PDF 21 - Deutsche Sprachwelt

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PDF 21 - Deutsche Sprachwelt
AUSGABE 21
Herbst 2005
6. Jahrgang – 3
ISSN1439-8834
(Ausgabe für Deutschland)
Eindeutigkeit ade
Horst Haider Munske schreibt
über eine Steinzeitreform
und über Kultusminister, die
als Frühstücksdirektoren und
Grüßauguste handeln.
Seite 3
Entschuldigung?
Hermann Zabel kritisiert als
Rechtschreibreformer den Diskussionsstil bekannter Reformkritiker und fordert von
ihnen eine Entschuldigung.
Seite 4
Heil dem Heil
Hans Hermann Meyer verteidigt das schöne kleine Wort
„Heil“ und weist nach, daß der
uralte Gruß an keinen Massenverbrechen schuldig ist.
Seite 9
Kriminalfall Schiller
Hans Binder geht dem Schicksal der Gebeine Schillers nach
und widmet sich besonders
der Frage nach dem Verbleib
von Schillers Schädel.
Seite 11
Schon gespendet?
V
on Zeit zu Zeit sehen wir unsere Listen durch und prüfen,
welche Bezieher der DEUTSCHEN
SPRACHWELT gespendet haben.
Ist schon sehr lange keine Spende
mehr eingegangen, senden wir die
DSW nicht mehr zu, um Kosten zu
senken. Ausgenommen sind zum
Beispiel Büchereien, Schulen oder
Museen. Derzeit läuft wieder eine
Prüfung. Wenn Sie also schon lange
nicht mehr gespendet haben, holen
Sie dies bitte nach, um nicht versehentlich aus dem Bezieherkreis
auszuscheiden. Falls Sie die Zeitung
nicht mehr möchten, schreiben Sie
am besten an [email protected]. Vielen Dank!
Ihr Verein für Sprachpflege
Lehrer für die deutsche Sprache
Von schwarzen Schafen und leuchtenden Vorbildern
Von Thomas Paulwitz
I
ch glaube nicht, daß die deutsche
Sprache etwas so Bedeutendes
darstellt, daß man sie unbedingt erhalten müßte.“ Dieser Satz stammt
nicht etwa – wie man angesichts öffentlicher Sprachpanschereien vielleicht erwarten könnte – vom Vorstandsvorsitzenden der Deutschen
Bank oder der Deutschen Telekom
oder der Deutschen Bahn, sondern
– halten Sie sich fest – von einem
jungen Deutschlehrer. Unser Leser
Helge Wolff, ein Mathematik- und
Physiklehrer aus Gießen, berichtete
uns fassungslos von einem Erlebnis
auf einer Klassenfahrt.
Ihm war aufgefallen, daß der besagte Deutschlehrer ständig von „Kids“
redete, wenn er von seinen Schülern
sprach. Daraufhin lenkte Wolff das
Gespräch auf das Anglizismenproblem. Sein Kollege fand das alles
halb so wild, schließlich habe es seit
jeher Einflüsse aus anderen Sprachen
gegeben. Als Wolff einwendete, daß
diese Einflüsse durch Gegenbewegungen zurückgedrängt wurden und
daß gerade Deutschlehrern die Verpflichtung zukomme, für eine saubere Sprache bei den Schülern zu
sorgen, erntete er nur Unverständnis
und das eingangs wiedergegebene
Bekenntnis zur Gleichgültigkeit gegenüber der deutschen Sprache.
Leider ist dieses Erlebnis kein Einzelfall. Daß es ausgerechnet unter den Deutschlehrern zahlreiche
schwarze Schafe gibt, belegen viele
Zuschriften, die die DEUTSCHE
SPRACHWELT laufend erreichen
und die wir natürlich auch wiedergeben. Das stößt nicht immer auf Gegenliebe. Leserin Renate Beigang,
eine begeisterte ehemalige Lehrerin,
die viele Jahre in der Uckermark
Deutsch unterrichtet hat, fühlte sich
von solchen Belegen in ihrer Berufsehre gekränkt. Sie empörte sich:
„Wenn man Ihre Zeitung liest, ist
man von der Gewissen- und Verantwortungslosigkeit einer Redaktion
abgestoßen, die Leserbriefe von der
‚Qualität‘ des Herrn Hildebrandt abdruckt, der da behauptet, die Gleichgültigsten gegenüber dem Sprachproblem finde man im Berufsstand
der Lehrer und Germanisten.“
Wolfgang Hildebrandt, der selbst
Lehrer ist, hatte in seinem Beitrag „Sprachnotstand in der Schule“ (DSW 18, Seite 10) von einer
mangelhaften Einstellung vieler
Deutschlehrer zu ihrem Unterrichtsgegenstand berichtet und dafür nahezu ausschließlich Zustimmung aus
der Leserschaft erfahren.
Es soll nicht verschwiegen werden,
daß es eine Vielzahl einsatzfreudiger Deutschlehrer gibt, die sich für
die deutsche Sprache ins Zeug legen
und für hoffnungsvolle Lichtblicke
sorgen. Diese Lehrer gilt es zu unterstützen und zu ermutigen. Sie sind
nicht gemeint, wenn Klagen über
Deutschlehrer laut werden.
Ein solcher Hoffnungsträger ist Josef
Kraus, Deutschlehrer, Schulleiter,
Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und DSW-Autor (DSW 6
und 15). Sein neuestes, äußerst lesenswertes Buch heißt „Der PISASchwindel. Wie Eltern und Schule
Potentiale fördern können“. Kraus
fordert eine „Offensive für muttersprachliche Bildung“.
Nicht jeder Lehrer begeistert die Kinder für die deutsche Sprache.
„Das Beherrschen von Sprache ist
eine Schlüsselqualifikation, vor
allem die Muttersprache ist der
Zentralschlüssel für alles Erfahren, Mitteilen, Denken und damit
Lernen“, schreibt Kraus. Die Deutschen billigten der Muttersprache
als Schulfach zwischen der 1. und
der 10. Klasse nur 16 Prozent der
Wochenstunden zu, die Franzosen
hingegen 26 oder die Schweden 24
Prozent. Die Spracherziehung sei
in den vergangenen dreißig Jahren
stark vernachlässigt worden. Kraus
fordert einen Literaturkanon, eine
Stärkung der Schulbibliotheken und
von den Eltern, daß sie ihren Kindern
ein Kontrastprogramm zu Fernseher
und Rechner bieten. Und dieses Programm heißt: Lesen, Lesen, Lesen.
Josef Kraus, Der PISA-Schwindel.
Unsere Kinder sind besser als ihr
Ruf. Wie Eltern und Schule Po-
Erfolge aus der Arbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT
Anglizismen:
Tag der deutschen Sprache:
Deutsche Telekom
bloßgestellt
Besseren Deutsch- Zwei Bundesländer
unterricht gefordert machen nicht mit
Dem Aufruf unserer SprachsünderEcke, sich bei der Telekom über neue
Tarifbezeichnungen wie Call Plus
oder XXL Freetime zu beschweren,
sind zahlreiche Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT gefolgt.
„Zu Recht kann ein Kunde erwarten,
in einwandfreiem Deutsch bedient
zu werden“, hieß es etwa. Der massenhafte Protest führte dazu, daß sich
die Telekom verzweifelt zu rechtfertigen suchte – mit fragwürdigen Argumenten.
Siehe Seite 10.
Anläßlich des Tags der deutschen
Sprache am 10. September verbreitete die DEUTSCHE SPRACHWELT
die Forderung, den Deutschunterricht an den Schulen stark aufzuwerten. Der Anteil der Deutschstunden
am Gesamtunterricht müsse erhöht
werden, Deutschlehrer müßten wieder stärker auf die Genauigkeit des
Ausdrucks achten, die Literatur müsse wieder öfter Gegenstand des Unterrichts sein. Viele Medien berichteten darüber.
Mehr in der nächsten Ausgabe.
Rechtschreibreform:
Die Aufklärungsarbeit trägt Früchte: Bayern und Nordrhein-Westfalen haben sich dem Beschluß der
Kultusministerkonferenz widersetzt,
die mißlungene Rechtschreibreform
zum 1. August dieses Jahres an ihren
Schulen verbindlich in Kraft treten
zu lassen. Dort wird die bewährte
Rechtschreibung weiterhin nicht als
Fehler gewertet. Zahlreiche Hörfunksender übertrugen am 1. August eine
Stellungnahme der DEUTSCHEN
SPRACHWELT.
Siehe Seite 4.
Bild: obs / Initiative „Mehr vom Tag – mehr vom Leben“
tentiale fördern können, SignumVerlag, Wien/München 2005, 248
Seiten, gebunden, 16,90 Euro.
Das Buch können Sie über den Buchdienst der DEUTSCHEN SPRACHWELT bestellen. Einen Bestellschein
finden Sie auf Seite 8!
Vor fünf Jahren
in der DSW
Ausgabe 2, 20. September 2000
Die zweite Ausgabe der DEUTSCHEN SPRACHWELT fragt
auf der Titelseite „Wer stoppt Dr.
Pansch?“ und ruft die Leser zur
Wahl des „Sprachwahrers des Jahres“ auf. Klaus Däßler geht an die
Wurzeln der weltweiten Sprachzerstörung. Alexander Glück stellt
das von der DSW verbreitete Wörterbuch „Engleutsch? Nein danke!“ vor. Manfred Pohl beginnt
eine Reihe mit „Betrachtungen
zur sogenannten Rechtschreibreform“. Robert Borsch belegt mit
einem Blick auf die Geschichte,
daß auch Schöpfungen deutscher
Wörter sich einbürgern können.
Die DSW dokumentiert die Antwort des Kulturstaatsministers
Michael Naumann auf Fragen des
FDP-Bundestagsabgeordneten
Jürgen Türk zum Sprachschutz
in Deutschland. Thomas Paulwitz berichtet, wie die DSW die
Frankfurter Allgemeine Zeitung
in ihrer Entscheidung beeinflußte,
zum 1. August 2000 nach einem
einjährigen Experiment wieder
zur bewährten Rechtschreibung
zurückzukehren.
Die Ausgabe 2 ist noch erhältlich!
Bestellen Sie auf Seite 5.
Leserbriefe
Seite 2
DER LESERVORSCHLAG
Lustige Begriffe
in Umlauf bringen
Seit langer Zeit freue ich mich über
Ihre Zeitung zur Erhaltung unserer
Muttersprache. Leider helfen unsere Bemühungen kaum. Vielleicht
könnte man mit einem kleinen Wettbewerb versuchen, auf positive Weise Interesse für die deutsche Sprache
zu wecken. Mit lustigen Ausdrücken
wie „Besseresser“ statt Gourmet sollen deutsche Begriffe gefunden und
„eingeschleust“ werden. Es könnte die Werbung, die so gerne neue
Wörter benützt, möglicherweise sie
gebrauchen statt erfundener amerikanischer „Zwitterwörter“.
Elisabeth Schamp
Sonderschuldirektor i. R.
Genial ist supergeil
Was „super“ war, das wurde „geil“.
Ob asozial, ob kollegial –
auch „supergeil“ nahm daran teil.
Heut wird, was „geil“ war, zu
„genial“.
Fritz-Jürgen Schaarschuh
Blaupunkt-Deutsch: Bist Sauferei zu drinnen?
Zum Übersetzen gehört mehr als nur
ein Wörterbuch. Obwohl diese Binsenweisheit einen nicht gerade vom
Stuhl reißt, hat sie bei Anbietern
technischer Geräte zuweilen den
Bekanntheitsgrad eines böhmischen
Dorfs. Leser Peter-Ingo Bosse hat
uns auf eine Sicherheitswarnung
(!) für den Einbau eines Autoradios
des Unternehmens Blaupunkt aufmerksam gemacht, die aufgrund ihrer hanebüchenen Übersetzung ins
Deutsche völlig unverständlich ist.
Kostprobe gefällig? Bitte sehr:
dashboard, check if the integrated
springs are bended to inside of this,
has show in the picture at least 0,4
inches or 10 millimetres.
Bevor und hinter die Gesellschaft
des Fassung Eisenwaren Ein, am
Armaturenbrett, überprüfen falls die
integrierte Quellen bist Sauferei zu
drinnen über dieses hat hereinführen die Konterfei, mindestens 0,4
bewegt sich langsam vorwärts oder
auch 10 millimetre.
Was hat Ihnen gefallen?
Was hätten wir
besser machen können?
Worauf sollten
wir stärker eingehen? Sch
reiben Sie uns,
wir freuen uns auf Ihre
Meinung! Auch
wenn wir nicht jeden Bri
ef beantworten
und veröffentlichen kön
nen, so werten
wir doch alle Zuschriften
sor
Bei einer Veröffentlichun gfältig aus.
g behält sich
die Redaktion das Recht
vor, sinnwahrend zu kürzen. Auf diese
Weise wollen
wir möglichst viele Leser
zu Wort kommen lassen. Schreiben Sie
bitte an:
DEUTSCHE SPRACHWE
LT
Leserbriefe
Postfach 1449, D-91004
Erlangen
schriftleitung@deutsche-s
prachwelt.de
Man fragt sich, wer hier angesichts
der „Sauferei“ wohl blau war. Auf
englisch liest sich die Anleitung zwar
auch nicht fehlerfrei, aber immerhin
so: Before and after the assembly of
the mounting hardware A, in the car
Wirbel um Lafontaine
Frische Luft
Es ist mir unverständlich, wie es auf
einer Messe kein Rauchverbot geben
kann. Es sind viele Menschen dort,
die geschädigt werden und die neuen Produkte ebenso. Wenn Herr Safranski sein gesundheitsschädliches
Verhalten ausleben will, so soll er
das dort machen, wo er nur sich und
andere Raucher schädigt. Im öffentlichen Raum hat Tabakrauch nichts
zu suchen und die Abbildung solcher
Personen in Publikationen wie der
Ihren (DSW 20, Seite 4) auch nicht.
Tim Greve
Bosse wundert sich: „Blaupunkt
war früher immerhin eine weltbekannte deutsche Firma. Es muß die
Frage erlaubt sein, wie eine solche
Firma diesen Unsinn in die Welt
verschicken kann, ohne Schaden zu
nehmen.“ (pau)
Liebe Leser!
Englisch lernen mit der DSW
Lektion 1: Which Swiss Swatch watch?
A
uch die DEUTSCHE SPRACHWELT kann sich der Globalisierung
nicht entziehen. Als Weltunternehmen mit Lesern in über sechzig
Ländern kann sich die DSW der weltweiten Entwicklung nicht verschließen. Zahlreiche Unternehmen des deutschen Sprachraums stellen bereits
auf die Weltsprache BSE (bad simple English) um. Da können wir einfach
nicht abseits stehen. Um gut aufgestellt für das 21. Jahrhundert zu sein, bietet die DSW deswegen ihren Lesern ab sofort einen Englischkurs der besonderen Art an. Aufgrund der überall betonten Leichtigkeit, die englische
Sprache zu erlernen, erwarten wir keinerlei Schwierigkeiten bei unseren
Lesern. (dsw)
Englisch für Anfänger
Drei Hexen schauen sich drei Swatch-Uhren an. Welche Hexe schaut welche Swatch-Uhr an?
Auf englisch: Three witches watch three Swatch watches. Which witch
watches which Swatch watch?
Englisch für Fortgeschrittene
Drei geschlechtsumgewandelte Hexen schauen sich drei Swatch-Uhrenknöpfe an. Welche geschlechtsumgewandelte Hexe schaut sich welchen
Swatch-Uhrenknopf an?
Auf englisch: Three switched witches watch three Swatch watch switches.
Which switched witch watches which Swatch watch switch?
Englisch für Profis
Drei süße Schweizer Hexen-Schlampen, die sich wünschen, geschlechtsumgewandelt zu sein, möchten sich drei Schweizer Swatch-Uhrenknöpfe
anschauen. Welche süße Schweizer Hexen-Schlampe, die sich wünscht,
geschlechtsumgewandelt zu sein, möchte sich welchen Schweizer SwatchUhrenknopf anschauen?
Auf englisch: Three sweet Swiss witch-bitches, which wished to be switched Swiss witch-bitches, wish to watch three Swiss Swatch watch switches. Which sweet Swiss witch-bitch, which wishes to be a switched Swiss
witch-bitch, wishes to watch which Swiss Swatch watch switch?
Diese Lektion hat Leser Rüdiger Sibiller aufgelesen und eingesandt.
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Großes Leser-Echo auf DSW-Beitrag
E
ine Fülle von Reaktionen lö- on des Denkens“ entlarvt: es ist der
Neoliberalisste der Beitrag „Korruption des „(angelsächsische)
Denkens“ (DSW 20, Seite 7) aus, mus“. Aber was ist Neoliberalismus?
Die
Bürger
der Oskar Lageben
auf
fontaines Buch
„Politik
für
diese Frage
alle“ entnom– wenn übermen war. Wir
haupt – recht
hatten gefununterschiedden, daß die
liche
AntGedanken des
worten. Wir
ehemaligen
wollen
uns
SPD-Vorsitdas
sprachzenden beachtliche Leben
lich seien und
aber nicht zu
sie deswegen
schwer maunseren Lesern
chen: Die Reinicht vorentchen werden
halten wollen.
immer reicher,
Daß die Bundie Armen imdestagswahlen
mer
ärmer.
vorgezogen
Soziale Kälte.
würden
und
Schneidige
Lafontaine sich
Manager wolplötzlich auf
len den Shareder Liste der Oskar Lafontaine erhitzt die Gemüter. Bild: obs holder value
PDS und in alsteigern und
len Medien wiederfinden würde, war sonst nichts. Soziale Gerechtigkeit.
zum Redaktionsschluß übrigens gar Ist diese Links-Sprache nicht auch
nicht abzusehen. So fiel der Artikel abgegriffen? Es fehlt nach Lafontaine
unversehens in den Wahlkampf.
das begriffliche Rüstzeug, damit das
Volk die Politiker und eine neue PoLafontaine rief mit seinem Beitrag litik versteht: eine neue Sprache und
unter unseren Lesern ähnlich unter- nicht die dem Volk aufgezwungene
schiedliche Meinungsbekundungen neoliberalistische. Ängstlich fragen
hervor, wie es zwei Ausgaben zuvor wir uns, ob das eine Aufforderung
der Artikel über die Literaturnobel- an die Kultusminister ist, nach der
preisträgerin Elfriede Jelinek (ver- Rechtschreibreform weitere Sprachgleiche DSW 18 und 19) tat: Von reformen durchzuführen. Jedenfalls
stürmischer Zustimmung über nach- danken wir Oskar Lafontaine für
denkliche Kritik bis zu heftiger Ab- seine neoliberalistischen Erleuchtunlehnung war alles zu lesen. Beson- gen. Sie können uns als Verpackung
ders aus dem westdeutschen Raum für Sprachkritik nur eingeschränkt
kamen erregte Zuschriften. Leser aus gefallen. Ehrliche und verständliche
Mitteldeutschland und Österreich Worte – ja, das würde uns freuen,
hingegen pflichteten Lafontaine in aber bitte von allen Politikern.
der Regel bei. Anstoß genommen Heinz-Dieter Dey
wurde eher an der politischen Vergangenheit Lafontaines, die gar Naziparolen
nicht das Thema seines Beitrags war.
Manche fürchteten sogar, der „Lu- Nachdem Sie solchen Naziparolen
xus-Linke“ Lafontaine habe von der verbreitenden Leuten Platz bieten,
DSW aus Spendengeldern ein dickes bitte ich Sie, mir zukünftig Ihre ZeiHonorar erhalten. Hier können wir tung nicht mehr zuzuschicken.
entwarnen: Unsere Autoren erhalten Hartmut Kolb
nämlich grundsätzlich kein Honorar,
Parteipolitisch einseitig
auch nicht Oskar Lafontaine.
Sie haben mich schwer enttäuscht.
Um es klarzustellen: Die DEUT- Aus einem Mitstreiter und UnterstütSCHE SPRACHWELT stellt ein Fo- zer ist nun ein Gegner geworden. Die
rum dar, in dem auch Politiker und Ursache: Der Abdruck einer Seite
abweichende Meinungen zu Wort aus dem Buch von Oskar Lafontaine.
kommen können. Ein weiterer DSW- Der Verfasser behauptet, daß mit der
Autor ist zum Beispiel der nieder- Sprache die Ideologie des angelsächsächsische CDU-Ministerpräsident sischen Kapitalismus übernommen
Christian Wulff (siehe DSW 17) oder würde, und versucht somit ein Feindin dieser Ausgabe der Rechtschreib- bild aufzubauen, das wir alle hofften
reformer Hermann Zabel (siehe Sei- überwunden zu haben. Die Polemik
te 4). Wenn wir auch eine deutliche schließt sich nahtlos an die vor 1914
Meinung haben, so nehmen wir doch gepflegten Feindbilder an. Im Ernst,
immer eine streng überparteiliche was hat ein parteipolitisch einseitiger
Haltung ein. Nicht alle in der DSW Artikel in einem der richtigen deutgeäußerten Meinungen stimmen mit schen Sprache verpflichteten Flugder der Herausgeber oder der Schrift- blatt zu tun? Die Beweisführung des
leitung überein. Das ist unserer An- Herrn Lafontaine ist abwegig. Die
sicht nach kein Fehler, sondern kann Verhunzung der deutschen Spradie Zeitung und die Diskussion in ihr che erfolgt eher durch die Werbung
beleben und vielleicht zu neuen Er- und durch die geistlose Übernahme
angelsächsischer Begriffe, aber auf
kenntnissen führen.
kleinstem Niveau. Zum Beispiel lese
Ihre Schriftleitung
ich in unserem heute empfangenen
Gemeindebrief: Treffen der „boy
Ist die Links-Sprache
group“, also der 12- bis 14jährigen,
nicht auch abgegriffen? am ... Hier im Badeort Bad SalzufFür Politiker ist Sprache das Sein, len heißt es Health Dept., Welcome
auch für Oskar Lafontaine. Sprachli- Point, es wimmelt von Fitness- und
cher „Euphemismus“, also Schönfär- Wellness-Zusammenschlüssen. Zum
berei, ist bei allen Politikern beliebt, Abschluß möchte ich doch empfehum die Wähler nicht zu verschrec- len, sich von schillernden Persönken. „Politikverdrossenheit“ – ja, das lichkeiten, vor allem wenn sie abgeWort kennen wir zur Genüge – ent- halfterte, wenn auch gut verdienende
steht allerdings durch jahrelanges Politiker sind, fernzuhalten, und lieAuseinanderfallen von Willensbe- ber die „coole“ Jugend ins Visier
kundungen und Handeln. Lafontaine zu nehmen. Ganz besonders stört
hat den Übeltäter für die „Korrupti- mich die infame Wortwahl, die Sie
abdrucken: „Der ewige Aufsteiger
nimmt die Sprache der herrschenden
Schichten an.“ Gemeint ist natürlich
Gerhard Schröder.
Erwin H. Kleine
Nicht alle Linken
sind „vaterlandslose
Gesellen“!
Als Regionalleiter eines Sprach- und
Kulturvereins bin ich seit Jahren begeisterter Leser der DEUTSCHEN
SPRACHWELT. Mit der Veröffentlichung eines Auszugs aus Oskar
Lafontaines Buch „Politik für alle“
in Ausgabe 20 beweisen Sie zweierlei wieder einmal auf eindrucksvolle Weise, nämlich erstens: daß
die DEUTSCHE SPRACHWELT
unabhängig und ausgewogen zu berichten weiß und daß das Eintreten
für unsere Sprache nicht ideologisch
und rechtskonservativ eingefärbt
sein muß. Merke: Nicht alle Linken sind „vaterlandslose Gesellen“!
Zweitens, daß Lafontaine – wie auch
immer man politisch zu ihm stehen
mag (ob populistischer Blender oder
wahrer Streiter für die Bewahrung
des Sozialstaates) – zumindest in der
Frage der euphemistischen Sprachverfälschung der anglizistischen
Begriffswelt unumstößliche Wahrheiten verkündet, die uns die neoliberalen Globalisierungseuphoriker
gerne vorenthalten möchten und statt
dessen lieber ihre „hochglänzenden
Mogelpackungen“ verkaufen – oder
besser gesagt, unterjubeln wollen.
Danke für diesen Beitrag!
Alfred Bielefeld
Gegründet im Jahr 2000
Erscheint viermal im Jahr
Auflage: 25.000
Die jährliche Bezugsgebühr beträgt 10 Euro.
Für Nichts- und Geringverdiener ist der
Bezug kostenfrei. Zusätzliche Spenden sind
sehr willkommen.
Bundesrepublik Deutschland
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Anschrift mit Postleitzahl angeben!
ISSN 1439-8834
(Ausgabe für Deutschland)
Herausgeber
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Fernruf 0049-(0)91 31-48 06 61
Ferndruck (Fax) 0049-(0)91 31-48 06 62
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Schriftleitung
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Claudia Moritz-Marten
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Anzeigen
moritz.marten.komm.
Hans-Paul Marten
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Ferndruck (Fax) 0049-(0)22 71-6 66 63
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Freie Mitarbeiter
Astrid Luise Mannes, Frank Fehlberg,
Franz Firla, Frank Geissler, Wolfgang Dorn,
Jürgen Langhans, Fritz-Jürgen Schaarschuh, Dagmar Schmauks, Maria Schorpp,
Rominte van Thiel
Druck
Ferdinand Berger & Söhne GmbH
Wiener Straße 80, A-3580 Horn
Die 22. Ausgabe erscheint im Winter
2005/2006. Redaktions- und Anzeigenschluß sind am 1. November 2005.
Hintergrund
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Seite 3
Verordnete Unordnung
Von Horst Haider Munske
I. Beschädigtes Vertrauen
in die Eindeutigkeit
der Rechtschreibung
Brauchen wir eigentlich eine Rechtschreibreform? Kann man Sprachnormen wirklich reformieren? Und gibt es
überhaupt eine Instanz im deutschen
Sprachgebiet, die dazu fähig und dazu
legitimiert wäre? Diese Fragen stellen
sich erneut, nachdem die meisten deutschen Kultusminister Teile der neuen
Schreibregeln zum 1. August für alle
Schulen in Kraft gesetzt haben. Denn
nach jüngster Allensbach-Umfrage ist
der Widerstand unter den Deutschen
gegen Reformexperimente mit der
Sprache ungebrochen. Das spiegelt sich
auch in den Entscheidungen der meisten großen Zeitungen und Buchverlage gegen die verordnete Orthographie
der Kultusministerkonferenz (KMK).
Die Folgen dieses Nebeneinanders
bisheriger, „reformierter“, teilreformierter (Hausorthographien) und willkürlich gemischter Schreibungen sind
verheerend. Die Einheit der deutschen
Rechtschreibung ist dahin. Die wenigsten kennen sich noch aus und wissen,
was gerade gilt. Was ist geblieben
von der bisherigen vertrauten Rechtschreibung? Was hat die „Reform“
von 1996 geändert? Was wurde davon
inzwischen neureformiert? Was davon
entspricht wiederum der bisherigen
Schreibung? Noch verwickelter wird
es in der schulischen Praxis: Was muß
zum Beispiel ab dem neuen Schuljahr im Reich der brandenburgischen
Kultusministerin als falsch geahndet
werden, was wird nur als falsch angestrichen und wo gibt es Varianten
zwischen „alt“ und „neu“? Glücklich,
wer in diesem Herbst mit seinen schulpflichtigen Kindern nach Bayern oder
Nordrhein-Westfalen umzieht. Dort
gilt noch die bisherige liberale Anerkennung von „alt“ und „neu“. Nur die
Lehrer haben es überall gleich schwer
mit dem, was sie unterrichten sollen.
Schlimmer aber noch als dieses verordnete Durcheinander sind die Langzeitfolgen für die Geltung orthographischer Normen. Das Vertrauen in die
weitgehende Übereinstimmung von
Sprachgefühl und Sprachnorm, in Eindeutigkeit und Richtigkeit der Rechtschreibung ist empfindlich beeinträchtigt. Die deutsche Schriftsprache – das
war das überdachende, einigende Band
der Kulturnation. Dessen waren sich
die verantwortlichen Kulturpolitiker
bewußt, als sie in die Präambel der
Wiener Vereinbarung vom 1. Juli 1996
schrieben: „Sie [die einzurichtende
Kommission für deutsche Rechtschreibung] wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin.“ Tatsächlich
haben die Kommission und die Beamten der Kultusministerkonferenz das
Gegenteil bewirkt.
II. Pyrrhus als Kultusminister
Warum, so fragen sich viele, die auch
von Politikern vernünftiges Verhalten
erwarten, warum richtet die KMK einen Rat für Rechtschreibung ein, folgt
ihm in seinen ersten Empfehlungen zu
dem umstrittensten Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung und
erklärt dann: Das war’s! Komma und
Silbentrennung, die ja ohnehin meist
fakultative (wahlfreie) Regeln enthalten, darf er noch behandeln. Der Rest
sei „unstrittig“. Fremdwortschreibung,
groß und klein, Laut-Buchstaben-Beziehungen, also zum Beispiel Newage
und Horror Vacui, heute Früh und seit
Langem, schnäuzen und behände – das
alles, worüber fast zehn Jahre gestritten wurde, das sei nun unstrittig und
könne der Schule endgültig verordnet
werden. Ist das ihr Umgang mit Spra-
Von einer Steinzeitreform und von Kultusministern,
die als unbeholfene Frühstücksdirektoren handeln
che, Wörter in ihrem Gegensinn zu
gebrauchen? So wie einst die DDR die
Berliner Mauer als „Friedensgrenze“
titulierte.
Warum düpiert die KMK den eigenen
Rat und den von ihr empfohlenen Vorsitzenden Hans Zehetmair? Erklärungen gibt sie nicht, aber plausible Vermutungen. Nach meinen Erfahrungen
im Umgang mit der KMK war es dies:
Sie sah mit den jüngsten unerwarteten
Empfehlungen des Rates ihre Reformfelle davonschwimmen, fürchtete, daß
eine Verlängerung der Übergangszeit
das Ende dieser vor fast zwanzig Jahren eingeleiteten Reform besiegeln
werde. Dabei geht es längst nicht mehr
um die Orthographie. Es geht um die
Macht dieser Kultusministerkonferenz
in Deutschland. Forderungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten
Christian Wulff, sie einfach abzuschaffen, zeigen, wie gefährdet ihre Stellung
ist. Seit Jahrzehnten beherrscht sie mit
ihren Ausschüssen und Kommissionen
die überregionale Kulturpolitik. Was
ihre Beamten untereinander ohne jede
öffentliche Debatte ausgehandelt und
was ihre Amtschefs in gemeinsame
Vorlagen gegossen haben, wird in den
Sitzungen der Kultusminister stets einstimmig abgesegnet. Die Minister haben hier nur noch die Rolle des Grüßaugusts und Frühstücksdirektors ihrer
mächtigen KMK-Organisation. Das
zeigen auch ihre unbeholfenen Auftritte in Fragen der Rechtschreibung.
Wer hier aufbegehrt, dem wird schnell
klargemacht, daß er die eigene Machtposition gegenüber den Ministerpräsidenten und dem Bund gefährdet.
So erklärt sich auch der rigorose Umgang der KMK mit ihren eigenen
Kommissionen, der Rechtschreibkommission (1987 bis 1996), der Zwischenstaatlichen Kommission (1997
bis 2004) und dem Rat für deutsche
Rechtschreibung (seit 2005). Es ist
die übliche Praxis der KMK, sich von
interessierten Verbänden kostenlosen
Rat zu holen, aber nur das zu akzeptieren, was ihr paßt. Wer da glaubt,
ein Recht auf Mitsprache oder gar
Entscheidung zu haben, ist auf dem
Holzweg. Die Arbeitsgruppe Rechtschreibreform der KMK hat sich von
ihrer Mannheimer Reformkommission
weismachen lassen, die neuen Regeln
machten den Unterricht einfacher und
leichter. Mit Kritikern haben sie nie ein
Wort gewechselt, auch jede öffentliche
Auseinandersetzung gemieden. Jetzt
wollen sie nur noch eins: das Prinzip
der vermeintlichen Reform retten. Darum der Affront gegen den eigenen Rat,
darum nehmen sie alles Durcheinander
an den Schulen in Kauf. Daß sich die
schönen Versprechungen in keiner
Weise erfüllt haben, ist längst egal. Die
meisten Politiker geben sogar zu, heute
würden sie niemals mehr eine Rechtschreibreform versuchen. Dennoch
marschieren sie von einem Pyrrhussieg
zum anderen.
der Reiseschreibmaschine und der
Statistiken über Rechtschreibfehler.
Damals entstand das Ethos der Sorge
um Schreibanfänger und Wenigschreiber. Heute scheitert kein Lehrling
mehr an der Rechtschreibung seines
Bewerbungsschreibens. Er holt sich
die Vorlage aus dem Netz. Und keiner schämt sich eines Fehlers in seiner
SMS (telefonischen Textnachricht).
Nur die Schuldiktate verlangen ihm
noch die richtige Rechtschreibung ab.
Welches die richtige ist, schert ihn wenig. Hauptsache, die Note stimmt. Das
begründet den angeblichen Erfolg der
Reform in der Schule.
man am besten nur „hin-über“ (und
nicht „hi-nüber“), damit man am Ende
der Zeile schon ahnen kann, wie es
in der nächsten weitergeht und damit
keine unsinnigen Bruchstücke wie hiund -nüber übrigbleiben. Nicht wie ein
Schüler laut sprechend Silben trennt,
ist entscheidend, sondern wie ein Leser am sichersten und am schnellsten
den Sinn erkennt.
Gerade im Zeitalter elektronischer
Medien kommt es aufs Lesen an.
Daran muß sich die Rechtschreibung
orientieren. Zwei Kriterien sind dabei
ausschlaggebend: die Sprachangemessenheit und die Tradition des Schreibens. Aber was ist angemessen? Sicher
nicht die folgende Faustregel, wie sie
jetzt an den Schulen verbreitet wird:
groß schreibe man alles, was wie ein
Substantiv aussieht, zum Beispiel nach
jedem Artikel. Also etwa „aufs Herzlichste, des Öfteren, im Nachhinein“.
Denn, so fragt unser Sprachgefühl, was
ist das Öftere, das Nachhinein und das
Herzlichste? Es gibt sie nicht, denn sie
kommen bloß in adverbialen Wendungen vor. Darum ist die Großschreibung
hier falsch. So wurde es 1901 auf der
Berliner Rechtschreibkonferenz unter
Mitwirkung erfahrener Schulmänner
vereinbart. Sie setzten die umgekehrte
Regel durch: im Zweifel schreibe man
klein. Dies erlaubt auch die Anpassung
an gewandelten Sprachgebrauch und
hat hundert Jahre gut funktioniert.
Natürlich müssen die Schriftnormen
unserer Sprache auch weiterhin vermittelt werden. Aber sie sind jetzt nicht
mehr zu messen an ihrer leichten Erlernbarkeit, sondern ausschließlich an
ihrer Eignung für die eindeutige und
differenzierte schriftliche Kommunikation. Darauf ist unsere Rechtschreibung
ausgerichtet: in der Großschreibung
der Substantive und in der Kleinschreibung aller anderen Wörter und Wendungen, in der syntaktischen Orientierung des Kommas und natürlich auch
in der Silbentrennung. Deshalb trennt
Das zweite Kriterium ist die Tradition:
Jede Sprache hat ihre eigene Rechtschreibung, die mit der Geschichte der
Sprache gewachsen ist. Auch die deutsche. Sie ist ein Stück ihrer Identität.
Dazu gehören gerade die Substantivgroßschreibung, der ausgefeilte Gebrauch des Kommas und auch die etwas
schwierigen Regeln der Laut-Buchstaben-Beziehung. Es ist ein Glück, daß
hier keinerlei Reformen nötig sind,
nur eine ordentliche Erklärung der
Regeln. Weil unsere Rechtschreibung
auf die Leser zugeschnitten ist, geht
Seite 1
Vom Reformer zum Kritiker der Rechtschreibreform: Horst Haider Munske Bild: Verlag C. H. Beck
Munske.qxp
24.08.2005
16:43
sie auch die Schulminister nichts an.
Sie sind für den Unterricht zuständig,
nicht für die Sprache. Darum haben die
Ministerpräsidenten das Recht und die
Pflicht, unsere Sprache vor falschem
Zugriff und vor einer Verballhornung
der Schreibregeln zu schützen. Zwei
von ihnen, Edmund Stoiber und Jürgen
Rüttgers, haben es erfolgreich getan.
Sie gewinnen Vertrauen zurück, was
jene durch Mißbrauch verspielt haben.
Horst Haider Munske wurde 1935 in
Görlitz geboren. 1962 wurde er in Marburg zum Dr. phil. promoviert, mit Rigorosum in den Fächern Germanistik, Nordistik, Keltologie. 1975 übernahm er den
Lehrstuhl für Germanische und Deutsche Sprachwissenschaft und Mundartkunde an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; im Jahr
2004 emeritiert. Seit 1984 war Munske
Wissenschaftlicher Rat des Instituts für
deutsche Sprache (IdS) in Mannheim.
Der Kommission für Rechtschreibfragen des IdS und dem Internationalen
Arbeitskreis für Orthographie gehörte
er von 1986 bis 1996 an. Aus der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung trat Munske im
September 1997 unter Protest aus.
Ausgewählte Schriften
Horst Haider Munske (hrsgg. mit
Hans-Werner Eroms), Die Rechtschreibreform: Pro und Kontra,
Erich-Schmidt-Verlag, Berlin 1997,
264 Seiten, 16,80 Euro.
Horst Haider Munske, Die angebliche
Rechtschreibreform, Leibniz-Verlag,
St. Goar 2005, 163 Seiten, 9,80 Euro.
Horst Haider Munske, Lob der Rechtschreibung. Warum wir schreiben,
wie wir schreiben, C. H. Beck, München 2005, 144 Seiten, brosch., 9,90
Euro.
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III. Angemessenheit und
Tradition
Es ist eine Ironie der Geschichte, daß
mit jedem Jahr des Grabenkriegs um
die Rechtschreibreform diese selbst
immer überflüssiger geworden ist. Seit
den 90er Jahren hat sich mit Rechnern,
Mobiltelefonen und Internet eine Revolution sprachlicher Kommunikation
vollzogen, durchaus vergleichbar mit
Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks.
Unterwegs mit dem Mobiltelefon, daheim am Bildschirm – der Schüler von
heute braucht sich nicht mehr um die
Rechtschreibung zu sorgen wie seine Eltern und Großeltern. Aus dieser
Zeit aber stammen die Reforminitiativen und die Reformprogramme, die
uns heute plagen. Es ist die Steinzeit
194 Seiten. Paperback Euro 9,90 [D] (bsr 1667)
Sagt man „ein Paar neue Schuhe“ oder „ein neues
Paar Schuhe“? Heißt es „jemand hat gewinkt“ oder
„jemand hat gewunken“? Wann setzt man einen
Apostroph, wie dekliniert man Abkürzungen, wann
verwendet man den Genitiv, wann den Dativ? Hier
geht es um die Zweifelsfälle, denen man im Schreiballtag häufig begegnet. Sie werden pragmatisch,
verständlich und ohne allzuviel Fachjargon erklärt.
142 Seiten. Paperback Euro 9,90 [D] (bsr 1671)
Horst Haider Munske erläutert in diesem Buch
Schritt für Schritt, wie die deutsche Rechtschreibung
im Verlauf von Jahrhunderten entstanden ist. Er
stellt ihre Grundstrukturen dar und erklärt ihre
Eigenheiten. Das Buch ist ein kleiner, kompakter
Reiseführer durch die deutsche Sprache und ihre
Orthographie.
C.H.BECK
Sprachpolitik
Seite 4
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Ickler und Denk
müssen sich entschuldigen!
Von Hermann Zabel
S
eit Beginn des 20. Jahrhunderts
wurden mehr als einhundert
Reformforderungen erhoben und entsprechende Reformvorschläge ausgearbeitet. Sie alle scheiterten aufgrund
verschiedener Umstände. Die Gegner
der Reform schreckten vor keinem
Mittel zurück. So wurden zum Beispiel
die Mitglieder des Internationalen Arbeitskreises beschuldigt, Vorstellungen
zur Reform der deutschen Rechtschreibung aufzugreifen und weiterzuführen, die von den Nationalsozialisten
erarbeitet worden waren. Nichts ist
falscher als eine derartig diskriminierende Behauptung! Der Weilheimer
Studiendirektor Friedrich Denk, der im
Zusammenhang der Frankfurter Buchmesse 1996 gemeinsam mit anderen
eine groß angelegte Kampagne gegen
die reformierte Schreibung ins Leben
gerufen hatte, beklagte öffentlich, daß
die Reformer die zwei Buchstaben,
die in der Geschichte Deutschlands so
viel Unrecht und Leid verursacht hätten, besonders hervorgehoben hätten.
Gemeint waren die Buchstaben: SS!
Kommentar überflüssig.
Das neue Teekesselspiel
„Ein Teekessel ist ein Wort mit zwei
(oder sogar drei) Bedeutungen“,
heißt es im „Großen Buch der Spiele. 1000 Spiele für jung und alt“. Bei
diesem Spiel einigen sich ein oder
zwei Spieler darauf, welches Teekesselwort sie „durchspielen“, also
von den übrigen Mitspielern erraten
lassen wollen. Seit 1996 gibt es ein
neues Teekesselspiel. Sie kennen das
neue Spiel noch nicht? Dann wird es
Zeit, daß Sie es kennenlernen:
Was ist das: Es ist überflüssig, konfus, zum Teil falsch, absurd, verwirrend, schädlich, häßlich, ein Unsinn.
– Es hat einschneidende, negative,
katastrophale Folgen, wird allen auf-
Ein Rechtschreibreformer antwortet den Kritikern
gezwungen, ist eine Zwangsmaßnahme. – Man vergreift sich, eliminiert,
benachteiligt die sozial Schwachen.
Man fühlt sich betrogen oder vergewaltigt, wird gequält. Wovon ist die
Rede? Was wird hier angeprangert?
Nein, die Rede ist nicht von „ethnischen Säuberungen“, von Aids, vom
sexuellen Vergehen an Kindern, von
sozialem Elend, vom Hunger in der
Welt. Nein, von all dem anderen
Elend ist nicht die Rede. Die Rede ist
vielmehr von der Rechtschreibreform,
gegen die unter anderem mit den oben
zitierten Passagen in einem Flugblatt
Stimmung gemacht wurde. Auf dem
Niveau dieses Flugblattes haben seitdem Pressemitteilungen, Leserbriefe
und Berichte über die angeblich gescheiterte Reform bei vielen Bürgern
und Bürgerinnen den Eindruck entstehen lassen, als sei die beschlossene
Reform ein Horrorgebilde.
Welche Schuld trifft
George Orwell?
Wer das Flugblatt aus der Feder von
Studiendirektor Friedrich Denk zum
ersten Mal zur Kenntnis nimmt, fragt
sich, welche Gründe den Autor veranlaßt haben könnten, die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung
als Horrorgebilde zu beschreiben.
Ein Spiegel-Bericht enthält die Antwort: „George Orwell ist an allem
schuld. Als der 20jährige Sohn des
Weilheimer Deutschlehrers Friedrich Denk Ende September aus dem
Urlaub kam, hatte er den Roman
‚1984’ gelesen. Der Maschinenbau-Student öffnete dem Vater die
Augen. ‚Du mußt etwas unternehmen.’ So begann eine Attacke auf
die Rechtschreibreform... Um den
‚Terror durch Orthographie’ (Denk)
noch aufzuhalten, setzte er eine Protestresolution mit zehn Argumenten
auf und verschickte 50 Briefe“.
Denk bleibt rationalen
Argumenten verschlossen
Der Maschinenbau-Student öffnete
dem Deutschlehrer nicht nur die Augen, sondern schickte den Vater auch
in die Irre. In Orwells Roman wird
eine Kunstsprache gewaltsam eingeführt, und zwar dadurch, daß Bestandteile der bisher geltenden natürlichen
Sprache eliminiert, ausgeschieden
oder umgedeutet werden. Es ist schon
bemerkenswert, daß der Deutschlehrer Friedrich Denk, der Germanistik
studiert hat und sich Philologe nennt,
das neue Regelwerk zur deutschen
Rechtschreibung aus der Perspektive
der Orwellschen Neusprache deuten
15. Juni: Der Bundestagsausschuß
für Kultur behandelt einen Antrag der
CDU/CSU-Fraktion (15/4261) sowie
einen Gruppenantrag (15/4249) zur
RSR. Die Union fordert „Klarheit
für eine einheitliche Rechtschreibung“ und von Kultusministern und
Ländern, so schnell wie möglich
eine verbindliche Rechtschreibung
festzulegen. Die Gruppe um HansJoachim Otto (FDP), Vera Lengsfeld (CDU) und Josef Philip Winkler (Grüne) will erreichen, daß die
RSR zurückgenommen wird. Die
Ausschußmehrheit lehnt aber Änderungsvorschläge zur RSR ab. An der
Sitzung nimmt auch der Vorsitzende
des RDR, Hans Zehetmair, teil.
23. Juni: Ein Vorstoß der Ministerpräsidenten der CDU-geführten Bundesländer, entgegen dem Beschluß
1. Juli: Der RDR schließt in Mannheim die Beratungen über die Regelung der Getrennt- und Zusammenschreibung ab. Der Ratsvorsitzende
Zehetmair sagt, der Sprachgebrauch
stehe nun wieder im Vordergrund.
Nach der vom Rat vorgeschlagenen
Reform der Reform sollen wie in
der bewährten Schreibweise mehr
Wörter zusammengeschrieben werden, zum Beispiel eislaufen, fertigmachen, heiligsprechen und (neu:)
leidtun.
8. Juli: Die absehbaren Nachbesserungen an der RSR haben Folgen.
Der Rechtschreib-Duden von 2004
wird nun für 15 Euro (statt 20 Euro)
verramscht.
16. Juli: Bayern und NordrheinWestfalen widersetzen sich dem Beschluß der KMK, Teile der RSR ab
1. August verbindlich in Kraft treten
zu lassen. Beide Länder wollen die
Arbeitsergebnisse des RDR abwarten.
28. Juli: Die Allensbacher Meinungsforscher ermitteln wenig Zu-
Es ist verständlich, daß die Reformkritiker durch pointierte und zugespitzte
Darstellungen die Öffentlichkeit auf
ihre Anliegen aufmerksam machen
wollen. Sie greifen daher auch auf
Mittel der Polemik und Ironie zurück.
Doch überschreitet der Reformgegner
Theodor Ickler das Maß des Zumutbaren und Erlaubten. In seiner Schrift
„Die Rechtschreibreform auf dem
Prüfstand“ verunglimpft er die Reformer fortlaufend. Dieser Reformgeg-
Die Frage „Wann werden sich die Reformkritiker Denk und Ickler für ihre sprachlichen Entgleisungen endlich mal entschuldigen?“ ist einfach zu beantworten
mit der Gegenfrage: „Wann werden sich die Rechtschreibreformer endlich einmal für das Rechtschreibchaos entschuldigen, das sie angerichtet haben?“
Und wenn Zabel meint, daß „Gegner und Befürworter der Reform sich endlich
auf einen Kompromiß einigen müssen“, dann sage ich: Löffelt ihr die Suppe
aus, die ihr der deutschen Sprache sowie den Schülern eingebrockt habt, die
ihr mit eurer „Neuregelung“ der Literatur und dem Lesen entfremdet! Wir
nehmen die Kultusminister und die Verfassungsrichter beim Wort und schreiben weiter in der klassischen Rechtschreibung, die allemal besser ist als eine
notdürftig reparierte Schlechtschreibreform!
Friedrich Denk
zu können glaubt. Denk hat das Regelwerk nie mit der Absicht, es zu
verstehen, gelesen und anscheinend
bis heute auch nicht vollständig. Er
beweist mit seiner Polemik zugleich,
daß er den Text von Orwell nicht verstanden hat! Der absurde Denkansatz
erklärt zugleich die Tatsache, daß
Denk rationalen Gegenargumenten
gegenüber verschlossen bleibt. Er
scheut sich nicht, längst widerlegte Argumente gebetsmühlenartig zu
wiederholen, zum Beispiel, daß die
Die Rechtschreibreform 2005 (Juni, Juli, August)*
der KMK die gesamte RSR erst in
einem Jahr verbindlich einzuführen,
scheitert in der Ministerpräsidentenkonferenz am Widerstand der SPDMinisterpräsidenten.
Ickler verwechselt Kritik mit
Beschimpfung
Keine Entschuldigung!
Teilweises Inkrafttreten
in Teilen des Sprachraums
9. Juni: Das Niedersächsische Verwaltungsgericht weist eine Klage
gegen die RSR (6 A 6717/04) ab.
Das Gericht verweist in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Eine Schülerin
hatte eine Anordnung des Kultusministeriums an ihre Schule beantragt,
daß die bewährte Rechtschreibung
weiterhin nicht als Fehler zu markieren und zu werten sei. Die Klägerin
will nun vor das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ziehen.
gesamte Literatur neu gedruckt werden müsse.
stimmung für die RSR. Die Zahl der
Befürworter ist jetzt mit acht Prozent
so klein wie nie zuvor. Eine Zeitlang
sah es so aus, als ob das Lager der
Reformgegner allmählich kleiner
werde. 1997 sprachen sich 70 Prozent dagegen aus, 2004 nur noch 49
Prozent. Jetzt ist die Zahl der Gegner
jedoch wieder zu einer großen Mehrheit von 61 Prozent angewachsen.
1. August: 14 von 16 Bundesländern schaffen an ihren Schulen die
bewährte Rechtschreibung zum Teil
ab. Die Hörfunkagentur von dpa,
Rufa, verbreitet eine Stellungnahme
von DSW-Schriftleiter Thomas Paulwitz, die von zahlreichen Sendern
ausgestrahlt wird. Am 4. August erscheint eine weitere Stellungnahme
in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Vorschau:
28. Oktober und 25. November: Der
RDR trifft sich in Mannheim.
*Aus Platzgründen wird das Wort
„Rechtschreibreform“ als RSR abgekürzt, „Kultusministerkonferenz“
als KMK, „Rat für deutsche Rechtschreibung“ als RDR. Die Zeittafel
seit dem 1. Januar 2004 ist in DSW
16 bis 20 jeweils auf Seite 4 wiedergegeben.
ner verwechselt Auseinandersetzung
und Kritik mit Beschimpfung. Die
Reformer machen angeblich „wissenschaftlichen Unsinn“ (Seite 8), produzieren „Dummitäten“ und „linkische
Umschreibungen“ (Seite 20), arbeiten
mit „Taschenspielertricks“ (Seite 43);
ihre „reaktionäre Reform“ (Seite 30)
verrät einen „unreifen Schülerstandpunkt“ (Seite 34).
In dem Buch „Die Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich“ fragt
Ickler: „Wer hatte die neuen Regeln
überhaupt ausgeheckt?“ Eine Presseerklärung des Instituts für deutsche
Sprache (IdS) in Mannheim ist „von
beispielloser Arroganz“ (Seite 23).
Ein Mitarbeiter des IdS sei „in letzter
Zeit durch unqualifizierte Äußerungen zur Reform auffällig geworden“
(Seite 121). In einer Zwischenbilanz
behauptet Ickler: „Statt dessen enthält das Regelwerk allerlei Firlefanz
in Randbereichen, vor allem durch
die mehr oder weniger lächerlichen
Volksetymologien, die das Steckenpferd eines einzelnen Reformers
waren, nun aber einer Sprachgemeinschaft von neunzig Millionen aufgenötigt werden“ (Seite 127). Ickler
wirft den Reformern „irreführende
Machenschaften“ (Seite 166) vor.
Weitere Beschimpfungen lauten:
„kulturfeindliche Vernichtung von
spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten“ und „irreführendes Etikett einer
liberalen Deregulierung“ (Seite 181).
Kein „menschenverachtendes Massenexperiment“
Das Bemühen, die Reformer in die
Nähe der NS-Politik zu rücken und sie
dadurch zu disqualifizieren, dokumentiert sich auch in dem an den Vorsitzenden der neuen Rechtschreib-Kommission schriftlich vorgetragenen Ziel
Icklers, „das menschenverachtende
Massenexperiment“ Rechtschreibreform endlich zu stoppen. Eine solche
Formulierung soll in manipulativer
Absicht ganz bestimmte Assoziationen wecken und geht über das Maß
üblicher Polemik und sogar über das
Maß üblicher Beschimpfungen weit
hinaus. Es ist ungeheuerlich, alle an
der Rechtschreibreform Beteiligten
(einschließlich der Kultusminister,
die immerhin den Auftrag erteilten)
als solche zu bezeichnen, die ein
„menschenverachtendes Massenexperiment“ veranlaßt oder sich an ihm
beteiligt haben. Das führte dazu, daß
einige Reformer eine wie auch immer
geartete Zusammenarbeit mit Ickler
ablehnen. Alle Leser und Hörer von
Augst bis Zehetmair waren über diese
Formulierung schockiert.
Im Rahmen der Anhörung des
Rechtsausschusses des Deutschen
Bundestages am 2. Juni 1997 in Bonn
machte der Erlanger Hochschullehrer
noch den Versuch einer Entschuldigung, indem er sinngemäß erklärte,
die Formulierung sei wohl etwas zu
hart ausgefallen. Inzwischen hat der
Autor diesbezügliche Skrupel längst
überwunden: „Die Rechtschreibreform ist ein menschenverachtendes
Massenexperiment. Ich sehe in dieser Behauptung ... keineswegs eine
mißglückte Formulierung, für die ich
mich entschuldigen müßte ... Nicht
ich will bestimmte Assoziationen
wecken, sondern Augst wollte und
will das, was man schon daran sehen
kann, daß die Nazis, auf die ich angeblich anspiele (mir war das ganz
neu!), nicht für menschenverachtende Massenexperimente bekannt sind.
Welche sollten das denn sein?“ (Brief
vom 18. Juli 1997)
Man fragt sich, worüber man sich als
Leser dieser Erklärung mehr wundern soll – über die gespielte Naivität oder die offensichtlich fehlenden
Geschichtskenntnisse des Erlanger
Hochschullehrers. Wann werden sich
die Reformkritiker Denk und Ickler
für ihre sprachlichen Entgleisungen
endlich einmal entschuldigen?
Hermann Zabel wurde 1935 in
Hagen geboren. Er ist emeritierter
Professor der deutschen Sprache
und ihrer Didaktik an der Universität Dortmund. Zabel begleitete
wissenschaftlich den Gesamtschulversuch Nordrhein-Westfalens. Seit
1974 setzte er sich für die Einführung der gemäßigten Kleinschreibung ein. Von 1980 bis 1996 war
er für die Gesellschaft für deutsche
Sprache Mitglied der Kommission
für Rechtschreibfragen am Institut
für deutsche Sprache in Mannheim;
außerdem Mitglied des Internationalen Arbeitskreises für Orthographie.
Neben seiner Hochschultätigkeit hat
sich Hermann Zabel in der Region
Hagen jahrelang ehrenamtlich für
die Erforschung und Erhaltung des
jüdischen Erbes eingesetzt. Dafür
erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
Ausgewählte Schriften
Hermann Zabel (Hrg.), Keine Wüteriche am Werk. Berichte und
Dokumente zur Neuregelung der
deutschen Rechtschreibung, Reiner-Padligur-Verlag, Hagen 1996,
448 Seiten, Tb., 19,90 Euro.
Hermann Zabel, Widerworte – „Lieber Herr Grass, Ihre Aufregung ist
unbegründet“. Antworten an Gegner und Kritiker der Rechtschreibreform, Shaker-Verlag, Aachen
1997, 184 Seiten, 12,45 Euro.
Alexander Siegner (Hrg.), Rechtschreibreform auf dem Prüfstand.
Beiträge von Reiner Kunze, Stephanus Peil und Theodor Ickler, LeibnizVerlag, St. Goar 1997, 56 Seiten,
kart., 2,00 Euro.
Theodor Ickler, Die Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich,
Leibniz-Verlag, St. Goar 1997, 200
Seiten, kart., 9,90 Euro.
Theodor Ickler, Rechtschreibreform
in der Sackgasse. Neue Dokumente und Kommentare, Leibniz-Verlag, St. Goar 2004, 276 Seiten, kart.,
18,00 Euro.
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Leserdienst
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Seite 5
Für
Sie
Für gutes Deutsch
im Einsatz
die Einheit von Sprache und Musik“
/ Streit um Jelinek (Leserstimmen) /
Dagmar Schmauks: Blutarme Philosophie?
18 20. Dezember 2004
Liebe Leser!
Lieferbare Ausgaben
Unsere Sprachzeitung ist unabhängig. Hinter uns steht kein
großer Verlag und keine dicke
Brieftasche. Wir erhalten auch
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Mitteln. Die Zeitung lebt von freiwilliger Mitarbeit. Vor allem Sie,
liebe Leser, bilden das Rückgrat
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neuer Leser. Nur gemeinsam können wir unser Ziel erreichen, die
DEUTSCHE SPRACHWELT zu
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21 Herbst 2005
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20 Sommer 2005
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Fünf Jahre Sprachpflege mit der
DEUTSCHEN
SPRACHWELT
/ Joachim Gerd Ulrich, Verena
Eberhard, Andreas Krewerth:
Jugendliche mögen keine verenglischten Berufsbezeichnungen / Die
DEUTSCHE SPRACHWELT auf
der Leipziger Buchmesse 2005 / Andreas Ehmer: Zur Geschichte und
Bedeutung der deutschen Sprachgesellschaften / Oskar Lafontaine:
Korruption des Denkens / Alexander Glück: Deutsches Wörterbuch
von Hermann Paul / Reiner Kunze: Verheertes Terrain / Peter Lehmann: Die Hinterfrage – ein Fragment / Richard G. Kerschhofer:
Unsere lieben Linge / Hans Binder:
Schillers Tod – ein Kriminalfall (1)
/ Fritz-Jürgen Schaarschuh: Das
üble F-Wort / Franz Firla: Ein
Ständchen für die DSW / Wilhelm
Deinert: Brückenbauers Lust
19 Frühling 2005
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Die Sprache ist uns ein Spiegel: Zum
200. Todestag Friedrich Schillers /
Rüdiger Safranski: Wille als Weg
zur Freiheit: Vor 200 Jahren starb
Friedrich Schiller / Hans-Manfred
Niedetzky: Corporate Dummschwätzer / Dieter J. Baumgart: Sprachgebeutelte Weiblichkeit / Franz Firla:
Vom Lernen lernen zum Wissen
wissen (Glosse) / Thomas Paulwitz: DSW-Fastenaktion: 40 Tage
quasselfrei / Frank Fojtik: „Über
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Deutsch macht erfolgreich / Wolfgang Haße: Ärzte gegen Anglisierung / Rominte van Thiel: Erfahrungen und Ansichten einer Korrektorin
(2) / Manfred Riebe: Rettet die
deutsche Sprache / Diethold Tietz:
Achtung, Phrasenalarm / HansManfred Niedetzky: Michel schlägt
zurück / Franz Firla: Nobell geht die
Welt zugrunde (Glosse) / Wolfgang
Hildebrandt: Sprachnotstand in der
Schule / Richard G. Kerschhofer:
„Ein Preis gegen Österreich“ / HansManfred Niedetzky: Wir feiern
besinnliche Weihnachten / Dagmar Schmauks: Wir leben in einer
Schweinewelt
17 20. September 2004
Unter anderem: Thomas Paulwitz:
Endet der „Missstand“? / Christian
Wulff: Die Rechtschreibreform muß
vom Tisch! / Rominte van Thiel: Erfahrungen und Ansichten einer Korrektorin (1) / Fragen an Schulbuchverlegerin Karin Pfeiffer-Stolz / Frank
Fojtik: Richard Wagners Meistersinger als Warnung vor dem Sprachverfall? / Franz Firla: Dichtung und
Wahrheit (Glosse) / Raphael Mankau: Schönfärbereien und Verharmlosungen im Umweltschutz / Werner
Kügel: Über Fraktur und Kurrentschrift / Thomas Paulwitz: Sprechen
Sie Österreichisch? / Hans-Manfred
Niedetzky: X-mas, nein danke / Thomas Paulwitz: Die Sprache der Fernsehsprecher bei der Fußball-Europameisterschaft
Lieferbar sind auch noch die Ausgaben 1 bis 16 – bis auf Ausgabe
5, die Sie sich jedoch als PDF aus
dem Netz herunterladen können. Die
Inhaltsverzeichnisse sämtlicher Ausgaben finden Sie unter
www.deutsche-sprachwelt.de/archiv/
papier/index.shtml.
Sprachwelt-Mitarbeiter Werner E. Oemke
Ohne freiwillige Mitarbeit kann die
DEUTSCHE SPRACHWELT nicht
überleben. Wir stellen Ihnen in lockerer Folge unsere fleißigen Helfer
im Hintergrund vor.
bestellungen und Probeexemplare
der DEUTSCHEN SPRACHWELT
ordentlich verschickt werden. Dabei
handelt es sich um eine der wenigen
Tätigkeiten bei der DSW, für die
nicht unbedingt ein Rechner erforderr war Spieler, Trainer, Schieds- lich ist. Werner E. Oemkes große Errichter und Verbandsfunktionär fahrung ist eine Bereicherung für die
im Handball. Auch im Fußball, Bo- DSW. Gewissenhaft und zuverlässig
xen oder in der Leichtathletik, sowie erfüllt er den Nachversand als einer,
in vielen anderen
der immer mitdenkt.
Sportarten, übte er
Selbst als er sich vor
Ehrenämter aus. Dawenigen Wochen
neben hat er schon
den Arm gebroimmer eine Neigung
chen hatte, stand er
zum Einsatz für die
schon bald wieder
Kultur; nicht zuletzt
für die DEUTSCHE
für die deutsche
SPRACHWELT im
Sprache, zum BeiEinsatz. Bei RedakSpielt selbst mit Gips noch Handspiel im Verein Deut- ball und ist für die DSW im Einsatz: tionsschluß erreichsche Sprache oder im Werner E. Oemke (links)
te uns die Nachricht,
Bild: Werner E. Oemke
Verein für deutsche
daß sich Oemke nun
Rechtschreibung und Sprachpfle- auch noch den Oberschenkel gebroge. Insgesamt 133 Ehrenämter zählt chen hat. Über Genesungswünsche
Werner E. Oemke auf. Nun ist dem freut sich der fleißige Sprachweltgelernten Industriekaufmann ein wei- Mitarbeiter bestimmt. Schreiben Sie
teres wichtiges Amt zugefallen: Seit entweder an die DSW oder direkt an
knapp einem halben Jahr sorgt der Herrn Werner E. Oemke, Postplatz 5,
gebürtige Ostpreuße dafür, daß Nach- D-88633 Heiligenberg. (pau)
E
Die zehn sprachpolitischen Forderungen
1. Deutsch muß im öffentlichen Raum die vorrangige Sprache sein.
2. Die Unterrichtssprache in Schulen und Hochschulen ist Deutsch.
Deutsch muß nationale Wissenschaftssprache sein.
3. Die deutsche Rechtschreibung muß einheitlich geregelt sein.
4. Deutsch muß in der Europäischen Union Arbeits- und Veröffentlichungssprache sein.
5. Die deutschen Mundarten und die deutsche Schrift sind besonders
zu schützen.
6. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist Voraussetzung für
Einbürgerung und langfristigen Aufenthalt.
7. Bildung und Familie müssen gefördert werden, um die deutsche
Sprache zu stärken.
8. Die deutsche Sprache muß auch im Ausland gefördert werden.
9. Die deutsche Sprache ist vor politischem Mißbrauch zu schützen.
10. Ein neuer Deutscher Sprachrat betreut die Erfüllung dieser
Forderungen.
Mehr auf unserer Netzseite www.deutsche-sprachwelt.de/forderungen.shtml
Bitte deutlich schreiben!
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1. Die Spende
2. Die Bestellung
3. Die Empfehlung
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Sie sich den Gang zur Bank. Über die Einrichtung
von Daueraufträgen freuen wir uns sehr.
Grundsätzlich geben wir die Zeitungen kostenlos ab,
doch bitten wir um eine Spende zur Deckung unserer
Kosten auf das Konto des Vereins für Sprachpflege e. V.
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n Einzugsermächtigung
Zur Erhaltung der DEUTSCHEN SPRACHWELT
möchte ich den Verein für Sprachpflege e. V.
regelmäßig unterstützen. Darum ermächtige ich
diesen Verein,
einmalig - vierteljährlich - halbjährlich - jährlich
[Nichtzutreffendes bitte durchstreichen]
einen Betrag von EURO
von meinem Konto abzubuchen.
Diese Einzugsermächtigung kann ich jederzeit
widerrufen.
n regelmäßiger Bezug
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SPRACHWELT. Ich verpflichte mich zu nichts.
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n Mehrfachbezug
Ich besitze eine Arztpraxis oder habe eine andere
Gelegenheit, die DSW auszulegen. Bitte schicken
Sie mir von jeder neuen Ausgabe
Stück
n Nachbestellung
Bitte liefern Sie mir von den bereits erschienenen
Ausgaben
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Bankleitzahl
Kontonummer
Datum und Unterschrift
Meine Anschrift
Stück der Ausgabe(n) 1
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
2
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
3
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
4
Name, Vorname
Stück der Ausgabe(n) Straße, Postleitzahl und Ort
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5
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
6
Name, Vorname
Geburtsdatum
Straße
Postleitzahl und Ort
Name, Vorname
Straße, Postleitzahl und Ort
Sprachgeschichte
Seite 6
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Kann man Rechtschreibung reformieren?
Die Hochsprache als kulturelles Verständigungsmittel
Von Robert Mildenberger
R
echtschreibung ist die Gewährleistung einer überepochalen
Kommunikation. Ein Kulturverband
wird durch einen gemeinsamen,
über die persönliche Lebensgrenze der Kulturträger räumlich und
zeitlich hinausgehenden verbindlichen geistigen Besitz konstituiert.
Bildung bedeutet die Fähigkeit, an
diesem geistigen Besitz selbständig
und unmittelbar teilzuhaben. Dieser
geistige Besitz besteht vorrangig in
Schriftwerken. In ihnen ist Dichtung
und Philosophie, für eine Kultur bestimmender als Musik und Malerei,
niedergelegt.
Damit diese Schriftwerke dauerhaft
verständlich bleiben, muß ihre Sprache vor dem natürlichen Sprachwandel geschützt werden, der schon nach
etwa drei Generationen die überepochale Verständigung beeinträchtigt.
Eine vor Sprachwandel geschützte
Sprache ist eine klassische oder eine
Hochsprache. Klassische Sprachen
unseres Kulturkreises im ausgezeichneten Sinn des Wortes sind Latein,
Griechisch und Hebräisch. Hochsprachen entstanden in den Nationalkulturen des Mittelalters und der
Neuzeit. Sie wurden von Gelehrten
normiert.
Kanon einheitsstiftender Texte
Die Gelehrten älterer Hochsprachen
wie zum Beispiel Französisch und
Italienisch gingen genauso vor wie
die Gelehrten, die im antiken Alexandria die Schreibung des Griechischen oder im mittelalterlichen Tiberias die Schreibung des Hebräischen
festlegten: Ihnen lag ein Kanon von
für ihren Kulturkreis einheitsstiftenden Texten vor, und sie beschrieben
ihre grammatischen, semantischen
und orthographischen Gesetze. Dies
geschah mit einer doppelten Absicht:
erstens zur Gewährleistung künftiger
Verständlichkeit und unbeeinträchtigter Weitergabe dieser Schriften
Abschied von der
Hochsprache?
(rezeptiver Zweck), zweitens zur
Befähigung der Kulturteilnehmer
zur Erstellung neuen, zur Beständigkeit befähigten geistigen Besitzes in
demselben Kulturverband (produktiver Zweck).
Ein Beispiel für die faktische Kraft
des Normativen: Schon im 14. Jahrhundert erkannte man in Italien, daß
mit den toskanischen Dichtern Dante, Petrarca und Boccaccio eine nicht
zu überbietende intellektuelle und
sprachliche Leistung von normativer
Qualität vorlag. Wie kein Musiker
an Bach vorbeikommt, waren für
alle späteren Literaten der Apenninenhalbinsel gründliche Kenntnisse
der genannten Dichter unumgänglich. Noch lange vor der Gründung
des italienischen Nationalstaats 1861
dichteten Klassiker wie Ariost und
Goldoni in toskanischer Hochsprache, die erst seit der Staatsgründung
die Nationalsprache Italienisch ist.
Das etymologische
Prinzip
Ein Aspekt des Hochsprachschutzes
ist die Einhaltung des etymologischen
Prinzips. Schon die alexandrinischen
Gelehrten im 3. Jahrhundert v. Chr.
legten eine Schreibung der griechischen Hochsprache fest, die von der
aktuellen Aussprache abwich. Die
damals aktuelle Aussprache unterschied zum Beispiel nicht mehr, wie
wir aus Papyrusbeschriftungen nicht
hochsprachlich Gebildeter wissen,
zwischen den klassisch-griechischen
Lauten [e:], [ei] und [i]. Die Gelehrten hielten es jedoch für richtig,
daß die Hochsprache so geschrieben
würde, wie die Klassiker sie zu Lebzeiten ausgesprochen hatten.
Dasselbe fand in Rom nach der
Normierung des Lateinischen durch
Aelius Stilo Praeconinus, den Lateinlehrer Ciceros, statt. Schon pompejanische Inschriften beweisen, daß
man Latein vier Generationen später
Daß man überhaupt nach der Einlösung der Forderung des großen Leibniz (in: „Unvorgreifliche Gedanken,
betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache“ und
„Ermahnung an die Deutschen, ihren
Verstand und ihre Sprache besser
zu üben“) durch Konrad Duden die
Rechtschreibung in Frage stellt – die
Rechtschreibreform ist nach Durchbrechung des hochsprachlichen Unveränderkeitsgrundsatzes beliebig
oft wiederholbar geworden –, heißt,
daß wir auch die Hochsprachlichkeit
und somit ein wichtiges kulturelles
Integrationsmoment gefährden.
Nach dem Wörterbuch zu schreiben ist für die heutigen Schüler zum Glücksspiel geworden. Was heute als richtig gilt, kann morgen schon wieder als falsch
gewertet werden.
Bild: obs/Wissen-Media-Verlag Verlag Bertelsmann
anders aussprach. In der Normierung
des Französischen ging man im 17.
Jahrhundert so weit, daß man dem
damals doit („Finger“) geschriebenen Wort nach dem „i“ ein „g“ einfügte, damit es an seinen lateinischen
Ursprung (digitus) erinnerte
Verkehrssprache
und Hochsprache
Die Begründung des etymolgischen
Prinzips ist einfach: Bevor durch
eine besondere politische und kulturelle Leistung eine Sprache zur
Hochsprache erhoben wird, folgt
ihre Schreibung einem phonetischen
Prinzip. Bevor zum Beispiel Attisch
im 3. Jahrhundert v. Chr. zur griechischen Hochsprache wurde, beschrifteten attische Töpfer ihre Vasen
mit Schriftzeichen, die exakt dem
jeweiligen muttersprachlichen Laut
entsprachen. Erst die Fixierung einer
Sprache als Hochsprache, die gegen
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Gibt es einen Weg, die MUTTERSPRACHEN in Deutschland,
Europa und der Welt noch vor der ökonomischen, kulturellen,
wissenschaftlichen Vorherrschaft des Global-Englischen und
damit vor ihrem beschleunigten Aussterben zu bewahren?
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den Sprachwandel immun sein soll,
erzeugt den Unterschied zwischen
Schreibung und Aussprache.
Eine Hochsprache für orthographisch
reformbedürftig zu halten, zeugt von
der Verkennung der Funktion der
Hochsprache: Sie ist, anders als die
gesprochene Sprache, kein natürliches (transregionales), sondern ein
kulturelles (transepochales) Verständigungsmittel. Die relative Ähnlichkeit von wandelbarer Verkehrsprache und unwandelbarer Hochsprache
begünstigt in der ersten Zeit nach der
Festlegung der Hochsprache diese
Verkennung, besonders bei einer relativ jungen Hochsprache wie dem
Deutschen.
Gefahr des Identitätsverlustes
In anderen Ländern ist die Divergenz
zwischen Volks- und Hochsprache
verringert, weil im Zug nationaler
Einigungsbewegungen die neuen
Bürger die Hochsprache als Fremdsprache lernen mußten. So sprach
man südlich der Loire bis zum Ende
des Mittelalters keinen französischen
Dialekt, sondern eine andere romanische Sprache, die eng mit dem
Katalanischen verwandt war (Okzitanisch). Die sehr erfolgreiche Sprachpolitik westeuropäischer Länder hat
dazu geführt, daß sich noch heute die
Sprecher an der Norm orientieren,
nicht die Norm an den Sprechern.
Weder im antiken Alexandria noch
im modernen Paris – auch nicht in
dem der Revolutionäre! – wäre der
Gedanke aufgekommen, eine einmal stattgefundene Sprachnormierung – und Rechtschreibnormierung
ist ein unentbehrlicher Teil davon
– rückgängig zu machen, weil dies
der Ausdruck eines kulturellen Identitätsverlustes wäre. Wo in der deutschen Geschichte eine Schwäche des
politischen Kulturschutzes bemerkbar wurde, etwa nach dem Ende der
Karolingerzeit oder im kriegsreichen
17. Jahrhundert, wichen die Gebildeten auf fremde Hochsprachen aus,
etwa aufs Lateinische (auch in weltlichen Textes des frühen Hochmittelalters) oder aufs Französische (17.
Jahrhundert).
In dem Augenblick, in dem wir uns
von unserer Hochsprache verabschieden, beginnen Kant und Des Knaben
Wunderhorn zu verstummen. Noch
Anfang der neunziger Jahre hatte ich
einen koreanischen Kommilitonen,
der nur wegen Kant Deutsch gelernt
hatte. Wir gestehen durch die Rechtschreibreform ein, daß wir uns von
unserem nationalen geistigen Erbe
losgekoppelt haben.
Sprachpolitik ist
notwendig
Es gibt für diese Krise nur zwei Lösungen: Entweder verleihen Sprachund Schulpolitik der deutschen Hochsprache und ihren Texten die alte
Geltung, oder der aktive Kulturteilnehmer verabschiedet sich in Kulturkreise, die als solche noch erkennbar
sind. In jedem isländischen Haushalt
steht eine Gesamtausgabe der Edda.
In einem lothringischen Dorf traf ich
2003 eine Pensionswirtin, die Molièreverse aufsagen konnte.
Von der Politik darf man nicht zuviel
erwarten, seitdem Heide Simonis sich
autokratisch über die Ablehnung der
Rechtschreibreform durch ihre damaligen Landeskinder hinwegsetzte.
Ferner untergräbt unser typisches
nationales Minderwertigkeitsgefühl
das Vermögen, in der Muttersprache einen Wert zu sehen. Vorläufig
müssen sich die an ihrem kulturellen
Überleben interessierten Deutschen
darauf einrichten, zu Gefangenen im
eigenen Haus zu werden.
Tröstlich ist jedoch, daß wir schon
mehrere kulturelle Eiszeiten überlebt haben: Nach einer über hundertjährigen Unterbrechung standardsprachlicher Literatur entstand
in der Stauferzeit auf der Basis des
Alemannischen wieder eine deutsche
Literatursprache; nach der schrecklichen Alternative zwischen Barbarei und Franzosentum erwachte im
17. Jahrhundert wieder Interesse an
der deutschen Sprache in Form von
Sprach- und Dichtungsgesellschaften. Es ist zu hoffen, daß das Schillerjahr neue Impulse gibt, denn man
hängt in dem Maß an der Hochsprache, wie man an den in ihr geäußerten Einsichten hängt.
Robert Mildenberger (Jahrgang
1964) ist Studienrat an einem Mainzer Gymnasium. Er unterrichtet die
Fächer Griechisch, Latein und Philosophie.
Sprachpolitik
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Seite 7
„Es geht um die Demokratisierung
der Behördensprache!“
Von der Schwierigkeit der Verwaltung, die richtigen Wörter zu finden
Fragen an Hermann Zabel und Christoph Mordziol
W
er füllt schon gerne amtliche
Formulare aus? Die Scheu vor
dem Umgang mit den Behörden hat
nicht zuletzt damit zu tun, daß diese
häufig eine Sprache verwenden, die
dem Bürger fremd ist und verstaubtleblos erscheint. Die DEUTSCHE
SPRACHWELT sprach mit Germanistik-Professor Hermann Zabel und
mit Christoph Mordziol, dem Begründer der
Netz-Datenbank www.
woerterfinden.de. Die
Fragen stellte Thomas
Paulwitz.
Herr Professor Zabel,
Sie leiten den Arbeitskreis „Behördensprache“. Dann können Sie
mir sicher sagen, was
eine
Grunddienstbarkeitsbewilligungserklärung und ein Brandüberschlagsweg ist?
CDU-Generalsekretär Volker Kauder meint, „daß die Behördensprache
nicht auf dem Musenhügel Parnaß
erfunden wurde, sondern auf dem
Berg Sinai. Ihr erster Zweck ist nicht
Schönheit, sondern die Notwendigkeit, komplexe Sachverhalte in eine
verbindliche sprachliche Form zu fassen.“ Stellen Schönheit und Genauigkeit wirklich einen
Gegensatz dar?
Zabel: Nein!
Ist eine schwerverständliche Behördensprache nicht auch ein
Zeichen dafür, daß die
Verwaltung den Bürger weniger als Kunden, sondern eher als
Bittsteller ansieht?
Zabel: Diese Frage
trifft genau in das
Zentrum der Problematik! Zugespitzt gesagt: Es geht um eine
vom Grundgesetz her
gebotene „Demokratisierung der Behördensprache“. Mitglieder
von Behörden besitzen
gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern,
die Rat, Auskunft und
Hilfe erwarten, in jedem Fall einen
Informationsvorsprung und damit
auch eine Machtposition. Bewußt
oder unbewußt eröffnet sich dadurch
die Möglichkeit, die fragenden und
um Hilfe nachsuchenden Bürger wie
im Untertanenstaat als Bittsteller zu
Hermann Zabel ist emeritierter Professor der deutschen Sprache und ihrer
Didaktik an der Universität
Dortmund und leitet den Arbeitskreis „Behördensprache“ im Verein Deutsche
Sprache. Außerdem ist er
Vorsitzender des Zweiges
Dortmund der Gesellschaft
für deutsche Sprache.
Hermann Zabel: Nein,
leider nicht! Ich müßte
Lexika und Wörterbücher zu Rate ziehen,
um die Bedeutung der
Komposita zu ermitteln. Allerdings
bin ich nicht sicher, ob die Wörter
in Wörterbüchern und Lexika überhaupt verzeichnet sind. Ich vermute,
daß es sich bei den Monsterwörtern
um Erfindungen sprachmächtiger
Bürokraten handelt.
Laut „Gemeinsamer Geschäftsordnung der Bundesministerien“,
Paragraph 42, Absatz 5, müssen
Gesetzentwürfe „sprachlich richtig
und möglichst für jedermann verständlich“ sein und sind „grundsätzlich dem Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache beim
Deutschen Bundestag zur Prüfung
auf ihre sprachliche Richtigkeit und
Verständlichkeit zuzuleiten“. Es gibt
Empfehlungen des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 1999 für das
Formulieren von Rechtsvorschriften.
Ein Arbeitshandbuch des Bundesverwaltungsamtes soll „Bürgernahe
Verwaltungssprache“ fördern. Wie
sieht die Wirklichkeit aus?
Zabel: Die sprachliche Wirklichkeit
im Bereich der Behördensprache läßt
sich nicht allgemein beschreiben.
Es gibt erfreuliche und förderungswürdige Ansätze in der öffentlichen
Verwaltung, Verstehens- und Verständigungsprobleme abzubauen. In
manchen Behörden besteht ein Widerspruch zwischen dem Ziel, Barrieren abzubauen, und der Realität.
Es gibt aber auch Verwaltungen, in
denen mit Bezug auf die sprachliche
Kommunikation zwischen Behörden
und Bürgern das notwendige Maß an
sprachlicher Sensibilität noch entwickelt werden muß.
Pilotprojekt für
besseres Amtsdeutsch
„Der Deutsche Bundestag fordert
die Bundesregierung auf, 1. in einem Bundesministerium ein Pilotprojekt für ein besser verständliches
Amtsdeutsch durchzuführen; 2. Initiativen zur Anwendung von verständlichem Deutsch in allen Bundesbehörden zu ergreifen und dafür
zu sorgen, daß die Regeln hierfür
umgesetzt werden; 3. einen für alle
Beschäftigten der Bundesministerien und Bundesbehörden geltenden
Selbstverpflichtungskatalog zu erarbeiten, damit beim Verfassen von
Gesetzestexten, Verordnungen und
Behördenschreiben eine möglichst
leicht verständliche und nachvollziehbare Sprache verwendet wird.
Berlin, den 9. November 2004“
Antrag der CDU/CSU-Fraktion im
Bundestag, Drucksache 15/4154
behandeln. In einem demokratischen
Gemeinwesen hingegen hat der Bürger gegenüber der Verwaltung ein
Recht auf verständliche Beratung
und Auskunft. Daher darf er von
einer Behörde nicht als Bittsteller,
der um einen Gnadenerweis bettelt,
eingestuft werden. – Ein besonderes Kapitel stellt die „sprachliche
Behandlung“ von Bürgerinnen und
Bürgern nicht-deutscher Muttersprache dar. Darauf einzugehen würde
aber den Rahmen dieses Interviews
sprengen.
Was können Gesetzgeber und Behörden tun, um verständlicher zu werden,
ohne Ungenauigkeiten zu schaffen?
Zabel: Der Gesetzgeber kann den
Prozeß der Demokratisierung der
Behördensprache durch entsprechende Empfehlungen fördern. Wichtiger
aber dürfte es sein, daß Behörden
und Verwaltungen mit Bezug auf
den sprachlichen Umgang mit ihren
„Kunden“ in regelmäßigen Abständen
Fortbildungsveranstaltungen anbieten
und durchführen. Bekanntlich gibt es
in diesem Feld erfahrene und erfolgreiche Trainerinnen und Trainer.
Wie beurteilen Sie den von Gerhard
H. Junker herausgegebenen „Anglizismen-Index“? Kann dieser in einer
Netz- und einer Buchfassung vorliegende Index dazu beitragen, die
Behördensprache verständlicher zu
machen?
Zabel: Der Index kann, bezogen auf
die inflationär angewachsene Zahl
von Anglizismen, gute Dienste leisten, zumal die Netzversion den
Schreiberinnen und Schreibern, die
sich eines Rechners bedienen, sehr
entgegenkommt. Für die Vermeidung überflüssiger Anglizismen sind
auch die Bücher von Thomas Paulwitz / Stefan Micko („Engleutsch?
Nein danke!“) und Reiner Pogarell
/ Markus Schröder („Wörterbuch
überflüssiger Anglizismen“) zu empfehlen. Allerdings decken die Anglizismen nur eine Sektion des Gesamtfeldes „Behördensprache“ ab.
Was kann der einzelne tun, um sich
gegen die Zumutung von Behördenkauderwelsch zu wehren?
Zabel: Der Bürger kann sich gegen
die Unverständlichkeit der Behördensprache zur Wehr setzen, indem
er auf seinem Recht besteht, verständlich informiert zu werden. Er
kann dieses Recht in jedem konkreten Fall mündlich oder schriftlich
fordern. Er kann aber auch, zum Beispiel in Leserbriefen, die Öffentlichkeit auf bestimmte Formen der Behördensprache aufmerksam machen
und ein bürgerfreundliches Sprechen
und Schreiben anmahnen.
Hilfe für
besseres Deutsch
Herr Mordziol, Sie haben schlechter
Behördensprache den Kampf angesagt und eine Suchmaschine für
gutes Deutsch entwickelt (www.
woerterfinden.de). Wie sind Sie auf
diesen Einfall gekommen?
der DEUTSCHEN SPRACHWELT
verbreitet wird. Neben Entsprechungen für Anglizismen werden auch
Christoph Mordziol: Schlechte Be- Vorschläge für Fremdwörter aus
hördensprache ist leider weit verbrei- anderen Sprachen und für schwer
tet; ob als Kanzlei- oder
verständliches AmtsSeifenblasendeutsch. Christoph Mordziol hat in deutsch eingearbeiDerlei Unverständlichem Zusammenarbeit mit dem tet.
und Schleierhaftem sind Initiativkreis „Gute sprachwir auch über die Wer- liche Praxis“ im Umwelt- Welches sind die
bung oder die Medien bundesamt die Datenbank Ziele von www.
ausgesetzt. Deshalb geht www.woerterfinden.de er- woerterfinden.de?
es mir grundsätzlich um stellt. Für den Inhalt und die An wen richtet sich
Klarheit in der Sprache. Datenauswahl ist Mordziol das
NachschlageAls ich Schüler war, allein verantwortlich. Dem werk?
wurde mein Telegramm- Initiativkreis gehört auch
stil bemängelt. Ich än- Hermann H. Dieter an, Vor- Mordziol: Der Netzderte mich und war irstandort
www.
standsmitglied im Verein
gendwann stolz darauf,
wörterfinden.de, der
Bandwurmsätze bilden Deutsche Sprache.
auch über www.
zu können. Später aber,
woerterfinden.de
als Handwerkslehrling im Umgang zu erreichen ist, soll helfen, fremde
mit Studenten und Studierten, stör- Texte besser zu verstehen und eigete mich eine Sprache, die durch ihre ne Texte in einem klaren Deutsch zu
Abgehobenheit zu glänzen versucht: verfassen. Dem dient zum einen die
„Der sozioökonomische Grund- Datenbank; sie soll vor allem all dewiderspruch impliziert ubiquitäre nen eine Hilfe sein, die in der Eile des
Insuffizienzen evidenter Eminenz, Berufsalltages keine Zeit für langes
respektive cerebraler Intumeszenz“. Stöbern haben. Zum anderen werden
weiterführende Informationen angeboten, vor allem über Verweise auf
andere Netzstandorte. Herzstück des
Netzstandortes ist die Datenbank.
Sie enthält derzeit Erklärungen zu
rund 2.200 Abkürzungen, davon
etwa 1.800 zu Umweltthemen und
Vorschläge zum Ersetzen von rund
„Gesetzentwürfe müssen sprach2.800 Wörtern aus dem Englischlich richtig und möglichst für jedeutschen (Denglisch, Engleutsch).
dermann verständlich gefaßt sein.
Gesetzentwürfe sollen die GleichHerr Professor Zabel und Herr Mordstellung von Frauen und Männern
ziol, vielen Dank für das Gespräch.
sprachlich zum Ausdruck bringen.
Gesetzentwürfe sind grundsätzlich
dem Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache beim
Ausgewählte Schriften
Deutschen Bundestag zur Prüfung
auf ihre sprachliche Richtigkeit und
Gerhard H. Junker, Der Anglizismenindex, IFB-Verlag, Paderborn
Verständlichkeit zuzuleiten.“
2005, 254 Seiten, 22,00 Euro.
§ 42 (5) der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien
Gesetze für
jedermann
verständlich
Im Studium stieß ich mich an der
zunehmenden, zwanghaften Anglisierung, und vor etwa zehn Jahren
verfaßte ich mit einem Freund den
Text für ein kleines Buch, in dem wir
verschiedene Unzulänglichkeiten im
Umgang mit der Sprache aufs Korn
nahmen. Heute arbeite ich in einer
Behörde und überarbeite immer wieder Texte, die veröffentlicht werden
sollen: Studien, Broschüren and anderes. Dabei stoße ich immer wieder
auf eine unklare Sprache. Hinweise,
wie wir es besser machen können,
gibt es viele. Sie sind aber auf zahlreiche Bücher, Listen und so weiter
verteilt. Das erschwert das Suchen
sehr.
Wie ist die Datenbank entstanden
und welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Mordziol: Der größte Teil der Daten stammt aus der Anglizismenliste
des Vereins Deutsche Sprache. Als
weitere Quelle dient das Wörterbuch
„Engleutsch? Nein danke!“, das von
Thomas Paulwitz / Stefan Micko, Engleutsch? Nein danke! Wie sag ich’s
auf deutsch? Ein Volks-Wörterbuch, Erlangen/Wien 2000, 132
Seiten (Langfassung), 72 Seiten
(Kurzfassung, nur 3,00 Euro!). Die
Langfassung ist vergriffen. Weiterhin
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Besprechungen
Seite 8
Von Heide Ullrich
D
Keine Schonzeit
für Sprachböcke
em Vorsitzenden einer Kreisjägerschaft geht die Verhunzung
der deutschen Sprache durch das immer mehr um sich greifende Denglisch auf die Nerven. Als auch in
Fachzeitschriften und Schreiben des
Landesjagdverbandes immer öfter
von Wildlife-Management, Hasenmonitoring, Crossover-Strategien
und so weiter die Rede ist, platzt dem
Vorsitzenden der Kragen. Am Landesjagdverband vorbei beschließt
der Vorstand der besagten Kreisjägerschaft, einen Obmann zum Schutz
der Jägersprache zu bestellen.
Der bläst zur sehr erfolgreichen Jagd
auf „Sprach-Böcke“, also auf Sprachverschandelungen verschiedener Art,
und treibt damit nicht nur die Diskussion über Sprachpflege heftig an,
sondern sorgt auch dafür, daß überflüssige Anglizismen verbannt und
Verstöße dagegen mit zehn Mark
je Sprachbock in die Vereinskasse
geahndet werden. Empört reagieren
Verbandsfunktionäre und Präsident.
Sie lehnen den Antrag des Vorsitzenden der Kreisjägerschaft ab, auch auf
Landes- und Bundesebene eine Stelle
für Sprachpflege einzurichten. Die
Wahlfreiheit in der Sprache müsse
erhalten bleiben, Dirigismus sei tabu,
heißt es von höchster Stelle.
Doch als ein Jahr darauf der Präsident
des Landesjagdverbandes auf einer
Hegeschau seine Rede mit „Was für
eine herrliche Location ...“ beginnt,
wird er ausgebuht und mit „Bock!
Bock! Bock!“-Rufen überschüttet.
Der Kreisvorsitzende erklärt dem
verdutzten Präsidenten, daß es auch
für ihn keine Schonzeit für Sprachböcke gäbe. Und mit Genugtuung
berichtet auf derselben Veranstaltung der Obmann für Sprachpflege
der Kreisjägerschaft, daß so viele
Sprach-Böcke geschossen wurden,
daß am Jahresende stolze 1 000
Mark an den Verein zur Wahrung
der deutschen Sprache gespendet
werden konnten.
Wieder einmal ist es Wolfram
tin gelungen, eine Erzählung
Anglizismen, Sprachverfall
Spracherhaltung in einem
Marüber
und
nicht
Vaterlos und auf der Suche
omane, die der deutschen im Krieg gefallen. Damit wird der
R
Nachkriegsbefindlichkeit an- Romanheld zum Schicksalsgenossen
gemessen gerecht werden, erschei- von Millionen Deutschen der vaternen heutzutage nur noch selten und
sind häufig mit einer verkrampften
Handlung ausgestattet. Wir erinnern
uns an Martin Walsers Roman „Verteidigung der Kindheit“, in dem der
Anti-Held Alfred Dorn, vom ÖdipusKomplex besessen, krampfhaft die
Vergangenheit zu bewahren sucht,
weil die Zukunft für jeden Menschen
letztlich doch nur den Tod verheißt.
Anspruchsvoller und wirklichkeitsnäher ist hingegen Peter Fischers jetzt
erschienener Erstlings-Roman „Der
Schein“, dessen Hauptfigur Michael
Sahlok keine durchgeknallte Type wie
Dorn ist, sondern ein Kind seiner Zeit.
Vielleicht war die Geschichte den größeren Verlagshäusern nicht „abgefahren“ genug, so daß sie in einem kleineren Verlag erscheinen mußte? Ein
großer Verlag hätte mit dem „Schein“
sicher keinen Fehlgriff gemacht.
Zwar geht es sowohl in Walsers wie
auch in Fischers Roman um Vaterlosigkeit. Während jedoch Alfred
Dorns Vater sich von der Familie getrennt hat, ist Michael Sahloks Vater
losen Generation, und damit erhält
der Roman seine Bedeutung für die
deutsche Zeitgeschichte. Während
Walsers Dorn zum bloßen Sammler
und Festhalter von Geschichte wird,
studiert Fischers Sahlok dieses Fach,
um den Dingen auf den Grund zu gehen, den „Schein“ zu durchschauen.
Das bringt ihn in Konflikt mit dem
SED-Regime, das ihn nach mißlungener Republikflucht einsperrt. Das
Palindrom Sahlok-Kohlhaas ist also
nicht zufällig gewählt. Nicht nur an
dieser Stelle scheint auch die Lebensgeschichte Fischers durch, der
selbst aus politischen Gründen verhaftet und später von der Bundesrepublik freigekauft wurde. „Der
Schein“ ist der erste Teil einer Trilogie. Der zweite Teil „Der Fall“, der
das Schicksal Michael Sahloks vom
Freikauf 1975 bis zum Mauerfall von
1989 verfolgt, ist noch nicht erschienen. Wir sind gespannt. (pau)
Peter Fischer, Der Schein. Roman,
Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2004, 179 Seiten, 22,00 Euro.
sprachbezogenen Sammelband zu
veröffentlichen. Martin erzählt seine Geschichte „Keine Schonzeit für
(Sprach-)Böcke“ auf bissige und
amüsante Art zugleich. Trotz des ironischen Untertons bleibt seine Sorge
um die Sprache immer klar erkennbar. Damit hält er die AnglizismenDiskussion wach, rüttelt heftig am
Zeitgeist und macht dabei auch vor
seinen Jagdgenossen und den Funktionären nicht halt.
Ein Schuß Selbstironie fehlt in
Martins Geschichte ebenfalls nicht.
Glücklicherweise, muß man sagen,
denn nicht nur in seiner, sondern
auch in den anderen humorvollurigen Erzählungen der insgesamt
acht Jagdautoren tummeln sich die
Sprachböcke. Bei Formulierungen
wie „einen Obmann für Sprachpflege
eingerichtet“ oder „nicht freizeitfreudige Camper beherbergte dieser Bus,
sondern eine Dame nebst Gewerbe“,
hätte dem Sammelband ein aufmerksameres Lektorat gutgetan. Wenn es
allerdings um Endlossätze mit vielen
Einschüben geht oder um Wortungetüme wie Rotwildabschußrichtlinien, blaubeerkuchenblauer Leichnam, Abwurfstangenstreich oder gar
Prüfungsabschlußbockhirschkeiler,
schießen die Jagdautoren ohne Frage
selbst den Bock ab.
Wolfram Martin, Keine Schonzeit
für (Sprach-)Böcke, in: Günter
Huth (Hg.) Saudusel und Silvesterhase. Ungewöhnliche Geschichten
bekannter Jagdautoren, LeopoldStocker-Verlag, Graz-Stuttgart 2005,
190 Seiten, 18,00 Euro.
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
D
Vortasten zur
Sprachkritik
ie Fehler von heute sind die
Regeln von morgen.“ – „Leave your language alone.“ („Laßt eure
Sprache in Ruhe.“) – „Die Aufgabe
der Sprachwissenschaft ist nicht die
Bewertung, sondern die Beschreibung
ihres Gegenstandes.“ Dies sind seit
den 1960er Jahren übliche Antworten von Sprachwissenschaftlern auf
sprachkritische Fragen. Seit einigen
Jahren aber haben Teile der Linguistik allmählich damit begonnen, ihre
Vorbehalte gegenüber der Sprachkritik abzubauen. Sprachwissenschaftler
denken darüber nach, wie sprachkritische Äußerungen in die Sprachwissenschaft eingebunden werden können. Es ist das Anliegen einer neuen
sprachwissenschaftlichen Zeitschrift,
dieser Diskussion ein Forum zu schaffen und für angewandte, linguistisch
begründete Sprachkritik Raum zu bieten, die zu Sprachfragen von öffentlichem Interesse Stellung bezieht.
Diese Zeitschrift heißt „Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur“. Aptum ist ein Begriff aus der
antiken Rhetorik. Er bezeichnet die
Angemessenheit sprachlicher Ausdrucksmittel in einer Rede, mit denen
ein bestimmtes Verständigungsziel
erreicht werden sollte. Der Titel ist
Programm: Bemühungen um Sprachkultur und Sprachkritik, die sprachwissenschaftlich begründet sind,
wollen sich nicht nach Kriterien wie
„Schönheit“ oder „Richtigkeit“ von
Sprache richten, sondern nach der Angemessenheit der sprachlichen Mittel
für handfeste Ziele der Verständigung. Viele Sprachfreunde erblicken
jedoch darin keinen Gegensatz.
Haupt-Sache Liebe
D
ies flotte Buch erzählt vom Glück, / Aber auch vom Pech beim Lieben;
/ Wahr, authentisch – Stück für Stück – / Kein Wort davon ist übertrieben“. Eine treffendere Zusammenfassung als die erste Strophe des NachwortGedichts für Günter B. Merkels neuestes Werk „Haupt-Sache Liebe“ kann
es nicht geben. Wieder einmal ist dem genialen Verseschmied Merkel ein
kleines Meisterwerk gelungen. Diesmal macht er sich auf alles einen Reim,
das mit Liebe und Erotischem zu tun hat.
Fester Bestandteil sind auch diesmal die ehrfurchtslosen Gegengedichte, zum
Beispiel zu Goethe, der dichtete: „Knaben liebt ich wohl auch, / doch lieber
sind mir die Mädchen. / Hab’ ich als Mädchen sie satt, / dient sie als Knabe
mir noch.“ Darauf Merkel: „Obgleich sie keine Brüste haben / Und unten
anders strukturiert / Sind, liebte Goethe auch die Knaben; / Er hat wohl alles
ausprobiert.“ Zwanzig kecke Zeichnungen runden das Werk ab. Plumpe Sprüche oder Fäkalausdrücke sucht man darin allerdings vergeblich. (pau)
Günter B. Merkel, Haupt-Sache Liebe, SWP-Buchverlag, Wilhelmsfeld 2005,
216 Seiten, gebunden, Euro 15,20. www.merkel-gedichte.de
Bitte deutlich schreiben!
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Bestellschein für den Buchdienst
DSW 21/05
Alle in dieser Ausgabe vorgestellten Bücher können Sie, sofern nicht anders angegeben, über unseren Buchdienst
bestellen. Wir liefern Ihnen auch gerne jeden anderen im Buchhandel erhältlichen Titel.
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Anzahl Autor/Titel Preis (Euro)
Aptum wendet sich an drei Zielgruppen: an Sprachwissenschaftler, an
die sprachinteressierte Öffentlichkeit
und an nicht-wissenschaftliche Berufsgruppen wie Lehrer, Journalisten
oder Lektoren. Die Zeitschrift wird
von den Sprachwissenschaftlern Jürgen Schiewe (Greifswald) und Martin Wengeler (Düsseldorf) herausgegeben, die mit ihren Büchern „Die
Macht der Sprache. Eine Geschichte
der Sprachkritik von der Antike bis
zur Gegenwart“ und „Kontroverse
Begriffe. Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland“ in den vergangenen Jahren wichtige Beiträge
zur Diskussion um Sprachkritik und
Sprachkultur vorgelegt haben.
Die neue Zeitschrift soll dreimal
jährlich im Hempen-Verlag in einem Umfang von jeweils 96 Seiten
erscheinen und im Bezug für den
vollständigen Jahrgang 54,00 Euro
kosten. Das erste Heft ist im Juni
dieses Jahres erschienen. Im ersten
programmatischen Aufsatz entwickelt Nina Janich (Darmstadt) einen
neuen Begriff von Sprachkultur
und leitet daraus eine handlungsorientierte Sprachkultur-Theorie ab.
Horst Schwinn (Mannheim) belegt:
„Sprachkritik ist begründbar!“
Georg Stötzel (Düsseldorf) stellt
sein „Projekt eines Wörterbuchs der
‚Vergangenheitsbewältigung‘“ vor.
Praktische Sprachkritik schließlich
übt Ina Karg (Göttingen) in ihrem
Aufsatz „Die Sprache, die PISA
spricht“. Sie zeigt darin, daß die Aufgabentexte der PISA-Untersuchung
aufgrund mangelhafter Übersetzungen nicht selten mißverständlich
formuliert waren, so daß deren Verstehen erschwert war. Kargs Übersetzungskritik gewinnt eine allgemeine
sprachkritische Größe aufgrund des
Befundes, daß mit sprachlich unzureichenden Testinstrumenten ausgerechnet Sprachfähigkeiten angeblich
„objektiv“ gemessen wurden.
(idw/dsw)
Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Schiewe, Universität Greifswald, Institut für Deutsche
Philologie, Rubenowstraße 3,
D-17487 Greifswald,
[email protected]
Priv.-Doz. Dr. Martin Wengeler,
Universität Düsseldorf, Germanistische Sprachwissenschaft, Universitätsstraße 1, D-40225 Düsseldorf,
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Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Literarisches
Wortes
Seite 9
Verteidigung eines unschuldigen Wortes
Von Hans Hermann Meyer
Z
u der Fülle von Lesestoff, die der
60. Jahrestag des Kriegsendes
hervorbrachte, hat Klaus Harpprecht
am 4. Mai in der ZEIT unter der
Überschrift „Gab es Nazis überhaupt
jemals? 1945 oder die Entdeckung
der deutschen Leere“ einen ganzseitigen Artikel beigesteuert. Sieben
lange Absätze widmet er allein dem
Hitlergruß und dessen plötzlichem
vollständigen Verschwinden zum
Zeitpunkt der Kapitulation. Über die
Entstehungsgeschichte des Grußes
weiß er folgendes zu sagen:
Es bleibt ein Rätsel, wie es zuging,
dass sich ein so genanntes Kulturvolk
samt seinen „gebildeten Schichten“
über Nacht ein Ritual zu Eigen gemacht hatte, das jedem vernünftigen
Bürger fremd, ja lächerlich erscheinen musste. Wohl trifft es zu, dass
die Dichter sich seit Shakespeares
Zeiten („All hail, Macbeth! Hail to
thee…“) gelegentlich des germanischen Zurufs entsannen, doch erst im
nationalen Rausch der Befreiungskriege wurde die entlegene Formel
patriotisch aufgeladen. „Heil fester
Stein vom festen Steine! / Heil stolzer,
freier deutscher Mann,“ sang Ernst
Moritz Arndt, und Richard Wagner
ließ das „Heil“ in mächtigen Chören
erschallen. [ZEIT-Rechtschreibung
beibehalten, die Schriftleitung]
Daß dasjenige, was Harpprecht als
Rätsel ansieht, natürlich keines ist
(der Druck, den eine totalitäre Diktatur auf den Alltag der Menschen auszuüben vermag, wird von ihm offensichtlich bei weitem unterschätzt),
möge hier außer Betracht bleiben.
Interessanter ist die Frage, warum
das Ritual des Hitlergrußes ihm als
– auch für die Bürger von damals
– „fremd, ja lächerlich“ erscheint.
Harpprechts sich anschließende Sätze belegen, daß nach seiner Meinung
die Fremdheit und Lächerlichkeit
nicht so sehr der Grußgebärde, dem
Ausstrecken des rechten Armes nach
vorn, als vielmehr der Grußformel
(„Heil Hitler!“), insbesondere dem
Wort „Heil“, anhaftete, und zwar
deswegen, weil es sich bei diesem
Wort um die künstliche Neubelebung
(die Dichter „entsannen“ sich) längst
abgestorbenen Sprachguts („die entlegene Formel“) gehandelt habe.
Solche Wiederaufnahmen, meist in
neuen Zusammenhängen, hat es seit
dem Sturm und Drang in Hülle und
Fülle bei uns gegeben, und viele haben sich als lebenskräftig erwiesen.
Man darf vermuten, daß Harpprecht
sie alle ablehnt und, um sich nicht
lächerlich zu machen, zum Beispiel
peinlichst vermeidet, das schon im
Mittelhochdeutschen gebräuchliche
Wort „Ampel“ zu verwenden, wenn
er von hindernisreichen Autofahrten durch eine Stadt erzählen muß.
Das Wort „Ampel“ war nämlich
1854, wie damals das Grimmsche
Wörterbuch feststellte, „durch lampe verdrängt“ und wurde uns erst
im 20. Jahrhundert wiedergegeben.
Harpprecht wird also darauf bestehen, mit seinem Auto nicht vor einer
„Ampel“, sondern vor einer „Lampe“
gelegentlich halten zu müssen.
Aber die Frage ist, ob es sich bei
dem „Heil“ der Jahre 1933 bis 1945
überhaupt um die Wiedereinführung
eines außer Gebrauch gekommenen
Wortes handelt. Wenn Harpprecht
den Zuruf „germanisch“ nennt, so
kann er damit auf eines von zwei
Dingen anspielen. Die eine Möglichkeit: Er meint die mehrmals belegte
Verwendung des gotischen Adjektivs
„hails“ und seiner Entsprechungen
im Altenglischen, Althochdeutschen
und Altnordischen als Wunsch- und
Grußformel mit der Bedeutung „Mögest du unversehrt sein!“ Dieser
Heilgruß ist in der Tat im hohen Mittelalter ausgestorben.
In der Hitlerzeit wurde behauptet,
der Nationalsozialismus habe ihn in
Gestalt des „deutschen Grußes“ zu
neuem Leben erweckt. Das ist aber
falsch, denn das auf „Heil“ folgende „Hitler“, das nur als Dativ aufgefaßt werden kann (zu denken ist
an „Heil unserm Führer Adolf Hitler!“) beweist, daß wir im „Heil“
des Hitlergrußes nicht das Adjektiv
„heil“, sondern das gleichlautende
Substantiv „Heil“ vor uns haben.
Sollte Harpprecht also an das „germanische“ Adjektiv gedacht haben,
so wäre er noch nachträglich selbst
einem Propagandakunstgriff der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen.
Die von ihm angeführten jüngeren
Beispiele zeigen nun freilich, daß er
wohl doch eher die zweite Möglichkeit im Auge hatte, nämlich die Grußformel mit dem Substantiv „Heil“,
deren erste Anfänge ebenfalls schon
in sehr früher Zeit liegen. Wenn
das der Fall ist, so kann Harpprecht
mit der Bezeichnung „germanisch“
nur auf die – allerdings eher als Segensformeln denn als Zurufe zu bezeichnenden – Heilswünsche in den
eddischen religiösen Lehrgedichten
des 10. Jahrhunderts (Grimnirlied,
Vaftbrudnirlied) oder etwa in Lokis
Zankreden anspielen. Und deren soll
sich Shakespeare, als er 700 Jahre
später seinen Macbeth schrieb, wieder entsonnen haben?
Bleiben wir doch lieber im Bereich
des Deutschen! Hier hat das Substantiv „Heil“ zunächst einmal die Bedeutung „Wohl(ergehen)“. Und da
man seinen Freunden von jeher gern
gönnt, daß es ihnen gut geht, kommt
das Substantiv „Heil“ seit vielen
Jahrhunderten besonders häufig in
der Verbindung mit „wünschen“ vor,
so schon bei Hartmann von Aue (12.
Jahrhundert) und Wirnt von Grafenberg (15. Jahrhundert). Von hier bis
zur Grußformel ist es nur ein winziger Schritt, denn bei Lichte besehen
sind fast alle unsere heutigen Grußformeln Wunschgrüße: Man wünscht
dem anderen einen guten Morgen,
einen guten Tag, einen guten Abend,
eine gute Nacht, daß Gott ihn grüße
oder behüte, ein Wiedersehen mit
ihm usw.
In der Tat: Die Grenze zwischen
dem ungeheuchelten Aussprechen
des wirklich gefühlten Wunsches
und dem zur Formel erstarrten Gruß,
bei dem sich der Gedanke an das Gewünschte verflüchtigt hat, läßt sich
gar nicht scharf ziehen. Es dürfte
angemessen sein, dort, wo wir uns
unsicher sind, einfach von einem Zuruf zu sprechen. Und der Zuruf „Heil
sei dir!“, „Heil dir!“ oder einfach
„Heil!“ läßt sich nun seit dem 12.
Jahrhundert (Pfaffe Lambrecht) vielmals nachweisen. Gellert verwendet
ihn ebenso wie Klopstock, Schiller,
Goethe. Auch in einen patriotischen
Zusammenhang hat ihn nicht erst
Ernst Moritz Arndt gerückt, wie
Harpprecht behauptet, sondern spätestens bereits Georg Rudolf Weckerlin (1584 bis 1653).
Vom 12. bis ins 19. Jahrhundert hat
es also im Gegensatz zu Harpprechts
Meinung keinerlei nennenswerte
Unterbrechung im Gebrauch des mit
dem Substantiv „Heil“ gebildeten
Wunschzurufs gegeben. Harpprecht
wäre das klar geworden, wenn er im
Grimmschen Wörterbuch, Band IV,
II, unter „HEIL“ nachgeschlagen
hätte. Doch halt: Dies versäumt zu
haben, ist ihm wohl gar nicht vorzuwerfen. Sein Shakespeare- wie auch
sein Arndtzitat machen es nämlich
im höchsten Grade wahrscheinlich,
daß er beide eben jenem Bande,
wo sie sich unter dem angegebenen
Stichwort in Spalte 818 abgedruckt
finden, entnommen hat. Das ist ja
auch durchaus in Ordnung. Nicht
in Ordnung aber ist es, das, was an
derselben Stelle sonst noch über die
(Vor-)Geschichte des Heilgrußes zu
erfahren ist, mit der Absicht einer
Verfälschung zu unterdrücken.
Der Band des Grimmschen Wörterbuchs, welcher das Stichwort „HEIL“
enthält, erschien schon 1877. Wie ist
die Geschichte des Heilgrußes danach verlaufen? Wenigstens jetzt so,
daß dieser 1933 „jedem vernünftigen
Bürger fremd, ja lächerlich erscheinen mußte“? Zu einer eigentlichen
Grußformel ist das „Heil“ zuerst
dadurch geronnen, daß ihm ein bestimmtes weiteres Wort vorangestellt
wurde. Beides zusammen ergab dann
den Spezialgruß unter Gliedern einer
bestimmten Menschenklasse, zum
Beispiel den Angehörigen eines bestimmten Berufes.
Die erste derartige Formel kam bereits im 18. Jahrhundert zustande:
„Weidmannsheil“, als „der gangbare
grusz unter jägern“ belegt seit 1746.
In Analogie zu ihm entstand später
das „Petri Heil“ der Angler. Die Turner entschieden sich für „Gut Heil“,
das Friedrich Ludwig Jahn, vielleicht
angeregt durch die Stelle „he rêp: gût
heil, eddel vogel!“ im Reineke Fuchs,
für einen alten deutschen Gruß. Es
wurde auch in Liedern verbreitet, in
Vereinsnamen aufgenommen und
stand dem Turnerwahlspruch „Frisch
– fromm – fröhlich – frei!“ an Beliebtheit kaum nach.
So sang Gustav Zwetsche im Februar 1848: „Heil dann euch und euren
Söhnen! / Segen über dieser Stund“!
/ gut Heil! deutscher Turnerbund,
/ Gottes Segen wird dich krönen!“
Wie verbreitet der „Gut Heil!“-Gruß
um 1900 war, läßt sich vorzüglich
an der Häufigkeit ablesen, mit der
diese Formel damals auf das Turnen
verherrlichenden illustrierten Postkarten erschien. Die Rolle des „Gut
Heil“ der Turner in der Vorgeschichte des Hitlergrußes läßt sich daher
angesichts der hohen Bedeutung der
Turnerei für weiteste Kreise kaum
überschätzen. Das ihm nachgebildete
„All Heil!“ der Radsportler ist demgegenüber zu vernachlässigen.
Jenseits der Reichsgrenzen wurde
gegen Ende des 19. Jahrhunderts
„Heil!“ – ohne jeden Zusatz – zum
allgemein bevorzugten Gruß unter
den Mitgliedern der Selbsthilfe-Organisationen des Deutschtums in der
vielsprachigen
Donaumonarchie:
„Südmark“, „Bund der Deutschen
in Böhmen“, „Bund der KarpathenDeutschen“ und wie sie alle hießen.
Dies hätte wohl kaum eine größere Wirkung gehabt, wenn nicht im
Jahre 1900 der eben im Entstehen
begriffene „Wandervogel“ in Berlin-Steglitz den Heilgruß von ihnen
übernommen hätte.
Damit war dieser Gruß bei der Keimzelle der deutschen Jugendbewegung
angekommen, jener Bewegung, auf
die sich nach einem Wort Werner
Kloses aus dem Jahre 1983 – im Guten wie im Bösen – so vieles zurückbeziehen läßt. Und es war klar, daß
er mit deren starkem Anwachsen im
ersten Viertel des 20. Jahrhunderts
überall bekannt werden mußte. Kein
Zweifel, daß es die Jugendbewegung
war, von der die Nationalsozialisten das „Heil“ für ihren „deutschen
Gruß“ entlehnten, ebenso wie übri-
gens die Kommunisten für ihr „Heil
Moskau!“
Nach allem ist nicht einzusehen,
warum den Deutschen des Jahres
1933 eine mit dem Wort „Heil“ gebildete Grußformel von vornherein
fremd oder lächerlich hätte vorkommen sollen. „Um so schlimmer!“
wird vielleicht Harpprecht hierauf
einwenden – und „um so besser!“
denken –, falls er, wie das in Mode
gekommen ist, die gesamte deutsche
Geschichte bis 1933 als eine einzige
Vorbereitung auf Auschwitz begreift.
Aber das Schlimme am so genannten
deutschen Gruß war nicht das „Heil“,
sondern das „Hitler“! Weil es die
Vergötzung des Diktators bedeutete!
Lassen wir uns nicht irre machen:
Die Wörter sind an den Massenverbrechen der Nationalsozialisten
unschuldig. Das gilt auch für das
herrliche Wunschwort „Heil“. In
Norddeutschland kann man es noch
am Türsturz so manchen alten Bauernhauses lesen: als weiblichen
Vornamen. Leider hatten die Leute
schon etwa hundert Jahre vor 1933
damit aufgehört, ihren Töchtern diesen Namen zu geben, sonst hätten die
Nationalsozialisten aus Furcht vor
Mißverständnissen wohl nicht gewagt, das „Heil Hitler!“ einzuführen.
Eltern sollten heute wieder überlegen, ob sie nicht einem ihrer Kinder,
wenn es ein Mädchen ist, den Namen
Heil geben wollen. Es gibt kaum eine
eindringlichere Art, sich von der Nazibarbarei zu distanzieren. Stellen
Sie sich vor, Herr Harpprecht, eine
Enkelin von Ihnen hörte auf den Namen Heil Harpprecht! Wäre das nicht
wunderschön?
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Günter B. Merkel
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Werkstatt
Seite 10
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Die Telekom
steht auf der Leitung
Verständlichkeit ist kein Ziel des Unternehmens
Von Thomas Paulwitz
I
n DSW 20 stand die Deutsche
Telekom in der SprachsünderEcke. Anlaß waren die neuen Tarifbezeichnungen, zum Beispiel Call
Plus, Call Time oder XXL Freetime.
Leider hat sie es trotz zahlreicher Hilfestellungen und Protestschreiben unserer Leser nicht geschafft, aus dieser
Ecke herauszukommen. Unsere Leser riefen den Vorstandsvorsitzenden
Kai-Uwe Ricke und den Leiter der
Unternehmenskommunikation, Stephan Althoff, auf, sich an der Sprache der Kunden zu orientieren. Die
Antworten des Unternehmens bezeugen eindrucksvoll die grundsätzliche
Bereitschaft zum Nichthandeln.
SprachsünderE
Horst Steppuhn
legte der Telekom ein Flugblatt bei
mit dem Titel: „Die Amerikani-
cke
sierung der Sprache und Kultur in
Deutschland: Der massive Gebrauch
englischer Wörter in unserer Landessprache verursacht immer mehr
Verärgerung!“ Steppuhn schrieb:
„Hoffentlich gibt es bei Ihnen noch
so viel sprachliche Kenntnis und Erfindungskraft, daß Sie in unserem
Land zu normalen oder auch phantasievollen deutschen Begriffen und
Titeln zurückkehren können! Bitte
setzen Sie sich dafür ein, daß die
Mitarbeiter in Ihrem Einflußbereich
nicht auch die Amerikanisierung unserer Muttersprache fördern!“
Klaus Lohse
verdeutlichte der Telekom: „Ihre
Kunden sind Deutsche und wollen
nicht akzeptieren, daß unsere Sprache weiterhin durch eine Überfrach-
tung von Anglizismen zerstört wird.
Ich halte es zudem für unhöflich,
Ihren Kunden gegenüber, die größtenteils die englische Sprache nicht
kennen, unverständliche Wörter zu
verwenden.“
Ulrich Haberer
gestand der Telekom, daß die Sprachsünder-Ecke seinen Puls aus Ärger
deutlich beschleunigt habe und mutmaßte: „Sicher werden Sie sich mit
den Zwängen der Wirtschaftsglobalisierung herausreden oder weil es
‚in‘ sei, eben ‚weltoffen‘, imitschfördernd möglichst viele Angloamerikanismen zu verwenden, auch wenn
es kaum einer des zahlenden Fußvolkes der Telekom-Kunden versteht.“
Haberer macht den „nicht ganz ernst
gemeinten“ Vorschlag: „Wandern
An dieser Stelle stellen wir Sprachsünder vor, die besonders unangenehm aufgefallen sind,
und rufen unsere Leser zum Protest auf
Deutsche Bahn
bannt Deutsch
Verstehen Sie Bahnhof? Die „Deutsche Bahn“ (DB)
der Vorsitzende des Sprachrettungsklubs Bautzen,
zeigt sich in der Öffentlichkeit seit einiger Zeit nur
ist empört: „Das ist doch Blödsinn. Wenn die Bahn
noch verschämt als „Die Bahn“. Das Wort „deutsch“
ein Piktogramm für Fahrradständer nicht übersetentspricht offenbar nicht dem Sinnen der Bahnbosse.
zen will, soll sie doch einfach ein Fahrrad darauf
Genauso verklemmt ist der Umgang mit der deutabbilden.“ Schließlich müsse ein kundenfreundlischen Sprache, seit die
ches Unternehmen seine
DB zum Teil entstaatlicht
Kunden in ihrer Sprache
worden ist. Die in immer
ansprechen. Die Sprachkürzeren Abständen einschlamperei mit dem
tretenden Preissteigerun„B+R“-Schild ist leider
gen werden offenkundig
kein Einzelfall, sondern
nicht dafür genutzt, die
nur die Spitze des EisVerständigung mit den
bergs. Immer noch heißt
Bahnreisenden zu verdie Auskunft „Service
bessern. Im Gegenteil:
Point“, der Warteraum
Die Bahn will erklärter„DB-Lounge“, der Fahrmaßen nicht die Sprache
kartenschalter „Counder Kunden sprechen,
ter“. Eine Aktion in Bersondern dem Kunden
lin erhielt den Namen
etwas beibringen. Das Mit Volldampf am Kunden vorbei (von links): Norbert „Call a Bike“. Das sind
geht zumindest aus der Hansen (stellvertretender Vorsitzender des Aufsichts- keine Ausrutscher, sonAntwort eines Bahn- rats), Werner Müller (Vorsitzender des Aufsichtsrats) und dern ist ein Programm.
Pressesprechers an die Hartmut Mehdorn (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Vor kurzem nämlich gab
Bild: obs/DB AG
Sächsische Zeitung her- Bahn AG).
sich das Unternehmen
vor. Die wollte wissen, was es mit den unverständeinen Zusatz, natürlich auf englisch: „Mobility Netlichen „B+R“-Schildern an den Bahnhöfen auf sich
works Logistics“. (pau)
habe. Des Rätsels Lösung: „B+R“ steht für „Bike and
Erinnern Sie die Deutsche Bahn daran, daß sie
Ride“ und soll auf einen Fahrradparkplatz am Bahneine deutsche Bahn ist, die ihrem Namen wieder
hof hinweisen. Mit der Abkürzung wolle man Platz
gerecht werden muß. Beschweren Sie sich schriftsparen, so der Bahnsprecher. Auf Verständlichkeit
lich bei einer der folgenden Anschriften und laswurde hingegen kein Wert gelegt: „Die Leute, die
sen Sie uns bitte ein Doppel zukommen:
das Schild nicht verstehen, sehen die Fahrradständer
Herrn Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der
daneben sowieso. Deswegen stellen sie ihr Fahrrad
Deutschen Bahn AG, oder Dr. Werner Müller, Vordoch nicht woanders hin. Und mit der Zeit gewöhnen
sitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG,
sie sich an unsere Beschilderung.“ Diethold Tietz,
Potsdamer Platz 2, D-10785 Berlin
Bitte deutlich schreiben!
Bestellschein für Kleinanzeigen
DSW 21/05
Bitte veröffentlichen Sie in der nächsten Ausgabe der DEUTSCHEN SPRACHWELT folgende Kleinanzeige:
nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn
nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn
nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn
nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn
Der Preis je Zeile beträgt für private Kleinanzeigen 2,09 Euro und für gewerbliche Kleinanzeigen 4,18 Euro einschließlich Mehrwertsteuer.
Bei Chiffre-Anzeigen beträgt die Chiffre-Gebühr 6,96 Euro.
Ich zahle n auf Rechnung
n mit Bankeinzug. Meine Bankverbindung:
Konto-Nummer Bankleitzahl
Bank
Name, Vorname
Straße (kein Postfach)
Land PLZ, Ort
Ort, Datum, Unterschrift
Einsenden an: DEUTSCHE SPRACHWELT • Postfach 1449 • D-91004 Erlangen
Ferndruck (Fax) 0049-(0)9131-480662 • [email protected]
Sie doch in Gottes eigenes Land aus!
Dort könnten Sie in der geliebten
Primitivsprache tagtäglich baden.“
Burkhard Schoch
warnt die Telekom: „Nicht, daß noch
jemand auf die klebrige Idee kommt
und die noch wirkenden Telefonistinnen im Kall Zentrum womöglich
als Callgirls bezeichnen möchte.
Zuzutrauen wäre es diesen vorauseilenden Deutschlingen in ihrer Denglischbeflissenheit. Man fragt sich:
Wer soll denn mit solchen Mätzchen
beeindruckt werden?“ Schoch stellt
klar: „Sollte ich jemals mit einem
derartigen
Kauderwelschschrieb
beglückt werden, dann wird dieser
umgehend an den Absender zurückgeschickt, mit dem Vermerk ‚Kann
nit verstaan, mir bitteschön, könnse
noch deutsch schreiben.‘ Zu Recht
kann ein Kunde von Ihnen erwarten,
in einwandfreiem Deutsch in Schrift
und Sprache bedient zu werden. Mit
Sicherheit werden dadurch Fehler
und Mißverständnisse vermieden.“
Was haben die
Protestschreiben bewirkt?
Zuerst die gute Nachricht: Die Deutsche Telekom antwortete vielen unserer Leser. Das heißt, der Tadel ist
angekommen und wurde zur Kenntnis genommen. Nun die schlechte
Nachricht: Zwar war zu erwarten,
daß die Telekom ihren sprachfeindlichen Kurs nicht umgehend ändert;
aber daß sie es nicht einmal für nötig hielt, die Verständlichkeit für die
Kunden als wichtiges Ziel zu betonen, ist ein Armutszeugnis. Statt dessen argumentierte die Telekom allein
vom Gesichtspunkt der Vermarktung
aus: „Oberstes Ziel bei der Positionierung neuer Produkte am Markt
ist eine erfolgreiche Vermarktung
... Häufig gelingt die Vermarktung
besser mit Begriffen aus dem englischsprachigen Raum ... Durch von
uns initiierte Marktforschungen wird
immer wieder belegt, daß die Mehrheit der im Test befragten Personen
häufig die englischen Varianten
und Verkaufsslogans für attraktiver
halten [hält].“ Mit anderen Worten:
Die Telekom glaubt, daß sich ihre
Dienstleistungen besser verkaufen,
wenn man nicht so genau weiß, was
hinter ihnen steht. Abhängige, also
nicht aussagekräftige Befragungen
(„von uns initiiert“) liefern Ergebnisse, die bereits vorher feststehen.
Doch der Knaller der Telekomiker
kommt zum Schluß. Als Begründung
für den Hang zur (d)englischen Monokultur muß auch noch die kulturelle Vielfalt herhalten. Man belehrte
die DSW-Leser: „Darüber hinaus
ist Deutschland heute ein multikulturelles Land. Wir möchten möglichst viele der hier lebenden und
arbeitenden Menschen, egal welcher
Nationalität, mit unseren Angeboten erreichen“. Also, liebe Türken,
ihr müßt nicht nur Deutsch, sondern
auch Englisch lernen, wenn ihr hierzulande zurechtkommen wollt! So
will es jedenfalls die Telekom. Daß
eine nicht unbeträchtliche Zahl „der
hier lebenden und arbeitenden Menschen“ Deutsch spricht, ist den Telekommunikationsstrategen offensichtlich entgangen. Kein Anschluß
unter dieser Nummer.
Sie können also weiterprotestieren,
um das Nachdenken anzuschieben.
Schreiben Sie dazu an:
Herrn Kai-Uwe Ricke, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, Friedrich-Ebert-Allee 140,
53113 Bonn
So wird’s
richtig
Ein Ratgeber von Dr. Holger Holzschuher
Überflüssige
Vorvorsilben
Beispiel:
vorprogrammieren, auseinanderdividieren, aufoktroyieren
Kommentar:
Warum nicht auch zusammensynthetisieren,
aufanalysieren
oder vorpräventiv? Woher
kommt diese Tendenz der verdoppelnden Wiederholung des
lateinischen oder griechischen
Präfixes? Etwa von einem Impuls zur Eindeutschung, der
Vermeidung von Fremdwörtern?
Wohl kaum.
Richtig:
programmieren, dividieren,
oktroyieren
Tödlicher Tod
Beispiel:
Er starb an den Folgen eines
Krebsleidens.
Kommentar:
Aha, er starb also an den Folgen
einer tödlichen Krankheit. Nun
wollen wir einmal sortieren. Die
Folge einer tödlichen Krankheit ist doch eigentlich der Tod,
oder? Sonst wäre sie ja nicht tödlich. Das heißt, er starb am Tod.
Was könnten sonst noch Folgen
von schweren und langwierigen
Krankheiten sein, an denen man
stirbt? Interessanterweise werden diese ja nie genannt! Also,
natürlich stirbt man durch diese
Krankheiten selbst und nicht an
irgendwelchen nebulösen Folgen dieser Krankheiten. Was
anderes ist es aber, wenn es um
die Folgen eines Unfalls geht.
Dessen Folgen sind natürlich ein
zerschmetterter Körper, Blutverlust und ähnliches, woran man
dann stirbt.
Richtig:
Er starb an Krebs.
Oder aber:
Er starb an den Folgen eines Unfalls.
Laut oder
gemäß?
Beispiel:
Unser Zuckerrübensirup Silbertran ist laut Gesetz ohne Konservierungsstoffe.
Kommentar:
Wie? Die Tatsache, daß der Sirup ohne Konservierungsstoffe ist, hat der Gesetzgeber ins
Gesetz geschrieben? Alle Achtung!
Richtig:
Unser Zuckerrübensirup Silbertran ist gemäß Gesetz (oder:
dem Gesetz entsprechend) ohne
Konservierungsstoffe.
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H-Wort
Dr. Holger Holzschuher
Lektorat – Korrektorat
Birkenbusch 13
D-31606 Warmsen
Tel./Fax 05767 / 94 38 60
www.lektorat-h-wort.de
[email protected]
Mitglied im Verband der Freien
Lektorinnen und Lektoren e. V.
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Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
Schillerjahr 2005
Seite 11
Schillers Tod – ein Kriminalfall
Von Hans Binder
Teil 2
„Man“
schickte
Schillers Frau anscheinend gleich nach seinem Tode
weg und erfüllte nicht ihren und des
nachmaligen Bürgermeisters Schwabe und anderer Freunde Wunsch
nach einer würdigen Beerdigung und
Grabstätte. Der für die Organisation
der Beerdigung ausersehene (von
wem?) Oberkonsistorialrat Günther
wies Schwabe schließlich ab mit
dem Hinweis: „Es ist alles so angeordnet … Die Träger schon bezahlt.“
Und also wurde Schiller nach Mitternacht zwischen null und ein Uhr
(in der „Geisterstunde“, wie nur bei
Delinquenten üblich) am 12. Mai,
ohne Voransage, ohne Geläut, ohne
die bei beliebten Abendbeerdigungen übliche Lampen- und Fackelbeleuchtung, ohne Begleitung durch
Angehörige und Freunde, von bezahlten Handwerkern getragen – andere Angebote abgeschlagen – in der
Massengruft für verarmte Adlige und
Beamte, dem „Kassengewölbe“, beigesetzt, deren Angehörige für eine
andere Beerdigung das Geld nicht
aufbrachten.
Die Beerdigung Schillers entsprach
keineswegs dem Brauch der Zeit,
wie die Begräbnisordnung und Beispiele beweisen. Fünf weitere amtliche Beisetzungen Schillers folgten
(1826, 1827, 1913, 1945, 1962),
1913/14 mit einem zweiten Schädel
und Skelett. Auch all das war nicht
der Brauch der Zeit. Der 1914 ergänzend in eigenem Sarg in der Fürstengruft bestattete Schädel erwies sich
als Schädel eines etwa 20jährigen
Mädchens, die hinzugefügten Knochen
stammten von anderen Skeletten.
Der Schillerschädel in
der Bibliothek
Bürgermeister Schwabe stieg im
März 1826 heimlich in die Gruft, die
geräumt werden sollte. Er hob alle
aufzufindenden 23 Schädel und suchte Schillers Schädel aus. Es stand
ihm eine Gips-Ganzkopfmaske zur
Verfügung, die wohl am Tag nach
Schillers Tod von Klauer angefertigt
wurde. Zumindest der Gesichtsteil,
ein Hinterkopfteil – von Schiller? –
von viel zu kurz abgetrenntem Kopf
und schwerem Nackenschaden wurde später angeflickt, wie an der Maske ersichtlich. Drei Weimarer Ärzte,
die Schiller kannten, bestätigten, daß
nur dieser Schädel als Schillerschä-
del in Frage komme. Nun wurde wieder durch Beschluß von Großherzog
und Goethe untersagt, eine eigene
Schiller-Grabstätte mit Denkmal
(auf Kosten Schwabes) anzulegen.
Der Schädel mußte am 16. September 1826 an Goethe abgegeben werden und wurde tags darauf in einem
Staatsakt, ohne Beisein Goethes, im
Sockelkasten der Schillerbüste in
der Großherzoglichen Bibliothek eingeschlossen.
Goethe hatte den Schlüssel dazu. Schon wenige
Tage danach erteilte Goethe dem Prosektor Schröter aus Jena den Auftrag,
die übrigen Knochen von
Schillers Skelett dazuzusuchen und sie ebenfalls zur
Aufbewahrung in der Bibliothek zu bergen. Nach
einigen Stunden hatte er
die Hälfte eines Skeletts
beisammen. Er mußte auf
die längsten Bein- und
Armknochen achten, denn
niemand in Weimar soll
höher gewachsen gewesen
sein als Schiller (etwa 1,80
Meter).
mann diesen von Schröter zurechtgemachten, also falschen Schädel mit
dem manipulierten Gebiß.
Dies alles muß in planender Voraussicht so geschehen sein. Nachgüsse
wurden als Schillerschädel in alle
Welt verbreitet. Goethe, im Besitz
des Schlüssels für den Sockelkasten
der Schillerbüste in der Bibliothek,
Manipulation in
Goethes Auftrag
Nun übergab Goethe dem
Prosektor Schröter aber
auch noch einen Schädel zum Reinigen, wofür
Schröter relativ lange, angeblich zwei Tage, brauchte. Wofür brauchte Goethe
diesen von Schröter hergerichteten Schädel, wie
sah dieser aus, und warum
brauchte Schröter für sein
Herrichten
(„Säubern“)
zwei Tage? Die sicheren
Antworten konnten erst
1959/61 buchstäblich aufgedeckt werden. Diesem
Schädel, mit flacher Stirn
– Schiller hatte eine hohe
und steile – und acht fehlenden Zähnen, setzte Schröter sieben zurechtgefeilte Zähne ein und
übergab ihn Goethe. Damit fehlte
dem schon 1826 zusätzlich ins Spiel
gebrachten Schädel nur noch ein
Mahlzahn, so wie dem von Schwabe geborgenen Schillerschädel. Weil
der Großherzog eine Gipsabformung
von Schillers Schädel wünschte,
übergab Goethe dem Former Kauff-
Goethe hortete
Schillers Schädel
zu Hause
Am 30. Dezember 1826 nämlich
zeigte Goethe in seiner Wohnung
(!) Wilhelm von Humboldt vertraulich und mit dem ausdrücklichen
Hinweis, niemandem davon zu berichten, Schillers Schädel.
Das ist der erste Beweis dafür, daß Goethe den Schillerschädel aus des Herzogs
Bibliothek wieder an sich
genommen hat. Humboldt
berichtete noch am selben
Tag seiner Frau. Er war wohl
der einzige Gast, der den
echten Schillerschädel sah.
Der Schädel, den Goethe
König Ludwig I. von Bayern bei seinem Weimarbesuch 1827 in der Bibliothek
des Großherzogs zeigte, war
mutmaßlich der falsche, was
Ludwig aber nicht bemerken
konnte. Ludwig I. zeigte sich
entrüstet darüber, daß hier
Schillers Schädel „wie Münzen oder ähnliche Raritäten“
behandelt würde.
Daraufhin räumte der Großherzog einen Platz in seiner
Fürstengruft für die sterblichen Überreste Schillers ein.
Die Beisetzung dort fand,
wieder mit einem Staatsakt
und ohne Beisein des Geheimrats Goethe, am 16.
Dezember 1827 statt. Bürgermeister Schwabe stellte
sich argwöhnisch (!) vor Verschluß des Sarges dicht daneben und überzeugte sich, daß
auch wirklich der Schädel,
den er Goethe abgeliefert hatte, also Schillers Schädel, darin lag. Es ist anzunehmen, daß
er sich nicht täuschte. Goethe
verwaltete den Schlüssel für
diesen Sarkophag.
in dem der echte, von Schwabe gehobene Schädel Schillers und die dazu
gesuchten Knochen verwahrt wurden, tauschte diesen echten Schillerschädel gegen den von Schröter
hergerichteten und inzwischen von
Kauffmann abgeformten Schädel
wohl schon einige Tage nach der feierlichen Beisetzung (17. September
1826) aus.
Für immer verschollen?
Als der sogenannte Schillersarkophag 1959 wegen angeblicher Fäulnisschäden geöffnet wurde, kam ein
Schädel zutage mit sieben eingesetzten, zugefeilten Zähnen und einer
Zahnlücke, der mit dem Kauffmannschen Gipsabguß exakt überein-
Goethe bei der Betrachtung von
Schillers Schädel. Büste von Gustav
Eberlein (1897).
stimmte. Der Anthropologe Herbert
Ullrich, der dem von den DDR-Behörden beauftragten russischen Anthropologen Michail Gerassimov als
Dolmetscher beistand, veröffentlichte 1961 den Befund mit den eingesetzten und zurechtgefeilten Zähnen
an dem angeblichen Schillerschädel.
Ullrich, der die gesamten Umstände
und Quellen nicht ausreichend kannte, schob den Verdacht auf Schwabe
– vielleicht auch, weil er wußte, daß
seine Publikation und er nur so eine
Chance haben würde.
Gerassimov selbst brachte außer Falschem wenig an den Tag. Er erklärte
kurzerhand den gefundenen Schädel
zum Schillerschädel und modellierte
darüber eine Kopfplastik, die Schillers Kopf und Totenmasken nicht
einmal entfernt ähnelt. Mit dieser
Rekonstruktion lag Gerassimov nicht
das erste Mal voll daneben, wie man
auch in der führenden Berliner Gerichtsmedizin der Charité wußte. Der
andere Schädel, der in dem 1914 in
die Fürstengruft gestellten weiteren
Sarg lag, wurde als weiblicher Schädel eines etwa 20jährigen Mädchens
„verworfen“. Dank der Arbeiten von
Gerassimov und Ullrich kam sicher
an den Tag, daß auch der im ersten
Schillersarkophag in der Fürstengruft liegende Schädel nicht Schillers Schädel sein kann – und der echte, von Schwabe gehobene Schädel
wohl für immer verschollen ist.
Schluß
Oberstudiendirektor Hans Binder ist
Schulleiter des Bodensee-Gymnasiums in Lindau.
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Seite 12
Selig sind die Armen
Von Erhard Glier
D
Wenn nun aber diese Privatsache zu
einer öffentlichen, gar gesamtsprachgemeinschaftlichen Angelegenheit
gemacht wird, und zwar mit dem für
deutsche öffentliche Angelegenheiten kennzeichnenden ganzen Brimborium, einschließlich einer über
allem thronenden „Fachjury“, wie
sie ein beflissenes Feuilleton zu bezeichnen beliebte – dann ist Skepsis,
ja Mißtrauen nicht nur angebracht,
sondern geboten. Wenn ferner diese
Fachjury für die Wahl Begründungen einfordert und sich dann anmaßt,
diese in das Prokrustesbett ihres kollektiv erarbeiteten ästhetischen Maßstabs zu pressen und das Ergebnis
davon der Sprachgemeinschaft als
deren „schönstes Wort“ aufs Auge
zu drücken – dann kann das nur an
den Baum gehen.
Eine solche Jury – mit dem großen
Textemacher deutscher Zunge Herbert Grönemeyer und der Präsidentin
des Goethe-Instituts Jutta Limbach,
einer Vertreterin der für ihr exzellentes Deutsch allgemein bewunderten
Juristen (der übrigens das für die jetzige beklagenswerte Rolle des GoetheInstituts entlarvende Wort „Englisch
muß, Deutsch kann“ zugeschrieben
wird) – hat also „Habseligkeiten“
zum „schönsten Wort der deutschen
Sprache“ ausgerufen und will, daß
es nun Volkes Eigentum werde, weil
ihr „die Begründung so gut gefallen
hat“. Sind wir damit nicht wieder bei
Tschechow, der ja auch für gut befand, was ihm gefiel? Ganz und gar
nicht! Tschechow war sicher nicht so
vermessen, sein eigenes Urteil in den
Rang eines für alle geltenden Urteils
zu erheben. Und im Sinne Tschechows wehre ich mich gegen dieses
Zwangsurteil und seine Zumutung,
„Habseligkeiten“ als schönstes deutsches Wort zu akzeptieren.
Dafür habe ich mehrere Gründe.
Der erste, ein objektiver Grund, ist
die von der „Fachjury“ akzeptierte
sowohl aussagenlogische als auch
etymologische Fragwürdigkeit der
von Frau Doris Kalka aus Tübingen stammenden Begründung: „Das
Wort bezeichnet nicht den Besitz,
nicht das Vermögen eines Menschen,
wohl aber seine Besitztümer, und es
tut dies mit einem freundlich-mitleidigen Unterton, der uns den Eigentümer dieser Dinge sympathisch und
liebenswert erscheinen läßt... Lexikalisch gesehen verbindet das Wort
Zum verordneten schönsten Wort „Habseligkeiten“
zwei Bereiche unseres Lebens, die
entgegengesetzter nicht sein könnten: das höchst weltliche Haben, das
heißt den irdischen Besitz, und das
höchste und im irdischen Leben unerreichbare Ziel des menschlichen
Glücksstrebens: die Seligkeit. Diese
Spannung ist es, die uns dazu bringt,
dem Besitzer der Habseligkeiten positive Gefühle entgegenzubringen,
wie sie gemeinhin den Besitzern von
Vermögen und Reichtümern oder
Eigentümern von Krempel, Gerümpel und Altpapier versagt bleiben“.
Die „Fachjury“ bezeichnete dieses
unsägliche Wortgeklingel als „poetisch-philosophisch“ und belohnte
die Einsenderin mit einer Reise nach
Mauritius. Die sei ihr gegönnt...
Aussagenlogisch insofern: Nicht nur,
daß ich die Leute nicht mag, die mir
kostbare Zeit stehlen, indem sie am
Anfang ihres Sermons des langen
und breiten auseinandersetzen, was
er alles nicht bezweckt, ich mag auch
Begriffsbestimmungen nicht, die mir
erklären, was ein Ding nicht ist, während mich brennende Neugier treibt
zu erfahren, was es denn nun eigentlich sei. Schon diese allen Definitionsübungen aus Schulzeiten hohnsprechenden Negativformulierungen
hätten eine Fachjury (ohne „“) diese
Begründung ablehnen lassen müssen, zumal in ihr außerdem völlig unverständlicherweise die Synonyme
„Besitz“ und „Besitztümer“ einander
entgegengesetzt werden.
Etymologisch insofern, als die „Fachjury“ in der Fortsetzung der Begründung außer acht gelassen hat oder,
schlimmer noch, noch nicht einmal
gewußt zu haben scheint, daß sich
„Habseligkeiten“ mitnichten aus „Haben“ und „Seligkeit“ zusammensetzt.
Es ist vielmehr eine Modifikationsbildung – mittels der Suffixe „-ig-keit“
(wie bei „Sanftmut“ > „sanftmütig“
> „Sanftmütigkeit“) unter Umlautung – von dem ausgestorbenen Wort
„Habsal“, das in die Reihe „Drangsal“, „Mühsal“, „Rinnsal“, „Scheu-
WOHL
LAUT
Ein schönstes deutsches Wort
Von Wilhelm Deinert
E
in Formular behauptete „Das
schönste deutsche Wort lautet
(so und so)“ und bot dem Einsender
eine Leerzeile an, um seinen Günstling zum Mister oder zur Miss Germany 2004 zu erklären. Dann gängelte es
den Teilnehmer zu einem geräumigen
Blankofeld, indem es ihm vorsprach:
„Dieses Wort ist für mich das schönste deutsche Wort, weil ...“ und drohte
bei Abweichungen von dem Vordruck
mit dem sofortigen unanfechtbaren
Ausschluß von dem Verfahren.
Kein Zweifel, es machte Spaß, ein
paar Zungenschmeichler auf ihre Vorzüge des einen vor dem anderen abzuschmecken und sie mit feinschmeckerischen Begründungen gegeneinander
auszuspielen. In ziemlich langer Reihe standen sie vor dem Laufsteg an
und stießen einander mit Lust von
der Siegerstaffel, auf die ich sie probeweise postierte. Am Ende hielten
sie mich zum Narren, indem sie bald
diese, bald jene Reize entblößten und
mir vor der Nase wiegten. Ich rächte
mich, indem ich doch eine der Schönheiten zur Königin der Nacht erwählte
und anpries, um all die aufdringlichen
anderen zu beschämen.
Sollte ich sie zum schönsten deutschen Wort erklären? Es hieße, den
DSW-Silbenrätsel
vorgeblichen Sprachpflegern, die
den Wettbewerb ausschrieben, ihre
Urteilsvergröberung und Ermunterung zur Phrase nachzusehen. Um
meine Erwählte nicht gleich wieder
zu verstoßen, unterschrieb ich also
mein Ausschlußverfahren folgendermaßen:
Ein schönstes deutsches Wort lautet
Wohllaut. Dieses Wort ist für mich
ein schönstes deutsches Wort, weil...
es den Wohllaut verkörpert, den es
aussagt – ihn hörbar macht. Es beglaubigt durch seinen Klangleib, was
es behauptet. Wer es behutsam ausspricht, den durchströmt die Musik
der deutschen Sprache. Mehr noch:
er erfährt Laut für Laut das Urerlebnis des Sprechens. Denn im „W“ ist
die Betroffenheit, die sich auf die
Lippe beißt, weil das Sprechen die
Stille verletzt. Das gedehnte „oh“
spricht ihr Bedauern, aber auch ihr
Erstaunen aus, das sich selber zuhört. Es wird mit dem doppelten „ll“
in ein Lallen vor Sprachlust gewendet, das mit dem strahlenden „a“ in
ein Beinahe-Lachen ausbricht. Aber
das folgende „u“ tönt es geheimnisvoll. Es würde ein mystisches Raunen, wenn nicht das schließende „t“
mit dem Schnalzen des Genießers
ihm den knackigen Biß verliehe.
w
t
ie Wahl eines „schönsten Wortes der deutschen Sprache“
kann für jeden Freund der deutschen
Sprache immer nur eine Entscheidung
seines ureigensten Geschmacks sein.
Daher bedarf sie keiner Begründung
– „Etwas gefällt mir, oder es gefällt
mir nicht; über andere ästhetische
Kriterien verfüge ich nicht“, meinte sogar so ein Wortmächtiger wie
Anton Tschechow –, und insofern ist
sie auch reine Privatsache.
Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 21_Herbst 2005
... wer ist die Schönste?
Buchobjekt von Claudia Moritz-Marten
sal“, „Schicksal“, „Trübsal“ oder
„Wirrsal“ gehörte – alles Wörter, die
sehr negative Empfindungen auslösen (außer vielleicht „Labsal“, aber
auch dem ist ja eine unangenehme
Durststrecke vorausgegangen...). Mit
der „Seligkeit“, die Einsenderin und
Jury als „freundlich“, „sympathisch“
und „liebenswert“ empfanden, haben
die „Habseligkeiten“ nicht das geringste zu tun! Die Gewinnerin des
Wettbewerbs trifft hieran natürlich
keine Schuld, sie hat lediglich eine
klassische Volksetymologie geliefert
– und die „Fachjury“ ist voll darauf abgefahren oder hereingefallen!
Aber der für mich eigentliche, der
wissenschaftliche Skandal ist der,
daß die Germanisten (ich bin zum
Glück Slawist) nicht einmütig aufgeschrien haben ob so viel etymologischer Ignoranz. Oder sollte ich bei
meinen Wanderungen durchs Internet und das deutsche Feuilleton unter
all den ahnungslosen Zustimmungen
ahnungsvolle Ablehnungen übersehen haben?
Der zweite, ein subjektiver Grund
ist der, daß für mich als Kriegskind
des Jahrgangs 1934 unsere „Habseligkeiten“ der schäbige Rest unserer
„Besitztümer“ waren, die armselige
Habe, die wir, von einem feindseligen
Schicksal zu Ausgebombten, Flüchtlingen und Vertriebenen gemacht, in
Trübsal mühselig durch die Wirrsal
jener Zeit zu retten versuchten, und
das oft auch noch vergebens... Dies
das schönste deutsche Wort?! Für
mich dreimal nicht!
Ich würde „Erbarmen“ wählen oder
„Liebreiz“. Vielleicht sollte ich
dann, zur Begründung gezwungen,
sogar ebenfalls volksetymologisch
argumentieren und etwas von „erblich gnädigen Armen“ und von „reizender Liebe“ daherreden, „damit
(mich) die Masse auch versteht“, wie
es in Michail Sostschenkos „Kuh im
Propeller“ so hübsch heißt, so daß
also eine „Fachjury“ meinen Unfug
gutheißen könnte! Dabei besteht, wie
wir wissen, zwischen „Armen“ und
„Erbarmen“ doch derselbe etymologische Zusammenhang wie zwischen
„Hund“ und „hundert“.
Man hätte lieber folgendes machen
sollen: fragen, welches (nur eine!)
Wort jeder Deutschliebhaber als sein
schönstes empfindet, ohne mühselige
Begründung. Ein technisch gut ausgestattetes germanistisches Institut
hätte alles durch seine Rechner gejagt und geguckt, was dabei herauskommt. Danach hätte diese Aussage
getroffen werden können: „Für die
meisten Deutschen und Freunde des
Deutschen gilt Xyz (zur Zeit!) als
das schönste deutsche Wort. Auf den
weiteren Rängen folgen ...“. Das hätte
genügt, und man hätte sich allenfalls
über die Rangfolge ereifern können,
zumal dann, wenn „geil“ unter die
ersten zehn schönsten Wörter geraten wäre. was manchem zwar nicht
gefallen hätte, aber als objektives
Auswertungsergebnis unanfechtbar
gewesen wäre. Eine Jury hätte ruhig
ihr subjektives Verdikt darüber fällen
können, geändert hätte das nichts.
Übrigens wird derselbe Unfug ja auch
bei der Festlegung des „Wortes des
Jahres“ und des „Unwortes des Jahres“
getrieben. Statt sich auf die Zählung
dessen zu beschränken, was „Volkes
Stimme“ vorgibt, drängen sich angemaßte Kompetenzler in das Verfahren
und schreiben dem Volk vor, was es
dank ihrer kollektiven Weisheit eines Sprachpolitbüros als Wörter und
Unwörter – oder „Rechtschreibreformen“! – zu schlucken hat.
Aber schließlich kann ich dem Ganzen doch dieses Gute abgewinnen:
Ich freue mich für und mit Frau Doris Kalka, daß „Habseligkeiten“ ihr
schönstes deutsches Wort sein kann,
denn aus ihrer Begründung scheint
ihre Zufriedenheit mit einem lange
ununterbrochenen Frieden hervor,
die fröhliche Freude daran, mit ihrer
in dieser Zeit erworbenen Habe selig
sein zu können. Es möge noch lange so bleiben! So gesehen, hat dieser
Deutungswandel von „Habseligkeiten“ dann sogar schon wieder etwas
Tröstliches, geradezu in die Zukunft
Weisendes...
Dies noch am Rande: „Deutungswandel“ weckt natürlich die Frage, wann
den Deutschen in ihrer Sprachgeschichte das Verständnis für die Bedeutung von „-sal“ und „-seligkeit“
abhanden gekommen ist, so daß sie
begannen, „Seligkeit“ in der Tat mit
der „Seele“ in Verbindung zu bringen, und solche schönen Wörter wie
„holdse(e)lig“, „glückse(e)lig“ und
gar „gottse(e)lig“ schufen. In Schriften aus dem 18. und 19. Jahrhundert
habe ich sehr oft diese wechselnde
Schreibweise, und natürlich „Seeligkeit“, gefunden – daher würde
es mich interessieren, wie oft heute
(„noch heute“ oder „gerade heute“?)
Deutschlehrer bei ihren Schülern das
zweite „e“ „anstreichen“ müssen...
Von Dagmar Schmauks
ager – an – bank – bank – bar – baum – ben – brem – cho – de – de
– der – der – dog – fall – fee – fen – ge – ge – ge – geist – geld – ger – gleit
– gramm – hän – heu – kaf – kom – kopf – kun – lat – lauf – le – ma – ma
– ma – men – mie – mo – ne – ne – nen – nie – nie – no – no – nuß – opa
– port – pres – psy – pump – punkt – ra – rei – reich – ren – rü – sa – sa
– sche – schein – schirm – schleu – schnup – schwer – se – se – sen – spin
– sprung – tan – tar – te – te – teen – ten – tisch – trans – tro – ur – ur
– werk – woll – zeit – zi
Lösungen: 1. Transport – 2. dogmatisch – 3. Opale – 4. Notenbank – 5.
Pumpwerk – 6. geistreich – 7. Gleitzeit
– 8. Salatschleuder – 9. Zitronenpresse
– 10. Samenbank – 11. Teenager – 12.
Anhängerbremse – 13. Schwerpunkt
– 14. Geranie – 15. Kaffeetante – 16.
Psychogramm – 17. Notar – 18. Genuß – 19. Kopfgeld – 20. Rübenmiete
– 21. Fallschirm – 22. Baumwollspinnerei – 23. scheinbar – 24. Manieren
– 25. Ursprung – 26. Laufmasche – 27.
Heuschnupfen – 28. Genesender – 29.
Kommode – 30. Urkunde
1. fischölige Körperertüchtigung – 2. Stellmöbel für einen Glaubenssatz – 3.
schwäbisch-herablassende Anrede eines Großvaters – 4. Sitzgelegenheit für
verschriftlichte Töne – 5. geliehene Firma – 6. Herrschaftsgebiet eines Gespenstes – 7. rutschige Abfolge von Augenblicken – 8. Katapult für eßbare
Blattpflanzen – 9. säuerliches Druckerzeugnis – 10. Sitzmöbel eines nordskandinavischen Volksstamms – 11. jemand, der die Blätter eines anregenden
Strauchs knabbert – 12. Gerät, das die Jünger einer Lehre verlangsamt – 13.
gewichtiger ausdehnungsloser Gegenstand – 14. dauernde Ablehnung einer
Stadt an der Elster – 15. weibliche Verwandte eines Heißgetränks – 16. kleine
Gewichtseinheit für Seelen – 17. Flächenmaß in hilfsbedürftiger Lage – 18.
fetthaltige Frucht eines Tons in C-Dur – 19. Finanzen eines hochgelegenen
Körperteils – 20. Wohnungspreis einer Wurzelknolle – 21. gravitationsgeschädigter Regenschutz – 22. Wahnideen aus Pflanzenfasern – 23. Nachtlokal,
in dem man nur mit Banknoten bezahlt – 24. heiter-enthemmter nordischer
Geweihträger – 25. allererstes Springereignis – 26. schlaue Renntaktik – 27.
Erkältungskrankheit von getrocknetem Gras – 28. jemand, der Erbinformationen verschickt – 29. Lockruf für ein festliches Gedicht – 30. Wissenschaft
vom Auerochsen
Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der
Arbeitsstelle für Semiotik an der Technischen Universität Berlin tätig. Semiotik
ist die Wissenschaft von den Zeichen.