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SVEN REGENER „Wir sind doch alle keine Pappkameraden!“ 27.06.2008, Berlin. Treffpunkt ist die Markthalle, das legendäre Restaurant in Kreuzberg, das seinerzeit für die Verfilmung von „Herr Lehmann“ in Köln nachgebaut wurde. Sven Regener trinkt Tee und redet Klartext zu den Themen Kreuzberg, Kunst und Lehmann. INTERVIEW: André Boße FOTOS: Dennis Yenmez 36 SEP 08 GESPRÄCH 37 SEP 08 SVEN REGENER H err Regener, es war ein schwieriger Weg hierhin. Die U1 fiel aus, daher ging es mit dem Bus durch Kreuzberg. Sven Regener: Na ja, die Berliner, jedenfalls die Westberliner, können nicht Bus fahren. Busse haben hier nie eine große Rolle gespielt, und wenn, dann diese Doppeldeckerbusse mit vielen Sitzplätzen, in die man nur vorne einsteigen darf. Das geht, denn da ist Ordnung und genügend Platz zum Sitzen. Aber wenn man in einen Schwenkbus überall ein- und aussteigen kann und noch dazu kaum Sitzplätze vorhanden sind, dann wird das hier schnell zum Desaster. Das hat man in dieser Stadt nie gelernt. Das lernen ja woanders schon die Kinder, wenn sie mit dem Schulbus fahren. Was ist denn Ihre Heimatstadt? Emsdetten. Emsdetten! Über Emsdetten habe ich auch schon lange nicht mehr nachgedacht. Das liegt doch in dieser diffusen Gegend bei Münster und Osnabrück. Da kann man die Städte nur schwer einordnen. Emsdetten war im Herbst 2006 im Gespräch, als dort ein Jugendlicher in seiner Schule Amok lief. Na ja, aber das bringt man doch jetzt nicht mehr mit Emsdetten zusammen, das ist viel zu bizarr. Den Amoklauf von Erfurt bringt man im normalen Gespräch auch nicht mehr mit Erfurt zusammen. Das wäre ja auch Quatsch. Das passiert höchstens, weil so Feuilletonheinis Zusammenhänge basteln, wie auch jetzt zwischen diesem Fritzl aus Amstetten und Österreich. Da denke ich: Regt euch mal ab, Leute. Was kann denn Österreich für diesen Fritzl? Sven Regener – geboren am Neujahrstag 1961 in Bremen – ZUR war als junger Mann Mitglied PERSON beim Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) und ging nach dem Abitur bewusst zur Bundeswehr, um dort politisch zu arbeiten. Später verweigerte er dann doch, zog nach dem Zivildienst als Musikwissenschaftsstudent erst nach Hamburg, dann nach Berlin. Seine erste Platte nahm er als Trompeter der Gruppe Zatopek auf, bevor er 1985 Element Of Crime gründete. Anfang der Neunziger erfand Regener die Figur Frank Lehmann und feierte mit dem Roman „Herr Lehmann“ einen gigantischen Erfolg: Das Buch hat sich rund eine Million Mal verkauft. Sven Regener lebt und arbeitet in Berlin. 38 SEP 08 Ist es nicht verständlich und wichtig, in Ländern oder Städten nach Strukturen zu suchen, die solche bizarren Ereignisse auf die eine oder andere Weise gefördert haben könnten? Es bringt aber doch nichts. Da ist ein einzelner Mensch, der durchdreht. Das kann überall passieren. Und weil man nicht begreift, wie so etwas passieren kann, schiebt man dem Ort die Schuld in die Schuhe. Der moderne Kulturwissenschaftler ist jederzeit bereit, alle möglichen Zusammenhänge herzustellen. Egal ob sie existieren oder nicht. Sobald jemand eine erste Einschätzung von ihm bekommen möchte, geht er ab. Ich finde es fast schon rassistisch, wie man im Fall Fritzl über die österreichische Volksseele gesprochen hat. Das Faszinierende daran ist vielleicht, dass es eine scheinbare Idylle wie die Kleinstadt Emsdetten oder das Urlaubsland Österreich gibt – und dann ausgerechnet dort der Schrecken einkehrt. Ich verstehe schon nicht, was daran idyllisch sein soll. Was soll Idylle überhaupt sein? Man sollte vielleicht mal über seine eigenen Vorurteile nachdenken, wenn man ein ganzes Land wie Österreich per se für idyllisch hält. Es ist überall auf der Welt möglich, dass einer durchdreht und große Scheiße baut. Das in den Zusammenhang eines Landes oder einer Stadt zu stellen, ergibt überhaupt keinen Sinn. Trotzdem wird es dauernd gemacht, ganz schlimm ja auch, wenn es um Fußball geht. Elf junge Leute in deutschen Nationaltrikots haben einen schlechten Tag, und schon wird alles, aber wirklich alles, in Frage gestellt: Vergangenheit, Zukunft, Vereinsleben. Und dann sind sie kurz danach gut drauf, und schon ist es eine wunderbare Mannschaft und ein wunderbares Land. Der Umgang mit Siegen oder Niederlagen hat etwas manisch Depressives, die Wahrheit liegt meistens in der Mitte. Oder da, wo es konkret wird. Aber dafür interessiert sich keiner. Was ist das Problem am Konkreten? Konkret ist immer schlecht, besser ist verallgemeinerbar. Wenn hier zum Beispiel Leute von woanders in Kreuzberg unterwegs sind, dann suchen sie den typischen Kreuzberger, eine touristisch ausschlachtbare Kunstfigur. Für die einzelnen Menschen, die wirklich hier leben, interessiert sich dagegen keine Sau. Man fragt mich immer wieder, ob denn nun Herr Lehmann so ein richtiger Kreuzberger sei. Wie soll das gehen bei 120.000 Einwohnern? Türke oder Deutscher, jung oder alt, Mann oder Frau, da gibt es ja sehr viele Möglichkeiten. Als wenn Kreuzberg tatsächlich eine kulturelle Identität wäre. So ein Kiezquatsch! Woher rührt denn dieses Streben nach Allgemeingültigkeiten? Denkfaulheit und Desinteresse. Die Suche nach der einfachen Welt. Touristendenken. In der Kunst und der Kultur sollte es aber um das Interesse an dem konkreten Fall gehen. Wir sind doch alle keine Pappkameraden, sondern haben konkrete Lebensumstände. Ich habe über Herrn Lehmann extra noch zwei weitere Romane geschrieben, um zu zeigen, wie vielschichtig so ein Leben ist. Und wenn mich dann jemand tatsächlich fragt, ob Frank Lehmann jetzt typisch für irgendwas ist, dann denke ich: Der Frager ist denkfaul, der interessiert sich gar nicht für den Charakter. (überlegt) Manchmal hätte ich mir gewünscht, ich hätte „Herr Lehmann“ in Schöneberg spielen lassen. Aber? Ich glaube, das Buch hätte sich nicht so gut verkauft, so ehrlich muss man sein. Ich bin hier sehr gerne, aber ich verknüpfe Kreuzberg nicht mit meinem Selbstbild. Ich würde mich noch nicht mal als Berliner bezeichnen, obwohl ich jetzt seit 26 Jahren hier lebe. (überlegt) Die nächsten Interviews werde ich in den Büros meines Verlages geben. Das ist vielleicht der einzige Ort, der nicht gleich mit einem Subtext behaftet ist. Tut es Ihnen als Künstler in der Seele weh, wenn das eigentliche Werk – das Buch oder ein Album – von Subtexten überstülpt wird? Man darf nicht feige sein und muss sich dem stellen. Kunst entstand immer schon unter spezifischen Bedingungen, und diese dürfen auch ein Thema sein. Wenn wir ein neues Element Of Crime-Album haben und Fragen beantworten sollen, wie sich heute die Hörgewohnheiten verändert haben und was aus der Musikindustrie wird, dann ist das okay. Darüber lässt sich gut sprechen. Man darf nur nicht glauben, dass man durch diese Diskussion der Musik näher kommt. Geht das denn überhaupt in einem Gespräch? Schwer. Über Musik kann man nur sehr schlecht reden. Daher ist es gar nicht verkehrt, wenn immer ein paar mehr Dinge dazu kommen, über die man sprechen kann. Das macht die Sache abwechslungsreicher. Übrigens finde ich die Art und Weise, wie heute Musik gehört wird, lange nicht so schlecht, wie es mir einige Kulturpessimisten weismachen wollen. Was gefällt Ihnen? Na ja, die Unmittelbarkeit einer Musikdatei, da steht nicht mehr viel zwischen den GESPRÄCH GESPRÄCH Künstlern und den Hörern. Das war anders, als wir mit Element Of Crime angefangen haben. Ich bin heilfroh, dass der Spuk mit den Musikvideos und all diesem Kram vorbei ist. Wir haben es gehasst, irgendwo herumzustehen und zur eigenen Musik Playback zu spielen. Unsere Videos waren auch alle schlecht. Ich bin Musiker. Ich will schöne Songs schreiben und zu Gehör bringen. Und es ist völlig in Ordnung, wenn diese Lieder ohne Schnickschnack als Dateien auf einem Computer landen. Hauptsache, sie werden gehört, und man freut sich daran! In Ihrem neuen Roman „Der kleine Bruder“, mit dem die Frank LehmannTrilogie abschließt, wird allerhand skurrile Kunst betrieben – von Performances seltsamer Bands über Skulpturen aus Schrott bis hin zu inszenierten Kontroversen. Das ist ja das Aufregende an der Jugend: Man macht was und nennt es Kunst. Völlig egal, ob andere das scheiße finden. Man muss also nur die Chuzpe haben, um Kunst als solche zu verkaufen? So einfach ist das nicht. Kunst lässt sich nicht beliebig reproduzieren oder herstellen. Es funktioniert auf eine bestimmte Weise nur in bestimmten historischen Situationen. Anfang der Achtziger war das eben in Kreuzberg und Schöneberg so. Was war zu dieser Zeit das Geniale an diesen Vierteln? Es waren viele junge Leute hier, die einen Drang zur Kunst verspürten. Und es gab eine gewisse Faszination des Establishments demgegenüber. Natürlich hat auch die Mauer eine Rolle gespielt, die gab Berlin ja eine Ausnahmestellung. Alles befruchtete sich gegenseitig, alles fühlte sich aufregend an. Ich habe das Anfang der Achtziger hier in Kreuzberg erlebt, da war ich Anfang 20. Um diese Stimmung geht es mir in dem Buch. Ist es möglich, im höheren Alter noch diese Aufregung für spezielle Situationen zu spüren? Glaube ich nicht, nein. Irgendwann ist sie weg, diese unglaubliche Naivität und Unschuld, mit der ohne Gnade alles Mögliche gemacht wird. Das ist halt Punk. Musik machen? Kann jeder! Kunst machen? Scheiß der Hund drauf, kann jeder! Haben Sie Nostalgie empfunden, als Sie – immerhin 28 Jahre später – die Stimmung von damals für Ihr Buch rekonstruierten? Nein, überhaupt nicht. Nostalgie ist ein völlig legitimes Sentiment, aber ich bin komplett unbegabt dafür. Mir hat es einfach „Haben elf Leute im Nationaltrikot einen schlechten Tag, wird alles in Frage gestellt. Sind sie kurz danach gut drauf, ist es eine wunderbare Mannschaft und ein wunderbares Land. Der Umgang mit Siegen oder Niederlagen hat etwas manisch Depressives.“ Der kleine Bruder: Lesen oder hören Der abschließende Teil der Lehmann-Trilogie beginnt, wo „Neue Vahr Süd“ aufhörte: Frank Lehmann schließt im Spätherbst 1980 mit seinem Leben in Bremen ab und wagt den Sprung nach Berlin. Mit dabei: Wolli, der Punk aus der alten Bremer WG. Frank Lehmanns Ankunft in Kreuzberg wird dadurch erschwert, dass der Neu-Berliner nicht wie geplant auf seinen älteren Bruder Manfred, sondern auf Mitglieder einer Wohngemeinschaft trifft – unter anderem auf Karl, der später sein bester Freund werden wird. Das Buch lebt von Beschreibungen der 80er-Jahre-Kunstszene in Berlin. Als Trompeter der Punkjazz-Gruppe Zatopek (Band-Credo: „Ey, ihr Arschlöcher, wenn ihr schon nicht klatscht, dann schmeißt wenigstens Bierdosen!“) hat Regener dieser Szene früher selbst angehört. Der Roman erscheint am 01.09. beim Eichborn Verlag (304 S.) und parallel als vom Autor gelesenes Hörbuch auf fünf CDs bei Tacheles/Roof Music. Eine limitierte Erstauflage des Hörbuchs bietet zudem einen Live-Mitschnitt von Sven Regener im Rahmen der Lit.Cologne 2008 mit ausgewählten Szenen aus allen drei Lehmann-Romanen. 39 SEP 08 SVEN REGENER „Dafür, dass vorher niemand wissen konnte, wie man mit so einem Mauerfall umgehen muss, ist eigentlich nicht viel schief gelaufen.“ Discografie ELEMENT OF CRIME • Basically Sad (1986) • Try To Be Mensch (1987) • Freedom, Love & Happiness (1988) • The Ballad Of Jimmy & Johnny (1989) • Damals hinterm Mond (1991) • Weißes Papier (1993) • An einem Sonntag im April (1994) • Die schönen Rosen (1996) • Psycho (1999) • Romantik (2001) • Mittelpunkt der Welt (2005) 40 SEP 08 Spaß gemacht, diese Stimmung noch einmal zu erzeugen, aber ich habe deswegen nicht alte Bekannte angerufen und Klassentreffen organisiert. Die Handlung des Buchs ist zwar realistisch, aber so nicht passiert. Es beschreibt ein Paralleluniversum. Ich habe keine Lust auf Reportagen. In der Kunst spielt es keine Rolle, ob es so war, sondern ob es so hätte sein können. Und ich habe es so geformt, dass ich denke: Ja, das haut hin, das trifft es. Wenn man nun alle drei Lehmann-Bücher betrachtet – worum geht es insgesamt? Um einen interessanten Menschen. Um jemanden, der aus seiner alten Umgebung fliegt und sich woanders etwas Neues aufbauen muss. Um einen jungen Mann, der immer wieder überrascht wird. Der sich einerseits treiben lässt, andererseits aber auch die Dinge gründlichst durchdenkt. Das tun viele Leute, die sich Frank Lehmann irgendwie überlegen vorkommen, viel weniger als er. Die machen dann stabsmäßig geplante Abenteuerreisen, bei denen jede Form von Überraschung ausgeschlossen wird. Nur: Kein Abenteuer ohne Überraschung. Kein Abenteuer ohne die Möglichkeit, dass es auch böse ausgehen kann. Wenn ein Abenteuer gut ausgeht: Erlebt man dann etwas, das man als Glück bezeichnen könnte? Ich bin keiner, der eine Definition des Glücklichseins geben kann. Dafür ist der Begriff viel zu schwammig. Sicher ist nur, dass das Streben nach Glück im Leben der Menschen eine große Rolle spielt. Und ich finde die Strategien interessant, die Menschen auf diesem Weg entwickeln. Was halten Sie von folgender Definition von Glück: Das Erleben einer Situation, von der man hofft, dass sie noch möglichst lange anhält. Kann sein, ja. In „Der kleine Bruder“ wünscht sich Frank Lehmann an seinem ersten Abend am Tresen, dass die Nacht möglichst lang wird. Da hat er eben was gefunden, was er gerne macht und gut kann. Talent trifft auf Gelegenheit. Frank Lehmann entpuppt sich ja als wahres Kneipengenie. Wenn er arbeitet, bekommt er Bier und wird auch pflichtgemäß dafür bezahlt. Er leistet Bedeutendes und macht Menschen glücklich. Er spürt, dass er am richtigen Platze ist, und das ist schon mal eine starke Position. Gilt das auch für Sie, den Musiker und Schriftsteller Sven Regener? Das ist halt mein Leben. Ich mache das gerne und wohl auch ganz gut; wenn ich das jedenfalls nicht glauben würde, dann würde ich es nicht machen. Manche sind überzeugt, ihren Job als Musiker so gut zu machen, dass sie irgendwann glauben, auch Politik machen zu müssen. Nehmen wir an, Sänger X gibt ein politisches Statement ab. Was fange ich mit dem Statement an, wenn ich die Musik von dem total doof finde? Denke ich dann: So wie der singt, kann der keine gute politische Sache sagen? Oder was mache ich, wenn ich die Musik ganz toll finde, aber das Statement für falsch halte? Dann werde ich in Geiselhaft genommen: Ich mag den Sänger – und muss jetzt auch dessen politische Aussage mittragen. Wer eine politische Aussage macht, nur weil er ein Podium dafür hat, nachher aber nicht für die Konsequenzen geradesteht oder am eigentlichen politischen Prozess, der Debatte, teilnimmt, ist ein Salonpolitiker. Politik ist Politik, und Kunst ist Kunst. Zu glauben, Kunst sei erst dann eine tolle Sache, wenn sie einem anderen Überbauphänomen, in diesem Fall der Politik, dient, ist falsch. Damit spricht man ihr die eigenen Werte ab. Welche sind das? Individualität, Kompromisslosigkeit, Ästhetik. Kunst ist konfrontativ. Es geht um Ästhetik, die wiederum in der Politik keine Rolle spielen darf. Ich finde zum Beispiel, dass es keine Kampagnen gegen dicke Leute geben darf, wie sie jetzt von einigen gefahren wird. Die Politik hat sich da nicht einzumischen! All das mündet dann in dem Begriff Leitkultur, und der ist ja nun definitiv diktatorisch. Politik darf von niemandem kulturelle Präferenzen verlangen. Wer die Trennung von Religion und Staat verlangt, muss auch die Trennung von Kultur und Staat verlangen. Sind Sie damit Gegner jeglicher Kulturpolitik? Discografie ELEMENT OF CRIME • Basically Sad (1986) • Try To Be Mensch (1987) • Freedom, Love & Happiness (1988) • The Ballad Of Jimmy & Johnny (1989) • Damals hinterm Mond (1991) • Weißes Papier (1993) • An einem Sonntag im April (1994) • Die schönen Rosen (1996) • Psycho (1999) • Romantik (2001) • Mittelpunkt der Welt (2005) Nein. Gute Kulturpolitik bedeutet, Dinge zu ermöglichen, ohne sie zu bestimmen. Ich gebe die Rahmenbedingungen vor, urteile aber nicht darüber, wie sie genutzt werden. Und oft genug werden diese Bedingungen instinktiv sehr sinnvoll ausgenutzt. Haben Sie dafür ein Beispiel? Vielleicht die Zeit nach dem Mauerfall hier in Berlin. Aus der Politik kamen nur so hohle, wertlose Phrasen. „Die Mauer muss aus den Köpfen verschwinden“ – das ist alleine schon deshalb Quatsch, weil die Mauer auch heute noch zu sehen ist. Sie müssen nur mit dem Flugzeug nachts über die Stadt fliegen, da sehen sie im Westen und Osten zwei ganz verschiedene Bilder, die den verschiedenen Straßenlampen geschuldet sind. Die Berliner aus Ost und West haben diese Sache aber gut hingekriegt. Erst sind die aus dem Osten mal kurz rüber, dann haben die aus dem Westen sich mal hier, mal dort umgeschaut. Eher langsam, behutsam. Ich war damals zum Beispiel oft auf der Galopprennbahn Hoppegarten. (überlegt) Dafür, dass vorher niemand wissen konnte, wie man mit so einem Mauerfall umgehen muss, ist eigentlich nicht viel schief gelaufen. ::: „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“ Leander Haußmanns neuer Film über einen in Liebesdingen etwas desorientieren jungen Hamburger verlangt im Grunde nach Liedern von Element Of Crime – schließlich wird im Film oft von Mond, Hafen, Meer und anderen romantischen Dingen geredet. Zu den neuen Stücken aus Sven Regeners Feder kommen Gastbeiträge zwischen Russlandfolk und Techno. Von den neuen Element Of Crime-Liedern gefällt vor allem „Ein Hot Dog unten am Hafen“ mit seinen schönen Trompeten sowie das Titelstück „Robert Zimmermann“, das musikalisch an den berühmtesten aller Robert Zimmermänner erinnert, der sich später Bob Dylan nannte. =;IFHu9> DE;B=7BB7=>;H Ø?dc[_d[d7k][di_dZWbb[ J_[h[fej[dp_[bb[Ij[Wai$Ç ()$&-$(&&."BedZed$:_[8bWYa?ibWdZIjkZ_eib_[][d]kjl[hij[Yaj_cDehZ[dBedZedi$?d[_d[h >Wbb[c_j]he[h8^d[^WX[dEWi_i_^h[dFheX[hWkc[_d][h_Y^j[j$Lehc_jjW]iX[lba[hd HeWZ_[iZ[dHWkckdZj[ij[d=_jWhh[d"kc'*K^haeccjZ_[8WdZ$De[b=WbbW]^[hif_[bj[_d X_iiY^[dIY^bW]p[k]kdZm_dajZWdd]kj][bWkdj_dZ[d?dj[hl_[mhWkc$ ?DJ;HL?;M07dZh8e[<EJEI0:ec_d_a=_]b[h D (, EAJ&. e[b"m_[e\jfheX[dI_[^_[h5 De[b=WbbW]^[h0:[hp[_j`[Z[dJW]$I_[ c[ha[d0M_hi_dZ[_d[^WhjWhX[_j[dZ[" Ô[__][8WdZ$Pkc_dZ[ijiebWd][B_Wc^_[h d_Y^jc_ji[_d[dA_dZ[hdWk\jWkY^j"_^d[d E^h[dijfi[bWk\i[jpjkdZZkhY^Z_[=[][dZ jkhd[dbiij$:Wi^_[h_ijiY^b_[b_Y^Z[h FheX[hWkc[_d[hHeYaXWdZkdZa[_d A_dZ[h]Whj[d M[ddI_[?^hZ[hp[_j_][iB[X[dX[jhWY^# j[d"m[bY^[h7if[ajZWhWd][\bbj?^d[d WcX[ij[d5 X[hb[]j:Wii_Y^m[_j[h^_dIfWWdZ[c ^WX["mWi_Y^jk[$ MWi][dWkXh_d]j?^d[dZ[dIfW5 ?cBWk\[Z[h@W^h[^Wji_Y^c[_dL[hijdZd_i ledIfW][dZ[hj$?dZ[dD[kdp_][hd cWY^j[[ic_hIfW":he][d[_dpkm[h\[d" ZWi=hecWkbpkif_[b[dkdZi_Y^Wbb[i ^[hWkid[^c[dpkZh\[d1mWi`kd][Cdd[h ^Wbjkdj[hIfWl[hij[^[d$ ;_d=hecWkbi_dZI_[WX[h_cc[hdeY^$$$ ^[XjZ_[>WdZ$$$WX[h_Y^d[^c[a[_d[ _bb[]Wb[d:he][dc[^h:_[b[jpj[B_d_[Aeai ^WX[_Y^'//.][pe][d$:WiP[k]^Wjc_h a[_d[dIfWc[^hX[h[_j[j"Wbie^WX[_Y^ ZWc_jWk\][^hj$?Y^ÓdZ["[il[hZ_[dj H[if[aj"c_j[jmWiWk\^h[dpkadd[d" m[ddZ[hIfWWkiXb[_XjkdZ[i[_d[ddkh deY^m[_Y^_dZ[h8_hd[cWY^j$ :_[8WdZEWi_i]_Xj[i_cc[hdeY^" eXme^b[ipm_iY^[d?^d[dkdZ?^h[c 8hkZ[h^[\j_][JkhXkb[dp[d]WX$ ;_dX_iiY^[dIjh[_j][^hjZWpk"ZWi\hZ[hj ie]WhZ[dIfW$M_h^WX[dkdid_[X[hb[]j" m[bY^[H_Y^jkd]m_hWbi8WdZ[_diY^bW][d mebb[d"kdZc_jZ[cIY^[_j[hdX[iY^\j_][d m_hkdiiY^ed]Whd_Y^j$;djiY^[_Z[dZ_ij0 M[ddm_hpkiWcc[dCki_acWY^[d"ZWdd ab_d]jZWi_dkdi[h[dE^h[d]_]Wdj_iY^kdZ Xh_bbWdj$7biecWY^[dm_hm[_j[h$ ;_dX[ii[h[i7h]kc[djbiiji_Y^me^b WkY^aWkcÓdZ[d$ @W"WX[h_h][dZm_[iY^[_djZWid_[cWdZ[hdij pkd[^c[d$;ih[]jc_Y^h[][bc_]Wk\" m[dd_Y^ah_j_iY^[7hj_a[bX[h8WdZib[i[" Z_[i[_j@W^h[dkdj[hm[]ii_dZ$=bWkX[dI_[ jWjiY^b_Y^"ZWiiZ_[Hebb_d]Ijed[ieZ[h8eX :obWddeY^m[][dZ[i=[bZ[ijekh[deZ[h m[_bi_[m[_j[h^_dWd_^h[cHk\WhX[_j[d cii[d5?ijZ_[7ddW^c[ieWXikhZ"ZWiii_[ [_d\WY^IfWZWhWd^WX[d5 L_[bb[_Y^ji_dZi_[WX[hWkY^kd\^_]"[_d dehcWb[iB[X[dpk>Wki[pk\^h[d$ AWddi[_d"_Y^m[_d_Y^j"m_[A[_j^ H_Y^WhZi_ij"m[dd[h[ii_Y^pk>Wki[ ][cjb_Y^cWY^j$bWY^j?Y^`[Z[d\Wbbib_[X[ [i"m[dd_Y^dWY^i[Y^iCedWj[dJekh m_[Z[hZW^[_cX_d0d_Y^jijkd"hkc^d][d" <_bc[eZ[h<kXWbb]kYa[d$ M_[][^j[iZ[dd?^h[hB[X[di][\^hj_d" m[ddI_[[ii_Y^dWY^[_d[hJekh\h[_d fWWhCedWj[pk>Wki[][cjb_Y^cWY^[d5 I_[p^bjZ_[JW]["X_i[im_[Z[hbei][^j$I_[ m_bbc_Y^hWki^WX[d"`[iY^d[bb[h"Z[ije X[ii[h$ MWhkc5 :Wc_j_Y^d_Y^jc_jX[aecc["m_[l_[b[ d[k[IY^k^[i_[jW]j]b_Y^WdiY^b[ffjKdZ d[X[dc[_d[h<h[kdZ_d"Z_[c_Y^m_[Z[h beim[hZ[dm_bb"]_Xj[i`WdeY^Z_[A_dZ[h0 [_dWY^j@W^h[Wbj[iCZY^[d"ZWiX[_c[_d[h ;nb[Xj"kdZc[_ddeY^d_Y^jcWbpm[_@W^h[ Wbj[hIe^d$8[_Z[][X[d[_d[dIY^[_Zh[Ya ZWhWk\"eX:WZZo][hWZ[[_d[[h\eb]h[_Y^[ Jekh^_dj[hi_Y^^WjeZ[hd_Y^j$C[_dIe^d m_bb"ZWii_Y^_^d\jj[h[kdZZ_[M_dZ[bd m[Y^i[b[$7X[hWkY^ZWicWY^jc_hIfW$ ?Y^X_da[_d[hZ_[i[h?Z_ej[d"Z_[pk>Wki[ Z[dP_cc[hi[hl_Y[l[hc_ii[deZ[hdWY^ Zh[_JW][d[_d[dD[hl[dpkiWcc[dXhkY^ X[aecc[d"m[ddZWi8WXoFheXb[c[c_j Z[hL[hZWkkd]^Wj$ M_[m_Y^j_]_ij>kceh"m[ddcWdIfW WcB[X[d^WX[dcY^j[5 ;_][djb_Y^_ij[hZ_[=hkdZbW][ZW\h" ]bWkX[dI_[d_Y^j5X[hb[]jMeX[_cWd WkY^bkij_]i[_daWdd"m[ddcWda[_d[d >kceh^Wj$C[_d8hkZ[hB_Wc_ijie[_dJof0 a[_d[dI_dd\h>kceh"WX[hkhaec_iY^$ M[ddI_[`[jpj[_d[dA_bb[hm_jp[hp^b[d mhZ[dkdZi_Y^Z[h]Wdp[HWkcm[]bWY^j" ZWddmhZ[B_WcZWi_jp[d"c_jZ[d7Y^i[bd pkYa[dkdZZ[da[d0MWi_ijbei"mWiiebbZWi =[bY^j[h57dZ[h[hi[_jijkj[hcWdY^cWb :_d]["Z_[kd]bWkXb_Y^m_jp_]i_dZ$ ;hp^b[dI_[kdiX_jj[[_d[dB_Wc#AbWii_# a[h$ Ef\c >XccX^_\i nli[\ Xd )0%',%(0-. `e \`e\d Mfifik QLI mfe DXeZ_\jk\i ^\Yfi\e% <i G<IJFE `jk [\i qn\`k\ mfe [i\` J_$ e\e \`e\i Xlj @icXe[ \`e^\$ nXe[\ik\e =Xd`c`\% ;`\ =Xd`c`\ c\Yk\ `e Xid\eM\i_cke`jj\e#`e[\e/'\iem\ic`\ [`\Dlkk\id`k[\e[i\`B`e[\ie[\eMX$ k\i%Ef\c#[\iXcjK\\eX^\i]k\id`k[\d >\j\kq`eBfeÕ`bkbXd#XiY\`k\k\qleZ_jk Xcj IfX[`\ le[ ^ie[\k\ (00( FXj`j d`k j\`e\d9il[\iC`XdXcjJe^\i%;Xj;\Yk Ù;\Ôe`k\cpDXpY\È^`ck_\lk\XcjBcXjj`b\i% (00._\`iXk\k\\iD\^DXk_\nj#[`\<_\ nli[\)''(^\jZ_`\[\e#[`\Y\`[\e_XY\e \`e\KfZ_k\ieXd\ej8eX`j%>XccX^_\ic\Yk d`kj\`e\i=i\le[`eJXiXDXZ;feXc[le[ [\d ^\d\`ejXd\e Jf_e ;fefmXe Ifip Y\`Cfe[fe% (- EAJ&. 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I N T E RV I E W : A N D R É B O S S E | F O T O S : E R I K W E I S S „Gesine Schwan „Die Kompliziertheit von Politik ist legitim.“ 12.01.2006, Frankfurt/Oder. Das Arbeitszimmer der Universitäts-Präsidentin wirkt gemütlich. Gesine Schwan betritt flotten Schrittes den Raum, strahlt und beginnt zu plaudern. Da können noch so viele Termine anstehen: Ihrem Markenzeichen – dem herzlichen Optimismus – bleibt sie treu. Frau Schwan, bei welchem Begriff der aktuellen politischen Diskussion geht Ihnen die Hutschnur hoch? Gesine Schwan: Beim Wort Reform. (lacht) Weil ich das Wort nämlich eigentlich mag, es aber verhunzt worden ist. Man hat die positive Konnotation des Begriffes – so, wie ich ihn in den sechziger und siebziger Jahren kennen gelernt hatte – ins Gegenteil verkehrt. Reform bedeutete damals für mich: Es muss etwas getan werden, das die Lebensweise der Menschen verbessert. Heute bedeutet Reform, dass etwas abgebaut werden soll, was bisher das Leben positiv beeinflusste. Man sagt Reform und meint Einschnitt. Genau. Das zeugt von innerer Verlogenheit, weil man noch mit der positiven Resonanz des Wortes spielt und dabei etwas ganz anderes bezweckt. Damit verkauft man die Menschen für dumm und diskreditiert einen politischen Weg, den ich eigentlich sehr schätze – nämlich die Entscheidungen so zu treffen, dass sich politische Handlungen stets an die Herausforderungen der Gegenwart anpassen können. Da haben Sie jetzt gerade genau das Wort benutzt, bei dem vielen anderen die Hutschnur hoch geht: Herausforderungen. Das ist doch nichts anderes als ein Euphemismus für das gute alte Problem, oder? Das kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, denn wenn Begriffe sehr häufig verwendet werden, muss man aufpassen, ob man der Genauigkeit der Sprache noch gerecht wird. Aber: Probleme kann ich haben, ohne dass sie mich einladen zu handeln. Eine Herausforderung hingegen ist ein Anspruch, der von außen an mich herantritt. Sie ermutigt mich, statt mich einzuschüchtern. Sicher, Ermutigung ist beinahe auch ein Unwort. Aber ich halte den Begriff für wichtig, weil er bedeutet, dass man den Menschen helfen muss, ihre Potenziale zu entdecken. Ein Wort aus der politischen Sprachkultur, das heute beinahe provokant daher kommt, ist der Begriff der Wahrheit – ganz einfach, weil er keinen Euphemismus zulässt. Interessant, dass Sie das sagen. Als Präsidentin einer Universität ➊ provoziere ich gerne mit der Aussage, dass die Aufgabe der Universität die Suche nach Wahrheit ist. Mir wird dann häufig unterstellt, dass ich wohl noch nicht mitbekommen habe, dass der Begriff der Wahrheit ungemein vielschichtig ist und im 19. und 20. Jahrhundert so sehr dekonstruiert wurde, dass man ihn nicht mehr guten Gewissens verwenden kann. Mein Gebiet war die Philosophie, ich bin mit diesen Entwicklungen sehr wohl vertraut – aber ich möchte trotzdem auf diesen Begriff nicht verzichten. Was bedeutet Wahrheit für Sie? Es ist eine Größe, an die wir nie heran kommen, die uns aber doch leiten muss. Die Alternative wäre, Beliebigkeit oder Verzerrung zu akzeptieren. Und das ist für mich keine Option. Wann erleben Sie Augenblicke oder Situationen, die Sie als wahrhaftig bezeichnen würden? Wenn ich auf sehr unterschiedlichen Wegen zu übereinstimmenden Einsichten komme und mir sicher sein kann, dass das kein Zufall ist. Ich habe mir durch diese Erfahrungen im Laufe der Zeit ein Orientierungssystem verschafft, von dem ich annehmen kann, dass es mich ganz gut trägt. Verschiedene Überlegungen kommen hier zusammen: theologische Gedanken, psychologische Erfahrungen. Aber auch ganz pragmatische Einsichten der Organisationssoziologie, zum Beispiel bei der jüngsten Verwaltungsreform an unserer Universität. Ich stelle dabei fest, dass einige Phänomene immer wieder eine zentrale Rolle spielen – zum Beispiel, dass man sich vertraut. Es ist schön zu sehen, Zur Person Gesine Schwan wurde am 22.05.1943 als Tochter eines Oberschulrats in Berlin geboren. Sie studierte Romanistik, Geschichte, Philosophie sowie Politologie in Berlin und Freiburg; Auslandsaufenthalte führten sie nach Warschau und Krakau. Ihre erste ordentliche Professur nahm Schwan, die neun Sprachen spricht, 1977 an der Freien Universität Berlin an; 1999 übernahm sie das Präsidentenamt der Europa-Universität ‚Viadrina’ in Frankfurt/Oder. Aus der Ehe mit dem Politikwissenschaftler Alexander Schwan, der 1989 starb, hat sie zwei Kinder. Im September 2004 heiratete Gesine Schwan ihren langjährigen Lebensgefährten, den ehemaligen WeltbankChef Peter Eigen, mit dem sie in Berlin lebt. GALORE 16 | 49 „Man muss nicht mit 40 schon alles geschafft haben. Die Alterspyramide, die wir alle im Kopf haben, darf nicht zu einer Bedrohung werden. Ganz einfach, weil der Mensch im Alter heute anders ist als noch vor Jahren.“ ➊ Europa-Universität ‚Viadrina’ Die Geschichte der alten Alma Mater ‚Viadrina’ (lateinisch: Die an der Oder gelegene) geht zurück bis ins Jahr 1506. Bis 1811 wurde an der Brandenburgischen Landesuniversität in Frankfurt/Oder gelehrt. Nach der Gründung der Humboldt-Universität in Berlin wurde die ‚Viadrina’ geschlossen, bis in den Wendejahren der Wunsch nach einer Neugründung der Hochschule als Europa-Universität aufkam. Unter den rund 5000 Studenten an den drei Fakultäten (Jura, Kulturwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft) sind 1500 polnischer Herkunft. Der Anteil ausländischer Studenten liegt bei 40 Prozent, auf einen Studienplatz kommen zehn Bewerber. (www.euv-frankfurt-o.de) 50 | GALORE 16 dass Menschen in ganz verschiedenen Bereichen zu dem Schluss kommen, dass diese Kategorien von ganz entscheidender Bedeutung sind. Thema Vertrauen: Ist nicht heute eher Misstrauen angebracht als Vertrauen? Ich teile nicht das Verständnis, dass Vertrauen Blauäugigkeit ist. Zum Vertrauen gehören zwingend auch skeptische Rückfragen und Selbstreflexion. Ich kann nur vertrauen, wenn ich mir bewusst werde, warum der andere so handelt, wie ich es von ihm erwarte. Die große Stärke des Vertrauens ist die Möglichkeit einer guten Lösung. Misstrauen bedeutet hingegen eine Feindseligkeit gegenüber anderen Menschen. Es gibt aber einen neuen Trend zu einer ökonomischen Wahrheit, die auf Misstrauen basiert. Der Chef eines großen Unternehmens sagt: Wir haben einen Rekordgewinn erzielt, müssen aber trotzdem Leute entlassen, damit wir im globalen Markt mithalten können. Das ist eine Richtigkeit, aber keine Wahrheit. Der Unterschied ist: Wahrheit bildet sich aus endlosen systematischen Zusammenhängen heraus. Konkret: Dass jemand mehr Geld verdienen kann, wenn er Arbeitsplätze ins Ausland verlagert, ist richtig, betrachtet aber nicht die Konsequenzen des Schrittes. Zum Beispiel vor Ort, wo Menschen ihre Arbeit verlieren und die Strukturen des Zusammenlebens darunter leiden. Welcher Unternehmenschef kann es sich schon heute noch leisten, sich um andere Menschen zu kümmern? Kaum jemand, denn die Entwicklung der Ökonomie arbeitet dagegen. Sie belohnt egozentrische Verhaltensweisen – und nicht etwa, sich für Situationen zu verpflichten, die mit persönlichen Nachteilen einhergehen, die eigene Karriere zugunsten von solidarischen Handlungen aufs Spiel zu setzen oder die Nebenwirkungen von ökonomisch richtigen Prozessen zu erkennen. Was droht einer überkapitalisierten Gesellschaft, in der Solidarität verschwindet? Die Freiheit wird bedroht, denn Freiheit kommt nicht ohne Solidarität aus. Freiheit kann uns zwar dazu bringen, unsere individuellen Ziele rücksichtslos zu verfolgen, doch das hat selbstzerstörerische Folgen, weil die Menschen irgendwann mit den Unwägbarkeiten des Lebens konfrontiert werden und sich dann – aus rein menschlichem Sicherheitsbedürfnis heraus – in sich selbst zurückziehen. Und plötzlich fehlt die Kraft zur Gestaltung des Gemeinschaftsgefühls. Sie sprachen gerade von den Unwägbarkeiten des Lebens: Für die jüngeren Generationen explodieren diese geradezu – man denke nur an das Sozialsystem, dessen Prinzip in Zukunft einfach nicht mehr funktionieren wird. Welches Rüstzeug brauchen Menschen, um mit diesen Unwägbarkeiten klar zu kommen? Ein psychologisches, ein technisches und ein weltanschauliches Rüstzeug. Fangen wir beim psychologischen an: Sie brauchen so viel Selbstvertrauen, dass sie wissen, dass ihre eigenen Fähigkeiten ihnen helfen werden. Sie fühlen sich ‚empowered’ – wie die Amerikaner sagen würden – und kommen mit ganz verschiedenen Situationen zurecht, seien es gesundheitliche Probleme, persönliche Leidensphasen oder materielle Engpässe. Da sprechen Sie auch ein wenig aus persönlicher Erfahrung, oder? Ihr erster Mann ist an Krebs gestorben. Ja, da habe ich in einer Lebenskrise eine große Unsicherheit erlebt. Daran konnte ich ermessen, wie wichtig ein grundlegendes Selbstvertrauen ist. Daraus schließe ich, dass eine Erziehung und Bildung, die nicht bei der Förderung des Selbstvertrauens ansetzt, sondern über Einschüchterung, Drohung, Verunsicherung und Demütigung läuft, genau das Gegenteil von dem ist, was wir brauchen. Selbstvertrauen ist aber nicht alles. Was meinen Sie, wenn Sie von technischem Rüstzeug sprechen? Techniken des Umgangs miteinander, Techniken, den Beruf ausüben zu können – vom Aufsetzen eines Artikels für Intellektuelle bis hin zum Umgang mit Hammer und Meißel für einen Steinmetz. Ganz entscheidend ist aber die dritte Art von Rüstzeug, weil es alles andere überwölbt: ein Blick auf die Welt, der uns Vertrauen schenkt. Was für eine positiv besetzte Weltanschauung kann das sein? Ein religiöser Glaube. Religiös deshalb, wer er die immanente Weltanschauung übersteigt und uns darauf vertrauen lässt, dass wir getragen sind, geliebt werden und Hoffnung haben dürfen, dass uns letztendlich etwas Frohes zugesagt ist. Was glauben Sie: Wie viele Menschen hier bei Ihnen in Frankfurt/Oder haben noch grundlegendes Selbstvertrauen – vor allem im Bewusstsein einer sozialen Wahrheit, die uns sagt, dass immer mehr Menschen in der Gesellschaft einfach nicht mehr gebraucht werden? Zunächst einmal: Viele Leute in dieser Region mussten im 20. Jahrhundert Erfahrungen des Scheiterns verkraften. Scheitern auf materiell-ökonomischer, aber auch auf moralischer Ebene. Dieses Gefühl wird über die Familien weitergetragen, und mit diesen Erfahrungen schließt eine neue Generation nicht einfach so ab. Ganz sicher gehört das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, zu den schlimmsten Erfahrungen. Die Frage ist: Wenn ein Mensch keine Erwerbsarbeit hat, muss aus diesem Umstand dann automatisch die überwältigende Erfahrung folgen, dass er nicht mehr gebraucht wird? Gegenbeispiel: Ein Mensch geht in Rente, und auch wenn es ihm schwer fällt, mit dem Arbeitsleben abzuschließen, bedeutet das Ende des Berufslebens für ihn kein Scheitern, weil es schlicht die Normalität ist. Muss man dann nicht dringend mit der Arbeit als Normalität abschließen, weil doch die Utopie einer Vollbeschäftigung nicht mehr zu den vertretbaren Wahrheiten einer zukünftigen Gesellschaft gehört? Viele sprechen von Utopie, aber ich bin da zögerlicher. Wenn uns die Geschichte eines lehrt, dann, dass es immer wieder ganz anders läuft, als wir denken. Ich kann mir Szenarien vorstellen, in denen die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und der Freizeitarbeit verwischt werden. Wie sähe sie dann aus, die Zukunft der Arbeit? Die allgemeine Aussage ist, dass der Dienstleistungssektor weiter wächst und mehr Arbeitskräfte erfordert. Ich sehe die Zukunft jedoch auch im künstlerischen Bereich. Die grundlegenden Dinge bekommen wir heute maschinell und technologisch mit immer geringerem Aufwand hin. Aber es bleiben sehr viele Bereiche, die mit maschineller Produktion nicht bedacht werden können. Zum Beispiel? Ich sehe den Begriff Gesundheit sehr differenziert. Da stellt sich die Frage: Wie kriegt man die vielen modernen psychischen Krankheiten in den Griff? Durch Pillendrehen? Sicherlich nicht nur. Das Problem ist aber doch, dass Arbeit weiterhin sehr stark mit dem Begriff der Produktivität verknüpft ist. Womit wir beim Thema Wertschöpfung angekommen wären. Aber wodurch entstehen denn Werte? Dadurch, dass aufgrund einer elektronischen Entdeckung ganze Fertigungsreihen automatisiert werden können, so dass am Ende das Auto da ist und nur einer den Prozess überwacht? Marx würde sagen: Das ist nicht wertschöpfend, weil nur die menschliche Arbeit einen Wert erschaffen kann. Wenn wir mal bei dem Arbeitsideal bleiben, dass der wertschöpfende Mensch das produziert, an dem es der Gesellschaft mangelt: An was fehlt es uns? (überlegt) An zwischenmenschlichen Beziehungen und Bestätigungen jenseits jeglicher Berechnung. Die durchkapitalisierte Welt steht dem entgegen, denn sie sieht den Menschen als ein Instrument. Wenn Sie heute jemandem ohne berechnende Absicht begegnen, löst das sofort ein ungeheures Glücksgefühl aus. Die Menschen können sich gar nicht mehr einkriegen, wenn man sich mal einfach so trifft. (lacht) Darüber hinaus haben Menschen das Bedürfnis, über ihr Tun Bestätigung zu finden. Ich zum Beispiel bin jemand, der sehr gerne am Meer liegt, schwimmen geht und Musik hört. Aber nach einer Weile brauche ich es einfach, selbst die Anstrengung zu unternehmen, etwas zu schreiben. Ich muss etwas produzieren, was für mich gegenständlich wird. Diese Bestätigung durch Werk, das ich nach meinen Talenten erschaffen habe, aber außerhalb von mir steht, ist sehr wichtig für psychische Gesundheit. Der Mensch muss gemocht werden und was zu tun haben... ... die alte psycho-analytische Sache: Man muss lieben und arbeiten können. Das klingt einfach, doch wenn die durchkapitalisierte Gesellschaft so dagegen steuert: Muss etwas Grundlegendes passieren, damit lieben und arbeiten können wieder erreichbar werden? Es gab in der Geschichte immer wieder so genannte Erweckungsbewegungen, die einem rationalen Menschen wie mir sehr zweifelhaft erscheinen, weil sie dicht am religiösen Fundamentalismus stehen. Ich möchte daher eher darauf verweisen, dass wir davon ausgehen sollten, dass in den Menschen viel mehr steckt als nach außen hin in Erscheinung tritt. Die Potenziale der Menschen sind sehr unterschiedlich, und das Stimulieren dieser Potenziale gehört zu den wunderbaren Möglichkeiten der herausragenden Persönlichkeiten – teilweise aber auch mit problematischen Auswirkungen, wenn es um Demagogen oder negative Führer geht. Aber die Stimulation kann ohne Zweifel zu sehr positiven Möglichkeiten führen. Kern Ihrer Frage ist: Ist die Möglichkeit zu lieben oder zu arbeiten tatsächlich verkümmert oder ist sie nur verdeckt? Ich tendieren zu letzterem. Werden Sie da nicht innerlich ganz kribbelig, wenn Sie glauben, dass bei den Menschen so viel Potenzial brach liegt? Gesine Schwan und die Politik G esine Schwans Partei war von jeher die SPD, doch es war keine Beziehung ohne gelegentliche Spannungen und Auseinandersetzungen. So war Schwans Grundhaltung für eine unverletzbare Freiheit des Menschen lange Zeit nicht vereinbar mit der sozialdemokratischen Entspannungspolitik gegenüber dem Ostblock. Wenn ein Staat offensichtlich die Freiheit seiner Bürger einschränke, dürfe er nicht noch mit diplomatischem Entgegenkommen belohnt werden – so ihre Meinung ganz gegen den politischen Trend unter den Kanzlern Brandt und Schmidt. Gesine Schwan vertrat ihre Meinung auch in der Grundwertekommission der SPD, der sie ab 1977 angehörte. Und so kam es in diesem Gremium zu einem bis dahin einmaligen Vorgang, als der SPD-Vorzeigedenker Peter Glotz die streitbare Professorin 1984 aus der Kommission warf. Gesine Schwan galt in der SPD fortan als dem rechten Flügel zugehörig und stand damit in parteiinterner Opposition zu den Linken um Oskar Lafontaine oder Gerhard Schröder. Doch das Verhältnis zu Letzterem litt zumindest nicht langfristig unter den programmatischen Unterschieden: Als der Kanzler im Frühjahr 2004 nach einem Nachfolgekandidat für Bundespräsident Johannes Rau suchte, wählte er zur allgemeinen Überraschung die der Öffentlichkeit bis dahin eher unbekannte Ge- sine Schwan. Die Trümpfe für den politischen Coup lagen auf der Hand: eine Frau mit Sitz im Osten, noch dazu in einer Zeit, in der die Union noch große Zweifel an der Tauglichkeit von Kanzlerkandidatin Angela Merkel hegte. Hinzu kam, dass sich die Kür eines gemeinsamen Kandidaten von Union und FDP bis zur Entscheidung für Horst Köhler als eine dem Machtkalkül geschuldete Posse gestaltete. Gesine Schwan konnte bei der Wahl der Bundesversammlung am 23.05.2004 nur gewinnen, da ein Sieg für Köhler wegen der bürgerlichen Mehrheit im Gremium als sicher galt. Ihr Auftreten war dementsprechend entspannt, unbekümmert und herzlich. Sie lachte viel – auch über sich und die in den Medien thematisierte Frisurendebatte – und erntete Respekt von allen Seiten. Am Ende erhielt Gesine Schwan 589 von 1204 möglichen Stimmen – 40 mehr, als Rot-Grün Wahlmänner in die Bundesversammlung geschickt hatte. Und auch wenn sich die 62-Jährige nach ihrem kurzen Auftritt auf der großen politischen Bühne vor allem wieder auf ihre Aufgaben als Präsidentin der Europa-Uni ‚Viadrina’ und Vortragsreisende konzentriert: Ihr Name steht bis heute für eine andere, positive Politik, die Prinzipien ernst nimmt und, basierend auf einem gemeinsamen Wertekonsens und der Kraft des christlichen Glaubens, für Optimismus steht. GALORE 16 | 53 „Wahrheit ist eine Größe, an die wir nie heran kommen, die uns aber doch leiten muss. Die Alternative wäre, Beliebigkeit oder Verzerrung zu akzeptieren. Das ist für mich keine Option.“ Es gehört zu den positivsten Erfahrungen meiner Kandidatur zur Bundespräsidentin, dass bis heute immer wieder Männer und Frauen auf mich zukommen und sich dafür bedanken, dass ich sie ermutigt hätte. Ich denke dann: Wozu? Schließlich habe ich verloren. Aber irgendwas ist da anscheinend positiv gelaufen. Sie sind als Politikerin einfach anders aufgetreten. Ich sehe das aber nicht als mein Verdienst, weil ich meinen Auftritt nach außen gar nicht steuern und berechnen konnte. Es ist vielmehr eine Kraft, die irgendwie wirkte und noch wirkt. Diese Erfahrung hat mich in meiner optimistischen Grundhaltung gestärkt, dass es diese Potenziale gibt. Wobei es natürlich auch Grenzen und Ausnahmen gibt. Ich habe Leute erlebt, bei denen ich immer wieder Anläufe für ein offenes Verhältnis gemacht habe, schließlich aber erkennen musste, dass die Logik ihres Verhaltens anders war, dass es hier um Machterhaltung oder das Durchsetzen von Interessen ging. Ich darf nicht blauäugig sein, das ist klar. Nach der verlorenen Wahl sind Sie für den normalen Politikbeobachter wieder hinter der Bildfläche verschwunden. Vermissen Sie etwas? Oh nein. Ich habe an der Universität ein sehr breites Aufgabengebiet, das mich voll in Anspruch nimmt. So überraschend die Kandidatur damals für mich war, bin ich mir sicher, dass es richtig ist, an jeder Stelle des Lebens seine eigenen Normen zu behalten. Wenn das hier jetzt mein Platz ist, dann ist das so. Können Sie die Tendenz bestätigen, dass politische Probleme heute mehr und mehr technizistisch gelöst werden: Es gilt das Haushaltsloch zu stopfen, also wird gespart. Kreativ ist diese Art von Politik nicht. Nein, das kann ich nicht bestätigen. Die Politiker, mit denen ich zu tun habe, sind sehr nachdenkliche Leute – in der Vielzahl sind es Personen, die wirklich etwas Positives bewirken wollen und denen es nicht nur um eigenen Machterhalt geht. Wer heute als Politiker wach ist, erkennt die überkomplexe Verflochtenheit der Probleme und denkt nicht in simplen Kausalketten oder Aund-B-Kategorien. Im Gegenteil: Der moderne Politiker muss aufpassen, sich nicht durch die Komplexität entmutigen zu lassen. Darüber hinaus verlangt Politik hohe emotionale Kompetenz, die Fähigkeit, mitfühlen zu können. Sie verlangt eine immense Selbstbeherrschung und Fairness. Der Politiker muss die Positionen der anderen Menschen nachvollziehen und darstellen können. Die Menschen haben aber ein anderes Bild von den Politikern. Und da ist die Frage, warum sie das haben. Das Gerede davon, dass es vor allem ein Umsetzungsproblem von Konzepten gibt, zeigt, dass die Politik falsch wahrgenommen wird. Man sieht sie als etwas an, das keiner eigenen Professionalität bedarf. Das Bild ist negativ, fast laienhaft. In 54 | GALORE 16 erster Linie, so heißt es, sind da Versager am Werk, weil sie eine Theorie nicht in die Praxis überführen können. Dieses Verständnis impliziert ein völlig absurdes Verständnis von Politik und von menschlichem Zusammenleben. Woran machen Sie das konkret fest? Nehmen Sie den letzten Wahlkampf. Da lag von einer Partei ein Steuerkonzept vor, das in sich durchdacht war, aber nicht den unzähligen Interessen der Menschen gerecht wurde. Das Konzept fiel deshalb durch – und dieser Schritt wird nun als Defizit der Politik wahrgenommen. Man müsste viel stärker verdeutlichen, wie kompliziert der politische Aushandlungs- und Einigungsprozess ist. Einfache Lösungen können nicht immer helfen. Die Kompliziertheit von Politik ist legitim, genau wie die Vertretung von Interessen legitim ist – und das muss man erklären, um vorschnelle Urteile über Politiker zu vermeiden. Jetzt haben wir einen Koalitionsvertrag von CDU und SPD, der doppelt so dick ist wie das rekordverdächtige Werk von Rot-Grün, und in dem paradoxerweise der Begriff ‚Einfachheit’ inflationär gebraucht wird. Ich weiß nicht, warum dieses Wort so oft verwendet wurde. Vielleicht, weil man eine Absicht bekunden wollte, die man gar nicht realisieren kann. Es gibt ja auch Felder, in denen wir das gar nicht wollen: zum Beispiel beim Umweltschutz. Aber der Ruf nach Einfachheit hat einen Grund: Ich beobachte in Deutschland eine zunehmende Diskreditierung komplizierter intellektueller Analysen. Ist es aus mit dem Land der Dichter und Denker? Zumindest werden junge Menschen heute auf Tempo getrimmt. Ihnen wird suggeriert, dass, wenn sich nicht mit 31 die meisten Dinge des Lebens hinter sich gebracht haben, es nie schaffen werden. Was Quatsch ist. Wissenschaft wird heute so sehr ökonomisiert, dass der Respekt vor dem subtilen Nachdenken verloren zu gehen droht. Wer sich heute den Luxus von intellektueller Reflexion leistet und drei Begriffe verwendet, die über der sprachlichen Norm liegen und dennoch keine Anglizismen sind, den siedelt man heute schon außerhalb des gesunden Menschenverstandes an. Man muss nicht mit 40 schon alles geschafft haben. Und man gehört nicht mit 60 aufs Altenteil. Die Alterspyramide, die wir alle im Kopf haben, darf nicht zu einer Bedrohung werden, ganz einfach, weil der Mensch im Alter heute anders ist als noch vor Jahren. Ich persönlich hätte meine momentane Aufgabe, die Leitung dieser Universität, mit 45 so nicht machen können. Was hätte Ihnen gefehlt? Zum Beispiel die Geduld, auf Dinge, die mir verrückt erscheinen, wohlwollend zu reagieren. Manchmal ist da eine ironische Distanz vonnöten. ::: =;IFHu9> C?H?7CC;9A;B ØCWdckii_h][dZmWdd Z[d7kiiY^Wbj[hÓdZ[d$Ç &,$&,$(&&."8[hb_d$?c7k[dX[h[_Y^Z[i9W\;_dij[_dKdj[hZ[dB_dZ[d ][d_[[dJekh_ij[dZ_[iecc[hb_Y^[>WkfjijWZj"[_dfWWhFeb_j_a[hij_cc[d i_Y^^_[hWk\ZWiMeY^[d[dZ[[_d$:_[Aecckd_aWj_edim_ii[diY^W\jb[h_d C_h_WcC[Ya[baeccjZ_h[ajlec<bk]^W\[d"_ijWX[hled8[]_ddWdW]_b$ DWY^Z[c?dj[hl_[m][^ji_[[_daWk\[d$ ?DJ;HL?;M07dZh8e[<EJEI07dZoHkcXWbb < (( @KD&. hWkC[Ya[b"I_[mWh[d`[jpj\hpm[_ CedWj[WbiIj_f[dZ_Wj_dled;_i[d^em[h <[bbemi^_fi_dZ[dKI7kdj[hm[]i$?^h 8be]l[hc_jj[bjWbb[hZ_d]iZ[d;_dZhkYa" ZWiiI_[i_Y^d_Y^jWbb[P_[b[Z_[i[hH[_i[ lecAWb[dZ[h^WX[dlehiY^h[_X[dbWii[d$ C_h_WcC[Ya[b0@W"ZWiij_ccj$DWjhb_Y^ ^WX[_Y^WkY^i[h_i[:_d][][cWY^j"Wbie WdC[[j_d]ij[_b][decc[d"Kd_l[hi_jj[d X[ikY^jeZ[h_d[_d_][dIjWWj[dZ_[ AWcfW]d[dled>_bbWho9b_djedkdZ8WhWYa EXWcWl[h\eb]j$7X[h_Y^X_djWjiY^b_Y^l_[b Wbb[_d[ZkhY^ZWiBWdZ][h[_ij$=[dWkZWi mebbj[_Y^WkY^$ M_ii[diY^W\jb[hi_dZ`Wij[jiWk\Z[hIkY^[ dWY^;ha[ddjd_ii[d$>WX[dI_[X[_c H[_i[dZkhY^ZWiBWdZm[bY^[][\kdZ[d5 M[h7c[h_aWd_Y^jdkhWdZ[dAij[d X[h[_ij"iedZ[hdWkY^_diBWdZ[i_dd[h[h[_ij" dWY^D[mEhb[Wdipkc8[_if_[b"Z[d C_ii_ii_ff_hWk\"_diiZm[ijb_Y^[J[nWiWd Z_[c[n_aWd_iY^[=h[dp[eZ[hZkhY^Z[d C_jjb[h[dM[ij[d"Z[hc[haj0:_[L[h[_d_# ]j[dIjWWj[di_dZd_Y^j[_dBWdZ"iedZ[hd [_dAedijhkajWkil_[b[dakbjkh[bb[dkdZ ^_ijeh_iY^[d;_dÔii[d$:Wpk][^h[d ZkhY^WkiWkY^d[]Wj_l[eZ[hjhWkh_][ ;_dZhYa[m_[[_d[7hckj"Z_[cWd[^[hWki BdZ[hdZ[h:h_jj[dM[bja[ddj"eZ[h kdl[h^e^b[d[hHWii_icki$7X[h_Y^^WX[ WkY^[_d[]he[>_b\iX[h[_jiY^W\jkdZ <h[kdZb_Y^a[_j[hb[Xj$7bbZWimebbj[_Y^ ][dWkie"WbieX_d_Y^[_d\WY^_di7kje ][ij_[][dkdZbei][\W^h[d$ I_[^WX[di_Y^WbieP[_j\hi_Y^][dec# c[d$ =Wdp][p_[bj"`W$:WimWh[_dJ[_bc[_d[h?Z[[" c[_dB[X[dkdZc[_d[dAef\pk[djhc# f[bd"kcFbWjp\h[jmWi7dZ[h[ipkÓdZ[d$ ?Y^^WX[iY^d[bb][c[haj"ZWii_dZ_[i[d JW][dZ_[P[_jl_[bi[bj[d[hdkjpbeil[hijh_Y^" WbiWdcWdY^dehcWb[c7hX[_jijW]c_j i[_d[dAed\[h[dp[dkdZl[h][kZ[j[d H[_i[mWhj[p[_j[d$ I_[^WX[d?^h[;_dZhYa[kdZ=[# iY^_Y^j[d_d[_d[c?dj[hd[j#JW][XkY^ fkXb_p_[hjkdZ\jj[hdZWc_jZ_[ie ][dWddj[8be]eif^h[$ ?Y^^WX[[_d8be]"iY^h[_X[WX[hWkY^ m[_j[h^_d8[_jh][\hP[_jkd][dkdZ P[_jiY^h_\j[dkdZX_dZWc_jWbiFkXb_p_ij_d_d X[_Z[dM[bj[dpk>Wki[$?Y^^WX[WkY^a[_d L[hijdZd_i\hZ_[LehX[^Wbj["Z_[7kjeh[d Z[h[_d[d\hZ_[`[m[_biWdZ[h[I[_j[^WX[d$ ;im_hZ_dPkakd\jX[_Z[i][X[d0Fhe\[ii_e# d[bb][iY^h_[X[d[kdZh[Y^[hY^_[hj[ () @KD&. 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