SIE WAREN FAST AUSGESTORBEN: BUNTE BENTHEIMER

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SIE WAREN FAST AUSGESTORBEN: BUNTE BENTHEIMER
REISEN
Sie waren fast ausgestorben: bunte bentheimer
Schweine-Paradies
Text: Jana Schütze • Fotos: Andreas Krone
Sich so richtig in die matschige Pampe einsuhlen, still
liegen und nicht einmal mit den Ohren wackeln - das ist
Schweineglück. Auf dem Siedlerhof des „Emsland-Moormuseums“ dürfen die Bunten Bentheimer Landschweine
dieses Glück genießen. Eine Rasse, von der es vor zehn
Jahren nur noch 50 Tiere gab
Siedlerhof im „Emsland-Moormuseum“
E
eigentlich könnte Ferkel Nummer 15 immer so daliegen. Wenn da nicht
der Magen knurren würde. Dann stemmt sich das Ferkel mit den lustigen schwarzen Flecken auf dem Rücken und den Schlappohren langsam
auf die kurzen Beine und wühlt mit seinem rosafarbenen Rüssel in der
Erde. Manchmal findet er noch eine frische Wurzel, einen zarten Trieb,
köstliche Gräser oder Eicheln. Jeden Morgen kommt ein Mitarbeiter des
„Emsland-Moormuseums“ mit einer großen Schüssel voll mit Gerste,
Möhren, Äpfeln und xx. Das Futtter wird extra für die Tiere auf dem Hof
angebaut. Für Ferkel Nummer 15 ist das Leben auf dem Siedlerhof selbstverständlich. Es ahnt gar nicht, dass Millionen Schweine-Geschwister
nicht einen einzigen Tag Sonne in ihrem Leben sehen. Und es ahnt nicht,
dass es so selten ist, dass es beinahe gar nicht auf die Welt gekommen
wäre. In den 1950er-Jahren lag die Hochzeit der einfach und günstig zu
haltenden sowie überaus fruchtbaren Rasse. Sie lieferten ein Fleisch von
exzellenter Qualität, das nach den schweren Kriegszeiten sehr gefragt war.
Gnügsam, widerstandsfähig und stressresistent waren sie einfach zu halten und bekamen viel Nachwuchs: zwei Würfe pro Jahr mit jeweils oft
zehn bis zwölf frohwüchsigen Ferkeln. Doch dann kam das „Wirtschaftswunder“ in Deutschland und mit ihm der Wunsch nach billigem, fettarmem Fleisch. Das „Aus“ für die Bunten Bentheimer. 2003 gab es nur noch
50 Tiere. Erst die Gründung des „Vereins zur Erhaltung des Bentheimer
Schweines e. V.“ am 1. März 2003 brachte eine Wende. Heute leben wieder auf 88 Zuchtbetrieben Bentheimer Schweine. Einer davon ist der Siedlerhof, ein Archehof, auf dem auch so alte Haustierrassen wie Bentheimer
Landschafe, Westfälische Totlegerhühner und Diepholzer Gänse leben .
Kleine Diepholzer Gänse
Ein Westfälisches Totlegerhuhn
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Gaumen-Glück
Ein saftiges, dickes Kotelett vom Bentheimer Landschwein, das
gleich im Nachbarort auf dem Siedlerhof des „Emsland-Museums“ auf der Weide aufgewachsen ist.
Erhalten durch Aufessen
E
r ist ein Mann der Sinne, ein Genießer. Sein Gaumen wurde schon
als Kind mit gutem Essen verwöhnt. Helmut Backers aus Twist
im Emsland ist in einem Hotel-Restaurant aufgewachsen, wollte mit
10 Jahren Koch werden. Mit 16 machte er seine Ausbildung, mit 18
kochte er in Luzern 18-Gänge-Gourmetmenüs. Vor 20 Jahren stellte ein uraltes Kochbuch sein Leben auf den Kopf: „Meine Jahreszeitenküche“ von Henriette Davidis (1801-1876), der ersten deutschen
Kochbuchautorin. „In ihrem Werk beschreibt die Autorin das jahreszeitliche Kochen, das nicht zuletzt aus Gründen der mangelnden
Kühlmöglichkeiten zwingend notwendig war.“ Das Buch faszinierte
Helmut Backers so, dass er begann, seine eigene Jahreszeitenküche
zu entwickeln. „Ich schaute mich nach kulinarischen Schätzen aus
der Region um. Im Nachbarort Geeste entdeckte ich einen Gemüsebauern, der Spargel, Kartoffeln und Beeren anbaut. Jäger versorgen
uns mit heimischem Wild und der 10 Kilometer entfernte Siedlerhof
liefert nicht nur das Fleisch seltener Haustierrassen, sondern auch
alte Gemüsesorten wie Pastinaken, schwarze Möhren, lila Kartoffeln,
Mangold und Feuerbohnen. Von dort kommen auch die saftigen Koteletts der Bunten Bentheimer Landschweine. Das Fleisch dieser wieder entdeckten Schweinerasse ist ein wahrer Hochgenuss denn diese
Freilandschweine haben ordentlich was auf den Rippen!“ Heute trägt
Helmut Backers in seinem Gasthof inmitten des Bourtanger Moores
durch seine Arbeit nicht nur zum Erhalt alter Tier- und Gemüsesorten
bei, sondern erhält mit seinen Gerichten auch den Geschmack unserer Kindheit, die Rezepte unserer Vorfahren.
Informationen: www.gasthof-backers.de
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Ein Archivar des Geschmacks
Helmut Backers aus Twist bewahrt mit seinen Gerichten den
Geschmack unserer Kindheit und die Rezepte unserer Vorfahren