Weisungsrecht des Gläubigers gegenüber dem Gerichtsvollzieher
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Weisungsrecht des Gläubigers gegenüber dem Gerichtsvollzieher
AG Augsburg, Beschluss v. 12.04.2012 – 1 M 11305/12 Titel: Weisungsrecht des Gläubigers gegenüber dem Gerichtsvollzieher: Entgegennahme monatlicher Teilleistungen des Schuldners über Jahre hinweg Normenketten: ZPO §§ 766 II Alt. 2, 806b, 901 GVGA § 58 Nr. 1 § 806 b Satz 2 ZPO § 114 a GVGA § 813 a ZPO § 141 GVGA § 806 b Satz 2 ZPO § 114 a GVGA § 813 a ZPO § 141 GVGA Leitsatz: 1. Der Gläubiger ist nicht berechtigt, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, monatliche Teilleistungen des Schuldners über Jahre hinweg entgegenzunehmen. (amtlicher Leitsatz) Schlagworte: Erinnerung, Gläubiger Zwangsvollstreckungsauftrag, Ratenzahlungsvereinbarung, 6 - Monatsfrist, Weisungsrecht, Einziehungsbefugnis, reiner Empfangs- und Weiterleitungsbote, Rateninkassobefugnis Gründe Der Gläubiger stellte im Mai 2010 Zwangsvollstreckungsauftrag aufgrund zweier Vollstreckungstitel wegen einer noch bestehenden Forderung in Höhe von 15.105,84 €. Im September 2010 wurde ein Haftbefehl nach § 901 ZPO erlassen. Mit Schreiben vom 23.02.2011 forderte der Gerichtsvollzieher den Schuldner auf, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, um die Verhaftung zu vermeiden. Mit Schreiben vom 03.03.2011 teilte der Gläubigervertreter dem Gerichtsvollzieher mit, dass folgende Ratenzahlungsvereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner getroffen wurde: Der Schuldner nimmt den Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beim Gerichtsvollzieher wahr und zahlt an diesen 150 € in bar. Nach Zahlung der 150 E wird solange von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abgesehen, wie der Schuldner der monatlichen Ratenzahlung in Höhe von 150 € jeweils zum 01. eines jeden Monats an den Gerichtsvollzieher nachkommt. Sollte der Schuldner eine Rate nicht in voller Höhe oder nicht pünktlich bezahlen, ist die Zwangsvollstreckung sofort wieder aufzunehmen. Der Schuldner kam dieser Ratenzahlungsvereinbarung nach. Eine Zuständigkeitsänderung teilte der nunmehr zuständige Gerichtsvollzieher dem Gläubiger mit Schreiben vom 24.01.2012 mit und fragte an, ob Einverständnis besteht, dass der Schuldner direkt an den Gläubiger die monatlichen Raten zahlt, was der Gläubigervertreter mit Schreiben vom 27.01.2012 ablehnte. Mit Schreiben vom 21.02.2012 reichte der Gerichtsvollzieher die Vollstreckungsunterlagen an den Gläubigervertreter zurück und führte aus, dass er wegen der 6 - Monatsfrist in § 806 b ZPO dem Schuldner mitgeteilt habe, dass er nunmehr an den Gläubiger zahlen solle. Hiergegen hat der Gläubiger mit Schreiben vom 13.03.2012 Erinnerung eingelegt. Die Vollstreckungserinnerung ist nach § 766 Absatz 2 Alternative 2 ZPO zulässig, jedoch unbegründet. Der Gerichtsvollzieher muss und darf nicht der Anweisung des Gläubigers im Schreiben vom 03.03.2011 folgen, von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Rahmen eines Verhaftungsverfahrens abzusehen und die monatlichen Teilleistungen von 150 € entsprechend der von Gläubiger und Schuldner getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung über mehrere Jahre hinweg anzunehmen. Dabei geht es unmittelbar um keine dem Gerichtsvollzieher vom Gesetz eingeräumte und von ihm ausgeübte Befugnis, dem Schuldner die Tilgung der Geldforderung in Teilbeträgen einzuräumen, wie sie § 806 b Satz 2 ZPO i. V. m. § 114 a GVGA (Rateninkasso bei Fruchtlosigkeit außerhalb des e.V.-Verfahrens), § 813 a ZPO i. V. m. § 141 GVGA (Rateninkasso mit damit verbundenem Verwertungsaufschub), § 900 Absatz 3 ZPO i. V. m. § 185 h GVGA (Rateninkasso im e.V.-Verfahren) und §§ 186 Nr. 6, 114 a GVGA (Rateninkasso nach Erlass eines Haftbefehls) vorsehen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob der in dem Schreiben vom 03.03.2011 an den Gerichtsvollzieher gerichtete Auftrag, wegen der Forderung von 15.105,84 € monatlichen Ratenzahlungen von 150 € seitens des Schuldners über mehrere Jahre entgegenzunehmen und an den Gläubiger weiterzuleiten, vom Weisungsrecht des Gläubigers gedeckt ist. Grundsätzlich bestimmt der Gläubiger aufgrund der Parteiherrschaft (Zöller, 29. Auflage, vor § 704 ZPO RdNr. 19) Beginn, Art und Ausmaß der Zwangsvollstreckung und kann insoweit dem Gerichtsvollzieher Weisungen erteilen (Zöller, 29. Auflage, § 753 ZPO RdNr. 4). Daher kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher auch mit der Einziehung von Teilbeträgen beauftragen. Die Weisungen dürfen aber nicht dem Gesetz oder der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (= GVGA) stehen (§ 58 Nr. 2 GVGA) widersprechen und stehen unter dem Vorbehalt, dass der Gerichtsvollzieher bei der ihm zugewiesenen Zwangsvollstreckung hoheitlich, also in eigener Verantwortung und nicht als Vertreter des Gläubigers und selbstständig (§ 58 Nr. 1 Satz 1 GVGA) handelt. So sind die innere Amtsführung und die Organisation des Gerichtsvollziehers sowie die bürokratische Erledigung seiner Dienstgeschäfte der Parteiherrschaft entzogen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird der hier erteilte Auftrag vom 03.03.2011 zur Annahme von monatlichen Teilzahlungen nicht mehr von dem Gläubigerrecht erfasst, die Vollstreckungsart zu bestimmen. Schon der Umstand, dass der Gerichtsvollzieher vorliegend zum reinen Empfangs- und Weiterleitungsboten von monatlichen Teilleistungen gemacht wird, ist nicht mit dem Grundsatz vereinbar, dass der Gerichtsvollzieher die Verfahrensdurchführung selbstständig bestimmt. So hat der Gerichtsvollzieher keinerlei Ermessensspielraum mehr. Er muss stets zum 1. eines jeden Monats zur Entgegennahme der Teilleistung bereit sein. Die im Ermessen des Gerichtsvollziehers stehende Befugnis, den Vollstreckungszeitpunkt zu bestimmen (Zöller 29. Auflage, § 753 ZPO RdNr. 4), ist nicht mehr gegeben. Dem steht nicht § 106 Nr. 1 Satz 1 GVGA entgegen, wonach der Gerichtsvollzieher verpflichtet ist, die angebotene Leistung oder Teilleistung anzunehmen und den Empfang zu bescheinigen. Diese Vorschrift geht nämlich davon aus, dass die Teilleistung im Rahmen eines von Gerichtsvollzieher selbstständig durchgeführten Zwangsvollstreckungsverfahrens erfolgt. Den bereits zitierten Vorschriften zur Rateninkassobefugnis des Gerichtsvollziehers (§ 806 b Satz 2 ZPO i. V. m. § 114 a GVGA; § 813 a ZPO i. V. m. § 141 GVGA; § 900 Absatz 3 ZPO i. V. m. § 185 h GVGA; §§ 186 Nr. 6, 114 a GVGA), welche dem Gerichtsvollzieher die Gewährung einer Tilgungsfrist einräumen, lässt sich entnehmen, dass eine Tilgung in Raten grundsätzlich in 6 Monaten erfolgen soll (§ 806 b Satz 3 ZPO i. V. m. § 114 a Nr. 2 lit. b GVGA, § 900 Absatz 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 185 h Nr. 1 GVGA, § 186 Nr. 6 Satz 1 GVGA), insbesondere wie hier, wenn es um Rateninkasso nach Erlass eines Haftbefehls geht (§ 186 Nr. 6 Satz 1 GVGA), zumindest in absehbarer Zeit bzw. binnen überschaubarer Frist und nicht über mehrere Jahre hinweg. Weiterhin folgt aus § 806 b Satz 1 ZPO, dass die Zwangsvollstreckung zügig durchgeführt werden muss, was bei einer Einziehung durch den Gerichtsvollzieher über mehrere Jahre nicht der Fall ist. Das Gebot der schnellen Durchführung des Vollstreckungsauftrags ist ein Grundsatz, der sich auch aus anderen Vorschriften der GVGA, beispielsweise aus §§ 6 Satz 1 und 64 Satz 1 GVGA ergibt. Darüber hinaus muss der Gerichtsvollzieher bei der Zwangsvollstreckung darauf bedacht sein, dass nur die unbedingt notwendigen Kosten und Aufwendungen entstehen (§ 104 Absatz 1 Satz 3 GVGA). Auf etwaige Wünsche des Gläubigers oder des Schuldners hinsichtlich der Ausführung der Zwangsvollstreckung nimmt der Gerichtsvollzieher Rücksicht, soweit es ohne überflüssige Kosten und Schwierigkeiten und ohne Beeinträchtigung des Zwecks der Vollstreckung geschehen kann (§ 104 Absatz 2 GVGA). Durch die Einziehung durch den Gerichtsvollzieher über mehrere Jahre hinweg, fallen monatlich 3 € nach Nr. 430 GvKostG-KV sowie 0,60 € nach Nr. 713 GvKostG-KV an, was nicht mehr dem Kostenminimierungsgrundsatz entspricht. Ferner stellt ein Rateninkasso über einen langen Zeitraum eine geschäftsmäßig nicht zu vertretende Inanspruchnahme des Gerichtsvollziehers dar, weil sie zu einer den Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens übersteigenden Überwachung führen würde. Im Übrigen liegen dann keine Gründe mehr vor, dass gerade die Einschaltung des Gerichtsvollziehers erforderlich ist (vgl. Münchner Kommentar 3. Auflage, § 754 ZPO RdNr. 63). Da keine Gerichtsgebühren anfallen, wird kein Streitwert festgesetzt. Rechtmittelbelehrung Nach §§ 793, 567 I Ziffer 1 ZPO kann die sofortige Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses beim Amtsgericht Augsburg: Hausanschrift: 86150 Augsburg, Am Alten Einlass 1 Postanschrift: 86142 Augsburg oder beim Landgericht Augsburg: Hausanschrift: 86150 Augsburg, Am Alten Einlass 1 Postanschrift: 86142 Augsburg schriftlich eingelegt werden. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde. Die sofortige Beschwerde soll begründet werden. Sie hat keine aufschiebende Wirkung.