und Repogeschäft

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und Repogeschäft
Geschäfte im Schatten? – Zwölf Fragen zum Wertpapierleihe- und Repogeschäft
Oktober 2013
1.
Welcher aktuelle Anlass führt zur Befassung mit Wertpapierleihe und
Repos?
Gegenwärtig befassen sich die G20 und im Auftrag der Staats- und Regierungschefs das Financial Stability Board (FSB) mit Regularien zur Eindämmung
von Risiken des Schattenbankensektors. In diesem Zusammenhang sollen
künftig auch Wertpapierleihe- und Repogeschäfte strenger geregelt werden als
bisher. Die EU-Kommission hat ebenfalls für den Jahreswechsel eine entsprechende Regulierung angekündigt.
2.
Was sind Repogeschäfte?
Repogeschäfte sind ihrem Wesen nach Wertpapierpensionsgeschäfte, bei denen ein Kassaverkauf und ein Terminrückkauf im Rahmen eines „Repurchase
Agreements“ (kurz: Repo) zusammengefasst werden. Damit kann sich der Inhaber von Wertpapieren über die Laufzeit des Geschäfts Liquidität verschaffen. Der Preis für den Rückkauf wird regelmäßig höher sein als der Verkaufspreis. Die Preisdifferenz entspricht einem Darlehenszins. Dem „Kreditgeber“
dienen die Wertpapiere während der Laufzeit als Sicherheit, es handelt sich
somit um besichertes Geschäft.
3.
Was sind Wertpapierleihegeschäfte?
Bei Wertpapierleihegeschäften handelt es sich um Geschäfte, bei denen die
Wertpapiere gegen ein Entgelt für eine bestimmte Zeit „entliehen“ werden. Der
ursprüngliche Inhaber der Wertpapiere erhält nicht den Kaufpreis, sondern nur
die vereinbarte Leihgebühr. Der Begriff Wertpapierleihe ist juristisch nicht korrekt, denn die Wertpapiere werden der anderen Partei zu Volleigentum übertragen; es handelt sich also eigentlich um ein Darlehen. Bei den Leihegebern
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handelt es sich oft um Investmentfonds oder Pensionskassen, die über die Leihegebühr zusätzliche Erträge erzielen, die den Sondervermögen und damit den
Anlegern zu Gute kommen.
4.
Warum sind Wertpapierleihe- und Repogeschäfte aufgrund ihres volkswirtschaftlichen Nutzens unverzichtbar?
Ursprünglich wurden beide Instrumente zur Vermeidung von Lieferverzögerungen insbesondere bei grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften, zur Erleichterung der Arbitrage zwischen Kassa- und Terminmärkten und zwischen
Kassamärkten mit unterschiedlichen Erfüllungsfristen (Inland/Ausland), für den
kostengünstigen Aufbau einer Wertpapierreserve für Lombardkredite und zur
Unterstützung von Market Making und Kurspflege entwickelt.
Seit etwa zehn Jahren haben Leihe- und Repogeschäfte als kurzfristige Finanzierungsinstrumente stark an Bedeutung gewonnen. Insbesondere während der
Finanzkrise, als der unbesicherte Geldmarkt in weiten Teilen zum Erliegen kam,
galten die Repo-/Leihemärkte aufgrund ihrer Besicherungsmechanismen und ihrer bereits bestehenden Regulierung als letzter liquider Markt für Geldmarkttransaktionen mit kalkulierbarem Risiko.
Auch die Baseler Eigenkapitalregeln haben die Attraktivität besicherter Transaktionsformen tendenziell erhöht und ihren Bedeutungszuwachs gefördert. Je
höher der Besicherungsgrad, desto geringer ist die erforderliche EigenkapitalUnterlegung und desto größer der aufsichtsrechtlich akzeptable Handlungsspielraum für die Kreditinstitute. Je restriktiver die Baseler Vorgaben sind, umso größer wird der finanzwirtschaftliche Nutzen besicherter Marktsegmente
und damit auch der Repo-/Leihemärkte.
Die enorme volkswirtschaftliche Bedeutung intakter und funktionsfähiger
Repo-/Leihemärkte kommt auch in der Diskussion um die europäische Finanztransaktionsteuer zum Ausdruck. Der Repo-Markt spielt eine zentrale Rolle
beim Liquiditätsausgleich unter den Geschäftsbanken und erleichtert dadurch
die Aufgabenerfüllung der Zentralbanken. Eine effiziente und stabile Liquiditätsausstattung der Kreditinstitute ist darüber hinaus eine zentrale Voraussetzung für die Liquiditätsversorgung der gesamten Wirtschaft sowie der öffentlichen und privaten Haushalte. Im kurzfristigen Bereich wird dies nicht zuletzt
durch die Repo-/Leihemärkte gewährleistet.
5.
Warum werden diese Geschäfte in Zusammenhang mit Schattenbanken
gebracht?
Auch Schattenbanken – im Gegensatz zu Kreditinstituten nicht bankaufsichtlich reguliert – sind an den Repo-/Leihemärkten aktiv. Zwar werden Repo- und
Wertpapierleihegeschäfte regelmäßig von Banken abgeschlossen, aber auch
Kapitalsammelstellen wie Fonds, Pensionskassen und Versicherungen sowie
andere Kapitalmarktakteure wie Hedge-Fonds und Verbriefungsgesellschaften
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sind hier engagiert. Das Geschäft weist strukturelle Parallelen zum Kreditgeschäft auf, das bankaufsichtlich streng reguliert ist. Trotzdem unterfallen die
oben genannten Nicht-Banken lediglich ihrer sektoralen Aufsicht (Versicherungsaufsicht, Fondsaufsicht) oder sind sogar weitgehend unreguliert. Sie gelten damit als Schattenbanken oder gehören dem „parallelen Bankensystem“
an, ohne der Bankenaufsicht zu unterliegen.
6.
Welche Regulierungsansätze werden diskutiert?
Durch die Regulierung des Schattenbankensektors soll ein Ausweichen der
Kapitalmarktakteure auf weniger regulierte Bereiche des Marktes verhindert
werden. Man will der Gefahr entgegenwirken, dass durch unkontrolliertes und
unüberschaubares Finanzierungspotenzial ein höherer Verschuldungsgrad ermöglicht und damit systemischen Risiken Vorschub geleistet wird. Gleichzeitig
soll verbesserte Transparenz den Behörden ermöglichen, potenzielle Systemrisiken früher als bislang zu erkennen, um dadurch Fehlentwicklungen in einem
frühen Stadium entgegenwirken zu können.
Gefürchtet sind insbesondere Verflechtungen zwischen den unregulierten Teilen des Marktes und dem Bankensektor. Schieflagen im Nichtbankenbereich
könnten nach der Analyse des FSB auch die klassische Kreditwirtschaft kontaminieren und damit unkontrollierbare Dominoeffekte entfalten.
Zur Verbesserung der Transparenz als funktionsfähiges Frühwarnsystem sollen
die Aufsichtsbehörden zukünftig genügend Daten über die Finanzierungsströme und die beteiligten Akteure erhalten. Eine global einheitliche Kennung namens „Legal Entity Identifier“ (LEI) soll Banken und alle anderen Marktteilnehmer eindeutig identifizierbar machen.
Zur ergänzenden Risikoprophylaxe wird vorgeschlagen, einen konkreten
Rechtsrahmen für die Besicherung zu schaffen. Der Vorschlag des FSB sieht
vor, Mindestwerte für die Besicherung einzuführen, um prozyklischen Effekten
im Falle eines wirtschaftlichen Abschwungs entgegenwirken zu können.
7.
Ist mehr Transparenz nötig?
Tatsächlich haben die Aufsichtsbehörden bislang keinen Überblick über die
einzelnen abgeschlossenen Geschäfte. Es ist ihnen zwar möglich, Einblick in
das Handelsgebaren der ihrer Aufsicht unterworfenen Banken zu nehmen; Erkenntnisse über die Positionen der Akteure aus dem Nichtbankensektor fehlen
jedoch gänzlich.
Fraglich ist aber, ob es hierzu erforderlich ist, ein derart extensives und detailliertes Meldewesen aufzubauen, wie es die aktuellen FSB-Pläne vorsehen. Es
wäre durchaus möglich, bei Banken regelmäßig nach dem Umfang der Geschäfte mit dem Schattenbankensektor zu fragen und daraus hinreichende Er-
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kenntnisse zum Umfang der Geschäftsbeziehungen und der daraus drohenden
Ansteckungsgefahren zu erzielen.
8.
Was sind Haircuts? Wie wirken sie in Krisenzeiten?
Beide Parteien eines Geschäfts haben angesichts der sich ständig ändernden
Marktverhältnisse ein hohes Interesse an Sicherheit. Bei einem Repogeschäft
ist der „Kreditgeber“ durch die ihm überlassenen Wertpapiere abgesichert. Die
institutsindividuelle Collateral-Policy legt dabei fest, welche Papiere in welcher
Höhe als Besicherung akzeptiert werden. Die Wertpapiere können aber an den
Börsen unter Umständen schnell an Wert verlieren. Um auch dieses Risiko abzusichern, werden die Wertpapiere bei Abschluss des Geschäfts nicht zum aktuellen Marktwert, sondern mit einem Risikoabschlag („Haircut“) bewertet.
Fallen die Kurse plötzlich, besteht daher noch Spielraum bis der Darlehensgeber eine Nachbesicherung verlangen muss. Normalerweise findet dieser Sicherheitenausgleich noch am selben Tag statt. Wann es zu einem solchen
Ausgleich kommt wird über eine Schwellenwertvereinbarung („Minimum
Treshhold Amount“) festgelegt. Auf diese Art und Weise wird über die Laufzeit des Repos die Übersicherung konstant aufrechterhalten.
In fallenden Märkten werden tendenziell größere Sicherheitspuffer verlangt,
der Haircut wird also größer ausfallen. Der Kreditnehmer muss dann mehr Sicherheiten aufbringen, seine finanziellen Spielräume werden enger. Gegebenenfalls wird er sogar Wertpapiere veräußern müssen. Dies verstärkt den
Druck auf die Märkte. Wiederum fallende Kurse führen erneut zu größeren
Haircuts und so weiter. Dieser Effekt lässt sich allerdings nur bei relativ „kreditlastigen“ oder strukturierten Sicherheiten beobachten. Die Haircuts für
Staatsanleihen oder generell für Papiere mit hoher Liquidität und großer Kreditwürdigkeit haben sich auch während der Finanzkrise nur geringfügig verändert. In Europa ist der Anteil kreditlastiger Papiere am Repo-/Leihemarkt relativ
gering.
Die oben beschriebene Spirale soll nach den Vorstellungen der Aufsichtsbehörden dadurch durchbrochen werden, dass auch in guten Zeiten höhere Haircuts verlangt werden müssen. Man erhofft sich, dass das Nachbesicherungsbedürfnis bei dann fallenden Märkten geringer ausfallen wird und die größeren
Risikopuffer die negative Marktentwicklung dämpfen. Auch hier sei darauf
hingewiesen, dass dieser Spiraleffekt während der Finanzkrise in Europa weitaus weniger stark ausgeprägt war als in den USA. Dies beruht letztlich auf
den historisch gewachsenen unterschiedlichen Marktstrukturen. So hat in den
angloamerikanischen Staaten die Finanzierung über den Kapitalmarkt traditionell eine weitaus größere Bedeutung als in Kontinentaleuropa, wo die Finanzierung vor allem über die Kreditwirtschaft erfolgt. Auch die Arbeitsteilung in der
Finanzwirtschaft ist zum Bespiel in den USA stärker ausgeprägt als bei den europäischen Universalbanken.
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9.
Können systemische Risiken abgewendet werden, wenn Haircuts durch
die Aufsicht festgelegt werden?
Es ist fraglich, ob aufsichtlich festgelegte Besicherungsgrenzen zur Stabilisierung der Märkte beitragen oder sogar im Gegenteil negative Wirkungen entfalten können. Verlangt die Aufsicht deutlich mehr Besicherung als derzeit in der
Praxis in guten Marktsituationen üblich, würde dies den Markt für besicherte
Kredite deutlich belasten. Das Erzwingen marktferner Abschläge mindert die
Transaktionsbereitschaft und verringert die Flexibilität der Marktteilnehmer,
auf aktuelle Marktentwicklungen zeitnah reagieren zu können. Statisch festgelegte Haircuts für volatile Märkte sind weder sachgerecht noch risikomindernd
und eine dynamische behördliche Vorgabe, die gleichsam mit den Märkten
„atmet“, erscheint in der Realität nur schwer vorstellbar. Hinkt aber die Haircut-Vorgabe der Marktentwicklung hinterher, so kann ein solches „Time-lag“
gerade in Krisensituationen kontraproduktiv und risikoerhöhend wirken. Durch
verbindlich vorgeschriebene Risikoabschläge träte zwangsläufig ein Herdeneffekt ein, der seinerseits systemische Risiken begründen oder zumindest erhöhen kann und damit zyklische Marktbewegungen verstärkt, anstatt sie – wie
angestrebt – zu vermindern.
Des Weiteren fördert eine bürokratische Haircut-Vorgabe die Neigung, dass
sich die Marktteilnehmer ausschließlich an den aufsichtlich festgesetzten
Grenzen orientieren und eine institutsindividuelle Abschätzung des Ausfallrisikos nicht mehr stattfindet. Damit wird das eigentlich förderungswürdige Risikobewusstsein der Marktteilnehmer tendenziell sediert und weicht einer unreflektierten Akzeptanz behördlicher Markteinschätzungen, die sich in den Vorgaben manifestiert.
Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass die Regelungsvorschläge des FSB
wiederum zu einem guten Teil Banken treffen würden, die durch die bankaufsichtliche Regulierung der letzten Jahre bereits erheblich belastet sind.
10. Sollte die Besicherungspraxis trotzdem reguliert werden?
Als sinnvollere Alternative erscheint es daher, auf amtlich festgelegte Grenzen
zu verzichten und stattdessen den Instituten vorzugeben, eine transparente
und effiziente Besicherungsmethodik zu entwickeln und diese nachvollziehbar
zu dokumentieren. Hierauf könnte die Aufsicht Zugriff erhalten und ggf. sanktionierend eingreifen.
11. Welche Prämissen müssen bei der Regulierung Beachtung finden?
Regulatorische Vorgaben sollten so zielführend ausgestaltet werden, dass sie
mit einer minimalen Belastung der Marktakteure ein Maximum an systemischer
Sicherheit gewährleisten und dabei die originäre Funktionsfähigkeit der Märkte
nach Möglichkeit nicht beeinträchtigen. Auch die Wettbewerbsneutralität zwiLennéstr. 11 • 10785 Berlin • Postfach 11 02 72 • 10832 Berlin
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schen den Marktteilnehmern und zwischen den Finanzplätzen muss in einem
akzeptablen Maß durch ein Level-Playing-Field gewährleistet sein. Die Bundesbank fordert zu Recht bei der Schattenbankenregulierung die Berücksichtigung
länderspezifischer Umstände. Es steht außer Zweifel, dass die Ausgestaltung
einer sachgerechten Regulierung bei diesem facettenreichen Thema ein außerordentlich anspruchsvolles und schwieriges Unterfangen ist. Gerade angesichts der Komplexität dieser Materie erscheint es jedoch wichtig, das angestrebte Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und auch die Kosten-NutzenRelation einzelner Maßnahmen stets kritisch zu hinterfragen. Gelingt der
schwierige Balanceakt zwischen sinnvoller Beschränkung und überzogener Belastung dann wird das Regulierungsergebnis ein wichtiger Beitrag zur Förderung der Marktstabilität in Europa sein.
12. Wie ist der weitere Verlauf des Regulierungsprozesses?
Das FSB führt derzeit eine weitere Konsultation zur aufsichtsrechtlichen Bestimmung von Haircuts durch. Parallel hierzu werden Überlegungen angestrengt, welchen Anforderungen ein Meldesystem für Repo- und Wertpapierleihetransaktionen zu genügen hat. Die EU-Kommission hat angekündigt, zum
Jahreswechsel ebenfalls Vorschläge zur Regulierung des Wertpapierleihe- und
Repogeschäfts zu unterbreiten. Dabei dürfte sie sich eng an den bereits erarbeiteten Vorschlägen des FSB orientieren.
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Kontakt: Georg Baur ([email protected]) • René Lorenz ([email protected])
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