dinos Auch eine Aktion, die der Benützer per Maus auslöst, ist nicht sehr viel schwerer zu programmieren. Man wählt beispielsweise die «Dolly Camera» aus der Actions-Liste und weist sie einer selber zu bestimmenden Verhaltensgruppe zu, beispielsweise «Ansicht». In einem zweiten Schritt zieht man einen «Trigger» auf sein Modell. «Trigger» sind, nebenbei bemerkt, durch den Benützer ausgelöste Ereignisse wie Mausklicks oder Tatastureingaben. In den Eigenschaften von gewählten Triggers «Mouse left» steht nun die vorher definierte Verhaltensgruppe «Ansicht» zur Auswahl: Zu wählen ist also «Group Ansicht: Move Camera in». Startet man nun den Film, braucht es lediglich eine Betätigung der linken Maustaste, damit die Kamera aufs Modell zoomt. Den für diese Funktionalität benötigten Lingo-Code generiert Director automatisch. Wer möchte, kann ihn im Scriptfenster ansehen oder modifizieren. Per Drag und Drop aus der Bibliothek gezogene und auf dem 3-D-Modell platzierte Actions bringen dem Shockwave-Film bei, wie er mit dem Benutzer zu interagieren hat. 300 Lingo-Befehle für 3-D Mit diesen Tricks kratzt man gerade mal an der Oberfläche. Über Lingo können die Modelle selbst verändert werden, wenn sie dafür zu Entwurfszeit vorbereitet wurden. 300 neue LingoBefehle nur für den 3-D-Bereich haben in Director 8.5 Einzug gehalten. Neben den 3-D-Fähigkeiten hat Director weitere, wenn auch nicht unbedingt bahnbrechende Funktionen erhalten. Neu unterstützt das Format eingebette Flash-Animationen und Real-Audiound -Video-Übertragungen. Der Shockwave-Multiuser-Server verkraftet in der neuen Version bis zweitausend Benutzer gleichzeitig. Macromedia hat Director einer konsequenten Weiterentwicklung unterzogen. Die Entwicklung von MultimediaAnwendungen – mit oder ohne 3-D – bleibt eine knifflige Angelegenheit, aber wenigstens macht es das Werkzeug dem Entwickler nicht schwerer als nötig. n Update von Version 8.0: 399 Franken; Vollversion: 3519 Franken. Infos: www.macromedia.ch Als Shockwave-Film ist der rennende Dino 139 Kilobytes gross ... ... und damit sich dieses Karussell dreht, müssen 682 Kilobytes übertragen werden. 33