080604 - STN - Kindertaler
Transcrição
080604 - STN - Kindertaler
18 STUTTGART Nummer 128 Mittwoch, 4. Juni 2008 Ihr Klick zu uns Ihre Stimme zählt: Der Mai ist vorüber, jetzt heißt es wieder Klicken für das Leserfoto des Monats. Welches Bild soll den Mai-Titel erhalten? www.stuttgarter-nachrichten.de/ leserwahl Joe Bauer in der Stadt Als CCCP in Mode war or zwanzig Jahren, die meisten haben es vergessen, fand die Fußball-EM in Deutschland statt. Zu behaupten, 1988 sei die Welt noch in Ordnung gewesen, wäre gelogen. Der Bundeskanzler hieß Kohl, der baden-württembergische Ministerpräsident Späth, und zum Vogel des Jahres wurde der Wendehals gewählt. Zwei der EM-Spiele wurden im Neckarstadion ausgetragen, und außer der Polizei hat sich niemand darüber aufgeregt. Zuerst feierten die Iren in der Vorrunde mit 1:0 einen historischen Sieg über die Engländer. Dann, am Abend des 22. Juni, stieg das Halbfinale zwischen der UdSSR und Italien. Bei der UdSSR handelte es sich um die Sowjetunion, einen kommunistisch regierten Staatenbund. Oft nannte man die Sowjets aus Faulheit einfach „Russen“. Wenig später gab es keine Sowjets mehr, dafür immer mehr Russen. Ende der achtziger Jahre war Fußball schon ein gutes Geschäft. Die „Vermarktung des Sports“, schrieb die „Wirtschaftswoche“, werde die „Wachstumsbranche der 90er Jahre“. Richtig falsch, weiß man heute, lag das Blatt nicht. V och einen Tag vor der Partie zwischen den Sowjets und den Italienern gab es in Stuttgart 5073 Tickets. Die wurden im Haus des Württembergischen Fußballverbands in der Goethestraße verkauft, und unser Polizeireporter Wolf-Dieter Obst notierte mit vorbildlichem Sinn für die Dramatik: „Die restlichen Eintrittskarten gingen weg wie ofenfrische Pizza.“ 68 000 Zuschauer fasste das Neckarstadion. 35 000 Italiener reisten an, und die meisten von ihnen brauchten nicht mal ein Hotelzimmer: Sie übernachteten bei Mitgliedern ihrer ehrenwerten Familie. Aus der UdSSR, wo der Regierungschef Gorbatschow gerade Glasnost propagierte, kamen 38 handverlesene Fans nach Stuttgart, darunter eine Frau. Die Delega- N tion logierte in Giebel. Wenn ich mal Zeit habe, sage ich Ihnen, wo das ist. Wie gesagt, es herrschte große Gelassenheit in der Stadt. Man war froh, weil endlich mal die Kneipen länger offen hatten. Das kriegsähnliche Polizeiaufgebot für das Spiel zwischen England und Irland war längst beleidigt abgezogen. Die Fans schlugen sich nicht gegenseitig die Birne ein, sondern tranken miteinander Bier. Kindernachrichten im Netz: Origami ist die hohe Kunst des Papierfaltens. Paul hat auf seiner Homepage eine Anleitung für Papierblumen gestellt. Außerdem hat er einige Links zum Thema gesammelt: www.kinder-nachrichten.de Stimmen Sie ab: Die Milchbauern streiken für höhere Milchpreise. Im Supermarkt kostet der Liter derzeit um die 60 Cent. Wie viel wären Sie bereit auszugeben? Machen Sie mit bei unserer Umfrage. www.stuttgarter-nachrichten.de uf den Trikots der Russen prangte das Staatslogo CCCP, und angesichts der sich öffnenden Grenzen geriet der Schriftzug groß in Mode. Wer sich in einer guten Bar, etwa im einstigen Hans im Glück neben dem gleichnamigen Brunnen, einen Cocktail leisten konnte, weil er im Börsenwahn der Achtziger noch nicht auf die Schnauze gefallen war, trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck CCCP. Mich hat die Redaktion in jenen Tagen regelmäßig in die Sportschule Ruit geschickt. Dort hatte sich das Sowjet-Team unter seinem großen Trainer Waleri Lobanowski einquartiert. Ich war ein großer Verehrer von Herrn Lobanowski. Mit Reportern redete er nicht viel, eigentlich gar nicht. Einmal notierte ich, Herr Lobanowski gebe nie etwas preis, außer zwischen Sporthose und Socken seine nackten Waden. Das war dumm. Anderntags schiss er mich in der Pressekonferenz dermaßen zusammen, dass ich beinahe mein Vertrauen in die Zukunft des real existierenden Sozialismus verloren hätte. A ann schlugen die Sowjets in Stuttgart die Italiener 2:0. Die Squadra war chancenlos, sie wurde vorgeführt, die fairen Tifosi im Stadion spendeten den Sowjets Beifall auf offener Szene. Danach brach der CCCP-Coach sein Schweigen, er erzählte alles, was er über Fußball, Wissenschaft und russische Literatur wusste, und er wusste verdammt viel. 2002 ist der große Lobanowksi gestorben. Keine Ahnung, ob er je erfahren hat, dass die Italiener in der Nacht vor dem Halbfinale heimlich mit professionellen Damen aus der Altstadt trainiert hatten. Diese Geschichte hat 1988 niemand verraten. 1988 hatte man noch Ehre, zumindest in der einen oder anderen Bar. StN-Blog: Hundebesitzer oder Katzentyp? Bei Kollegin Sandra Markert können Sie einen persönlich auf Sie zugeschnittenen Blogeintrag lesen. Hundeliebhaber, Katzenbesitzer und Allergiker kommen auf ihre Kosten. Außerdem wurde KNITZ von den Bloglesern im Dschungel gesichtet. www.stuttgarter-nachrichten.de/blog Bürgerstiftung gründet Kinderfonds D Sowjet-Trainer Waleri Lobanowski, 1988 in Stuttgart Foto: Baumann Stadt: Post soll weniger Ablagekästen aufstellen Verwaltung und Fraktionen fürchten Schaden für das Stadtbild und dringen auf weniger Standorte Mit 717 Boxen im ganzen Stadtgebiet will die Deutsche Post AG zusätzliche Ablagestellen schaffen, an denen Briefe für Postboten vorübergehend sicher aufbewahrt werden können. Im Rathaus formierte sich am Dienstag aber Widerstand. Die Zahl soll zumindest weiter gesenkt werden. VON JOSEF SCHUNDER Städtebaubürgermeister Matthias Hahn (SPD) und die Stadträte sind nicht bereit, die Verbreitung der Ablageboxen ungehindert zuzulassen. Er teile das Unbehagen der Bezirksbeiräte, die seit Wochen über die Standorte für die Ungetüme beraten, und Ende des Streits um Thomastraße Mehrheit beschließt Bebauung Im Streit um die Bebauung von Kaltluftschneisen am Killesberg ist am Dienstag eine erste Entscheidung gefallen: zugunsten von Neubauten an der Thomastraße. Der Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik beschloss, dass ein Geländestreifen an der Thomastraße neben dem bisherigen Messegelände im Flächennutzungsplan für eine lockere Bebauung vorgesehen werden soll. Das bürgerliche Lager setzte sich damit gegen die SPD und die Grünen sowie gegen den Bezirksbeirat Nord durch. Die Entscheidung über Neubauten an der Parlerstraße ist dagegen noch nicht ausgestanden. Die Verwaltung will über diese Teilfläche in Kürze gesondert beschließen lassen, um die Änderung des Flächennutzungsplans für den Bereich Alte Messe mit den Projekten Stadtteilzentrum, Wohngebiete und Fashion Mall nicht zu verzögern. Umstritten war, ob Neubauten an der Thomastraße und an der Parlerstraße das Stadtklima verschlechtern. Die CDU rechnet insgesamt mit Verbesserungen auf dem Killesberg, weil unterm Strich durch die neue Nutzung der alten Messe Fläche entsiegelt werde. Das andere Lager wandte ein, die Summe mehrerer kleiner Eingriffe in empfindliche Bereichen wirke sich eher negativ aus. Im Streit um die Rommelshauser Straße in Bad Cannstatt gab der Ausschuss der Universität Duisburg/Essen den Auftrag für ein Gutachten. Das bürgerliche Lager hatte dieses eingefordert, weil es der Meinung der Stadtklimatologen, die vor Bebauung warnen, misstraut. jos der Grünen-Stadträte, sagte Hahn. Wenn die Anbieter von Postdienstleistungen nun einer nach dem andern wahre Massen solcher Boxen installieren wollten, würden die Erfolge zunichte gemacht, die man beim Entrümpeln der öffentlichen Gehweg- und Straßenflächen mit Hilfe der Gestaltungsrichtlinie erzielt habe. Hahn zog eine Parallele zu den rund 1200 Verteilerkästen der Telekom, die die Stadt im Jahr 2006 zulassen musste. Diese Kästen dienten angeblich schnelleren Datenverbindungen. Ihm sei aber nicht aufgefallen, dass ein Ruck durch die Stadt gegangen sei, spottete Hahn. Auf Antrag der Grünen führte der Umwelt- und Technik-Ausschuss des Gemeinderats eine Grundsatzdebatte über die PostBoxen. Ein Vertreter der Post erinnerte, dass sie auf Betreiben des Bundesdatenschutzbeauftragten und der Bundesnetzagentur aufgestellt werden sollen. In Säcken dürfe die Post nicht mehr zwischengelagert werden, bis der Briefträger sie in die Briefkästen steckt. Sie müssten in den verschließbaren Boxen deponiert werden. Bezirke Mitte und West werden genauer untersucht Rund 1100 Ablageboxen hatte die Deutsche Post zunächst aufstellen wollen, inzwischen hat sie die Zahl auf 717 zurückgeschraubt. Ein nennenswerter Teil davon soll auf Privatflächen und in Läden platziert werden. Doch im Rathaus möchte man die Zahl weiter senken und einen Kompromiss erreichen. Die Bezirksbeiräte im ganzen Stadtgebiet haben sich bisher mit 203 Standorten einverstanden erklärt und 411 abgelehnt. Fünf Bezirksbeiratsgremien in der Innenstadt sprachen sich gegen die Ablagestellen aus. Einige wenige Beschlüsse stehen noch aus. Dieses Verfahren soll zwar weitergehen, Hahn und der Ausschuss stellten aber klar, dass es keine Genehmigungen geben wird, bis sich der Ausschuss erneut damit befasst hat. Am Beispiel der Bezirke Mitte und West, in denen der öffentliche Raum schon sehr stark in Beschlag genommen ist, wollen die Stadträte exemplarisch untersuchen, wie viele Standorte noch verträglich sind. Freilich: Seit 1998 waren schon 200 bis 300 Ablagestellen geschaffen worden. 300 Fans treffen netten Sido Rapper gibt Autogramme in den Königsbau-Passagen Rund 300 Fans standen am Dienstag für ein Autogramm des Berliner Rappers Sido in den Königsbau-Passagen an. Der Musiker inszenierte sich in der Vergangenheit gerne als böser Bube, im Königsbau war davon jedoch nichts zu spüren. VON JAN PETER Paul Würdig geht wie ein Teenager, mit leicht hängenden Schultern und schlackernden Armen, auf den kleinen Tisch zu, der vor dem Eingang eines Elektronik-Fachhandels aufgebaut ist. Das schwarze Jacket mit Nadelstreifen, das er trägt, will weder recht zu seinem Auftreten noch zu der Sonnenbrille mit den kleinen runden Gläsern passen, die leicht schief auf seiner Nase sitzt. Den 300 Anwesenden, überwiegend Kindern, ist das egal. Sie beginnen zu schreien und zu kreischen, kaum dass sie den jungen Mann erblickt haben. Der Grund: Paul Würdig ist „ein superintelligentes Drogenopfer“. So bezeichnet er sich selbst, sein Künstlername Sido ist nur eine Abkürzung dafür. Und Sido ist erwachsen geworden. Früher trug Sido eine verchromte Totenkopfmaske, hinter der er sich zu Beginn seiner Karriere versteckte. Nicht wenige Eltern seiner Plattenkunden verschreckte er damit mächtig. Nun trägt er eben die Mode, die an Gebrauchtwagenhändler erinnert. Wackelnde Hintern sind auf dem Cover seines aktuellen Albums „Ich & meine Maske“ nicht zu sehen, dafür vor allem Stücke mit erhobenem Zeigefinger zu hören. Die CD gibt es hier bei der Autogrammstunde in den Königsbau-Passagen natürlich auch zu kaufen, für 15 Euro das Stück. Claudio Mingione (18) kümmert das nicht, er gibt sich mit einer Autogrammkarte zufrieden, die CD hat er nämlich schon. „Sido ist echt gut drauf“, hat er festgestellt, „er hat mir die Hand gegeben und wollte wissen, wie’s mir geht.“ Auch sein Freund Kai Ölschlägel (17) ist mächtig begeistert: „Sido hat auf meinem T-Shirt unterschrieben.“ Paul Würdig ist richtig nett zu seinen Fans. Der Rapper Sido ist richtig nett zu seinen Fans: Um Autogramme müssen sie nicht betteln, selbst für ein Selbstauslöserfoto posiert er klaglos. Foto: Susanne Kern Seit ihrer Gründung im Jahr 2001 hat die Bürgerstiftung eine Vielzahl an Projekten in der Landeshauptstadt mit mehreren Hunderttausend Euro unterstützt. Jetzt bekommt die Bürgerstiftung Nachwuchs: zur gezielten Förderung von Kindern und Familien hat die Initiative zusammen mit dem Förderverein Kinderfreundliches Stuttgart einen eigenen Kinderfonds gegründet. „Wir wollen, dass in dieser Stadt jedes Kind die Unterstützung erhält, die es braucht“, beschreibt Helga Breuninger, Vorsitzende der Bürgerstiftung, die Intention des Kinderfonds. Dafür sollen innerhalb eines Jahres mindestens eine Million „Kindertaler“ zusammenkommen. Um den Stiftern einen besonderen Anreiz zu schaffen, wollen der Verleger und Vorsitzende des Kuratoriums Kinderfreundliches Stuttgart, Stefan von Holtzbrink, und die Taler für Kinder F. K. Stadt jeden gespendeten Euro verdreifachen. Zu jedem aus der Bürgerschaft gespendeten Euro legen beide je einen dazu. Die Zinserträge aus dem Stiftungskapital sollen direkt den Kinderprojekten zugutekommen. Schwerpunkt im ersten Jahr ist das Thema Bildung. Zunächst soll das Vorleseprojekt des Vereins Leseohren unterstützt werden, bei dem im vergangenen Jahr 230 ehrenamtliche Vorlesepaten in 18 Büchereien, 32 Schulen und 59 Kindergärten bei 7000 Einsätzen etwa 30 000 Kindern vorgelesen haben. „Vielen Kindern fehlt die Sprachkompetenz, weil ihnen zu Hause niemand vorliest“, erklärt Breuninger. rom Afrika-Kommando bleibt in Möhringen Das neue Hauptquartier der US-Armee für Afrika bleibt auf absehbare Zeit in Stuttgart und wird nicht auf den Schwarzen Kontinent umgesiedelt. Das hat ein Sprecher des sogenannten Africom erklärt und damit unter anderem einen Bericht der Wiener Zeitung „Der Standard“ bestätigt. Die Pläne, das Kommando in Afrika zu stationieren, seien gescheitert, hieß es in dem Zeitungsbericht. Außer der libanesischen Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf habe sich niemand bereiterklärt, den Militärstützpunkt zu beherbergen. Das Kommando ist in den KelleyBarracks in Möhringen untergebracht. rd BESTATTUNGEN Mittwoch, 4. Juni: F = Feuerbestattungen im Krematorium, Obergeschoss. FK = Feuerbestattungen in der Kapelle oder Feierhalle, Erdgeschoss. UFK = Urnentrauerfeier in der Kapelle. Friedhof Botnang: Gerlinde Worbs, geb. Hartig, 65 J., Gerlingen, Versouler Str. 33, 11 Uhr. Friedhof Feuerbach: Erika Schmoll, geb. Kienzler, 93 J., Feuerbach, Banzhaldenstr. 36, 15 Uhr (FK). Gaisburger Friedhof: Thomas Ender, 42 J., Möhringen, Alte Dorfstr. 16, 14 Uhr (FK). Pragfriedhof: Pauline Wagner, geb. Lucinkiewicz, 76 J., Untertürkheim, Gehrenwaldstr. 65, 9 Uhr (F). Theo Quickert, 78 J., Botnang, Paul-Lincke-Str. 5, 10 Uhr (F). Otto Schmidt, 88 J., Möhringen, Machtolfweg 22, 14 Uhr (F). Friedhof Zuffenhausen: Theresia Tosenberger, geb. Batori, 82 J., Zuffenhausen, Spielberger Str. 20, 14 Uhr (untere Feierhalle). Friedhof Rohr: Liesbeth Welchhorn, geb. Pabst, 83 J., Dürrlewang, Orionweg 10 B, 13 Uhr. Waldfriedhof: Liselotte Hahn, geb. Riede, 89 J., Zuffenhausen, Auricher Str. 38 A, 14 Uhr (UFK). Uffkirchhof: Christa Daur, 75 J., Albrecht-Dürer-Weg 60, 12 Uhr. Hauskapelle „Abschied“; Bestattungsunternehmen Walter Haas, Bad Cannstatt, König-Karl-Str. 15: Anna Büchel, geb. Kalscheuer, 101 J., Seeadlerstr. 7–11, 14.30 Uhr (FK). Die Friedhöfe sind von 7.15 bis 20 Uhr geöffnet.