From Inner to Outer Shadow

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From Inner to Outer Shadow
From Inner to Outer Shadow
Österreichisches Kulturforum Istanbul
November 2014
„... Sie versuchen vielmehr, Objekte zu schaffen, die tiefer sind als die
Bestandteile, durch die sie sich ankündigen, oder auf Objekte anzuspielen,
die sich nicht ganz vergegenwärtigen lassen.“ (Graham Harman, Der
dritte Tisch, Reihe: (dOCUMENTA (13): 100 Notizen - 100 Gedanken
# 085)
Die zwölf Künstler_Innen Eva Chytilek, Nikolaus Gansterer, Isabella
Kohlhuber, Brigitte Kowanz, Peter Kozek, Krüger&Pardeller, Alexander
Martinz, Wolfgang Obermair, Niki Passath, Franz Schubert und
Anna Zwingl sind Lehrende in der Abteilung Transmediale Kunst
an der Universität für angewandte Kunst Wien. Im Österreichischen
Kulturforum Istanbul stellen sie erstmals gemeinsam aus.
„From Inner to Outer Shadow“ als Titel, sowie die Architektur und Lage
des Kulturforums standen am Beginn dieses Projektes. Der langgezogene
und stark gegliederte Ausstellungsraum, mit Öffnungen an beiden Seiten,
stellt das zentrale Handlungsfeld dar.
Gedanklich bildet der Tisch, die Tafel, als Referenz, die gemeinsame
Plattform als Ort des Austausches, der Arbeit, des Sozialen aber auch der
Sinnlichkeit.
Was kann ausgetauscht werden und wie vieles fällt unter den Tisch? Wo
bleibt der Rest, das nicht Gesagte? Und zuletzt fällt da der Tisch selbst?
Durch dieses verbindende Thema wird der Fokus somit auch auf das Mitund Nebeneinander, auf die Zwischenräume und Übergänge gelenkt.
Die Ansätze zu diesem Themenkreis sind so heterogen wie die beteiligten
Künstler_Innen. Eine Frage wird gestellt, aber es zeigt sich etwas ganz
Anderes, Unerwartetes.
(Brigitte Kowanz)
Transmediale Kunst
Brigitte Kowanz
Otonomi Film A.Ş.
Eva Chytilek
Ohne Titel, 2014
190x90x170
Metall, Holz, Pastellkreide
Nikolaus Gansterer
Translecture #1 (From
Inner to Outer Shadow),
2014
80x120x90
Tisch, Objekte, Video,
Sound
Isabella Kohlhuber
The Studio, 2014
106x90x60
Holz, MDF, Holzpappe,
Karton, Klebefolie,
Schaumstoff, Leuchtstoffröhre, Metall- und
Kunststoffbauteile, Acryl,
Kreidegrundierung
Brigitte Kowanz
„unspoken“ , 2014
150x90x100
Aluminium, Acrylglas,
Led
Peter Kozek
Tulipa & the Cottonfield
Skulptur, 2014
120x80x71,5
Baumwolltücher, Paletten, Kartonzwischenlagen,
Performance
Krüger&Pardeller
Konterpart, Fig. 01, 2014
68x46x46
Holz, Acrylfarbe
Wolfgang Obermair
out of sight, 2014
hd, 06:00 min
Niki Passath
ohne Titel, Spurenroboter,
2014
Roboter: Polystyrol, Motoren,
Elektronik, Batterie,
Spuren: Acrylfarbe auf Hartfaserplatte
Roboter: 46x30x30
Spur variabel, Einzelplatte:
120x80x0,4
Franz Schubert
Two Groups of Mushrooms
(7-up), 2014
101x120x70 bzw.
102x118x82
Kartonobjekte verstärkt
mit Epoxidharz, Vibrationslautsprecher, Mp3 Player
Eva Chytilek geht in ihren Arbeiten vom Potential an Transformationen aus,
mit denen sie die Beziehungsgefüge ihrer Skulpturen und Objekte sowie Fotografien steuert. Ähnlichkeiten werden dabei nicht als Gegebenes aufgefasst,
sondern werden vielmehr zum Instrumentarium für eine Formensprache, die
sich der Koordinaten des Raumes, der Möglichkeiten des Körpers und der
Bedingungen der Medien gleichermaßen bedient. Das Über-Setzen in ein
anderes Medium oder in räumliche Verhältnisse evoziert dabei grundlegende Fragestellungen nach der Beziehung von Raum und Körper und
damit einhergehend ihren konstituierenden Parametern. Die Dinglichkeit
der Dinge, so scheint es, ist in Eva Chytileks Objekt aufgehoben. Das was
Heidegger in seiner Definition des Dingbegriffs festgehalten hat, nämlich das
Vorhandensein von Substanzialität, Materialität, Ausgedehntheit und Nebeneinander lässt in Eva Chytileks Arbeit eine funktionale Objektebene in eine
andere Seinsebene übergehen. Aus einem festgeschriebenen Ding mit allen ihm
zugeschriebenen Attributen entsteht ein fragiler Objektzustand, der wirkt, als
ob etwas im Moment, in seiner Mutation angehalten und festgefroren wurde.
Wie eingeschrieben und zugleich aus dem Objekt heraus tretend wirkt dagegen
die farblich changierende Oberfläche. Der dichte Farbauftrag und die nuancierten Farbübergänge, die an einen malerischen Gestus erinnern lassen, betonen
die dem Objekt innewohnenden Eigenschaften und entkoppeln die Oberfläche
selbst von einer klaren Funktionszuschreibung. In diesem Zustand evoziert das
Objekt potentielle Möglichkeiten seines Andersseins. Im wahrsten Sinn des
Wortes erweitert es sein räumliches Potential. (Andreas Krištof)
Eva Chytilek
Nikolaus Gansterer beschäftigt sich in seiner Installation und Performance
mit der grundsätzlichen Frage nach der Visualisierbarkeit von Wahrnehmungsvorgängen. Ausgehend von dem Alltagsobjekt „Tisch“, den er in eine Art
Zeichenlabor und Mikrobühne transformiert entwickelt er eine Reihe von Versuchsanordnungen, die mittels Video aufgezeichnet werden.
Darin untersucht Gansterer anhand von gezeichneten und gelegten Konfigurationen das semantische Feld „Tisch“ als Ort des permanenten Austausches und
Verhandelns: Zeichen, Gesten und Dinge werden allesamt zu gleichwertigen
Akteuren einer gewitzten Tischchoreographie. Die fragilen Diagramme und
Modelle stehen für Gansterers konsequente Entwickelung einer performativen
Diagrammatik und einer spezifischen Sprache zur Materialität von Wahrnehmungsvorgängen.
Nikolaus Gansterer
„The Studio“ ist ein „multifunktionale[s] Objekt, das als Arbeitstisch, Archiv,
Display, Marketenderwagen und Transportkiste die materiellen Determinanten
von Produktion und Präsentation reflektiert.“ (Michael Wonnerth-Magnusson)
Isabella Kohlhuber
Vertikale Leuchtcodes werden von horizontalen Aluminiumringen gefasst.
Die acht Lichtstäbe schreiben „unspoken“ in Morsezeichen, welche sich über
drei Ebenen, von oben nach unten anordnen, das letzte Zeichen (lang kurz)
liegt am Boden.
Der Morsecode steht am Beginn der Datenübertragung mit Licht, bzw kurzen
und langen Stromstössen, mit nur 3 Elementen: kurz, lang und Pause, lässt
sich jede inhaltliche Komplexität übermitteln. Ein Morsezeichen kann sich
akustisch, als Licht- oder Schriftzeichen zeigen.
Ganz wesentlich dabei sind die Zwischenräume, hier manifestiert sich die
Bedeutung.
Unspoken, das Ungesagte bildet sich an der Grenze des Objektes ab und erfüllt
den umgebenden Raum mit dem Licht seiner Nachricht.
Sprache und Licht bilden die Grundlage für Verstehen und Erkennen, und
dabei sind immer mehrere Ebenen aktiv. Man wird mit einer visuellen Information konfrontiert, die im Austausch mit dem Werk decodiert und weiterentwickelt wird.
Unspoken öffnet durch diese Transformation kognitiver und emotionaler Energie die Grenzen zwischen objektiv erfahrbarem Realraum und dem subjektiv
erlebten Raum des Ungesagten.
Brigitte Kowanz
Zwei Quader, die gänzlich aus zusammengelegten Tischtüchern bestehen eine Hälfte der Baumwolltücher in Schwarz-Weiß, die andere Weiß-Schwarz.
Der Kontrast ist hier Sinnbild für Austausch, Umkehrung, Projektion sowie
das nach außen Tragen des Inhaltes. Verinnerlichen, verhüllen und verschweigen – genähte Kommunikation. Die Materialität der Arbeit bringt Gegensätzlichkeiten zusammen: Die einzelnen, sehr leichten Tischtücher werden in
der Übereinanderschichtung zu schweren Blöcken, gleichzeitig ergibt sich eine
eigene grafische Qualität durch die Nähte, die Faltung und Lage.
Die Performance ist ein überarbeitetes Reenactment einer früheren Arbeit von
kozek hörlonski aus dem Jahr 2004 – „The Garden within“:
Einzig durch ein kleines Guckloch sehen Besucherinnen in das Innere eines
geparkten Autos. Zwar können sie einzeln einsteigen und auf dem Beifahrersitz
Platz nehmen – was genau im Wageninneren passiert bleibt aber rätselhaft und
von außen nur erahnbar.
Der Titel „Tulipa & the Cottonfield“ führt die Skulptur und die Performance
zusammen: Tulipa – vielleicht der Name einer Person, die im Auto Besucherinnen empfängt – verweist auf die Tulpe, ein Wort das sich vom Türkischen tülbend – Turban – ableitet. Turban wiederum kommt vom Sanskrit-Wort tula,
das Baumwolle bedeutet und auf die Stoffbahnen verweist, aus denen auch
Turbane gebunden werden. Turbane ähneln in ihrer Form Tulpenzwiebeln ...
Peter Kozek
Der Tisch kann soziale Interaktion fördern oder Kommunikationsstrukturen
und –hierarchien sichtbar machen. So hat z.B. der Schreibtisch eines Anwaltes
zwei gänzlich unterschiedliche Seiten, eine Seite der Unsicherheit und eine Seite
der Macht.
Doch diesmal wollen wir uns dem Tisch aus einer anderen Perspektive nähern,
wollen aus subjektiver Sicht darüber nachdenken, was er uns entgegenhält, wodurch er uns zum Gegenüber wird. So können wir den Arbeitstisch auch dazu
nützen, unsere Beine auf die Tischfläche zu legen um in dieser Position unseren
Gedanken nachzuhängen, eine Pause einzulegen, uns auf uns selbst zu besinnen. Wir können die Arme auf den Schreibtisch legen, den Kopf darauf, um
zu schlafen und zu träumen. Der Tisch ist eine Stütze für unseren Körper und
unser Selbst. Er ist der Widerstand, den wir brauchen um uns in eine geeignete
Position zu bringen. Er nimmt beispielsweise das Gewicht unserer Unterschenkel auf und leitet es ab in den Boden. Diese Nutzung entspricht keiner öffentlich
adequaten Position, es ist eine private Haltung. Der Tisch ist ein Gegenstand der
Kultur, der uns einen intimen Raum bietet, in dem wir zu uns selbst finden und
von wo weg wir auch wieder in ein Außen hinaus denken und handeln können.
Krüger&Pardeller
Alexander Martinz beschäftigt sich in seiner Arbeit mit den Eigenlogiken und
unterschiedlichen Traditionen der Felder Bild und Klang sowie deren Korrelationen. Komplexe Transformationen popkulturellen Materials dienen hierbei
oft als Grund-lage.
In “sombre mood for room and piano” versetzt eine Anzahl von, im Korpus
eines Pianos verborgenen, Vibrationsmotoren einzelne Seiten des Instrumentes in Schwingung. Ein modulierbarer, dissonanter Akkord (C C# F# G, der
sogenannte “nightmare chord”) vergleichbar mit gewissen stehenden, tieffrequenten Flächen des Genrefilms, entsteht. Der Betrachter betritt den historisch aufgeladenen Ort des Geschehens als
Rezipient zeitgenössischer Kunst, als Besucher eines Filmsets, als Protagonist
des Filmes, als Mörder, als potentielles Opfer. Er bewegt sich über die Zeit durch
Schichten von Medien.
Alexander Martinz
Eine mit einem miltärischen Tarnmuster versehene Konstruktion setzt
sich langsam in Bewegung. Die Rotation des Stoffes verändert die stumpfe Kegelform zu einem wogenden Schirm. Sie gibt den Blick frei auf
das Gesicht eines Protagonisten, das sich auch nach seiner Offenlegung einer Kommunikation mit dem Betrachter zu entziehen scheint.
Erst durch die Beschleunigung des Musters zeigt sich die Regelmäßigkeit seines
Aufbaus. Die Bewegung gleicht einem Film im Film, der eine Verräumlichung des Ornamentes und eine Dekonstruktion der Tarnung nach sich zieht.
“Out of Sight” zeigt vor einer gartenähnlichen Szenerie eine ambivalente Abfolge zwischen Sichtbarkeit und Tarnung, zwischen Präsenz und Entzug. Die
Szene versteht sich als Ausschnitt eines Filmes, dessen gesamtes Narrativ unbekannt bleibt. Und doch vermittelt sie die Anmutung eines distopischen Plots
in dem ihr Protagonist durch seine Anwesenheit für Irritation sorgt.
Wolfgang Obermair
Ein Tisch kann ein Interface, ein Zwischenstück sein, auf dem Gedanken formuliert, von allen Seiten betrachtet, dargestellt und wieder verworfen werden.
Das Möbel lädt ein diese Fantasiewelten zu betreten und diese in die Realität zu
führen. Erfahrungen werden gesammelt, der Weg zur Lösung, zu Erkenntnis ist
meist kein gerader.
Dieser Roboter versucht durch seine Verhaltensweise, welche durch in ihm
programmierte Handlungsanweisungen erzeugt wird, diese Suche nach Erkenntnissen und Erfahrungen, welche oft auf einem Tisch passieren, im wahrsten
Sine des Wortes zu erfahren. Zuerst fährt er gerade aus, zielgerichtet strebt er
vorwärts. Dann steht er plötzlich an. Ein Stück zurück und in einer Phase der
Kontemplation dreht er sich um seine eigene Achse um eine neue Richtung
einzuschlagen. Auch hier kommt ein Ende und das ganze fängt von vorne
an. Diese Wege die der Roboter zurücklegt, werden mit zwei Farben über an
dem Roboter angebrachten Pinsel aufgezeichnet. Der Pfad des Lichts (weiß)
als Andeutung auf den wissenschaftlichen Ansatz voranzukommen durch das
Beleuchten des Weges durch Wissen. Der Pfad des Schattens (schwarz) als Andeutung auf den Ansatz von Glaubenssystemen durch das Gehen in der Dunkelheit, mit der Gewissheit des Glaubens, voranzukommen. Hier vermischen
die beiden Farben sich und ergänzen einander nebeneinander.
Niki Passath
Two Groups of Mushrooms besteht aus 2 Pilzgruppen mit 3 bzw. 4 Pilzen unterschiedlicher Größe in verschieden Entwicklungsstadien. Sie sind in Sichtweite
zueinander gestellt, jede Gruppierung teilt sich eine Bodenfläche. Ihre polygonale Grundform gibt Auskunft über ihre Entstehung: sie sind mit einem 3D
Programm modelliert. Als Kartonobjekte realisiert sind sie wesentlich größer
als ihre realen Vorbilder, die Verstärkung und Beschichtung mit Epoxidharz
gibt ihnen eine braunfleckige Oberfläche. Die Pilze geben schmatzende Geräusche von sich, die Gruppen kommunizieren miteinander.
Two Groups of Mushrooms gibt Pilzen auch die Fähigkeit zu einer Art Kommunikation – so könnten deren akustische Absonderungen interpretiert werden.
Sie befinden sich scheinbar in einem Dialog mit der jeweils anderen Gruppe.
Dabei sprechen sie auch zum Betrachter, müssen aber unverständlich bleiben.
Franz Schubert
Das Arbeitsinteresse von Anna Zwingl beruft sich auf das Verhältnis von Konstruktion, ihrer Struktur und die zu ihrer Form führenden Bedingungen. Wie
soziale, wirtschaftliche, kulturelle, historische oder ästhetische Implikationen.
Wie kann ein Objekt, eine Gruppe von Objekten, ihre Vernetzung im Raum
und die Bezüge die sich zwischen ihnen herstellen und atmosphärisch sichtbar werden, die Prägungen und Geschichten von heute, in eine bildhauerische
Sprache übersetzen? Die Arbeit 1280 stellt auch die Frage nach dem Lapidaren. Ihrer Geste des
“einfach so auf den Tisch geworfen” ging ein exakter Planungs- und Materialaneignungsprozess voran. Die Abstraktion als Mittel der Tarnung. Wie kann
Konstruktion zur form-gebenden Behauptung werden. Zwingl entwickelt die
Arbeit 1280 als fragile Setzung, die sich auf eine unmittelbare Vernetzung von
real ästhetischen Erlebnissen und surrealen Bewertungen beruft.
Anna Zwingl