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Von Troja bis Homer
Geschichte des östlichen Mittelmeerraumes
von der mykenischen Zeit bis zur Archaik
Prof. Dr. Peter Funke
Wintersemester 2008 / 09
Westfälische Wilhelms - Universität Münster
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Vorlesungsübersicht
I.
Vorgeschichte
Die mykenische Palastkultur und ihr Untergang
II.
Die „Dunklen Jahrhunderte“ (1200 - 800 v. Chr.)
1. Die spätmykenische „Renaissance“ und der endgültige Niedergang der
mykenischen Palastkultur
2. Die Quellenzeugnisse für die „Dunklen Jahrhunderte“
3. Kontinuität, Wandel und Neuanfang
3.1. Das historisch-politische Geschehen im griechischen Raum
3.2. Die gesellschaftspolitische Entwicklung in den „Dunklen Jahrhunderten“
III.
Die große Kolonisation (750 – 550 v. Chr.)
Inhaltsangabe der Vorlesung
Den Ausgangspunkt der (Übersichts-) Vorlesung bildet die Blütezeit der mykenischen
Palastherrschaften. Hier werden nicht nur die politischen, gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Binnenstrukturen der griechischen Staatenwelt des 2. Jahrtausends
erörtert; vielmehr wird es auch darum gehen, die Einbettung dieser frühgriechischen
Staaten in die machtpolitische Gesamtkonstellation der östlichen Mittelmeerwelt jener
Zeit darzustellen.
Sodann wird die Umbruchzeit um 1200 v. Chr. zu behandeln sein, in welcher sich mit
dem Zusammenbruch der mykenischen Herrschaftszentren eine grundlegende und
tief greifende Wandlung in Griechenland und in der Ägäis vollzog. Das Eindringen neuer
Bevölkerungsgruppen und deren Etablierung auf dem griechischen Festland und den
Inseln in den so genannten "Dunklen Jahrhunderten" zwischen dem 11. und 8.
Jahrhundert v. Chr. werden dabei im Vordergrund stehen, da sich hier die
Rahmenbedingungen für die weitere historische Entwicklung in Griechenland
ausbildeten.
Im Anschluss daran wird es darum gehen, die Entstehung neuer, die griechische
Geschichte in der Folgezeit prägender Formen politischen Handelns – vor allem eben die
Genese der Polisstaaten als neuer Handlungsspielraum – vor dem Hintergrund der
großen sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen des 8./7. Jh. v. Chr. Aufzuzeigen.
Stichworte:
-
Neuformierung der griechischen Staatenwelt
Anfänge der griechischen Kultur
Handlungsrahmen einer Gesamtökumene des Mittelmeerraumes
Zusammenwachsen der östlichen Mittelmeerwelt
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Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Vorlesung vom 22. Oktober 2008
1. Vorgeschichte
Betrachtet man den Titel der Vorlesung „Von Troja bis Homer“, so muss man
bedenken, dass zwischen dem Fall der Stadt Troja im Trojanischen Krieg und Homer,
der diesen Fall in seiner Ilias besingt, etwa 400 Jahre liegen. Homer - der erste
namentlich bekannte Dichter der griechischen Antike - lebte vermutlich gegen Ende des
8. Jahrhunderts v. Chr. Der Krieg wird aber auf das
12. oder 13. Jahrhundert v. Chr. datiert. Dabei
wurde die Ilias im griechischen Altertum als
geschichtlicher Bericht verstanden, er stellt
insofern eine Erinnerung an die lange zurückliegende Zerstörung der Stadt dar.
Die Zeit, in der Homer gelebt hat, wird mit dem
Begriff Archaik belegt. Er bezeichnet eine Epoche –
also einen längeren geschichtlichen Abschnitt - in
der
politischen
und
kulturellen
Entwicklung
Griechenlands zwischen ca. 800 und ca. 500 v. Chr.
Die Wurzeln der Archaik liegen aber vor dieser Zeit
und die Neuformierung der griechischen Kultur
setzt logischerweise vorhandene Gegebenheiten also Geschichte - voraus. Tatsächlich ist der östliche
Mittelmeerraum schon vorher ein eng verflochtener
Handlungsraum gewesen. Dieser zeitliche Spannungsbogen führt uns zu den
Dunklen Jahrhunderten.
Mit diesem Begriff ist die Zeit zwischen dem Ende der
mykenischen Kultur um 1200 / 1100 und etwa bis
750 v. Chr. gemeint.
Büste des blinden Homer
Die Archaik ist - unter anderem - eine Stilepoche im antiken Griechenland. In sie fällt
auch der Beginn der griechischen Kulturwelt.
Sie wird in drei Teilstile eingeteilt:
früharchaischer Stil 700–620 v. Chr.
hocharchaischer Stil 620–560 v. Chr.
spätarchaischer Stil 560–500 v. Chr.
(aus Wikipedia)
1.1
Die mykenische Palastkultur und ihr Untergang
Die mykenische Kultur ist, so Prof. Funke, die jüngere der europäischen
Hochkulturen im Mittelmeerraum. Als "mykenisch" (mykenische Kultur oder auch
mykenische Periode) wird die festlandsgriechische Kultur der Späten Bronzezeit
(späthelladische Zeit) bezeichnet, die etwa 1600 v. Chr. (andere Quellen nennen als
beginn1780 v. Chr.) auftrat und bis ins 11. Jahrhundert v. Chr. (1150) hinein bestand.
Auch Prof. Funke nennt den Zeitraum zwischen 1700 und 1200 v. Chr. die „Zeit der
mykenischen Kultur“. Um 1600 v. Chr. wird u.a. die Königsburg von Mykene erbaut.
Die Epoche der Bronzezeit umfasst in Europa etwa den Zeitraum zwischen Stein- und
Eisenzeit, also cá. von 2500 bis 900 v. Chr.
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Es folgt ein Exkurs in die Zeit der Indogermanischen Wanderungen zwischen dem 3.
und dem 2. Jahrtausend v. Chr., also der Prähistorischen Zeit:
Ausbreitung der Indogermanen
((aus dtv - Atlas Weltgeschichte / Band 1)
Seit Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. wanderten indogermanische Völker in mehreren
Wellen aus dem Norden u.a. in Griechenland ein.
Aus der Vermischung von Indogermanen und nicht-indogermanischer Urbevölkerung
sowie durch isolationsbedingte Differenzierung entwickelten sich die verschiedenen
indogermanischen Volks- und Sprachgruppen, wie z.B. die Griechen (aber auch die
Hethiter und Phryger in Anatolien, um nur einige zu nennen.)
Diese Stämme bildeten gegenüber der vorgriechischen Bevölkerung häufig nur eine
schmale Herrscherschicht. Aus der Verschmelzung der ansässigen Bevölkerung mit den
Neuankömmlingen bildete sich die Vorstufe des späteren griechischen Volkes.
Zurück zum Thema:
Vor der mykenischen liegt die Zeit der Minoischen Kultur auf der Insel Kreta, der
mythische König Minos ist ihr Namensgeber. Ob Minos ein Name oder wie Pharao ein
Titel war, ist – nach Wikipedia - allerdings offen. Der Begriff „minoisch“ wurde durch Sir
Arthur Evans (1851-1941), der seit 1899 Grabungen auf Kreta (Knossos) durchführte,
bekannt. Die minoische ist die früheste Hochkultur Europas. Dabei wirft die Chronologie
der minoischen Zeit bis heute viele Probleme auf. Eine zeitliche Unterteilung in Früh(etwa 2600-2000 v. Chr.), Mittel- (etwa 2000-1570) und Spätminoisch (etwa 15701425 v. Chr.) umfasst insgesamt einen Zeitraum von etwa 3100 bis 1100 v. Chr. (nach
Evans).
Wahrscheinlich um 1430 v. Chr. kommt es zur Eroberung Kretas durch die Mykener
und zur endgültigen Zerstörung der minoischen Paläste, 1425 v. Chr. wird auch der
Palast von Knossos vernichtet. Später wird er zwar wieder aufgebaut, dann aber
entweder um 1370 oder erst um 1200 v. Chr. wird auch dieser Palast endgültig
niedergebrannt.
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Kreta zur Zeit der minoischen Kultur um 2000 v. Chr.
(Bildquelle: Internet)
Luftaufnahme des Palastes von Knossos
(Bildquelle: Internet)
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Die mykenische Kultur entwickelt sich zunächst auf dem griechischen Festland und wird
bald zur dominierenden Macht in diesem Raum. Zu dieser Zeit stellt Mykene zunächst
noch kein zusammenhängendes Gebiet dar, wie die untenstehende Abbildung zeigt.
Zentren sind vielmehr die einzelnen Burganlagen bzw. Paläste. Dies sind große
Speicheranlagen für Öl, Getreide und Wein.
Drei Forscher haben durch ihre Ausgrabungen wichtige
Erkenntnisse der damaligen Zeit und ihrer Kulturen
gewonnen. Es sind dies –
Heinrich Schliemann (1822-90) – Ausgrabungen in
Troja und Mykene
Arthur Evans (1851-1941) - Entdeckt die minoischen
Ruinen auf der Insel Kreta (Knossos)
Carl W. Blegen (1887-1971) – hat in Pylos auf der
Peloponnes gegraben
Heinrich Schliemann
(1822-90)
Die drei Forscher und Ihre Grabungsstätten im Überblick
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Die Besiedlung Griechenlands und der Peloponnes in Mykenischer Zeit
(aus Dtv - Atlas Weltgeschichte / Band 1)
Mykene – der Burgberg
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Am alten Königspalast in
Mykene / Rundgrab
Bild Links: Das Löwentor
Der Bau des Tores wird dem
mykenischen König Atreus – dem
Vater Agamemnons zugeschrieben. Es soll um 1250 v. Chr.
erbaut worden sein. Es bezeugt
zusammen mit der zyklopischen
Ringmauer die Größe und den
einzigartigen Reichtum der antiken
Stadt.
(eigene Bilder)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in Griechenland an verschiedenen Orten
Schriften (Dokumente) gefunden, die nicht mit bisher bekannten mykenischen Schriften
identisch waren. Es handelte sich um gebrannte Tontäfelchen, deren Schriftzeichen nicht
die Zeichen der Linearschrift B aufwiesen, sondern unbekannte Hieroglyphen, die
später als kretische Hieroglyphen aus minoischer Zeit erkannt, aber bis heute nicht
entziffert werden konnten. (Aus den kretischen Hieroglyphen entstand später die so
genannte Linearschrift A, die ebenfalls bis heute nicht entziffert ist).
Die Linearschrift B wird der mykenischen Kultur zugeordnet; sie konnte 1952 von
dem britischen Sprachforscher Michael Ventris (1922-56) und dem britischen Kryptologen John Chadwick (1920-98), entziffert werden.
Ein Tontäfelchen mit der Linearschrift B
(Quelle: fam3.static.flickr.com)
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Vorlesung vom 29. Oktober 2008
1.1
Die mykenische Palastkultur und ihr Untergang (Fortsetzung)
Die Linearschrift B
Die Entzifferung der Linearschrift B
zeigte, dass sie indogermanische Wurzeln
hat und eine frühe Form der griechischen
Sprache darstellt.
Es ist eine sog.
Silbenschrift,
bestehend
aus
91
Silbenzeichen.
Außerdem gibt es
Ideogramme
–
Gegenstände, dazu
Bilder
zeigen
Ligaturen – also Kürzungen und
Angaben zum
(x6/x12/x4/x30)
Gewichtssystem
Schriften in Linear B aus Mykene (aus Wikipedia)
Weiter kann gesagt werden, dass es
sich um eine Palastschrift handelt, die
nur
von
einer
kleinen,
gut
ausgebildeten
Schicht
beherrscht
wurde. Man hat an der Ausführung der
Silben verschiedene Schreiberhände
erkannt!
Die
Schrift
diente
ausschließlich der Palastkultur, also
wohl in erster Linie der Erstellung von
Inventarlisten o. ä. Mit der Zerstörung
der Paläste verschwindet sie dann
auch. Aber diese Tontafelarchive in der
griechischen Silbenschrift Linear B
dokumentieren
eine
geordnete
Verwaltung.
Die gefundenen Tontäfelchen waren
ursprünglich nicht gebrannt, sondern
von weichem Material, wohl nur als
kurzfristige Aufzeichnungen gedacht.
Durch die Feuerkatastrophen beim
„Abfackeln der Paläste“ (Funke) wurden
sie
dann
gewissermaßen
unbeabsichtigt – gebrannt. Weitere
schriftliche Aufzeichnungen gibt es von
der mykenischen Zeit, anders als z.B.
aus Ägypten, nicht.
Tontafel mit Linear – B -Inschrift
(aus Wikipedia)
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Die Silbenzeichen der Linearschrift B
( Arbeitsunterlagen zur Vorlesung )
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Weitere Beispiele der Linearschrift B
(aus Wikipedia)
Wie bereits berichtet, lässt sich „das mykenische Element etwa um 1600 v. Chr. in
Griechenland fassen“ (Prof. Funke). Dabei ist die mykenische Hof- und Residenzkultur
minoisch beeinflusst. Es entstehen neue politische Zentren, wahrscheinlich ist die
Peloponnes der Ausgangspunkt, nicht Attika. Immer neue mykenische Machtzentren
bilden sich, bis heute hat man aber noch nicht alle gefunden. Die Erweiterung des
mykenischen Einflusses konnte aber durch die bisherigen Grabungen erkannt und das
Wissen darum erweitert werden. Große Zentren waren z. B. Orchomenos und Pylos.
Ab 1500 / 1400 v. Chr. breitet sich das mykenische Element im Sinne einer
politischen (nicht kriegerischen) Machterweiterung weiter aus. Was durch die
Verbreitung mykenischer Funde nachweisbar ist. Zunächst gibt es vorwiegend
Handelskontakte mit anderen Völkern, was zwar durch Indizien belegt, aber zunächst
nur tendenziell nachweisbar ist.
Prof. Funke erwähnt Agamemnon, einen mächtigen Feldherrn, dessen große Taten
zwar in den Dichtungen Homers besungen werden, was aber kein Beweis für die
Richtigkeit sei, weil diese Dichtungen erst so viel später entstanden. Als Agamemnon der Sage nach - nach der zehnjährigen Belagerung Trojas nach Hause heimkehrte,
wurde er von seiner Frau Klytaimnestra und ihrem Geliebten Aigisthos im Bad
erdolcht.
Agamemnons Rückkehr nach Mykene
und
seine Ermordung durch Klytämnestra
Einzelne dieser erwähnten Machtzentren waren
wahrscheinlich schon durch Strassen und Brücken
miteinander verbunden. So etwas muss zentral gelenkt
worden sein. Für eine zentrale Lenkung spricht auch
die Tatsache, dass man zu dem vorhandenen Kupfer
auch die Lagerstätten des benötigten Zinns fand.
Hierfür musste man immerhin ins hintere Kleinasien
ziehen und eine solche Maßnahme setzt eine
organisierte, zentrale Steuerung voraus. Trotz all
dieser
Erkenntnisse
bleiben
die
mykenischen
Machtzentren bis heute aber nur schwer zu
durchschauen. Täfelchen mit der Linearschrift B geben,
besonders in Pylos, in etwa Auskunft.
Goldmaske aus dem Schatz
des Agamemnon
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Das Thutmosis III. (um 1479/1483 -1425 v. Chr.) und Amenophis III. (um 139255/54 v. Chr.), beides ägyptische Pharaonen, von Mykene Tributzahlungen erhalten
haben zeigt, dass es schon damals Handelskontakte zwischen
Ägypten und der Peloponnes gegeben hat. Dazu gibt es eine
Notiz und ein Itinerar. Ein Beweis für die einheitlich handelnde
Welt im östlichen Mittelmeerraum – so Prof. Funke.
Rechts:
Büste des Thutmosis III.
(um 1479/83-25)
Links:
Büste des Amenophis III.
(um 1392-55/54)
Der Palast war in der mykenischen Kultur das kultische
Herrschaftszentrum und der Sitz der Administration. Ihr
oblag die zentrale Verteilung der Waren und Nahrungsmittel,
somit fungierte der Palast als Distributionszentrum. In
dieser Hinsicht ist uns diese Palaststruktur recht gut
bekannt.
Es gab zwar eine gewisse Hierarchisierung wie folgt, dieser Aufbau ist aber nicht
ganz gesichert und insofern „mit Vorsicht zu genießen“ (Prof. Funke):
wa-na-ka = ist der oberste Herr, gemeint ist der König, ihm zur Seite steht der
ra-wa-ke-ta = das ist der Herr des Kriegsvolkes (lawos) und der Streitwagen, die
aus dem vorderen Orient übernommen worden waren
du-ma (2)
ko-re-te (16) = Untergeordnete, dazu ebenfalls 16
pro-ko-re-te =
qa-si-re-we = ist der Vorsteher einer Gemeinde (damos ist die Gemeinde), im
Mykenischen anscheinend eine untergeordnete Führungsposition.
= das sind die Provinzkommandanten
Später kommt die Bezeichnung Basileus / Basilées auf. Diese gehörten zu den
angesehensten Männern ihrer Gegend und hoben sich durch einen elitären Lebensstil von
der Masse ab. Obwohl später als Adlige bezeichnet, waren sie nicht ständisch zu
definieren, denn sie konnten ihr Ansehen nicht ohne Leistung auf Dauer erhalten!
Besteht die mykenische Staatenwelt zwischen 1700 und 1100, so hat sie ihre
Blütezeit zwischen dem 15. und dem 13. Jahrhundert v. Chr. Es gibt um 1290 / 1275
einen Freundschaftsvertrag zwischen Ramses II. (um 1298 -13 v. Chr.), einem der
bedeutendsten Herrscher des alten Ägyptens und Hattušili III., einem hethitischen
Großkönig des 13. Jahrhunderts v. Chr. (Karte Seite 13). Aber kaum war dieser Vertrag
fixiert, brach das mykenische Weltreich auseinander.
Um 1250 kommt es zur dritten, der Dorischen Wanderung innerhalb der Peloponnes
und um diese Zeit werden alle mykenischen Paläste zerstört. Ob durch Erdbeben,
Rivalenkämpfe, zwischen den Burgherren, Aufstände der eigenen Bevölkerung oder
Invasionen dritter Völker – die Erklärungsversuche der Forschung sind vielfältig.
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Das Hethitische Reich und seine Nachbarn im 13. Jhdt. v. Chr.
(Quelle: www.michaelmaxwolf.de)
Der Freundschaftsvertrag zwischen Ramses II. mit dem Hethiterkönig Hattusili III.
(1290-75)
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Vorlesung vom 12. November 2008
1.1
Die mykenische Palastkultur und ihr Untergang (Forts. / Zusammenfassung)
Die mykenische Kultur ist durch die von Kreta ausgehende minoische Beeinflussung
geprägt. Dieser Einfluss erfasste die gesamte Peloponnes und die Westküste Kleinasiens.
„Die Bedeutung der Ausstrahlungskraft der minoischen Kultur für die Entwicklung auf
dem griechischen Festland kann nicht hoch genug eingeschätzt werden“ –
so Prof. Welwei in „Die Griechische Frühzeit“.
Auf der Peloponnes bilden sich die Danaer, neben Achaier in den Epen Homers eine
Bezeichnung für die Griechen als führende Macht heraus. Sowohl der spätere
Mykenische Einfluss wie auch die Entwicklung des Volkes der Spartaner bringen dann
einen machtpolitischen Einfluss in diesen Raum. Das Mykene ähnlich mächtig war wie
die beiden Großreiche der Ägypter und der Hethiter zeigt der Freundschaftsvertrag, der
das Verhältnis der drei Reiche konsolidieren (festigen) sollte (Seite 12).
Ägäische Koine: 2. Mittlere – Anfang späte Bronzezeit: Die „Minoische Koine“
(cá. 2200 – 1400 v. Chr.)
Mit Koine ist eine gemeinschaftliche Sprache gemeint, die sich in Griechenland zur Zeit
des Hellenismus herausgebildet hat.
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Als Ende des 13. Jahrhunderts v. Chr. das mykenische Reich zusammenbricht, hat das
große territoriale Auswirkungen auf die Region. Und es stellt sich die Frage nach dem
„Warum“ dieses Auseinanderbrechens. Warum geschieht es, wer war verantwortlich für
diese Entwicklung ? – ein bis heute ungelöstes Problem der Forschung! Sicher ist aber,
dass der Untergang der mykenischen Kultur zeitlich eingebunden ist in tief greifende
Wandlungsprozesse in der gesamten östlichen Mittelmeerregion.
Zur gleichen Zeit kommt es nämlich auch zum Zusammenbruch des mächtigen
Hethiterreiches mit seiner Hauptstadt Hattuša (Boğazköy / she. Plan unten) und auch
aus Nordsyrien sind gewaltsame Zerstörungen von Herrschaftszentren bekannt (Ugarit /
she. Seite 18).
Plan von Hattusa (Boğazköy),
der Hauptstadt des Hethiterreiches
(aus:www.history-book.net)
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In der Vergangenheit hatte man die sog. Dorische Wanderung für die Zerstörungen
verantwortlich gemacht. Diese Wanderung begann gegen Ende der Spätmykenischen Zeit
(ca. 1050 v. Chr.) und der neue Volksstamm der Dorer gewann die Vorherrschaft in der
Peloponnes. Besonders deutlich zeigte sich der kriegerische Charakter der Dorer an dem
spartanischen Stadtstaat. Neuere Forschungsergebnisse der letzten 50 Jahre belegen
aber, dass zwischen den Zerstörungen und dem Auftauchen dieser Stämme 80 bis 100
Jahre liegen. Unterschiedliche Keramikfunde gelten als Indiz für diese Erkenntnis. Diese
Wandlungsprozesse sind also eher Folge und nicht der Anlass für die Zerstörungen!
In das jetzt entstandene Vakuum dringen neue Völker ein, konstatiert Prof. Funke. Und
fragt sofort: Oder waren diese schon da? Oder gilt beides und es entstehen lediglich
neue Stämme im Sinne eines Amalganisierungsprozesses (Vereinigungsprozesses) Fragen und Möglichkeiten! Fakt ist, es finden Ethnogenisierungsprozesse statt
(Ethnogenese – die Entstehung eines Volkes). Also seien es nicht komplizierte, sondern
eher komplexe Vorgänge – so Prof. Funke. Was bleibt, sind die Fragen nach den
Niedergängen, denn Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben oder Vulkanausbrüche reichen
als Erklärung nicht aus; auch innere, soziale Unruhen nicht. Es scheint eher ein Bündel
von Vorgängen verantwortlich zu sein.
Noch mal Prof. Welwei – „ Eine verlässliche Diagnose der Ursachen des Endes der
Palastherrschaften ist nicht möglich. Zu beachten ist aber zunächst, dass die
Katastrophen in den verschiedenen Teilen der mykenischen Welt nicht zeitgleich
eintraten“ (aus: Die Griechische Frühzeit).
Im Gegensatz zur geschilderten Situation um Mykene, von wo es keine schriftlichen
Aufzeichnungen über die Geschehnisse gibt – die Linearschrift B war eine reine Palastschrift, wurde nur für die Belange der Paläste verwendet und verschwand mit diesen –
gibt es von den Hethitern und von den Ägyptern schriftliche Informationen. Der Streit
zwischen diesen beiden Großreichen war durch den Freundschaftsvertrag (she. Seite 9)
beigelegt worden.
Durch diese Briefe wissen wir, dass Ägypten unter „Druck von außen“ (Prof. Funke)
stand. Eine Fremdvölkeroffensive zwang den Pharao Ramses III. (1184–53) um 1175
v. Chr. sein Land gegen eine Invasion der so genannten Seevölker zu verteidigen.
Demnach hat eine Koalition von Völkern Ägypten angegriffen, die ursprünglich "auf den
Inseln inmitten des Meeres" lebten. Nach dem Tod Ramses III. setzte ein rascher
Niedergang Ägyptens ein.
Seeschlacht im Nildelta zwischen den Seevölkern und den Streitkräften Ramses III.
(Wandrelief im Tempel von Medinet – Habu / Theben)
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In einer kombinierten See- und Landschlacht im Nildelta (Bild Seite 16) gelang es
Ramses III. 1186 v. Chr., die Seevölker entscheidend zu schlagen. Ihre Reste wurden
anscheinend in Palästina angesiedelt, wo ihr Stamm mit den biblischen Philistern in
Verbindung gebracht wird (she. auch Seite 18 + 19).
Bei den Hethitern war Šuppiluliuma II. (ca.
1215/10 bis ca. 1190/80 / unten links) der letzte
Herrscher dieses Großreichs. Auch sein Reich war
von den Seevölkern angegriffen worden, er blieb
aber siegreich, wie aus überlieferten Briefen von
ihm hervorgeht. In einem beschreibt er ein
Seegefecht, in dem er Sieger bleibt: Ich machte
mobil…(she. Text unten) ! Was danach geschah
und wie viele Jahre es dauerte, bis das Großreich
endgültig zusammenbrach, ist noch nicht geklärt.
Jedoch muss das Ende bald gekommen sein, denn
nach Šuppiluliuma ist kein Herrscher von Hattuša
mehr belegt.
Bildrelief von Ramses III.
in seinem Grab
Bild links: Relief mit einem Bildnis des letzten
Hethiterkönigs Šuppiluliuma II.
Ein von Šuppiluliuma II. überlieferter Text:
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
„Ich machte mobil und das Meer erreichte ich schnell, ich, Šuppiluliuma, der
Großkönig. Und gegen mich stellten sich die Schiffe von Alašija inmitten des Meeres
dreimal zum Kampf. Ich vernichtete sie, indem ich die Schiffe ergriff und sie mitten im
Meer in Brand steckte. Wie ich dann aber zur Küste zurückgelangte, kamen mir die
Feinde von Alašija in Scharen zum Kampf entgegen und sie schlug ich“.
An den Herrscher (und wohl auch Verbündeten) von Ugarit schrieb er:
„Hast Du mir nicht geschrieben, dass feindliche Schiffe auf hoher See gesichtet worden
sind? Und sofern es Wahrheit ist: „Schiffe sind gesichtet“ – so mache Dich stark nach
bestem Vermögen. Nun, Deine eigenen Streitwagen und Soldaten – wo halten sie sich
denn auf? Sind sie denn überhaupt nicht bei Dir? Bald wird also ein Feind angreifen…“
„Umgib doch Deine Städte mit Ringmauern, leg Soldaten und Streitwagen in sie hinein.
Warte den Feind nur ab, so bist Du bestens gerüstet und in Sicherheit! “
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Im
Zusammenhang
mit
den
Überfällen der Seevölker wird Zypern
- wird meist mit Alašija gleichgesetzt –
erwähnt. Da deren Bevölkerung aber
eher als friedlich zu bezeichnen ist,
stellt sich lt. Prof. Funke die Frage, ob
hier jetzt andere Kräfte herrschen. Aber
– woher wären die gekommen?
Daneben üben jetzt auch Völker aus
dem nordadriatischen Raum Druck
z.B. auf das Hethiterreich aus.
Auch Ugarit (Karte rechts), ein
kleines Königreich (Stadtstaat)
und
während der Bronzezeit ein wichtiges
Handelszentrum in Nord-Syrien, wird
bedroht, wie wir aus umfangreichen
Texten wissen (Seite 19). Am 9. Januar
1192 v. Chr. (!) erfolgten die Angriffe
der Seevölker und damit verbunden die
Zerstörung Ugarits.
Bei Wikipedia ist dazu ergänzend zu
lesen:
„Das genaue Datum ist durch einen geschichtlichen Zufall bekannt. An diesem Tag
erfolgte eine Sonnenfinsternis zur Mittagszeit, was einen Schreiber dazu veranlasste, eine
Nachricht auf einer Keilschrifttafel an den königlichen Palast zu senden. Die Nachricht
konnte nicht zugestellt werden, da zeitgleich die Angriffe der Seevölker einsetzten.“
Zu den Seevölkern gehörten auch die Philister, ein Volk von vermutlich zunächst indo
- europäischer Herkunft. In der Bibel wird aber Kaphtor als ihr Ursprungsland genannt,
womit die Insel Kreta gemeint sein soll. Im Zuge der Ägäischen Wanderung zogen
die Philister zwischen 1220 und 1200 v. Chr. über Mittelmeer und Kleinasien in die
Randgebiete des westlichen Orient. Nachdem die Philister 1180 v. vom ägyptischen
Pharao Ramses III. besiegt worden waren, siedelte der sie in der palästinischen
Küstenebene an.
Bilder oben und rechts:
Gefangene Philister und
Kopf eines gefangenen Philisters mit typischem
Kopfschmuck, einem Feder- oder Schilfblatthelm;
Ausschnitt eines Reliefs vom Tempel Ramses' III. in
Medinet Habu (1. Hälfte 12. Jh. v. Chr.)
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Die Tatsache, dass die Schiffe der Seevölker auf den
antiken Bildern mit sog. Drachenköpfen (Bild rechts)
dargestellt sind, nährte die Vermutung, dass es sich bei
diesen Seevölkern um Wikinger gehandelt haben
könnte – was wissenschaftlich aber nicht bewiesen
werden konnte. Dagegen kann der Untergang der
mykenischen Kultur von den Seevölkern „mindesten
mitbestimmt worden sein“ (Prof. Funke).
Ein von Ramses III. überlieferter Text, der den Kampf gegen die Philister zum Inhalt hat.
Die Worte: „Ich siedelte sie an in Festungsplätzen… weist auf die Ansiedlung der Philister
im heutigen Palästina hin.
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Resümee:
Die Seevölker können als ein möglicher Faktor für den Untergang der
Großreiche im östlichen Mittelmeerraum gelten. Andere Möglichkeiten
bleiben aber auch bestehen – kurz, es ist bis heute schwer, hier Genaues
zu sagen!
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Vorlesung vom 26. November 2008
II.
Die „Dunklen Jahrhunderte“ (1200 - 800 v. Chr.)
1. Die spätmykenische „Renaissance“ und der endgültige Niedergang der
mykenischen Palastkultur.
Wenn man vom Niedergang der mykenischen Palastkultur spricht, muss man sich vor
Augen halten, dass es sich hier nicht um eine einmalige Katastrophe handelt und an schließend alle Paläste und Siedlungen zerstört waren. Es waren vielmehr viele komplexe
(zusammenhängende) Vorgänge und die Zeit zwischen etwa 1200 bis 800 v. Chr. ist
auch nicht „komplett dunkel“. Aber je mehr Informationen über diese Zeit gefunden
werden – was besonders in den letzten etwa 50 Jahren der Fall war - „umso komplizierter
wird die Sache auch“ (Prof. Funke). Fehlen dem Historiker dabei nämlich genaue
Informationen, wird es für ihn umso schwieriger, Kausalitäten – also eine Beziehung
zwischen Ursache und Wirkung - herzustellen. Non liquet – es ist nicht klar, es kann
also weder die Erkenntnis der einen wie der anderen Seite bewiesen werden.
Zu den Dunklen Jahrhunderten auch noch mal Prof. Welwei in dem Buch
„Die Griechische Frühzeit“:
„Die Zeit vom Zusammenbruch der mykenischen Palastsysteme bis zum Beginn des 8.
Jahrhunderts wird vielfach plakativ mit dem Begriff der Dunklen Jahrhunderte
bezeichnet. Zahlreiche sprachwissenschaftliche und archäologische Untersuchungen der
letzten Jahrzehnte haben aber neue Aufschlüsse über diese wichtige Entwicklungsphase
des Griechentums gebracht, so dass dieser Terminus fast obsolet (veraltet) erscheint.“
(Zitat Ende)
Beim Zerstörungshorizont ab 1200 v. Chr. gibt es „nachweisbare Kontinuitätsbrüche“
– so Prof. Funke. Die Zerstörungen fanden demnach nicht flächendeckend an allen Orten
und schon gar nicht gleichzeitig statt, größere Herrschaftszentren bestanden durchaus
weiter. In randständigen Gebieten bildeten sich neue, kleinere Herrschaftszentren und in
weiten Teilen der mykenischen Welt bestand eine Siedlungskontinuität, die sich in neuen
Siedlungsstrukturen und in der Entwicklung eines neuen Keramikstils (Spät - Mykenisch
oder SM - III C / zwischen 1200 und 1000 v. Chr. – she. „Stratigraphischer Schnitt des
Palastes von Knossos Seite 21) nachweisen lässt. Dieser Keramikstil bedeutet zwar etwas
Neues, da er aber an alte Stile anknüpft, spricht man hier von einer „Renaissance“. War
in mykenischer Zeit diese Kunst gewissermaßen uniform, gibt es jetzt regional
unterschiedliche Entwicklungen – was aber, so Prof. Funke „nicht auch neue politische
Entwicklungen beweist“.
Die Lage nach dem Ende der Palastherrschaften scheint regional unterschiedlich
gewesen zu sein. So war die Polis Athen wohl weitestgehend von Zerstörungen verschont
geblieben. Wie es auch in Attika, das bisher „etwas im Windschatten der Ereignisse lag“
(Prof. Funke), scheinbar allgemein wenige Zerstörungen gegeben hat, hier also ein
„sanfter Übergang in die Dunklen Jahrhunderte gegeben war“. Während die Dynastie
von Pylos, die ein relativ großes Gebiet in Messenien auf der Peloponnes beherrscht hat,
in dieser Zeit unterging, bestand die von Tiryns nicht nur weiter, hier konnte nach SM III
B sogar eine neue Siedlungskonzentration nachgewiesen werden.
„In Tiryns entstand dagegen im frühen 12. Jahrhundert eine nach Plan angelegte größere
Siedlung als während der Palastzeit“ – so Prof. Welwei
20
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Stratigraphischer „Schnitt“ im Westhof des Palastes von Knossos
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Die Ruinen des Palastes von Tiryns.
Hier konnte vor cá. 20 Jahren eine neue Siedlungsform nachgewiesen werden, die nach M III B
entstanden ist.
(Bildquelle: Internet)
21
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Waren diese dynamischen Prozesse ein Zeichen für eine neue Herrschaftsform oder gar
für eine neue Ethnogenese? - fragt Prof. Funke. Auf jeden Fall ist in SM III C eine
Renaissance in Teilen des Landes zu konstatieren, ohne dass man bisher endgültiges
weiß und sagen kann. Die alte Palastkultur jedenfalls scheint in der Tat im Kern getroffen zu sein. Und im Gefolge dieser Entwicklung geht auch die Schriftlichkeit verloren,
denn die Linearschrift B war ja, wie berichtet, eine reine Palastschrift.
Stark fokussiert lässt sich zusammenfassen:
Ein erster Zerstörungshorizont ist zwischen 1250/30 und 1200 zu konstatieren
Eine zweite Zerstörungswelle zwischen 1150 und 1130
Der genaue Umfang der Zerstörungshorizonte lässt sich nach wie vor nicht genau
definieren.
Man weiß lediglich, dass
es einen auffälligen Rückgang der Siedlungsplätze gibt
einige Zentren (Athen, Tiryns usw.) bestehen bleiben
einige neue Siedlungen in Ostattika, Euboia oder Achaia usw. entstehen.
Die Siedlungssituation vor und nach den Zerstörungen
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Die geschilderten Vorkommnisse zeigen sich auch in den jetzt stattfindenden Bevölkerungsbewegungen. Sowohl Zypern, die kleinasiatische Küste und der gesamte östliche
Mittelmeerraum werden zu Zufluchtsorten der mykenischen „Griechen“. Was normal ist,
gibt es doch sowohl wirtschaftliche wie auch kulturelle Gemeinsamkeiten mit diesen
Regionen. Man spricht von einer „Mykenisierung“ (Graecisierung) Zyperns.
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Landnahme und Stammesbildung in Griechenland bis etwa 800 v. Chr.
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Zypern war von den Umbrüchen nicht unberührt geblieben und wird danach in einem
neuen Stil wieder aufgebaut. Ein Indiz dafür ist die Zunahme der Dichte von Funden
mykenischer Keramik. Und die sind nicht zufällig durch Handelsbeziehungen dorthin
gekommen, sondern das sind echte Siedlungsfunde, was moderne Tonanalysen bestätigt haben. Die gefundene Keramik hat Vorbilder auf der Peloponnes. Diese
„Mykenisierung“ muss als ein länger dauernder Prozess gesehen werden, Mykener
scheinen in mehreren Wellen nach Zypern gekommen sein (Wellentheorie). Dabei gibt es
unterschiedlich intensive Phasen mit mehreren peaks – so etwa um 1200, um 1250 und
gegen Ende des Jahrhunderts.
Problematisch bleibt für den Historiker die Frage, wie die Verständigung zwischen den
eingesessenen Zyprern, den eingewanderten „Griechen“ – Griechen als Volk gab es
damals allerdings noch nicht - und den Seevölkern funktioniert hat. Gab es evtl. sogar
Bündnisse zwischen den drei Gruppen? Vielleicht analog zum Doppelkönigtum in Sparta viele ungeklärte Fragen! Erwähnt wir dazu Prof. Gustav Adolf Lehmann (geb. 1942 /
Professor für Alte Geschichte und Direktor des Althistorischen Seminars der GeorgAugust-Universität Göttingen). Er gilt weltweit als einer der besten Kenner der ägäischen
Bronzezeit.
23
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Die geschilderten Wanderbewegungen sind nun nicht nur durch Keramikfunde zu belegen, sondern sie lassen sich auch durch Sprachfunde nachweisen. Und die lassen sogar
noch präzisere Herkunftsnachweise zu! So zeigen griechisch/zyprische Sprachfunde
Ähnlichkeiten mit arkadischen Dialekten (Karte unten). Da man das aber erst zur Zeit der
Archaik – also einige hundert Jahre später - erkannt hat, ist hier eine genaue
Interpretation schwierig. Sicher scheint aber zu sein, dass den mykenischen
Wanderbewegungen weitere Bewegungen folgten. Und mit dem Beginn der frühen
Eisenzeit Griechenlands in der Zeit ab der Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr. (Dauer bis
etwa zum Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr.) kamen neue Methoden im Handwerk und bei
der Waffenherstellung dazu.
Dialektkarte
die gepunkteten Regionen zeigen,
dass arkadische Dialekte in Zypern
gefunden wurden. Die Sprache
war damals generell stark durch
Dialekte gefärbt.
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
„Die
Verwandtschaft
zwischen
dem
Arkadischen
und
dem
Kyprischen lässt keinen Zweifel,
dass die „Mykenisierung“ Zyperns
nach 1200 durch Zuwanderung
aus der Peloponnes erheblich
forciert worden ist“
(Prof. Welwei
Frühzeit)
in
„Die
Griechische
So kann man sich die Bevölkerungsbewegung der Mykener nach Zypern vorstellen
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
2. Die Quellenzeugnisse für die „Dunklen Jahrhunderte“
Diese Zeit ist mit den Jahresangaben eindeutig fixiert. Es geht um die Zeit zwischen
dem Ende der mykenischen Kultur etwa um 1200 v. Chr. bis etwa 800 v. Chr. Weil man
aus diesem Zeitraum keine Schriftquellen und - von Keramik abgesehen - kaum
archäologische Funde kennt, gilt die Zeit als „Dunkle Jahrhunderte“. Nach dem
Verschwinden der Linearschrift B versank Griechenland für einige Jahrhunderte in Schriftlosigkeit. Frühestens im 9. Jahrhundert bildet sich eine neue griechische Schrift, ein
neues griechisches Alphabet. Diese neue Schrift ist aus dem phönizisch / levanteschen
Kulturkreis hervorgegangen. Wie das genau vor sich gegangen ist, weiß man nicht.
Wichtig war, dass durch eine Buchstabenschrift Eindeutigkeit in den Aussagen geschaffen wurde.
Die Entwicklung des griechischen Alphabets
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Bild links : Die Dipylonkanne
ein archäologischer Fund, der beim Dipylon, dem Haupttor
des antiken Athen, in einer nahe gelegenen Begräbnisstätte
gefunden wurde. Die Kanne (Amphore) stammt ungefähr aus
dem Jahr 740 v. Chr. und enthält möglicherweise
die älteste griechische Inschrift !
Die Inschrift beginnt links vom Henkel, läuft nach
links hin und lautet:
ΗΟΣ ΝΥΝ ΟΡΧΕΣΤΟΝ ΠΑΝΤΟΝ ΑΤΑΛΟΤΑΤΑ
ΠΑΙΖΕΙ ΤΟ ΤΟ∆Ε ΚΛN ΜΙΝ
In der Übersetzung:
Wer nun von den Tänzern am anmutigsten tanzt,
soll dies erhalten
Der Nestorbecher
Ein Trinkgefäß aus der griechischen Kolonie Pithekusai (Ischia), dessen Inschrift von
großer historischer Bedeutung ist, handelt es sich doch um eine der frühesten griechischen
Inschriften in Alphabetform.
Da die Schriftzeichen schon deutlich von den phönizischen abweichen, lässt sich schließen,
dass die Übernahme des Alphabets einige Zeit vor der Aufbringung der Inschrift erfolgt sein muss.
Die deutsche Übersetzung lautet:
Des Nestors Becher bin ich, aus dem sich gut trinken lässt.
Wer aber aus diesem Becher hier trinkt, augenblicks wird diesen die Lust ergreifen
nach der schön bekränzte Aphrodite.
26
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Vorlesung vom 3. Dezember 2008
2. Die Quellenzeugnisse für die „Dunklen Jahrhunderte“ (Forts.)
Rekapitulation: Der Zeitrahmen und die genauen Umstände, wann und wie sich das
Griechische Alphabet aus dem Phönizischen entwickelt hat, sind bis heute weitgehend
unbekannt. So kann die Frage, ob es sich langsam entwickelt hat oder in relativ kurzer
Zeit – vergleichbar mit der raschen Entwicklung des Geldes - aus einem Zentrum
entstanden ist, nicht geklärt werden. Wahrscheinlich geschah die Übernahme im Laufe
des 9. Jahrhundert v. Chr. und als Entstehungsorte werden Euböa, Kreta, Rhodos und
Zypern genannt. Die ersten überlieferten Schriften aus dem frühen 8. Jahrhundert (Die
Dipylonkanne von Athen und der Nestorbecher von Pithekusai) zeigen durch ihre
Unterschiedlichkeit eine beginnende Regionalisierung.
2.1 Schriftlose Zeit:
Nach dem Verschwinden der mykenischen Linearschrift B fehlte lange Zeit jedwede
Schriftlichkeit und damit Information, was „Auswirkungen auf das Nachdenken über diese
frühere Zeit“ mit sich brachte (Prof. Funke). Es gibt keine schriftlichen Informationen und
die Nachrichten beruhen nur auf mündlicher Überlieferung. Diese nur mündlich tradierten
Informationen bedeuten für die Zeit zwischen etwa 1200 bis 800 v. Chr., dass der
Forschung hier nur mittelbare Zeugnisse zur Verfügung stehen.
Worauf kann sich die Forschung stützen? In erster Linie auf Keramikfunde, die sind
der Kern der Informationen über die historische Entwicklung, z.B. indem neue
Stilelemente an den Fundstücken auftauchen. Und bei der sog. Feinkeramik ist Schrift
nötig, was sie zur Grundlage einer zeitlichen Differenzierung macht. Diese
Differenzierung ist aber ungleich schwieriger, wie für die mykenische Zeit! So ist –
bedingt durch die erwähnte Regionalisierung - zunächst nur eine relative Chronologie
für einzelne Regionen möglich.
Was kann die Forschung diesen Erkenntnissen entnehmen? Nur in zweiter Linie
interessant sind die „technischen Fertigkeiten“, die sich entwickelt haben. Wichtige
Aufschlüsse über die Entwicklung können nur Grabungen ergeben. Diese machen z.B.
(Siedlungs-) Kontinuität, aber auch Brüche in der Entwicklung deutlich. Auch die
durchaus schon vorhandenen Handelskontakte sind kein Ersatz für die fehlende
Schriftlichkeit – für die Forschung ein „Methodisches Problem“ (Prof. Funke).
Zwei wichtige Informationsquellen werden genannt, das sind
1. Sprachwissenschaftliche Elemente (Dialekte) und
2. Dichtungen (Mythen) über die Zeit.
Zu 1. Sprachwissenschaftliche Elemente (Dialekte)
Bereits in mykenischer Zeit hat es eine frühe Form der Griechischen Sprache gegeben.
Vom 6. bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. – also in der „Klassischen Zeit“ - entwickelt sich
ein differenzierteres Bild der Sprache. Es gibt jetzt viele verschiedene Dialekte, deren
räumliche Verteilung früher von der Forschung mit den Wanderbewegungen erklärt
wurden. Das sei aber „so nicht gewesen“ (Prof. Funke), denn größere Dialekträume
und/oder Stammesgebiete gab es zu der Zeit nicht.
27
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Die Verbreitung der Griechischen Dialekte
Insgesamt 16 verschieden Dialekte können nachgewiesen werden (she. Kasten)
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Die 16 verschiedenen griechischen Dialekte:
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Dorisch: Lakono – Messenisch / Westargolisch / Saronisch / Inseldorisch /
Kretisch
Dem Dorischen nahestehend: Nordwestgriechisch / Achaisch / Elisch
Ionisch: Ionisch / Attisch
Aiolisch: Lesbisch
Dem Aiolischen nahestehend: Boiotisch / Thessalisch
Arkado-Kyprisch: Arkadisch / Kyprisch
Pamphylisch: Pamphylisch
Strabon (etwa 63 v. Chr. 23 n. Chr.), ein antiker
griechischer Geschichtsschreiber und Geograph, schreibt im 8.
Buch seiner Strabons Geographika über die griechischen
Dialekte:
„Im besonderen gibt es freilich viele Völker, auf oberster Stufe
aber nur soviel wie die Zahl der uns überkommenen
griechischen Dialekte…“ (weiter she. unter Anlagen)
Strabon (etwa 63 v. Chr. – 23 n. Chr.)
28
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Die griechische Welt im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr.
Die Regionen mit gleichen Farben und die Pfeillinien
kennzeichnen die Auswirkungen der sog.
Großen Kolonisation
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine genaue Interpretation über die
Entwicklung der Dialekte sehr schwierig ist, da diese sich dynamisch entwickeln –
vergleichbar den Billardkugeln, die über das grüne Tuch gestoßen werden. Es handelt
sich, bedingt durch Assimilation (Angleichung), „um sehr komplexe Vorgänge“ – so Prof.
Funke. So sind Rückschlüsse von der Klassischen Zeit auf die Dunklen Jahrhunderte
sehr schwierig und brauchen archäologische Bestätigung. Was man sagen kann ist, dass
das Dorische Griechenland anders war, als das Mykenische, eine großräumige Aussage ist
also möglich, schwierig ist eine kleinräumige Aussage.
Zu 2: Dichtungen (Mythen) über die Zeit
Mythen sind für die Interpretation der „Dunklen Jahrhunderte“ von besonderer
Bedeutung, kommt doch der Sagentradition hier eine herausragende Rolle zu, da sie
mittelbare Reflexe auf diese ansonsten informationsarme Zeit erlaubt. Bei der
Mythenbildung zu beachten sind einmal ihre Vielfalt und zum anderen der erste
Zeitpunkt ihrer Fixierung.
29
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Was nun ist ein Mythos und welche Funktion hat es? Ein Mythos ist (lt. DUDEN) „eine
Sage oder Dichtung von Göttern und Helden eines Volkes, auch von legendär
gewordenen Gestalten oder Begebenheiten, denen man große Verehrung entgegenbringt“. Allgemein ausgedrückt „eine erzählerische Verknüpfung von Ereignissen“.
Insofern sind Mythen ein Mittel zur eigenen Identitätsfindung unter dem Aspekt,
„dazugehören zu wollen“. Als Beispiel wird der makedonische Herrscher Hyllos erwähnt,
der, obwohl er kein Grieche - nach damaliger Lesart ist, trotzdem an den
Olympischen Spielen teilnehmen will. Diese Teilnahme war von besonderer Bedeutung
und so wird ein Konstrukt erstellt (Die Rückkehr der Herakliden), das ihn zum Griechen
macht. Hat die Wissenschaft in früherer Zeit die Mythenaussagen als historische Quelle
abgelehnt, sieht man das heute anders und bedient sich dieser Mythentradition.
Was ist davon für uns relevant? Es sind
Die Sage von der Rückkehr der (dorischen) Herakliden und
Die Geschichte der Ionier
Die Dorer waren ein griechisch - sprachiger, indogermanischer Volksstamm, der wahrscheinlich ursprünglich im nordwestgriechischen Raum beheimatet war. Die Angehörigen
dieses Stammes haben sich auch über die poleis - die antiken griechischen Stadtstaaten
- hinaus als zusammengehörende Gruppe gefühlt. Dabei gab es bei ihnen sowohl
politische wie auch soziale Unterschiede z.B. zu den Ioniern. Sie selbst aber hatten in
ihren poleis gleiche institutionelle Ordnungen mit den drei Phylen (Stamm / Sippe), die
ein Beweis für den gemeinsamen Zusammenhalt waren und schon vor der (dorischen)
Wanderung da gewesen sein müssen. Es sind dies die Hylleis - Hyleer
die Dymanes - Dymanen und
die Pamphyloi – Pamphyler.
Die „Heraklidentradition“ nun ist schon in
der Antike aus der „Dorischen Situation“
entstanden. An ihrer Spitze stand Hyllos,
der älteste Sohn des Herakles, auf den die
Dorer
der
Peloponnes
ihre
Herkunft
zurückführen.
Hyllos
war,
nachdem
zunächst vertrieben, auf die Peloponnes
zurückgekehrt. Diese
Heraklidenwanderung
wurde von der Forschung lange Zeit mit der
Dorischen Wanderung
gleichgesetzt, was aber zeitlich nicht
zusammen passt, wie man heute weiß.
Heraklid und sein Sohn Hyllos
Die Ionier waren neben den Dorern und den Achaiern einer der Stämme des alten
Griechenland. Auf dem griechischen Festland erklärten sie Athen zu ihrer Mutterstadt
(polis). Die Ionier ließen sich später an der Küste Kleinasiens und auf den vorgelagerten
Inseln (Chios und Samos) nieder (Ionische Wanderung). Hier liegen auch die Anfänge
ionischer Tradition und ionischen Stammesbewusstseins, wobei jede polis ihre eigene
Tradition hatte. Kern der ionischen mythologischen Tradition ist die Annahme einer
breiten Bevölkerungsbewegung.
30
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Vorlesung vom 10. Dezember 2008
2. Die Quellenzeugnisse für die „Dunklen Jahrhunderte“ (Forts.)
Die in der letzten Vorlesung angesprochenen Mythenkomplexe der Dorer und Jonier
fügen sich auf den ersten Blick in die Aussagen der Dialektkarte (she. Seite 28) ein. Es
scheint, als fügten sich Sagen und Dialektverbreitung zusammen. Aber dieses scheinbare
Zusammenfügen bleibt nur ein Erklärungsversuch, ist damals wie heute nur eine
„Historische Rückerinnerung“. Mythologischer Befund und dialektaler Befund stehen
sich gegenüber - „Der Zustand ist da, seine Erklärung ist schwierig“ – so Prof. Funke.
Zudem besteht heute die Gefahr, sog. „Zirkelschlüsse zu ziehen – es würde also „eine
These aus Argumenten abgeleitet und diese Argumente würden ihrerseits aus derselben
These geschlussfolgert“.
Zirkelschluss
Ein Zirkelschluss liegt dann vor, wenn sich eine Argumentation im Kreis dreht:
Aus A folgt B, aus B folgt C, aus C folgt A, wodurch wiederum aus A B
folgt.
Damit ist ein Zirkelschluss keine echte Argumentation, da er seinen Wahrheitsanspruch letzten Endes daraus ableitet, selber wahr zu sein.
In der heutigen Forschung werden beide Richtungen (Mythen und Dialekte) berücksichtigt, währen die methodischen Ausgangspositionen in der Vergangenheit anders aus sahen – man denke an den Begriff des „Billardeffekts“. Die heutigen Wissenszuwächse
lassen dieses alte Bild über die Entwicklung aber verblassen, denn die Chronologie, also
die zeitliche Abfolge der Ereignisse lässt sich mit heutigem Wissen wesentlich genauer
erfassen (Beispiel: Die Graecisierung Zyperns).
Eine Frage ist seit jeher umstritten: Kann man die Homerischen Dichtungen bei der
Klärung der Dunklen Jahrhunderte verwenden oder nicht? Daran schließt sich die
grundsätzliche Frage nach der Verwertbarkeit von Epen an – kann man sie als historische
Quellen nutzen? Bei Homer kommt der „Schliemann Effekt“ (Prof. Funke) dazu. Darunter
ist – lt. Internet - „der kurze Schluss von archäologischen Funden und Befunden auf
Daten der literarischen Überlieferung“ zu verstehen, indem „Homers Erzählung ein reales
historisches Substrat erhalten haben“. Aber ein Epos ist (noch) keine Historiographie
(Geschichtsschreibung), es will eher „die eigene Zeit durch den (Rück-)Verweis auf
Vergangenes erklären“ – so Prof. Funke. Ist also eher eine Erklärung der eigenen Welt,
deren „Rahmenbedingungen“ damit so als „noch stimmig“ bestätigt werden. Das
Vorhandensein von Epen ist somit der Ausdruck einer noch intakten Welt.
Der historische Stellenwert von Epen
Bei nur mündlicher Tradierung (Überlieferung) ist lt. Prof. Funke eine besonders
kritische Quellenanalyse notwendig, können sich dabei doch durch die sog. „Dichterische
Freiheit“ oder Spannung erzeugende literarische Elemente Zeitsprünge ergeben. In
diesem Sinn hat sich die Wissenschaft mit Homer besonders kritisch auseinandergesetzt
– nach der Erkenntnis: „Lektüre schützt vor Neuentdeckung“ !
31
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Epik - erzählende Dichtung
neben Lyrik und Dramatik eine der drei literarischen Grundgattungen. In der Epik
werden als vergangen angenommene Geschehnisse vergegenwärtigt, als Erzählzeit wird
daher vorwiegend das epische Präteritum (Vergangenheitsform) verwendet, seltener das
historische Präsens.
Der Epiker ist nicht durch Grenzen von Raum und Zeit eingeengt wie der Dramatiker;
er kann zeitdehnend, zeitraffend oder zeitdeckend erzählen, sich der Technik der
Rückblende bedienen oder durch Vorausdeutung künftige Ereignisse vorwegnehmen.
(lt. Meyers Lexikon)
Homer
1. Verhältnis der Dichtung zum Dichter
2. Verhältnis der Dichtung zur historischen Realität
Helm mit Eberzähnen
Solche Helme gab es in mykenischer Zeit
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
32
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Zu 1. Das Verhältnis der Dichtung zum Dichter ist eine der umstrittensten Fragen zu
Homer. Sowohl die Ilias wie auch die Odyssee stehen „am Ende einer langen
mündlichen Tradition“. Aber die Frage nach der Verfasserschaft ist schwierig zu
beantworten, inwiefern Homer an beiden Epen gearbeitet hat oder ob sein Name für eine
Gruppe mehrerer Bearbeiter steht und er nur die „Endredaktion“ hatte, ist umstritten.
Die Unitarier – sie sehen Homer als alleinigen Dichter - und die Analytiker - sie sind
für mehrere Autoren - unter den Wissenschaftlern stehen sich mit ihren Meinungen hier
gegenüber. Dabei war die Person Homer schon im Mittelalter umstritten!
Zu dieser auch heute kaum zu beantwortenden Frage stellt Hermann Fränkel (18881977, ein deutsch - amerikanischer Altphilologe) fest:
„Dabei muss die Frage für
alle Zeiten offen bleiben,
ob Homer, als er die
letzte Hand an die Epen
legte, viel oder wenig an
ihnen geändert hat; ob er
ein schöpferischer Geist,
ein
geschickter
Bearbeiter, ein trefflicher
Rezitator, ein fleißiger
Schreiber – oder vielleicht
eben
nur
der
letzte
Redaktor war, dem kein
Nachfolger
mehr
den
Ehrentitel abnahm.“
Zwei Homer – Büsten
Links: römische Kopie aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. eines hellenistischen Originals
(British Museum, London)
Rechts: Kopf des Homer („Epimenides –Typus”). Nachbildung einer römischen Kopie des
griechischen Originals aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.
(Münchner Glyptothek)
Die beiden Homer – Büsten stellen als Idealbilder eine Orientierungsgestallt dar, wobei die dargestellte
Blindheit Weisheit symbolisiert. Insofern zeigen sie das Idealbild eines Dichters, das einen hohen
Identitätsfaktor und eine Verständigungsebene jenseits aller Kulte für die Griechen bedeutet.
Drei Vertreter der Gruppe der Unitarier bzw. Analysten werden genannt:
Johannes Perizonius (1568-1631)
François Hédelin, Abbé d’Aubignac (1604-76)
Friedrich August Wolf (1759-1824)
Bild Rechts:
François Hédelin
Bild Links:
Friedrich August Wolf
Wolf publizierte 1807/08
eine "Prologomena ad
Homerum".
33
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Die Texte der beiden Dichtungen wurden erst im Athen des 6. Jahrhunderts v. Chr.
zusammengefasst, was zeigt, wie lange um die Person Homers gestritten wurde. Heute
ist die Zeitspanne der Entstehung weitestgehend klar. Die Heimat Homers war Jonien,
ein Indiz dafür ist die Sprache der Dichtungen. Ebenso spricht orientalischer Einfluss von
der Kleinasiatischen Küste (Levante) dafür. Als Zeitpunkt der Entstehung wird das
ausgehende 8. Jahrhundert v. Chr. (also um 700) angenommen, andere Meinungen
sprechen von einem Zeitpunkt um 650 v. Chr. Wichtig dabei ist die Ausdeutung der
homerischen Welt als Hintergrund der Dichtungen. Auch hier besteht aber wieder
die Gefahr eines „Zirkelschlusses“.
Odysseus Rache
Odysseus tötet die Freier mit seinem Bogen
Zu 2. Verhältnis der Dichtung zur historischen Realität
Der „Spannungsbogen“ in den Epen reicht von der mykenischen Zeit bis ins ausgehende 7. Jahrhundert v. Chr. und bei einem Vergleich der homerischen Zeit mit der mykenischen Welt (Linear B) lassen sich auch Ähnlichkeiten feststellen. Aber eben auch
viele gravierende Abweichungen, z.B. bei den anders gearteten politischen und sozialen
Zuständen (Institutionen, Höfe usw.), deren Beschreibungen eher dem 7. Jahrhundert v.
Chr. zuzuordnen sind. Da aber auch bei Homer z. B. kostbare Paläste beschrieben
werden, muss ein Wissen um die mykenischen Zustände präsent gewesen sein. Und die
beschriebenen Orte sind auch lokalisierbar, homerische Orte sind oft auch mykenische
Orte – von einigen „Versatzstücken“ abgesehen.
Noch einmal – die politischen Gegebenheiten und die
institutionelle Ordnung werden in den beiden Epen anders
dargestellt, als sie in mykenischer Zeit aktuell waren. Und
nicht nur diese „Rahmenbedingungen“ waren anders, es gab
auch noch andere Abweichungen, z.B. gab es Feuer- statt
Erdbestattung. Auch werden unterschiedliche Waffen
genannt. So werden „Streitwagen“ zu erfolglosen Elementen
– ihr ursprünglicher genauer Einsatz war demnach nicht
mehr bekannt. Der Eberzahnhelm dagegen - ein mit
zahlreichen Eberzähnen besetzter Lederhelm, wurde zu
Zeiten der mykenischen Kultur verwendet.
Eberzahnhelm
Aus mykenischer Zeit bekannt
34
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Der links dargestellte Dreifuss mit bronzener Schale
wiederum gilt als typisches Gastgeschenk zur Zeit des
Odysseus und nicht aus mykenischer Zeit. Prof. Funke
bezeichnet diese unterschiedlichen Zeitzuordnungen aber nicht
als Anachronismen, eher als ein „mixtum compositum“. Das
Epos steht nach seinen Worten „am Ende einer Entwicklung mit
Wissen aus alter, aber auch aus jüngster Zeit. Epen erlauben
nach seinen Worten, „ein Bild der Dunklen Jahrhunderte zu
zeichnen“.
Bronzeschale auf einem Dreifuss
Beliebtes Gastgeschenk zur Zeit des Odysseus
Geographie der griechischen Stämme
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
35
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Diese Ausarbeitung hat mir wieder Herr Manfred Duibjohann
freundlicherweise zur Verfügung gestellt:
Troja
H. Funke
7. Sitzung 17.12.2008
3. Kontinuität, Wandel und Neuanfang
3.1 Das historisch - politische Geschehen im griechischen Raum
Vorab
Die Problematik in der Forschungsdiskussion zu diesem Thema ist die fehlende
Sicherheit, mit der man Aussagen treffen kann. Allerdings gibt es eine Reihe
von Erkenntnissen, man kann abwägen und ein hist.- pol. Bild nachzeichnen.
Man muss dies aber mit der Gewissheit tun, dass es nicht genug sichere Befunde
gibt, um präzise Aussagen machen zu können.
3.1 Wanderungsbewegungen
Sicher ist, dass es im 12. und 11. Jh., im Übergang von der Bronze- zur
Eisenzeit, Siedlungsbewegungen gegeben hat. Wir sind auf der Basis der älteren
Forschung gewohnt, die Wanderung großer ( geschlossener ) Gruppen
anzunehmen; dafür stehen die bekannten Begriffe der „ Dorischen“ und der
„Ionischen Wanderung“ oder die „Zweite Indogermanische Wanderung“.
Es sind Wanderungsbewegungen, die sich im nördlichen Mittelmeerraum
abspielen, weiter östlich aber auch die Wanderungen der Meder und Perser in
das Gebiet des heutigen Iran. s. Karten
3.2 Ursache und Hintergründe
Früher sah man in dieser Wanderung einen großen, zusammenhängenden
Komplex, der zur Neugestaltung der Mittelmeerwelt führte. Heute sieht man
dies komplexer und hält es nicht mehr für zulässig, die Entwicklung in Italien
und Griechenland monokausal zu verbinden bzw. eine große Einwanderung
von Norden in die Räume in Spanien, Italien und Griechenland anzunehmen.
Vielmehr schaut man auf die Situation „vor Ort“, in die Räume, in denen sich
neue Gruppen niederlassen und fragt:
Wer wandert? Welche Orte sind die Ziele? Was geschieht mit den Menschen,
die bereits dort wohnen?
Es handelt sich um Landnahmeprozesse durch die wandernden Gruppen,
verbunden mit Okkupation, Adaption der vorgefundenen Bewohner (und
ähnlichen Prozessen).
36
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
3.3 Anfänge
In der Anfangszeit der Wanderungs- oder Siedlungsbewegungen im 11. Jh.
lassen sich zwei Stränge beobachten:
von Norden in Richtung der Peloponnes und
von der Peloponnes nach Osten Richtung Kleinasien.
Diese Anfänge lassen sich heute archäologisch insgesamt greifen; es war aber
keine schlagartige, „militärische“ Bewegung, die vonstatten ging; vielmehr
wanderten über längere Zeiträume einzelne Gruppen.
3.4. Dorer und Ionier
Wer sind diese Dorer und Ionier?
In der Forschung werden zwei Hauptlinien vertreten
• Bereits vor Beginn der Wanderungen waren sie als fest gefügte Stämme
organisiert; die Landnahme fand nach festen Vorstellungen gezielt statt.
• Die Stammesbildung findet erst auf griechischem Boden nach der
Landnahme statt; dabei erfolgt eine Vermischung der neuen Kulturen der
Zuwanderer mit den alten mykenischen Kulturen
Es gibt keine abschließende sichere Antwort zur Frage der Stammesbildung der
Dorer und Ionier.
3.5 Stammesverfassung
Vorab:
• Die Hinweise auf sprachliche Gemeinsamkeiten sind noch kein Zeichen für
feste Stammesverbände
• Aus den Funden bestimmter (ähnlicher) Keramiken in bestimmter Zeit lassen
sich keine Aussagen zu politischen Ordnungen herleiten.
Aber es gibt Anhaltspunkte für die „Verfassungen“ der Dorer und Ionier
Beide Gruppen sind in Phylen (Personenverbänden) organisiert, und in späterer
Zeit, der Archaik und der Klassik, finden sich in vielen Städten ähnliche Formen
der Binnenorganisation.
Die Dorer gliedern sich in drei Phylen Hyleer, Dymanen und Pamphyler,
die Ionier in die vier Phylen, Argadeis, Aigikoreis, Geleontes und Hopletes.
Exkurs
Auch die Griechen der Antike versuchten, Licht in das Dunkel ihrer Herkunft zu
bekommen; wie so häufig, wurden auch hierbei Reste von Überlieferungen mit
mythologischen Erklärungen verbunden, und so bastelten sie sich Stammbäume,
um die Herkunft der verschiedenen Stämme zu erklären. Man sieht so
unschwer, dass die vier ionischen Pamphylen von Ion abstammen, dieser
wiederum von Xuthos, einem Sohn des Stammvaters (wobei die Bezeichnung
„Hellenen“ erst in späterer Zeit - Archaik oder Klassik ? - von den Griechen
eingeführt wurde.)
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
3.5.1 Ionier
Bei den an den unterschiedlichsten Orten in Griechenland und Kleinasien
siedelnden Ioniern gab es Gemeinsamkeiten:
Sie hatten für ihre Kalender gleiche Monatsnamen
Sie feierten gleiche Feste, z.B. die Demeterverehrung und die Apaturien
(Initiationsfest -Initiation bezeichnet die Einführung eines Anwärters in eine Gemeinschaft)
Auf der Basis dieser Informationen nahm die ältere Forschung an, dass bereits
vor Beginn der Wanderung in den griechischen Raum feste gemeinsame
Kulturformen und politische Ordnungen bei den Stämmen vorhanden waren.
Die heutige Forschung sieht in den Gemeinsamkeiten Produkte späterer
Zeit; und nach der Entstehung kultureller Gemeinsamkeiten blieb es
organisatorisch bei einer Vielzahl selbständiger Städte (Poleis).
Es bleibt aber die Frage: wie hat sich diese Formierung der Stammesverbände in
den „Dunklen Jahrhunderten“ abgespielt?
Derzeitiger Stand:
• Es hat wohl keine gezielte Besiedlung in Form einer „militärischen“
Übernahme der neuen Siedlungsplätze gegeben
• Es ist allerdings ein gewisser Zusammenhalt der Gruppen im griechischen
Mutterland vorhanden
• Es hat sich insgesamt um einen dynamischen Prozess gehandelt, der sich
über lange Zeiträume erstreckte und alle Formen des Zusammenwachsens
mit den vorhandenen Bewohnern umfasste
• Ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl war bei gleichzeitig
selbständigen Poleis vorhanden.
Siedlungsgebiete der Ionier – s. Karte
3.6 Siedlungspraxis
Die Besiedlung Griechenland im 11. und 10. Jh. geschah dort, wo bereits
Siedlungsplätze aus mykenischer Zeit vorhanden waren; es wurde in bekannten
Gegenden gesiedelt, aber es wurden bereits in dieser frühen Zeit neue Formen
der politischen Ordnung gefunden, nicht erst während der „Großen
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Kolonisation“ im 8. bis 6. Jh., und die Genese dieser Ordnung liegt in
Kleinasien.
Hier erfolgte die Abkehr von der dörflichen Siedlung, hin zu Siedlungszentren
(Polis – Poleis) als neuer Lebensform.
Aus diesen neuen Lebensformen entstanden neue Rahmen für das politische
Handeln.
Bspl. Alt-Smyrna; hier liegt eine der Wurzeln der Polisbildung; durch die neue
zentrale Siedlungsform entstand für die Menschen eine Ortsbindung, aus
Nomaden wurden Ansässige; der Zentralort musste geschützt werden gegen
Nachbarn und heranziehende Feinde.
Alt-Smyrna - Stadtbefestigung
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
3.7. Dorer
Wer sind die Träger/Protagonisten der sog. Dorischen Wanderung?
Die Hyleer sind bereits in mykenischer Zeit bei den Seevölkern als Gruppe
aufgetaucht, haben sich festgesetzt und bilden wohl eine eigenständige ethnische
Gruppe; sie sind die bedeutendste/vornehmste Gruppe/Herrenschicht innerhalb
des Verbandes der Dorer, tauchen später beim Doppelkönigtum in Sparta bei
den Königen auf.
Im Mythos späterer Zeiten werden sie zurückgeführt auf „Hylas“, der im
Zusammenhang mit der Heraklidenwanderung bekannt ist – Stammbaum der
Hyleer:
Um die Verbindung zu Herakles hinzubekommen, wurde Hylas als Sohn des
Herakles einfach von Aigimios, dem König der Dorer, adoptiert....
Auch die Dymanen sind wohl eine eigenständige ethnische Gruppe.
An den Pamphylen lässt sich dagegen festmachen, wie Ethnien entstehen, denn
der Name „Pamphyler“ bedeutet „ alle Phyler, die nicht zu den Hyleern und
Dymanen zählen“, also ein Sammelbegriff für alle anderen Gruppen.( ähnlich
den Alamannen später in Germanien).
Aus diesen Gruppen wächst dann auf der Peloponnes die Ethnie der „Dorer“
zusammen.
Res.: die Formierung der Dorer erfolgt im Laufe der Zeit auf der Peloponnes;
zu Beginn der Wanderung war sie in dieser Form noch nicht existent.
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Vorlesung vom 7. Januar 2009
3. Kontinuität, Wandel und Neuanfang
3.1. Das historisch-politische Geschehen im griechischen Raum (Forts.)
Die bisher behandelten historisch – politischen Veränderungen sind ausschlaggebend
für das weitere Geschehen in späterer, der sog. „klassischen Zeit“. In den Dunklen
Jahrhunderten nimmt dieses spätere Geschehen seinen Anfang, insofern ist in diesen
Jahrhunderten „nicht alles nur dunkel“ – so Prof. Funke. Durch Siedlungsbewegungen
setzt sich das griechische Element fest und bildet eine neue, prägende Kraft
[Amalganisierungs- (Anpassungs-) Prozess]. Zusammen mit einer neuen Siedlungs- und
Lebensform (Polis / Poleis) sind sie Ausdruck einer sich wandelnden Welt. In der sich u.a.
Ackerbau und Viehzucht ausbreiten.
Dem Historiker kommt dabei die Aufgabe zu, diese Prozesse plausibel zu erklären! Und
es geht weiter – diese Vorgänge sind eingebunden in den großen Raum des östlichen
Mittelmeeres. Das Bemühen des Historikers muss also dahin gehen, die gegebenen
Rahmenbedingungen zu zeigen und den Handlungsspielraum späterer Zeiten zu erklären.
Auch die sog. Große Kolonisation ist vor diesem Hintergrund zu sehen und zu
verstehen.
Wir betrachten die politische Lage im östlichen Mittelmeerraum zwischen 1200 bis 900
v. Chr. Im 12. Jahrhundert kommt es hier zu großen Veränderungen und Umbrüchen,
von denen sowohl das mykenische wie auch das hethitische Reich betroffen sind. Ebenso
das ägyptische Großreich, das im 11. Jahrhundert seinen Niedergang erlebt (she. Seite
42). Diese tief greifenden Veränderungen im östlichen Mittelmeerraum wurden früher von
der Wissenschaft separat betrachtet, heute werden sie aber wieder in das Gesamtgeschehen im griechischen Raum eingeordnet.
Die drei Großreiche im östlichen Mittelmeerraum um 1200 v. Chr.
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Zeittafel der Ägyptischen Geschichte
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Wir betrachten heute das weitere Geschehen im Kleinasiatischen Raum. Nach dem
Untergang des Hethiterreiches entsteht in diesem Gebiet gewissermaßen ein Vakuum
und in dieses wandern neben neuen griechischen Stämmen vor allem die Phryger ein.
Wer sind diese Phryger und woher kamen sie? Es sind Volksstämme, die aus dem
Balkanraum – aus Makedonien und Thrakien – vordrangen und in der heutigen
Mitteltürkei (Anatolien) ein Großreich gründeten (Karte Seite 43). Ob sie sogar bis zum
Euphrat vordrangen, ist nicht gesichert. Auch ihr Vordringen bis zur Ägäis ist nicht mit
Sicherheit zu sagen, hier siedelten schon Griechen.
Der Sage nach gilt Gordios – Gründer der Stadt Gordion und Vater des Midas - als
Gründer des Phrygischen Großreiches – wie Herodot berichtet. Diese Reichsgründung
erfolgte gegen Ende des 9. Jahrhunderts v. Chr. Als die Phryger darüber stritten, wer ihr
König sein sollte, befragten sie ein Orakel. Der Sage nach sagte ihnen dieses Orakel,
dass sie den zum König wählen sollten, der ihnen als erster auf einem Wagen begegnete.
42
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Das war Gordios, dem wiederum eine Wahrsagerin vor langer Zeit prophezeit hatte,
dass er König werden würde. Nachdem er zum König der Phryger gekürt worden war,
heiratete er die Seherin, gründete Gordion und weihte seinen Wagen mit einem
unauflösbaren Knoten im Zeustempel. Er prophezeite, dass derjenige, der den Knoten
(Gordischer Knoten) lösen könnte, die Herrschaft über ganz Kleinasien erlangen würde.
Das gelang, wie man weis, 334/333 v. Chr. Alexander dem Großen, der den
unauflösbaren Knoten auf seine Art löste, indem er ihn mit seinem Schwert entzwei hieb.
Damit legitimierte er seine Herrschaft über ganz Kleinasien.
Ausbreitung der Phryger aus dem Balkangebiet nach Kleinasien
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Herodot – Text
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Neben Gordios I. und seinem Sohn Midas (738-696 v. Chr.) ist Gordios II. als
„weitere historische Größe fassbar“ – so Prof. Funke. Midas ist wahrscheinlich mit dem in
assyrischen Quellen genannten Mita von Muschki identisch, was aber nicht gänzlich
gesichert ist.
Etwa in der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. – vielleicht auch schon um 680 – bricht
das Phrygische Reich zusammen und zerfällt in mehrere kleine Reiche. Grund sind die
Kimmerer, die aus dem nordöstlichen Schwarzmeergebiet über den Kaukasus in
Kleinasien einfallen (Karte Seite 44).
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Die Situation gegen Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. die Kimmerer fallen in das Phrygische Reich ein
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Im westlichen Kleinasien entsteht mit dem Reich der Lyder ein neues politisches
Element, das aber erst im 6. Jahrhundert an Kontur gewinnt. Dagegen ist das Reich von
Urartu, östlich des Phryger Reiches in der Osttürkei / Armenien zwischen Erebuni
(Eriwan) und dem Van - See gelegen, eine weiter ernst zu nehmende Größe. Es bildet
sich in der Mitte des 9. Jahrhunderts v. Chr. und die Kultur der Urartäer weist eine hoch
entwickelte Landwirtschaft - Magazine und Getreidespeicher zur Versorgung der Bevölkerung künden noch heute davon - und Kunst auf.
Beispiele urartäischer Kunst
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Urartus Nachbarn fühlten sich bedroht, hier wird besonders Assyrien erwähnt.
Dessen König Salmanassar III. (858-24 v. Chr.) griff deshalb die urartische Hauptstadt
an, was beweist, dass Urartu nicht nur eine „Randmacht“ (Funke) war. Als ein weiterer,
mächtiger König in einer Folge weiterer Herrscher Urartus wird König Sardur I. (848-25
v. Chr.) genannt. Urartu war also infolge einer erfolgreichen Politik „eine politisch
ernstzunehmende Größe“ – so Prof. Funke. Sie dehnten ihr Gebiet bis Nordsyrien aus,
wovon viele Inschriften berichten. Der assyrische König Tiglatpilesar III. (746-27 v.
Chr.) beendete die urartäische Herrschaft, indem er die Hauptstadt Urartus am Van-See
einnahm. Dabei hat er sie nicht unterworfen, sonder nur tributpflichtig gemacht. (Andere
Quellen nennen König Sargon II. als Eroberer (714 v. Chr.) und Tributnehmer). Das
Bild der Felsenfestung (Seite 46) zeigt, dass diese Eroberung nicht einfach gewesen sein
wird.
Gegenüberstellung Assyrischer und Urartäischer Herrscher
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Ein weiteres Reich in der Region ist das Reich der Meder (ab etwa 728 v. Chr.). Unter
diesem Oberbegriff wurden die Bewohner verschiedener iranischer Teilprovinzen
zusammengefasst. Begründer und erster Herrscher des Mederreiches war Kyaxares I. –
die Zeit seiner Herrschaft ist nicht mit Sicherheit anzugeben (evtl. ab 715 v. Chr.).
Schon vor dem Ende des Urartäischen Reiches waren um 1000 v. Chr. Armenier in
dieses Gebiet wahrscheinlich von Phrygien aus eingewandert und nahmen Urartu in
Besitz. Sie waren ein indoeuropäisches Kulturvolk und bezeichneten sich selbst mit dem
Namen Haikh. Sie etablierten als erste das Christentum in dieser Region! Als Kaufleute
und Geldverleiher waren die Armenier seit alters her in der ganzen Levante tätig.
Nachdem der phönizisch – palästinensische Raum zusammengebrochen war, entstehen
an der palästinischen Levanteküste große Städte, von denen aus ein Netz von
Handelsbeziehungen nach Westen und nach Osten aufgebaut wird (Karten Seiten 46/47).
45
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Urartu –
fast uneinnehmbare
Felsenfestung
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Die Levanteküste
Levante ist die Bezeichnung für die kleinasiatischen, syrischen und ägyptischen Küsten des
Mittelmeeres.
Levante ist italienisch und heißt „Sonnenaufgang“, die Bezeichnung steht insofern allegorisch für
„den Osten“ und das „Morgenland“.
Ursprünglich wurde der Begriff für alle Länder östlich von Italien verwendet.
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
46
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Dieses Netz von Handelsbeziehungen – es wird auch als Phönizische Kolonisation
bezeichnet - entsteht ab dem 12. Jahrhundert v. Chr., ab 1000 v. Chr. wird Tyros zu
seiner Hauptstadt. Das Wissen hierüber ist durch reichlich vorhandenes Material
gesichert. Zusätzlich wird im Buch Hesekiel 27, ab 9.12 ff. darüber berichtet. Und
nicht nur über das Mittelmeer nach Westen bis zu den Säulen des Herkules – damit
bezeichnete man im Altertum den Felsen von Gibraltar - gehen die Handelsbeziehungen,
auch nach Osten treibt man zu Lande - z.B. über die Seidenstrasse - Handel. Griechen
und Phönizier arbeiten dabei zusammen (2. Karte unten).
Karte des gesamten Mittelmeerraumes mit phönizischen
Handelsniederlassungen
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Karte der phönizischen und der griechischen Kolonisation
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Alles Gesagte zeigt, dass man sich bei der Betrachtung der historisch – politischen
Ereignisse jener Zeit von der rein griechischen Entwicklung lösen und die in einen
größeren Kontext eingebetteten Ereignisse dieser 1 – 2 Jahrhunderte sehen muss.
47
Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Text aus dem AT – Buch Hesekiel 27, 9.12 ff
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Vorlesung vom 14. Januar 2009
3.1. Das historisch-politische Geschehen im griechischen Raum (Forts.)
Die erwähnten großen phönizischen Handelsstädte an der Levanteküste (Seite 45)
muss man sich wie selbständige „Stadtstaaten“ (Poleis) vorstellen. Aber gegen Ende des
8. Jahrhunderts wurden sie in ihrer Macht durch Assyrien (Neu-Assyrisches Reich)
eingeschränkt, weil Assyrien seine Macht vom mesopotamischen Tiefland bis zum
Mittelmeer ausdehnen konnte. So verlor z.B. Tyros, die größte dieser Poleis, seine
politische Eigenständigkeit und wurde tributpflichtig. Seine Landhandelswege wurden
zwar abgeschnitten, „die phönizischen Städte bleiben aber weiterhin im Fernhandel
präsent“ (Prof. Funke).
Karthago wird erwähnt, das im 8. oder 9.
Jahrhundert (das genaue Datum liegt im
mythologischen Dunkel) von phönizischen
Siedlern gegründet wurde. Sie nannten ihre
Stadt Qart-Hadašt, was „Neue Stadt“
bedeutet - im Unterschied zur älteren Utica.
Karthago blieb dann noch 2 Jahrhunderte von
Tyros
abhängig,
bis
das
phönizische
Mutterland von den Persern erobert wurde
und die phönizischen Städte den Schutz ihrer
Kolonien nicht mehr garantieren konnten.
Historische Karte von Karthago (um 1888)
Im Gebiet des heutigen Israels gab es im 11.
und 10. Jahrhundert v. Chr. große Veränderungen.
Schon seit dem 14. Jahrhundert v. Chr. waren
aramäische Stämme in dieses Gebiet vorgedrungen.
Um 1200 v. Chr. - nach dem Zerfall des
Hethiterreiches - und in einer Zeit der Schwäche
Ägyptens, konnten die Aramäer in diesem Gebiet
zahlreiche Kleinkönigreiche begründen. Durch diese
Kleinstaatenbildung (Karte links) beruhigte sich die
Lage zunächst.
Karte links:
Im Gebiet des heutigen Israel erfolgte die
Gründung einer Vielzahl kleinerer Reiche
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Im sog. Gazastreifen hatte – wie erwähnt – Ramses III. die Philister angesiedelt.
Deren Stämme schließen sich jetzt mehr zusammen zu einem 5-Städte-Bund.
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Im 11. Jahrhundert v. Chr. bekämpften gemäß biblischer Überlieferung die
israelitischen Könige Saul (Ende 11. Jhdt. v. Chr.), David (ca. 1006-966 v. Chr.) und
Salomon (ca. 966-926 v. Chr.) dann aber die Philister im Libanon wieder. Die
israelitischen Stämme schließen sich mehr zusammen und es kommt zu einer
Reichsbildung. Nach Salomons Tod kommt es zu Zwistigkeiten und das Reich zerfällt in
ein Nord- und ein Südreich. Das Nordreich gerät in Abhängigkeit von Assyrien, es
wird eine assyrische Provinz. Das israelitische Südreich wird 587 durch das
Neubabylonische Reich – den Nachfolgestaat der Assyrer – zerstört.
Unter König Assurnasirpal II. hatte das Assyrische Reich seine größte Ausdehnung - es
reichte vom Euphrat und Tigris bis Palästina und der Levanteküste (gelbes Gebiet)
Assurnasirpal II. konnte die aramäische Vorherrschaft brechen und erreichte das Mittelmeer, unter
Salmanassar III., der ebenfalls seine Waffen im 'Oberen Meer' reinigte, wurde die assyrische
Herrschaft über die Aramäerstämme am Euphrat konsolidiert. Die Aramäer am Euphrat wurden
mehr und mehr in das assyrische Reich integriert
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Die Geschichte des Assyrischen Reichs reicht bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. zurück.
Die Assyrer waren zunächst (nur) ein bedeutendes Handelsvolk und keine große
politische oder militärische Macht. Im 12. / 11. Jahrhundert v. Chr. war es auf seine
ursprünglich angestammten Gebiete geschrumpft. Unter Assurnasirpal II. (883-859)
gab es dann eine stark expansive Entwicklung und im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr.
wurde das Assyrische Reich unter verschiedenen Königen zur beherrschenden Macht im
vorderen Orient (she. Kasten).
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
626 v. Chr. schließen sich die Babylonier und die Meder (Perser) zusammen, 614 v.
Chr. zerstören sie die assyrische Stadt Assur und 612 v. Chr. dann auch Ninive. Die
assyrische Großmacht zerfällt in ein Neubabylonisches Reich und in das Meder Reich.
Die Meder sind zunächst nur eine Stammesföderation, aus der sich dann das Perser
Reich entwickelt.
Diese ganze Entwicklung vom assyrischen über das babylonische und Mederreich bis hin
zum Perserreich reicht also vom 12. bis zum 8. Jahrhundert v. Chr. „Diese Entwicklung
besitzt eine große historische Prägekraft“ – so Prof. Funke. Und das Gesamtbild dieser
Entwicklung zeigt wieder, dass es nicht nur im griechischen, sondern im gesamten Raum
des östlichen Mittelmeeres und Vorderasien große Veränderungen gegeben hat.
3.2. Die gesellschaftspolitische Entwicklung in den „Dunklen Jahrhunderten“
In der Zeit der geschilderten Entwicklungen im östlichen Mittelmeerraum spiele „der
griechische Raum noch eine untergeordnete Rolle“ – so Prof. Funke, „war nehmender
Part“. Mit dem 8. Jahrhundert beginnt in Griechenland die Bildung von Poleis (Polis),
meist mit „Stadtstaat“ – nicht ganz zutreffend - übersetzt.
Bei den Poleis handelte es sich nicht nur um eine neue Siedlungsform, sondern
auch um eine politische Einheit, die eigenständig politisch handelte.
Prof. Lotze in seinem Buch „Griechische Geschichte“:
„Die mit dem 8. Jahrhundert v. Chr. beginnende und bis etwa 500 reichende archaische
Periode ist zugleich derjenige Zeitabschnitt, in dem sich die für die Griechen
charakteristische Form gesellschaftlich – staatlicher Organisation herausbildete, der sog.
Stadtstaat als Bürgergemeinde. Es hat sich eingebürgert, dafür das griechische Wort
Polis zu verwenden, obwohl seine Bedeutung vielfältig ist. Polis konnte weiterhin einfach
die geschlossene Siedlung, die „Stadt“, heißen. Als politischer Begriff meinte es einen
Personenverband, ein meist um ein „städtisches“ Zentrum zusammengeschlossenes
Gemeinwesen, dessen Grundlage das Privateigentum seiner Mitglieder am Boden war
und das seine inneren Angelegenheiten nach gemeinschaftsbezogenen Regeln ordnete…
(Zitat Ende)
Die Entwicklung geht also weg von den bisherigen weiträumigen Stammesformen, hin
zu neuen städtischen Siedlungsformen, die ein ebenfalls neues Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen lassen. Diese neue kleinräumige Staatsform wird die Grundlage für
die spätere griechische Staatsform. Dass es sich bei den Poleis nicht nur um Stadtstaaten
handelt zeigt die Tatsache, dass auch die Bewohner des Umlands in diese Einheiten
einbezogen wurden. So gehörte z.B. das gesamte attische Umland zur Polis Athen.
Die Anfänge der Polis-Bildung reichen weit die „Dunklen Jahrhunderte“ zurück, sind im
Einzelnen aber nicht aufzuspüren. Die griechische kleinräumige Landschaft (Berge/Täler)
kann als Grund dafür stehen – aber „das sei ein zu simples Erklärungsmuster“ (Prof.
Funke). Auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung (Ackerbau/Eisenverarbeitung)
können Gründe dafür sein, dass man keine „Großreiche“ mehr braucht.
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Die weitere Ausbreitung der Griechen seit dem 8. Jahrhundert (Große Kolonisation)
war ein weiterer ausschlaggebender Grund dafür, sich in Zentren, in selbständigen
Gemeinwesen zusammenzuschließen. Das entsprach wohl der vertrauten gesellschaftlichen Daseinsform, deren Bestehen daher wohl schon vor dieser Kolonisation vorauszusetzen ist. Es gab also eine Reihe von „Rahmenbedingungen“ für diese Polisbildungen,
die einerseits die Kolonisation unterstützt haben und schon damals eine durchaus
„moderne Staatsform“ waren. Diese „Umbruchstimmung“ (Prof. Funke) findet sich schon
bei Homer, wo es eine Polisbeschreibung in der Odyssee gibt.
Nausikaa, die Tochter des Phäaken-Königs Alkinoos, spricht hier zu Odysseus:
Aus Homer „Odyssee“
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
In dieser Beschreibung ist der Palast des Herrschers also noch Mittelpunkt der Polis,
aber wie ist die Stellung des Herrschers zu sehen? Agamemnon z. B. erscheint in der
Odyssee noch als Einzelherrscher, als Basileus. Das ändert sich in späterer Zeit. Jetzt
umgeben den Basileus weitere Führerpersönlichkeiten, weitere Könige oder Gerontes
(Ältere). Es gibt keine Rangunterschiede mehr, Agamemnon ist also ein „primus inter
pares“, dem die Führung im Trojanischen Krieg nicht durch Wahl, sondern durch sein
Charisma zugefallen ist. Es gibt keine hierarchischen Strukturen mehr, alle bisherigen
Könige sind jetzt Basileis, wobei einfach „Einer etwas mehr ist, als die Anderen“ – so
Prof. Funke. Es gibt also die Ablösung einer absolutistischen Stellung des Königs, wie es
sie beim sog. Heerkönigtum gegeben hat. Ist das ein „genetischer Prozess“ oder „einfach
nur der Zusammenschluss kleinerer zu größeren Bereichen“? - insgesamt „ein schwer zu
durchschauender Prozess“ – so Prof. Funke.
Die Wandlung vom Königtum zur Polis gilt als Wendepunkt von
den DA zur Archaischen Zeit
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
Sind die sozialen Strukturen in den DA auch unklar, findet sich bei Homer der Beweis
dafür, dass es eine „Gesellschaft“ gibt, die u.a. gleiche Werte hat. Ihre Erwähnung ist, so
Prof. Funke, der Beweis, dass es dafür „Adressaten“ gibt – wenn die genaue Situation
auch wegen fehlender Informationen schwer zu fassen ist. Grundsätzlich gibt es
verschieden Klassen, die in Freie und Unfreie (z.B. Sklaven) unterteilt wurden.
Es gab eine breite soziale Differenzierung
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
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Klaus Donndorf - Vorlesungsnotizen
Vorlesung: Von Troja bis Homer
Prof. Dr. Peter Funke
Eine grobe Einteilung könnte so aussehen:
Sklaven – waren Beutegut, ehemalige Freie, Kriegsgefangene, auch durch Kauf
erworbene (schon die Phönizier kannten den Sklavenhandel), Kinder von Sklaven
(Hausgeborene). Sklaverei war damals aber noch kein Massenphänomen!
Theten (Tagelöhner), Demiurgen (Handwerker), Therapontes (Gefolgsleute)
waren Minoritäten (Randgruppen), über deren zahlenmäßige Aufteilung keine
Informationen vorliegen. Demiurgen waren Handwerker mit speziellen
Kunstfertigkeiten, wie z. B. Schmiede.
Grundbesitzer (kleinere und größere Bauern, auch Großgrundbesitzer) – sie sind
der Kern jeder Polis – eine sehr heterogene Gruppe insgesamt.
Die sozialen und die Rechtskategorien klaffen bei dieser Einteilung oft weit
auseinander. So sind Unfreie oft besser gestellt, als einfache Freie, weil sie im Haus
ihres Besitzers ein sicheres Auskommen haben.
Zum (vorzeitigen) Ende der Vorlesung wenden wir den Blick wieder
auf das Geschehen in Griechenland
(Arbeitsunterlagen zur Vorlesung)
E nde
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