Schädlingsbekämpfer - einst und jetzt Teil 1
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Schädlingsbekämpfer - einst und jetzt Teil 1
Der praktische AUGUST 1 968 * N U M MER 8 * Organ des Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verbandes Fachblatt für alle Fragen d e r praktischen Schädlingsbekämpfung, insbesondere auf den G e b i e t e n des Holz- und Bautenschutzes, des Pflanzenschutzes, der H u m a n h y g i e n e und des Vorratsschutzes 20. J A H R G A N G * Postverlagsort BRAUNSCHWEIG S 21 657 E Der Schädlingsbekämpfer einst und jetzt V o n H . K I i e w e und W . H o o s I. 1. Gescbiditliches zur Sdiädlingsbekämpfung Die Gesdiichte des Sdiädlingsbekämpferberufes ist w i e b e i fast allen Berufszweigen so ungenau und lückenhaft, d a ß es schwierig ist, eine einheitliche Entwicklung aufzuzeichnen. Sicher ist, daß man zur Zeit des P e r i k l e s (um 450 v. Chr.) noch keine systematische Bekämpfung der hygienisch wichtigen Schadtiere kannte, sonst h ä t t e er seine Geliebte Aspasia, die den Spitznamen Phteiropyle = Läuserin trug, entlausen lassen. H ä t t e man ferner im Altertum, i m Mittelalter und auch noch i n der Neuzeit gewußt, d a ß die vielen Fleckfieber-Epidemien durdi Läuse, die Pest-Epidemien durdi Nagerflöhe, die Malaria durch Anophelesmücken oder das Gelbfieber durch Stechmücken verursacht werden, w ä r e die Bekämpfung dieser Schädlinge sicher i n größtem Umfang durchgeführt worden. M a n kennt wohl die Gesundheitssciiädlinge seit mehreren tausend Jahren; so sind — um nur wenige Beispiele anzuführen ~ Abbildungen und Aufzeichnungen v o n Fliegen und anderen Sdiädlingen aus den Jahren um 4000 v . Chr. aus dem Gebiet v o n Euphrat und Tigris überliefert worden. Ferner berichtet der griechische Dichter H o m e r (um 800 v.Chr.) i n seinen G e s ä n g e n v o n Stuben- und Stechfliegen, und der große Mathematiker P y t h a g o r a s Heß sogar um 450 v . Chr. auf Sizilien die Sümpfe e n t w ä s s e r n , um die M ü d t e n p l a g e zu bekämpfen ( M a d e 1). A u s dem alten Ä g y p t e n teilt uns der Papyrus E b e r s (um 1550 v.Chr.) als Hausmittel gegen Flöhe die Besprengung der Wohnung mit natronhaltigem Wasser mit. In der Bibel (um 1000 v. Chr.) w i r d bereits das Mückennetz erwähnt. Es ließen sich noch zahlreiche Beispiele anführen, aus denen hervorgeht, daß die Gesundheitsschädlinge durdi alle Jahrhunderte bis i n die Neuzeit sowohl als Plagegeister für den einzelnen Menschen lästig waren als audi i n der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der V ö l k e r eine entscheidende Rolle gespielt haben. 2. Kammerjäger, Desinfektoren, Schädlingsbekämpfer Da man die gesundheitliche Bedeutung der Schädlinge noch nicht erkannt hatte, führte man ihre Bekämpfung nidit i n dem Umfange durch geschulte Kräfte durch, wie es zur V e r h ü t u n g oder Eindämmung der Seuchen notwendig gewesen w ä r e . Zwar wurde die Vernichtung der R a t t e n u n d M ä u s e , die bekanntlich, viele ansteckende Krankheiten ü b e r t r a g e n können, im alten römischen und griechischen Reich v o n a u s g e b i l d e t e n S k l a v e n mit Fallen oder durch Totschlagen vorgenommen, aber diese Bekämpfungsart diente nur dem Vorratsschutz, lücht der Seuchenbekämpfung. Diese Sklaven dürften als die e r s t e n K a m m e r j ä g e r angesehen werden, zumal sich ihre Tätigkeit auch auf die Bekämpfung anderer WohnungsSchädlinge erstreckte. A n eine aus gesundheitlichen Gründen zielbewußte und syste- matische Ratten- und M ä u s e b e k ä m p f u n g dachte man erst i m Hochmittelalter (12. und 13. Jahrhundert) und i m Spätmittelalter (14. und 15. Jahrhundert). Ob es i n den ersten Jahrhunderten n. Chr. i n einem großen Teil Europas keine Ratten gegeben hat •— w i e vielfach behauptet wird —, ist u n g e w i ß ; sie sollen s p ä t e r v o n kriegerischen Horden aus dem Osten eingeschleppt worden sein, man habe sie für große M ä u s e gehalten. Angeblich hat G i r a l d u s v o n C a m b r a i (1147—1223) erstmalig Ratten und M ä u s e unterschieden. D a diese Nagetiere i m Mittelalter, vor aliem i m 12. bis 15. Jahrhundert, wegen der unhygienisdien V e r h ä l t n i s s e i n den Städten und Dörfern eine große Plage bildeten, was verständlich war, w e i l man die H a u s a b w ä s s e r i n offene Gossen ableitete und alle Abfallstoffe auf die Straße warf, wo Enten, G ä n s e und Schweine frei herumliefen, wurden der „ M e u s e m a n n " und der „ R a t t e n f ä n g e r " zur Bekämpfung der Nager eingesetzt. A l s A n g e h ö r i g e der Rattenfängerzunft trugen sie einen roten Mantel und eine Hahnenfeder am Hut. Sie galten als scharfsinnige Kenner des Tierlebens und beherrschten ihr Fach mit Ü b e r l e g e n h e i t ( F r i t s c h e ) . Namentlich litten die Spitäler unter der Rattenplage, da sie meist an oder ü b e r einem Fluß gebaut waren, um die Müll- und Fäkalienabfuhr zu erleichtern. Deshalb erteilte man dem Rattenfänger einen Dauerauftrag; „Er erhält eine Jahresbestallung i n Höhe von 2 fl. (Floren, Goldmünzen?) umb er e i a Jahr i m Hospital die ratten gefangen", wie es i n den A k t e n v o n St. Georg i n Leipzig geschrieben steht (Praxis aurea N r . 28, 18/19, 1966). Welche M i t t e l v o n dem „Rattengiftverkäufer", wie i h n R e m b r a n d t (1606—1669) i m Gemälde festgehalten hat, angeboten wurden, wissen w i r nicht. Sicher waren es nicht nur Fallen, denn damals waren schon M i t t e l und Verfahren zur Bekämpfung von Insekten, die als gesundheitsschädlich angesehen wurden, aus kulturell hochstehenden arabischen Ländern i n Europa bekannt geworden, so zum Beispiel die Schwefeldioxid-Vergasung v o n W o h n r ä u m e n , W e n n bisher bei uns die hygienisch wichtigen Schädlinge bekämpft wurden, so geschah es nur, weil sie lästig waren, die Behaglichkeit störten und gesellschaftlich belasteten, obschon man bereits im Altertum und i n der abendländischen Medizin seit dem frühen Mittelalter wußte, d a ß einige der oben genannten gemeingefährlichen und noch andere Krankheiten ü b e r t r a g b a r , also ansteckend waren. Deshalb hatte man, wie es schon i n der altorientalischen und altjüdischen H e i l kunde gesetzlich niedergelegt war, die Kranken abgesondert (Leprakranke seit dem 6. Jahrhundert n. Chr.) und verseuchte H ä u s e r gekennzeichnet ( E Ö t t g e r ) . Aber da dem V o l k e (he Einsiciit i n den U r s p r u n g d e r e p i d e m i s c h e n K r a n k h e i t e n verwehrt war, nahm es a b e r g l ä u b i s c h e G r ü n d e , rachsüchtige Götter oder eine Strafe Gottes für eigene oder fremde Schuld als Ursache an, w ä h r e n d die Ä r z t e und andere Personen, die sich mit der Heilkunde oder den Naturwissen- 109 sdiaften befaßten, sie auf W i t t e r u n g s e i n f l ü s s e oder aus dem Boden aufsteigende g i f t i g e D ü n . s t e (Miasmen) und auf s c h l e c h t e G e r ü c h e zurückführten. Deshalb empfahl zum Beispiel H i p p o k r a t e s (460—377 v. Chr.), der die älteste wissenschaftliche Seucheniehre schrieb, bei Auftreten von Seuchen und fteberhaften Erkrankungen der Atemwege die Beseitigung der schlechten Atemluft bzw. der Gerüche durch L ü f t u n g und durch R ä u c h e r n mit Holzrauch oder durdi den Rauch großer Feuer im Freien, um die Ansteckungsstoffe in der Luft z u zerstören. Diese M a ß n a h m e n waren nicht zur Bekämpfung v o n Schädlingen gedacht, sondern dienten zum Unschädiichmachen des Ansteckungsstoffes, also zu E n t seuchungs-(Desinfektions-)Zwecken. A l s man i m H o c h - u n d S p ä t m i t t e l a l t e r wegen der aufgetretenen Pest-Epidemien die Q u a r a n t ä n e m a ß n a h m e n verschärft durchführte (z.B. i n Marseille 1383, i n Venedig 1403), räucherte man die pestverseuchten imd -verdächtigen Sdiiffe, Waren, W o h n r ä u m e , ferner Papiergeld, Briefe, Schriftstücke usw. aus mit Schwefel, einem Pulver aus Kleie, Schwefel und Salpeter oder mit Arsenik, Myrrhen, Harz, Ingwer, Pfeffer, Kümmel, Enzian, Wacholder oder Weihrauch. Uber infizierte Orte wurden noch bis ins 18, Jahrhundert täglich wohlriechende Stoffe mit Kanonen verschossen. Zum persönlichen Schutz trug man „Riechäpfel", kleine siebartig durchlöcherte Behälter, gefüllt mit aromatischen Stoffen, um daran öfters zu riechen und damit die Miasmen und die schlechten Geruchsstoffe i n der Atemluft zu binden. Auch kaute man, wenn man a u ß e r h a l b der Wohnung war, aromatische Pflanzenwurzeln, A u s dem gleichen Grunde trugen Arzte ujid Pfleger beim Umgang mit Kranken eine schnabelförmige Maske, gefüllt mit Gemchsstoffen, femer einen Spazierstock mit durchlöchertem Knauf, i n dem sich Kapseln mit Moschus und A m b r a befanden, Die R ä u c h e n m g e n v o n Schiffen, W o h n r ä u m e n usw., die bei dem damaligen starken Handelsverkehr oft vorgenommen wurden, sind sicher v o n sachkundigen Personen durchgeführt worden. Denn i n den „ I n f e k t i o n s v e r o r d n u n g e n " der S t a d t W i e n v o m 28. A u g u s t 1562 w i r d vorgeschrieben, daß zur S ä u b e r u n g sowie zur A u s r ä u c h e r u n g v o n infizierten Zimmern besondere Personen angestellt werden. M a n nannte sie zwar nicht „Desinfektoren" —• das W o r t „Desinfizieren" war erst seit dem Cholerajahr 1831 volkstümlich geworden —, aber ihre Tätigkeit entsprach der eines D e s i n f e k t o r s , denn die Rauche haben eine, wenn auch nicht starke k e i m t ö t e n d e Wirkung. Hände, Gesicht und Geldstücike entseuchte man mit Essigwasser, K a l k ^vurde zum Tünchen der W ä n d e benutzt und auf Leichen bei Menschen- und Tierseuchen geschüttet. Zur körperlichen und seelischen S t ä r k u n g empfahl man, guten W e i n oder bitteren Schnaps zu trinken. V o n dem Franzosen G u y t o n d e M o r v e a u wurden 1773 erstmalig C h l o r g a s - R ä u c h e r u n g e n empfohlen, um die schädlichen Miasmen i n der Luft der Spitäler zu vernichten. W e n n auch G i r o l a m o F r a c a s t o r o (um 1530) nicht sichtbare Körperchen, A t h a n a s i u s K i r c h e r (1602—1680) kleinste Aus dem Inhalt: Seite ProL Dr. H. Kliewe und Wilhelm Hoos: Der Schädlingsbekämpfer einst und jetzt ., 109—113 Erwin R. Scherner: Auch ein W e g zur Sperlingsbekämpfung! . . 114 — 115 W e i ( e r lesen Sie : Was fehlt den Erdbeeren? Unsere Jubilare Mitteilungen des D S V Rechtsfragen Zeitschriftenschau Buchbesprechungen Kurznachrichten HO 113 116 116-118 118 118—119 119 119-120 W''ürmchen, A n t o n y v a n L e e u w e n h o e k (1675) kleinste Tierchen, andere Autoren milbenartige oder ähnliche kleine Lebewesen als Krankheitserreger ansahen, so wurden die wirklichen Erreger doch erst nachgewiesen, als etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts S e m m e l w e i ß die Ursache des ansteckensich j a mit den Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens den Kindbettfiebers erkannte und als etwas s p ä t e r P a s t e u r , R o b e r t K o c h und ihre Mitarbeiter die verschiedensten Krankheitserreger gefunden hatten. Die Folge war nun, daß neben allgemeinen hygienischen M a ß n a h m e n vor aliem D e s i n f e k tionen mit Dampf, h e i ß e r Luft, Formalin, K a l k , C h l o r , K r e s o l usw. zur A b t ö t u n g der Bakterien durchgeführt •wurden. In vielen Städten richtete man D e s i n f e k t i o n s a n s t a l t e n ein, die vorwiegend mit s t r ö m e n d e m Wasserdampf und Formalinzusatz arbeiteten. So entstand i n der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der haupt- und nebenamtliche B e r u f d e s D e s i n f e k t o r s , der zunächst ausschließlich Desinfektionen vornahm, A l s um die Jahrhundertwende erkannt worden war, daß Insekten als U b e r t r ä g e r v o n ansteckenden Krankheiten eine sehr wichtige, bei manchen sogar die wichtigste Rolle spielen, wurden i m e r s t e n W e l t k r i e g , vor allem i n den Sanitätsabteilungen der Wehrmacht, Desinfektoren i n Entseuchungsmaßnahmen, aber auch i n der Bekämpfung der Gesundheitsschädlinge ausgebildet; sie führten dann neben Desinfektionen auch bestimmte Entwesungen durch. V o r aliem wurde, als P r o w a z e k 1914 nachwies, d a ß Kleiderläuse das Fleckfieber ü b e r t r a g e n , i m Kriege 1914/18 die L ä u s e bekämpfung mit, Heißluft und Dampf i n großem Umfange vorgenommen. Bereits im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts hatte sich schon das Verlangen nach Bekämpfung nicht nur von Ratten und Mäusen, sondern auch v o n anderen tierischen Schädhngen, also von Ungeziefer, entwickelt. A u s dem mittelalterlichen „ M e u s e m a n n " und „Rattenfänger" entstand der „ K a m m e r j ä g e r " , der auch die Bekämpfung v o n Läusen, Flöhen, Wanzen usw., also speziell v o n Wohnungstingeziefer, ausführte. D i e Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schädlingsbekämpfung waren geschaffen worden, als z u Beginn des 19. Jahrhunderts J u s t u s V, L i e b i g zum Lehrmeister der W e l t für die chemische Chemie wurde, als B r a n d t und R a t z e b u r g 1833 ihre „Medizinische Zoologie" schrieben und die Franzosen P r e v o s t und R o b e r t s o n i n Kupfer- und Schwefelpräparaten die ersten wirksamen M i t t e l fanden, V o r allem wurden mit dem E r s t a r k e n der c h e m i s c h e n Industrie nach dem K r i e g e 1870/71 immer mehr brauchbare P r ä p a r a t e für eine erfolgreiche Schädlingsbekämpfung entwickelt. In diese Zeit fiel dann zwangsläufig die Entstehung eines weiteren Arbeitsgebietes der Schädlingsbekämpfung, das des methodischen P f l a n z e n s c h u t z e s . Zwar hat man schon früher M a ß n a h m e n zum Schütze der Kulturpflanzen und spezieil der zur Nahrung angebauten Pflanzen durchgeführt, aber mangels geeigneter M i t t e l und Verfahren waren diese Arbeiten noch erfolgloser als die M a ß n a h m e n gegen die Gesundheitsschädlinge. W e n n ü b e r h a u p t , so wurden sie nur durch die Eigentümer, d, h. die Landwirte und Gärtner, durchgeführt. M a n hatte bis dahin die g r o ß e Bedeutung des Pflanzenschutzes für die Volkswirtschaft noch nicht erkannt, zudem waren die Preise für pflanzliche Erzeugnisse so niedrig, zum T e i l wegen der ausländischen Konkurrenz, daß sich eine organisierte Schädlingsbekämpfung nicht rentierte. A b e r schon um die Jahrhundertwende zeigten sich die ersten A n s ä t z e zur Schaffung eines geordneten Pflanzenschutzes, V o r allem erkannte man w ä h r e n d des ersten Weltkrieges, wie wichtig der Schutz der Ernten und V o r r ä t e ist und wie durch p l a n m ä ß i g e Bekämpfungsmaßnahmen die Ernten gesichert und ertragreicher werden konnten. Auch die Bekämpfung v o n Körperungeziefer, vornehmlich der Läuse, war i n ihrer seuchenhygienischen Bedeutung v o l l erkannt worden und wurde, wenn auch noch mit recht unzureichenden Mitteln, eifrigst betrieben. V o m Kampf gegen die Verwanzung galt ähnliches. Der „. . . fahrende Sänger, v o n niemand gekarmt, der R a t t e n f ä n g e r . . . " , w u r d e jetzt e n d g ü l t i g zum K a m m e r j ä g e r ; es entstanden seßhafte Betriebe, die zum Teil auch heute noch i n der dritten und vierten Generation tätig sind. Sdion um die Jaiirhundertwende entstanden auch b e r u f l i c h e Z u s a m m e n s c h l ü s s e a u f ö r t l i c h e r E b e n e . So wurde z . B . die Kammerjäger-Vereinigung v o n Berlin im Jahre 1901 gegründet. Der Wunsch nach engerer Zusammenarbeit führte dann dazu, daß sich aus den bestehenden Vereinen „Freie Innungen" bildeten, die erste i n Dresden, danach i n Berlin, Leipzig, München, Frankfurt/Main, Dortmund, Bodium, Hannover und Breslau. A u s diesen Innungen entstand 1924 der „Bund der Innungen selbständiger Kammerjäger Deutschlands e.V.", A l s offizielles Organ gab der Bund auch eine Zeitschrift für Ungeziefer und Schädlingsbekämpfung, „Der Kammerjäger", heraus. In dem Bestreben, das Berufsethos und die Leistungen der Mitglieder zu fördern, wurden z. B. v o n der Organisation in Berlin Ausbildungs- und Fortbildungskurse an der Landwirtschaftlidien Hochschule in Berlin abgehalten. Maßgeblichen A n t e i l an diesen Lehrgängen hatten vor allem K e m p e r , R e i c h m u t h , P r e u s s und H a s e . Diese Begegnung mit den Wissenschaftlern trug auch insofern Früchte, als Prof. W i l h e l m i auf dem Naturforscher- und Ä r z t e t a g i n Hamburg i n seinem Vortrag zum Ausdruck brachte, daß die Konzessionierung des Kammerjäger-Berufes notwendig sei; ferner bezeichnete er die A u s ü b e n d e n des KammerjägerBerufes erstmalig als „ S c h ä d l i n g s b e k ä m p f e r " . In den Sitzungsberichten der „Freien Innung für das Kammerjägerund Schädlingsbekämpfer-Gewerbe i n Frankfurt" (1. Vorsitzender D i h n ) am 18. 10. 1928 und der Berhner „KammerjägerInnung" [1. Vorsitzender S c h r a m m ) am 11. 10. 1928 wurden die Ausführungen von Prof. W i l h e l m i lebhaft diskutiert und sehr begrüßt. Ein empfindlicher Rückschlag i n den Bestrebungen des Bundes trat aber i n den dreißiger Jahren mit der Uberführung des Bundes der Innungen s e l b s t ä n d i g e r Kammerjäger Deutschlands i n die Deutsche Arbeitsfront ein. Das Interesse am Bund schwand nun immer mehr, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. So war es verständlich, daß bald nach dem zweiten Weltkrieg der Bund der Kammerjäger aus dem Vereinsregister gelöscht wurde ( P o n i c k , S c h u l z e ) . Damit war das Schicksal der „Kammerjäger-Ära" besiegelt. Nach dem Zusammenbruch (1945) war die Notwendigkeit der Schädlingsbekämpfung keineswegs geringer geworden, im Gegenteil, gerade i n dieser Zeit war die Läusebekämpfung zur Abwehr des Fleckfiebers von größter Bedeutung. Die kreuz und quer durch Deutschland ziehenden Flüchtlingsströme, die vielen Notlager der auf Rücktransport wartenden Fremdarbeiter und die gesamte Nachkriegssituation waren potentielle Gefahrenquellen, die ständig sorgfältigster Überwachung und Bearbeitung bedurften. Das hatte zur Folge, daß nicht nur weitere Personen in den einschlägigen Fachgebieten ausgebildet, sondern die vorhandenen Kräfte weiter gesdiult und unterrichtet werden mußten. Dies war um so notwendiger, als mit dem auch bei uns zur Verfügung stehenden DDT und ähnlidien Neuentwicklungen Präparate mit völlig neuem Wirkungsmechanismus vorlagen, die zudem eine g e ä n d e r t e Anwendungstechnik erforderten. Um dem Mangel an Fachkräften schnellstens zu begegnen, wurden an einzelnen Hygiene-Instituten z e h n t ä g i g e K u r s e f ü r D e s i n f e k t o r e n u n d S c h ä d l i n g s b e k ä m p f e r abgehalten. In Mainz waren z. B. i n den Jahren 1947 und 1948 i n vier Kursen U 4 Teilnehmer aus Rheinland-Pfalz, Hessen, B a d e n - W ü r t t e m berg, Niedersachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg ausgebildet worden i n der Desinfektion ( K l i e w e ) , i n der Schädlingsbekämpfung im Hause, Garten und Obstbau ( K ü t h e ) und im Holzschutz ( M o e r s ) . Die Landesregierung SchleswigHolstein hatte i m A p r i l 1947 eine Fachschule für Schädlingsbekämpfung in Husum eingerichtet, die SOstündige Einführungslehrgänge und 120stündige L e h r g ä n g e für Fortgeschrittene abhielt. Einige Monate später hatte auch die Nordwestdeutsche Vereinigung der Schädlingsbekämpfer (Sitz Hamburg) eine Fachschule i n Bevensen (Hannover) eingerichtet, die Fortbildungslehrgänge durch Vortragsfolgen veranstaltete ( S t e i n i g e r ) . Die neu zu dem Beruf gestoßenen Kräfte setzten sich aus den verschiedensten sozialen Sciiichten zusammen, vom ungelernten Gelegenheitsarbeiter bis zum Intellektuellen mit politischer Vergangenheit, Die zum Teil u m f a n g r e i c h e n Aufträge brachten es mit sich, daß einige Betriebe zu recht beachtlicher G r ö ß e anwuchsen und 20, 50, j a 100 und mehr Personen beschäftigten, darunter viele Hilfsarbeiter ohne die geringsten Vorkenntnisse, Trotzdem wurde die Masse der Schädlingsbekämpfer weiterhin aus den K l e i n - und Einmannbetrieben gestellt. Allerdings waren audi darunter Hilfsarbeiter, die sicii nach dem Kriege selbstänchg gemacht hatten. M a n konnte ja den Beruf ohne Berufsausbildung und ohne Vorkenntnisse durch einfache Anmeldung ergreifen. Daß viele dieser und der i n den Großbetrieben arbeitenden H i l f s a r b e i t e r unsachliche A r b e i t leisteten, war nicht verwunderlich. Da i n dieser H i n sicht auch Klagen aus der B ev ö l k er u n g kamen und deshalb die Gefahr bestand, daß der ganze Berufsstand i n Mißkredit geraten w ü r d e , wurde der Wunsch nach beruflicher Vereinigung wieder lebendig, um dadurch möglichst bald die Spreu vom Weizen trennen z u k ö n n e n . Auch die Besatzungsmächte waren, da sie befaßten, an solchen Vereinigungen interessiert und machten keinerlei E m w ä n d e . So bilden sich bereits i m ersten Jahr nach dem Kriege L a n d e s - bzw. Orts v e r b ä n d e i n n e r h a l b der e i n z e l n e n B e s a t z u n g s z o n e n . In Hessen entstand der „Landesverband der Schädlingsbekämpfer H e s s e n " auf Initiative v o n D i h n , F u h r m a n n und H o o s . In N i e d e r s a c h s e n wurde unter M i t w i r k u n g v o n Dr. W o h l r a b und Dr, D r e e s durch L a u f t , G r o ß m a n n , K o c h , G o e p f e r t und S c h u l z e der „Verband Niedersächsiseher Schädlingsbekämpfer" gegr ündet ( S c h u l z e ) . In B a y e r n war es K o t t m ü l l e r , in B a d e n Z e i l e , i n H a m b u r g W e n i g , um nur einige der A k t i v e n aus dieser Zeit zu nennen, welche die L a n d e s v e r b ä n d e gründeten. Auch v o n Seiten einiger Firmen gingen Bestrebungen zur Weiterbildung und Konsolidierung des Berufes aus, wenngleich hier verständlicherweise kommerzielle G r ü n d e im Vordergrund standen. Im J u l i 1947 hatte der unter Leitung v o n D r . G . P e t e r s g e g r ü n d e t e A E D (Allgemeiner Entwesungsdienst) eine beachtliche T a g u n g i n B a d N a u h e i m abgehalten. Es nahmen daran teil 35 geladene G ä s t e (u. a. Landrat B a c h , Dr. H a r t i n g , Dr. H ü l s e n b e r g , Dr. H a n f , Dr. K a i s e r , Dr. M e h l , Dr. S t o l z e , Dr. R e i c h m u t h , Dr. H a u s m a n n , Dr. P o e t s c h k e ) , 24 Vertreter der anderen AED-Firmen von Wesseling, Hannover, Berneck, Bamberg, München, Ebingen, Oldenburg, Kassel, Wiesbaden, Hersfeld, Hameln, Mülheim/Ruhr, Cuxhaven, Braunschweig und Grönheim, ferner waren anwesend 40 Entwesungsleiter des A E D Friedberg. Tediniker und Hilfskräfte waren nicht eingeladen worden. Der Tagungsleiter Dr. G . P e t e r s sagte unter anderem i n der Begrüßungsansprache: Die Tagung sollte den „vornehmen Zweck erfüllen, einen fruchtbringenden Erfahrungs- und Meinungsaustausch zwischen den Vertretern der Behörden, Industrie und Anwendungsbetriebe der Schädlingsbekämpfer zu vermitteln," Neben den wissenschaftlichen V o r t r ä g e n v o n Dr. F i n k e n b r i n k , Wirtschaftsberater K l o s e , Dr. G . P e t e r s , Dr. K a p p e s und M u e l l e r wurden auch ein Berufsbild des künftigen Schädlingsbekämpfers eingehend behandelt und ein „Gesetz zur gewerblichen Schädlingsbekämpfung" entworfen. Unterdessen hatte auch der Landesverband Hessen mit den zuständigen Verwaltungen Verbindung aufgenommen, und am 30. September und 1. Oktober 1947 fand auf Veranlassung der Medizinalabteilung des Hessischen Innenministeriums eine T a g u n g i n W i e s b a d e n statt. Hauptinitiatoren waren wohl Dr. K r e y und Dr. H a r t i n g vom gleichen Ministerium, ferner W i l h e l m H o o s . Tagungsleiter war Dr. D r e e s von der Zweizonenverwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Frankfurt. W i e wichtig und erwartungsvoll diese Tagung gedadit war, zeigen die weitgehenden Einladungen an: Innemninisterien, Med.-Abt., i n München, Stuttgart, W i e s baden, Hannover, K i e l , Hamburg und Bremen; Sozialministerium, Med.-Abt., i n Düsseldorf; Pflanzenschutzämter i n München, Bonn, Oldenburg und Frankfurt; Hygiene-Institute i n Mainz, Marburg und Husum; Biologische Zentralanstalten i n Braunschweig und BerhnDahlem; K r e i s v e t e r i n ä r ä m t e r i n Offenbach und Mainflingen; Vereinigung der Schädlingsbekämpfer Hessen i n Frankfurt; Nordwestdeulsche Vereinigung der Schädlingsbekämpfer i n Hamburg und i n K i e l ; III Verband der Schädlingsbekämpfer Nordrhein-Westfalen i n Köln; Verband der Firmen für Desinfektion und Sdiädlingsbekämpfung in München. A l s Vertreter der n e u g e g r ü n d e t e n L a n d e s v e r b ä n d e der Bizone waren die Schädlingsbekämpfer B r o c k m a n n , G r u n o w , I-Ioos, K o t t m ü l l e r , W e n i g und Z e i l e erschienen. A m ersten Tag der Tagung wurden K u r z v o r t r ä g e gehalten von Dr. H ü l s e n b e r g , Dr. H a r t i n g , Dr. B o d e s h e i m (Jurist), Dr. W i n k e l m a n n und Dr. R e i c h m u t h . Im Anschluß an die V ort r äge erfolgte eine Aussprache ü b e r den v o m Allgemeinen Entwesungsdienst eingereichten, aber bereits überholten Entwurf des Gesetzes und der Ausführungsbestimmungen ü b e r die gewerbliche Schädlingsbekämpfung; i n beiden Vorlagen wurden unwesentliche A b ä n d e r u n g e n vorgenommen. A m nächsten Tag (I.Oktober 194?) wurde zunächst der am Vortage diskutierte Gesetzesentwurf nochmals beraten. Dann hielten Kurzvorträge über die Ausbildung der Schädlingsbekämpfer Dr. P e t e r s , Dr. S t o l z e und Prof. K l i e w e . Nachmittags wurde die Diskussion ü b e r das Gesetz und die Ausführungsbestimmungen fortgesetzt. Nach eingehender, heftiger Debatte wurden weitere A b ä n d e r u n g e n getroffen. Ferner schufen die teilnehmenden Landesvorsitzenden einen InterzonenA u s s c h u ß durch die W a h l von vier Vertretern (zwei für die Britische und zwei für die US-Zone. K o t t m ü l l e r wurde der Vorsitz des Ausschusses übertragen. A m 24. Oktober 1947 bekam der Leiter der Delegation der Britischen Zone ( W e n i g ) ein Schreiben v o n K o t t m ü l l e r , daß er am 28. Oktober 194? zu einer B e s p r e c h u n g b e i D r . D r e e s i n F r a n k f u r t eingeladen sei. A n l a ß war die beabsichtigte G r ü n d u n g e i n e s s e p a r a t e n V e r b a n d e s d e r G r o ß f i r m e n , welche sich damit eine A r t Monopolstellung für die Ausführung v o n größeren Aufträgen sichern wollten. D r e e s wollte diese Entwicklung verhindern und vermitteln. Die von zwei führenden Vertretern des A E D vorgelegte Resolution wurde von W e n i g und den ebenfalls anwesenden U r b a n und S c h u l z abgelehnt. Ihre Annahme h ä t t e das Ende aller Klein- und Mittelbetriebe bedeutet. Es wurde z. B. verlangt: „Innerhalb der Landesverbände der Schädlingsbekämpfer setzt sich der Vorstand zu gleichen Teilen aus Vertretern des landwirtschaftlichen und hygienischen Sektors zusammen." W ü r d e die Resolution zum Gesetz, dann w ä r e n die landwirtschaftlichen Schädlingsbekämpfer des A E D , der ja überall seine Niederlassungen hatte, i n allen L a n d e s v e r b ä n d e n i m Vorstand. Ferner w ü r d e die Fliegenbekämpfung i n Ställen, die vom A E D damals in großem Slil durchgeführt wurde, als zur landwirtschaftlichen Schädlingsbekämpfung gehörig zählen. Weiter heißt es i n der Resolution: „Firmen, ehe landwirtschaftliche Schädlingsbekämpfung durchführen wollen, m ü s s e n mindestens einen Landkreis geschlossen mit eigenen Fachkräften bearbeiten können." Das würde eine schwere wirtschaftliche Schädigung der anderen Schädlingsbekämpfer bedeuten. A m 8. November 1947 berief W e n i g seine Kollegen von der Westdeutschen Vereinigung nach S ü l z e und erstattete Bericht ü b e r die Besprechung i n Frankfurt; er empfahl, die Vorsitzenden sämtlicher Landesverbände zu der bereits am 26. November 1947 in M a r b u r g geplanten Tagung einzuladen und über die Resolution abzustimmen. A n dieser Tagung nahmen teil: Dr. P o e t s c h k e (Tagungsleiter}, Prof. K l i e w e , Dr. T r a p p m a n n , Dr. B u h l , Dr. H ä r t i ; n g , Dr, H ü l s e n b e r g , Dr. R e i c h m u t h , Dr. S t o l z e , und von den gewerblichen Schädiingsbekämpfern K o t t m ü l l e r , W e n i g , G r u n o w und Z e i l e . A u ß e r d e m erschienen zu einer internen Besprechung ü b e r Fragen des Aufbaues der Landesverbände der gewerblichen Schädlingsbekämpfer die Vertreter der einzelnen L a n d e s v e r b ä n d e und hielten (zeitweise i n Abwesenheit der Behördenvertreter) am Abend des 25. November 1947 eine Besprechung ab. Nach heftiger Diskussion für und wider die Resolution sprachen sich vor allem W e n i g und H o o s gegen die Resolution aus, darauf wurde sie abgelehnt, Dr. S t o l z e empfahl nun folgende Enlschließung zur Annahme: „Die am 25. November 1947 i n Marburg versammelten Vertreter der L a n d e s v e r b ä n d e der Schädlingsbekämpfer sind sich einig, d a ß sie die Interessen 112 a l l e r gewerblichen Schädlingsbekämpfer, der großen wie der kleinen, der auf dem Gebiete der Hygiene wie des Pflanzenschutzes Arbeitenden zu vertreten haben, wenn sie erfolgreich bei der dringenden Bereinigung und Ordnung des Berufsstandes mitwirken wollen. Das baldmögliche Inkrafttreten des Gesetzes zur Ordnung der gewerblichen Schädlingsbekämpfer ist nur unter dieser Voraussetzung möglich." Diese Entschließung wurde angenommen; damit war die Frankfurter Resolution abgelehnt. Auf der Marburger Tagung wurde femer beschlossen, einen „Zentralverband für Schädlingsbekämpfer" ins Leben zu rufen. Zunächst fand dieser Vorschlag wenig Anklang, da man doch schon die L a n d e s v e r b ä n d e g eg r ü n d et habe. Nach eingehender Aussprache wurde doch die Ü b e r z e u g u n g gewonnen, daß die Interessen aller deutschen Schädlingsbekämpfer vertreten werden müßten, Deshalb wolle man einen vollkommen neuen Berufsstand, den des „modernen Schädlingsbekämpfers", schaffen und i h n an die Stelle des „Kammerjägers" setzen. Der Landesverband Braunschweig schlägt vor, K o t t m ü l l e r zu bitten, alles Nötige (einheitliche Richtlinien, Sch.ulungs-, Nachwuchsfragen usw.) i n die Wege zu leiten. Sodann wurde der auf der Wiesbadener Tagung am 1. Oktober 1947 formulierte Entwurf N r . 12 des Gesetzes und der Ausführungsbestimmungen erneut eingehend beraten und ihm die Fassung Nr. 13 gegeben. Feiner schlug Dr. P o e t s c h k e zur besseren Überwachung der Schädlingsbekämpfer die Erweiterung der Pflanzenschutzamter zu einem „Amt für Schädlingsbekämpfung" vor. Auch hielt man es für wünschenswert, wenn die Biologische Zentralanstalt i n Braunschweig für die Bizone als Zentral Institution für die angewandte Biologie alle Aufgaben ü b e r n e h m e n w ü r d e , die aus dem Gesetz und seinen Durchführungsverordnungen erwachsen würden. Die Ausbildung der Schädlingsbekämpfer sollte durch landeseigene Kräfte, die Fortbildung aber für staatlich geprüfte Schädlingsbekämpfer an der Biologischen Zentralanstalt vorgenommen werden. Im gleichen Jahr (1947} wurde auf einer Zusammenkunft der Vorsitzenden der L a n d e s v e r b ä n d e i n B r a u n s c h w e i g als N a c h f o l g e r von K o t t m ü l l e r H o o s zum 1. Vorsitzenden gewählt. In den folgenden Jahren galt es, ehe L a n d e s v e r b ä n d e arbeitsfähig zu machen und innerlich zu stärken. Der Erfolg blieb nicht aus. A m 24. und 25. März 1950 fand i n K a s s e l eine der Sitzungen der Vereinigten L a n d e s v e r b ä n d e statt. A u f dieser Tagung berichteten Z e i l e und R e b m a n n u. a, über die Absicht, im J u n i i n S t u t t g a r t eine Veranstaltung unter dem Motto „Schädlingsbekämpfung — Wissenschaft und Praxis" durchzuführen. Die Initiative ging vor allem aus v o m damaligen Leiter der Abteilimg für Schädlingsbekämpfung bei der Stadtverwaltung Stuttgart, Dr. H . P e t e r s . Da inzwischen auch die Bemühungen, aus den Vereinigten L a n d e s v e r b ä n d e n einen Deutschen - Schädlingsbekämpfer-Verband zu gründen, weitergediehen waren, schlug H o o s vor, diese Veranstaltung als G r ü n d u n g s s i t z u n g und als 1. V e r b a n d s t a g auszubauen, was allseits Zustimmung fand. A m 8. Juni 1950 fand diese interessante und für die Scbädhngsbekämpfung historische Tagung statt. E r s t e r B u n d e s v o r s i t z e n d e r d e s n e u e n „ D e u t s c h e n S c h ä d l i n g s b e k ä m p f e r - V e r b a n d e s e.V." wurde H o o s , sein S t e l l v e r t r e t e r u n d z w e i t e r V o r sitzender U r b a n . A l s weiteres Vorstandsmitglied und Kassierer war K i r c h h o f f gewählt worden. Neben mehreren wissenschaftlichen V o r t r ä g e n war eine eindrucksvolle Fachausstellung Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Auch die Praxis kam z u Wort, und i n organisatorischer Hinsicht wurde die U m g r u p p i e r u n g d e r L a n d e s v e r b ä n d e i n L a n d e s g r u p p e n des D S V v o l l z o g e n . In der folgenden Zeit wurde immer deutlicher, daß z w i s c h e n d e m B e r u f des D e s i n f e k t o r s u n d d e m des S c h ä d lingsbekämpfers e i n e A b g r e n z u n g erfolgen mußte, denn trotz vieler Gemeinsamkeiten war offenbar, daß schon v o n der Aufgabenstellung her ein wesentlicher Unterschied bestand. ' V o r allem waren und sind die hauptamtlich tätigen Desinfektoren Angestellte der Gemeinden oder auch des Landes, während die SchädUngsbekämpfer ausschließlich Gewerbetreibende, also selbständige Unternehmer sind. Die nebenamtlichen Desinfek- toren setzten sidi aus den versdiiedensten Berufen zusammen, wo sie sowohl Angestellte als auch- selbständig sein konnten. Da man sich aber ü b e r die Aufnahme der hauptamtlich t ät i g en Desinfektoren i n den D S V noch nicht einigen konnte, wurden i n der am 11. Oktober 1950 i n G o s l a r stattgefundenen erweiterten Vorstandssitzung des D S V „folgende Richtlinien bescäilossen, die an Prof. K l i e w e wciterzuleiten sind: 1. Es erklärt sich der Deutsche SchädlingsbekämpferVerband bereit, mit den Desinfektoren ü b e r die Belange der beiden Berufe zu verhandeln, und schlägt folgendes vor: 2, Der hauptamtlich angestellte Desinfektor führt keine Schädlingsbekämpfung durch. 3. Die nebenamtlichen Desinfektoren kommen aus den Reihen der Schädlingsbekämpfer. 4. Die Schädlingsbekämpfer nehmen an einem Desinfektionslehrgang teil und legen die Desinfektorenprüfung ab. 5. Schädlingsbekämpfer und Desinfektoren sind aus der Gewerbefreibeit herauszunehmen." A m 27. Januar 1951 schrieb Dr. K r e y : „Durch hiesiges Betreiben sind jedoch die Schädlingsbekämpfer i n unserem Land (Hessen) seit über Jahresfrist aus der G e w e r b e f r e i h e i t herausgenommen; sie sind dadurch erstmalig zulassungspflichtig geworden. A l s wesentlichen Bestandteil des Zulassungsverfahrens sollen sie einer Sachkundeprüfung imterstellt Vierden." Desinfektoren und Schädlingsbekämpfer hygienischer Schädlinge fallen unter die Gruppe, welche die „Volksgesundheit und das Gemeinwohl" betreffen, für welche die Gewerbelizenzierung nicht aufgehoben ist (Direktive der Amerikanischen Militärregierung v o m 2. Dezember 1948, APO/633). A m 8. A p r i l 1951 teilte L a d e m a n n v o n der Landesgruppe Bremen mit, daß auch der Senator für das Gesundheitswesen — Landesgesundheitsverwaltung —• am 28. Februar 1951 dem Landesverband bekanntgegeben habe, daß diejenigen Schädlingsbekämpfer, die vor Erlaß der 6. Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Regelung der Gewerbefreiheit ihre Tätigkeit aufgenommen haben, einem Zulassungsverfahren und damit einer Sachkundeprüfung nach § 2 Buchst, n nicht unterworfen werden können. N e u selbständig werden wollende Schädlingsbekämpfer k ö n n e n künftig erst ihre Zulassung v o m Gewerbeamt erhalten, nachdem sie die staatliche Anerkennung erworben haben. Die Richtlinien für eine b u n d e s g e s e t z 1 i c h e R e g e l u n g der Tätigkeit des Schädlingsbekämpfers waren bereits im Januar 1951 dem Bundesinnen- und -arbeitsministerium vorgeschlagen worden. Nachdem Dr. K o c h , Dr. H a b e r n o l l , H o o s und Prof. K l i e w e i n M a i n z nochmals die Neuregelung besprochen hatten, wurde am 7. August 1951 der 3. Vorentwurf von dem „Gesetz ü b e r die A u s ü b u n g des Berufes als Desinfektor und Schädlingsbekämpfer hygienischer Schädlinge" dem Bundesinnen- und -arbeitsministerium überreicht. In den letzten Wochen zuvor hatten auch Besprechungen mit den Vorsitzenden der Landesgruppen i n F r a n k f u r t und B i n g e n stattgefunden. A m 12.Dezember 1950 schrieb K o t t m ü l l e r an Prof. K l i e w e : „Dem gewerblichen Schädlingsbekämpfer soll es jedoch überlassen bleiben, sich im Pflanzenschutz oder Holzschutz z u betätigen; doch müßte er hierfür eine entsprechende Ausbildung und eine Prüfung abgelegt haben. Da dies eine Angelegenheit des Pflanzenschutz- oder Holzschutzsektors sei, die bei einem Zustandekommen eines Gesetzes im hygienischen Sektor sicher an dieser Entwicklung und Regelung interessiert sind und damit von selbst Anordnungen und Bestimmungen erlassen w ü r d e n , die eine solche Regelung vorsehen. Ob i n allen Ländern eine solche Regelung möglich ist, bedarf noch einer Besprechung." Um diese Unklarheiten z u beseitigen, fand auf Veranlassung von Prof. S e i s e r , Referent im Innenministerium i n M ü n c h e n , am. 8. M a i 1951 eine Sitzung statt, da i n Bayern Bestrebungen im Gange waren, mehr den Pflanzenschutz z u fördern und die anderen Schädlingsbekämpfer zu unterdrücken. A n der Sitzung nahmen mehrere Hygieniker teil (Professoren B r a u n , K l i e w e , L e n t z e , S o n n e n s c h e i n , S c h ä f e r , Dr. F r e y t a g , Dr. L a u ) und K o t t m ü l l e r . Die Besprechung führte z u dem Ergebnis, daß die Desinfektoren und Schädlingsbekämpfer hygienisch wichtiger Schadtiere sich vereinigen sollten, ein Zusammengehen mit dem Pflanzenschutz lehnte man ab, Im übrigen wurde empfohlen, bis zur Eundesregelung zu warten. da zur Zeit verhandelt w ü r d e , die Schädlingsbekämpfer des Pflanzenschutzes als besondere A b t e i l u n g i n den Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband aufzunehmen. M a n habe diesen Wunsch vielfach v o n Mitgliedern des Pflanzenschutzes gehört, da bei ihnen der Zusammenhang recht mangelhaft sei. W i e aus einem Briefwechsel mit Dr, K o c h (29. November 1950) hervorging, bereitete schon die F o r m u l i e r u n g e i n e r A b g r e n z u n g der D e s i n f e k t o r e n v o n den gewerbl i c h e n S c h ä d i i n g s b e k ä m p f e r n S c h w i e r i g k e i t e n . Die Formulierung m ü ß t e besagen, welche T ä t i g k e i t e n den Desinfektoren bei der hygienischen Schädlingsbekämpfung vorbehalten bleiben sollen. Eine Stellungnahme v o n H o o s mit den T ä t i g k e i t s m e r k m a l e n beider Gruppen gab Prof. K l i e w e am 18. Dezember 1950 an. Dr. K o c h weiter. Da man aber seit l ä n g e r e r Zeit nichts mehr v o n den Ministerien hörte, bat H o o s am 16. J u l i 1951, Dr. K o c h den inzwischen fertiggestellten Entwurf für die Berufsordnung „Schädlingsbekämpfer" zu übersenden und die Angelegenheit mit größtmöglicher Beschleunigung zu behandeln. A m gleichen Tage schrieb H o o s an Dr. H a b e r n o l l (Bundesinnenministerium): „Wir greifen auf eine Unterredung zurück, die Sie Ende November 1950 i n Hannover mit Prof. K l i e w e hatten, wobei Sie zum Ausdruck brachten, d aß unsere Berufsregelung nicht v o r Weihnachten 1950 erledigt werden k ö n n e . Und nun haben w i r bald August 1951 und stehen m.it leeren H ä n d e n da. W i r m ü s s e n leider mit aller Deutlichkeit betonen, daß Gefahr im V e r z u g ist, daß ein Auseinanderfallen des Verbandes zu erwarten ist und daß dann die Sdiuld bei den Regierungsstellen zu suchen ist," A m 28. J u l i 1951 schrieb H o o s an Prof. K l i e w e ; „Es sind jetzt sieben Wochen her, daß uns der neue Entwurf i n Aussicht gestellt wurde, und alles ist ruhig , . . W i r beginnen tatsächlich an dem guten Ende zu zweifeln. Sind Sie in der Lage, sich noch einzuschalten?" (Fortsetzung folgt!)