Party auf dem See - Dampferfreunde Vierwaldstättersee
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Party auf dem See - Dampferfreunde Vierwaldstättersee
Kantone Sonntag, 19. Mai 2013 / Nr. 20 Zentralschweiz am Sonntag 19 Auf dem Weg zur grossen Parade: die vier Dampfer, von der «Gallia» aus fotografiert. Bild Pius Amrein Party auf dem See VIERWALDSTÄTTERSEE Die «Gallia» ist 100 Jahre alt. Das wurde gestern mit einer grossen Parade gefeiert. In einem Rennen bewies die Jubilarin, dass sie der schnellste Dampfer auf Europas Seen ist. THOMAS HEER [email protected] Die Schweiz ist ein Binnenland. Aber immerhin eines, das sich einer Vielzahl von Seen rühmen darf. Flächenmässig grosse Gewässer gehören zwar wenige dazu. So verglich Max Frisch bereits in den 1950er-Jahren in seinem Klassiker «Stiller» den Zürichsee wenig begeistert mit einem Fluss. Auch der Vierwaldstättersee zählt nicht zu den Giganten. Aber im Vergleich zum Zürichsee unterscheidet sich das Gewässer im Herzen der Schweiz primär in zweierlei Hinsicht. Erstens ist der Vierwaldstättersee in Sachen Vielfältigkeit und landschaftlicher Charme kaum zu toppen. Und zweitens verkehrt auf dem Wasser eine Dampfschiflotte, die ihresgleichen sucht. Diese Prunkstücke wurden auch gestern wieder einmal während einer Parade in eindrücklicher Art und Weise in Szene gesetzt. Das unvergleichliche Paar – der See und seine Schife – zählt klar zu den Juwelen in der Angebotspalette des Zentralschweizer Tourismus. Maschinist in Hochform Noch bewegen sich die Kolbenstangen im Motorenraum der «Gallia» vor Vitznau gemächlich auf und ab. Es ist 14.24 Uhr, und mit der Ruhe ist es nun vorbei. Das Rennen ums Blaue Band beginnt. Mit gekonnten Handgrifen treibt der Erste Maschinist auf der «Gallia», Robert Winkler, sein Schif zur Höchstleistung. Schliesslich will bewiesen sein, dass die «Gallia» unter den Dampfschifen auf dem Vierwaldstättersee das schnellste ist. Das gelingt denn auch. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von über 31 Kilometern pro Stunde durchquert die Jubilarin nach rund neun Minuten als Erste die iktive Ziellinie zwischen den beiden Motorschifen «Schwyz» und «Winkelried», die vor Weggis Position bezogen haben. Einen solchen Wettbewerb hat es bislang noch nie gegeben. Und mit dem Sieg hat die «Gallia» obendrein auch unterstrichen, dass sie das schnellste Dampfschif auf Europas Binnengewässern ist. Als Auszeichnung für den Sieg in diesem Showrennen durfte «Gallia»Kapitän Hans Wipli im Anschluss das Blaue Band aus den Händen des Urner Landammanns, Josef Dittli, entgegennehmen. Am Event waren aber nicht nur die Dampfschife eingebunden. Im Fokus standen zudem die beiden Motorschife «Schwyz» und «Winkelried». Fortsetzung auf Seite 21 Kantone Sonntag, 19. Mai 2013 / Nr. 20 Zentralschweiz am Sonntag Gewonnen: «Gallia»-Kapitän Hans Wipfli nach dem Rennen. 21 Die «Stadt Luzern» bei der Parade: Entgegen den Prognosen schien gestern die Sonne. Bilder Pius Amrein Fortsetzung von Seite 19 Party auf dem See Die «Winkelried» feiert dieses Jahr wie die «Gallia» einen runden Geburtstag, nämlich den fünfzigsten. Und die «Schwyz» präsentierte sich nach einer mehrmonatigen Sanierung während des Winters in neuem Glanz. «Grossartige Ingenieurleistung» Dass die Flotte mehr ist als nur eine Attraktion für Touristen, wurde auch gestern deutlich. Die Schife sind Teil des hiesigen Kulturguts. Viele Menschen verbinden mit diesen Verkehrsmitteln wichtige Fixpunkte in ihrem Leben. Unter den knapp 1600 Gästen, die sich das Ereignis auf den sieben eingesetzten Schifen nicht entgehen lassen wollten, befanden sich auch die Ehepaare Josef und Beatrice Muggli aus Hertenstein, sowie Irene Klein mit ihrem Gatten Heinz. Wie das Ehepaar Muggli feierten auch die Kleins vor Jahrzehnten ihr Hochzeitsfest auf der «Gallia». Mit an Bord war auch René Scherbarth, ein gebürtiger Dresdner in Begleitung seiner Arbeitskollegin Anna Gueye. Auch in Scherbarths Heimat verkehren Dampfschife, und zwar auf der Elbe. Der 39-Jährige zieht einen Vergleich: «Das Panorama hier ist einmalig und viel eindrücklicher als bei mir zu Hause.» Hans Heusser kam aus dem zürcherischen Volketswil an den Vierwaldstättersee gereist. Und was der Pensionär sagt, kann ohne Wenn und Aber unterschrieben werden: «Ich bin fasziniert von der Mechanik, die sich in diesen Schifen indet, einfach eine grossartige Ingenieurleistung.» Der 73-Jährige freut sich auch, dass er diese Verkehrsmittel nicht im Museum bestaunen muss, und stellt abschliessend fest: «Der Zustand Auf dem Weg zum Rennen: die fünf Dampfschiffe. der Schife auf dem Vierwaldstättersee ist auf einem unglaublich hohen Niveau.» Teamwork ist gefragt Auf einem Schif, so die gängige Meinung, ist der Kapitän die zentrale Figur. Der betrefende Mann auf der «Gallia», Hans Wipli, will davon aber nichts wissen. Er stellt das Teamwork in den Vordergrund und sagt: «Eine ganze wichtige Funktion kommt zum Beispiel dem Maschinisten zu.» Befolgt dieser die Anweisungen seines Chefs nicht bis ins letzte Detail, kann das ins Auge gehen. Besonders dann, wenn die Wetterverhältnisse schlecht sind und sich der See entsprechend aufgewühlt zeigt. www... Galerie: Mehr Bilder zum Dampferanlass auf www.luzernerzeitung.ch/bilder Wettfahrt um das Blaue Band EHRE sra. Das Blaue Band steht für eine Ehrung, die das schnellste Schif für bezahlende Passagiere auf der Transatlantik-Route von Europa nach New York erhalten hat. In der Dampfschiffahrt bekam nun jedes neue Passagierschif, das mit seiner Durchschnittsgeschwindigkeit bei der Nordatlantiküberquerung einen Rekord aufstellte, diese Ehrung verliehen. Später hisste man einen blauen Wimpel, zu dem auch noch ein Pokal gestiftet wurde. Erste Trägerin des Bandes war 1838 das britische Schif «Great Western». Im 19. Jahrhundert beherrschten britische Reedereien das Geschäft mit den Schnelldampfern. In der Folge entwickelte sich die Geschwindigkeits- Es läuft wie geschmiert: «Gallia»-Maschinist Robert Winkler. Trophäe zu einem wichtigen Prestigeobjekt im Konkurrenzkampf zwischen den Schiffahrtslinien nach Übersee: Denn der jeweils schnellste Dampfer wurde von den Passagieren der ersten Klasse bevorzugt. «Titanic» auf Rekordfahrt? Eine weit verbreitete Legende besagt, dass auch die «Titanic» auf ihrer schicksalsträchtigen Jungfernfahrt einen Rekord aufstellen sollte. Es gibt aber auch Stimmen, die das aufgrund der technischen Beschafenheiten für unmöglich hielten. In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 kollidierte die «Titanic» mit einem Eisberg und versank im Nordatlantik, etwa 1500 Menschen verloren dabei ihr Leben. Nach dem Rennen erhält die «Gallia» das Blaue Band. Bild Christian Perret DS «Stadt Luzern»: Das Flaggschif DS «Uri»: Der Eisbrecher DS «Schiller»: Der TV-Star DS «Gallia»: Die Schnelle DS «Unterwalden»: Das Vorbild Länge 63,5 Meter Gewicht leer 410,5 Tonnen Leistung 1600 PS Passagiere 1200 Geschwindigkeit 29,8 km/h Total Kilometer 981 965 Länge 61,8 Meter Gewicht leer 287,8 Tonnen Leistung 650 PS Passagiere 800 Geschwindigkeit 27,4 km/h Total Kilometer 2 101 594 Länge 63,0 Meter Gewicht leer 296,5 Tonnen Leistung 700 PS Passagiere 900 Geschwindigkeit 28,0 km/h Total Kilometer 1 378 105 Länge 62,85 Meter Gewicht leer 323,7 Tonnen Leistung 1080 PS Passagiere 900 Geschwindigkeit 31,5 km/h Total Kilometer 1 222 232 Länge 62,0 Meter Gewicht leer 300,5 Tonnen Leistung 858 PS Passagiere 700 Geschwindigkeit 28,01 km/h Total Kilometer 1 751 975 Die «Stadt Luzern» ist das Flaggschiff der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees. 1928 von den Gebrüdern Sachsenberg in Rosslau a. d. Elbe erstellt, ist es das letzte für einen Schweizer See gebaute Dampfschiff. Zu den bedeutendsten Anlässen an Bord des Flaggschiffes zählt die Fahrt am 25. Juli 1940 zum Rütli: General Henri Guisan, Oberbefehlshaber der Schweizer Armee im Zweiten Weltkrieg, versammelte die ranghöchsten Offiziere zum legendären Rütli-Rapport. Zu den weiteren prominenten Gästen zählen die ehemalige argentinische Firstlady Evita Peron sowie die englische Königin Elisabeth II., die 1980 im Panoramasaal tafelte. Der 1901 von den Gebr. Sulzer, Winterthur, erbaute Dampfer ist der älteste Raddampfer der Schweiz. Seine besonderen Eigenschaften sind ausgezeichnetes nautisches Verhalten, stabil im Sturm, sehr sparsam im Brennstoffverbrauch. Die zuverlässige «Uri» stand früher fast ganzjährig im Einsatz. In lang anhaltenden Kälteperioden (letztmals im Februar 1963) diente die «Uri» als Eisbrecher, um die Fahrrinnen frei zu halten. Durch den harten Einsatz wurde das Schiff mehrere Male beschädigt. Prominente Gästen waren der deutsche Bundespräsident Roman Herzog und die Gattin des ehemaligen US-Präsidenten, Hillary Clinton. Das 1906 von den Gebr. Sulzer erbaute Dampfschiff «Schiller» gilt in weiten Kreisen als ästhetisch ausgewogenster Raddampfer der Schweiz. «Brav und zuverlässig», so taxieren Werftleitung und Personal das Dampfschiff. Am 27. September 1986 wurde der Dampfer zum Star in der Samstagabend-Fernsehsendung «Wetten, dass ...». Eine Rudercrew des Seeclubs Luzern zog die «Schiller» 30 Meter weit, was den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde bedeutete. 1917 weilte Prinz Philipp Albrecht von Württemberg zusammen mit 600 Kriegsinternierten auf dem Schiff. 2009 fuhr der russische Präsident Dmitri Medwedew von Seedorf nach Brunnen. Der 1913 von Escher-Wyss & Cie., Zürich, erbaute Dampfer ist der schnellste Raddampfer auf europäischen Binnenseen. Das hohe Tempo wird unter anderem dank dem flachen Schiffsboden ohne Kiel erreicht. Dafür neigt sich das Schiff bei Anlegemanövern stark zur Seite, was hohe Ansprüche an die Schiffsführung stellt. Während den beiden Weltkriegen wurde das Schiff selten eingesetzt, was zu Standschäden führte. Zweimal sollte der Dampfer umgebaut werden: 1920 war ein 72 Meter langes Dreideckschiff mit zwei Schornsteinen geplant, 1960 wurde der Umbau in ein dieselelektrisches Schiff nach dem Vorbild von Genfersee-Schiffen diskutiert. Die Rettung der 1902 von Escher-Wyss & Cie. erbauten «Unterwalden» war die Meisterleistung der Dampfererhaltung. Die «Unterwalden» war ab 1978 ausser Betrieb und erlebte 1985 eine triumphale Rückkehr. 2009 bis 2011 wurde sie für 10 Millionen Franken totalsaniert. Gleich zweimal machte sie mit Nidwaldens Boden Bekanntschaft: 1923 landete sie wegen eines Navigationsfehlers im Park des Hotels Nidwaldnerhof in Beckenried, 1956 strandete sie im Nebel bei Kehrsiten. 1946 war der englische Premierminister Sir Winston Churchill Gast, 1987 Königin Hussein von Jordanien mit seiner Frau Nur. Quelle: Dampferfreunde (www.dampfschiff.ch)