Es gibt nicht nur Bier auf Hawaii!

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Es gibt nicht nur Bier auf Hawaii!
FOOD & BEVERAGE WEIN-KOLUMNE
Es gibt nicht nur Bier
auf Hawaii!
W
ann ist ein Wein exotisch? Es kann
sein, dass er aus einer seltenen
«exotischen» Traubensorte vinifi ziert wurde. Oder er wird mit
einer speziellen Vinifi kationsmethode gemacht. Es kann aber auch sein, dass
sein Ursprungsland nicht zu den traditionellen
Weinländern gehört oder für uns noch als solches unbekannt ist. Und wenn ein Wein von einer
Koralleninsel der Südsee stammt, auf der zweimal im Jahr geerntet wird, kann man wirklich
behaupten, dass dieser Wein exotisch ist. Warum
sind für uns exotische Weine interessant? Es ist
der Reiz des Unbekannten, des Fremden, des
Neuartigen. Natürlich schmecken sie auch nach
Wein, aber man sucht den Unterschied zum uns
schon Bekannten. Ein japanisches Bier oder ein
Bier aus Hawaii trinkt man zuerst auch mit anderen Erwartungen als unsere einheimischen Biere.
Exotische Weine fi ndet man meistens dann auf
der Weinkarte, wenn der Wirt oder Sommelier zu
diesen eine persönliche Beziehung hat. Sie sind
sicher nicht der grosse Umsatzbringer, aber es
gibt immer wieder Gäste, die neben dem Altbekannten wirklich etwas Neues oder anderes probieren möchten.
Das kann ein geharzter griechischer Wein sein,
ein Krimsekt oder ein chinesischer Wein zur
Peking-Ente. Die einfachste und angenehmste
Methode exotische Weine zu erkunden ist, während einer Ferienreise mit offenen Augen und
mit unbefangenem Gaumen Ausschau zu halten.
Wenn man diese Weine noch mit landestypischen
Spezialitäten probiert, sind bestimmt einige positive Überraschungen garantiert. Man sollte solchen Weinen wirklich ohne festgelegte Erwartungen und nicht nach heimischen Kriterien
begegnen! Vielleicht sind sie im ersten Moment
für unseren Gaumen etwas ungewöhnlich, aber
wenn man sich über diese Weine informiert, entdecken wir viele originelle Nuancen. Ein Uhudler
aus Österreich ist für den klassischen Weintrinker eine Grenzerfahrung, aber für den Kenner ein
Gaumenerlebnis. Exotisch ist meistens das, was
man noch nicht kennt. Für uns sind zum Beispiel
Weine aus Osteuropa noch exotisch, weil wir zu
wenige Möglichkeiten haben, diesen zu begegnen. Obwohl viele dieser Länder manchmal längere Weintraditionen haben als wir, werden solche Weine oft noch mit viel Skepsis betrachtet.
In die Gourmet-Abteilungen von Warenhäusern
oder in Weinhandlungen fi nden oft nur auf westlichen Geschmack getrimmte Weine ihren Weg.
Es ist häufig nur in den Ursprungsländern möglich, diese Weine in ihrer ganzen Vielfalt zu genie-
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ssen. Es gibt Sorten, die für uns ausserhalb ihres
Landes nicht erreichbar sind, weil die Anbaufläche oder die Produktion so gering ist, dass ein
Export nicht möglich oder zu kostspielig wäre.
Es ist daher ratsam, wenn man die Möglichkeit
hat, solche Weine in ihrer Heimat zu probieren und danach ein paar Flaschen als Reiseerinnerung mitzunehmen. Obwohl viele «Weinfachleute» genau davon abraten. Wenn Sie zum
Beispiel in der Südsee Badeferien machen, vielleicht in Bora Bora oder sogar in Rangiora, sollten sie sich nach einheimischem Wein erkundigen.
Es gibt nämlich nicht nur Bier auf Hawaii, sondern
auch Wein auf Tahiti oder besser gesagt auf dem Korallen-Atoll
Rangiora. Dort werden Reben
angebaut und Weine nach bester französischer Manier gekeltert. Es ist nicht selbstverständlich, dass dort Reben wachsen,
weil das Wetter tropisch ist und
die Nächte warm und feucht
sind. Doch anscheinend gefällt
es hier den Reben genauso,
wie den zahlreichen Touristen, die auf der anderen Seite der Erdkugel noch ein kleines
Paradies vorfi nden. Was wie ein
1.-April-Scherz
tönt, ist wahr;
es gibt dort die
Domaine Dominique Auroy. Ich
bin kürzlich mit
einigen Flaschen Korallenwein im Reisegepäck aus Tahiti
zurückgekehrt.
H
Der Autor: Bruno-Thomas Eltschinger
ist Präsident des Deutschschweizer
Sommelier-Verbandes (SVS/ASSP). Seit
vielen Jahren beschäftigt er sich
professionell mit der internationalen
und schweizerischen Weinszene.
[email protected]
01–02I2011