Schwerter zu Pflugscharen

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Schwerter zu Pflugscharen
Schwerter zu Pflugscharen
Von: Peter Haigis, erschienen im Deutschen Pfarrerblatt, Ausgabe: 11 / 2014
Auf dem Platz vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in New York steht die Bronzeskulptur eines russischen Künstlers.
Sie ist im Stil des Sozialistischen Realismus gestaltet und zeigt einen muskulösen Mann, einen Arbeiterhelden, der mit einem
Hammer ein Schwert bearbeitet. Wie ein Schmied schlägt er den Stahl der Waffe und gibt ihm dabei eine neue gerundete
Form - die Form einer Pflugschar.
Die Sowjetunion hat den Vereinten Nationen 1959, mitten im Kalten Krieg, diese Skulptur zum Geschenk gemacht.
Vielleicht, um die Weltorganisation an sich zu binden. Vielleicht auch, um mit Friedenspropaganda vom Unfrieden und von
kriegerischen Aktivitäten in eigener Regie abzulenken. Vielleicht, um den Vereinten Nationen ein sozialistisches Denkmal zu
setzen. Denn der Schmiedehammer und das zur Pflugschar gebogene Schwert erinnern an Hammer und Sichel, die
Embleme des Sowjetstaates. In jedem Fall steht die Skulptur in einem krassen Widerspruch zur damaligen Weltpolitik und zu
den strategischen Absichten der Sowjetmacht von damals.
Wichtiger als derlei Mutmaßungen jedoch ist der unverkennbare biblische Bezug dieses Denkmals: Schwerter sollen in
Pflugscharen verwandelt werden und Spieße in Winzermesser. Aus Kampfwaffen werden landwirtschaftliche Geräte.
Menschen sollen nicht mehr das Kriegshandwerk lernen, sondern das, was dem Frieden dient und das Leben fördert. So
haben es zwei Propheten des Alten Testaments in ihrer Vision einer besseren Zukunft für diese Erde gesehen: Jesaja und
Micha.
"Schwerter zu Pflugscharen" - das wurde auch der Slogan einer weltweiten Friedensbewegung in den 80er Jahren, und das
grafische Abbild der Skulptur vor dem UN-Hauptquartier geriet zu deren Logo. Die Initiative hierzu kam übrigens aus der
DDR, aus den Kreisen der dortigen unabhängigen Friedensbewegung. Am 24. September 1983, also vor mehr als dreißig
Jahren, hat der Schmied Stefan Nau gezeigt, dass das prophetische Bild von den Schwertern, die in Pflugscharen verwandelt
werden, mehr ist als eine große Vision - und auch mehr als ein wuchtiges Denkmal. In einer öffentlichen Aktion anlässlich
eines ostdeutschen Kirchentages hat er ein Schwert zu einer Pflugschar umgeschmiedet. In Wittenberg. In der damaligen
DDR. Ausgerechnet da! Und das hatte Symbolwirkung. Damit hat er der Friedensbewegung in Ost und West den Rücken
gestärkt: "Ihr seid auf der richtigen Spur, auf der Spur, die Gott für diese Welt vorgezeichnet hat" - konnte das heißen.
Naus spektakuläre Aktion knüpfte an den biblisch-prophetischen Hintergrund wie an das Sowjetdenkmal vor den Vereinten
Nationen gleichermaßen an, denn längst war der Muskelprotz mit dem zur Pflugschar umgeschmiedeten Schwert zur Ikone
der Friedensbewegung in der DDR geworden. Bereits 1980 haben evangelische Jugendgruppen dort ein Abbild der New
Yorker Skulptur als Lesezeichen gedruckt und damit zu Buß- und Bettagsgottesdiensten eingeladen. Und von hier nahm das
Signet dann seinen Lauf durch die Gruppierungen der Friedensbewegung weltweit - und mit ihm die prophetische Vision
aus Jes. 2 und Micha 4.
Die Friedensfrage hat auch die Publikationen im "Deutschen Pfarrerblatt" dieses Jahrgangs stark beschäftigt. Kein Wunder
in einem Jahr, in dem an den 100 Jahre zurückliegenden Ausbruch des Ersten und den 75 Jahre vergangenen Beginn des
Zweiten Weltkriegs zu erinnern war! Kein Wunder auch in einem Jahr, in dem die Sorge um militärisch ausgetragene
Konflikte nochmals wuchs und mit der Eskalation in der Ukraine wie den Flüchtlingsströmen aus Syrien Europa regelrecht auf
den doch recht warmen Pelz rückte.
Und noch immer ist nicht alles dazu gesagt - auch theologisch nicht, wie die Beiträge dieses Heftes zeigen.
Angeregte und nachdenklich stimmende Lektüre wünscht Ihnen Ihr
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Peter Haigis
Deutsches Pfarrerblatt, ISSN 0939 - 9771
Herausgeber:
Geschäftsstelle des Verbandes der ev. Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V
Langgasse 54
67105 Schifferstadt
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