Diplomarbeit - Institut für Bildungswissenschaft

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Diplomarbeit - Institut für Bildungswissenschaft
Diplomarbeit
Titel der Diplomarbeit
„Der Daltonplan heute“
Eine qualitative Untersuchung zum Verständnis der Daltonplanpädagogik
österreichischer und tschechischer Lehrer/innen.
Verfasserin
Helene Juliana Feichter
angestrebter akademischer Grad
Magistra der Philosophie (Mag. phil.)
Wien, im November 2007
Studienkennzahl lt. Studienblatt:
A 297
Studienrichtung lt. Studienblatt:
Pädagogik
Betreuer:
Univ.-Prof. Dr. Stefan Thomas Hopmann
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig
angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich
erkläre weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus
gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt
übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche
Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben
gekennzeichnet. Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich
signifikanter Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.
Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden.
Diese Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der
Inhalt der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt.
Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.
Helene Juliana Feichter
Wien, im November 2007
2
IST DAS DER DALTONPLAN ?
Abbildung 1: „Die Daltons“ in Maurice de/Fauche/Leturgie (1991): Lucky Luke. Gedächtnisschwund. Bd. 63.
Stuttgart: Ehapa Verlag. S.3
3
INHALTSVERZEICHNIS
I EINLEITUNG .............................................................................................................. 6
1
Vorwort .........................................................................................................................................6
1.1
1.2
Das Forschungsinteresse ...................................................................................................................... 6
Gliederung der Arbeit und Forschungsfragen .................................................................................... 7
II DER DALTONPLAN IN DER THEORIE ............................................................. 10
2
3
Die Entwicklerin des Daltonplans: Helen Parkhurst.......................................................... 10
Historische Einflüsse auf den Daltonplan............................................................................. 14
3.1
3.2
3.3
3.4
4
5
Rezeptionsgeschichte................................................................................................................ 18
Prinzipien des Daltonplans ..................................................................................................... 19
5.1
5.2
5.3
6
7
Maria Montessori................................................................................................................................ 14
Preston W. Search (Puebloplan) ........................................................................................................ 15
Edgar J. Swift...................................................................................................................................... 16
John Dewey......................................................................................................................................... 16
Freedom............................................................................................................................................... 19
Cooperation......................................................................................................................................... 22
Budgeting Time .................................................................................................................................. 22
Lernfortschrittskontrolle mittels Graphen .......................................................................... 23
Unterrichtsorganisation........................................................................................................... 27
7.1
7.2
7.3
7.4
Das Pensum mit den Assignments .................................................................................................... 27
Aufbau des Assignments.................................................................................................................... 30
Lernort................................................................................................................................................. 32
Lernzeit ............................................................................................................................................... 32
8
Varianten der Daltonpraxis .................................................................................................... 33
9
Reflexion im Daltonplan.......................................................................................................... 35
10
Der Daltonplan als spezielle Form des offenen Unterrichts ............................................ 36
10.1
10.2
10.3
10.4
10.5
III
11
FELDFORSCHUNG ............................................................................................ 42
Forschungsmethode ............................................................................................................... 42
11.1
11.2
11.3
12
Zum Verständnis des offenen Unterrichts ...................................................................................... 37
Arbeitsplankonzept (Wochenarbeitsplan)....................................................................................... 39
Freiarbeitskonzept ............................................................................................................................ 39
Projektarbeitskonzept ....................................................................................................................... 40
Stationenarbeitskonzept (Werkstattunterricht) ............................................................................... 41
Zugang zum Feld .............................................................................................................................. 42
Probleme bei der Kontaktaufnahme ................................................................................................ 43
Auswertung ....................................................................................................................................... 45
Kooperative Mittelschule Hörnesgasse ............................................................................... 46
12.1
12.2
12.3
12.4
12.5
12.6
Allgemeines zur Schule ................................................................................................................... 46
Daltonstunden ................................................................................................................................... 47
Freiheit .............................................................................................................................................. 48
Kooperation ...................................................................................................................................... 48
Zeiteinteilung .................................................................................................................................... 49
Kooperation der Lehrenden ............................................................................................................. 50
4
13
Franz Jonas - Europaschule ................................................................................................ 52
13.1
13.2
13.3
13.4
13.5
13.6
14
Chalabalova Dalton Schule ................................................................................................... 57
14.1
14.2
14.3
14.4
14.5
14.6
14.7
15
Allgemeines zur Schule ................................................................................................................... 52
Daltonstunden ................................................................................................................................... 52
Freiheit .............................................................................................................................................. 53
Kooperation ...................................................................................................................................... 54
Zeiteinteilung .................................................................................................................................... 55
Kooperation der Lehrenden ............................................................................................................. 56
Allgemeines zur Schule ................................................................................................................... 57
Besonderheiten der Schule............................................................................................................... 58
Daltonstunden ................................................................................................................................... 58
Freiheit .............................................................................................................................................. 59
Kooperation ...................................................................................................................................... 60
Zeiteinteilung .................................................................................................................................... 61
Kooperation der Lehrenden ............................................................................................................. 62
Husova Dalton Schule ............................................................................................................ 62
15.1
15.2
15.3
15.4
15.5
15.6
Allgemeines zur Schule ................................................................................................................... 62
Daltonzeit.......................................................................................................................................... 63
Freiheit .............................................................................................................................................. 66
Kooperation ...................................................................................................................................... 66
Zeiteinteilung .................................................................................................................................... 67
Kooperation der Lehrenden ............................................................................................................. 68
IV DER DALTONPLAN HEUTE............................................................................... 68
16
Auswertung.............................................................................................................................. 68
16.1 Was ist der Daltonplan heute? ......................................................................................................... 68
16.2 Wieso Daltonplan? .......................................................................................................................... 72
16.2.1 Daltonplan oder doch etwas anderes?.................................................................................... 72
16.2.2 Zugang zum Daltonplan.......................................................................................................... 72
16.2.3 Warum Unterschiede?............................................................................................................. 75
16.2.4 Vorläufer Offenes Lernen ....................................................................................................... 76
16.3 Einflussfaktoren............................................................................................................................... 77
16.3.1 Die Rolle der Schulleitung...................................................................................................... 77
16.3.2 Kooperation ............................................................................................................................. 80
16.3.3 Dynamik im Lehrkörper ......................................................................................................... 82
16.3.4 Unterrichtsklima...................................................................................................................... 84
16.3.5 Ausstattung und Organisation ................................................................................................ 86
16.4 Lernt die Schule?............................................................................................................................. 88
16.4.1 Weiterentwicklungen .............................................................................................................. 88
16.4.2 Schulentwicklung .................................................................................................................... 89
17
Resümee ................................................................................................................................... 98
V QUELLENNACHWEIS UND ANHANG............................................................ 102
18
LITERATURVERZEICHNIS ........................................................................................... 102
19
ANHANG INTERVIEWLEITFADEN............................................................................ 106
5
I EINLEITUNG
1
Vorwort
Wenn ich auf meine Schulzeit zurückblicke, dann war diese vor allem im Gymnasium nicht
unbedingt von Lernfreude geprägt und das Motto von meinen Schulkolleginnen/Kollegen und
mir war, mit so wenig Aufwand wie möglich, das meist Mögliche zu erreichen. Das
bedeutete, dass wir die Arbeit, die uns aufgetragen wurde, nur mit Widerwillen und ohne
Motivation erfüllten und dennoch hofften, dass eine gute Note dabei herausschaute. Wir
empfanden die Arbeit immer als die der Lehrer/innen und nicht als die unsere. Aufgrund der
ständigen Kontrolle der Lehrer/innen (Hausaufgaben, Prüfungstermine, keine individuelle
Themenwahl usw.) und wenig Möglichkeiten selbständig zu arbeiten, lernte ich auch nicht
meine Zeit richtig einzuteilen und kam vor Schularbeiten ständig in Zeitnot. Während meines
Studiums musste ich mir ein gutes Zeitmanagement mühsam aneignen, da es zu diesem
Zeitpunkt schon vorausgesetzt wurde.
In einer Vorlesung über Reformpädagogik erfuhr ich das erste Mal vom Daltonplan. Der
Daltonplan ist benannt nach der amerikanischen Stadt Dalton, Massachusetts, wo dieses
Konzept erstmals öffentliche Aufmerksamkeit erregte und in Fachzeitschriften unter diesem
Namen publiziert wurde. „Plan“ wurden zur damaligen Zeit reformpädagogische Konzepte
benannt, so gibt es z.B. auch den Winnetkaplan, den Puebloplan oder den Jenaplan. Ich
verfolgte den Vortrag mit einer gewissen Skepsis, obwohl ich selbst im Regelschulsystem
schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Interessant fand ich jedoch, dass den Lernenden
Freiheiten in einem festgelegten Rahmen zugestanden werden und sie einen Überblick über
die Unterrichtsthemen, die über das ganze Schuljahr durchgenommen werden, gewinnen. Vor
allem die Freude am Lernen war ein Aspekt, den ich in meiner Schulzeit vermisste. Überdies
schien mir der Daltonplan auch ideologiefreier als andere reformpädagogische Konzepte und
am verträglichsten mit dem Regelschulsystem.
1.1
Das Forschungsinteresse
Während meines Studiums hatte ich nur einmal Näheres über den Daltonplan erfahren und
das obwohl dieses pädagogische Modell angeblich auch in Österreich immer mehr Anklang
findet (vgl. Hasenhüttl/Perl 2002, S. 568). Mir schien es, als würde er heute nicht mehr zur
6
Anwendung kommen. Erst aufgrund des Buches „Ideen machen Schule“ (Fraundorfer 2006)
wurde meine Aufmerksamkeit wieder auf diese spezielle Art des selbstgesteuerten Lernens
gelenkt. In der Publikation werden neun Schulen vorgestellt, die innovative Projekte
umsetzen und reformpädagogisch arbeiten, unter anderem auch nach der DaltonplanPädagogik.
Während meiner Literaturrecherche zur Diplomarbeit stellte ich nicht nur fest, dass es wenig
Literatur über den Daltonplan gibt, sondern auch, dass in Österreich wenige Schulen dieses
Konzept anwenden. Das hat mein Interesse erneut geweckt und es drängte sich folgende
Frage auf: Was ist das Charakteristische an dieser Pädagogik, was macht sie aus? Es zeigte
sich jedoch sehr schnell, dass es „den“ Daltonplan nicht gibt. Parkhurst selbst sagt, dass der
Daltonplan kein starres Konstrukt ist, sondern ein „way of life“ (vgl. Eichelberger/Wilhelm
2003, S. 32). Wenn aber das Konzept derart flexibel gehandhabt wird, wollte ich untersuchen,
wie sich die Umsetzung des Daltonplans an österreichischen und tschechischen Schulen aus
der Sicht von Lehrer/innen darstellt.
1.2
Gliederung der Arbeit und Forschungsfragen
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in folgende Teilbereiche:
Die Einleitung ist der erste Teil, diese führt zum Thema hin, das Forschungsinteresse wird
erläutert, auch die Gliederung der Arbeit und die Forschungsfragen sind darin angeführt.
Im zweiten allgemeinen Teil werden die Biographie Helen Parkhursts, historische Einflüsse
auf den Daltonplan und unter anderem die Rezeptionsgeschichte dargestellt. Diesen
Bereichen kommt besondere Bedeutung zu, da erst dadurch die Entstehung des Daltonplans
nachvollziehbar wird. Die Rezeptionsgeschichte bildet auch die Voraussetzung für die
Beurteilung des Daltonplans heute. Danach folgt die Analyse der Grundprinzipien, welche
kennzeichnend für den Daltonplan und die Basis meines Forschungsvorhabens sind. Ein
weiterer Schwerpunkt liegt auf der Ausarbeitung der flexiblen Anwendungen des Daltonplans
und der Abgrenzung zum offenen Unterricht.
Auf die angewandte Methode bei der Feldforschung wird im dritten Teil näher eingegangen.
Der Zugang zum Feld und die Probleme bei der Kontaktaufnahme werden geschildert, sowie
7
die Methoden der Auswertung. Einen weiteren Bereich bilden die Vorstellungen der
einzelnen Schulen und die unterschiedliche Anwendungen des Daltonplans. Weiters werden
vier Schulen vorgestellt, die nach der Konzeption des Daltonplans unterrichten: Die
Kooperative Mittelschule (KMS) Hörnesgasse und die Franz Joans Europaschule in
Österreich, die Chalabalova Dalton Schule und die Husova Dalton Schule in Tschechien. Die
letzteren drei Schulen gehören der Vereinigung „Dalton International“1 an. Für meine
Untersuchung habe ich Interviews mit Lehrer/innen dieser Schulen geführt. An den Wiener
Schulen waren jeweils drei Interviews (ausschließlich mit Lehrerinnen) möglich, in
Tschechien jeweils zwei pro Schule (mit einem Lehrer und drei Lehrerinnen). Die Interviews
dauerten ca. 45 Minuten und liegen in transkribierter Form vor, werden aber aus
Datenschutzgründen nicht beigelegt. Datenmaterial erhob ich auch durch den Besuch der
„Dalton Conference“ in Brno im Mai 2007, wo ich viele Gespräche mit Lehrerinnen und
Lehrern führen konnte.
Meine Forschungsfragen lauteten:
a) Verständnis des Daltonplans: Was meinen Lehrer/innen, wenn sie von
Daltonplan sprechen?
Welche Sichtweise haben Lehrer/innen in Bezug auf den Daltonplan. Was verstehen sie
unter Daltonplan und wie viel wissen sie darüber?
b) Selbstverständnis der Daltonplananwender/innen: Wie glauben Lehrende, dass
sie den Daltonplan umsetzen?
Wie sieht der Daltonunterricht im Speziellen aus? Welche Aspekte glauben Lehrer/innen,
dass sie umgesetzt haben bzw. was unter Umständen nicht? Wie sieht die
Unterrichtspraxis aus der Sicht der Lehrer/innen aus?
c) Implementierung des Daltonplans: In welcher Spannweite und in welchen
Bereichen wird der Daltonplan umgesetzt?
Wo liegen die Unterschiede in der Anwendung des Daltonplans zwischen den einzelnen
Schulen und in welchen Bereichen hat der Daltonplan Einzug gefunden?
1
Für nähere Informationen: Online im Internet: URL: http://www.daltoninternational.org (Stand 2009-05-04)
8
d) Begründung
für die Modifikation
des Daltonplans:
Wie rechtfertigen
Lehrer/innen den Unterschied zum Daltonplan, wie ihn Parkhurst entwickelt
hat?
Wieso wird der Daltonplan nicht nach den Ideen von Parkhurst umgesetzt? Welche
Gründe stecken dahinter? An welchen Vorschlägen von Parkhurst haben sich die
Lehrer/innen orientiert?
e) Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Daltonplans: Welche fördernden
oder hemmenden Aspekte nennen Lehrer/innen für die Umsetzung der
Daltonplan-Pädagogik?
Welche Einflussfaktoren gibt es für die modifizierte Anwendung des Daltonplans? Was
unterstützt und was hindert die Lehrer/innen in ihrer Arbeit?
f) Der Daltonplan gestern und heute: Aus dem Blickwinkel einer konservativen
Daltoninterpretation – Wie sieht der Unterricht aus der Sicht von Lehrenden
heute aus?
Wie sieht nun der Unterschied des heutigen Daltonplans im Vergleich zur damaligen
Umsetzung aus? Was glauben Lehrer/innen, das sie in gleicher Weise umsetzen und
welche Unterschiede nennen sie?
Die Auswertung und das Resümee finden sich im vierten Teil. Hier werden die
Ergebnisse meiner Untersuchung dargestellt, die Forschungsfragen beantwortet und
(notwendige) offen gebliebene Fragen angeführt.
Der
fünfte
Teil,
der
Quellennachweis
und
der
Anhang,
beinhalten
das
Literaturverzeichnis, die Kontaktdaten der einzelnen Schulen sowie den von mir
verwendeten Interviewleitfaden.
9
II DER DALTONPLAN IN DER THEORIE
2
Die Entwicklerin des Daltonplans: Helen Parkhurst
Über das Leben von Helen Parkhurst gibt es sehr wenige Darstellungen. Eine sehr
ausführliche Biographie wurde von Popp in „Der Daltonplan in Theorie und Praxis“ (Popp
1999) verfasst. In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich hauptsächlich auf diese
Publikation.
Helen Parkhurst wurde am 8. März 1886 in der Kleinstadt Durand in Wisconsin geboren. Ihre
Familie stammte von einer Siedlerfamilie ab. Der Vater, James Henry Parkhurst, war
Gastwirt, Pferdezüchter und betrieb Viehhandel, die Mutter, Ida Parkhurst, war für die
Bildung in der Familie verantwortlich. Sie ermutigte die Kinder zu Mal- und
Zeichenunterricht. Auch die Begeisterung fürs Lesen hat sich schnell von der Mutter auf
Helen übertragen, die zu einer außerordentlichen „Vielleserin“ wurde. Die Familie lebte in
Wohlstand und die Kinder konnten daher in ihrem Bildungsweg unterstützt werden.
Parkhursts Mutter hatte nie einen Werdegang als einfache Lehrerin für ihre Tochter geplant,
da dieser wenig Prestige und Wohlstand mit sich brachte, sie sollte eine Universitätskarriere
anstreben. Auch ihre Großmutter Mary Underwood war für Helen Parkhurst von großer
Bedeutung, sie förderte ihre Entwicklung und unterstützte sie später in der Ausbildung auch
finanziell.
Helen Parkhurst konnte sich in ihrer ländlichen Kleinstadt weitgehend frei bewegen und hatte
nach ihrer eigenen Aussage eine glückliche Kindheit. Sie konnte eigenständig Erfahrungen
sammeln und ihre Umgebung frei erkunden. Das Einzige, was sie als negativ empfand, waren
die Kirchengänge, die Strenge und Fadesse im Unterricht in der Schule (vgl. Popp 1999, S.
20).
Der Schulunterricht in der damaligen Zeit stellte sich so dar, dass die Schüler/innen sich mit
Arbeitsaufgaben aus Büchern still beschäftigen mussten und diese Ergebnisse später
kontrolliert wurden. Weiters mussten sie Texte aus Büchern auswendig lernen und die
Beantwortung der Lehrerfragen stand im Mittelpunkt. Die Meinung der Schüler/innen war
nicht gefragt, denn die Antworten sollten „wie aus der Pistole geschossen“ (Popp 1999, S. 21)
kommen. Parkhurst, die dem Unterricht leicht folgen konnte und sich schnell langweilte,
10
sträubte sich gegen den Zwang und hatte mit großen Disziplinkonflikten zu kämpfen.
Augrund der schlechten Erfahrungen in ihrer Schulzeit hatte sie schon sehr früh den Wunsch,
selbst Lehrerin zu werden.
Ohne Wissen der Eltern meldete sich Parkhurst nach der Highschool zum „Teachers` Exam“
an. Obwohl sie den Sommerkursen lediglich als Zaungast beiwohnte, bestand sie daraufhin
das Examen erfolgreich. Die ersten Erfahrungen als Lehrerin machte Parkhurst im Herbst
1904, als sie 40 Schüler einer einklassigen Landschule in Waterville übernahm. Die Schule
gehörte der „stolid backwoods community“ an, die sieben Meilen von Durand entfernt lag.
Parkhurst war eine erfolgreiche Lehrerin. Die damalige Lehrerausbildung war nicht sehr
fundiert, so unterrichtete sie nach ihrem Gutdünken und aufgrund der Erfahrungen ihrer
eigenen Schulzeit. „Als entscheidender Bezugspunkt ihrer Pädagogik erscheint hierbei das
Wissen um die Bedürfnisse der Kinder, besonders um deren Streben nach Selbständigkeit und
Anerkennung durch die Erwachsenen.“ (Popp 1999, S. 22) Somit lässt sich in der DaltonplanPädagogik sehr leicht eine „Gegen-Schule“ zur ihrer damaligen Schule erkennen.
Über die Unterrichtsexperimente in Waterville ist die Quellenlage dürftig, berichtet Popp.
Gesichert scheint jedoch, dass Parkhurst die Grundzüge des späteren Daltonplans bereits in
Waterville umsetzte.
„Arbeitsanweisungen“
Zwei
Eckpfeiler
(„assignments“)
des Unterrichts waren
und
die
die so
„fachspezifischen
genannten
Arbeitsplätze“
(„laboratories“). Unter „assignments“ werden zugewiesene Arbeitsaufgaben verstanden, die
die Schüler/innen bearbeiten müssen und die im Gesamten das Pensum ergeben. Zu Beginn
des Schuljahres wurde auch der Klassenraum „daltonisiert“, das heißt, es wurden
„Fachwinkel“ („subject corners“) eingerichtet. Die Tische wurden nicht mehr, wie damals
üblich, am Boden verschraubt, sondern konnten beliebig zusammengestellt werden. Obwohl
es in Waterville noch einen Stundenplan gab, konnten sich die Schüler/innen, wohl gebunden
an die Arbeitsanweisungen, frei im Raum bewegen und selbständig arbeiten. Die jüngeren
Schüler/innen bekamen Wochen- und die älteren Schüler/innen Monatspläne zu je 20
„Arbeitseinheiten“ („units“). Weiters gab es die „monitors“, ältere Schüler/innen, die jüngere
Schüler/innen in der Gestaltung und Durchführung der Wochenarbeit in den „subject
corners“, unterstützten. Parkhurst selbst richtete sich in der Schule ein Büro ein – ebenfalls
ein Novum – in dem sie die „assignments“ entwickelte, Schülergespräche führte und die
Arbeiten korrigierte.
11
1905 beendete sie ihre Arbeit an der Primary School in Waterville und begann ihr Studium
am Teachers’ College in River Fall, Wisconsin, das sie 1907, in nur der Hälfte der
vorgesehenen vier Studienjahre, erfolgreich abschloss. Die folgenden zwei Jahre unterrichtete
sie in Hudson, Wisconsin, in einem „sozial depravierten Viertel“ und war in der Folge
Supervisorin für angehende Grundschullehrer/innen an der Rural Training School for
Teachers. Im Anschluss daran unterrichtete sie wieder als Grundschullehrerin in Tacoma an
der Edison School. 1913 kehrte sie ans Central State Teachers` College ins Ellensburg zurück,
um wiederum als Supervisorin tätig zu werden. Im selben Jahr, als Siebenundzwanzigjährige,
übernahm sie die Direktorenstelle der Primarschuldidaktik-Abteilung am Teachers’ College
in Stevens Point, Wisconsin. Nebenbei besuchte sie in der Zeit von 1907 bis 1914 zahlreiche
Kurse am Teachers’ College der Columbia University.
Während dieser ersten Unterrichtsjahre entwickelte Helen Parkhurst ihr pädagogisches
Konzept, das schließlich zu ihrem „Laboratory Plan“ führte, konsequent weiter. Der
Entwicklungsprozess für eine „andere“ Schule war geleitet von den folgenden drei
Zielvorstellungen: „Die Verantwortung (teilweise) an die Schüler/innen zu delegieren und –
wie in einer Familie – die älteren in die Betreuung der Jüngeren einzubeziehen, die Lernenden
mit der Aufgabe betrauen, ihren eigenen Arbeitsplan für die „open lab-time“ zu erstellen, und
ihnen die Möglichkeit zu geben, die verfügbare Arbeitszeit nach ihren persönlichen
Lernbedürfnissen einzuteilen.“ (Popp 1999, S. 26)
Eine erste wichtige Änderung des ursprünglichen „Laboratory Plans“ war, dass die
Schüler/innen nicht mehr in „subject corners“ miteinander in einem Raum, sondern in eigens
dafür konzipierten „laboratories“ zusammen arbeiten konnten. Jeder dieser Fachräume wurde
von
einem/einer
Fachlehrer/in
betreut,
der/die
gemeinsam
mit
den
anderen
Fachlehrerinnen/Fachlehrern die jeweiligen Arbeitsanweisungen entwickelte.
Im Jahr 1914 ließ sich Parkhurst vom Schuldienst in Stevens Point freistellen um einen
internationalen Trainingskurs von Maria Montessori zu besuchen. Die Beziehung zwischen
den beiden Frauen war jedoch keineswegs die einer Lehrerin zu ihrer Schülerin, denn
Parkhurst arbeitete bald mit Montessori zusammen. Allerdings wurde Parkhurst im Laufe der
Zeit und der Zusammenarbeit in ihren Ansichten und Vorhaben bestärkt, ihren eigenen
pädagogischen Weg zu gehen. Was sie jedoch für ihren „Laboratory Plan“ mitnehmen konnte
war, dass es von großer Bedeutung ist, das Kind genauestens zu beobachten. Jene
12
Vorstellungen Montessoris über die Erziehung des Kindes im Vorschulalter waren für
Parkhurst, die sich mit der Reorganisation des Schulbetriebes, bzw. des Unterrichtskonzepts
beschäftigte, nicht relevant (vgl. Popp 1999, S. 27).
Trotz der Vorbehalte ließ sich Parkhurst 1915 zum „Supervisor of Montessori Teachers in the
United States“ ernennen mit dem ausdrücklichen Auftrag, die amerikanische MontessoriBewegung zu kontrollieren. Ihre Aufgaben waren sehr weit reichend. Sie musste sich um
finanzielle Mittel kümmern, war für die Lehrer/innenausbildung zuständig, sowie für die
Gründung neuer Schulen. Weiters sollte sie für den Zusammenhalt der Montessoribewegung
sorgen. Ein wichtiger Punkt war auch die Wahrung des Monopol-Anspruchs an MontessoriMaterialien, was finanziell von großer Bedeutung war. Um diese Aufgaben zu erfüllen
bereiste sie die Küsten Amerikas, bis 1916 das „Montessori Normal College“ in New York
eröffnet wurde. Parkhurst übernahm die Supervisionstätigkeit für die Lehrpersonen, welche
hier in zweijährigen Kursen ausgebildet werden sollten. Denn Montessoris Bestreben war, in
möglichst kurzer Zeit so viele Montessori-Lehrende wie möglich auszubilden, was in den
USA den Vorstellungen von einer qualitativ hochwertigen Ausbildung zuwiderlief. Weitere
Ablehnung erfuhr die Reformpädagogin aufgrund ihrer unehelichen Mutterschaft, wegen
ihres katholischen Glaubens, sowie aufgrund der Tatsache, dass Montessori Italienerin war,
was nach dem Kriegseintritt der USA in den 1. Weltkrieg problematisch erschien. Dazu
kamen Angriffe von John Dewey und William H. Kilpatrick, Vertreter der „Progressive
Education“.2 All dies führte schließlich zum Zusammenbruch der „National Montessori
Promotion Foundation“, da der Bewegung jegliche finanzielle Mittel entzogen wurden (vgl.
Pop 1999, S. 28f).
1918 legte Parkhurst ihr Amt zurück, führte jedoch die Montessori-Demonstrationsschule als
Children`s University School unter eigenem Namen weiter, wo sie ihren „Laboratory Plan“
anwenden konnte. Die „National Montessori Promotion Foundation“ wurde in der Folge in
„Dalton Board of Trustees“ umgewandelt, was zum endgültigen Bruch zwischen Montessori
und Parkhurst führte. Denn während der Zusammenarbeit mit Montessori hatte Parkhurst
2
Die Progressive Education Bewegung entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts und ihre Kritik richtete sich
gegen die „alte“ Schule, die von Erfahrungsarmut des Lehrens und Lernens gekennzeichnet war. Das
Curriculum, welches sich an objektiven Bildungswerten orientierte, und weniger an den Interessen der
Schüler/innen, war für die Anhänger dieser Bewegung nicht geeignet, denn sie waren überzeugt, dass Lernen nur
durch die Aktivität des Schülers erfolgen kann.
13
viele Kontakte zu finanzkräftigen New Yorker Kreisen geknüpft und diese unterstützten nun
Parkhurst statt Montessori in ihrer pädagogischen Tätigkeit (vgl. Popp 1999, S. 29f).
3
Historische Einflüsse auf den Daltonplan
Die Einflüsse auf den Daltonplan werden in der Literatur kontrovers diskutiert bzw.
unterschiedlich gewichtet. Wie Popp (1999) beschreibt, beruft sich Parkhurst selbst auf John
Dewey (Näheres dazu im Kapitel 3.4) und betont, auch auf Ideen von Waldo Emerson und
Edward Lee Thorndike zurückgegriffen zu haben. Alle drei Autoren waren zur damaligen
Zeit schon anerkannt und sehr populär und in der Rechtfertigung für die Entwicklung eines
neuen
Lehrkonzepts
Wissenschafter/innen,
für
Parkhurst
die sich
nützlich
ebenfalls mit
(vgl.
Popp
1999,
dem
Daltonplan
S.
26).
Einige
beschäftigten,
wie
beispielsweise Röhrs oder Skiera, sehen den Einfluss vorwiegend von Montessori ausgehend
(vgl. Röhrs 2001, S. 88 / vgl. Skiera 1993, S.14). Besuden (1955) hingegen arbeitet in seiner
Dissertation heraus, dass Parkhurst nur ansatzweise die Grundsätze der von ihr selbst
genannten Theoretiker aufgegriffen hat. Er gewichtet die Einflüsse auf den Daltonplan
dahingehend, dass Parkhurst zum einen stark von Maria Montessori, aber auch mindestens im
selben Ausmaß von Edgar J. Swift (Näheres dazu im Kapitel 3.3) und Preston W. Search
(„Puebloplan“, Kapitel 3.2.) beeinflusst wurde (vgl. Besuden 1955, S. 23-26).
3.1
Maria Montessori
Parkhurst erwähnt den Einfluss, welchen Montessori auf ihr Konzept ausübt, nur beiläufig.
Für sie war es von großer Bedeutung den Daltonplan als Produkt eigener Ideen darzustellen,
es lassen sich dennoch Einflüsse erkennen. Im Mittelpunkt stehen die „bestmögliche
Kraftentwicklung“ eines jeden Kindes und auch das „didaktische Material“, welches
Montessori einsetzt, wird bei Parkhurst auf höherer Ebene zu den „laboratories“
weiterentwickelt. Für Besuden (1955) sind die Gemeinsamkeiten der pädagogischen
Konzepte nicht verwunderlich, da Montessori und Parkhurst lange zusammenarbeiteten und
er die Beziehung der beiden Frauen zueinander vor allem als Lehrerin-Schülerin-Beziehung
interpretiert (vgl. Besuden 1955, S. 24).
14
Popp (1999) sieht dieses Verhältnis differenzierter. Für sie wird Parkhurst fälschlicherweise
als Schülerin von Montessori bezeichnet und ihre Beziehung spielte nicht zwangsläufig eine
Rolle in der Entwicklung des Daltonplans, denn „es war schließlich kennzeichnend für diese
Epoche, daß vielerorts gleichzeitig verwandte Projekte entstanden.“ (Popp 1999, S. 64)
Beispielhaft untermauert Popp ihre Behauptung anhand der Bedeutung der Aufmerksamkeit
gegenüber kognitiven Prozessen zur damaligen Zeit. Denn es greift nicht nur Montessori
diesen
Aspekt
in
einem
Individualisierungskonzept
durch
die
„Polarisation
der
Aufmerksamkeit“ auf, auch Psychologen wie William James bzw. dessen Nachfolger Edward
L. Thorndike betonen die Wichtigkeit der Aufmerksamkeit gegenüber kognitiver Prozesse bei
Heranwachsenden (vgl. Popp 1999, 63f).
3.2
Preston W. Search (Puebloplan)
Wie bereits erwähnt ist der Einfluss des von Preston W. Searchs entwickelten Puebloplans auf
den Daltonplan offensichtlich. Besuden (1955) begründet diese Behauptung mit Parkhursts
Bekanntschaft zu Frederic L. Burk, der wiederum ein Schüler von Search war. Durch Burk, so
Besuden, müsse Parkhurst vom Konzept des Puebloplans Kenntnis gehabt haben.
Zu den wichtigsten Punkten, die als Vorläufer für den Daltonplan bezeichnet werden könnten,
zählen die Betonung der Individualität der/des Schülerin/Schülers, die Laboratorien-Methode
und die Funktion der Lehrenden als kundige Helfer/innen bei der Erfüllung der
Arbeitsanweisungen, welche jeweils für eine Woche entwickelt werden. Weiters wird kein
klassischer Klassenunterricht abgehalten und die Leistungsbeurteilung erfolgt nur über
Übersichtstabellen. Der Unterrichtsalltag ist so gestaltet, dass jede/r Schüler/in seine/ihre
Aufgaben mit individueller Lerngeschwindigkeit und je nach Interesse in Bezug auf die
Unterrichtsgegenstände erfüllen kann (vgl. Besuden 1955, S. 26f).
Für Popp (1999) greifen diese Erklärungen jedoch erneut zu kurz, da Begriffe wie
„assignments“ und „laboratory“ weit verbreitete Begriffe waren, die keinem speziellen
pädagogischen Konzept zuzuordnen sind. Parkhurst hätte sich die Ideen durchaus von anderen
Reformpädagogen abschauen können. Zur damaligen Zeit waren materialunterstützte
Individualisierungskonzepte sehr populär und Parkhurst war mit ihrem Konzept eine von
vielen (vgl. Popp 1999, S. 65f).
15
3.3
Edgar J. Swift
Zeitgleich mit der Bekanntschaft Maria Montessoris stieß Parkhurst auf Edgar James Swifts
Buch „Mind in the Making“, welches von der geistigen Entwicklung des Kindes handelt.
Swift übt Kritik am völlig veralteten Unterricht und an der unzeitgemäßen und
undemokratischen Erziehung. Anstatt die Kinder zu selbständigen kreativen Individuen zu
erziehen, werden sie in der Entfaltung ihrer Individualität gehindert. Der Lernerfolg der
Schüler/innen bleibt aus, da sie der Unterricht nicht erreicht und anspricht bzw. sie nicht
persönlich gefordert werden (vgl. Popp 1999, S. 67f). Der Unterricht müsse, nach Swift,
genügend Freiheit bieten, um an die Bedürfnisse und sehr unterschiedlichen Lernprozesse der
Schüler/innen angepasst werden zu können.
Aufgrund einer längeren Zitierung aus einer von Swifts Veröffentlichungen in „Education on
the Daltonplan“ leitet Besuden (1955) ab, dass Parkhurst folgende Erkenntnisse aus Swifts
Konzept für den Daltonplan gewinnen konnte: „1. Die Wirksamkeit der Schülereigentätigkeit
mit dem Lehrer als Hilfe gegenüber der veralteten Lehrmethode, 2. Die Ausdehnung der
Selbsttätigkeit auf geistige Prozesse gegenüber ihrer bisherigen Beschränkung auf
Handbetätigungen, 3. Der erziehliche Einfluss einer passenden Arbeitsumgebung:
Erziehungslaboratorien anstelle von Klassenzimmern, 4. Die erziehungsgeschichtlichen
Vorurteile als Hemmung auf dem Wege zur Entfaltung von Initiative und Entschlussfähigkeit
auch beim Lehrer, 5. Die Kraftökonomie als Problem in der Erziehung wie in der Mechanik“
(Besuden 1955, S. 25f).
3.4
John Dewey
Obwohl Parkhurst sich selbst eines Zitates von Dewey in „Education on the Daltonplan“
bedient, sind die Unterschiede der beiden pädagogischen Konzepte doch sehr gravierend. Fest
steht, dass sie beide der „Progressive Education“-Bewegung angehören und sich eine
Veränderung des damaligen Schulalltags wünschen. Parkhurst gehörte jedoch der
pädagogischen Richtung der „individualized instruction“ an, welcher Dewey eher fern stand.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Wurzeln des Daltonplans in der „materialgebundenen
Einzelarbeit“ zu finden sind und die Progressive Education viele pädagogische Konzepte zu
Tage brachte, wobei nicht klar zu definieren ist, welche Einflüsse auf wen einwirkten bzw.
wer von wem beeinflusst wurde. Popp (1990), die dem Einfluss von Dewey auf Parkhurst
16
eher skeptisch gegenübersteht, weist trotzdem auf Besuden (1955) hin, der davon ausgeht,
dass Parkhurst einen guten Grund für die Berufung auf Dewey und dessen Einfluss auf sie
hatte. Sie konnte dadurch ihr Konzept hinsichtlich der sozialen und demokratischen
Fundierung „absichern“, was gerade zur damaligen Zeit sehr wichtig erschien (vgl. Popp
1999, S. 70f).
Die Behauptung dass Parkhurst völlig unbeeinflusst von Deweys Pädagogik gewesen sei,
kann meines Erachtens aber nicht aufrecht erhalten werden, denn als sie zwischen 1907 und
1913 mehrere Kurse am Teacher`s College an der Columbia University besuchte, hatte dort
Dewey den Lehrstuhl für Philosophie inne (1904 bis 1930) und sie kam wohl zwangsläufig
mit seinen Ideen in Kontakt.
In einem sind sich beide, Parkhurst wie Dewey einig, nämlich dass es falsch ist zu glauben,
der Unterrichtsstoff könne von außen, mittels „Trichter“ in den/die Schüler/in kommen, denn
Lernen geschieht ihrer Meinung nach ausschließlich in der direkten Auseinandersetzung. Das
Kind kann nur lernen, wenn es aktiv wird und sich selbständig mit verschiedenen Themen
auseinandersetzt. Dewey kommt zu dem Schluss, dass in der Regelschule auf zwei
verschiedene Weisen damit umgegangen wird. Entweder die Lehrenden versuchen das Kind
besonders für die Themen zu interessieren oder radikaler, es herrscht Zwang und Disziplin
(vgl. Dewey 1990 S. 187). Letzteres ist für Parkhurst keine Alternative, denn „the more she
teaches the less, in fact, will he learn.“ (Parkhurst 1922, S. 54)
Weiters ist es für Dewey eine falsche Vorgehensweise das Wissen in einzelne
Unterrichtsfächer zu teilen. Das Kind kann das nicht begreifen, da alles bereits „vorgedacht“,
kategorisiert und systematisiert ist: Themen werden Unterrichtsfächern zugeschrieben, diese
werden wiederum in einzelne Unterrichtseinheiten und danach in Kategorien und Formeln
unterteilt (vgl. Dewey 1990, S. 186). Auch Parkhurst teilt diese Meinung und betont:
„Children learn, if we only believe it, just as men or women learn, by adjusting means to
ends.“ (Parkhurst 1922, S 53) Jedoch geht sie nicht so weit auf die Unterteilung in einzelne
Unterrichtsfächer zu verzichten, weist aber auf die Notwendigkeit hin, die Unterrichtsfächer
zu synthetisieren indem Unterrichtsthemen fächerübergreifend behandelt werden (vgl.
Parkhurst 1922, S. 25).
17
Wie man den geschichtlichen Einfluss auch bewerten mag, die Entstehung des Daltonplans
war nicht alleine vom Bestreben geprägt, eine „neue“ Pädagogik zu entwickeln, sondern
Parkhurst musste sich aus gegebenen Anlass überlegen, wie sie den Unterricht für ihre
altersheterogene Klasse (mehrere Jahrgänge in einer Klasse) gestaltet (vgl. Eichelberger 2002,
S. 9).
4
Rezeptionsgeschichte
Nachdem Parkhurst die Zusammenarbeit mit Montessori beendet hatte, führte sie ab Herbst
1919 ihre Schule in New York als Children`s University School weiter (vgl. Popp 1999, S.
31). Während dieser Zeit konnte sie aufgrund des Kontakts zum ehemaligen Gouverneur von
Massachusetts ihr Konzept auch an anderen Schulen entwickeln. Das erweckte bald auch das
Interesse der britischen Pädagoginnen Annie Saunderson und Belle Rennie. In der
Fachzeitschrift „Times Educational Supplement“ veröffentlichte Rennie den „Laboratory
Plan“ und das Konzept wurde trotz Vorliegen etlicher anderer pädagogischer Modelle in der
Folge häufig angewandt: Binnen Kürze führten in England mehrere Schulen das nun mehr
„Dalton Laboratory Plan“ oder kurz „Daltonplan“ genannte Unterrichtskonzept ein. Der
Daltonplan verbreitete sich sehr schnell, nachdem Parkhurst eine Kurzfassung von „Education
on the Dalton Plan“ 1922 in jener Zeitschrift publizierte, in der auch Evelyn Dewey (die
Tochter von John Dewey) eine Monographie zum Daltonplan veröffentlichte. Internationale
Verbreitung erlangte das Konzept ab den Jahren 1922/1923. Während der Daltonplan in
Europa nur in den Niederlanden richtig Fuß fassen konnte und auch in der Zwischenkriegszeit
in Tschechien und Polen angewandt wurde, zeigten Länder wie Großbritannien, Kanada,
Südafrika, Australien, Indien und einige andere englische Koloniestaaten großes Interesse.
Popp (1999) betont jedoch, dass eine exakte Rezeptionsgeschichte schwierig auszumachen
ist, da genaue Quellen und Zahlen nicht vorliegen. Lediglich in ihrer Heimat war Parkhurst
der Erfolg versagt – womit es ihr mit ihrem Unterrichtskonzept ähnlich wie Montessori in
Italien erging.
Weshalb das Interesse an Parkhursts Pädagogik im Laufe der Jahrzehnte abflaute, erklärt
Popp (1999) damit, dass Parkhurst keine praktischen Erfahrungen im Umgang mit dem
Daltonplan an ihrer Schule publizierte und von ihr auch keine weiteren theoretischen
Schriften über „Education on the Dalton Plan“ hinaus veröffentlicht wurden.
18
Einer der Gründe für die Ausdifferenzierung bzw. die unterschiedlichen Auffassungen und
Interpretationen des Daltonplans könnte, so meine ich, – neben der grundsätzlichen, von
seiner Erfinderin geforderten Flexibilität – die Tatsache sein, dass Parkhurst in ihren späteren
Jahren dem Daltonplan und der Schule im Speziellen den Rücken kehrte, sich in folge
psychologischen Themen zuwandte und es nur wenige theoretische und praktische
Beschreibungen des pädagogischen Konzepts von ihr selbst gibt.
5
Prinzipien des Daltonplans
Wie an anderer Stelle bereits betont, arbeitete Parkhurst an der Zielvorstellung, nämlich der
teilweisen Redelegation der Verantwortung an die Schüler/innen mit der Möglichkeit auf
persönliche Lernbedürfnisse einzugehen, kontinuierlich weiter. Diese Weiterentwicklung
empfahl sie später ausdrücklich auch allen Schulen, die nach dem Daltonplan arbeiteten. „Der
Daltonplan“ ist demnach nach ihren Vorstellungen kein abgeschlossenes, rigides Modell, mit
strengen
Regeln
und
Vorgaben,
vielmehr
sind
Grundprinzipien
festgelegt,
Rahmenbedingungen, innerhalb derer eine dynamische Entwicklung stattfinden kann und soll.
Diese sind das Fundament, auf welchem stetige Entwicklung bzw. Weiterentwicklung
möglich und auch erwünscht ist (vgl. Parkhurst 1922, S. 28).
In „Education on the Daltonplan“ (Parkhurst 1922) werden zwei zentrale Grundprinzipien
ihrer Pädagogik formuliert: “Freedom is (...) the first principle (...). The second principle (...)
is cooperation or (...) the interaction of group life.“ (Parkhurst 1922, S. 16) Später, 1925 wird
noch ein drittes Prinzip angeführt, nämlich „the Proportion of Effort to Attainment, or
Budgeting Time“ (Parkhurst 1922, S. 84), was in der Fachliteratur häufig als
„Selbständigkeit“ oder „Selbsttätigkeit“ interpretiert wurde (vgl. Skiera 2003, S. 274 / vgl.
Eichelberger 2002, S. 19).
5.1
Freedom
„Helen Parkhurst definiert die ‚pädagogische Freiheit’ nicht als absolute Selbstbestimmung
des Schülers, sondern vielmehr als selbst gesetzte Bestimmtheit des Schülers im Verhältnis zu
seiner Aufgabe.“ (Eichelberger 2002, S. 19) Parkhurst begründet das damit, dass „the child
19
who ‚does as he likes’ is not a free child. He is, on the contrary, apt to become a slave of bad
habits, selfish and quite unfit for community life.” (Parkhurst 1922, S. 15)
Der/die Schüler/in hat demnach nicht grenzenlose Freiheit in der Gestaltung seines/ihres
Unterrichts,
sondern
die
Freiheit,
die
Arbeitsaufgaben
in
der
individuellen
Lerngeschwindigkeit, Lerndauer und des Lernniveaus zu erfüllen. Weiters ist die Abfolge für
die Bearbeitung der einzelnen Aufgaben frei wählbar und auch die Hilfsmittel (Bücher,
Internet, Karten oder ähnliches), die dafür gebraucht werden, sind nicht vorgegeben (vgl.
Popp 1999, S. 74). Popp verweist diesbezüglich auf Fauser, welcher die Wahlfreiheit auch als
„Wollen-Müssen“ bezeichnet. (Fauser 1986, S. 16 zit. n. Popp 1999, S. 74)
In einem festgelegten Rahmen hat der/die Schüler/in die Möglichkeit sich frei zu entfalten.
Ihm/ihr werden also Grenzen gesetzt an denen sich der/die Schüler/in orientieren kann. Diese
Grenzen stellen die so genannten Pensenpläne dar, die der/die Schüler/in zu Beginn des
Schuljahres bekommt und in dem alle wichtigen Aufgaben enthalten sind, die er/sie erledigen
muss. In den Klassenzimmern sind für die Schüler/innen spezifische Lernzonen, so genannte
„subject-corners“ eingerichtet. Hier stehen fach- oder lernbereichsspezifische Arbeitsmittel
zur Verfügung. Der/die Schüler/in ist „Herr seines [bzw. Frau ihres, Anm. v. H.F.] Körpers“,
wie Skiera (2003) formuliert, und kann sich im Klassenraum frei bewegen und selbst
Lernmaterialien
auswählen.
„Im
Daltonplan
werden
die
Kinder
also,
so
kann
zusammenfassend festgehalten werden, nach mehr oder weniger individuell zugeschnittenen
‚Fahrplänen’ auf die ‚didaktische Reise’ geschickt, die sie in den Phasen der Freiarbeit
hinsichtlich des ‚Wie’, ‚Wann’ und ‚Wo’ weitgehend selbst bestimmen können.“ (Skiera
2003, S. 271)
Parkhurst betont, dass es für den/die Schüler/in besonders wichtig sei, seine/ihre Freiheit auch
zu nützen. Er/sie muss lernen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für sein/ihr
Handeln zu übernehmen. Dadurch, dass der/die Schüler/in auch Verantwortung für andere
übernehmen soll, werden seiner/ihrer Freiheit wiederum Grenzen gesetzt (vgl. Eichelberger
2002, S. 19). Erst durch das Vertrauen, das dem/der Schüler/in in der Bewältigung der Pensen
entgegengebracht wird, kann er/sie Verantwortung für sein/ihr Handeln übernehmen. Der/die
Schüler/in hat ein bestimmtes Ziel vor Augen und seine/ihre Arbeit gewinnt an Wert.
Aufgrund dessen werden nicht nur seine/ihre latente Intelligenzfähigkeit, sondern auch
sein/ihr Urteilsvermögen und sein/ihr Charakter gestärkt (vgl. Eichelberger 2002, S. 21).
20
Parkhurst legt jedoch wert darauf, dass das Kind erst im Alter von ca. neun oder zehn Jahren
mit dem Daltonplan zu arbeiten beginnen sollte, da es zuvor nicht fähig ist, mit dieser Freiheit
umzugehen bzw. die Arbeit selbst einzuteilen. Bis zu diesem Alter entwickelt das Kind erst
diese Fähigkeiten, „so that he can function later as a responsible member of the group.“
(Parkhurst 1922, S. 106)
Im Daltonplan hat aber nicht nur der/die Schüler/in viele Freiheiten, sondern auch der/die
Lehrer/in. Eichelberger (Eichelberger 2002, S.20) beschreibt die Dimensionen der
Wahlfreiheit beider folgendermaßen:
Wahlfreiheit der Schüler:
Die Wahlfreiheit der Schüler soll deren Selbständigwerden ermöglichen: Sobald ein Kind ein
Pensum erhält, kann es entscheiden:
-
Mit welchem Teil meines Pensums möchte ich beginnen?
-
Arbeite ich alleine oder suche ich mir Partner?
-
Wo werde und möchte ich arbeiten?
-
Welche Hilfsmittel, die mir zur Verfügung stehen, möchte ich benutzen?
-
Wie viel Zeit möchte ich für die einzelnen Teile des Pensums verwenden?
-
Wann werde (muss) ich beginnen um sicher fertig zu werden?
Wahlfreiheit der Lehrer (oder auch Verpflichtungen):
-
Wie viele und welche Niveaugruppen werde ich in meine Lerngemeinschaft nehmen?
-
Welche Studienmittel stelle ich meinen Schülern für die Arbeit an den Pensen zur
Verfügung?
-
Wie viele Stunden sollen in meinem Unterricht für die Freiheit zur Verfügung stehen?
-
Wie viele Stunden werde ich gemeinsamen Unterricht machen (müssen)?
-
Werde
ich
meine
Schülergruppen
zusammenstellen?
-
Wie konstruiere ich die Pensen?
-
Wie kontrolliere ich sie?
21
altershomogen
oder
altersheterogen
Für Eichelberger und Wilhelm (2003) sind die Wahlfreiheit der Schüler/innen bzw. der
Lehrer/innen, wie auch die im Daltonplan kennzeichnende Selbsttätigkeit der Grund dafür,
dass die „Daltonpraxis“ sehr unterschiedlich ausfallen kann (vgl. Eichelberger/Wilhelm 2003,
S. 31).
5.2
Cooperation
Das zweite Prinzip von Parkhurst ist Cooperation – Kooperation ist nicht als Diktat zu
verstehen, welche Sozialform im Unterricht zu verwenden ist, sondern der/die Schüler/in soll
viel mehr die Wahlmöglichkeit haben, alleine, zu zweit oder in der Gruppe zu arbeiten.
Das Prinzip der Kooperation richtet sich vor allem gegen die damaligen Strukturen im
Schulalltag, die es verhindern, dass Schüler miteinander kooperieren können. Die „soziale
Dimension schulischen Arbeitens“ (Popp 1999, S. 74) entwickelt sich von selbst, da durch die
offene Lernsituation (Öffnung der Klassen) die Konkurrenzsituation der Schüler/innen
untereinander, welche für den Frontalunterricht kennzeichnend ist, gemindert wird und
der/die Schüler/in die Möglichkeit hat über die Klasse hinaus zu agieren (vgl. Popp 1999, S.
74). Der/die Schüler/in ist Teil des sozialen Gemeinschaftslebens und je nachdem, wie er/sie
agiert und welche Funktionen er/sie einnimmt, wird er/sie von den anderen akzeptiert oder
abgelehnt (vgl. Parkhurst 1922, S. 17). Erst in der Zusammenarbeit mit der Gruppe lernt
der/die Schüler/in Sozial- bzw. Demokratieverhalten. Er/sie muss anderen respektvoll
gegenübertreten und sich auf sie einlassen, seinen/ihren Standpunkt klar formulieren und
vertreten und er/sie muss lernen andere Meinungen zu akzeptieren. Erst so wird
demokratisches Zusammenleben möglich (vgl. Eichelberger 2002, S. 22).
5.3
Budgeting Time
Der/die Schüler/in hat natürlich die Freiheit seine/ihre Arbeitzeit frei einzuteilen, trotzdem
steht ihm/ihr nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung. „Mit diesem [...] ‚dritten Prinzip’
balanciert Parkhurst die pädagogische Freiheit in Hinsicht auf die begrenzte Gesamtlernzeit
aus“ (Popp, 1999, S. 74). Das Pensum, welches in einzelne Assignments unterteilt wird und
die Tabellen zur Lernfortschrittskontrolle (im Daltonplan werden sie Graphen genannt)
dienen dem/der Schüler/in als Orientierung für die Arbeitsplanung und -durchführung. Die
Graphen sind ein Aufzeichnungssystem, welches die Leistungsfortschritte der/des
22
Schülerin/Schülers darstellen sollen (vgl. Popp 1999, S. 109). Ein Ziel des Daltonplans ist,
dass Schüler/innen lernen, sich die Zeit selbständig einzuteilen. Die Arbeit mit den Graphen
kann zu Beginn eine Herausforderung darstellen. Üblicherweise wird die Organisation und
Planung der Arbeit durch die Lehrperson abgenommen und Lernende haben im
Regelschulunterricht daher keinen Überblick über den Lernstoff (vgl. Parkhurst 1922, S. 53).
Parkhurst entwickelte den Daltonplan in einer Zeit, in der auch die „scientific management“Bewegung im Bereich der Curriculumsentwicklung großen Anklang findet. Frederick W.
Taylor (vgl. Taylor 1916/2001), der als Vorreiter dieser Bewegung zu nennen ist, war selbst
kein Pädagoge, prägte die Pädagogik zur damaligen Zeit in Amerika jedoch maßgeblich.
Taylor rationalisierte die Arbeit in Fabriken dahingehend, dass Sequenzen von einzelnen
Arbeitschritten entwickelt wurden, wodurch die Arbeiter nun mehr Leistung in derselben Zeit
erbringen konnten (vgl. Kliebard 1978, S. 94f). Diese im höchsten Maße effiziente und
kontrollierte Arbeitsweise führte schlussendlich zur Fließbandarbeit und das Konzept,
welches später als so genannter Taylorismus bekannt wurde, kam vor allem in der
Autoindustrie und im Besonderen bei Henry Ford zur Anwendung.
In Parkhursts Beschreibung der Arbeitsplanung und Arbeitsdurchführung in „Education on
the Daltonplan“ bedient sie sich lediglich dem Jargons des „scientific managments“. Deshalb
sollte nicht vorschnell eine Verbindung zum Konzept des Taylorismus geknüpft werden, denn
wie Popp (1999) betont, „fungiert die Aufteilung des Pensums gerade nicht als Programm,
das die einzelnen Arbeitsschritte detailliert vorschreibt, sondern als Voraussetzung für die
individuell akzentuierte selbständige Arbeit.“ (Popp 1999, S. 75) Der Pädagogin ging es somit
nicht um die möglichst effiziente und leistungsorientierte Bearbeitung der Aufgaben,
vielmehr werden individuelle Bedürfnisse berücksichtigt (vgl. Popp 1999, S. 75). Auch
Taylors Idee des Gleichschritts bezüglich Arbeitstempo und der Orientierung am
leistungsstärksten Arbeiter (vgl. Kliebard 1987) dienen Parkhurst nicht als Grundlage für ihr
pädagogisches Konzept.
6
Lernfortschrittskontrolle mittels Graphen
Zunächst hatte Parkhurst zur Aufzeichnung der Lernfortschritte ein Tagebuch für
Schüler/innen eingeführt, worin sie ihre jeweiligen Lernfortschritte dokumentieren sollten. Es
23
stellte sich aber schnell heraus, dass diese Methode zu zeitaufwändig war, sowohl für die
Schüler/innen als auch die Lehrer/innen, die diese Tagebücher durchzusehen hatten (vgl.
Parkhurst 1922, S. 135 / vgl. Eichelberger 2002, S. 101). Um den Lernenden und den
verschiedenen Fachlehrerinnen und Fachlehrern eine schnellere Orientierung über den
Lernstand zu bieten, entwickelte Parkhurst die Graphen („graphs“). Diese können auf der
einen Seite dem/der Schüler/in zeigen, wie weit er/sie in der jeweiligen Arbeit
vorangeschritten ist und auf der anderen Seite hat der/die Lehrer/in die Möglichkeit den/die
Schüler/in im Weiterkommen zu ermuntern und gegebenenfalls Hilfe anzubieten. Doch die
Graphen haben noch einen weiteren Zweck, sie verhindern, dass die Lernenden sich zu lange
dem Lieblingsfach zuwenden und dadurch unter Umständen ein anderes vernachlässigen (vgl.
Popp, 1999, S. 110ff).
Für die Lernerfolgskontrolle stehen drei Graphen zur Verfügung:
1. „Instructor`s Laboratory Graph“ (siehe Abbildung Seite 25): Dieser Graph wird von
dem/der Fachlehrer/in eines jeden Laboratoriums verwahrt und dient ihm/ihr als Übersicht
über die geleistete Arbeit der Schüler/innen (vgl. Parkhurst 1922, S. 91).
2. „Pupil`s Contract Graph“ (siehe Abbildungen Seite 25f): Er dient dem/der Schüler/in als
Übersicht über seine/ihre Fortschritte. Nachdem er/sie sich zuerst im Instructor`s Laboratory
Graph eingetragen hat, markiert er/sie dies auch in seiner/ihrer eigenen Tabelle. Sie dient
ihm/ihr als Orientierung und Hilfe zur Zeiteinteilung und gibt Hinweise auf mögliche
Schwächen (vgl. Parkhurst 1922, S. 94).
3. „House or Form Graph“ (siehe Abbildung Seite 26): Untergliedert in Wochen bietet dieser
Graph eine gute Übersicht über das Voranschreiten aller Schüler/innen einer Schule (vgl.
Parkhurst 1922, S. 101).
24
Abbildung 2: Instructor`s Laboratory Graph (Parkhurst 1922, S. 92)
Abbildung 3: Pupil`s Contract Graph I (Parkhurst 1922, S. 95)
25
Abbildung 4: Pupil`s Contract Graph II (Parkhurst 1922, S. 98)
Abbildung 5: Form or House Graph (Parkhurst 1922, S. 102)
26
7
Unterrichtsorganisation
Im Konzept des Daltonplans ist nicht vorgesehen, dass der Klassenunterricht völlig aufgelöst
wird. Die in „Education on the Daltonplan“ vorgestellten Schulen weisen immer noch einen
großen Teil an Klassen- oder Gruppenunterricht auf. Jedoch entscheidet jede Schule bzw.
Klasse,
wie
viel
Freiarbeitsstunden
klassengebundener
kann
demnach
Unterricht
selbst
geboten
festgelegt
wird.
werden
Die
bzw.
Anzahl
wird
an
der
die
Rahmenbedingungen der einzelnen Schulen angepasst (vgl. Skiera 2003, S. 271).
Der Frontalunterricht findet dann Anwendung, wenn beispielsweise der/die Lehrer/in
bemerkt, dass es Probleme bei der Bearbeitung von bestimmten Aufgaben gibt. Dann werden
so genannte „special calls“ einberufen, die darüber hinaus auch der Einführung in neue
Themengebiete dienen. Die „conference period“ oder „conference time“ wird immer in
Anschluss an eine „Daltonphase“, das ist der Zeitraum, der für die selbsttätige Arbeit
reserviert ist, abgehalten. Diese können wie traditionelle Unterrichtstunden abgehalten
werden oder auch als Arbeitsbesprechungen genützt werden und betreffen alle Schüler/innen
(vgl. Popp 1999, S. 91).
Dem/der Schüler/in werden zwar viele Freiheiten geboten, dennoch hat er/sie nicht die „freie
Hand“ über den Schulalltag (vgl. Skiera 2003, S. 271). Vielmehr orientieren sich die
Daltonplan-Schulen auch am jeweiligen Curriculum. Dennoch sollten nach Parkhurst die
Interessen der Schüler/innen berücksichtigt werden, denn zu oft werden diese im Curriculum
vernachlässigt, da immer noch ihm und nicht der individuellen Entwicklung des Kindes eine
große Bedeutung zugeschrieben wird (vgl. Parkhurst 1922, S. 23).
7.1
Das Pensum mit den Assignments
Im Daltonplan kommt den Assignments eine bedeutende Rolle zu, stellenweise wird sogar
behauptet, dass „the Daltonplan stands or falls by the assignments.“ (Kimmins/Rennie o. J., S.
112). Jedenfalls bilden sie einen wichtigen Rahmen für den Unterricht.
Ein Pensum oder auch „contract-job“ setzt sich aus mehreren Studieranleitungen oder
„assignments“ zusammen. Sie stellen „didaktisch fundierte und methodisch durchdachte
27
Lernaufgaben dar.“ (Eichelberger 2002, S. 20) Sie sollen den/die Schüler/in in seiner/ihrer
selbsttätigen Arbeit unterstützen, ihn/sie motivieren und ihm/ihr das „Lernen lehren“.
Parkhurst empfiehlt, die „assignments“ für mindestens zwei Niveaugruppen zu entwickeln,
um die unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler/innen berücksichtigen zu können3.
Leistungsschwache Schüler/innen können so auch das Mindestpensum erbringen (vgl. Popp
1999, S. 102). Weiters erhält jede/r Schüler/in, schon zu Beginn eines Schuljahres die
Studieranleitungen, welche in Monats- und Wochenpensen unterteilt sind. Das ermöglicht den
Überblick über den gesamten Lernstoff (vgl. Eichelberger 2002, S. 26).
Das Pensum wird in das Wochen-, Monats- oder auch sechswöchige Pensum unterteilt.
Jüngere Schüler/innen erhalten zu Beginn ein Wochenpensum. Wenn sie den Umgang mit
den Studieranleitungen gelernt haben, wird schrittweise auf ein Monatspensum übergegangen
(vgl. Popp 1999, S. 99). Allerdings können die Schüler/innen, wenn sie mit
Studieranleitungen
zu
arbeiten
beginnen,
mitunter
Schwierigkeiten
haben
den
Gesamtüberblick zu bewahren. Den Schülerinnen und Schülern fehlt die Fähigkeit „to think
in terms of the whole contract-job“. Parkhurst erklärt sich das damit, dass „the established
habit of studying from day to day, living intellectually from hand to mouth, cannot easily be
discarded.“ (Parkhurst 1922, S. 53)
Der große Vorteil in der Arbeit mit den Assignments besteht aber darin, dass der/die
Schüler/in Verantwortung für seine/ihre Arbeit und für seinen/ihren Lernfortschritt
übernimmt. In diesem Fall entwickelt sich nach Parkhursts Meinung eine Selbständigkeit der
Schüler/innen, denn „they will learn gradually to say to themselves: ‚Where am I weak, and
what must I do to perfect myself in this or that subject?’ instead of ‘How much of this task
must I do in order to escape reproof?’ ” (Parkhurst 1922, S. 53).
Wird eine bestimmte Leistung von dem/der Lehrer/in (zum Beispiel im Frontalunterricht)
gefordert, dann erledigt der/die Schüler/in nur die erwartete Leistung. Werden die Aufgaben
jedoch zu seiner/ihrer eigenen Leistung, gewinnen sie an Bedeutung und das Interesse an der
Arbeit steigt. Dadurch sind die Schüler/innen auch gewillt mehr Energie in die Arbeit zu
investieren (vgl. Parkhurst 1922, S. 10).
3
Allerdings hat Parkhurst selbst nirgends ein Beispiel angeführt, wie eine solche Niveaudifferenzierung
praktisch aussehen soll.
28
Besonderen Stellenwert hat für Parkhurst, dass die Studieranleitungen fächerübergreifend
gestaltet werden. Für den/die Schüler/in ist dies die Voraussetzung um interdisziplinäre
Zusammenhänge zu verstehen. Damit die Zusammenarbeit der Lehrer/innen gefördert wird,
gibt es die „departmental cuts“ oder „credits“. Hält also ein/e Schüler/in zum Beispiel im
Geschichteunterricht ein Referat, so können ihm 4 von 20 Credits für den Deutschunterricht
angerechnet werden. Die Lehrer/innen haben dadurch den Vorteil, dass die eingesparte Zeit
für andere Dinge aufgebracht werden kann. Vorraussetzung sind jedoch Konferenzen der
Lehrer/innen. Es muss Absprachen geben, welche Themenbereiche fächerübergreifend in den
Studieranleitungen umgesetzt werden können (vgl. Popp 1999, S. 99).
Von der schriftlichen Studieranleitung wird erwartet, dass die zu erfüllenden Aufgaben
unmissverständlich und klar formuliert sind und dass diese dem/der Schüler/in als „guide“
durch den ganzen „contract-job“ zur Verfügung stehen. Die Aufgaben sollten aber weder die
Fähigkeiten der Schüler/innen überschreiten, noch sollten sie zu leicht zu bewältigen sein.
Der/die Schüler/in soll gefordert, aber keinesfalls überfordert werden, wodurch Interesse und
Kreativität gesteigert werden kann
Um das zu gewährleisten schlägt Parkhurst die Unterteilung in drei Leistungs- bzw. NiveauGruppen vor. Das „minimum assignment“ stellt sicher, dass auch der/die leistungsschwächste
Schüler/in die Grundlagen gelernt hat und das Pensum erreicht. „Moderat intelligente“ Kinder
(diese Bezeichnung stammt von Parkhurst) erhalten das „medium assignment“, während die
„Stars“ unter den Kindern das „maximum assignment“ erhalten. Wenn sich Schüler/innen
intellektuell
weiterentwickeln,
können
sie
jederzeit
von
der
Minimum-
in
die
Maximumgruppe aufsteigen. Das Ziel ist jedoch nicht, dass jedes Kind in die leistungsstärkste
Gruppe aufsteigen muss, denn Fortschritt wird hier anders definiert. „Uniformity is not at all
synonymous with progress.“ (Parkhurst 1922, S. 47f) Das Wachsen seiner/ihrer Interessen
und Kräfte überhaupt, ist nur dann möglich, wenn die Aufgaben die Schüler/innen nicht
überfordern (vgl. Parkhurst 1922, S. 47f).
Aufgrund der Arbeit mit Assignments, die sich in unterschiedliche Niveaugruppen gliedern,
ist es nun möglich auf die individuellen Voraussetzungen der Schüler/innen einzugehen. Im
lehrerzentrierten Frontalunterricht ist dies nicht möglich, hier geht man von einem/einer
Durchschnittsschüler/in mittleren Leistungsniveaus aus (vgl. Skiera 2003, S. 269).
29
7.2
Aufbau des Assignments
Besonderen Stellenwert haben für Parkhurst die hilfreichen Hinweise oder auch „interest
pockets“, welche am Beginn jedes Pensums angeführt sind. Diese sollen dem/der Schüler/in
das Thema näher bringen und bieten ihm/ihr Denkanreize für seine/ihre Arbeit. Es sind kleine
Hilfestellungen, die ihn/sie durch das Pensum führen. Parkhurst ist es wichtig, dass diese
keinesfalls im Befehlston formuliert sind. Hierfür nennt sie zwei Beispiele: Vermeiden sollte
man Anweisungen wie „Read such and such a reference“, da die „interest pockets“ sonst ihre
Wirkung verlieren. Vielmehr wird das Interesse durch Formulierungen wie „You will find
such and such references helpfull“ geweckt. Auch Anmerkungen, dass es sinnvoll wäre, nach
einer bestimmten Aufgabe mit dem/der Lehrer/in Rücksprache zu halten, können angeführt
werden: „After you have finished the required problems come to me and I will explain the
next rule before you go on.“ (Parkhurst 1922, S. 49)
In „Education on the Dalton Plan“ beschreibt Parkhurst zwar detailliert, wie eine
Arbeitsanleitung aufgebaut werden soll, trotzdem betont sie, dass diese Punkte nur als
Orientierung dienen sollten. Das Wichtigste an der Entwicklung von Arbeitsanleitungen ist
für sie, „that it must clearly demonstrate to the pupil what his job really is. He must be told
distinctly what is expected of him, and the difficulties he is likely to meet in the execution of
it must be indicated.“ (Parkhurst 1922, S. 58) Ein Assignment besteht aus verschiedenen
Elementen, die sich in der konkreten Arbeit als nützlich erwiesen haben. Nachfolgend ein
Schema aus „Education on the Daltonplan“ zur besseren Verständlichkeit:
SUBJECT
(GRADE OR FORM)
(NO. OF CONTRACT ASSINGMENT)
Points to be kept in mind
Preface to the Month’s work.
1st Week
1. Topic
2. Problems
3. Written Work
4. Memory Work
5. Conferences or Oral Lessons
6. References
7. Equivalents (in units of work)
8. Bulletin Study
9. Departmental Cuts
Abbildung 6: Schema für ein Assignment (nach Parkhurst 1922, S. 54f)
30
Zur Erläuterung der einzelnen Begriffe (vgl. Parkhurst 1922, S. 55ff):
Preface: Eine Arbeitsanleitung sollte immer mit einer kurzen Einleitung beginnen, die zum
Thema hinführt und ein „interest pocket“ enthält. Die Erfahrungswelt der Schüler/innen soll
dadurch mit dem Lernstoff in Verbindung gebracht werden und diese für das Thema
begeistern und motivieren.
Topic: Die Überschrift dient der Orientierung und ist besonders für jüngere Schüler/innen
wichtig.
Problems: Aufgaben, die von dem/der Schüler/in zu erfüllen sind, werden hier aufgelistet.
Written Work, Memory Work: Die Aufgaben der/des Schülerin/Schülers fallen größtenteils
unter diese zwei Punkte. Zu „Memory Work“ zählen Gedichte und Lieder, die auswendig zu
lernen sind, oder auch Referate.
Conferences or Oral Lessons: Die Termine für die Fachunterrichtsstunden werden unter
diesem Punkt angekündigt, sodass der/die Schüler/in sich gegebenenfalls auch darauf
vorbereiten kann. Notwendig werden diese Stunden, wenn die Schüler/innen auf einen neuen
Themenbereich vorbereitet werden oder wenn ein Thema zu komplex ist um alleine bearbeitet
werden zu können (vgl. Popp 1999, S. 102).
References: Hier werden, besonders wenn die Arbeitsanleitung lang ist, die benötigte
Literatur und deren Standort angeführt.
Equivalents: Unter diesem Punkt wird erklärt, wie der/die Schüler/in seine/ihre Fortschritte
im Pupil`s Contract Graph einzeichnen kann. Weiters werden die Wertigkeiten der einzelnen
Aufgaben bzw. „units“ angeführt.
Bulletin Study: Hier wird notiert, welche Lernunterlagen (Kartenmaterial, etc.) am
Informationsbrett zu finden sind, wann Termine für die Präsentation von Schülerarbeiten
anstehen usw.
Departmental Cuts: Arbeitsaufgaben, die fächerübergreifend behandelt oder relevant sind,
werden mit Punkten honoriert. Diese Möglichkeit besteht zum Beispiel, wenn ein/eine
Schüler/in in Geschichte einen Aufsatz schreibt, der auch im Sprachenunterricht anrechenbar
ist.
31
7.3
Lernort
Wird das Laboratorium in seiner umfassenden Form praktiziert, dann kommt es zu einer
Öffnung der Klassenräume. Das bedeutet, dass nicht wie in der Regelschule ausschließlich
ein Raum einer jeweiligen Klasse zugeordnet ist, sondern jedem Unterrichtsfach steht
prinzipiell ein Raum zur Verfügung (Mathematiklaboratorium, Geographielaboratorium,
usw.). Alle Lernmaterialien wie Lexika, Bücher, Karten, Pläne usw. werden in diesem Raum
gesammelt und stehen für die Schüler/innen zur freien Entnahme. Jeweils eine Lehrperson ist
für ein Fach verantwortlich und steht dem/der Schüler/in als Experte/in zur Seite. Im besten
Fall hat der/die Lehrer/in auch alle Arbeitsblätter und Arbeitsunterlagen im Laboratorium, um
die Schüler/innen gezielt unterstützen zu können. Die Schüler/innen selbst wechseln zwischen
den Arbeiträumen, je nachdem welches Unterrichtsfach sie bearbeiten möchten. Die Räume
sind nur außerhalb der Daltonphasen einzelnen Klassen zugeordnet und zwar wenn
gebundener Unterricht stattfindet oder Klassenversammlungen abgehalten werden (vgl. Popp
1999, S. 80f).
7.4
Lernzeit
Jede/r Schüler/in hat eine unterschiedliche Lerngeschwindigkeit, individuell wie auf einzelne
Fächer bzw. Interessenslagen bezogen. Daher hat er/sie das Recht, während der Daltonphasen
frei über seine/ihre Lernzeit zu verfügen. Im Gegensatz zum Regelunterricht ist er/sie in der
Daltonphase nicht an die durchschnittliche Lerngeschwindigkeit der Klasse gebunden,
sondern kann das Arbeitstempo seinen/ihren individuellen Bedürfnissen anpassen (vgl. Popp
1999, S. 88f). Darüber hinaus wird der/die Schüler/in durch die Schwerpunktsetzungen in der
Daltonphase – im Gegensatz zu den einzelnen Unterrichtstunden – nicht mehr aus seiner/ihrer
Arbeit herausgerissen, sondern kann sich so lange einem Fach widmen, bis er/sie die Arbeit
erledigt oder sein/ihr Interesse nachgelassen hat (vgl. Hackl 2002a, S. 115).
Das Pensum (unterteilt in Monats- und Wochenpensum) bildet den erzieherischen Rahmen, in
dem freies Arbeiten möglich ist, da den Lernenden der Zusammenhang zwischen Freiheit und
Verantwortung aufgezeigt wird. Der vorgegebene Zeitrahmen dient als Orientierungshilfe um
dem/der Schüler/in eine gezielte Arbeitsplanung zu ermöglichen (vgl. Popp 1999, S. 90).
32
8
Varianten der Daltonpraxis
Alle Autoren/innen, die sich mit dem Daltonplan beschäftigen, weisen auf die
unterschiedliche Anwendung des pädagogischen Konzepts Parkhursts bereits in den frühen
Anfängen
hin.
Popp
(vgl.
Popp
1999,
S.
85)
beschreibt
zwei
grundsätzliche
Unterscheidungen, die sich schon in den 1920ern in England als Variationen des Daltonplans
herausgebildet haben:
-
Beschränkung auf einen Klassenraum: Das Arbeiten im Daltonplan findet im
Klassenraum in den „subject-corners“ statt.
-
Beschränkung durch einen Stundenplan: Die Schüler/innen können die Zeit für die
Bearbeitung der einzelnen Fächer nicht frei wählen, sondern sind auf die Vorgaben
des Stundenplans gebunden. Die Organisation des Unterrichtsfaches selbst ist aber an
die Prinzipien des Daltonplans angepasst.
Auch wenn sich die Schulen am „Dalton Laboratory Plan“ von Parkhurst orientieren, zeigen
sich dennoch immer wieder Unterschiede in der Umsetzung. Einerseits handelt es sich dabei
um Anpassungen an die Rahmenbedingungen, andererseits gibt es unterschiedliche
Interpretationen der pädagogischen Überlegungen von Parkhurst.
1. Beginn mit dem Unterricht nach dem Daltonplan
Viele Schulen setzten den Daltonplan trotz der Ratschläge Parkhursts, mit den Pensenplänen
erst ab dem neunten oder zehnten Lebensjahr (Näheres dazu im Kapitel 5.1) zu beginnen,
bereits in der Primarstufe um. In diesem Fall wird er als Sub-Daltonplan bezeichnet (vgl.
Popp 1999, S. 77).
2. Umgang mit unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten
Schulen, die nach dem Konzept von Parkhurst arbeiten, haben verschiedenste Methoden
entwickelt, um das unterschiedliche Lerntempo der Schüler/innen zu berücksichtigen. An der
„Kirkstall Road School“ in Leeds gibt es speziellen Förderunterricht für langsamere
Schüler/innen, die anderen Schüler/innen werden durch keinerlei Zeitvorgaben (weder
Schulmonate noch Schuljahre) in ihrem Lernen eingeschränkt. Die „South Philadelphia High
School for Girls“ ignorierte die Bedingung Parkhursts, dass alle Schülerinnen das Pensum
vollständig erfüllen müssen, jede arbeitete so weit sie kam. Um den unterschiedlichen
33
Leistungsstand der Schülerinnen auszugleichen, wurde die sonst übliche Freiarbeit an den
Tagen vor und nach dem Erhalt der neuen Pensen aufgehoben (vgl. Popp 1999, S. 94).
3. Das Verhältnis von Freiarbeit und Fachunterricht
Auch die Anzahl der Freiarbeitsstunden und Fachunterrichtsstunden variiert in der Praxis.
Popp (1999) beschreibt beispielhaft die „West Green Boys` School“, wo das Verhältnis von
„free-study-periods“ zum „Klassen“-Unterricht 3:1 beträgt. Andere Schulen hatten ihre
„Daltonphasen“ täglich zu bestimmten Zeiten (vgl. Popp 1999, S. 95f).
4. Hausaufgaben
Der Umgang mit Hausübungen wird ebenfalls unterschiedlich gehandhabt. Obwohl Parkhurst
selbst ihren Schülerinnen und Schülern nie Hausaufgaben auftrug, gibt es Schulen, die
Hausarbeiten entweder grundsätzlich, nur sporadisch oder gar nicht verlangen. Die
Entwicklerin des Daltonplans teilte lediglich Literaturlisten aus, die als Anreiz dienen sollten,
sich mit den Themen länger und ausführlicher zu befassen, bzw. sollten dadurch spezielle
Interessen der Schüler/innen gefördert werden (vgl. Popp 1999, S. 96).
5. Das Wiederholen einer Klasse
Im Daltonplan nach Parkhurst gibt es kein „Sitzenbleiben“, da die Pensen in drei Kategorien
eingeteilt werden, für leistungsstarke und leistungsschwache Schüler/innen und für jene
Schüler/innen, die normale Leistungen erbringen. Die Schüler/innen werden durch die
Pensenpläne nicht überfordert, sie können sich aber, wenn sie noch über genügend Zeit
verfügen, in ein Thema weiter vertiefen. Die Schulen, die Popp beschreibt, lehnen sich
vorwiegend an Parkhurst an. Ein Wiederholen der Jahrgangsklasse war seinerzeit im
Daltonplan ausgeschlossen, da der Lernfortschritt ein kontinuierlicher ist, der nicht an eine
bestimmte Zeitvorgabe gebunden ist (vgl. Popp 1999, S. 96). Heute sieht die Praxis anders
aus, da sich der Unterricht an einem verbindlichen Curriculum orientiert.
6. Notengebung
Da die Pensen an die Leistungen der Schüler/innen angepasst sind, haben sie auch keine
Probleme, diese zu erfüllen. Weniger begabte Schüler/innen erhalten ein minimales Pensum,
das sie nicht überfordern sollte und begabte Schüler/innen ein maximales Pensum. Die Noten
werden dadurch eigentlich überflüssig. Außerdem sind durch diese Arbeitsweise laufende
Tests und Prüfungen nicht notwendig. Die Schüler/innen haben sich aufgrund des
34
selbständigen Lernens das Wissen längerfristig eingeprägt, besser als dies beim üblichen
Frontalunterricht möglich wäre. Ein Grund dafür ist, dass sie sich zu der Zeit mit Themen
beschäftigen, in der ihr Interesse am stärksten ist (vgl. Eichelberger 2002, S. 104). Auch
Selbstkontrollverfahren wie sie z.B. von Montessori praktiziert wurden, kommen bei
Parkhurst nicht zum Einsatz (vgl. Bohl 2005, S. 174). Heutige Schulen müssen jedoch
aufgrund der Gesetzeslage an der Notengebung festhalten.
9
Reflexion im Daltonplan
Parkhurst selbst sagt, dass der „Dalton Laboratory Plan“ kein starres Konstrukt ist, denn „the
Dalton Laboratory Plan is not a system or a method, which through ages of use has petrified
into a monotonous and uniform shape, to be banded on the succeeding generations of pupils
as sheep are branded on going into a fold.“ (Parkhurst 1922, S. 28)
Sie will ihr Konzept als Reformvorschlag verstanden wissen und wehrt sich vehement gegen
eine Dogmatisierung. Popp (1999) vermutet, dass diese Haltung vor allem auf die Beziehung
zu Montessori zurückzuführen ist, die eher an einem starren und strikten Konzept festhält
(vgl. Popp 1999, S. 33).
Die Bezeichnung „Dalton Laboratory Plan“ lässt zwar vermuten, dass es sich um eine
Schablone handelt, die sich an jeder Schule gleich umsetzen lässt. Es handelt sich aber
weniger um einen fixen Plan, sondern vielmehr um einen „way of life“. (Hackl 2002b, S. 557)
Bei der Arbeit mit dem Daltonplan ist es wichtig, dass man die Anzahl der Schüler/innen,
Lehrer/innen, das Umfeld der Eltern, die finanziellen Ressourcen, die räumliche Gestaltung
und mögliche weitere Aspekte mit bedenkt (vgl. Hackl 2002a, S. 154). Auch die Pensen
beispielsweise orientieren sich am individuellen kognitiven Wissensstand der Schüler/innen.
Es ist also zwingend, dass sich die Umsetzung des Daltonplans an die konkreten
Gegebenheiten der einzelnen Schulen orientiert.
Ein wichtiger Punkt ist, dass das Konzept von Parkhurst als „way of educational
reorganization“ (Parkhurst 1922, S. 28) zu verstehen ist. Der Daltonplan wurde für die
„Regelschule“ entwickelt und ist daher leicht zu integrieren. „Parkhursts Konzept zielt nicht
auf eine Alternativschule [ab], sondern setzt innerhalb des Bestehenden mit Verbesserungen
35
an und muss so notgedrungen andere pädagogische Kompromisse schließen als eine
Alternativschule, vor allem im Sekundarbereich.“ (Popp 2002, S. 66)
Insbesondere wenn der Daltonplan an einer Schule neu eingeführt wird, kann das nicht von
heute auf morgen geschehen, sondern dieser Prozess ist gekennzeichnet durch eine
schrittweise und kontinuierliche Entwicklung, die nie abgeschlossen ist (vgl. Hackl 2002a, S.
154). „Lange bevor es den Begriff der ‚lernenden Institutionen’ gab, sah Parkhurst im
kontinuierlichen Lernprozess aller Beteiligten die eigentliche reformpädagogische Qualität
der Schule überhaupt und des Daltonplans im Speziellen (vgl. auch Eichelberger 1997). Dies
meinte sie, als sie von ‚Dalton’ als ‚way of life’ sprach“. (Popp 2002, S. 66)
In welchem Ausmaß der Daltonplan an den verschiedenen Schulen angewandt wird, kann
daran gemessen werden, wie sehr sich die geschlossene Lehrerschaft mit den
Zielvorstellungen, der Wirksamkeit und Verbesserung des Unterrichts auseinandersetzen und
den Lernprozess der Schüler/innen reflektieren (vgl. Popp 2002, S. 64). Deshalb ist es von
Bedeutung, dass die Umsetzung des Daltonplans nicht zur Routine wird, sondern ständigen
Veränderungen und Weiterentwicklungen unterworfen ist. So wird Selbstreflexion zu einer
notwendigen Voraussetzung für die Erfüllung der Zielsetzungen im Daltonplan (vgl.
Eichelberger 2002, S. 156).
10
Der Daltonplan als spezielle Form des offenen Unterrichts
Bis jetzt wurde der Daltonplan immanent dargestellt, wie er im Ideal funktioniert, was man
sich dazu gedacht hat, um einzelne pädagogische Aktionen zu begründen, welche
philosophischen (Dewey) Positionen einfließen, was dabei auch noch in einer gewissen
Grauzone verbleibt etc. Auf der Ebene der „Modelltheorie“ ist allerdings Weiterführendes zu
sagen. Zum einen ist der Daltonplan – wie man es auch aus der Parkhurst’schen Biografie
entnehmen kann – ein Gegenentwurf zur damals herrschenden Pädagogik. Insofern ist der
Daltonplan in den Strauß der alternativ-schulischen Ansätze einzureihen, auch wenn dies von
seinen heutigen Vertretern/innen so nicht gesagt bzw. verstanden wird. Der Daltonplan ist
aber eine Alternative zur damaligen – heute würde man sagen – „Regelschule“. Zum anderen
ist aber die Zeit auch in Europa nicht stehen geblieben, und auch im europäischen Schulwesen
sind zahlreiche Reformen durchgeführt worden, angefangen von der „Reformpädagogik“ und
36
ihren Ausläufern, über die „antiautoritären“ Ideen eines Kulturwandels, dessen Herstellung
über
eine
„andere“
Pädagogik
erreicht
werden
sollte,
bis
hin
zu
diversen
alternativpädagogischen Konzeptionen und Alternativschulen, die ein mehr oder weniger
anerkanntes Dasein führen.
Nun ist zu bedenken, dass diese „reformierten“ und weiterentwickelten pädagogischen Ideen
auch in die Lehrerausbildung und die Universitäten Eingang gefunden haben und mittlerweile
Generationen „aufgeklärter“ und dem pädagogischen „Handwerk“ durchaus kritisch
gegenüberstehender Lehrkräfte hervorgebracht hat, die sich in den Schulen betätigen. Es fragt
sich daher, in welcher Weise die Differenz Regelschule vs. Alternativprogramm aufrecht zu
erhalten ist. Jedenfalls heute nicht mehr so, wie vielleicht zu Parkhursts Zeiten. Beobachtbar
ist, dass immer dann, wenn einst „alternative“ Ideen irgendwie ins Regelschulsystem
integriert werden, eine doppelte Interpretationsmöglichkeit auftaucht. Man könnte einerseits
sagen, dass sich das Gesamtsystem zu mehr „Liberalität“ weiterentwickelt hat, andererseits
glauben aber viele, dass damit dem Alternativen die Zähne gezogen werden und es bis zur
Harmlosigkeit „domestiziert“ wird. Tatsächlich ist dies ein logischer Widerspruch, der auch
in einer ganz aktuellen politischen Debatte in Österreich auftaucht, wo über die gesetzliche
Verbindlichmachung von „Schulversuchen“ diskutiert wird – so als wäre es kein
Widerspruch: Entweder ist etwas ein „Versuch“ oder etwas gesetzlich Reguliertes. Das
Problem hat ja schon im Daltonplan auf sich aufmerksam gemacht: Der Betonung des
Laborhaften allen Lernens stehen die normativen Verpflichtungen gegenüber, die bei einem
„zu viel“ dem Laborlernen die kreative Substanz entziehen.
Am deutlichsten lässt sich dies anhand des so genannten „offenen Unterrichts“ zeigen. Denn
auch dieser ist Ergebnis einer internen Kritik im Schulsystem, ein Versuch, zu einer
irgendwie „besseren“, „kindgemäßeren“, „humaneren“ o.ä.m. Pädagogik zu kommen. Dabei
tauchen Elemente auf, die sich auch im Daltonplan schon finden.
10.1 Zum Verständnis des offenen Unterrichts
„Den offenen Unterricht gibt es nicht" (Jürgens 2004, S 24). Vielmehr handelt es sich beim
offenen Unterricht um einen sehr weit gefassten Begriff, eine vage Bezeichnung für
verschiedene Spielarten schüleraktiver und schülerzentrierter Unterrichtformen. Es wird
damit eine Vielfalt von unterschiedlichen Denk-, Motiv-, und Handlungsformen in der
37
Pädagogik bezeichnet, zu dem auch das Unterrichtskonzept des Daltonplans zählt. Auch
Lern- und Unterrichtsformen wie der Projektunterricht, das Arbeitsplan- und das
Freiarbeitskonzept stellen die didaktisch-methodischen Grundformen des offenen Unterrichts
dar (vgl. Jürgens 2004, S. 24f).
Kennzeichen des offenen Unterrichts ist jedenfalls, dass nicht mehr der/die Lehrer/in im
Mittelpunkt des Geschehens steht, sondern der/die Schüler/in. Die Selbsttätigkeit der/des
Schülerin/Schülers wird gefördert und das Lernen wird zu seiner/ihrer selbstverantwortlichen
Leistung. Selbstverständlich findet „systematisch geplantes Lernen“ auch im offenen
Unterricht statt (vgl. Jürgens 2004, S. 49).
Wenn man von Offenheit spricht, muss es auch etwas „Geschlossenes“ geben. Für Jürgens
gilt Offenheit des Unterrichts in Bezug auf Lerntempo, Sozialform, Aufgabendichte.
Geschlossen ist er jedoch hinsichtlich der Systematik des Lernens (vgl. Jürgens 2004, S. 49).
Krieger (2005) gibt dem Begriff „Offener Unterricht“ eine andere Bedeutung: Zum einen ist
es die Öffnung zum/zur Schüler/in hin, welche die Offenheit nach Innen darstellt und zum
anderen die Öffnung zum Schulumfeld, die er als Offenheit nach Außen bezeichnet. Die
Offenheit nach Innen ist dadurch gekennzeichnet, dass wieder ein Bezug zum Kind bzw.
Lernenden geschaffen werden soll. Der/die Schüler/in steht mit seinen/ihren lernrelevanten
Bedürfnissen und Lernmöglichkeiten im Mittelpunkt des Unterrichts. Die Offenheit nach
Außen bietet die Möglichkeit, Erfahrungen der/des Schülerin/Schülers aus dem Schulumfeld
in das schulische Lernen zu integrieren. Das Lernen kann somit „lebensnaher“ gestaltet
werden (vgl. Krieger 2005, S. 5).
Eines gilt jedoch für beide Auslegungen: „Je mehr Entscheidungen gemeinsam mit den
Schülerinnen und Schülern bzw. von diesen allein getroffen werden, desto offener ist ein
Unterricht. Diese Entscheidungen können sich auf allen Ebenen und auf alle Handlungsfelder
schulischen Unterrichts beziehen, soweit bestehende Rechts- und Verwaltungsvorschriften
dies zulassen“ (Jürgens 2004, S. 49).
Das Verständnis Jürgens (2004) dessen, was offener Unterricht ist, trifft meines Erachtens auf
alle didaktischen Konzepte mit Arbeitsplänen und Pensen, etc. zu (Daltonplan, Jenaplan),
während die Definition von Krieger (2005) eher auf projektförmige Unterrichtsgestaltung
abzielt.
38
10.2
Arbeitsplankonzept (Wochenarbeitsplan)
Der Unterricht nach einem Arbeitsplankonzept erfolgt, wie der Name schon sagt, über
Arbeitspläne, die in ihrer Bearbeitungsdauer von Tages- bis Wochenplänen variieren können.
Die Arbeitspläne bauen auf dem jeweiligen Lehrplan und den Lehrzielen auf und stellen eine
strukturelle Umgestaltung des Unterrichts dar (vgl. Jürgens 2003, S. 41).
Der/die Schüler/in kann, nachdem er/sie den Arbeitsplan erhalten hat, selbständig mit der
Arbeit beginnen, wobei er/sie die Sozialform (Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit) frei
wählen kann. Über den inhaltlich-sachlichen Aspekt der Arbeitspläne kann er/sie nicht
bestimmen, jedoch darüber, mit welchem Teil des Pensums er/sie beginnen möchte. Dieses
Konzept geht auch auf die unterschiedliche Lerngeschwindigkeit der Schüler/innen ein, denn
die Zeit für die Bewältigung der jeweiligen Aufgaben kann individuell variieren (vgl. Jürgens
2003, S. 42).
Die Pläne und somit das Pensum teilen sich in Pflicht-, Wahlpflicht- und Zusatzaufgaben. Der
Pflichtteil ist verbindlich und muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein. Vom
Niveau ist er so konzipiert, dass ihn jede/r Schüler/in der Klasse ohne Probleme erfüllen kann.
Bei den Wahlpflicht- und Wahlaufgaben kann der/die Schüler/in wählen und sich je nach
persönlichem Interesse in ein Themengebiet vertiefen (vgl. Jürgens 2003, S. 43).
10.3 Freiarbeitskonzept
Freiarbeit zählt zu den schüleraktiven Unterrichtsformen und kennzeichnend für dieses
Konzept ist, dass der/die Schüler/in verschiedene Wahlmöglichkeiten hat. Er/sie kann über
seine/ihre Zeiteinteilung frei verfügen und entscheiden, welche Lerngegenstände er/sie
bearbeiten möchte, bzw. auch in welcher Weise er/sie dies tun möchte – beispielsweise
mittels einer Lernkartei, eines Referats, oder eines Experiments. Wo die Arbeiten erledigt
werden, also auf welchem Arbeitsplatz und wie dessen Gestaltung aussieht, bleibt dem/der
Schüler/in überlassen. Auch die Gruppe bzw. die Zusammenarbeit der Schüler/innen
untereinander spielen eine wichtige Rolle. Es sollen die Rahmenbedingungen geschaffen
werden, damit Schüler/innen jederzeit miteinander in Kontakt treten können und so ein
(Wissens-)Austausch möglich ist. Die Inhalte des Lehrplans stehen im Mittelpunkt der
39
Freiarbeit, jedoch können und sollen tagesaktuelle Themen bzw. Alltagserfahrungen der
Schüler/innen aufgegriffen und bearbeitet werden (vgl. Jürgens 2003, S. 67).
Die Freiarbeit lässt sich nach Jürgens (Jürgens 2003, S. 69) in vier Grundformen
unterscheiden:
1. Die Bearbeitung eines frei gewählten Themas und dessen Darstellung. Dies kann in
Gruppen- oder Einzelarbeit erfolgen und dient der Interessensvertiefung.
2. Vertiefung in ein Unterrichtsthema, welches im Unterricht behandelt wurde und für
den/die Schüler/in besonders interessant war.
3. Die Freiarbeit kann genützt werden um mit ausgewähltem Übungsmaterial intensiv
praktisch üben zu können.
4. Schneller arbeitende Schüler/innen können die Zeit nützen um sich aufgrund von
ergänzenden und weiterführenden Lernangeboten in ein Thema zu vertiefen.
10.4 Projektarbeitskonzept
Projektunterricht ist „in Mode“ und wird in Schulen heute sehr oft praktiziert und findet in
einer großen Spannbreite in Bezug auf die Qualität der Ausführung statt. Vieles wird aber als
Projektunterricht bezeichnet, obwohl es den Namen nicht verdient, da grundsätzliche
Kriterien nicht eingehalten werden (vgl. Jürgens 2004, S. 119ff).
Kennzeichnend für ein Projektarbeitskonzept ist für Jürgens (Jürgens 2003, S. 81f.), wenn
-
ein wirkliches Problem der Ausgangspunkt für die Arbeit ist, zu dem auch die
Schüler/innen besonderes Interesse zeigen,
-
die Schüler/innen größtmögliche Eigenverantwortung übernehmen und das Projekt
selbst planen und durchführen können,
-
sich die Interaktions- und Kommunikationsstrukturen dahingehend ändern, dass sie
weiterentwickelt, und „demokratisiert“ werden, dennoch gibt es klare Regeln für die
Arbeit, die von allen Beteiligten festgelegt werden,
-
das Lernen im Projektarbeitskonzept ganzheitlich passiert,
-
außerschulische Lernorte integriert werden, um einen unmittelbaren Bezug zur
Lebenswelt zu schaffen und
-
die Themen aus dem Lehrplan fächerübergreifend und ganzheitlich bearbeitet werden.
40
Der Ablauf der Projektarbeit sieht wie folgt aus: Die Arbeit beginnt mit einer (Schüler/innen-)
Initiative bzw. einer Idee, von der ausgehend eine Projektskizze entwickelt wird. Mittels eines
Projektplans gelangt die Idee zur Durchführung. Mit diesem Ablauf sollte eine „methodisch
klug bedachte“ Lösung tatsächlich erreicht werden. Am Ende des Projekts sollte es zu einer
Evaluation und Reflexion der Ergebnisse und des Prozesses kommen, um beurteilen zu
können, ob die gesteckten Ziele tatsächlich erreicht wurden (vgl. Jürgens 2003, S. 77).
10.5
Stationenarbeitskonzept (Werkstattunterricht)
Das Stationenlernen ist besonders für den Regelschulunterricht geeignet, da sich die offenen
mit den (dort großteils) lehrergesteuerten Unterrichtsphasen sehr gut kombinieren lassen. Und
es ist weiters „ein Konzept zur ‚Öffnung von Unterricht’ und ermöglicht einen aus einzelnen
‚Lernsequenzen’
(Angeboten)
zusammenhängenden
problemlösende,
handlungsorientierte,
Unterricht,
individualisierte
und
der
entdeckend-
fächerübergreifende
Vorgehensweisen zulässt.“ (Jürgens 2003, S. 54)
Der Unterricht sieht so aus, dass die zu bearbeitenden Themen aus dem Lehrplan in
Teilthemen untergliedert werden, sodass jeder Teilbereich als eine „Station“ aufgebaut ist.
Der/die Schüler/in hat die Wahlfreiheit, diese einzelnen Stationen unabhängig voneinander
und in unterschiedlicher Reihenfolge zu bearbeiten, da sie sachlichinhaltlich und
lernstrukturell zusammenhängend sind. Die Aufgaben kann er/sie in Einzel-, Partner- oder
Gruppenarbeit bewältigen.
Jede/r Schüler/in erhält einen Laufzettel, auch „Laufpass“ genannt, auf denen jeweils die
Stationen angeführt sind, samt Feld zum Ankreuzen für erledigte Stationen. So behält der/die
Schüler/in den Überblick und der Laufzettel dient ihm/ihr als Selbstkontrolle. Auch für
den/die Lehrer/in ist dies eine hilfreiche Lösung um das Voranschreiten der Schüler/innen
verfolgen zu können (vgl. Jürgens 2003, S. 59).
Die Arbeitsanweisungen für die Teilthemen sollten bei jeder Station aufliegen. Dadurch hat
der/die Schüler/in die Möglichkeit diese noch einmal einzusehen, besonders wenn die
Aufgaben sehr komplex und arbeitsintensiv sind. Durch die Anweisungen wird auch die
Selbsttätigkeit der/des Schülerin/Schülers gefördert (vgl. Jürgens 2003, S. 57).
41
III
FELDFORSCHUNG
11
Forschungsmethode
Am Anfang meines Forschungsvorhabens habe ich mit der Literaturrecherche begonnen. Es
gibt wenig Literatur über den Daltonplan, und auch die Ausführungen über die Umsetzung
des Daltonplans sind spärlich und zum Teil sehr abstrakt. Um einen weiteren und vor allem
praxisnahen Einblick in die Arbeit mit dem Daltonplan zu bekommen, entschied ich mich für
das qualitative Interview als Instrument
meiner
Untersuchung.
Ich
wählte das
halbstandardisierte Interview zur Datenerhebung, da ich Bedenken hatte, dass ich bei einem
stark
strukturierten
Interview
mit
einem
zu
eingeengten
Blickwinkel
an
den
Untersuchungsgegenstand herangehe und interessante und spezielle Phänomene gar nicht
erkennen kann. Kennzeichen des halbstandardisierten Interviews ist, „dass mehr oder minder
offen formulierte Fragen in Form eines Leitfadens in die Interviewsituation ‚mitgebracht’
werden, auf die der Interviewte frei antworten soll“ (Flick 2005, S. 143).
An der Franz Jonas Europaschule und der Kooperative Mittelschule Hörnesgasse, beide in
Wien, interviewte ich jeweils drei Lehrerinnen, an den Schulen in Brno, der Chalabalova
Dalton zwei Lehrerinnen und an der Husova Dalton einen Lehrer und eine Lehrerin. Die
Interviews dauerten in der Regel 45 Minuten und liegen in transkribierter Form auf, sind aber
aus Anonymitätsgründen nicht integrierter Bestandteil der Arbeit. Weiters habe ich in der
Auswertung zur Wahrung der Anonymität der Interviewten keine Angaben gemacht, die
Rückschlüsse auf die Lehrenden ermöglichen könnten.
11.1 Zugang zum Feld
Den Zugang zu den einzelnen Schulen und die Möglichkeit, Interviews mit Lehrerinnen
dieser Schule zu führen, wurde über das „Schneeball-Prinzip“ (Flick 2005, S. 93) möglich.
Das bedeutet, dass der/die Forscher/in von einer interviewten Person zur nächsten
weitervermittelt wird bzw. sich vorarbeitet. Dabei war die Entscheidung für die jeweiligen
Schulen aber keineswegs wahllos, denn ich versuchte eine „maximale strukturelle Variation“
(Froschauer/Lueger 2003, S. 55) zu erreichen, also möglicht viele „Sichtweisen“ von
Lehrerinnen und Lehrern einzufangen. So wurden Lehrer/innen von mir befragt, die schon
sehr lange mit dem Daltonplan arbeiten und auch „Neulinge“, die sich gerade erst in dieses
42
Konzept einfinden. Auch das Unterrichtsfach der Lehrer/innen variierte von Geographie über
Mathematik, Deutsch bis hin zu Musik.
Wie wurde also der Kontakt zu den Lehrenden aufgebaut? Die erste Schule, Kooperative
Mittelschule Hörnesgasse, entnahm ich „Ideen machen Schule“ (Fraundorfer 2006), die als
Daltonschule beschrieben wurde. Über die darin angegebene Internetseite holte ich mir
Vorinformationen und schrieb über die Homepage die Schulleiterin an, die binnen kürzester
Zeit antwortete und mir den Kontakt zum Koordinator des Daltonplans an der Schule
herstellte.
Aufgrund weiterer Recherchen (Befragungen, Publikationen, Internet) wurde ich auf die
Franz Jonas Europaschule in Wien aufmerksam. Ich wählte den schnellsten Weg und sandte
auch hier eine E-Mail an den Schulleiter, der unverzüglich meine Anfrage an die DaltonLehrer/innen weitergab. Diese wiederum erzählten mir nach einem ausführlichen Telefonat
von den Dalton Konferenzen und den Kontakten nach Brno. Daraufhin informierte ich mich
auf deren Internet-Homepages. Nachdem ich mehrere Schulen in Brno angeschrieben hatte,
bekam ich Antwort vom Schulleiter der Chalabalova Dalton Schule. Wie sich herausstellte,
ist er darüber hinaus Präsident der tschechischen Dalton Vereinigung und er leitete meine
Anfrage an den Lehrkörper weiter. Auch in diesem Fall wurde ich unmittelbar darauf via
Internet kontaktiert.
Anlässlich meines Besuchs der Chalabalova Dalton Schule in Brno empfahl mich der
Schulleiter dem Koordinator des Daltonplans an der Husova Dalton Schule weiter. Letztere
Schule organisierte jedes Jahr eine Dalton Konferenz in Brno, an der ich im Mai 2007
teilnahm. Der Koordinator des Daltonplans an der Husova Dalton Schule informierte in Folge
seine Kolleginnen/Kollegen und ich konnte weitere Kontakte über E-Mail herstellen.
11.2 Probleme bei der Kontaktaufnahme
Zwar wurde mir gegenüber Freude an meinem Interesse am Daltonplan generell und im
Besonderen an der jeweiligen Schule artikuliert, jedoch kam es bald zu Schwierigkeiten bei
der Konkretisierung möglicher Treffen bzw. der Terminkoordination für die Interviews. Trotz
meiner Hinweise auf den Fortschritt meiner Arbeit bekam ich sehr späte Interviewtermine.
43
„Forschung stellt immer eine Intervention in ein soziales System dar“ (Flick 2005, S. 90),
womit ich die Skepsis begründe, die mir nach der ersten Begeisterung entgegengebracht
wurde. Im Telefonat mit einem Daltonbeauftragten wollte dieser plötzlich noch mehr und
genauere Informationen über mein Forschungsvorhaben erhalten. Er fragte nach dem Zweck
und Nutzen der Untersuchung, welche Informationen ich genau haben wolle und wie ich die
Interviews auswerte. Teilweise kam ich in Erklärungsnot, weil ich natürlich selbst nicht
wusste, wohin sich die Forschung entwickelt, da dies abhängig von den Interviews mit den
Lehrer/innen ist. Weiters wollte ich meinen Interviewleitfaden nicht im Detail preisgeben, da
ich die Befürchtung hatte, dann „auswendig gelernte“ Antworten zu erhalten.
Es war mir aber ein Anliegen, keine falschen Hoffnungen zu erwecken und auch keine
Erklärungen abzugeben, und ich hielt mich an die Ratschläge von Wolff (2005): „Das
Forschungsprojekt kann dem sozialen System nichts bieten. Es kann höchstens funktional
sein. Forscher sollten sich hüten, Versprechungen über den Nutzen der Forschung für das
soziale System zu machen“ (Wolff zit. n. Flick 2005, S. 91 / Wolff 2005, S. 348).
Mein Interesse an der verschiedenartigen Umsetzung des Daltonplans erwähnte ich bei der
Kontaktaufnahme mit den Lehrer/innen nicht, um allenfalls daraus entstehenden
Unsicherheiten zu vermeiden, die möglicherweise Absagen bewirkt hätten, da „Grenzen des
eigenen Handelns offen gelegt werden...“ (Flick 2005, S. 91). Oft können zu viele
Informationen für den Zugang zum Feld auch hinderlich sein, da sie die Beteiligten verwirren
und irritieren könnten, denn „die Aushandlung des Zugangs zu Institutionen ist weniger ein
Informationsproblem als die Herstellung einer Beziehung, in der so viel Vertrauen in die
Personen der Forscher und ihre Anliegen entsteht, dass sich die Institution trotz allem, was
dagegen sprechen könnte – auf die Forschung einlässt“ (Flick 2005, S. 91).
Wolff (2005) nennt einen weiteren Punkt für das mögliche Scheitern einer Untersuchung:
„Forschung ist für das zu beforschende soziale System ein Störfaktor, auf dem mit Abwehr
reagiert wird“ (Wolff zit. n. Flick 2005, S. 90 / vgl. Wolff 2005, S. 343). Das musste ich
ebenfalls erfahren, als ich teilweise auf spätere Termine vertröstet oder mir nach der ersten
Zusage nicht mehr geantwortet wurde. Nach einigen vergeblichen Versuchen der
Terminkoordinierung für die Interviews wurde mir von einer Lehrerin in Wien angeboten den
Fragenkatalog überhaupt nur zu faxen und die Lehrer/innen würden mir dann die ausgefüllten
Fragebogen zurückschicken. Es scheint tatsächlich so zu sein, „dass die Diskrepanz der
44
Interessen und Perspektiven zwischen Forschern und beforschten Institutionen prinzipiell
nicht aufzuheben ist“ (Flick 2005, S. 91).
Eine letzte Hürde war noch die Genehmigung durch den Stadtschulrat in Wien, die ich
einholen musste, um überhaupt Interviews an den Schulen führen zu dürfen. Weiters mussten
die Interviews an den österreichischen Schulen auf Wunsch der Lehrer/innen ausschließlich
während der Unterrichtszeit stattfinden.
In Tschechien standen weniger die Interviewzeit, als vor allem das sprachliche Problem im
Mittelpunkt. Ich hatte zuvor angeboten die Interviews auf Deutsch oder Englisch zu führen, je
nachdem, welche Sprache von den Lehrpersonen bevorzugt wird. Es stellte sich jedoch
heraus, dass zwar hier die Termine sehr schnell festgestanden wären, doch das Interesse der
Lehrer/innen an einem Interview, das nicht in ihrer Muttersprache geführt wurde, war eher
mäßig. An der Chalabalova Dalton Schule wurden die Interviews auf Deutsch geführt, an der
Husova Dalton Schule sprachen wir Englisch. In beiden Fällen stellte ich allerdings
erhebliche
Mängel
in
der
Kenntnis
der
jeweiligen
Fremdsprache
bei
meinen
Interviewpartner/innen fest.
11.3 Auswertung
Die Auswertung der Interviews erfolgte nach der phänomenologischen Analyse, die
Grundgedanken oder Prinzipien dieser Analyse sind nach Mayring (Mayring 2002, S.108):
a) Der Ausgangspunkt der Auswertung ist „die Deskription der Phänomene aus der Sicht des
Subjekts und seinen Intentionen.“
Für meine Auswertung heißt das, dass ich den Daltonplan aus der Sicht der beteiligten
Personen zu betrachten habe. Meine Sicht als Forscherin ist in diesem ersten Schritt nicht
ausschlaggebend. Es geht daher um die Fragestellungen wie: Was verstehen Lehrende unter
„Daltonplan“? Wie glauben sie, dass sie den Daltonplan umsetzen und wo sehen sie die
Unterschiede zu den Ideen, die Parkhurst entwickelt hat?
b) „Eine Reduktion auf ihren Wesenskern wird durch die Variation der Phänomene versucht.“
Der zweite Grundgedanke bedeutet für meine Untersuchung, dass nicht „eine breite
Beschreibung bestimmter Gegenstandsfelder erfolgt, sondern eine gezielte Analyse einzelner
45
Phänomene“ (Mayring 2002, S. 108). Diese sind in meinem Fall z.B. die unterschiedliche
Adaption des Daltonplans an den vorgestellten Schulen als auch die Untersuchung von
Faktoren, die ein Umsetzen ermöglichen oder auch erschweren.
Zuallererst ist jedoch bei einer phänomenologischen Analyse „die sorgfältige, ausführliche
Deskription der Forschungsgegenstände“ wichtig (vgl. Mayring 2002, S. 107). Es werden
daher von mir jene Schulen, die ich für meine Untersuchung ausgewählt habe, nachfolgend
genau beschrieben, um eine Nachvollziehbarkeit der Phänomene zu ermöglichen. Dann geht
es an die eigentliche Analyse, für die vier Schritte kennzeichnend sind (vgl. Mayring 2002, S.
108f).
Zu Beginn kommt es zu einer Durchsicht des gesamten Materials (d.h. der Interviews mit den
Lehrpersonen). Damit soll der Analysierende nicht nur einen generellen Eindruck bekommen,
die Durchsicht dient auch als Orientierung über die auftretenden Phänomene und als
Vorbereitung für die weiteren Schritte. Danach werden im zweiten Materialdurchgang
Bedeutungseinheiten gebildet (Kategorisierung), welche folgend (dritter Schritt) in Bezug auf
das Phänomen hin interpretiert werden. Im vierten und letzten Schritt werden die
„interpretierten Bedeutungseinheiten verglichen, verknüpft und zu einer generellen
Phänomeninterpretation synthetisiert“ (Mayring 2002, S. 109).
12
Kooperative Mittelschule Hörnesgasse
12.1 Allgemeines zur Schule
Die Kooperative Mittelschule (KMS) Hörnesgasse (3. Wiener Gemeindebezirk) ist eine
Verbundschule in Kooperation der Hauptschule Hörnesgasse und des Gymnasiums
Landstraße.
An
der
Schule
unterrichten
ca.
55
Lehrer/innen
und
die
Gesamtschüler/innenanzahl liegt bei 405. Seit September 2000 wird an diesem Schulstandort
nach dem Konzept des Daltonplans unterrichtet, wobei die Konzeptentwicklung den Zeitraum
von 2000 bis 2005 umfasste. Die Anzahl der am Projekt beteiligten Lehrer/innen lag 2005/06
bei 12. Jeweils eine Klasse jedes Jahrgangs arbeitet nach der Daltonplan-Pädagogik.
46
12.2 Daltonstunden
Die Daltonphasen erstrecken sich an der KMS Hörnesgasse über ein Viertel bis ein Drittel der
gesamten Unterrichtszeit. Pro Tag sind das demnach zwei Schulstunden. Eine Besonderheit
der Schule ist, dass es jedem/r Lehrer/in frei steht, wie viele Stunden er/sie für die Freiarbeit
zur Verfügung stellt (deshalb kann die Daltonzeit im Verhältnis zur Gesamtstundenzahl
variieren) und ob er/sie dies überhaupt möchte. Das ist auch der Grund, weshalb manche
Unterrichtsfächer nicht „daltonisiert“ sind. Betroffen sind z.B. Unterrichtsfächer wie
Religion, Turnen und Musik. Um welche Unterrichtsfächer es sich dabei genau handelt, kann
aber von Klasse zu Klasse variieren.
„Es wird immer am Anfang des Schuljahres ausgemacht wie viele Stunden in den Pot
faktisch hineinkommen, für die Freiarbeit. Das macht sich das Lehrerteam am Anfang
des Schuljahres aus. Es kann niemand verpflichtet werden, seine Stunden da
hineinzugeben.“ (HG, Y, 4)4
An der KMS Hörnesgasse gibt es eine „gleich bleibende „Dalton-Schiene“, Dienstag bis
Freitag sind jeweils zwei Stunden für den Daltonunterricht reserviert. Alle Klassen, die an
diesem Konzept beteiligt sind, (jeweils eine jedes Jahrgangs) haben zu dieser Zeit ihre
Daltonphase. Die Lehrer/innen sind während dieser Zeit zwar stundenplanmäßig in der
Klasse, jedoch haben die Pensenstunden keine Stundenzuteilung. Die Schüler/innen können
frei entscheiden, an welchen Unterrichtsgegenständen sie arbeiten möchten.
„Die Stunden, die in den Daltonpot kommen, die stehen den Kindern auch zur
Verfügung, ob sie jetzt Geographie weniger Zeit z.B. brauchen und dafür mehr
Mathematik arbeiten können, das können sie frei wählen.“ (HG, X, 1)
Um eine bessere Überschaubarkeit über die Lernaktivität der Schüler/innen zu ermöglichen,
hat der Lehrkörper den Aktionsplan eingeführt. Damit ist für sie nachvollziehbar, wann ein/e
Schüler/in an einem bestimmten Fach arbeitet. Diesen Plan bekommt der/die Schüler/in mit
4
Am Ende der Interviewausschnitte werden Abkürzungen angeführt (z.B. HG, Y, 4). Das erste Kürzel bezieht
sich auf die jeweilige Schule (HG = Hörnesgasse, ES = Franz Jonas- Europaschule, CH = Chalabalova, HU =
Husova), zweites Kürzel meint die interviewte Lehrperson, letztes Kürzel bezieht sich auf die Seite des
Interviewtranskripts.
47
jedem neuen Pensum und vermerkt darin, zu welchem Zeitpunkt er/sie welches
Unterrichtsfach bearbeitet hat und wie viel Zeit dafür in Anspruch genommen wurde.
12.3 Freiheit
Die Schüler/innen können frei wählen, wann sie welches Fach bearbeiten. Manchmal wird
diese Freiheit eingeschränkt: Beispielsweise halten sich Integrationsschüler/innen manchmal
an den Stundenplan, weil sie eine Struktur für ihre Arbeit brauchen. Wenn sie aber schon eine
gewisse Selbständigkeit erreicht haben, können auch sie Fächer selbst wählen. Eine weitere
Ausnahme wird für die Lerngruppen, die es an der Schule gibt, gemacht. Aus logistischen
Gründen halten sich die Schüler/innen dann an den Stundenplan, weil
„sonst können sich nicht acht Kinder immer wieder zusammen finden, um gemeinsam
arbeiten zu können.“ (HG, X, 1)
Während den Daltonstunden können die Schüler/innen auch frei wählen, mit wem sie und wo
sie arbeiten wollen.
„Da wird eben der Unterricht geöffnet, die Räume geöffnet und dann sind die
Klassenzimmer eben Facharbeitsräume...“ (HG, X, 2)
Aufgrund der Umsetzung der Facharbeitsräume können sich die Schüler/innen auch oft die
Lehrer/innen aussuchen, bei denen sie arbeiten möchten. Eine Bedingung ist aber, dass in den
speziellen Facharbeitsräumen nur das jeweilige Fach bearbeitet werden darf.
12.4 Kooperation
Nach einer schrittweisen Entwicklung an der Schule – weg von den Fachwinkeln und hin zu
den Facharbeitsräumen – können die Schüler/innen nun miteinander in Kontakt treten. Eine
Vernetzung aller Klassen ist möglich, da sie alle zur gleichen Zeit ihre „Daltonphase“ haben
und die Klassen als Facharbeitsräume fungieren. Das bedeutet, dass nicht mehr der/die
Lehrer/in den Unterrichtsgegenstand in das Klassenzimmer „bringt“, sondern jede Klasse ist
ein anderer Facharbeitsraum und der/die Schüler/in sucht diesen auf, wenn er/sie in diesem
Bereich arbeiten möchte.
48
„...wir haben gesagt wir müssen die Klassen öffnen, wir müssen die Klassen
vernetzen, wir müssen den Kindern ermöglichen auch altersheterogen miteinander zu
arbeiten...“ (HG, X, 2)
Manchmal ist die Zusammenarbeit mit anderen Schülerinnen und Schülern auch
verpflichtend. Die Lehrperson gibt dann die Sozialform am Pensum vor. Grundsätzlich
können die Schüler/innen jedoch selbst wählen.
Da jede Klasse ein anderes Pensum hat, beschränkt sich die Kooperation überwiegend auf die
eigene Klasse. Wenn es zu Themenüberschneidungen kommt, arbeiten die Schüler/innen
gerne zusammen. Die Lehrer/innen unterstützen diese Zusammenarbeit und sind an einer
Weiterentwicklung interessiert.
„Ja, das ist so unser nächster Plan, das eben Erklassekindern mit Drittklasse
zusammenarbeiten.
Ja,
das ist
schon, das ist
dann
schon
wieder eine
Weiterentwicklung.“ (HG, X, 4)
12.5 Zeiteinteilung
An der KMS Hörnesgasse gibt es keine Graphen wie sie Parkhurst entwickelt hat. In Bezug
auf das Zeitmanagement haben die Schüler/innen große Schwierigkeiten, besonders in den
unteren Schulstufen. Es gibt auch kein einheitliches System im Bezug auf die
Leistungsfortschrittskontrolle, jedes Lehrer/innenteam hat eine andere Methode entwickelt,
mit dem die Schüler/innen lernen sollen, sich die Zeit richtig einzuteilen. Der/die Schüler/in
hat auch fixe Termine, bis zu dem bestimmte Aufgaben von der Lehrperson abgezeichnet
werden müssen. Sie sollen dem/der Schüler/in als Orientierung durch das Pensum dienen. Auf
den Arbeitszetteln wird dann die Lehrerkontrolle vermerkt. In manchen Fächern gibt es auch
Kompetenzraster. Mit diesem wird angezeigt, welche Kompetenzen man sich durch die
einzelnen Aufgaben erworben hat.
„Also das ist nicht DER Graph. Wir hatten sie auch eine Zeit lang in der Klasse auf
Magnettafeln, und all diese... Tatsache war, dass die Schüler meistens nicht
eingetragen haben.“ (HG, Y, 3)
49
Damit die Schüler/innen in der Bearbeitung der Pensen aber nicht überfordert sind, werden
diese
in
drei
Niveaugruppen
bzw.
Leistungsgruppen
aufgegliedert
(wobei
die
Leistungsgruppen nach den Aussagen der Lehrer/innen erst im laufenden Schuljahr
verpflichtend eingeführt wurden). Jede Gruppe hat Pflichtaufgaben, die man unbedingt
erfüllen muss, um positiv zu sein, sowie Erweiterungs- und Wahlaufgaben. Schüler/innen, die
das Mindestpensum in der Schule nicht erfüllen, müssen dieses zuhause erarbeiten.
„Also sie kommen dann bald einmal drauf, na wenn ich`s mir da ein bissl lockerer
mache, dann muss ich`s halt zuhause machen, denn die Pflichtaufgaben, die müssen
erledigt werden.“ (HG, Z, 1)
12.6 Kooperation der Lehrenden
Alle interviewten Lehrer/innen betonen, dass die Zusammenarbeit im Team für sie von großer
Bedeutung ist. Erst unter diesen Bedingungen ist es für sie möglich das Konzept „Daltonplan“
weiter zu entwickeln. Für die einen bedeutet die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen,
dass sie ihre Ideen und Innovationen verwirklichen können, die anderen finden damit die
nötige Hilfe in der Umsetzung des Daltonplans. Das gilt besonders für jene Lehrpersonen, die
erst seit kurzer Zeit nach diesem Konzept arbeiten.
„Also ich bin eben erst das zweite Jahr mit dieser Unterrichtsmethode beschäftigt und
ich lerne schon jede Woche noch etwas dazu, und es wächst mit.“ (HG, Z, 4)
Die Kooperation der Lehrenden ist ständig gefordert – dies betrifft zum Beispiel die
Gestaltung der Pensen. Jedes Team hat eigene Vorstellungen, wie diese aussehen sollen,
weshalb es nötig wird, dass sich die Teams absprechen. Auch in der Begutachtung und
Beurteilung der einzelnen Aufgaben, die die Schüler/innen erledigen, muss Einigkeit
bestehen, damit für den Fall, dass eine entsprechende Fachkraft nicht anwesend ist, ihre
Aufgabe auch von anderen Lehrer/innen abgezeichnet werden kann.
Aufgrund der Freiheit, die im Daltonplan besteht, müssen Kompromisse geschlossen werden.
Die Lehrer/innen gehen diese nach eigenen Aussagen auch gerne ein, damit das Konzept
umgesetzt werden kann. Obwohl nicht alle Lehrer/innen der Daltonklassen am Projekt
beteiligt sind (also Stunden für den Daltonunterricht zur Verfügung stellen), kann das Dalton50
Projekt aufrechterhalten werden. Dass der Daltonplan nicht von allen praktiziert wird,
akzeptieren die restlichen Lehrer/innen, wenn auch mit Wehmut.
„Meine Vision ist immer, ich bekomme eine neue Schule und kann den ganzen
Lehrkörper davon überzeugen.“ (HG, Y, 5)
Oft stößt der Lehrkörper auch auf Widerstand im Bezug auf seine Arbeit. Besondere
Ablehnung wird dem Daltonplan dann entgegengebracht, wenn Lehrer/innen das Konzept
nicht richtig kennen und Vorurteile dieser Arbeit gegenüber bestehen. Deshalb laden die
Lehrenden sowohl Kritiker, als auch Interessierte ein, sich den Unterricht anzusehen und sich
ein Bild davon zu machen. Trotzdem kostet das viel Energie, welche die Daltonlehrer/innen
lieber in ihre Arbeit investieren würden. Viel Überzeugungsarbeit muss von ihnen auch dann
geleistet werden, wenn es Konkurrenz aufgrund verschiedener pädagogischer Konzepte gibt,
die an der Schule umgesetzt werden.
„Und so ist es ein, ein ...im besten Fall an unserer Schule ist es ein nebeneinander
...von verschiedenen Konzepten. Es hat auch Zeiten gegeben, wos auch ein
Gegeneinander war...“ (HG, X, 5)
Die Freiheit im Daltonplan hat aber auch einen großen Vorteil, so dass mit seiner Umsetzung
begonnen werden kann, auch wenn er nicht die volle Unterstützung im Kollegium findet. Das
heißt, der Daltonplan wird in diesem Fall, in dem Rahmen umgesetzt, in dem es möglich ist
und wenn sich nicht alle Lehrer/innen für das Konzept begeistern bzw. überzeugen lassen, ist
das Projekt nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.
Die interviewten Lehrer/innen berichten, dass etliche Kolleginnen und Kollegen deshalb nicht
am Daltonplan-Konzept mitarbeiten wollen, weil sie von den notwendigen Besprechungen
und der Zusammenarbeit mit dem Kollegium abgeschreckt werden und das Modell insgesamt
als ein zu großer Aufwand angesehen wird. Mitunter wollen jene lieber alleine arbeiten und
nicht auf andere angewiesen sein. Das macht eine Eingliederung in das „Dalton-System“
unmöglich. Besonders wenn man den Punkt des fächerübergreifenden Unterrichts praktizieren
möchte, ist aber eine Zusammenarbeit zwingend notwendig.
51
„Es erfordert halt doch eine Zusammenarbeit im Team und ein Absprechen im Team
und zu dem muss man bereit sein.“ (HG, Y, 7)
13
Franz Jonas - Europaschule
13.1 Allgemeines zur Schule
Die Franz Jonas-Europaschule ist eine Hauptschule der Stadt Wien (21. Wiener
Gemeindebezirk). Sie ist beteiligt am Cerneda-Projekt – einem Comenius-Projekt – an dem
Schulen aus Österreich, der Slowakei, Ungarn und Tschechien beteiligt sind. In diesem
Projekt soll ein Austausch zwischen Schulen stattfinden, an denen reformpädagogische
Elemente umgesetzt werden. Weiters ist die Schule ein Mitglied der Vereinigung „Dalton
International“. Die Schule wird von insgesamt 350-400 Schülerinnen und Schülern besucht,
wobei hiervon 80 Schüler/innen in den Daltonklassen vertreten sind. Die Anzahl der
Lehrenden beträgt an der Schule 36, acht davon unterrichten nach dem Konzept des
Daltonplans. Der Daltonplan wird an der Europaschule seit sechs Jahren umgesetzt. Pro
Jahrgang wird eine Klasse als Daltonklasse geführt.
13.2 Daltonstunden
An der Europaschule gibt es pro Tag zwei bis drei Daltonstunden. Die Stundenanzahl kann
von Klasse zu Klasse unterschiedlich sein, da die Zahl davon abhängig ist, wie viele
Lehrer/innen ihre Stunden zur Verfügung stellen. Es besteht jedoch keine Pflicht bzw. kann
niemand verpflichtet werden, sich am Daltonkonzept zu beteiligen.
„Also es erklären sich immer ein paar Lehrer von der Klasse bereit, das zu tun. Es
sind nicht unbedingt immer alle.“ (ES, X, 2)
„Und dann gibt es a welche, die noch immer die Freiheit haben und sagen nein, äh, i
mach zum Beispiel in Religion, ich will keinen Daltonunterricht machen. Die machen
dann eben keinen.“ (ES, Y, 3)
52
Manchmal werden auch Nachmittagsstunden für den Daltonunterricht verwendet. Das
entscheidet jede/r einzelne Lehrer/in. Das heißt an der Europaschule gibt es keine fixe
Daltonschiene bzw. Daltonphase, sondern die einzelnen Stunden werden zu Daltonstunden
herangezogen. Am Anfang jedes Jahres wird festgelegt, welche Stunden das sind. Daraus
folgt, dass nicht alle Klassen zur gleichen Zeit Freiarbeit haben.
Wenn ein Unterrichtsfach nur einstündig ist, also dieses Fach nur eine Stunde pro Woche
unterrichtet wird, ist es für die Lehrer/innen schwierig dieses zu „daltonisieren“, da sonst kein
gebundener Unterricht mehr möglich ist. Solche Fächer werden dann nicht als Daltonfächer
herangezogen, auch wenn es eigentlich erwünscht ist. Manchmal wird in einigen dieser Fälle
das Problem der einstündigen Fächer so gehandhabt, dass abwechselnd eine Woche
gebundener Unterricht und in der nächsten Daltonunterricht stattfindet.
13.3 Freiheit
Die Schüler/innen haben die Freiheit zu entscheiden, wann sie welches Fach bearbeiten
möchten. Weiters können sie entscheiden, wo sie arbeiten möchten. Hierfür stehen den
Schülerinnen/Schülern der Informatikraum sowie ein zweiter Klassenraum zur Verfügung.
Die Bibliothek ist für Schüler/innen ebenfalls zugänglich und sie können sich in bestimmten
Lernzonen, die sich vor den Klassen am Gang befinden, aufhalten. Die Freiheit wird ihnen
aber nur gewährt, so lange sie verantwortungsvoll mit ihr umgehen. Sollte diese Freiheit von
dem/der Schüler/in ausgenützt werden, kann die Lehrperson vorübergehend auf das Arbeiten
im Klassenraum bestehen.
Freiheit besteht auch bei der Wahl der Sozialform. Die Schüler/innen können alleine, zu zweit
oder in Gruppen arbeiten. Von den Lehrenden wurde die Erfahrung gemacht, dass gerne in
Gruppen von zwei bis vier Schülerinnen/Schülern zusammengearbeitet wird.
„Wir haben ihnen einige Freiheiten zugestanden. Das ist einerseits, dass sie eben
wählen können, welchen Gegenstand sie arbeiten, auch wann sie ihn arbeiten, bei
welchem Lehrer und wie sie ihn abarbeiten sozusagen, auf die einzelnen Inhalte.“ (ES,
Z, 1)
53
Der/die Schüler/in hat auch die Möglichkeit sich in bestimmte Themen, die ihn/sie besonders
ansprechen zu vertiefen. Die Selbständigkeit der Schüler/innen wird gefördert und sie haben
die Möglichkeit eigene Interessen zu entwickeln.
„Der Lehrer steht [nicht mehr] vorne und setzt mir irgendwas auf, was mich gar nicht
interessiert, sondern der Lehrer ist zurückgenommen.“ (ES, Y, 6)
13.4 Kooperation
In den Daltonstunden, während die Schüler/innen also ihre Freiarbeit haben, können sie auch
gemeinsam an ihren Themen arbeiten. Von den Lehrerinnen und Lehrern ist die gegenseitige
Hilfe und Unterstützung erwünscht. Bei schwierigen Aufgaben sollen die „Besseren“ mit den
„Schlechteren“ zusammen arbeiten, das heißt, das Ziel ist, dass die Schüler/innen ohne Hilfe
der Lehrperson die Arbeiten bewältigen. Aber auch wenn alle auf gleichem Lernniveau sind,
wird eine Kooperation von dem/der Lehrer/in gefördert, indem die Schüler/innen auch die
Ergebnisse ihrer Arbeiten untereinander kontrollieren. Ein weiteres Beispiel für Kooperation
ist, wenn mehrere Schüler/innen Schwierigkeiten mit einer bestimmten Aufgabe haben. In
diesem Fall holt sich ein/e Schüler/in Rat von der Lehrperson, danach werden Kleingruppen
gebildet, in denen das Wissen an die anderen weitergeben wird. Diese Gruppen sind aber
nicht fixe Arbeitsgruppen in den Daltonstunden, sondern sie bilden sich spontan.
Anders ist es mit dem Tutorensystem. An dieser Schule gibt es auch erste Versuche dieser
speziellen Kooperation, bei der ältere Schüler/innen den jüngeren im Umgang mit dem
organisatorischen Aufbau des Daltonplans zur Seite stehen und ihnen dadurch den Einstieg in
den Daltonplan erleichtern. Bei themenspezifischen Aspekten findet kein kontinuierlicher
Austausch statt, da die Pensen der unterschiedlichen Jahrgänge nicht aneinander gekoppelt
sind.
Grundsätzlich wird die Zusammenarbeit von den Lehrenden gefördert. Sie greifen nur dann
ein, wenn die Schüler/innen zum Beispiel die Daltonstunden nicht richtig nützen und sich
lediglich mit den Mitschüler/innen unterhalten, zu laut sind und dabei womöglich die anderen
Schüler/innen in ihrer Arbeit stören. Ansonsten kann die Sozialform frei gewählt werden und
ist von der Persönlichkeit der Schüler/innen abhängig.
54
„Es ist von den Schülern abhängig, welche da gut miteinander können, welche eher
introvertiert sind und lieber alleine irgendwo sitzen. Also, das akzeptiere ich auch,
wenn jemand mit wem anderen nicht so gut kann.“ (ES, X, 6)
Die Zusammenarbeit ist aber auf die Klasse beschränkt, da es keine Kooperation zwischen
den einzelnen Klassen gibt. Folglich gibt es auch keine Facharbeitsräume, sondern
Fachwinkel. Die Klassengemeinschaft bleibt während den Daltonstunden erhalten.
13.5 Zeiteinteilung
Lernende können sich die Zeit für die Arbeit nehmen, die sie brauchen. Ist jemand besonders
genau in der Bearbeitung des Pensums, aber relativ langsam, kann er/sie auch zuhause
weiterarbeiten. Das Pensum ist unterteilt in drei Gruppen, den Pflichtaufgaben, den
Erweiterungsaufgaben und den Wahlaufgaben. Wenn die Schüler/innen noch über genügend
Zeit verfügen, können sie sich auch in ein spezielles Thema vertiefen, wobei die Lehrer/innen
betonen:
„Es muss nicht jeder alles von vorne bis hinten durchpeitschen. Es ist legitim, dass
jemand eben weniger macht.“ (ES, X, 5)
Genaue Graphen, wie sie Helen Parkhurst entwickelt hat, gibt es an der Europaschule nicht.
Der Leistungsnachweis erfolgt auf unterschiedliche Weise. Manche Klassen haben eine Liste,
in welche die Leistungen der Schüler/innen eingetragen werden. Die einzelnen Aufgaben
werden jedoch ebenfalls von den Lehrer/innen kontrolliert, wodurch der/die Schüler/in die
Kontrolle über den Lernfortschritt behält. Es gibt aber Bestrebungen diesen Bereich der
Aufzeichnungen weiter zu entwickeln.
„So weit sind wir nicht, sag ich ehrlich (lachen)“ (ES, Y, 3)
Was an der Schule vorhanden ist, ist das Pensenbrett bzw. die Planungstafel. Ein Pensenbrett
zeigt an, welche Aufgaben sich der/die Schüler/in für den heutigen Tag vorgenommen hat und
dient ihm/ihr zur Übersicht, welche Aufgaben noch offen geblieben sind. Mit der
Planungstafel lernen die Schüler/innen sich die Zeit richtig einzuteilen bzw. auch
55
abzuschätzen, wie viel Zeit sie für die Erledigung einer bestimmten Arbeit benötigen. Die
Verwendung der Tafel bereitet einigen Lehrerinnen/Lehrern allerdings Schwierigkeiten.
„Also unser Chef möchte das schon sehr gerne haben, dass das auch von Außen gut zu
sehen ist. Da hab i a bissl, da muss ich an mir selber noch arbeiten. Das bring i net so
wirklich hin. Also bei mir ist die Tafel of so ein bisschen... ja Stiefkind...“ (ES, X, 6)
Den Lehrer/innen ist bewusst, dass dieser Bereich noch einer Weiterentwicklung bedarf. Es
ist ihnen ein Anliegen „die Stellung des Schülers im Laufe des Lehrstoffes“ (HG, Y, 4) noch
mehr zu betonen, damit der/die Schüler/in immer genau weiß, wie viel er/sie noch zu arbeiten
hat, und in welchem Bereichen seine/ihre Schwächen und auch Stärken liegen. Auch soll die
Möglichkeit geschaffen werden, dass sich die Schüler/innen mehr bei der Themenwahl
einbringen können und auch die eigenen Interessen berücksichtigt werden.
Für das Tutorensystem sind eigene Kooperationsstunden eingeteilt. Diese Zeit ist dann
reserviert und wird nur für diese Stunden verwendet. Bis auf diese Einschränkung wird in die
Zeiteinteilung der Schüler/innen nicht weiter eingegriffen.
13.6 Kooperation der Lehrenden
Die Lehrer/innen berichten, dass die Zusammenarbeit davon abhängig ist, wie gut sie sich
untereinander verstehen bzw. ob deren Vorstellungen von Unterricht und Erziehung ähnlich
sind. Wenn Lehrpersonen sich darüber nicht einig sind, wird eine Zusammenarbeit schwierig.
Sie sind auch der Ansicht, dass das Tutorensystem gut funktioniert und von den
Schülerinnen/Schülern begeistert angenommen wird. In anderen Klassen sei dies weniger der
Fall. Die gute Zusammenarbeit überträgt sich ihrer Meinung nach auf die Schüler/innen bzw.
hat eine gewisse Vorbildfunktion.
Eine Kooperation der Lehrer/innen ist auch dann gefordert, wenn es zu fächerübergreifendem
Unterricht kommt. Das sind dann „Großthemen“ wie zum Beispiel „Märchen“, die in
mehreren Unterrichtsgegenständen bearbeitet werden und dann auch im normalen
Daltonunterricht stattfinden. Eine solche fächerübergreifende Zusammenarbeit war im
vergangenen Schuljahr vier Mal möglich. Im Gegensatz zu den „Großthemen“ gibt es aber
auch „wirkliche“ Projekte an denen nur einzelne Lehrer/innen beteiligt sind. Während eines
56
Projekts – die Dauer beträgt ca. eine Woche – wird der reguläre Unterricht aufgelöst und es
werden auch Exkursionen zu den einzelnen Themen organisiert.
Kontakte werden auch über die Landesgrenzen hinaus gepflegt, so findet zum Beispiel ein
fachlicher Austausch mit Lehrer/innen aus Tschechien und Ungarn statt, wobei es auch zu
einem Schüleraustausch gekommen ist.
14
Chalabalova Dalton Schule
14.1 Allgemeines zur Schule
Das Schulsystem in Tschechien ist ähnlich wie in Österreich organisiert. Kinder im Alter von
drei bis sechs Jahren gehen in den Kindergarten. Danach folgt die Volksschule oder auch
erste Stufe, welche fünf Jahre dauert. Die zweite Stufe wird bis zu einem Alter von 15 Jahren
besucht und ist mit der Hauptschule in Österreich zu vergleichen. Wenn die Schüler/innen
keine weiterführende Schule besuchen, bleiben sie noch ein weiteres Jahr an der zweiten
Stufe und erfüllen somit ihre Schulpflicht. Der andere Bildungsweg sieht so aus, dass die
Schüler/innen mit vierzehn Jahren von der Schule abgehen und eine weiterführende Schule
besuchen, die mit der Matura abschließt, oder sie können nach der ersten Stufe – also mit elf
Jahren – ins Gymnasium wechseln.
An der Schule Chalabalova werden von der ersten bis zur vierten Schulstufe je zwei Klassen
geführt, in der fünften ist es nur mehr eine. In der zweiten Stufe gibt es von der sechsten bis
zur neunten Klasse ebenfalls jeweils zwei Klassen. Die Schule ist Mitglied der Vereinigung
Dalton International und sehr engagiert in der Daltonarbeit in Tschechien. Die gesamte
Schule setzt das Konzept des Daltonplans bereits seit ca. zehn Jahren um. Weiters arbeiten sie
an den Daltonkonferenzen mit, die jährlich in Brno stattfinden. Vladimir Moskvan,
Schulleiter der Chalabalova Dalton Schule, ist zudem Präsident der Tschechischen Dalton
Vereinigung.
57
14.2 Besonderheiten der Schule
Was die Interviews mit Lehrer/innen an der Chalabalova besonders interessant machten war,
dass es sich um eine Volksschule handelt, die den Sub-Daltonplan umsetzt, d.h. der
Daltonplan wird hier für unter 10-jährige adaptiert. An der ersten Stufe, vergleichbar mit der
Volksschule in Österreich, wird sehr großzügig mit der Praxis des Daltonplans umgegangen.
Lehrpersonen haben je eigene Vorstellungen, wie die Arbeit nach diesem Konzept auszusehen
hat. Bis auf die Grundprinzipien, die eingehalten werden müssen, haben die Lehrer/innen
völlige didaktische Freiheit und können das Prinzip nach ihren Wünschen adaptieren.
„Also eine Linie gibt es. ...aber die persönlichen Kleinigkeiten sind anders. Ja, jeder
ist anders.“ (CH, X, 2)
In der zweiten Stufe kam es dadurch zu folgender Entwicklung: Aufgrund großer
Disziplinkonflikte wurde der Daltonplan abgewandelt. Die Lehrer/innen berichten, dass die
Schüler/innen an das selbständige Arbeiten nicht gewöhnt waren und sich dementsprechend
undiszipliniert verhielten. Nun werden hauptsächlich Projekte durchgeführt, wobei
Daltonelemente zum Einsatz kommen können. Das bedeutet, die Schüler/innen können sich in
der „Daltonphase“ dann frei bewegen, in ihrem Tempo und Können, gemeinsam mit anderen
Schulkolleginnen/Schulkollegen oder auch selbständig und ohne Eingriffe der Lehrperson,
arbeiten.
14.3 Daltonstunden
Die Anzahl der Daltonstunden kann in den einzelnen Klassen sehr unterschiedlich sein und
wird meist mit zunehmender Jahrgangsstufe gesteigert. In der ersten Klasse wird nur ca. zwei
Stunden pro Woche Daltonunterricht praktiziert und dieser findet dann an bis zu zwei Tagen
statt. Der Daltonunterricht wird in den höheren Klassen auf maximal ein Drittel der
Gesamtunterrichtszeit ausgedehnt. Das Ausmaß der Stunden ist von dem/der Lehrer/in
abhängig, aber auch von den Bedingungen, die in den Klassen gegeben sind. Übernehmen die
Schüler/innen viel Eigenverantwortung kann mehr Daltonunterricht eingeführt werden. Das
Konzept wird an der ersten Stufe sehr flexibel eingesetzt, es gibt für die Lehrer/innen keine
strengen Vorgaben.
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„Ich kann zwar ein Modell übernehmen, aber wenn ich sehe, das und das und das
passt nicht für meine Klasse, dann mache ich das nicht.“ (CH, X, 4)
Die Daltonstunden finden zu festgelegten Zeiten statt, sodass die Schüler/innen auch mit
Schulkolleginnen und Kollegen anderer Klassen zusammenarbeiten können. Wenn jedoch
Ausflüge, Exkursionen oder ähnliches stattfinden, können die Daltonstunden variieren und
auf andere Tage verschoben werden. Die Stunden für die selbsttätige Arbeit können auch
dann eingespart bzw. gekürzt werden, wenn der Lehrende glaubt, dass noch Bedarf an
gebundenen Unterricht besteht.
Die Daltonstunden finden vorwiegend in den einzelnen Klassenräumen statt, wo es
Fachwinkel aber keine Laboratorien gibt, letztere sind den Schülerinnen und Schülern der
zweiten Stufe vorbehalten. Dennoch sind die Schüler/innen nicht nur auf ihre Klasse
beschränkt, sie können vor den Klassen in Lernzonen ihre Aufgaben erledigen oder auch in
den Hof gehen und dort weiterarbeiten.
14.4 Freiheit
Freiheit bedeutet für die Schüler/innen, dass sie sich das Fach, welches sie bearbeiten
möchten, selbst aussuchen können. Auf dem Pensenblatt stehen ihre Aufgaben, welche sie
machen müssen. Wann sie welche Aufgaben machen bleibt ihnen überlassen. Am Ende des
Pensums müssen sie aber alle Aufgaben nachweisen können, wobei bessere Schüler/innen
Zusatzaufgaben bzw. Zusatzblätter bekommen. Aufgrund dieser Staffelung der Aufgaben sind
sie nicht unterfordert und können sich in bestimmte Themengebiete weiter vertiefen. Sie
können auch jederzeit mit anderen zusammen arbeiten und auch die Zeiteinteilung ist ihnen
überlassen, wobei es jedoch fixe Termine für die Erfüllung des Pensums gibt.
Die Handhabung des Daltonkonzepts ist relativ „locker“ an der ersten Stufe. Hier muss
jedoch betont werden, dass auch die Aufgaben nicht so differenziert sind, wie z.B. für
Schüler/innen der Unterstufe. Sie sollen spielerisch mit dem Daltonplan vertraut gemacht
werden. Die Schüler/innen sollen lernen selbständig zu arbeiten und eine Übersicht über den
gesamten Lernstoff bekommen. Der Spaß und das spielerische Lernen stehen im Mittelpunkt
der Arbeit. Die Freude am selbständigen Arbeiten soll den Schülerinnen und Schülern
59
vermittelt werden, ohne Angst und Zwang. Jede/r Schüler/in soll Erfolgserlebnisse in der
Arbeit mit dem Daltonplan haben.
Obwohl sie noch sehr jung sind, wird den Schülerinnen und Schülern sehr viel Freiheit
geboten. Sie können sich während der Daltonstunden in den verschiedenen Klassen aufhalten,
in den Hof gehen, sie können auch in bestimmte Lernzonen gehen, wo Teppiche ausgebreitet
sind. In den meisten Klassen gibt es auch kleine Bibliotheken, sollte keine vorhanden sein,
können die Schüler/innen auch in andere Klassen gehen. Ab der ersten Klasse wird ihnen
kontinuierlich mehr Freiheit zugestanden, so dass sie sich in der vierten Klasse völlig
selbständig die Zeit einteilen und auch sonst ihre Freiheiten verantwortungsvoll nützen
können. Zu Beginn kann sie diese Freiheit manchmal überfordern, deshalb wird schrittweise
mit der Öffnung des Unterrichts begonnen. Für Schüler/innen, die bereits den Kindergarten
der Schule besucht haben, ist es ein „sanfter“ Umstieg, da sie bereits Erfahrungen mit dem
Unterricht nach dem Daltonplan sammeln konnten.
14.5 Kooperation
Die Kooperation der Schüler/innen beschränkt sich auf die eigene Klasse, da jede an einem
anderen Pensum arbeitet. Manchmal bilden sich Arbeitsgemeinschaften unter den
Lehrer/innen, in denen die Arbeitsblätter aufeinander abgestimmt werden. Nur in diesem Fall
wird dann eine Zusammenarbeit möglich. Eine weitere Möglichkeit für altersheterogene
Kooperation sind vom Lehrkörper organisierte Projekttage, an welchen Schüler/innen aus
höheren Klassen (Unterstufe), jene aus der Volksschule bei der Arbeit unterstützen. Diese
Gelegenheiten sind aber eher die Ausnahme.
Lernzonen, die sich im Gang der Schule befinden, fördern die Zusammenarbeit der
Schüler/innen. Auch während der normalen Unterrichtsstunden sitzen die Schüler/innen in
Kleingruppen zusammen und arbeiten an verschiedenen Aufgabenstellungen. Von den
Lehrenden wird diese Arbeit unterstützt. Das heißt, wenn Schüler/innen Probleme in der
Bearbeitung bestimmter Aufgaben haben, dann sollen sie versuchen diese in Kooperation mit
ihren Mitschülerinnen/Mitschülern zu lösen. Erst, wenn auch diese keinen Rat oder keine
Hilfestellung geben können, darf der/die Schüler/in sich an den/die Lehrer/in wenden.
Dadurch
wird
Sozialverhalten
erlernt,
die
60
Schüler/innen
lernen
miteinander
zu
kommunizieren, respektvoll miteinander umzugehen und sich nicht während der Arbeit zu
stören.
14.6 Zeiteinteilung
Die Zeiteinteilung wird den Schülerinnen und Schülern größtenteils selbst überlassen. Für die
Übersicht ihrer Leistungsfortschritte gibt es in der Klasse eine Tafel mit einer Matrix auf der
die Namen der Schüler/innen und alle „daltonisierten“ Fächern stehen. Mit einem Pin rücken
die Schüler/innen nach Erledigung einer bestimmten Aufgabe immer ein Feld weiter und
haben somit die Übersicht, wie viel sie schon erledigt haben und welche Aufgaben noch zu
erfüllen sind.
Die Lehrer/innen greifen in die Zeiteinteilung der Schüler/innen dann ein, wenn noch einige
Aufgaben vor dem Ende des Pensums ausstehen und gemacht werden müssen. Dann erinnern
sie den Lernenden daran, dass die Zeit knapp werden kann. Diese einfache und schnelle
Möglichkeit der Übersicht erleichtert den Schülerinnen/Schülern auch den Einstieg in die
Arbeit des Daltonplans, wobei an dieser Schule die Lernenden bereits im Kindergarten mit
dem Daltonplan zu arbeiten beginnen. Das Konzept ist daher nicht völliges „Neuland“ für sie.
In den unteren Klassen kommt es auch vor, dass auf die Wandtafeln verzichtet wird, da die
Aufgaben in relativ kurzer Zeit zu erledigen sind. Die Schüler/innen müssen innerhalb dieser
Stunden (an einem Tag) mit ihrer Arbeit fertig werden und das Pensum erfüllen. Die
Lehrer/innen betonen in diesem Fall die Wichtigkeit, die Arbeitsaufträge alle an einem Tag zu
machen und diese auch am selben Tag zu kontrollieren, damit die Schüler/innen die Übersicht
haben und sofort den Lernerfolg sehen. Dies wird deshalb so gehandhabt, weil man davon
ausgeht, dass es Schüler/innen im Alter von sechs Jahren noch schwer fällt einen Überblick
über den Unterrichtsstoff zu bewahren.
Das Pensum ist so gestaltet, dass es für alle Schüler/innen ohne Überforderung zu erfüllen ist.
In den höheren Klassen, wenn das Pensum auf mehrere Tage ausgeweitet wird, müssen sie
lernen sich einen Überblick über die Aufgaben zu verschaffen. Wenn sie zum Beispiel krank
sind, oder zum Arzt müssen, teilen sie sich das Pensum selbst ein und sind darin sehr
selbständig und engagiert. Es kann auch vorkommen, dass Schüler/innen zwanzig Minuten
früher in die Schule kommen, damit sie am Pensum weiterarbeiten, jedoch geschieht dies
61
freiwillig. Niemand wird verpflichtet über das Pensum hinaus zu arbeiten und es soll auch zu
keiner Überforderung aufgrund der Aufgaben kommen. An der Schule wird zwar auf eine
Differenzierung der einzelnen Niveaugruppen verzichtet, das Mindestpensum muss aber
jede/r Schüler/in erfüllen. Lernende die mit ihren Aufgaben bereits fertig sind, können
Zusatzblätter bearbeiten.
14.7 Kooperation der Lehrenden
Die Zusammenarbeit der Lehrer/innen findet nicht kontinuierlich statt, weil es sich um eine
Volksschule handelt. Das bedeutet, dass jede/r Lehrer/in eine Klasse für vier Jahre zugeteilt
bekommt und in dieser alle Unterrichtsgegenstände unterrichtet. Der große Vorteil im
Gegensatz zum Daltonunterricht an höheren Schulen ist, dass die Lehrperson über die
Leistungen der Schüler/innen immer informiert ist.
Der Lehrer/innenkooperation wird in den Interviews kein besonderer Stellenwert
beigemessen. Das könnte damit zu tun haben, dass Volksschullehrer/innen alle
Unterrichtsfächer in einer Klasse unterrichten, es daher zu keinem Lehrer/innenwechsel
kommt und man nicht auf Kolleginnen/Kollegen angewiesen ist. Eine Kooperation wirkt sich
in diesem Fall nicht auf die Arbeit der Schüler/innen aus, kann jedoch für die Lehrperson den
Vorteil bieten, dass sie nicht alle Arbeitsaufgaben alleine erstellen muss, wenn hier ein
Austausch stattfindet.
15
Husova Dalton Schule
15.1 Allgemeines zur Schule
An der Husova Dalton Schule, die von der sechsten bis zur neunten Klasse führt, gibt es 260
Schüler/innen, die von ca. 60 Lehrer/innen unterrichtet werden. Das Alter der Schüler/innen
reicht von elf bis 15 Jahren. Die Husova Dalton Schule ist Mitglied der Vereinigung Dalton
International. Jedes Jahr findet an der Schule eine Dalton Konferenz statt. Sie bietet eine
Plattform zum Informationsaustausch aller Dalton-Lehrer/innen weltweit. Weiters setzt die
ganze Schule das Daltonkonzept um, wobei den Lehrer/innen viel Freiheit gelassen wird.
62
Die Schule ist in mehrere Schulgebäude aufgeteilt. Die erste Stufe („Primary Level“) und die
zweite Stufe („Lower Secondary Level“) sind in getrennten Gebäuden, zehn Minuten
voneinander entfernt, angesiedelt. Auch die Arbeit nach dem Konzept des Daltonplans fällt
sehr unterschiedlich aus, weshalb ich die beiden Anwendungen extra beschreiben möchte, um
Verwechslungen zu vermeiden und eine bessere Verständlichkeit zu ermöglichen.
15.2 Daltonzeit
Die Schule geht von den drei Dalton-Grundprinzipien aus: „Freedom“, „Independence“ und
„cooperation“. Die Zeiteinteilung („budgeting time“) der Schüler/innen spielt nicht mehr so
eine große Rolle, dafür wird der eigenverantwortlichen Arbeit ein besonderer Stellenwert
eingeräumt. Es finden sich an der Schule auch noch andere Auslegungen der Prinzipien von
Parkhurst: die Daltonprinzipien sind in diesem Fall „freedom“, „cooperation“ und (vor allem)
„responsibility“.
An der Schule kann man zwischen zwei großen Dalton Varianten unterscheiden. An der
Primary School gibt es die Dalton-Blöcke oder „Short Assignments“ und an der zweiten Stufe
– Lower Secondary Level – gibt es so genannte „Long Term Dalton Assignments“. Manche
Lehrer/innen der zweiten Stufe kombinieren auch beide Formen der Assignments. Es bleibt
jedem/r Lehrer/in überlassen, wie die genaue Umsetzung aussieht.
Eine Besonderheit an der zweiten Stufe der Schule, ist das „Long Term Assignment“, das von
fünf Lehrerinnen/Lehrern praktiziert wird. Die Umsetzung des Daltonplans sieht mit dieser
Weiterentwicklung etwas anders aus, als z.B. an den österreichischen Schulen. Nach
Aussagen der Lehrpersonen implementieren sie lediglich Elemente des Daltonplans.
„I think it`s, it`s not Dalton, the clear Dalton, it`s innovatively way of teaching or
something like that. .... So it`s not a typical Dalton.“ (HU, X, 1)
Das heißt es gibt nicht jeden Tag fixe Daltonstunden, sondern von den Lehrer/innen wird ein
Thema – als Beispiel aus dem vergangenen Jahr wurde mir „Renaissance“ und „Südafrika“
genannt – ausgewählt, was dann nach dem Daltonplan abgearbeitet wird. An der Daltonarbeit
sind nach Interesse und Bereitschaft ungefähr fünf Lehrer/innen unterschiedlicher
Unterrichtsfächer beteiligt. Allerdings erinnert diese Arbeitsweise eher an Projektarbeit, denn
63
diese Themen müssen nicht fächerübergreifend behandelt werden und es machen auch nicht
alle Lehrer/innen bei diesen Projekten mit. Nach Aussagen der Lehrpersonen sind manche
Unterrichtsgegenstände mehr und andere weniger für diese Unterrichtsmethode geeignet, je
nachdem wie viel an gebundenem Unterricht notwendig ist. Ein „Long Term Dalton
Assignment“ wird für einen Zeitraum von ca. 14 Tagen entwickelt und jeweils zwei Stunden
pro Woche wird dann ein Thema von den Schülerinnen/Schülern selbständig bearbeitet.
In Kombination zu dieser Methode wenden manche Lehrer/innen auch noch die kürzeren
Assignments, die „Short Assignments“ an, welche überwiegend an der ersten Stufe zur
Anwendung kommen. Die Schüler/innen haben dann zwei Mal pro Woche, für jeweils zwei
Stunden Daltonblöcke. In dieser Zeit können natürlich keine großen Projekte gemacht
werden, vielmehr erhalten die Schüler/innen ein „Dalton Handout“, in dem alle Aufgaben
stehen, die zu erledigen sind. Für jüngere Schüler/innen ist diese Methode von Vorteil, da sie
so einen Überblick über die Arbeit erhalten und sich das Pensum für sie noch über einen
überschaubaren Zeitraum erstreckt. Die Organisation dieses Unterrichts ist nach Angabe der
interviewten Personen nicht sonderlich schwierig, da nur ein/e Lehrer/in in der Klasse
unterrichtet, diese einen Überblick über den gesamten Lernstoff hat und sich nicht mit
anderen
Lehrer/innen
absprechen
muss.
Auf
einer
Magnet-Tafel
werden
die
Leistungsfortschritte mittels Pin angezeigt und wenn die Schüler/innen fertig sind, können sie
noch extra Aufgaben bearbeiten und sich in ein bestimmtes Themengebiet vertiefen.
Ein Assignment baut sich dann folgendermaßen auf: Alle Schüler/innen müssen das
Minimum-Assignment („core material“) erfüllen. Wenn diese Arbeit erledigt ist, können die
Schüler/innen aus einem Pool von „options“ wählen. Das sind Aufgaben, die der/die
Schüler/in aufgrund seiner/ihrer individuellen Vorlieben aussuchen kann. In diesem Bereich
sollen die Themen aus dem „core material“ vertieft werden, oder es werden zusätzliche
Themenbereiche angeboten. Weiters gibt es die „extra-activities“, bei denen die Schüler/innen
die Möglichkeit haben, sich den Lernstoff auf unterschiedliche Art anzueignen. Es kommen
dann beispielsweise Computerprogramme, das Internet und andere unkonventionelle
Lernmethoden zum Einsatz. Jedes Assignment schließt dann mit einem Test oder einer
Prüfung ab.5
5
vgl. die Beschreibung des Daltonplans der Husova Dalton Schule.
Online im Internet: URL: http://www.zshusovadalton.cz/index/engl.htm#db (Stand: 2007-09-08)
64
Im „Short Term Dalton Assignment“ orientieren sich die Lehrer/innen nach dem folgendem
Aufbau (vgl. Moskvan/Bajer 20046), wobei jedoch betont wird, dass es im Ermessen der
Unterrichtenden selbst liegt, in welchem Ausmaß sie diesen Plan wirklich übernehmen.
- Instruction
- Compulsory activities
- Optional activities
- Delayed attention
- Independent work
- Administration/paper work
- Evaluation
- Self evaluation
- Evaluation following a book
- Handling handouts etc.
- Other activities
- Summary – teacher’s evaluation
Kurze Erklärung der einzelnen Begriffe:
Jedes Assignment beginnt mit der „instruction“ durch die Lehrperson. In dieser Zeit, ca. 1020 Minuten, geht der/die Lehrer/in auf Fragen der Schüler/innen bezüglich der Aufgaben ein.
Während der „delayed attention“ nimmt sich die Lehrperson zurück und greift nur dann in
den Arbeitsablauf ein, wenn es zu Disziplinproblemen kommt oder wenn Schüler/innen um
Hilfe
bitten.
Die
Schüler/innen
können
während
dieser
Zeit
selbständig
und
eigenverantwortlich lernen und arbeiten. Vor allem in dieser Zeit werden die Prinzipien des
Daltonplans wirksam. Die „evaluation“ der Arbeit ist der Abschluss jedes Assignments.
Lehrende an der zweiten Stufe, die nicht diese speziellen „Long Term Assignments“ machen,
arbeiten in der eigenen Unterrichtsstunde nach den Prinzipien des Daltonplans. Das
Assignment wird in diesem Fall auf die Zeit von 45 Minuten reduziert, folgt aber ähnlichen
Schritten: Zu Beginn gibt es ebenfalls die „instruction“, dann die „delayed attention“ und am
Schluss folgt die „evaluation“. Abwandlungen dieser Orientierung sind aber wie auch bei den
anderen Varianten abhängig vom jeweiligen Lehrkörper und dem Unterrichtsfach.
6
Moskvan Wladimir/Bajer Lukas (2004): Dalton in Brno.
Online im Internet: URL: http://www.daltoninternational.org/Magazine.html (Stand 2009-05-04)
65
15.3 Freiheit
Die Schüler/innen können die Themen, die sie bearbeiten möchten, nicht frei wählen, da die
Lehrer/innen, wie sie betonen, an ein verbindliches Curriculum gebunden sind. Freiheit wird
am Lower Secondary Level demnach auch als „responsibility“ verstanden, was bedeutet, dass
die
Schüler/innen
selbsttätig,
ohne
Einmischung
bzw.
Führung
der
Lehrperson
verantwortungsvoll an Themen arbeiten können. Die Schüler/innen haben die Themen zwar
nicht selbst ausgewählt, jedoch die Art und Weise wie sie die Aufgaben bewältigen können,
steht ihnen frei. Sie müssen Verantwortung für die eigene Arbeit übernehmen und auch den
Mitschülerinnen/Mitschülern verantwortungsvoll gegenüber treten.
Auf der Homepage der Vereinigung Dalton International findet man eine Auflistung (vgl.
Moskvan/Bajer 20047), auf welchen Ebenen sich die Freiheit der Schüler/innen auswirkt:
-
choosing the working-place
-
choosing the way of work – either alone, or in group
-
choice in asking/not asking for help
-
choosing the most suitable tools
-
choice in planning and timing
-
choice in handling the leisure time
15.4 Kooperation
Während den Daltonphasen – hier werden sie auch „Long Term Dalton Assignments“,
genannt – können bzw. müssen die Schüler/innen zusammen arbeiten. Wird diese
Daltonphase wie ein Projekt gehandhabt, dann kann jeder Lernende sich für eine bestimmte
Aufgabe entscheiden bzw. bekommt eine zugeteilt. Dafür gibt es einen speziellen Flip-Chart,
wo alle Aktivitäten eingetragen werden. So ist eine übersichtliche Arbeitsplanung möglich
und die Schüler/innen wissen was ihre Aufgabe ist. Dadurch kann die Lehrperson ebenfalls
den Überblick bewahren.
7
Moskvan Wladimir/Bajer Lukas (2004): Dalton in Brno.
Online im Internet: URL: http://www.daltoninternational.org/Magazine.html (Stand 2009-05-04)
66
Das „Long Term Assignment“ beschränkt sich auf eine Klasse. Das heißt eine
Zusammenarbeit mit Schülerinnen/Schülern anderer Klassen ist nicht möglich. Als Grund für
diese besondere Interpretation des Daltonplans werden auch die vielen kleinen Klassenräume
der Schule genannt, die bei so einer Arbeitsweise eher hinderlich sind. In der Arbeit mit den
kurzen Assignments (den „Short Assignments“) können die Schüler/innen jederzeit
miteinander arbeiten. Die Sozialform (alleine oder in der Gruppe) kann demnach frei gewählt
werden, wobei sich eine Zusammenarbeit aber lediglich auf die eigene Klasse beschränkt.
Während man bei dieser Form auch alleine arbeiten kann, ist eine Zusammenarbeit im „Long
Term Dalton Assignment“ zwangsläufig gegeben, da es sehr an Projektarbeit orientiert ist.
15.5 Zeiteinteilung
Zu Beginn eines „Long Term Assignments“, welches sich über ca. zwei bis drei Wochen
erstreckt, wird mit der Lehrperson die Aufgabe besprochen. Dabei wird erklärt, was von den
Schülerinnen und Schülern erwartet wird, wobei diese sofort mögliche Unklarheiten
besprechen können. Auch während der gesamten Arbeit steht den Schülerinnen und Schülern
die Lehrperson als Berater/in zur Seite.
Mittels „Dalton Organizer“ oder „Task List“ wird zu Beginn ein Plan erstellt, der darüber
Informationen enthält, welche Aufgaben bis zu welchem Zeitpunkt erledigt werden müssen.
Das hilft dem Lernenden sich besser einzuschätzen und die eigene Arbeit richtig einzuteilen.
Im Organizer werden auch wichtige Termine, wie schriftliche Prüfungen und Tests
eingetragen. Zwei mal pro Semester können sich die Schüler/innen für mündliche Prüfungen
melden, die dann auch im Heft eingetragen werden. Diese Art der Aufzeichnung wurde
entwickelt, weil es Probleme mit den Magnet-Tafeln gegeben hat. Die Schüler/innen waren
mit der Handhabung nicht konsequent genug und diese Art der Leistungsfortschrittskontrolle
wurde nur als zusätzliche Last empfunden. Auch glaubten die Schüler/innen, dass es nicht
auffällt, wenn sie ihre Arbeiten nicht erfüllen.
„The first year I was teaching, five years ago, some of the students just gave... picked
the magnet... ‘bang’ and ‘I did it’ and nothing was done.“ (HU, X, 3)
67
15.6 Kooperation der Lehrenden
Auch an der Husova Dalton Schule wird den Lehrenden sehr viel Spielraum in der
Umsetzung des Daltonplans gelassen. Grundprinzipien müssen eingehalten werden, alles
Weitere wird an die Vorstellungen der Lehrpersonen bzw. an die Bedingungen, die in der
Klasse gegeben sind, angepasst. Zu diesen Grundprinzipen gehören Freiheit, Zusammenarbeit
und Selbsttätigkeit. Diese Richtlinien werden von allen Lehrenden respektiert. Wie die
Umsetzung im Einzelfall aussieht, bleibt aber jeder Lehrperson selbst überlassen.
Eine Kooperation der Lehrenden ist im Grunde nur bei der Arbeit an den „Long Term
Assignments“ gegeben, da die Themen teilweise fächerübergreifend behandelt werden. Die
Themen werden mit den anderen Lehrpersonen in Zusammenarbeit beschlossen. Dafür
werden keine extra Termine für Besprechungen festgelegt, sondern sie treffen sich meistens
im „staffroom“, wo die Materialien für den Unterricht vorhanden sind und wo man
zwangsläufig ins Gespräch kommt. Obwohl eine Zusammenarbeit nicht unbedingt
vorgesehen ist, wird sie dennoch von den Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt. Wenn es
zu Problemen in der Arbeit mit dem Daltonplan kommen sollte, unterstützen sich die
Lehrer/innen gegenseitig. Ein Austausch findet also immer statt.
„We are supportive together. We help each other.“ (HU, X, 9)
IV DER DALTONPLAN HEUTE
16
Auswertung
16.1 Was ist der Daltonplan heute?
Wenn man sich die Beschreibungen der vier Schulen ansieht fällt auf, dass sie doch sehr
unterschiedlich den Daltonplan anwenden. Da ist es verständlich, wenn Fragen gestellt
werden wie z.B. „Was macht den Daltonplan aus?“, „Kann man bei so viel Freiheit und
unterschiedlichen Modifikationen, die praktiziert werden überhaupt noch von einem Plan
bzw. einem Konzept sprechen?“, „Gibt es den ‚originalen’ oder den ‚typischen’ Daltonplan
überhaupt, wenn er ohnehin nur in adaptierter Weise zur Anwendung kommt?“ und „Ab wann
68
kann man sagen, dass der Daltonplan praktiziert wird und nicht ein anderes Konzept offenen
Unterrichts?“
Diese Fragen lassen sich nur schwer beantworten und auch in der Fachliteratur wurde dieses
Thema noch nicht explizit behandelt. Lediglich Popp (1999) weist darauf hin, dass es für die
Qualität der Umsetzung auf die Evaluation der Lernprozesse ankomme. Die Prinzipien des
Daltonplans sollten immer im Auge behalten werden und die Reflexion der Wirksamkeit des
Schulunterrichts sei eine Grundvoraussetzung um die Qualität desselben zu sichern (vgl. Popp
1999, S. 64).
Auch Parkhurst selbst hat sich zu diesem Thema nicht geäußert. Wohl ging es ihr um die
Prozesshaftigkeit von Entwicklung, wie diese jedoch genau aussieht, bleibt unklar. Auch war
ihr die Reorganisation des Unterrichts ein Anliegen und da war in ihrer Zeit jede
Weiterentwicklung besser als gar keine (vgl. Parkhurst 1922, S. 28). Weiterentwicklung kann
immer nur schrittweise passieren und so scheint es gerade ein Kennzeichen von
Daltonschulen zu sein, dass sie keinen Stillstand erleben und die Lehrer/innen ständig bemüht
sind, ihren Unterricht zu verbessern, neue Unterrichtsmethoden auszuprobieren und sich nicht
an strikte Regeln bzw. Vorgaben zu klammern.
„Also ich denke, ich mache, also jeder macht das auf eigene Weise, also ich setze nur
das durch, was mir Spaß, na ja, Spaß macht, was den Kindern etwas bringt. Ich kann
zwar ein Modell übernehmen, aber wenn ich sehe, das und das und das passt nicht für
meine Klasse, dann mach ich das nicht.“ (CH, X, 4)
Wenn Parkhurst ihren Dalton Laboratory Plan als „way of life“ bezeichnet hat (vgl. Popp
2002, S. 66), so bedeutet das für jeden einzelnen, dass man die Prinzipien „freedom“,
„cooperation“ und „budgeting-time“ anerkennt, praktiziert und lebt. Das bedeutet, dass jede/r
Lehrer/in diese Prinzipien akzeptiert, jedoch unterschiedliche Formen der Umsetzung
entwickelt und auch auf unterschiedliche Resonanzen bei den Schülerinnen/Schülern stößt.
Man erkennt möglicherweise, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. Darüber hinaus ist
die Umsetzung dieser Prinzipien abhängig von unterschiedlichen Rahmenbedingungen, je
nachdem wie viel Spielraum gelassen wird. Manche Lehrer/innen gehen sogar noch weiter
und erklären, dass auch andere pädagogische Konzepte dem des Daltonplans entsprechen und
dadurch seine Umsetzung ermöglichen.
69
„It doesn’t have to be Dalton. It can be some other, but always to be creative, it’s
important.“ (HU, Y, 3)
Wenn man die Daltonprinzipien als Grundpfeiler des Konzepts ansieht, erhebt sich die Frage,
ob man diese überhaupt tauschen, ersetzen oder modifizieren kann. In Holland bzw. auch an
einzelnen Schulen, die ich untersucht habe, ist es üblich, nicht „budgeting-time“ als drittes
Prinzip anzusehen, sondern „responsibility“ oder auch „independence“. Weshalb entschließt
man sich aber dann, seine Arbeitsweise als Daltonplan zu bezeichnen, wenn andere
reformpädagogische Konzepte für die Lehrer/innen ähnlich sind, bzw. genauso in Frage
kommen würden? Wie die Interviews ergaben sind tatsächlich nicht alle Lehrer/innen aus
eigenem Interesse auf diese Unterrichtsmethode gestoßen. In den vorgestellten Schulen ist der
Daltonplan vielmehr durch die Initiative von einzelnen Lehrerinnen/Lehrern eingeführt
worden und es hat sich nicht der gesamte Lehrkörper dazu entschlossen. Vielmehr musste
sich der Großteil erst mehr oder weniger dazu bereit erklären. Ein Lehrer/innen-Team musste
also anfangs erst gefunden bzw. Überzeugungsarbeit geleistet werden. An den tschechischen
Schulen wird bei der Arbeit mit dem Daltonplan ein sehr großer Spielraum gelassen, da die
Lehrer/innen nicht die Möglichkeit haben, sich zwischen regulärem Unterricht und
Daltonunterricht zu entscheiden.
Ein Grund für die Wahl des Daltonplans könnte sein, dass das Konzept im Vergleich zu
anderen reformpädagogischen Konzepten leicht ins Regelschulsystem zu integrieren ist. So
scheint es zumindest. Es werden die drei Grundprinzipien von Helen Parkhurst beachtet und
man versucht sie in die Rahmenbedingungen einzugliedern. Sollten sich nicht alle
Kolleginnen und Kollegen dazu entschließen mit zu arbeiten, dann eben nicht, aber es wird
zumindest versucht. Eindeutige Kriterien, was nun Unterricht nach dem Daltonplan ist, gibt es
nicht. Entweder die Lehrer/innen „leben“ danach, oder nicht, sagen sie. Es gibt keine
diesbezügliche Zertifizierung oder ähnliches und das bedeutet, dass sich jede Schule als
„Daltonschule“ bezeichnen darf. Die Umstellung auf das neue System erfolgt schrittweise,
was den Einstieg ungemein erleichtert bzw. da sich das Konzept kontinuierlich an die
Gegebenheiten anpasst, kann auch keine Kritik geübt werden, wenn bestimmte
Modifikationen nicht „Dalton“ genug sind.
Eine Frage bleibt jedoch offen. Wieso nennt man sich nicht z.B. „Arbeitsplan-Schule“ oder
gibt sich nicht einen neuen Namen, wenn man nur Elemente vom Daltonplan implementiert?
70
Selbst die Schule, die Parkhurst in New York leitete, praktiziert heute den Daltonplan in sehr
abgewandelter Weise, hält jedoch immer noch an demselben, von ihrer Gründerin gegebenen,
Namen fest (vgl. Semel/Sadovnik 1999, S. 211). Schon Parkhurst hatte zu ihrer Zeit den
Namen der Schule von Children`s University School in Dalton School umbenannt (vgl.
Semel/Sadovnik 1999, S. 172), was vermutlich in der Absicht geschah, sich von anderen
Schultypen zu unterscheiden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ihr Konzept zu
lenken. Heute scheint die Namensgebung ebenfalls mit Prestige verbunden zu sein, damit der
Schule mehr Aufmerksamkeit zukommt. Gegen diese These spricht aber, dass der Daltonplan
weder in Österreich noch in Tschechien auch unter „Insidern“ wirklich bekannt ist und somit
kaum Zuschreibungen, weder negativer noch positiver Natur, erfährt. Dennoch zeigt sich ein
Widerspruch, da man sich einerseits auf den Daltonplan beruft, gleichzeitig aber gibt man als
Legitimation für die Implementierung von nur einzelnen Daltonelementen die „Veralterung“
des Konzepts an.
„Nachdem Helen Parkhurst selber gesagt hat, dass es ein ganz offenes Konzept und es
ist für jeden so zu adaptieren, wie es für ihn notwendig ist, glaub i nit, dass ma a
Konzept, was über hundert Jahre alt ist, eins zu eins übernehmen sollte oder kann.
Aber es war von ihr auch nicht so gedacht. Das Grundlegende an ihrem Konzept
finden wir... einfach wunderbar. Es ist eine Organisationsform, äh und das Wichtigste
daran ist der respektvolle Umgang von Lehrern und Schülern untereinander.“ (HG, Y,
5)
Es scheint, also ob die Flexibilität des Daltonplans als Freibrief verstanden wird. Jede
erdenkliche Modifikation ist damit legitimiert und es entwickelt sich das Konzept zu einem
Begriff, der Alles und Nichts bedeuten kann. Wie ich auf dem Daltonkongress im Mai 2007
in Brno erfahren habe wird die „Formlosigkeit“ des Daltonplans in Holland bereits seit
längerem diskutiert. Wenn aber eine Schule betont mit dem Daltonplan zu arbeiten, stellt sich
zwangsläufig die Frage nach der konkreten Umsetzung des Konzepts.
Es stellt sich jedenfalls heraus, dass der Daltonplan offensichtlich nicht mit anderen
reformpädagogischen Konzepten vergleichbar ist, wo der Name sozusagen Programm ist, wo
relativ genaue Vorstellungen bzw. Reglementierungen hinsichtlich der Unterrichtsmethode
herrschen und der Schule der Name „verliehen“ wird, wenn alle Kriterien erfüllt und
eingehalten werden.
71
Die Frage bleibt also offen, warum nicht gleich eine „neue“ Schule bzw. Unterrichtsmethode
entwickelt wird, ohne dass man sich auf den Daltonplan beruft.
16.2
Wieso Daltonplan?
16.2.1
Daltonplan oder doch etwas anderes?
Zu Beginn meiner Untersuchungen war ich von der Annahme ausgegangen, dass doch eine
gewisse Geschlossenheit in der Vorstellung und Umsetzung dessen, was DaltonplanPädagogik ist, für Dalton-Unterrichtende besteht, damit dieses Konzept nachvollziehbar und
überzeugend umgesetzt werden kann. Was bei den Ausführungen der interviewten
Lehrer/innen auffällt, ist die Tatsache, dass sie nicht nur die Zugehörigkeit zu Dalton nicht
sonderlich betonen, sondern teilweise auch eine gewisse Beliebigkeit zum Ausdruck bringen,
wie ihre Unterrichtsmethoden konzeptmäßig einzuordnen sind.
„And we are picking different methods to reach the knowledge in, in the heads of our
pupils. So if you call this Dalton, then I am teaching Dalton. (laugh)“ (HU, X, 1)
Grundsätzlich wird von den Lehrerinnen/Lehrern auch betont, dass sie nur Elemente von
Dalton verwenden und sich dennoch als Daltonschule bezeichnen, oder wenn dies nicht der
Fall ist, dass sie noch nicht so weit in der Verwirklichung des Systems sind. Andererseits sind
sie anderen Konzepten und Ideen nicht abgeneigt.
„Und, ob das jetzt Montessori ist, oder Jenaplan oder Freinet, das ist so und so, ...
eben auf der Basis des schülerzentrierten... nur sucht sich halt dann auch jeder Lehrer
das aus, was zu ihm passt, ja.“ (HG, X, 7)
16.2.2
Zugang zum Daltonplan
Interessant ist jedoch, wie die Lehrer/innen auf das Konzept des Daltonplans gekommen sind.
War also der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Daltonplans ein eigenes Bestreben den
Unterricht zu verbessern, oder wurde den Lehrenden das Konzept aufgetragen? Der Zugang
zum Daltonplan wird von ihnen sehr unterschiedlich geschildert. Manche haben in ihrer
Ausbildung bereits mehr darüber erfahren, oder sie sind über ein Montessori-Seminar auf das
72
Thema gestoßen, haben eine Volksschulklasse übernommen, die bereits mit dieser
Unterrichtsmethode vertraut war, oder es wurde eine Lehrperson für eine bereits bestehende
Dalton-Klasse gesucht. Manche waren gleich mit Begeisterung dabei.
„Das hat sehr interessant geklungen und dann hab ich eigentlich die Möglichkeiten
ergriffen, mich zu verändern. Nachdem ich ja insgesamt 33 Jahre jetzt unterrichte,
war das so ein Schritt wieder einmal.“ (ES, Y, 1)
Andere waren kritischer und zurückhaltender:
„Ich wurde nicht gezwungen, denn man kann ja andere Unterrichtsgegenstände äh
mit Freiarbeit besetzten, aber ich habe mir gedacht, ich kenn das noch nicht, ich
schau mir das einmal an. Es kann nicht viel passieren.“ (HG, Z, 1)
Gezwungen wurde niemand diese Methode anzunehmen, jedoch sind die Vorbereitungen auf
das neue Konzept sehr unterschiedlich ausgefallen. Sie reichen von Seminaren, die von den
Schulen organisiert wurden, bis hin zu Selbststudien und einem „learning by doing“, wobei
das Augenmerk der Lehrer/innen ohnehin nicht auf der Ausbildung zu liegen scheint,
vielmehr stehen das Interesse und die Bereitschaft etwas zu verändern ihrer Aussage nach im
Mittelpunkt.
„Zusatzausbildungen braucht es im Prinzip nicht, ist natürlich nicht schädlich. Jede
Zusatzausbildung ist immer angenehm, aber es ist nit, nit erforderlich. Sondern sich
einfach mit dem Konzept auseinandersetzen und dann geht das so auch.“ (HG, Y, 1)
Allerdings hört man immer wieder, dass Lehrpersonen überfordert sind und sich dem
einzelnen Lernenden nicht in dem Ausmaß widmen können, wie sie dies gerne wollten. Röhrs
(1990) beschreibt die ideale Unterrichtssituation folgendermaßen: „Der Lehrer selber ist frei
geworden für gezielte Kontrollen und Hilfen bei jenen [Schüler/innen], die seiner unmittelbar
bedürfen.“ (vgl. Röhrs 1990, S. 181). Was hier so einfach klingt, scheint in der Realität nur
mit großem Organisationsgeschick möglich zu sein. Die Idee, dass man die Vorbereitung für
ein Pensum macht und sich dadurch während des Unterrichts vollständig auf die
Schüler/innen konzentrieren kann, klingt viel versprechend und interessant, aber trotzdem
73
sieht es im Schulalltag oft anders aus. Wie sich in den Aussagen der Lehrer/innen zeigt, ist
viel Geschick erforderlich, um den Überblick in einer Daltonklasse zu bewahren und um
individuell auf die Schüler/innen eingehen zu können. Lehrende müssen erkennen und
unterscheiden, wann jemand Hilfe braucht um ihn/sie dann zu unterstützen, oder ob
Schüler/innen einfach Anstrengung vermeiden wollen. Diese sollten Lehrende dann
ermutigen sich eigene Lösungswege zu überlegen um die Arbeit erfolgreich zu bewältigen.
„Also das ist eins der wesentlichen Dinge, dass man so ein bissl Augen und Ohren
überall haben kann, gleichzeitig. (lachen) Und zwar zum Teil ganz einfach, weil
Kinder doch immer fragen kommen, und dass dann die anderen, ich will nicht sagen,
sich unbeobachtet fühlen, aber man muss so immer ein bisschen auch schauen und die
anderen ein bissl im Blickfeld haben. Weil manche das natürlich auch versuchen
auszunützen.“ (ES, X, 1)
Neben der Organisation während des Unterrichts ist auch die Organisation bezüglich der
Entwicklung der Assignments eine Herausforderung. So ist es schwierig Aufgaben für
niveaudifferenzierte Pensen zu entwickeln, weil relativ viel Vorbereitungszeit benötigt wird.
Mit „niveaudifferenziert“ ist gemeint, dass die besseren Schüler/innen nicht einfach nur mehr
Aufgaben als die schlechteren bekommen, sondern dass sich auch das Pensum, welches
unbedingt erfüllt werden muss, im Niveau unterscheidet. Das heißt, die schwächste Gruppe
hat von Grund auf ein leichteres Pensum, als die leistungsstärkste Gruppe.
Vor allem Lehrer/innen, die noch nicht auf einen großen Erfahrungsschatz bezüglich der
Arbeit mit dem Daltonplan zurückgreifen können, haben oft Schwierigkeiten, neben den
Basisaufgaben
für
Schüler/innen,
niveaudifferenzierte
bzw.
besonders
interessante
Arbeitsaufgaben zu entwickeln und zugleich auf deren spezielle Interessen einzugehen.
„Deshalb greifen dann doch die meisten Lehrer dann auch aus Zeitmangel auf
Lehrbücher zurück, die aber im Niveau überhaupt nicht differenziert sind, wo Texte
drinnen sind, die Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache ... nicht den Sinn nicht
herausholen können.“ (HG, X, 4)
„Also ich bin schon ziemlich gefordert. Und des Eingehen auf unterschiedliche
Leistungsstufen ist net so ganz einfach. Also ich könnt mir vorstellen, dass das
74
vielleicht mit ein Grund ist, auch das Überlegen was machen die Schwachen, was
machen die Besseren oder was kann ich demjenigen geben, der gut ist oder sehr gut
ist, noch als Anreiz sozusagen geben, dass er da nicht hängen bleibt, sondern noch
weiter macht.“ (ES, X, 11)
16.2.3
Warum Unterschiede?
Wie begründen Lehrer/innen den Unterschied zum originalen Daltonplan? Was ist überhaupt
nicht umsetzbar? Die Spannbreite der Vorstellung, wie der Daltonplan richtig umgesetzt wird,
ist sehr groß. Manche sehen die Umsetzung des Daltonplans, wie ihn Parkhurst entwickelt
hat, als das große Ziel an, andere wiederum sind der Meinung, dass dieser entweder nicht
mehr zeitgemäß, oder auch grundsätzlich nicht umsetzbar ist. Letztere sind auch der Meinung,
dass
sich
die
Rahmenbedingungen
grundlegend
geändert
haben
und
auch
die
Voraussetzungen der Schüler/innen unterscheiden sich so völlig von denen zu Parkhursts
Zeiten, dass eine buchstabengetreue Umsetzung nicht mehr möglich ist.
„Ganz einfach, weil die Gegebenheiten damals andere waren, als sie heute sind. Ich
mein, allein schon von, von den Kindern her. Also da waren sicher andere
Voraussetzungen die sie hatte, mit den Kindern die wir heutzutage haben. Äh, man
muss auch in manchen Klassen, wenn es sehr schwache Schüler sind, wirklich auch
auf ein Minimum reduzieren, und Mut zur Lücke haben, aber umgekehrt hat man auch
die Möglichkeit, wenn vereinzelt welche drinnen sind, dass man die wirklich optimal
fördert.“ (ES, X, 9)
An manchen Schulen scheint es, als würde gar nicht versucht werden, den Daltonplan in
seiner ursprünglichen Form umzusetzen, sondern er wird von Grund auf, in adaptierter Weise
angewandt. So ist nicht das Konzept von Parkhurst das entscheidende Vorbild, sondern es
sind vielmehr die Prinzipien, die dahinter stehen, auf die das Augenmerk gelegt wird. Was die
Graphen betrifft, so wurden sie an den meisten Schulen wieder abgeschafft bzw. erst gar nicht
eingeführt, weil das Eintragen in die Listen als zu zeitaufwändig schien. Nun sind aber gerade
die Graphen ein Grundpfeiler des Daltonplans.
Eine andere Entwicklung hat sich an der Chalabalova Dalton Schule vollzogen. Das Konzept
wurde in der zweiten Schulstufe (mit unserer Unterstufe zu vergleichen) nicht weiter
75
praktiziert, weil es zu Disziplinproblemen gekommen ist. Dort versucht man nun, die
Daltonprinzipien im Projektunterricht zu integrieren. Das heißt, es wurde nicht versucht die
Schule an das Konzept anzupassen, sondern das Konzept wurde an die Schüler/innen
angepasst. Diese Entwicklung hat zwei Seiten. Zum einen ist wohl die Modifikation an die
gegebenen Bedingungen ein wesentliches Element des Unterrichts nach dem Daltonplan.
Zum anderen stellt sich aber die Frage, ob nicht zu schnell aufgegeben wird. Es wäre
jedenfalls kritisch zu hinterfragen, wenn das Konzept vorschnell (und ohne eingehende
Analyse) geändert wird, sobald z.B. Schüler/innen Probleme haben verantwortungsvoll mit
Freiheit umzugehen. Denn das Erlernen mit der Freiheit umzugehen ist ja gerade das
gesteckte Lernziel für Schüler/innen, die nach dem Daltonplan unterrichtet werden. Der
verantwortungsbewusste Umgang mit Freiheit ist nicht Grundvoraussetzung, sondern
Ergebnis. Das Motto kann daher nur lauten: Gerade weil Schüler/innen (noch) nicht
selbständig sind, müssen wir mit dem Daltonplan arbeiten und Freiheiten zugestehen.
16.2.4
Vorläufer Offenes Lernen
Größtenteils wurde an den Schulen bereits „Offenes Lernen“ praktiziert. Auf der einen Seite
erleichtert das den Übergang zum Daltonplan, da es nicht eine völlige Umstellung der
Unterrichtsgestaltung bedeutet und bereits viele Materialen für einen Dalton-Unterricht
vorhanden sind. Für die Lehrperson bedeutet es auch, dass sie langsam in die Methode
hineinfindet und nicht völlig überfordert wird.
„Ja, also über das sind wir dazu gekommen, ja. So über den, das offene Lehren war so
ihrs. Und dann hat sie eben den Schwenk so ein bissl gemacht Richtung Daltonplan.
Mir gfallts a recht gut, ja, ich bin a recht zufrieden damit.“ (ES, X, 1)
Auf der anderen Seite kommt aber der Verdacht auf, dass sich eigentlich nicht viel geändert
hat. Der Unterricht könnte bis auf einige wenige formale Änderungen gleich geblieben sein.
„Zu uns sind die Lehrer aus Holland gekommen, aus einer Daltonschule. Und die
haben uns darüber was gesagt. Aber vorher haben wir schon etwas so was Ähnliches
gemacht. Und weil es halt Daltonplan hieß, okay, wir haben Namen übernommen.“
(CH, X. 1)
76
Die Lehrer/innen erklärten, dass der Daltonplan ihrer Meinung nach eigentlich sehr verbreitet
sei, nur wüssten die meisten gar nicht, dass sie nach der Daltonplan-Pädagogik unterrichten.
Auch diese Aussagen sind kritisch zu hinterfragen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich
die Prinzipien, die Helen Parkhurst genannt hat, auch tatsächlich in vielen pädagogischen
Konzepten wieder finden. Dann wäre das Konzept aber nicht eigenständig und
möglicherweise handelt es sich dann um einen Etikettenschwindel. Allerdings wurde von
Parkhurst betont, dass ständige Reflexion und Weiterentwicklung notwendig sind, um den
Grundgedanken des Konzepts zu verwirklichen. Das muss freilich bewusst geplant und
umgesetzt werden.
16.3
Einflussfaktoren
Nachfolgend wird untersucht, wie die Umsetzung des Daltonplans in der Praxis aussieht und
welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen. Es hat sich jedenfalls gezeigt, dass die
Organisation des Unterrichts umso schwieriger wird, je mehr Kooperation mit anderen
Lehrerinnen/Lehrern gefordert wird und je strikter man sich an die Vorschläge von Parkhurst
hält. An der Husova Dalton Schule und an der Chalabalova Dalton Schule, die den
Daltonplan in sehr abgewandelter Weise anwenden, ist eine enge Zusammenarbeit der
Lehrer/innen an den Pensen nicht zwingend erforderlich. Diese sind so konzipiert, dass die
Schüler/innen sie entweder in einer Schulstunde erfüllen können oder jede Klasse für sich am
Daltonplan arbeitet. Aber auch die Schulleitung hat erheblichen Einfluss auf die Umsetzung
des Daltonplans. Diese kann Rahmenbedingungen schaffen, die eine Umsetzung des
Konzepts entweder fördern oder aber behindern.
16.3.1
Die Rolle der Schulleitung
Für Daltonlehrer/innen spielt die Schulleitung eine große Rolle. Ihren Aussagen zufolge
finden sie durch die Schulleitung nicht nur Unterstützung in ihrer Arbeit, sondern auch die
nötige Freiheit in der Umsetzung des Daltonplans. Die Unterstützung wird als „wohlwollend“
bezeichnet, wenngleich auch zum Ausdruck kommt, dass die Schulleiter/innen hauptsächlich
eine Kontrollfunktion übernehmen. Solange die Arbeit der Lehrer/innen Erfolge zeigt, können
sie größtenteils ihre Ideen und Projekte umsetzen. Erst wenn Probleme auftreten sollten
(Unzufriedenheit
der
Eltern
oder
Schüler/innen,
Konflikte
zwischen
den
Lehrerinnen/Lehrern), würde es zu Interventionen kommen, was aber reine Spekulationen
77
sind, da es bisher in keiner Schule vorgekommen ist, dass die Daltonlehrer/innen von der
Schulleitung in die Schranken gewiesen oder angehalten wurden, sich mehr am Daltonplan zu
orientieren.
„Ja, wir haben eine Methodenfreiheit, wir dürfen das tun, wenn wir zu unseren Zielen
kommen, dann... ja... Also es ist schon ein Informations... sie will schon informiert
sein, das schon... aber... es muss eine wohlwollende Unterstützung von der Direktion
sein, sonst ist das wieder so viel Energieverlust.“ (HG, X, 6)
In der Umsetzung des Daltonplans wird den Lehrenden allgemein viel Freiheit gelassen.
Meist einigt man sich auf bestimmte Kriterien, die zu Beginn jedes Schuljahres bei einem
Treffen aller Lehrer/innen beschlossen werden. Dann werden z.B. formale Kriterien der
Pensen bestimmt (Anführung der Lernziele, die man mit der Bearbeitung bestimmter
Aufgaben erfüllt) oder es kommt zur Einigung auf bestimmte Kriterien des Daltonplans, die
zukünftig als Orientierung dienen sollen. Diese Rahmen-Übereinkünfte haben verbindlichen
Charakter, alles andere liegt im Ermessen jeder einzelnen Lehrperson. Das Problem dieser
relativ freien Vorgaben ist aber, dass die Auslegung einen großen Spielraum lässt und sie im
Zweifelsfall nicht bindend sind. In der Folge kann auch die Schulleitung keine Maßnahmen
setzen, da kein/e Lehrer/in verpflichtet werden kann, den Daltonplan umzusetzen. So ist es
jederzeit möglich, auszusteigen und nicht mehr am Daltonplan mitzuarbeiten.
„Also uns Lehrern wird relativ viel Spielraum gelassen. Wir haben so einige
Vorgaben von unserem Chef, die wir immer, so ein zwei mal im Jahr, also ziemlich zu
Beginn des Jahres einmal, wo wir uns zusammensetzen und das durchbesprechen;
worauf legt er wert, also das sind so seine Grundlagen, des möchte er auf jeden Fall
umsetzt haben.“ (ES, X, 10/11)
Die Schulleiter/innen nehmen auch eine wichtige Rolle ein, wenn es um die
Weiterbildungsseminare im Rahmen des Daltonplans geht. Seminare, die z.B. von Dalton
International angeboten werden, bedürfen einer Zustimmung. Diese Weiterbildungen sind
jedoch wichtig, da es wenig Fachliteratur zum Daltonplan gibt und damit einem
Selbststudium Grenzen gesetzt sind.
78
„Da es auch ein Anliegen von unserem Chef war, haben wir auch Seminare gemacht,
zum Teil im Haus, zum Teil außer Haus. Also, es war so ein Grundseminar zu dem
Ganzen, und dann auch ein Aufbauseminar, das ich besucht hab.“ (ES, X, 1)
Auch was die Kooperation mit anderen Schulen betrifft, ist die Schulleitung gefordert, da sie
den Kontakt herstellt. Ein Beispiel hierfür sind Exkursionen, die zu anderen Schulen gemacht
werden, um einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen oder neue Ideen und Anregungen für
weitere Entwicklungen zu bekommen. Unter anderem werden Comenius-Projekte über die
Schulleitung an den einzelnen Schulen organisiert, wo dann ebenfalls ein Austausch
stattfinden kann.
„Denn, äh man lernt nur immer und man kann sich nur weiterentwickeln, wenn man
wieder Neues kennen lernt und sieht wie läufts wo anders. Äh, und der Austausch, was
lauft wo gut und was lauft wo schlecht, ist besonders spannend.“ (HG, Y, 7)
Für die Lehrer/innen ist es wichtig, dass die Schulleitung zu dem Konzept „Daltonplan“ steht,
sodass eine gewisse Unterstützung vorhanden ist, da der Aufwand sonst zu groß wäre. Denn
die Lehrer/innen müssen sich gegen andere pädagogische Konzepte und sonstige Kritiker
behaupten. Ein Zuviel an Engagement, Entwicklungsbestrebungen und vor allem
Rahmenvorgaben werden aber wiederum als Überforderung empfunden. Das gilt vor allem
für Lehrer/innen, die nicht mit Überzeugung dabei sind und Schwierigkeiten haben sich mit
dem neuen Konzept anzufreunden. Für diese sind weniger Vorgaben eine große
Erleichterung. Auf der anderen Seite wären zusätzliche Vorgaben vor allem für jene
Lehrer/innen ein Vorteil, die mit Begeisterung bei der Arbeit sind, da somit „an einem
Strang“ gezogen wird. Dadurch könnten Entwicklungen schneller vorangehen, bzw. das
Konzept könnte einheitlich in der Anwendung und geschlossen von der gesamten
Lehrerschaft vertreten werden. Allerdings arbeitet aufgrund mancherorts fast „grenzenloser“
Freiheit und zu flexibler Rahmenbedingungen jede Lehrperson für sich. Der Daltonplan
entwickelt sich so zu mehreren Einzelprojekten und nicht zu einem Gesamtkonzept.
Um den Daltonplan nach Helen Parkhursts Vorstellungen umzusetzen, müssten Klassen
vernetzt werden, d.h. eine Zusammenarbeit der Schüler/innen aus verschiedenen Schulstufen
müsste ermöglicht werden. Dies erfordert wiederum fixe Zeiten für Daltonstunden. Für die
Schulleitung wäre eine derartige Entwicklung sicherlich einfacher zu initiieren, als für eine
79
einzelne Lehrperson. Ein weiterer Aspekt ist die finanzielle Unterstützung der Daltonklassen.
Für die spezielle Einrichtung in den Klassen, zusätzliche Schränke und Ablagen für
Unterrichtsmaterialien, müssen von der Schulleitung finanzielle Ressourcen zur Verfügung
gestellt werden. Die Daltonlehrer/innen zeigen sich teilweise selbst verwundert und
überrascht, welche Unterstützung sie erhalten, was allerdings bei Kolleginnen/Kollegen, die
in „normalen“ Klassen unterrichten auch Neid hervorrufen kann.
„Na, die Direktion steht beim Daltonplan voll dahinter. Wir haben a sehr... ja wir
bekommen eigentlich alles, was wir uns so fast wünschen. (lachen) Das ruft natürlich
auch ein bisschen einen Neid wahrscheinlich beim Lehrkörper hervor, für die anderen
Klassen. Das ist klar. Aber sonst haben wir eigentlich alle Freiheiten.“ (ES, Z, 4/5)
16.3.2
Als
Kooperation
großen
Vorteil
sehen
alle
Lehrer/innen
die
Zusammenarbeit
mit
ihren
Kolleginnen/Kollegen. Vor allem die Unterstützung bei der Umstellung auf das neue System
wird sehr geschätzt und erleichtert den Einstieg in die Arbeit mit dem Daltonplan.
„Also ich bin eben erst das zweite Jahr mit dieser Unterrichtsmethode beschäftigt und
ich lerne schon jede Woche noch etwas dazu, und es wächst mit“ (HG, Z, 4)
Auch die Unterstützung des Kollegiums bei der Weiterentwicklung des Daltonplans wird als
große Hilfe erlebt. Neue Projekte werden gemeinsam mit den Kolleginnen/Kollegen
überdacht und oft bedarf es lediglich eines Anstoßes der anderen Lehrer/innen um auch
Veränderungen möglich zu machen bzw. ein Projekt realisieren zu können.
„...and äh we always if I come with crazy ideas, they don`t say it`s nonsense. (laugh)
You can do it. Try it. Perfect. Do this. And they are ... they give me help and so on. I
think it`s very important.“ (HU, Y, 3)
Eine gute Zusammenarbeit ist auch bei der Entwicklung der Arbeitsblätter und neuen
Arbeitsmaterialien von Vorteil, um einen reibungslosen Ablauf in der Erstellung zu
gewährleisten. Für das Pensum kann beispielsweise eine Maske bzw. Vorlage in
Zusammenarbeit mit dem Kollegium entwickelt werden, in der alle Arbeitsaufträge für die
80
Schüler/innen eingetragen werden. Diese bleiben dann für das ganze Schuljahr bestehen und
ermöglichen somit eine gewisse Routine.
„Und wenn einer etwas erstellt, kanns auch der andere entnehmen. Das heißt, es
macht nicht jeder nur für sich, sondern es wird da wirklich... im Team gearbeitet und
wenn einer was erstellt, kann es der Nächste genauso verwenden.“ (HG, Y, 6)
Auch in der Begutachtung und Beurteilung der einzelnen Aufgaben, die die Schüler/innen
erledigen, ist Einigkeit wichtig, um bei Fachvertretungen die Aufgaben der Schüler/innen
ebenfalls abzeichnen zu können. In den Schulen zeigt sich aber, dass es meist dem
Engagement von ein oder zwei Lehrer/innen zu verdanken ist, dass Entwicklungen
durchgesetzt werden und die sich auch bemühen, den Daltonplan bekannt zu machen und
seine Idee zu verbreiten, einerseits in der Öffentlichkeit, aber auch schulintern. An einigen
Schulen gibt es auch eigene Daltonbeauftragte bzw. Daltonverantwortliche. Diese nehmen
dann eine zentrale Rolle ein, da die Schulleitung in den meisten Fällen den Daltonlehrer/innen
sehr viel Freiheit in der Umsetzung des Daltonplans lässt. Da sich jede Lehrperson mit
eigenen Vorstellungen vom Daltonplan einbringen bzw. sich auch die Zeit nehmen kann die
sie benötigt, um in die neue Unterrichtsmethode hineinzufinden, übernimmt der/die
Daltonverantwortliche dann wichtige Koordinations- und Betreuungsaufgaben. Häufig fällt
den Lehrerinnen und Lehrern die Umstellung aufgrund jahrelanger Unterrichtstätigkeit und
Routine nicht leicht.
„Und es soll auch einfach so sein, glaub ich, weil äh, wenn jeder sich in irgendwie in
ein System hingepresst fühlt, das ihm net so hundertprozentig liegt, dann wird er bald
das Handtuch schmeißen glaub ich“ (ES, X, 10)
Da die Lehrer/innen aber mit unterschiedlich viel Engagement bei der Umsetzung des
Daltonplans beteiligt sind, kommt es oft zu Frust und Enttäuschung. Diejenigen, die sehr viel
Energie in die Arbeit stecken, sind dann frustriert, wenn die Entwicklungen nur langsam
voranschreiten oder aufgrund mangelnder Kooperation gar nicht erst zustande kommen.
Konflikte im Kollegium entstehen auch dann, wenn Lehrer/innen nicht mit „ganzem Herzen“
dabei sind und die Erwartungen nicht erfüllt werden.
81
„...aber, ja, ich denk, man könnt so viel mehr herausholen noch... mit dem Daltonplan,
wenn man wirklich Kollegen hat, die da voll dahinter stehen und die das auch leben
können. Da ist es für mich, a bissl ein weinendes Auge dann manchmal schon dabei.
Wenn ich mir denk, schade drum, es wär noch viel, viel mehr möglich, aber... es geht
nicht. Es ist einfach Regelschulwesen und es geht einfach wirklich nicht. Damit habe
ich mich mittlerweile abgefunden.“ (ES, Z, 7)
„Auch dass sie [die Schüler] merken, dass man dahinter steht, was man macht. Das,
das geht manchmal verloren. Manchmal ist die Motivation nicht die Richtige von den
Lehrern.“ (ES, Z, 1)
Was hier angesprochen wird, ist ein Problem, welches sich auch dann ergeben kann, wenn
sich Lehrer/innen nicht aufgrund der speziellen Arbeitsweise für das Konzept zu interessieren
beginnen, sondern nur deshalb, weil angeblich die „besseren“ und „braveren“ Schüler/innen
in den Daltonklassen sind. Besondere Unterstützung erfahren diese Klassen auch von den
Eltern, die Interesse an der neuen Unterrichtsmethode zeigen und ihre Kinder bevorzugt in
den Daltonklassen unterbringen wollen. Dadurch haben die Lehrer/innen ganz andere
Vorrausetzungen für ihre Arbeit.
Die Lehrer/innen haben mir auch in den Interviews erklärt, dass viele nicht am DaltonplanKonzept mitarbeiten wollen, weil sie von den Besprechungen und der Zusammenarbeit mit
anderen Kolleginnen/Kollegen abgeschreckt sind und die Arbeit als zu großen Aufwand
ansehen. Mitunter wollen sie lieber alleine arbeiten und nicht auf andere angewiesen sein. Das
macht eine Eingliederung in das System unmöglich. Notwendig ist eine Zusammenarbeit vor
allem dann, wenn man fächerübergreifenden Unterricht praktizieren möchte.
„...es gibt noch immer viele Einzelkämpfer in der Schule, die lieber alleine äh,
arbeiten. Es erfordert halt doch a Zusammenarbeit im Team und ein Absprechen im
Team und zu das muss man bereit sein.“ (HG, Y, 7)
16.3.3
Dynamik im Lehrkörper
Da an den von mir untersuchten Wiener Schulen der Daltonplan nicht in allen Klassen
angewandt wird, sondern nur an einer Klasse pro Jahrgang, kann es mitunter zu Konflikten im
82
Kollegium kommen. Die Schule „rühmt“ sich natürlich mit der Bezeichnung „Daltonplan“
und die Lehrer/innen, die nicht daran beteiligt sind, fühlen sich zurückgesetzt, da ihrer Arbeit
weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird bzw. die Daltonlehrer/innen mehr Unterstützung
erhalten. Prinzipiell fordern und erwarten Daltonlehrer/innen aber keine Sonderbehandlung
bzw. eine besondere Unterstützungen. Es wird versucht, das Konzept in dem Rahmen
umzusetzen in dem es möglich ist. Finanzielle Förderungen werden nicht grundsätzlich
erwartet, weil es sonst zu Konflikten mit Lehrerinnen/Lehrern kommen kann, die ihren
Unterricht „normal“ gestalten.
„Dass wir auch Geld vom Elternverein bekommen haben, am Beginn der ersten
Klasse, einfach um manche Dinge auch anzuschaffen. Ja, das sind so die Dinge, wo
wir schon ein bisschen bevorzugt sind. Wo ich dann aber eher versuch das immer
hinunter [zu spielen], weil i will net haben, dass andere Kollegen sich da irgendwo
benachteiligt fühlen. Weil das bringt dann böses Blut, glaub ich.“ (ES, X, 11)
„Aber ich sag auch immer, wir haben weder besondere Kinder oder irgendwelche
Besonderheiten, sondern das soll einfach schon, die sollen genauso gehandhabt
werden wie alle anderen.“ (ES, X, 11)
Oft stößt der Lehrkörper auch auf Widerstand im Bezug auf die alternative
Unterrichtsmethode. Besondere Ablehnung wird dem Daltonplan dann entgegengebracht,
wenn Vorurteile dieser Arbeit gegenüber bestehen und Lehrer/innen das Konzept nicht richtig
kennen. In diesem Fall wird behauptet, dass die Schüler/innen nur spielen würden, nicht
konsequent arbeiten und demzufolge nichts lernen, oder wiederum völlig überfordert sind,
weil ihnen nichts erklärt wird.
„Was man von anderen Schulen hört, gibt es von den Kollegen her bissl äh
Ressentiments. Wo sie sagen, ja was machen die da, und spielen die da nur herum,
oder so. Aber teils aus Unwissenheit. Und... sagma von uns, von den Kollegen ist oft
so, dass sagen, ich möchte das nicht machen. Ich mach das auf keinen Fall, weil sie
sehr viel Mehrarbeit sehen und die Vorteile eigentlich nicht erkennen.“ (ES, Y, 5)
83
Aus diesem Grund laden die Daltonlehrer/innen Kritiker aber auch Interessierte gerne ein,
sich den Unterricht anzusehen und sich ein Bild davon zu machen. Trotzdem kostet das viel
Energie, welche die Lehrer/innen lieber in ihre Arbeit investieren würden.
„Meine Vision is immer. Äh, ich äh bekomme eine neue Schule und kann den ganzen
Lehrkörper davon überzeugen.“ (HG, Y, 5)
Viel Überzeugungsarbeit muss auch dann geleistet werden, wenn es Konkurrenz aufgrund
verschiedener pädagogischer Konzepte gibt, die an der Schule umgesetzt werden.
Lehrer/innen wenden sich aus diesem Grund auch wieder vom Daltonplan ab, weil sie
nebenher noch andere Projekte haben. Kleine Erfolge zeigen sich dann, wenn kritische
Lehrpersonen dennoch überzeugt werden können und den Daltonplan im kleinen Rahmen in
ihren Unterrichtsstunden umsetzen. Das bedeutet in diesem Fall, dass nur ein Fach
„daltonisiert“ und mit Arbeitsplänen gearbeitet wird. Als Ziel an der KMS Hörnesgasse und
der Europaschule wird gesehen, den Daltonplan auf die ganze Schule auszubreiten bzw.
mehrere Räume für die Arbeit zur Verfügung gestellt zu bekommen.
16.3.4
Unterrichtsklima
Obwohl es viele Einschränkungen und auch Schwierigkeiten in der Umsetzung des
Daltonplans gibt, merken Lehrpersonen sehr schnell, dass dieses Konzept auch viele Vorteile
bietet. Deshalb nehmen sie auch Einschränkungen (wie z.B. dass nicht alle Lehrer/innen
mitarbeiten) in Kauf, weil die Vorteile immer noch überwiegen. Für die Lehrperson bedeutet
diese
Unterrichtsorganisation,
dass
sie
sich
unter
anderem
mit
einzelnen
Schülerinnen/Schülern während der Daltonphasen beschäftigen kann, es bleibt also Zeit für
Lehrer/innen-Schüler/innen-Gespräche.
„Aber ja, also es gibt da noch eben das ist implizit im Daltonplan, dass es immer
wieder Schüler-Lehrer-Gespräche gibt, über den Leistungsstand und die ...was das
Kind braucht, wo es Schwierigkeiten hat, dass man da mit den Kindern
Einzelgespräche führt, so während des Unterrichts ergibt sich das oft. Ja, also
während der Daltonphase.“ (KMS, X, 3)
84
Die individuelle Förderung wird damit möglich, sowohl bei überdurchschnittlich begabten als
auch weniger erfolgreichen Schülerinnen und Schülern. Auf Schüler/innen mit speziellen
Bedürfnissen, wie z.B. Legasthenie, wird individuell eingegangen und sie können dem
Unterricht gut folgen. Diese Förderung ist für die Lehrpersonen möglich, weil die Mehrheit
der Schüler/innen überwiegend selbständig arbeitet bzw. die Hilfe der Mitschüler/innen in
Anspruch nimmt. Erst wenn es zu scheinbar unlösbaren Problemen kommt und sie nicht mehr
weiter wissen, wird die Lehrperson zu Rate gezogen.
„Also man kann die Streuung der Klasse besser abfangen, mit so einem System als mit
einem normalen System.“ (ES, X, 9)
Die Zusammenarbeit mit den Schülerinnen/Schülern wird überdies einfacher, da es nicht
mehr einen so großen Widerstand gegen die Lehrenden gibt. Die Lehrperson kann sich
zurücknehmen und die Schüler/innen selbstverantwortlich arbeiten lassen. Im Gegensatz zum
normalen Unterricht können Schüler/innen sich mehr in die Arbeit einbringen und sind für
den Erfolg der eigenen Arbeit selbst verantwortlich. Dadurch wird das Interesse an der
selbsterbrachten Leistung verstärkt. Im Speziellen zeigt sich das daran, dass es in den
Daltonklassen selten Schulschwänzer/innen gibt. Als großen Unterschied zu normalen
Klassen haben die Lehrer/innen auch geschlossen das Engagement der Schüler/innen genannt.
„Ja, im Prinzip, man betritt die Klasse, die Schüler arbeiten bereits. Das ist der
größte Unterschied zum Frontalunterricht. Weil sie wissen ja, die nächste Stunde ist
Pensenstunde und sie arbeiten.“ (ES, Y, 2)
„...und das Kind erlebt auch den Lehrer ganz anders. So dass er... der Lehrer einem
wirklich helfen will und, und net immer nur schimpft, und... Kinder glauben ja
manchmal, Lehrer freuen sich an schlechten Noten und das wird ihnen dann viel mehr
bewusst, bei dieser Methode, wenn man direkt nur für ein Kind da ist, zeitweise. Dass,
dass der Lehrer sehr wohl bestrebt ist, dem Kind zu helfen.“ (HG, Z, 5)
Für die ganze Klasse ergibt sich ein besseres Arbeitsklima. Vor allem sinkt die Aggressivität
und auch das Gruppengefühl unter den Schülerinnen/Schülern wird gestärkt, weil sie
miteinander arbeiten und sich gegenseitig unterstützen.
85
„Je mehr die Kinder Freiheit haben, je mehr sie den Lehrer auch als
partnerschaftlichen Helfer empfinden, umso weniger Angriffspunkte sind von den
Schülern da.“ (HG, Y, 5)
16.3.5
Ausstattung und Organisation
Manchen Weiterentwicklungen sind auch Grenzen gesetzt. So sind die Klassenräume nicht
ideal für den Daltonunterricht, sie sind zu klein und daher ist ein Zusammensitzen in einer
größeren Gruppe nicht möglich. In den Klassen muss weiters genügend Stauraum vorhanden
sein, um die Unterrichtsmaterialien für jedes Unterrichtsfach aufbewahren zu können.
Hinderlich empfinden es Lehrer/innen, wenn sie einzelnen Schülerinnen/Schülern keine
speziellen Unterrichtsmaterialen für die individuelle Förderung zur Verfügung stellen können.
Manchmal müssen Arbeitsblätter aus anderen Klassen geholt werden, was zwar nicht so viel
Zeit kostet, aber trotzdem den Unterricht stört. Es würden auch mehr Räume benötigt werden,
um für jedes Unterrichtsfach einen eigenen Facharbeitsraum anbieten zu können. Ein weiterer
Punkt ist, dass die Anzahl der Lehrer/innen erhöht werden müsste, um das Konzept mit den
Laboratorien wie es Parkhurst entwickelt hat, umzusetzen. So können beispielsweise
Computerräume nicht geöffnet werden, da dort die Schüler/innen nicht beaufsichtigt werden
können.
Als große Einschränkung erleben die Lehrer/innen den strikten Lehrplan, welcher ihnen nur
einen gewissen Spielraum für Kreativität im Bezug auf die Unterrichtsthemen zulässt. Sie
halten den Lehrplan sehr genau ein und so lassen sich manche Projekte nicht umsetzen.
Bestimmte Themen müssen zwingend durchgenommen werden, da die Lehrer/innen sonst ein
Scheitern der Schüler/innen bei Aufnahmeprüfungen an anderen Schulen befürchten.
„And the state is giving this, the national curriculum. And you cannot do a lot, much.
You have to do what they say. You have to cover the topics. And there is a little of
variations.“ (HU, X, 9)
Die Erstellung eines geeigneten Stundenplans, damit die ganze Schule einheitliche
Daltonzeiten hat, kann unter Umständen zu Schwierigkeiten führen. Das ist an der Husova
Dalton Schule und der Chalabalova Dalton Schule weniger der Fall, da dort jede Lehrperson
für sich nach der Daltonplan-Pädagogik arbeitet und es keine einheitliche Daltonschiene gibt.
86
An der Europaschule und an der KMS Hörnesgasse wird die Abstimmung des Stundenplans
zur Herausforderung.
„Das... das... heuer ist das recht gut gelungen, aber davor hatten wir große Probleme,
äh, das im Stundenplan so zu verankern, dass wir eben alle vier Klassen die gleichen
Freiarbeitszeiten haben.“ (HG, Y, 5)
„Also das müsste dann wirklich pro Tag eine Schiene sein, wo alle vier Klassen in
derselben Zeit Daltonunterricht haben. I man, es ist wahrscheinlich kein was Gott wie
Aufwand, nur man muss halt schaun, dass mans unterbringt.“ (ES, X, 10)
Die Organisation des Daltonplans wird größtenteils als Hindernis gesehen. Das Konzept in
das Regelschulsystem zu integrieren, benötigt einige Anstrengung, aber auch die
Aufzeichnung der Leistungsfortschritte wird zur Herausforderung. Die Graphen, wie sie
Parkhurst entwickelt hat, sind für die Lehrer/innen in der Handhabung zu aufwändig und zu
zeitintensiv. Deshalb wird in den meisten Fällen darauf verzichtet und stattdessen hat jede/r
Lehrer/in eigene Methoden für die Aufzeichnung entwickelt.
„So, there we are just let`s say are more concentrated on the work. And the
administration we put aside a little.“ (HU, X, 2)
Wird der Daltonplan nicht an der ganzen Schule umgesetzt bzw. im normalen
Regelschulsystem eingeführt, dann ist es sicherlich einfacher als bei anderen pädagogischen
Konzepten, trotzdem ist es ein gewisser Aufwand für die Lehrer/innen.
„Wenn ich eine ganze Daltonschule, ... wäre natürlich in der Organisation einfacher
zu führen. Wenn alle da mitmachen und wenn von Anfang auch die Ausstattung dann
dementsprechend sein könnte, mit den Facharbeitsräumen vor allem. Aber das sind
reine Visionen.“ (HG, Y, 5)
Vor- und Nachteil zugleich ist, dass die Unterrichtsthemen jeweils einen Monat im Voraus
feststehen müssen. Das heißt zwar, dass zuvor viel Zeit in die Planung gesteckt werden muss,
jedoch können danach die Lehrer/innen sich auf die Schüler/innen und den Unterricht
konzentrieren und müssen sich, während eines Pensums, keine Gedanken über den
87
Unterrichtsstoff machen. Diese Planung erfordert eine gewisse Umstellung zum regulären
Unterricht und wird zur Doppelbelastung, wenn Lehrer/innen in regulären und DaltonKlassen unterrichten.
16.4
Lernt die Schule?
16.4.1
Weiterentwicklungen
Ein wichtiges Kennzeichen vom Daltonplan ist es, dass es keinen Stillstand gibt. Das Konzept
ist ständigen Veränderungen und Verbesserungen unterworfen. Hackl (2002a) weist darauf
hin, dass „Routine [...] der Feind der Dalton-Pädagogik [ist]!“ (Hackl 2002a, S. 154). Das
führt in der Praxis zu einem Problem, denn nach einer gewissen Zeit der Einführung des
Daltonplans und einer entsprechenden Vorlaufphase haben alle Lehrende in die Arbeit
gefunden, sich daran gewöhnt usw. Durch die erworbene Routine „setzt die Gefahr ein, dass
das eigentliche Konzept nicht mehr umgesetzt wird“ (Hackl 2002a, S. 154).
Auffallend ist, dass vor allem Lehrer/innen, die bei der Implementierung des Daltonplans von
Anfang an mitgewirkt, bzw. aus eigenem Engagement zum Daltonplan gefunden haben, viel
mehr Interesse an Weiterentwicklungen zeigen als jene, die sich schwer auf das neue
Unterrichtskonzept umstellen konnten. Letztere sind mit der derzeitigen Umsetzung zufrieden
und möchten es dabei belassen.
„Ich find momentan rennt es sehr gut. Ich glaub gar nicht, dass man da was ändern
sollte.“ (ES, Y, 4)
„Ich denk, so wie wirs derzeit handhaben, läuft es gut, so kann man weitermachen.“
(HG, Z, 4)
„Äh, Na ja, ich bin mit der derzeitigen Form an und für sich schon sehr zufrieden. Wir
haben schon sehr viele Änderungen im Lauf der letzten 4 Jahre durchgeführt.“ (HG,
Y, 4)
Wie sehen nun aber die Entwicklungsvorschläge aus? Für die einen bedeutet es, dass die
Themen, die im Unterricht durchgenommen werden, von Jahr zu Jahr variieren. Das heißt
88
nicht das System an sich wird geändert, sondern lediglich die Themen, welche die
Schüler/innen zu bearbeiten haben, bzw. auch die Aufgabenstellungen werden neu überdacht.
„Aber ich kann nicht auch gleich arbeiten, wenn ich, jetzt habe ich dritte Klase und in
sechs Jahren habe ich auch dritte Klasse, kann ich nicht auch dasselbe machen. Da
sind Individualitäten in der Klasse. Das ist ganz anders. Ich kann nicht auch alle
Materialien normal benutzen, muss ich ändern, das geht nicht.“ (CH, X, 5)
Im Unterschied dazu sehen andere noch große Chancen für Entwicklungen. Das bedeutet zum
einen die Ausbreitung der Daltonklassen auf die ganze Schule, was sich aber als relativ
schwierig herausstellt, weil nicht alle Lehrer/innen mitarbeiten möchten. Zum anderen meint
es die Hoffnung mehr Räume für die Daltonarbeit zur Verfügung gestellt zu bekommen,
damit jedes Unterrichtsfach in einem eigenen Laboratorium Platz findet. In diesen hätten die
Lehrer/innen alle Unterrichtsmaterialien griffbereit und könnten individuell auf die
Schüler/innen eingehen.
In der Europaschule wäre als nächst mögliche Modifikation eine Vernetzung der Klassen zu
nennen, die eine altersheterogene Arbeit der Schüler/innen ermöglicht. Damit eine
Zusammenarbeit wirklich erfolgen kann, setzt das die Bildung von Facharbeitsräumen voraus
und auch eine Abstimmung der Stundenpläne der einzelnen Klassen müsste stattfinden. An
den tschechischen Schulen bezieht sich die Entwicklung mehr auf unterrichtsspezifische
Aspekte, da jede Lehrperson ihren „eigenen Daltonplan“ umsetzt. Der Rahmen (z.B. der
Stundenpläne) für Veränderung ist somit enger gefasst, als an den österreichischen Schulen.
16.4.2
Schulentwicklung
Popp (2002) weist darauf hin, dass Parkhursts Konzept bereits in Richtung „lernende Schule“
entwickelt wurde, lange bevor Senge (1990) den Begriff der „lernenden Organisation“ bzw.
„lernenden Institution“ (vgl. Popp 2002, S. 66) prägte. Für die Reformpädagogin Parkhurst
waren schon damals ständige Reflexion der Lernprozesse und auch eine kontinuierliche
Anpassung des Konzepts an die schulischen Rahmenbedingungen Vorrausetzung für eine
gute Schule. Mit diesen Maßnahmen wird verhindert, dass der Daltonplan zu einem starren
Konzept wird, welches über Jahre hinweg in derselben monotonen Form geführt wird (vgl.
89
Parkhurst 1922, S. 28). Parkhurst hat den Prozess der Weiterentwicklung nicht näher erläutert
und nun stellt sich die Frage, wie solch ein Prozess konkret aussieht und welche Kriterien für
eine „lernende Schule“ erfüllt werden müssen.
Die Lehrerschaft versteht darunter meist eine Entwicklung in einem begrenzten Rahmen, das
heißt, dass sie sich zwar einig sind, dass etwas nicht perfekt läuft und eine Veränderung
erforderlich ist, jedoch soll dieser Entwicklungsprozess in einem konkreten Zeitrahmen
stattfinden und nicht über eine lange Zeitspanne hinweg und kontinuierlich erfolgen. Im
Gegensatz zu dieser punktuellen und kurzfristigen Veränderung gibt es in der „lernenden
Organisation“ keine „ultimate destination, only a lifelong journey“ (Senge 1990, S. XV
Introduction). Der Lernprozess ist somit nie abgeschlossen und muss ein fixer Bestandteil der
Organisation sein.
Fraglich ist, ob sich Lehrer/innen, die nicht mit voller Überzeugung den Daltonplan umsetzen,
bereit sind, ihren Unterricht bzw. auch ihre Organisation ständigen Veränderungen zu
unterwerfen. Für sie ist bereits die Umstellung auf den Daltonplan ein derart großer Schritt
und ständige Weiterentwicklung würde für sie Überforderung und Anstrengung bedeuten, die
sie nicht zu erfüllen bereit sind. Weiters ist zu beachten, dass nicht alle Veränderungen von
Organisationen mit einem Lernprozess gleichzusetzen sind. So ist die Entwicklung an der
Chalabalova Dalton Schule – den Daltonplan an der zweiten Stufe nicht mehr weiter zu
führen – als kritisch zu betrachten. Ob die Schule wirklich etwas gelernt hat, ist zu bestreiten.
Auch dass alle Schulen die Arbeit mit den Graphen eingeschränkt, abgewandelt bzw. ganz
aufgegeben haben, ist nicht unbedingt als Lernprozess zu verstehen.
Senge, der den Begriff der „lernende Organisation“ prägt, versteht unter dem Begriff Lernen
eine kontinuierliche Anpassung an innere und äußere Gegebenheiten, die nicht nur von einer
isolierten Person, sondern von der gesamten Organisation „getragen“ werden muss (vgl.
Senge 1990, S. 3). Damit ein Lernen der Organisationen (Schule ist auch eine spezielle Art
von Organisation) wirklich gewährleistet werden kann und diese Veränderungen auch
nachhaltig sind, müssen fünf Punkte erfüllt werden.
System Thinking
Die Vorrausetzung, um Entwicklungen richtig ansetzen zu können, ist die Betrachtung der
Organisation als Ganzes, nicht als einzelne „Schnappschüsse“, die isoliert nebeneinander
90
stehen. Das Verständnis für eine Organisation erfordert die Verknüpfung einzelner Teile,
welche sich gegenseitig beeinflussen. Gemeint ist damit das Denken in Systemen. Die
Eingebundenheit in ein System wiederum, ist der Grund wieso die Auswirkungen und
Wechselwirkungen eines solchen Zusammenspiels oft nur schwer zu erkennen sind (vgl.
Senge 1990, S. 6f).
Personal Mastery
Unter „personal mastery“ versteht man die Persönlichkeitsentwicklung, die Bewusstmachung
der eigenen Stärken und der Wille sich für das System erfolgreich einzubringen. Dies
geschieht über die eigene Professionalisierung aufgrund von „lifelong learning“. Im
Mittelpunkt steht die Frage, was jede einzelne Person für die Organisation beitragen kann, um
diese zu einer „lernenden Organisation“ zu machen (vgl. Senge 1990, S. 7f).
Mental Models
Die mentalen Modelle, welche die Beteiligten beeinflussen, müssen bewusst gemacht und
offen gelegt werden. Sie beeinflussen uns in vielen Bereichen, wie man die Welt konstruiert
bzw. versteht und vor allem wie man darauf reagiert. Um dies näher zu erklären, möchte ich
ein mentales Modell auf die Situation der Lehrer/innen übertragen: so macht es eine großen
qualitativen Unterschied, ob man Schüler/innen als wissbegierige Lerner oder ständige
Vermeider, als von Grund auf selbständige oder einer kontinuierlichen Überprüfung
bedürfende Wesen, wahrnimmt (vgl. Senge 1990, S. 8f).
Building Shared Vision
Was eine Organisation verbindet und zusammenhält sind „shared visions“. Sofern eine
Organisation über Visionen verfügt, die gleichzeitig auch jene von Mitarbeiter/innen sind,
wird jede/r Einzelne das Möglichste tun um sich erfolgreich einbringen zu können (und
weiterzuentwickeln), um auf ständigen Fortschritt bedacht zu sein, um neue Ideen und
Entwicklungen zu verfolgen. Nicht weil es angeordnet wird, sondern weil es ihm/ihr selbst
ein Bedürfnis ist. Durch „shared visions“ werden demzufolge die Eigeninitiative und der
persönliche Einsatz gefördert (vgl. Senge 1990, S. 9).
Team Learning
Erfolgreiches „team learning“ findet dann statt, wenn alle Beteiligten durch die Gruppe lernen
und die Gruppe nützen. Eine Grundvorrausetzung für „team learning“ ist der „Dialog“. Im
91
Mittelpunkt steht nicht die Hervorbringung von besonders überwältigenden Leistungen,
sondern die Nachhaltigkeit des Lernens und das Entstehen eines „thinking together“ (vgl.
Senge 1990, S. 10).
Grundsätzlich ist aber zu sagen, dass Lehrer/innen wissen müssen worum es beim Daltonplan
geht. Das kann in diesem Fall nicht nur durch „learning by doing“ erreicht werden oder indem
man sich auf andere verlässt. Verantwortung muss übernommen werden, um eine wirkliche
Entwicklung, ein Lernen, zu erreichen.
„Na ja, das... das wird der Herr... ihnen besser... das ist unser, unser Entwickler.“
(HG, X, 4)
Eichelberger (2003) weist darauf hin, dass die Integration vom Daltonplan wie auch anderer
pädagogischer Konzepte in das Regelschulsystem eine intensive Auseinandersetzung mit der
Thematik und einer permanenten Reflexion erforderlich macht. Dabei muss überlegt werden
ob die Ziele, welche die Schule erreichen möchte, durch das gewählte pädagogische Konzept
überhaupt zu erfüllen sind. Im Besonderen, wenn diese nur als Basis für ein adaptiertes oder
neu entwickeltes Erziehungs- und Unterrichtskonzepts dienen (vgl. Eichelberger 2003, S. 14).
Wenn der Daltonplan als Möglichkeit aufgefasst wird, eine Schule zu einer „lernenden
Schule“ zu entwickeln, müssen auch die fünf Disziplinen von Senge (1990) erfüllt werden.
Besonders die Unterstützung der Schulleitung wird hierbei oft unterschätzt. In den Interviews,
die ich führte, habe ich die Rolle der Schulleitung nicht explizit angesprochen bzw. wie
dessen Unterstützung im Speziellen aussieht. Jedoch wurde ersichtlich, dass die Schulleitung
größtenteils den Entwicklungen freien Lauf lässt. Das ist aber zu wenig, um die Schule mit
dem Konzept des Daltonplans zu einer „lernenden Schule“ zu führen. Damit sie zu einer
lernenden Organisation werden kann, braucht es die Unterstützung der Schulleitung und in
diesem Fall ist nicht grenzenlose Freiheit, sondern wirkliche Führung und Leitung gemeint.
Im Bezug auf die Schulleitung passt die Bezeichnung „steuern“ am besten, denn
Entwicklungen können weder geführt noch geleitet werden. Im besten Fall ist eine Steuerung
der Prozesse möglich (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 75). Der Grund für das mangelnde
Eingreifen in Entwicklungen ist unter anderem auf ein falsches Rollenverständnis von
Schulleitern/innen zurückzuführen. „Schulleiter verstehen sich vorrangig als Pädagogen und
92
sind tatsächlich in erster Linie Verwalter und Organisatoren.“ (Krüger 1983, 36 zit. n. Schratz
1999, S. 490)
Nun stellt aber die Schule eine spezielle Form der Organisation dar, nämlich eine
„Experteninstitution“. Wie schon aus den Interviews zu entnehmen ist, wird die Organisation
von vielen Lehrpersonen als etwas Störendes empfunden, was nicht mit der eigentlichen
Arbeit, konkret der Vermittlung von Wissen, zu tun hat (vgl. Cortolezis-Schlager /Kogelbauer
1999, S. 388).
Bezüglich der Schwierigkeit sich genau nach dem Konzept von Helen Parkhurst zu richten,
äußert sich eine Lehrerin folgendermaßen:
„Na, na, ich würde sagen, es ist... es kann nicht so als Vorbild nehmen. Ja, okay
einige Elemente, okay, das gilt für mich, oder das gilt für meine Kinder. (...) Also,
okay, es ist eine gute Idee, aber ich möchte nicht organisieren so etwas.“ (CH, X, 5)
„Alles was nicht mit der Erfüllung der Aufgabe als Fachexperte/in zu tun hat, wird als
Störung betrachtet. Das Organisationsbewusstsein des Expertenbetriebes ist nicht entwickelt.
Die Organisation wird als etwas Äußeres gesehen, das dazu da ist, Rahmenbedingungen für
die inhaltliche Arbeit bereitzustellen.“ (Cortolezis-Schlager/Kogelbauer 1999, S. 388)
Um Schulentwicklungskonzepte, und hierzu zählt auch der Daltonplan, erfolgreich
voranzutreiben, ist eine adäquate Unterstützung der Lehrer/innen von Seiten der Schulleitung
unumgänglich. Wie sieht nun die Steuerung ausgehend von Schulleitungen aus? Hierzu muss
man zwei Ebenen unterscheiden. Die erste Ebene meint das „strategische Management“ im
Rahmen von Schulentwicklungsprozessen, wobei die Schulleitung in diesem Fall eine
„Moderationsfunktion“
einnimmt.
Die
zweite
Ebene
ist
die
„Organisation
und
Implementierung größerer Veränderungsvorhaben“, wo die Schulleitung als Auftraggeber
fungiert. Im ersten Fall geht es um die Steuerung während eines Prozesses (die Veränderung
hat also bereits stattgefunden) und im zweiten kommt es erst zur Einführung eines neuen
Konzepts. Diese zwei Bereiche sind zu trennen, um ein leichteres und adäquates Handeln für
die Schulleitung zu gewährleisten (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 77).
93
Damit die Schulleitung die Funktion des „Moderators“ erfolgreich erfüllt, muss sie nach
Krainz-Dürr (2003) fünf soziale Fertigkeiten beherrschen:
a) Probleme organisationsbezogen definieren
b) Referenzrahmen definieren
c) Wechselwirkungen beachten
d) Kommunikationswege bahnen
e) Feedbackschleifen institutionalisieren
a) Eine Schwierigkeit von Schulleiter/innen ist, dass ihnen – da selbst eingebunden in die
reguläre Unterrichts- und Erziehungsarbeit und damit Teil der ausführenden Ebene – häufig
das Verständnis für organisationsbezogenes Denken fehlt. So werden oft Probleme, die im
Unterrichtsalltag auftreten, nicht in Beziehung mit der Organisation gesetzt, sondern auf
Lehrende bzw. auch auf Rahmenbedingungen geschoben (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 77).
b) Je nachdem welcher Referenzrahmen für die Wahrnehmung von Situationen gewählt wird,
beeinflusst das den Umgang mit möglichen Problemen. So geschieht es im Schulwesen
häufig, dass an Defiziten und nicht an Stärken in Veränderungsprozessen angeknüpft wird. Es
ist ein gravierender Unterschied ob davon ausgegangen wird, dass
„da [...] sicher andere Voraussetzungen [waren] die sie [Parkhurst] hatte, mit den
Kindern die wir heutzutage haben“ (ES, X, 9)
oder ob der Referenzrahmen dahingehend geändert und danach gefragt wird, welche Faktoren
der bisherigen Erziehung an der jeweiligen Schule gefördert werden können, damit sich die
Lernenden zu selbständigen und eigenverantwortlichen Menschen entwickeln können (vgl.
Krainz-Dürr 2003, S. 79f).
c) Wechselwirkungen beachten bedeutet, dass ein Problem, eine Situation oder ein Verhalten
nicht isoliert betrachtet, sondern immer in Zusammenhang mit dem Gesamten gesehen wird.
„Soziale Systeme sind immer mehr als die Summe ihrer Teile und Prozesse lassen sich nicht
auf einfache Ursache-Wirkungsketten reduzieren.“ (Krainz-Dürr 2003, S. 81) Wenn also
Lehrer/innen z.B. unzufrieden mit der Umsetzung des Daltonplans einzelner Kolleginnen und
Kollegen sind, da diese Umsetzung nicht den eigenen Vorstellungen entspricht, darf die
94
Situation nicht unabhängig von den Rahmenbedingungen betrachtet werden. Es stellt sich
vielmehr die Frage, welche Umgebungsfaktoren dazu beitragen, dass eine Person so und nicht
anders reagiert und handelt (vgl. Krainz-Dürr 2003, S. 80f).
d) Wird an einer Schule ein neues und spezielles pädagogisches Konzept umgesetzt, ändert
sich das Gesamtgefüge der Organisation und das bedeutet, dass Kommunikationswege
gebahnt werden müssen. Das betrifft die Schule als Gesamtsystem. Es muss ein allgemeines
Bewusstsein geschaffen werden, um zu verhindern, dass sich eine „Schule in der Schule“
entwickelt. In so einem Fall können sich Lehrer/innen, die nicht am Konzept beteiligt sind,
benachteiligt fühlen und sich vehement gegen das Projekt stellen. Im schlimmsten Fall
„versandet“ das Interesse und das Konzept wird gar nicht mehr umgesetzt (vgl. Krainz-Dürr
2003, S. 81f).
Die Schulleitung muss eine Einheit im Lehrkörper entwickeln. An der Franz Jonas
Europaschule und der KMS Hörnesgasse entwickelt sich eine Schule in der Schule, da der
Daltonplan nicht an der gesamten Institution umgesetzt wird. Dies führt zu einer doppelten
Organisation und Schwierigkeiten innerhalb des Kollegiums. Es entsteht Neid unter den
Lehrerinnen/Lehrern und das äußert sich in Aussagen, wie:
„Und zwar ist irgendwie, hängt da manchmal so im Raum, ihr seid ja die Daltons.
Also das ist ja was Besonderes.“ (ES, X, 11)
e) Die Schulleitung muss Feedbackschleifen institutionalisieren, damit Lehrer/innen von Zeit
zu Zeit aus dem regulären Unterrichtsalltag aussteigen können, um auf eine Metaebene zu
wechseln. Dies ist Voraussetzung um ein Bewusstsein für die Gesamtlage zu erzeugen und
ermöglicht den Lehrenden, die Organisation bzw. die Situation in der sie sich befinden zum
Thema zu machen. Räume für solche Reflexionszeiten sind im allgemeinen Schulalltag nicht
fix eingeplant und müssen von der Schulleitung erst geschaffen werden. Auf die Beobachtung
von Außen darf auf keinen Fall verzichtet werden, auch dann nicht, wenn keine Veränderung
bzw. keine Aktion ansteht, da sie wichtiger Bestandteil von Entwicklungsprozessen ist (vgl.
Krainz-Dürr 2003, S. 82ff).
95
Den Aussagen der Lehrer/innen ist zu entnehmen, dass ständige Veränderung Stress und
zusätzliche Anforderung bedeutet, der die Lehrpersonen mitunter nicht gewachsen ist. Ob
Bedingungen für so eine fortlaufende Reflexion gegeben sind, ist fraglich.
„Ja wir setzen uns hin und wieder mal zusammen. Leider haben wir auch nicht so viel
Zeit oder wir hams, ja es muss in der Freizeit passieren. Und da setzen wir uns
schon... also am Anfang eines Schuljahres sowieso zusammen, weil damit wir wissen,
wer welche Daltonstunden hergibt und wie wir die kombinieren können im
Stundenplan dann selbst. Und unter Jahr auch, und so reden wir eh ständig am Gang,
wenn, bei den Gangaufsichten oder so, oder zwischen Tür und Angel, wenn sie
gemeinsam arbeiten, nehmen wir uns auch Zeit dafür.“ (ES, Z, 5)
Es können jedoch Rahmenbedingungen geschaffen werden, innerhalb derer eine Entwicklung
sich einfacher darstellt. Fixe Termine für Besprechungen der Lehrer/innen wären ein
wichtiger Aspekt. Spontan angesetzte Treffen der Lehrenden reichen nicht aus, vor allem
wenn kurze Gespräche zwischen Tür und Angel oder während den Pausen am Gang geführt
werden. Geregelte Zeiten für Teambesprechungen, jedoch öfters als einmal pro Schuljahr,
sind ein unverzichtbarer Bestandteil einer lernenden Schule. Dies kann auch zur Entlastung
der Lehrer/innen führen.
Wird eine Neuerung (wie z.B. die Arbeit mit dem Daltonplan) in einer Schule implementiert,
muss die Schulleitung als „Auftraggeber/in“ tätig werden. Sie muss die Lehrer/innen
entlasten, denn diese können neben ihrer regulären Unterrichtstätigkeit nicht auch noch die
Motivationsarbeit leisten um Lehrer/innen für das Projekt zu gewinnen und gleichzeitig
Angriffe des restlichen Lehrkörpers abzuwehren. Diese Dinge sind nicht Aufgabe des
Kollegiums und führen bei Nichtbeachtung zwangsläufig zu Überforderung (vgl. Krainz-Dürr
2003, S. 84f).
Für die erfolgreiche Implementierung von Neuerungen sind nach Krainz-Dürr (2003) vier
Punkte sicherzustellen:
1. Ist die Schulleitung als interne/r Auftraggeber/in für die Einführung eines Projekts
definiert, muss sie die Aktivitäten der Lehrer/innen fördern. Das heißt weder, dass sie den
Dingen einfach ihren Lauf lässt, noch eine rein beobachtende Position einnimmt, sondern die
96
Entwicklungen wirklich will und auch unterstützt, vor allem aber „auch in unvermeidlichen
Krisen und Konflikten, dem Projekt eine faire Chance“ gibt (vgl. Krainz-Dürr, 2003, S. 86).
2. Das „magische Dreieck“ zwischen „Zeit“ (Terminen), „Leistungen“ (Qualität) und
„Ressourcen“ (Personen, Mittel) muss realistisch eingeschätzt und bei jeglicher Veränderung
der einzelnen Eckpunkte beachtet werden, da sie sich wechselseitig beeinflussen. So müssen
z.B. die Leistungen und die Zeit reduziert werden, wenn sich die Ressourcen minimieren (vgl.
Krainz-Dürr, 2003, S. 89f).
3. Oft sind Veränderungen an Schulen nur durch die freiwillige Arbeit und das Engagement
von Lehrerinnen/Lehrern möglich. Dies wird zwar überwiegend positiv gesehen, hat aber
auch seine Schattenseiten. So kann es für die Entwicklung von Schulen auch negative Folgen
haben, da Projekte (wie z.B. die Umsetzung von Konzepten) nur solange durchgeführt werden
können, solange auch die Energie und das Engagement vorhanden ist. Ist dies nicht mehr der
Fall, verläuft sich die Arbeit und gerät in Vergessenheit. Die Schulleitung muss den
Personaleinsatz dahingehend regeln, dass sehr engagierte Lehrkräfte sich nicht in ihrer Arbeit
überfordern, wenn sie bereits andere Aufgaben übernehmen und andererseits muss sie
bestrebt sein, weitere Lehrer/innen für die Entwicklungsarbeit zu gewinnen (vgl. Krainz-Dürr
2003, S. 90f).
Solch eine Überzeugung oder Überredung der Lehrer/innen für das Projekt kann aber auch zu
Konflikten führen, wenn diese nur „halbherzig“ das Projekt umsetzen. Vom restlichen
Lehrkörper wird dann mehr erwartet als diese bereit sind zu leisten.
„Und ich hätt gern, das wär ein riesengroßer Wunsch, ich hätte gern ein Lehrerteam,
das das auch leben könnte. Nicht Lehrer, die das aus anderen Motivationen heraus
mitmachen, in diesen Daltonklassen zu arbeiten. Das wär mein riesigster Wunsch. Der
ist leider nicht zu erfüllen, ich weiß, (lachen) weil die Lehrer die in einer Schule sind,
nur mit denen kann man arbeiten. Und das ist halt das Problem.“ (ES, Z, 4)
Eine Aufgabe der Schulleitung ist es, in solchen Prozessen darauf Acht zu geben, dass die
Entwicklungen weiterhin gefördert werden um nicht stehen zu bleiben. Nach der konkreten
Einführung des Daltonplans gehen die Veränderungen oft nur schleppend voran und die
Motivation lässt nach. Hier muss die Schulleitung steuernd eingreifen, da diese Prozesse
97
unsicher und offen sind und mitunter eine Überforderung für Lehrer/innen darstellen. Konkret
bedeutet das für den/die Schulleiter/in nicht mehr ein routinemäßiges Führen, sondern, dass
er/sie sich um „Anregungen zu effektiver Zielerreichung, um Motivation, Koordination von
Gruppenaktivitäten und Teamarbeit, um Visionen und natürlich auch um Entscheidungen in
wichtigen Angelegenheiten“ bemühen muss (vgl. Krainz-Dürr 2007, S. 76).
4. Wenn ein Projekt an einer Schule gestartet wird, dann entwickeln sich unterschiedliche
Gruppen mit verschiedenen Aufgaben und Verantwortungsbereichen. Auch Schnittstellen
zwischen der Projektgruppe und dem restlichen Kollegium entstehen und müssen organisiert
werden. Natürlicherweise grenzt sich eine Gruppe von den anderen, die nicht der Gruppe
angehören, ab. Da diese einzelnen Gruppen aber ihr Interesse durchsetzen wollen, eben ihren
eigenen Willen entwickeln und dieser unter Umständen im Gegensatz zur Gesamtorganisation
steht, muss die Schulleitung diese Differenzen berücksichtigen und bearbeiten (vgl. KrainzDürr 2003, S. 92f).
17
Resümee
In den vorherigen Kapiteln habe ich die Forschungsfragen beantwortet. Nun folgen eine
zusammenfassende
Darstellung
der
Ergebnisse
und
ein
Ausblick
für
mögliche
Verbesserungen und Weiterentwicklungen in Bezug auf die Arbeit mit dem Daltonplan.
Der Daltonplan dient heute wieder vermehrt als Orientierung für die Gestaltung des
Unterrichts, jedoch sind die Unterschiede zum Daltonplan wie ihn Parkhurst entwickelte,
doch sehr gravierend. Es gibt eine große Spannbreite der Umsetzung und größtenteils wird
der Daltonplan nicht mehr in der ursprünglichen Form geführt.8 Das liegt nicht daran, dass
sich die Lehrer/innen unzureichend mit dem pädagogischen Konzept auseinandergesetzt
haben. An einigen Schulen wird die genaue Umsetzung des Daltonplans nach Parkhurst nicht
angestrebt. Viele Anregungen von Parkhurst werden von den Lehrer/innen als nicht
umsetzbar bzw. auch nicht mehr zeitgemäß eingestuft, zumal das derzeitige Schulsystem
ihnen nur einen gewissen Spielraum lässt.
8
Obwohl ich persönlich meine, dass nicht angegeben werden kann, was definitiv die ursprüngliche Form des
Daltonplans ist. Es gibt keine ausführlichen schriftlichen Darstellungen über die Unterrichtspraxis von Helen
Parkhurst an der New Yorker Schule (Näheres dazu im Kapitel 4). Auch ist der Daltonplan, wie Parkhurst sagt
„a way of life“ und der findet in vielen Formen statt.
98
Fraglich ist, ob Parkhurst Schulen als Daltonschulen bezeichnet hätte, die nur Elemente von
ihrem Konzept umsetzen. Modifikationen des Konzepts und eine Anpassung an die
Rahmenbedingungen der Schule sind sehr wohl erwünscht, aber es geht über die Prinzipien,
die Parkhurst nannte, hinaus. Der Daltonplan ist eben mehr als nur die Arbeit mit den
Arbeitsplänen. Selbstkontrolle der Schüler/innen (mittels Graphen), fächerübergreifende
Pensen, Möglichkeit der Zusammenarbeit von Schülerinnen/Schülern jeder Altersstufe und
eine
Umgebung,
die
zum
Studieren
anregen
soll
(Laboratorien
mit
genügend
Lernmaterialien), sind ebenso Bestandteil des Konzepts. Obwohl es auf den ersten Blick so
scheint, ist der Daltonplan doch nicht so leicht ins Regelschulsystem zu integrieren,
zumindest, wenn man ihn nach den Vorstellungen Parkhursts praktizieren möchte. Sie
erkannte den Daltonplan als Möglichkeit zur Reorganisation des Schullebens und demzufolge
müssten offensichtlich wirklich Hebel in Gang gesetzt werden, um dies zu erreichen. Viele
Schulen sehen die Implementierung des Konzepts jedoch gelassener und geben sich mitunter
mit „weniger“ zufrieden.
Obwohl der Daltonplan in adaptierter Weise angewandt wird, werden die Grundgedanken
dieser Pädagogik weiter getragen. Die Verbesserung des Unterrichts und die Steigerung der
Lernfreude bei den Schülerinnen/Schülern werden vom Lehrkörper gesehen und so fördert
das ihre Motivation sich für den Daltonplan einzusetzen und ihn weiterzuführen. Das ist somit
auch ein Grund für das Festhalten am Daltonplan. Mit der Bezeichnung Daltonplan bekommt
die neue pädagogische Tätigkeit einen Namen. Beziehungen zwischen den einzelnen Schulen
werden aufgebaut und es findet ein Austausch statt. Im Mittelpunkt steht die Verbesserung
des Unterrichts und des Schulalltags. Das ist eine Gemeinsamkeit aller Daltonschulen. Ein
weiteres Kennzeichen ist die Offenheit gegenüber Neuem.
Wie bereits erwähnt, ist es aus der Sicht der Lehrer/innen nicht sinnvoll, das Konzept in der
heutigen Zeit unbedacht zu kopieren. Einerseits wegen der Rahmenbedingungen, die von der
Schule her gegeben sind, andererseits aufgrund der Veränderung der Gesellschaft, in der ein
„alter“
Daltonplan
nicht
mehr
anschlussfähig
erscheint.
Die
Prinzipien
der
Daltonplanpädagogik werden berücksichtigt und es wird versucht, diese in die Regelschule zu
integrieren. Das Rad wird somit nicht neu erfunden, sondern man setzt an „alten Traditionen“
an, wobei auch neue Tendenzen ihren Weg in die Arbeit mit dem Daltonplan finden. So wird
in Zukunft der Möglichkeit von Schulentwicklung mittels Daltonplanpädagogik noch mehr
99
Bedeutung zukommen. Ansätze hierfür sind gegeben, müssen jedoch noch ausgebaut werden.
Die lernende Schule ist noch nicht umgesetzt.
Wenn es auch schwierig sein mag etwas zu verändern bzw. auch Entwicklung und Lernen in
die Schule zu bringen, so sind die Lehrer/innen doch sehr bemüht. Was fehlt, ist sicherlich
das Eingreifen der Schulleitung in größere Entwicklungsprozesse. „Steuerung von oben“
würde so manche Entwicklung vorantreiben und längerfristig eine Entlastung für die
Lehrer/innen bedeuten, auch wenn vom Lehrkörper darauf zunächst mit Abwehr reagiert
wird. Eine derartige Steuerung würde zunächst als Eingriff in die Arbeits- und
Unterrichtsgestaltung empfunden werden, denn „Unterstützung von oben“ wird von den
Lehrer/innen bis jetzt hauptsächlich mit Freiheiten gleichgesetzt.
Um eine Neugestaltung der Schule zu ermöglichen, muss ein Raum geschaffen werden, in
dem Reflexion darüber stattfinden kann, was der Daltonplan ist und welche Ziele sich die
Schule gesteckt hat. Ein Denken muss sich entwickeln können, das loskommt von den
Rahmenbedingungen, die eine Umsetzung unmöglich machen und sich stattdessen jenen
Bereichen zuwendet, in denen eine wirkliche Veränderung möglich ist. Diesbezüglich scheint
noch genügend Potenzial vorhanden zu sein. In den meisten Veränderungsprozessen kommt
es eben auf die Mitarbeit des Kollegiums an und auf ein organisiertes Vorgehen. Zu Beginn
des Schuljahres festgelegte Termine für Besprechungen und Teamsitzungen wären sinnvoll,
damit es nicht nur sporadisch zu Treffen kommt und eine effektive Weiterentwicklung und
ein Fortschritt möglich werden. Es sollte Einigkeit darüber bestehen, was für die Schule nun
die Daltonplan-Pädagogik ist, was das Ziel der Schule ist, und wohin die Entwicklung gehen
kann und soll. Denn wenn unterschiedliche Vorstellungen bestehen, wie der Unterricht nun
aussehen soll, können mitunter verschiedene Strömungen entstehen, die dazu führen, dass
Lehrende zunehmend gegeneinander statt miteinander agieren.
Bei aller Freiheit, die von der Schulleitung gegeben ist und auch der Bereitschaft im
Lehrkörper für Entwicklungen, ist jedoch darauf zu achten, dass der Daltonplan nicht derart
abgewandelt wird, dass sich im Endeffekt fast keine Änderungen bzw. Erneuerungen mehr
erkennen lassen und das Konzept nichts Innovatives mehr beinhaltet. Der Daltonplan ist
nämlich mehr als „Offener Unterricht“ oder die Arbeit mit Arbeitsplänen. Diese
Unterrichtsmethoden können sehr wohl der Ausgangspunkt sein, im Sinne des Daltonplans
dürfte aber die Entwicklung nicht an diesem Punkt stehen bleiben.
100
Ein weiterer Punkt in der Entwicklung des Daltonplans ist, dass die Verantwortung nicht
mehr an andere abgeschoben wird. Jede/r Lehrer/in ist Teil der Organisation, des Projekts und
mitverantwortlich für die Veränderungen an einer Schule. Das Kollegium muss zu einem
Team zusammenwachsen und miteinander arbeiten und kooperieren, neue Ideen entwickeln
und den Unterrichtsalltag reflektieren. Nachhaltigkeit kann nur erreicht werden, wenn sich der
gesamte Lehrkörper zu Entwicklungen durchringen kann und so der Daltonplan zu einem
einheitlichen Projekt wird. Ist dies nicht der Fall, wird die Energie von Einzelnen durch die
Entwicklungsarbeit verschwendet und nicht auf einen Prozess konzentriert.
Betrachtet man die Umsetzung des Daltonplans an den Schulen aus dem Blickwinkel einer
konservativen Daltoninterpretation, dann ist das Konzept nicht umgesetzt. Da die
Lehrer/innen jedoch das Konzept als Orientierung ansehen, und es sich so zurecht legen, wie
es die Rahmenbedingungen zulassen bzw. wie es den Vorstellungen der Lehrer/innen
entspricht, kommt es zu einer konsequenten Implementierung des Daltonplans. Grundsätzlich
ist aber festzuhalten, dass die Lehrer/innen, die ich interviewen durfte, sehr engagiert in ihrer
Unterrichtstätigkeit sind und keine Mühen scheuen den Schulalltag interessant und für die
Schüler/innen anregend zu gestalten. Sie haben sich dazu entschlossen die Schule zu
verändern und etwas zu bewegen.
101
V
QUELLENNACHWEIS UND ANHANG
18
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Husova Dalton Schule:
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Chalabalova Dalton Schule:
Online im Internet: URL: http://www.chalabalova.cz (Stand 2009-05-04)
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ANHANG INTERVIEWLEITFADEN
Interviewfragen
Zur Lehrperson:
Wie lange unterrichten Sie schon nach der Konzeption des Daltonplans?
Wie wurden Sie Lehrer/in an einer Daltonschule?
Welche Qualifikationen (Ausbildung, Zusatzqualifikationen, soziale Kompetenzen) muss
ein/e Lehrer/in mitbringen, um an einer Daltonschule zu unterrichten?
Zur Schule:
Setzt die ganze Schule die Daltonplan Pädagogik um?
Wie viele Klassen werden nach dem Konzept des Daltonplans geführt?
Wie sehen die Klassen aus? (altershomogen, altersheterogen)
Zum allgemeinen Unterricht:
Wie werden die Prinzipien: 1. „freedom“, 2. „cooperation“ und 3. „budgeting-time“
umgesetzt?
ad 1. Können die Schüler/innen frei wählen, mit welchen Unterrichtsthemen sie beginnen
möchten oder arbeiten alle Schüler/innen zur gleichen Zeit am selben Thema?
ad 2. Dürfen die Schüler/innen ihre Sozialform während der Freiarbeitsstunden frei wählen?
(Gibt es ein Tutorensystem an der Schule?)
ad 3. Wie erfolgt die Arbeit mit den Pensen?
Wie sehr kontrolliert der Stundenplan den/die Schüler/in in seiner Arbeit?
Wie viel Einfluss üben Sie als Lehrer/in auf die Zeiteinteilung der Schüler/innen aus?
Wie gehen Sie mit der unterschiedlichen Lerngeschwindigkeit der Schüler/innen um?
Gibt es Förderunterricht für leistungsschwache Schüler/innen? (Werden diese aus dem
regulären Unterricht genommen? Was passiert mit Schüler/innen, die das Pensum nicht
erfüllen?)
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Wie wird der Unterricht in Ihrer Klasse organisiert?
-
Tagesablauf im Unterschied zu einer normalen Schule
-
Fachwinkel oder Facharbeitsräume
-
Handhabung von Tests/Schularbeiten und Leistungsbeurteilung
-
Pensen und Graphen
-
Hausübungen
Gibt es Besonderheiten an Ihrer Schule, eine spezielle Arbeit mit dem Daltonplan?
Gibt es festgelegte Zeit für Daltonstunden? (Gibt es eine einheitliche Daltonschiene für alle
Klassen? Wie sieht das Verhältnis von Daltonstunden und Regelunterricht aus?)
Zur Lehrperson:
Welche Änderungen an der Umsetzung des Daltonplanunterrichts würden Sie vorschlagen?
Gibt es irgendwelche Einschränkungen für Ihren Unterricht?
Was würden Sie brauchen um das Konzept vollständig umzusetzen?
-
Ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll das Konzept von Helen Parkhurst
gänzlich zu übernehmen?
-
Gibt
es
Punkte,
die
nicht
umsetzbar
sind?
(Räumlichkeiten,
Schulorganisation, Finanzierung?)
-
Wie viel Spielraum wird Ihnen in der Umsetzung des Daltonplans
gelassen?
Wieso
glauben
Sie
ist
die
Daltonplan-Pädagogik
weniger
verbreitet
als
der
Regelschulunterricht?
-
Bekommen Sie Unterstützung für ihre Arbeit?
-
Vernetzen Sie sich mit anderen Schulen oder mit Dalton-Organisationen?
Was sagen Kritiker in Bezug auf den Daltonplan und wie gehen Sie damit um?
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Lebenslauf
Persönliche Daten:
Name:
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Staatsbürgerschaft:
Helene Juliana Feichter
6.9.1982
Klagenfurt
Österreich
Ausbildung:
1989-1993
Volksschule 16, Klagenfurt
1993-1997
BRG 2 Mössingerstraße, Klagenfurt
1997-1998
Fachschule für soziale Berufe I, Klagenfurt
1998-2002
BORG I (Schwerpunkt Bildnerische Erziehung) Klagenfurt
2002-2007
Studium der Pädagogik (Schwerpunkt Schul- u. Berufspädagogik), Wien
Sonstige Tätigkeiten bzw. Praktika:
2004 Anstellung im Verkauf Hennes & Mauritz in Wien
2005 Wissenschaftliches Praktikum am Institut für Unterricht- und Schulentwicklung (IUS)
an der Alpen Adria Universität Klagenfurt, Fakultät für Interdisziplinäre Forschung
und Fortbildung
2006 Praktikum
bei
„Jugend
am
Werk“
in
Klagenfurt
(Mitarbeit
im
Berufs-
orientierungskurs)
2006 Pädagogisches Praktikum an der Kinderuni Wien 2006
2006 Wissenschaftiches Praktikum am Institut für Unterricht- und Schulentwicklung (IUS)
an der Alpen Adria Universität Klagenfurt, Fakultät für Interdisziplinäre Forschung
und Fortbildung
2007 Anstellung in Verkauf bei Interspar in Wien
Seit 2006 Kinderbetreuung
im
Rahmen
ovn
Flying
Nanny
Einsätzen
und
im
„Kinderzimmer“ des Kinderbüros an der Universität Wien.
Wien, am 23.11.07
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