Wird Deutsch zur Affensprache?
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Wird Deutsch zur Affensprache?
AUSGABE 39 Frühling 2010 11. Jahrgang – 1 ISSN1439-8834 (Ausgabe für Deutschland) Besuchen Sie uns auf der Wird Deutsch zur Affensprache? 18.–21. März 2010 Stand A 103 in Halle 5 Wir freuen uns auf Sie! Deutsch-Initiative Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer ruft zur Achtung der deutschen Sprache auf und geht mit gutem Beispiel voran. Seite 3 Wortschatzlücke Der Immunologe Ralph Mocikat erläutert, wie das Vordringen von Englisch als Unterrichtssprache der Landessprache schadet. Seite 7 Werbesprüche Die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT haben zahlreiche Werbesprüche für die deutsche Sprache gesammelt. Seite 9 Wettbewerb Die Rossmann-Zeitschrift „Centaur“ und die „Aktion Deutsche Sprache“ suchen geistreiche Marken- und Produktnamen. Seite 11 Sie spenden für: • Zusendung der DEUTSCHEN SPRACHWELT • Aktionen für die deutsche Sprache Kostenloser Aufkleber Bestellen Sie auf Seite 5! Besuchen Sie www.Sprachpflege.info Forscher sagen eine starke Verflachung unserer Sprache voraus Von Thomas Paulwitz D eutsch verkomme zur „Schimpansensprache“. Bereits vor zehn Jahren vertrat der Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache (VDS) diese Meinung. Auf einer Tagung des Mannheimer Instituts für deutsche Sprache (IDS) im Jahr 2000 hatte sich Walter Krämer „in unsachlicher Weise“ geäußert, wie sich das steuerfinanzierte Institut später – leicht affektiert – empörte. Krämer mußte sich gar den Vorwurf des Rechtsradikalismus gefallen lassen (siehe DSW 1, Seite 7). Auf Sprachschützer macht es jedenfalls den Eindruck, als ob sich eine beträchtliche Zahl von Sprachwissenschaftlern wie die drei berühmten Affen verhält. Sie sehen nichts, sie hören nichts, sie sagen nichts: Sie sehen nicht die Folgen der Sprachverdrängung und -verflachung, sie hören nicht die Sprachkritik, die aus dem Volk kommt, und sie sagen selbst nichts Kritisches, um nicht unwissenschaftlich zu wirken. Ja sind wir denn vom wilden Affen gebissen, daß wir unsere Sprache so vernachlässigen? Es ist zwar noch lange nicht soweit, daß sich die Deutschen allein durch Gestik und Grunzen verständigen können; doch sagen Sprachwissenschaftler eine starke Verflachung der deutschen Sprache voraus. Dabei beziehen sie sich jedoch nicht nur auf den von Krämer angeprangerten deutsch-englischen Sprachmischmasch. Wenig Hoffnung machen zum Beispiel die Aussagen des Sprachwissenschaftlers Gerhard Jäger in der Februar-Ausgabe von „bild der wissenschaft“. Er selbst nennt sich übrigens lieber „Professor of General Linguistics“ von der „University of Tübingen“. Jäger sagt der deutschen Sprache „eine Kreolisierung, eine Durchmischung“ voraus. Die Entwicklung der deutschen Sprache folge dabei der englischen. Die Umlaute „ä“, „ö“ und „ü“ würden in 500 Jahren ausgestorben sein. Die starken oder unregelmäßigen Verben seien bereits in 100 Jahren fällig. Als „beugende“ Sprache hat das Deutsche den Vorzug einer flexiblen Satzstellung. Doch auch diesen Vorteil werde es einbüßen. Die Fälle Genitiv und Akkusativ würden nämlich ebenfalls nicht überleben. In Zukunft werde – wie im Englischen – die Reihenfolge der Wörter die Bedeutung anzeigen, nicht die Wortendung. Und in zwanzig Jahren schon werde eine Rechtschreibreform möglicherweise die Kleinschreibung vorschreiben. In spätestens 300 Jahren gehe eine neue Gruppe von Wörtern in die Schriftsprache ein. Es heiße dann nicht mehr „Kennst du sie?“, sondern „Kennstese?“, sowie „Willers?“ statt „Will er es?“ Wird also das Stammeldeutsch, das heute viele Großstadtjugendliche sprechen (DSW 36, Seite 1), eines Tages zur Norm erhoben? Für die Sprachwissen- schaftlerin Heike Wiese, die sich der Erforschung des von ihr so genannten „Kiezdeutschs“ verschrieben hat, ist das nicht besorgniserregend. Sie schwärmt: „Meine fünfjährige Tochter, die in Kreuzberg in den Kindergarten geht, sagt jetzt neuerdings ‚Abu‘, wenn sie sich über etwas empört.“ Das Wort „Abu“ ist arabisch und bedeutet eigentlich „Vater“. Einwanderer aus dem arabischen Raum verwenden das Wort jedoch gern im Zusammenhang von Beleidigungen. Arbeit in internationaler Industrie und Forschung sinnvoll.“ Der Weg unserer Sprache in den Niedergang scheint vorausbestimmt: Auf zahlreichen Gebieten wird schon heute der deutsche Fachwortschatz nicht weitergebildet (siehe Seite 7). Englisch also als Sprache der Gebildeten, Deutsch als Sprache der Affen? Der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant befürchtet, daß sich eine „Kaste der Anderssprachigen“ bildet und die Oberschicht sprachlich auswandert. Und, mich laust der Affe: Gerhard Jäger selbst hat offenbar schon die deutsche Sprache aufgegeben und stellt sich im Netz ausschließlich auf englisch vor. Der Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Tübingen hat sein Institut gänzlich durchamerikanisiert. Das Seminar für Sprachwissenschaft erklärt: „Die weitgehende Benutzung des Englischen als Unterrichtssprache vor allem in einführenden Kursen ist nicht zuletzt im Hinblick auf eine spätere Wenn wir die Ausdruckskraft der deutschen Sprache und die mit ihr verbundene besondere Sicht auf die Welt retten wollen, muß das peinliche Nachäffen des Amerikanischen ein Ende haben. Wir müssen dem Affen Zucker geben und das Bewußtsein für die deutsche Sprache stärken. Aktionen wie „1 000 Gründe für die deutsche Sprache“, unsere „Anti-SALE-Aktion“ oder der Plan einer „Straße der deutschen Sprache“ können dabei helfen. Es gibt erste Anzeichen für ein Umdenken, zum Beispiel bei der Deutschen Bahn. Es muß sich weiter herumsprechen, daß Deutsch nicht affig ist. Dazu gehört aber auch, daß die Sprachvereine noch stärker als bisher zusammenarbeiten. „Kräfte bündeln für unsere Muttersprache – die deutschen Sprachvereine“ heißt zum Beispiel ein Vortrag, den ich am 5. Mai beim VDS in Berlin halten werde (Näheres unter www.vds-berlin-potsdam.de). Erfolge aus der Arbeit der DEUTSCHEN SPRACHWELT Straße der Sprache: Welttag der Muttersprache: Sprachwahrer des Jahres: Idee auf den Weg gebracht 1.000 gute Gründe gefunden Vorbilder vorgestellt Wird es eines Tages eine „Straße der deutschen Sprache“ geben? Am 16. Januar dieses Jahres stellte der Schriftleiter der DEUTSCHEN SPRACHWELT, Thomas Paulwitz, diese Idee erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vor. Sein Vortrag im Spiegelsaal des Köthener Schlosses vor der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft löste in der Presse und bei zahlreichen Bürgern ein zustimmendes Echo aus. Wir verfolgen die Idee weiter! Siehe Seite 4. Zum Welttag der Muttersprache am 21. Februar dieses Jahres gab die DEUTSCHE SPRACHWELT über eine Aussendung die Aktion „1 000 Gründe für die deutsche Sprache“ bekannt. Presseagenturen im In- und Ausland griffen diese Meldung auf, so daß unzählige Zeitungen berichteten. Aufgrund dieses gewaltigen Widerhalls gelang es uns, innerhalb nur einer Woche mehr als eintausend gute Gründe für die deutsche Sprache zu sammeln. Siehe Seite 5. Kurz vor Weihnachten gab die DEUTSCHE SPRACHWELT ihre Vorschläge für die Wahl zum „Sprachwahrer des Jahres 2009“ bekannt. Das war die Gelegenheit für zahlreiche Journalisten, sich in ihren Kommentaren und Kolumnen der Frage zu widmen, wer von den Bewerbern es wohl am ehesten verdient hätte, gewählt zu werden. Die Meinungen gingen dabei auseinander. Nun haben die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT entschieden. Siehe Seite 10. Also machen wir uns nicht zum Affen und tun wir etwas dafür, daß nicht eines Tages das satirische Netzlexikon „Stupipedia“ recht behält, das unter dem Eintrag „Affendeutsch“ erklärt: „Affendeutsch, hochdeutsche Sprache, welche Lehrer verzweifelt versuchen Schülern beizubringen, ist die Amtssprache der Bananenrepublik Deutschland.“ Es wäre doch eine Affenschande für unsere Kulturnation! Leserbriefe Seite 2 Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Bravo, Herr Ramsauer! K napp 100 Tage nach Amtsantritt sagt Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) englischen Begriffen in seinem Hause den Kampf an“, war in der Sächsischen Zeitung am 31. Januar 2010 zu lesen. Damit werden Begriffe wie „Travel Management“, „Meeting“, „Task Force“, „Deadline“ durch entsprechende deutsche Ausdrücke ersetzt. Diese Initiative kann man nur begrüßen. Bestürzend war jedoch für mich, zur Kenntnis nehmen zu müssen, welche Sprachkultur offensichtlich in deutschen Ministerien herrscht oder herrschte, denn sicher muß man annehmen, wenn man diesen engli- schen Begriffen den Kampf ansagt, daß diese auch bis dato angewandt wurden. Weiterhin befürchte ich, daß in anderen deutschen Ministerien ähnliche Praktiken anzutreffen sind. Ich habe die Hoffnung, daß auch andere Ministerien dem Beispiel des Verkehrsministeriums folgen könnten. Das könnte auch gleichzeitig zum Anlaß genommen werden, die bereits diskutierte Aufnahme von Deutsch als Amtssprache in das Grundgesetz erneut ins Gespräch zu bringen, denn offensichtlich ist es selbst in Ministerien gar nicht so selbstverständlich, ein klares Deutsch zu sprechen Dr. Peter Ulbrich, Obercunnersdorf Frostig Liebe Leser! Zur Deutsch-Initiative von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Was hat Ihnen gefallen? Was hätten wir besser machen können? Worauf sollten wir stärker eingehen? Schreiben Sie uns, wir freuen uns auf Ihre Meinung! Auch wenn wir nicht jeden Brief beantworten und veröffentlichen können, so werten wir doch alle Zuschriften sorgfältig aus. Bei einer Veröffentlichung behält sich die Redaktion das Recht vor, sinnwahrend zu kürzen. Auf diese Weise wollen wir möglichst viele Leser zu Wort kommen lassen. Schreiben Sie bitte an: DEUTSCHE SPRACHWELT Leserbriefe Postfach 1449, D-91004 Erlangen [email protected] Der Frühling gibt sich große Müh, Doch manchmal müht er sich zu früh Und an dieser UnGeduld Trägt meist der lange Winter Schuld. Dies wissen selbst die Oster-Glocken, Die in den prallen Knospen hocken Und von spät bis früh frohlocken, Um den Spätling anzulocken. Der trägt sich stets mit dem Gedanken, So spät wie möglich abzudanken; Sogar der Sonne Licht-Gestalt Läßt den gestrengen Winter kalt. Günter B. Merkel, Wilhelmsfeld Es ist ihm gleich, daß Menschen frieren Und ins Warme emigrieren. Und wenn er uns mit Nacht-Frost plagt, Ist weiterhin Geduld gefragt! Einstieg in die dichterische Merkelwelt: Günter B. Merkel: Große Sprüche vom gnadenlosen Dichter, SWPBuch-Verlag, Wilhelmsfeld 2007, 128 Seiten, fester Einband, 9,50 Euro. Bestellung unter Telefon 06220/6310. www.merkel-gedichte.de Oettinger – ein Trauerspiel Zum Fall Günther Oettinger Esperanto hat Nachteile Zum Beitrag „Weltsprache ohne Machtanspruch“ von Alfredo Grünberg in DSW 38, Seite 3 I ch widerspreche der Behauptung, daß Esperanto keinen Herrschaftsanspruch hat und niemanden bevorteile. Der Wortschatz des Esperanto besteht zum größten Teil aus Wörtern lateinischer Herkunft. Daneben gibt es noch einen kleineren Anteil von Wörtern mit germanischer Herkunft sowie einem noch kleineren Anteil solcher Wörter mit slawischer Herkunft. Die Regeln bauen auf dem Muster der romanischen, germanischen und slawischen Sprachen auf, das heißt Satzbildung durch Beugung von Wörtern, wenn auch ohne Unregelmäßigkeiten. Das bedeutet, daß vor allem Muttersprachler romanischer Sprachen und des Englischen mit erheblich weniger Aufwand Esperanto lernen als Muttersprachler vieler asiatischer Sprachen. Nebenbei sei bemerkt, daß das Englische eine germanisch-romanische Mischsprache darstellt. Auch im Esperanto spiegelt sich der Anspruch auf eine weltweite, europäisch geprägte Leitkultur wider, weil ausschließlich wichtige europäische Sprachen beim Aufbau berücksichtigt wurden. Solange es Muttersprachler von Sprachen mit deutlich verschiedenem Aufbau gibt, dürfte eine Welthilfssprache, die niemanden bevorteilt, eher Wunschdenken sein. Am ehesten könnte das durch einen völlig neu erfundenen Wortschatz geschehen. Doch die meisten Menschen werden einer Sprache, die in keiner Kultur verwurzelt ist und aus dem Nichts neu verbreitet werden muß, ablehnend gegenüberstehen. Die heutigen Weltsprachen haben wenigstens irgendeinen kulturellen und geschichtlich gewachsenen Bezug. Wenn Esperanto ohnehin den romanischen Sprachen und dem Englischen artverwandt ist, dann stellen sich die meisten die Frage, warum sie nicht gleich auf Englisch oder Spanisch als althergebrachte Sprachen zurückgreifen sollen. Mit diesen beiden Sprachen kann man sich schon in weiten Teilen der Welt verständlich machen. Ich bin mir sicher, daß Esperanto genauso wie die heutigen Weltsprachen einige kleinere Sprachen bedrängen würde, wenn es sich weltweit auf breiter Front durchgesetzt hätte. Sobald eine Sprache hohes Ansehen gewinnt, was bei weltweiter Verbreitung und Nützlichkeit nicht unwahrscheinlich ist, besteht die Gefahr, daß Sprecher kleiner Sprachen ihr den Vorzug geben. Auch wenn die Esperantisten gerade das nicht beabsichtigen, hätten sie es bei erfolgreicher, weltweiter Verbreitung nicht verhin- dern können, daß Esperanto neben oder statt den anderen Weltsprachen in den Verdrängungswettbewerb zu kleinen Sprachen eintritt. Der entscheidende Punkt zum Fortbestand von Sprachen liegt im Selbstbewußtsein von Völkern und Sprachgemeinschaften. Wer sich in seiner eigenen Kultur fest verankert fühlt und keine brutale Unterdrückung erfährt, wird seine Kinder in seiner Muttersprache aufziehen, selbst wenn sie noch so unbedeutend ist. Weitere Sprachen kann das Kind immer noch lernen. Die Mehrheitssprache im Land wird sich das Kind sehr wahrscheinlich im Umfeld außerhalb der Familie von ganz alleine aneignen. Der Grund für die Gefährdung vieler Sprachen und auch für die Flut englischer Wörter im Deutschen liegt zum großen Teil in Minderwertigkeitsgefühlen. Hinzu kommt in westlichen Ländern das rein wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Denken mancher Zeitgenossen. Eine Plansprache schafft da eher wenig Abhilfe. Jeder einzelne ist dazu aufgerufen, dem Vormachtsanspruch von Weltsprachen durch Stolz auf die eigenen Wurzeln zu begegnen. Auch die klare Rollenverteilung zwischen eigener Sprache und einer Mehrheits- oder Weltsprache hilft der Spracherhaltung. So sollte für jeden Deutschen klar sein, daß Englisch und überflüssige englische Brocken in der Verständigung mit Landsleuten nichts zu suchen haben. Die Rolle des Englischen liegt eigentlich nur in der landesübergreifenden Verständigung. Ich halte den Ansatz von Hilfssprachen innerhalb von verwandten Sprachen und Völkern für sinnvoller als eine einzige Welthilfssprache. Im westlichen Kulturkreis ist das eben Englisch. Was spricht dagegen, daß Menschen, die oft weltweit tätig sind, mehrere weit verbreitete Sprachen erlernen, zum Beispiel Englisch, Spanisch, Mandarin und Hindi? Demjenigen, der häufig mit einem bestimmten Land in Verbindung steht, empfehle ich eindeutig das Erlernen der Landessprache, gegebenenfalls auch der Regionalsprache. Hier halte ich die Verwendung des Englischen für verfehlt. Für mich steht jedenfalls fest, daß Englisch eine sehr nützliche Sprache ist, aber in meinem heimatlichen Sprachgebrauch und Kulturempfinden nur sehr wenig Raum finden wird. Ich weise den kulturellen Vor- machtsanspruch, für den das Englische für mich in gewisser Weise steht, entschieden zurück. Bei Denglisch und überflüssiger Verwendung des Englischen schaudert es mich einfach! Ich wünsche mir, daß auch hierzulande wieder mehr Menschen einen gesunden Stolz auf ihre eigenen Wurzeln zeigen! Kultureller Einheitsbrei, Nein danke! Alexander Dietz, Gummersbach I m November 2005 gab Günther Oettinger in einem SWR-Interview von sich: „Englisch wird die Arbeitssprache. Deutsch bleibt die Sprache der Familie und der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest“. Hierfür wurde er wiederholt gerügt, auch von der DEUTSCHEN SPRACHWELT. Man war damals fast geneigt anzunehmen, daß jemand, der einen solchen Blödsinn äußert, der englischen Sprache doch einigermaßen mächtig sein müsse. Oettinger behauptete später auch dreist, im Englischen „bin ich durchaus verhandlungssicher“ („Der Spiegel“ Nr. 5, 1. Februar 2010, Seite 58). Laut Medienberichten wurde er Symposium „Sprachpolitik und Sprachkultur in Europa“ vom 23. bis 24. April 2010 in Graz, ausgerichtet von der Interessengemeinschaft Muttersprache S prachen bewegen sich wie Wasser durch unsere Welt. Wasser kann sich seinen Weg frei suchen oder durch Menschenhand in gewisse Richtungen geführt oder unnatürlich verbaut werden. Sprachen finden ähnliche Bedingungen in unserer Welt vor: vom freien Fluß bis zur Überregulierung. Diese Erscheinungsbilder in den verschiedenen Sprachen untersucht nun das internationale wissenschaftliche, sprachpolitische Symposium. Beispielhaft werden europäische Sprachräume zusammengefaßt und in ihrer jeweiligen historischen Entwicklung besprochen. Der Ablauf gliedert sich dabei in drei Gruppen: 1. Großsprachräume (Frankreich, Deutschland) 2. Kleinsprachräume (Belgien, Slowakei, Ungarn, Slowenien). 3. Sprachvereine, Sprachpraktiker Dabei werden im Kontext Sprachpolitik und Sprachkultur die historische Entwicklung bis hin zum aktuellen Sprachstand, die Wechselbeziehung zwischen Normierung und gelebter Sprache untersucht. Ist Sprache ein Medium staatspolitischer Überlegungen oder bleibt sie im Rahmen kulturpolitischer Maßnahmen? Dient Sprache dann als ein Mittel der Abgrenzung oder der Ausgrenzung? Bleibt Sprache dann nur ein Identifikationsmerkmal gegenüber Nachbarstaaten oder kann Sprache zu einem geopolitischen Instrument gebraucht werden? Vor allem die gelebte Sprache in der reflektierten Form der Literatur wird durch Beispiele eines Schriftstellers dargestellt. Als verbindendes, zentrales Thema kommt dann durch alle Beiträge die Frage: Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen einer Einflußnahme auf Sprachen? Wird Sprache politischen Zielen unterworfen, ist sie ein ökonomisches Werkzeug oder kann sie ihre „Reinheit“ in den Gefilden der Poesie bewahren? Diese unterschiedlichen Standpunkte in Europa sollen die Vielfalt der Entwicklungen und Möglichkeiten skizzieren. Dabei besteht die Möglichkeit, Sprachräume kleinerer Länder aus den geschilderten Blickwinkeln den Teilnehmern bekanntzumachen. (igm) Vortragende: Frédéric Sauvage (Kulturattaché Franz. Botschaft), Gerhard Stickel (Institut für deutsche Sprache), Karl Irresberger (Bundeskanzleramt/ Verfassungsdienst), Reiner Pogarell (Institut für Betriebslinguistik), Klaus Jagersbacher (Sprachwerker), Werner Pfannhauser (IG Muttersprache), Thomas Paulwitz (DEUTSCHE SPRACHWELT), Kurt Gawlitta (Verein Deutsche Sprache, Berlin), Livia Adamcova (Wirtschaftsuniversität Preßburg), Tünde Primus-Kövendi (Pannonische Universität Veszprém), Marjeta Humar (Slowenische Akademie der Wissenschaften) Veranstalter: Verein „Interessengemeinschaft Muttersprache in Österreich Graz“, Telefon und Telefax +43-(0)316-302026, Postfach 43, A-8047 Graz-Ragnitz, [email protected] kürzlich als dritte Wahl nach Brüssel entsorgt, und die erstaunte Öffentlichkeit bekam jetzt Kostproben seines „verhandlungssicheren“ Englisch zu Gehör. Es war eine unglaubliche Blamage! Ein Niveau in Aussprache und Wortwahl, das schlechterdings kaum mehr unterboten werden kann. Wie kann man in seiner Selbsteinschätzung nur so danebenliegen? Dies schreit geradezu nach einem Tiefenpsychologen. Jedenfalls werden Oettingers Gesprächspartner noch viel zu lachen haben, obwohl es eigentlich zum Weinen ist. Professor Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Viereck, Bamberg Gegründet im Jahr 2000 Erscheint viermal im Jahr Auflage: 28.000 Die jährliche Bezugsgebühr beträgt 10 Euro. Für Nicht- und Geringverdiener ist der Bezug kostenfrei. Zusätzliche Spenden sind sehr willkommen. Bundesrepublik Deutschland Verein für Sprachpflege e. V. Stadt- und Kreissparkasse Erlangen Bankleitzahl 763 500 00 Kontonummer 400 1957 BIC: BYLADEM1ERH IBAN: DE63763500000004001957 Republik Österreich Verein für Sprachpflege e. V. Volksbank Salzburg Bankleitzahl 45010 Kontonummer 000 150 623 Bitte bei der Überweisung vollständige Anschrift mit Postleitzahl angeben! ISSN 1439-8834 (Ausgabe für Deutschland) ISSN 1606-0008 (Ausgabe für Österreich) Herausgeber Verein für Sprachpflege e. V. Sammelanschrift Deutsche Sprachwelt Postfach 1449, D-91004 Erlangen Fernruf 0049-(0)91 31-48 06 61 Ferndruck (Fax) 0049-(0)91 31-48 06 62 [email protected] [email protected] Schriftleitung Thomas Paulwitz [email protected] Gestaltung und Satz moritz.marten.komm. Claudia Moritz-Marten [email protected] Anzeigen moritz.marten.komm. Hans-Paul Marten Fernruf 0049-(0)22 71-6 66 64 Ferndruck (Fax) 0049-(0)22 71-6 66 63 [email protected] Sprachwelt-Mitarbeiter Ursula Bomba, Lienhard Hinz (Berlin), Rominte van Thiel, Dagmar Schmauks, Wolfgang Hildebrandt, Diethold Tietz, Jürgen Langhans, Ulrich Werner, Klemens Weilandt Druck Ferdinand Berger & Söhne GmbH Wiener Straße 80, A-3580 Horn Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Das gilt besonders für Leserbriefe. Die 40. Ausgabe erscheint im Sommer 2010. Redaktions- und Anzeigenschluß sind am 17. Mai 2010. Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Hintergrund Seite 3 Achten wir die deutsche Sprache Meine „Deutsch-Initiative“ gegen den gedankenlosen Umgang mit Anglizismen Von Bundesminister Peter Ramsauer A ls Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bekomme ich täglich Post von Menschen aus ganz Deutschland. Die Bürgerinnen und Bürger tragen auf diese Weise Bitten, Vorschläge und Anregungen zu allen Themen meines Ressorts an mich heran. Jede Meinungsäußerung wird von mir und meinen Mitarbeitern ernstgenommen. Seit kurzem erreicht mich nun eine Flut von Zuschriften aus der ganzen Republik. Was ist passiert? Ich habe mich für die – eigentlich – normalste Sache der Welt eingesetzt: den Gebrauch unserer Muttersprache! Die Reaktionen von Rügen bis zum Chiemsee, von der Oder bis zum Rhein signalisieren mir einhellige Zustimmung. Kein „travel management“ mehr Mein Vorstoß, der in vielen Medien auch als „Deutsch-Initiative“ bezeichnet wird, richtet sich gegen den gedankenlosen Umgang mit Anglizismen. Das hat ein landesweites Aufatmen bewirkt. In meinem Haus wird es kein „travel management“ mehr mich in aller Welt verständlich machen und brauche niemanden, der mir fremdsprachlich unter die Arme greift. Nicht der Sprachmode hinterherhecheln Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer geben, sondern die gute alte Reisestelle. Die Mitarbeiter treffen sich zur Besprechung, nicht zum „meeting“, und lösen ihre Aufgaben in Projektgruppen, nicht in „task forces“. Das Englische ist zu Recht eine Weltsprache, die Menschen auf dem ganzen Globus verbindet. Ich selbst durfte mein Englisch in einem Internat bei London vervollständigen. Ich kann Anders empfinde ich jedoch die Rolle des Englischen in unserem Heimatland. Ich kann das Hinterherhecheln nach dem neuesten Stand der Sprachmode weder verstehen noch gutheißen. Wir haben für jeden Bereich unseres Lebens auch deutsche Bezeichnungen. Es gilt, an sie zu erinnern und sie anzuwenden. Natürlich ist uns die jahrhundertelange Entwicklung der deutschen Sprache bewußt, auch ihre Bereicherung durch Zuwanderer aus aller Herren Ländern. Nehmen wir nur die Hugenotten: Wer wollte auf so schöne und alltägliche Begriffe wie Ballett, Bonbon oder Portemonnaie verzichten? Doch das ist Ergebnis eines langfristigen Integrationsprozesses von Bevölkerungsgruppen, während die Flut der Anglizismen meines Erachtens auch an der Schnellebigkeit unserer Zeit liegt. Mehr Respekt für die deutsche Sprache Eins ist aber auch klar: Ich will keine Branche „missionieren“. Jeder Wirtschaftszweig hat natürlich auch sein Fachvokabular, das es zu nutzen gilt. Ob es die Gesundheitsindustrie oder die Werbung ist, da will ich gar nicht dazwischenfunken. Was mich jedoch auf die Palme bringt, ist der respektlose Umgang mit der deutschen Sprache, der mir in dieser Form aus keinem anderen Land der Welt bekannt ist. Die gedankenlose Verwahrlosung unseres wichtigsten Kommunikationsmittels kann und will ich nicht akzeptieren. Der Umgang mit der Muttersprache ist für mich schlicht und einfach eine Frage der kulturellen Grundprägung. Ich sammle auch nach wie vor Ideen und begebe mich nicht ins „brainstorming“. Für mich ist das nicht „good governance“, sondern verantwortungsvolle Regierungsführung! Die Vielfalt in Deutschland nutzen Authentizität und Bodenständigkeit erhält unsere deutsche Sprache durch die Dialekte. Ich bin froh, daß wir hier eine große Vielfalt in Deutschland haben. Sie sind das Salz in der Suppe und machen den Charme einer jeden Region aus. Ich spreche selbst auch ganz bewußt mit bayerischer Färbung, und dabei bleibt es auch. Denn ein Politiker, der sich verstellt, verleugnet seine Herkunft. Es sollte jeder individuell über seinen Sprachgebrauch entscheiden. Ich halte es da mit dem augenzwinkernden Wilhelm Busch: „Eines schickt sich nicht für alle, jeder sehe, wie er’s treibe und – daß er nicht falle.“ Denn Millionen Bürger fühlen sich ausgegrenzt, wenn uns Anglizismen inflationär und willkürlich überfluten. Muß es denn wirklich ein „kick off meeting“ sein, wenn es sich um eine Auftaktveranstaltung handelt? Dr. Peter Ramsauer ist Stellvertretender Vorsitzender der CSU und seit 28. Oktober 2009 Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Das Ende des Service-Points Von Thomas Paulwitz P eter Ramsauer gibt der deutschen Sprache wieder Vorfahrt. Nach hundert Tagen im Amt rief der Bundesverkehrsminister: „Schluß mit Denglisch!“ Von 1998 bis 2009 hatte die SPD den Amtsträger gestellt. Mit dem Regierungswechsel ist auch eine Neuausrichtung der Behörde verbunden. Noch vor vier Jahren hatte das Ministerium in ganz Deutschland „Fairplay on the autobahn“ plakatiert (siehe DSW 26, Seite 12). Auch innerhalb der Behörde war das Deutsche auf dem Rückzug: Statt Besprechungen gab es „Meetings“, statt einer Reisestelle „Travel Management“, statt einer Abgabefrist die „Deadline“. Damit ist jetzt unter dem neuen Minister Schluß. Aus der Bevölkerung schlägt ihm Begeisterung entgegen. Ramsauer schlägt nun unter anderem vor, noch in diesem Jahr „1.100 Bahnhöfe in Deutschland so herzurichten, daß sie wieder zu einer positiven Visitenkarte für die Bahn und den jeweiligen Ort werden. Dort soll es nicht länger stinken, die Gäste sollen sich sicher und wohl fühlen und Ältere sowie Gehbehinderte sollen ohne Probleme zu ihrem Zug kommen. Dabei kann dann aus dem Meeting-Point wieder ein Treffpunkt und aus dem Service-Point ein Auskunftsschalter werden.“ Das sagte er am 7. Februar zur „Bild am Sonntag“. Gut eine Woche später gelangte ein Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn an die Öffentlichkeit, das genau dies bestätigte. Bahnchef Rüdiger Grube hatte nämlich am 13. Januar dem Bundestagsabgeordneten Ernst Hinsken (CSU) geschrieben. Bahn erkennt „Handlungsbedarf“ Hinsken hatte sich für eine Kurzparkzone am Straubinger Bahnhof eingesetzt. Das Straubinger Tagblatt titelte daraufhin „Hinsken für Kiss Nach jahrelanger Vorarbeit gibt es endlich erste Erfolge & Ride“. Diese Schlagzeile verführte viele Straubinger zu anzüglichen Gedankenspielen. Als sich die Proteste auf dem Schreibtisch Hinskens häuften, griff dieser selbst zur Feder und fragte Bahnchef Grube, ob es denn nicht möglich sei, Hinweisschilder in deutscher Sprache aufzustellen. Zur Überraschung vieler Beobachter antwortete Grube, daß der Bahn „die Verwendung der deutschen Sprache im Interesse der allgemeinen Verständlichkeit … sehr am Herzen“ liege. Die Deutsche Bahn habe „den Handlungsbedarf erkannt und kommt der Selbstverpflichtung zu allgemeinverständlicher Kommunikation mehr als bisher nach“. Die „Nomenklatur“ der DB empfehle ausdrücklich den Verzicht auf Anglizismen. Das führe zum Beispiel dazu, daß die Bezeichnungen „Flyer“, „Highlights“, „Counter“ oder „Hotlines“ nicht mehr verwendet würden. Ausgeschlossen von diesem Rückdeutschungsprozeß seien allerdings Markenbezeichnungen wie „Bahn-Card“ (Bahnkarte) oder „Intercity“ (Schnellzug, D-Zug). Ramsauer: Andere Unternehmen sollen auf den Zug aufspringen Daraufhin erklärte Ramsauer in einer Aussendung vom 18. Februar: „Ich begrüße den Vorstoß von Rüdiger Grube sehr. Klar verständliche Begriffe und Hinweise werden das Bahnfahren für alle Fahrgäste leichter und attraktiver machen. Ich habe keine Sorge, daß die Deutsche Bahn dadurch weniger international sein wird. Der derzeitige Sprachmischmasch ist selbst für Gäste aus dem Ausland zum Teil nicht verständlich. Lieber gutes Deutsch und gutes Englisch, Französisch oder Türkisch, statt alle Sprachen zu vermischen. Ich würde mich freuen, wenn andere Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist, auf diesen Zug aufspringen. Auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens könnte das durchaus zu mehr Verständlichkeit beitragen.“ Daß es ihm mit der deutschen Sprache ernst ist, hat Ramsauer bereits im vergangenen Jahr bewiesen. Sein Einspruch sorgte dafür, daß aus den Entwürfen für das gemeinsame Wahlprogramm der Union alle entbehrlichen Anglizismen verschwanden. Die DEUTSCHE SPRACHWELT vermerkte dies sogleich positiv in ihren „Sprachprüfsteinen zur Bundestagswahl“. Auch bei der Erarbeitung des schwarz-gelben Koalitionsvertrags setzte sich Ramsauer für Verständlichkeit ein. Zu Recht fragte Ramsauer im Juni 2009 in der Passauer Neuen Presse seine Parteifreunde: „Wie will man in Deutschland etwas politisch umsetzen, wenn man es nicht einmal auf deutsch sagen kann?“ Daher ist Ramsauers Vorstoß ein Signal, das über sein Ministerium hinausreicht: Mit der deutschen Sprache fährt man einfach besser. Jahrelange Vorarbeit, unterstützt von der DEUTSCHEN SPRACHWELT Wird die Deutsche Bahn also vom Sprachpanscher wieder zum Sprachschützer? Wir werden es sehen und die Verwandlung kritisch begleiten. Woher rührt jedoch der Sinneswandel? Sicherlich hat der Weggang Hartmut Mehdorns, des Sprachpanschers des Jahres 2007, am 30. April 2009 die Neuausrichtung erleichtert. Der Führungswechsel ermöglichte es, die jahrelangen Proteste der Sprachschützer endlich zu berücksichtigen. Was in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch weitgehend unbeachtet bleibt, langjährige Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT jedoch wissen, ist die Tatsache, daß seit einigen Jahren eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten der Union die Änderungen vorbereitete. Rüdi- ger Grube hebt in seinem Brief selbst diese Arbeitsgruppe hervor. Die Initiative Sprachlicher Verbraucherschutz gründete sich im März 2007. Ihr gehören die Abgeordneten Julia Klöckner, Erika Steinbach, Gitta Connemann, Peter Bleser und Laurenz Meyer an. Connemann kritisierte damals: „Die Deutsche Bahn AG verwirrt ihre Kunden mit vielen Anglizismen. Damit werden Menschen ohne Englischkenntnisse ausgegrenzt.“ Bereits im Juni 2007 kam es zu Gesprächen mit der Deutschen Bahn. Diese versprach, die Erarbeitung verständlicherer Informations- und Hinweismöglichkeiten zu prüfen. Die Initiative wurde daraufhin von den Lesern der DEUTSCHEN Anzeige SPRACHWELT zum „Sprachwahrer des Jahres“ 2007 ausgezeichnet. Das gab weiteren Rückenwind: „Wir fühlen uns durch unsere Nominierung und Plazierung bestätigt und bestärkt, für eine verständliche deutsche Sprache einzutreten“, schrieb die Initiative in einer Stellungnahme vom Juni 2008. Doch erst der Abgang Mehdorns hat offenbar den Weg für weitgehende Änderungen freigemacht. Wir sehen also: Der Einsatz für die deutsche Sprache lohnt sich, auch wenn sich der Erfolg erst nach Jahren einstellt. Peter Bleser sagte erleichtert: „Service Point, Kiss & Ride Zone, Counter, Call a bike – mit diesen unnötigen und mißverständlichen Anglizismen auf deutschen Bahnhöfen ist es nun endlich bald vorbei.“ Fremdenverkehr Seite 4 Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Geht auf die Straße der deutschen Sprache In Mitteldeutschland könnte der Kern eines neuen Sprachdenkmals entstehen Von Thomas Paulwitz A uf die deutsche Sprache neugierig machen, Begeisterung für sie wecken; – es gibt viele Wege, um dieses Ziel zu erreichen. Ein neuer Weg ist der Gedanke, einen wirklichen Weg zu gründen: eine „Straße der deutschen Sprache“, die Sprachpflege und Fremdenverkehr miteinander verknüpft. In Deutschland bestehen mehr als 150 Ferienstraßen, wie die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) angibt. Eine „Straße der deutschen Sprache“ ist noch nicht dabei. Das kann sich ändern. Unter den bestehenden Ferienstraßen können wir drei Gruppen ausmachen: Landschaft, Ernährung und Kulturgeschichte. Die älteste deutsche Ferienstraße ist die Deutsche Alpenstraße, die 1927 begründet wurde; die längste ist mit 1.738 Kilometern die Deutsche Ferienroute Alpen-Ostsee von Berchtesgaden bis Fehmarn. In Deutschland gibt es weiterhin die Romantische Straße, die vom Main bis zum Alpenrand führt. Es gibt die Deutsche Fachwerkstraße, auf der man von der Elbmündung bis zum Bodensee fahren kann; die Deutsche Märchenstraße von Hanau nach Bremen; und natürlich zahlreiche Weinstraßen. Während wir Stra- ßen für verschiedene Ausprägungen deutscher Kunst und Kultur kennen, zum Beispiel für Spielzeug, Porzellan und Architektur, gibt es noch keine Straße für die deutsche Sprache. Warum eigentlich nicht? In ganz Deutschland gibt es genügend Orte, die eine wichtige Rolle für die Geschichte der deutschen Sprache spielen oder an denen die Sprache heute gepflegt wird. Ganz besonders viele solcher Orte finden wir in Mitteldeutschland, dicht aneinandergereiht. Hier könnte der Kern einer „Straße der deutschen Sprache“ entstehen. Im Grunde müßte eine Straße der deutschen Sprache durch den gesamten deutschen Sprachraum führen. Allerdings erscheint es aus organisatorischen Gründen notwendig, sich zunächst auf einzelne Bundesländer zu beschränken. Erfolgreiche Ferienstraßen sind nämlich meistens kurz, und zwei Drittel aller Straßen sind sogar kürzer als 200 Kilometer. Nur vier von rund 150 Straßen durchqueren vier oder mehr Bundesländer. 75 Prozent der bestehenden Ferienstraßen führen sogar lediglich durch ein einziges Bundesland. Sprachgeschichtlich gute Gründe legen es nahe, die Straße der deutschen Sprache anfänglich auf die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt – im folgenden kurz: Mitteldeutschland – zu beschränken. Die Wurzeln unseres heutigen Hochdeutschs liegen nämlich dort: Hier entstand die Sächsische Kanzleisprache, die Martin Luther mit seiner Bibelübersetzung von 1522 in ganz Deutschland verbreitete. Mit seiner Wortgewalt trug Luther erheblich zur Normierung des Hochdeutschen bei. Die wahren innerdeutschen „Grenzen“ scheiden nicht Ost und West, sondern sind Sprachgrenzen, die den Norden, die Mitte und den Süden voneinander abgrenzen. Bekanntlich unterscheiden wir zwischen Niederdeutsch, Mitteldeutsch und Oberdeutsch. Das Oberdeutsche hat die Zweite Lautverschiebung vollständig mitgemacht, im Niederdeutschen hat sie nicht stattgefunden, und im Mitteldeutschen nur zum Teil. Dort gibt es zum Beispiel noch den „Appel“. Das Mitteldeutsche bildet eine Brücke zwischen dem Norden und dem Süden. Die drei genannten Bundesländer befinden sich weitgehend auf ostmitteldeutschem Sprachgebiet. Einen kleinen Überblick über die Städte, die an einer „Straße der deutschen Sprache“ liegen könnten, gibt der untenstehende Beitrag aus der „Mitteldeutschen Zeitung“. 1981 hat der „Deutsche Fremdenverkehrsverband“ zehn Kriterien festgelegt, die eine Ferienstraße erfüllen sollte, wenn sie erfolgreich sein soll: (1) Eine landschaftlich oder kulturell sinnvolle leitthematische Benennung („Straße der deutschen Sprache“). (2) Eine dauerhafte Ausweisung und Vermarktung. (3) Eine eindeutige Streckenführung ohne die Benutzung von Autobahnen. (4) Ein Verzeichnis besichtigenswerter Objekte entlang der Strecke. (5) Die Einrichtung einer zentralen Informationsstelle (zum Beispiel das „FürstLudwig-Haus der deutschen Sprache“ in Köthen). (6) Möglichst mehrsprachiges Informationsmaterial. (7) Eine Straße der deutschen Sprache vollständige Beschilderung. (8) Die Verwendung von Logos und Werbesprüchen. (9) Eine eindeutig verantwortliche Trägerschaft mit satzungsmäßig festgelegten Zielen und Aufgaben. (10) Eine Bemühung um staatliche Anerkennung in Form von Mittelzuweisungen oder Unterstützung. Nun müssen wir also Entscheidungsträger ansprechen. Aus einem Ministerium kam bereits die Antwort, man benötige eine Million Euro, um so etwas zu verwirklichen, da man eine Marke prägen müsse. Das hört sich nach viel Geld an; es ist auch viel. Doch wenn zum Beispiel zehn Städte je 50.000 Euro aus ihren Mitteln für den Fremdenverkehr zusammenlegen und ein Förderer, zum Beispiel ein Autobauer, noch einmal 500.000 Euro dazugibt, dann ist diese Million beieinander. Sollte das die deutsche Sprache nicht wert sein? Und wer hindert uns eigentlich daran, auf der „Straße der deutschen Sprache“ zu reisen, bevor sie amtlich ist? Wir werden daher ab der kommenden Ausgabe in der DEUTSCHEN SPRACHWELT regelmäßig einzelne Stationen vorstellen. Reisen Sie mit! Die DSW in der Presse Am 16. Januar 2010 stellte Thomas Paulwitz im Spiegelsaal des Köthener Schlosses die Idee einer „Straße der deutschen Sprache“ erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vor. Sylke Hermann schrieb darüber für die „Mitteldeutsche Zeitung“ einen Bericht, den diese ab dem 20. Januar in mehreren Regionalausgaben veröffentlichte. Auf der Spur der deutschen Sprache E ine Straße der Romanik gibt es schon, eine deutsche Alleen- und eine deutsche Märchenstraße ebenso. Und einen Lutherweg, der auch weit durch Anhalt-Bitterfeld führt, hat das Land erst vor knapp zwei Jahren erhalten. Jetzt ist es an der Zeit für eine Straße der deutschen Sprache. Sagt Thomas Paulwitz. Der Chefredakteur der Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ und wiedergewählte Beisitzer im Vorstand der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen, die am Samstag den dritten Jahrestag ihrer Gründung gefeiert hat, präsentiert der im Spiegelsaal des Köthener Schlosses versammelten Festgesellschaft seine Idee einer Straße, die es bald geben könnte. Er nimmt sie mit auf eine Rundreise zu sprachpflegerisch bedeutsamen Orten in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. … Die Straße soll nach Vorstellung des Historikers, Sprachpflegers und Publizisten jene Orte verbinden, die untrennbar mit der deutschen Sprachgeschichte verbunden sind. Angefangen im thüringischen Schleiz, einer Wirkungsstätte von Konrad Duden, der hier am Gymnasium die ersten Rechtschreibregeln erarbeitet hatte. Die Reise führt weiter nach Weimar, wo im Jahr 1617 die Fruchtbringende Gesellschaft gegründet wurde. Weitere Stationen in Thüringen könnten die Theaterstadt Meiningen, Eisenach mit der Wartburg, Mühlhausen, wo Thomas Müntzer im Jahr 1525 gestorben ist, und die Barbarossa-Stadt Bad Frankenhausen sein. In SachsenAnhalt dürfen die Lutherstädte Eisleben und Wittenberg nicht fehlen. Dessau-Roßlau und Bitterfeld-Wolfen sind Mitglieder der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft. Von der Goethestadt Bad Lauchstädt, die ebenfalls auf der Route liegt, ist es nicht weit bis nach Merseburg, das für seine in der Domstiftsbibliothek bewahrten „Zaubersprüche“ bekannt ist. Das kleine Reppichau nicht zu vergessen: Es gilt als Geburtsort Eike von Repgows, des Verfassers des „Sachsenspiegels“. Und Köthen soll Mittelpunkt einer Straße der deutschen Sprache werden. Das zumindest fände Paulwitz nur konsequent, wenn es der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft ernst damit sei, Köthen zur Stadt der deutschen Sprache aufzubauen. Im Fürst-Ludwig-Haus der deutschen Sprache könnte sich Paulwitz den Verwaltungssitz der Ferienstraße vorstellen. Hier, im Prinzessinnenhaus in Nachbarschaft zum Schloß, hat die Neue Fruchtbringende Gesellschaft zu Köthen ihren Sitz, ist eine Bibliothek zur Sprachpflege und ein Archiv zur Rechtschreibreform untergebracht. Am sächsischen Streckenverlauf arbeitet der Sprachrettungsklub Bautzen/ Oberlausitz, selbst als besondere Wegmarke berücksichtigt, gerade fieberhaft an den Baustellen, wie Paulwitz zu berichten weiß. Bis dato sind Leipzig als Stadt der zweitgrößten Buchmesse Deutschlands, Meißen im Zusammenhang mit der „Meißner Kanzleisprache“, Kamenz als Geburtsort Gotthold Ephraim Lessings und auch Oelsnitz/Erzgebirge, wo der Dichter Reiner Kunze geboren ist, berücksichtigt. Bis nach Schleiz, wo Paulwitz die Rundreise begonnen hat, sei es nun nicht mehr weit. Damit schließe sich der Kreis. Die Zuhörerschaft im Spiegelsaal ist um Kommentare zur vorgeschlagenen Route einer Straße der deutschen Sprache nicht verlegen. Man müsse sie als Kern sehen und von hier aus netzartig in die verschiedenen Regionen Deutschlands ausschwärmen, heißt es da. „Das ist eine schöne Sache“, findet zum Beispiel Vorstandsmitglied Hermann Neemann. Und: „Wir sollten erst einmal anfangen.“ Von „Mut zur Lücke“ ist die Rede. An anderer Stelle vom „Tod des Konzeptes“. Die Diskussionsbeiträge bestärken Paulwitz darin, weiter am Konzept zu feilen. Nur eines dürfe nicht passieren – nämlich das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren, das da heißt: „Neugier auf und Begeisterung für die deutsche Sprache zu wecken.“ Der Redakteur Matthias Bartl machte sich am 20. Januar 2010 in der„Mitteldeutschen Zeitung“ darüber Gedanken, welche Kraft in der Idee einer „Straße der deutschen Sprache“ steckt: Dammbau D ie „Trasse“ hat es geistig in sich: Sie führt von Schleiz über Weimar nach Eisleben und Köthen, von dort nach Bitterfeld-Wolfen und Wittenberg, nach Leipzig, Kamenz und Meißen. Sie führt von Duden über die Fruchtbringer zu Goethe und Schiller, zu Luther sowieso, zu Lessing, Gottsched und Reiner Kunze. Die Straße der deutschen Sprache existiert zwar vorerst nur auf dem Papier, aber an den für sie vorgesehenen Stationen läßt sich erkennen, daß in ihr mehr steckt als nur ein weiteres Eisen im Feuer des mitteldeutschen Fremdenverkehrs zu sein. Von der Straße der deutschen Sprache, von den Städten, die an ihr liegen, kann ein Ruf ausgehen. Nicht der Ruf nach der Erneuerung der deutschen Sprache, sondern vielmehr der Ruf nach dem Erhalt ihrer Reinheit und Klarheit. Das ist durchaus nicht fundamentalistisch gemeint. Sprache wird immer neu gestaltet, nimmt auch Anleihen bei anderen Sprachen. Aber nur dort, wo es absolut unumgänglich ist, und nur in einem Maße, das eine Gefährdung der deutschen Sprache ausschließt. Letzteres ist längst nicht mehr ausgeschlossen, wenn man die Flut der Anglizismen registriert, die auch dort Anwendung finden, wo es absolut unnötig ist. Dagegen einen Damm zu bauen, indem man aktiv den richtigen Gebrauch der deutschen Sprache fördert, ist eine Aufgabe, der man sich in den Orten der Straße der deutschen Sprache zu stellen verpflichtet fühlen sollte. Und Anhalt-Bitterfeld kann dabei – auch aus der Tradition und der Geschichte heraus – eine Vorreiterrolle zuwachsen. Aus der Bevölkerung gehen zahlreiche Anregungen für die Streckenführung ein. Am 3. Februar 2010 meldete die „Mitteldeutsche Zeitung“ in ihrer Wittenberger Ausgabe: Paul Gerhardts Stadt empfiehlt sich D ie Idee von der Straße der deutschen Sprache, wie sie der Chefredakteur der Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ und Beisitzer der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen, Thomas Paulwitz, jüngst in Köthen vorgestellt hat (die MZ berichtete), findet in Gräfenhainichen großen Anklang. Die Vorsitzende des Paul-Gerhardt-Freundeskreises Wilma Deißner empfiehlt die Heidestadt für diese Route, die nach Vorstellung des Sprachpflegers durch Mitteldeutschland führen und jene Orte verbinden soll, die untrennbar mit der deutschen Sprachgeschichte verbunden sind. „Da kommen sie um Gräfenhainichen gar nicht herum“, so Deißner. Zählten doch die Werke des 1607 in Gräfenhainichen geborenen Kirchenliederdichters neben Grimms Märchen und Luthers Texten zu den berühmtesten deutschen Texten. Gerhardt gilt als einer der ersten Vertreter der 1624 von Martin Opitz neu begründeten hochdeutschen Lyrik, die sich nicht an den überlieferten antiken Versmaßen ausrichtete, sondern eine eigene, der deutschen Sprache gemäße metrische Form fand. Leserdienst Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Gefunden: mehr als 1 000 Gründe für die deutsche Sprache Die DSW in der Presse Die Nachrichtenagentur dpa verbreitete am 19. Februar 2010 europaweit die folgende Meldung: Gesucht: 1 000 Gründe für die deutsche Sprache rlangen (dpa) – Gesucht werden „1000 Gründe für die deutsche Sprache“: Mit dieser Aktion will die Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ aus Erlangen ein Zeichen gegen die zunehmende Verdrängung der deutschen Sprache setzen. Anlaß für die Aktion ist der „Internationale Tag der Muttersprache“ an diesem Sonntag (21. Februar). Wer sich an der Aktion beteiligen will, kann auf der Internet-Seite „www. deutsche-sprachwelt.de/forum/1000.shtml“ den Satz „Ich mag die deutsche Sprache, weil …“ ergänzen. Mehr als 100 Antworten waren dort am Freitag bereits aufgeführt, zum Beispiel „weil diese Sprache einfach schön ist“, „weil ich in dieser Sprache träume“ oder „weil sie sich wunderbar für Liebeserklärungen eignet“. Chefredakteur Thomas Paulwitz erklärte in einer Mitteilung, es sei höchste Zeit für ein deutliches Bekenntnis zur deutschen Sprache. Ihre Verdrängung habe ein erschreckendes Ausmaß erreicht. Als Beispiele nannte Paulwitz den Niedergang von Deutsch als Wissenschaftssprache oder die englischen Beschriftungen an vielen Läden. „Auf Ausländer macht es den Eindruck, daß uns Deutschen unsere Sprache nichts mehr wert ist“, sagte er. Hollands größte Nachrichtenagentur ANP meldete am 19. Februar 2010: Talen sterven uit arijs (ANP) – … VN-organisatie Unesco wil zondag 21 februari, de internationale Dag van de Moedertaal, de aandacht vestigen op het belang van de verscheidenheid aan talen en culturen … Het Duitse tijdschrift Deutsche Sprachwelt is echter een campagne begonnen om de aandacht te vestigen op het feit dat het Duits „verdrongen“ wordt door buitenlandse woorden. Sale (uitverkoop) in plaats van Ausverkauf op de ruiten van winkels is hoofdredacteur Thomas Paulwitz een doorn in het oog. „Het maakt op buitenlanders de indruk, dat voor Duitsers hun moedertaal niets meer waard is.“ Het tijdschrift zoekt op zijn website naar duizend redenen om Duits te spreken … Die auflagenstarke Pariser Finanz-Tageszeitung „Les Échos“ berichtete am 23. Februar 2010: Activisme linguistique en Allemagne Longtemps résignés à voir l’influence de leur langue décliner en Europe et le „denglish“ envahir les campagnes de publicité dans leur pays, les Allemands font preuve, ces derniers temps, d’un nouvel activisme linguistique. Un journal bavarois invite ses lecteurs à trouver „1.000 raisons d‘aimer la langue allemande“ … Seite 5 Hunderte Sprachfreunde aus aller Welt ermöglichen ein eindrucksvolles Bekenntnis Von Thomas Paulwitz D iese Aktion brachte den größten Widerhall, den Sprachfreunde der DEUTSCHEN SPRACHWELT binnen so kurzer Zeit jemals gegeben haben: Innerhalb nur einer Woche gingen über eintausend Zuschriften aus aller Welt in der Redaktion ein. Zum Internationalen Tag der Muttersprache am 21. Februar hatten wir über eine Presseaussendung die Aktion „1 000 Gründe für die deutsche Sprache“ ausgerufen (vergleiche DSW 38). Wir baten darum, den Satz „Ich mag die deutsche Sprache, weil …“ zu vervollständigen. Über ein Eingabeformular im Netz kann seitdem jeder seine Begründung, warum er die deutsche Sprache mag, an die Schriftleitung der DEUTSCHEN SPRACHWELT schicken. Ziel war es, 1 000 Gründe zu sammeln, um mit ihnen ein Zeichen gegen die Verdrängung der deutschen Sprache zu setzen und das Bewußtsein für den Wert der Muttersprache zu stärken. Dieses Ziel haben wir erreicht. Von der Möglichkeit, sich zur deutschen Sprache zu bekennen, machten so viele Menschen Gebrauch, daß wir für die Auswertung, Bearbeitung und Veröffentlichung der Zuschriften einige Überstunden einlegen mußten. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Unser Dank geht an alle, die sich bisher an dieser Aktion beteiligt und alle unsere Erwartungen übertroffen haben. Sehr häufig hoben die Einsender natürlich gerade die klassischen Vorzü- ge der deutschen Sprache hervor, zum Beispiel Genauigkeit, Ausdrucksstärke und reichen Wortschatz. Die Möglichkeit, Wörter zusammenzusetzen, lobten die Sprachfreunde ebenfalls immer wieder. Einzelne besondere Wörter wie „Gemütlichkeit“, „Weltschmerz“ oder „Fernweh“ erhielten eine Ehrung. Auch auf die berühmten „Dichter und Denker“ und die deutsche Literatur und Philosophie bezogen sich zahlreiche Zuschriften. Nicht zuletzt spielte in mehreren Begründungen die Bedeutung der Sprache für den Zusammenhalt der Deutschen eine wichtige Rolle. Zu dem lieferten die deutschen Mundarten genügend Stoff für zahlreiche Sympathiebekundungen. Daneben gab es ganz persönliche Stellungnahmen wie diese: „Ich mag die deutsche Sprache, weil es ein Wort gibt, das mich getröstet hat, als mein 16jähriger Sohn plötzlich und völlig unerklärlich selbst sein Leben beendete: ‚Freitod‘. Für mich ist das kein Euphemismus. (Auf holländisch gibt es nur ‚zelfmord‘, ‚zelfdoding‘ und ‚suicide‘). Also danke.“ Beflügelt durch die Berichterstattung der Presse kam es zu einem Ansturm auf die Netzseiten der DEUTSCHEN SPRACHWELT. Das lag auch daran, daß die Nachrichtenagentur dpa in mehreren Meldungen die Netzanschrift der Aktion bekanntgab. Gutbesuchte Netzstandorte wie die von „Bild“ oder der „Süddeutschen Zeitung“ gaben eine der dpa-Meldungen wieder und sorgten für einen großen Zustrom von Besuchern. Aber nicht nur die Meldungen in zahlreichen regionalen und überregionalen Medien Deutschlands sorgten für Aufmerksamkeit, sondern auch die Berichterstattung in der holländischen, französischen und tschechischen Presse. Die „Deutsche Welle“ berichtete nicht nur auf deutsch, sondern auch auf spanisch. Hollands größte Nachrichtenagentur ANP und die großen Tageszeitungen „De Telegraaf“ und „De Volkskrant“ veröffentlichten Meldungen. Die tschechische Nachrichtenagentur ČTK und die Tageszeitung „Deník Česká republika“ meldeten: „Německo hledá 1000 důvodů proč hovořit německy“. Die auflagenstarke Pariser Finanz-Tageszeitung „Les Échos“ stellte unsere Aktion in den Zusammenhang anderer Initiativen zur Stärkung der deutschen Sprache. Für die Sprachpolitik Frankreichs wäre es ein Segen, wenn der östliche Nachbar sich deutlicher zur Landessprache bekennte. Eines hat die Aktion jedenfalls gezeigt: Es gibt weit mehr als 1 000 Gründe für die deutsche Sprache. Da dies immer noch nicht allen Verantwortlichen klar ist, sammeln wir weiter. Wir wollen zudem die gesammelten Gründe ordnen und versuchen, sie auch in gedruckter Form zugänglich zu machen. www.deutsche-sprachwelt.de/forum/ 1000.shtml Unterstützen Sie bitte die Deutsche Sprachwelt! 1. Die Spende Bitte nutzen Sie den beigelegten Zahlschein für Ihre Spende. Mit einer Einzugsermächtigung oder einem Dauerauftrag ersparen Sie sich den Gang zur Bank. Einzugsermächtigung Zur Erhaltung der DEUTSCHEN SPRACHWELT möchte ich den Verein für Sprachpflege e. V. regelmäßig unterstützen. Darum ermächtige ich diesen Verein, einmalig - vierteljährlich - halbjährlich - jährlich Nichtzutreffendes bitte durchstreichen einen Betrag von Euro von meinem Konto abzubuchen. Diese Einzugsermächtigung kann ich jederzeit widerrufen. Bitte deutlich schreiben! Bank Bankleitzahl Kontonummer 2. Die Bestellung regelmäßiger Bezug Bitte senden Sie mir regelmäßig kostenlos und unverbindlich die DEUTSCHE SPRACHWELT. Bei Gefallen werde ich sie mit einer Spende unterstützen. Ich verpflichte mich aber zu nichts. Mehrfachbezug Ich besitze eine Arztpraxis oder habe eine andere Gelegenheit, die DSW auszulegen. Bitte schicken Sie mir von jeder neuen Ausgabe ______ Stück. Nachbestellung Bitte liefern Sie mir kostenlos: ______ DSW-Ausgabe(n) Nr.______ ______ Faltblätter „Rettet die deutsche Sprache!“ ______ Aufkleber „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache!“ (9,5 x 14,5 cm; farbig; witterungsbeständig) ______ Stück der Broschüre „Gebt der deutschen Sprache eine Zukunft! Antworten im ‚Lesesaal‘ der F.A.Z.“ von Thomas Paulwitz. Für das Büchlein habe ich 5 Euro als Spende überwiesen. Datum und Unterschrift 3. Die Empfehlung Bitte senden Sie die DEUTSCHE SPRACHWELT auch an: Bitte deutlich schreiben! 1 Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort 2 Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort 3 Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort 4 Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort 5 Name, Vorname Sie Ihre Bestellung an: DEUTSCHE SPRACHWELT Meine Anschrift Schicken Postfach 1449, D-91004 Erlangen, [email protected] Straße, Postleitzahl und Ort 6 Name, Vorname Geburtsdatum Straße Postleitzahl und Ort Name, Vorname Straße, Postleitzahl und Ort Sprachpolitik Seite 6 Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Sprache schafft Gemeinschaft Die DSW in der Presse Die deutsche Politik muß die deutsche Sprache verteidigen Von Luc Degla M it elf Jahren entstand für meine Freunde und mich der Wunsch, uns von anderen Schulkameraden durch eine kodierte Sprache abzugrenzen. Alle, die zu der Gruppe nicht gehörten, konnten unsere Gespräche nicht verfolgen. Sprachen verbinden und teilen gleichzeitig. Alle, die in dem Verbund stehen, bilden eine Gemeinschaft und schließen alle anderen aus. Befinde ich mich in einem Land, in dem Französisch nicht gesprochen wird, so fühle ich mich jedem näher, dem ich begegne und der französisch spricht. Obwohl wir aus unterschiedlichen Ländern stammen, besteht keine Barriere zwischen uns. Treffe ich einen Deutschsprechenden außerhalb Deutschlands, es kann ein einfacher Deutschlehrer sein, tritt auf der Stelle eine Verbundenheit zwischen uns ein. Wir fühlen uns einer Familie zugehörig. Also, wenn durch Sprachen Gemeinschaften entstehen, so werden diese allen Gesetzen unterworfen, die eine Gemeinschaft betreffen: Regeln, Pflege und Schutz. Die Gemeinschaft soll ihre Mitglieder schützen und sie gegen Angriffe von Eindringlingen verteidigen. Denn ohne diesen Schutz geht die Gemeinschaft unter. Das Paradoxe dabei ist, daß der Schutz der Gemeinschaft eine Entwicklung oder Bereicherung nicht verhindern soll. Die Gemeinschaft muß in der Lage sein, die Ankömmlinge in ihren Reihen einzugliedern, ohne daß sie dabei ihre Farbe verliert. Zum Beispiel gibt es in Französisch kein vergleichbares Wort für belesen. Umgekehrt finde ich, seitdem ich in Deutschland lebe, in der Umgangssprache kein vernünftiges Wort für „taquin“. Sage ich einem Jungen in Französisch „tu es taquin“, so reagiert der Deutsche sehr verhalten, wenn ich zu ihm sage: „Du bist neckisch“. Spreche ich mit jemandem, der beide Sprachen versteht, so drücke ich mich deshalb mit dem Wort aus, das von beiden Sprachen am treffendsten ist. Eine Bereicherung für uns also. Ich studierte in Moskau, als Michail Gorbatschow nach einer Reise in den Vereinigten Staaten am Flughafen sagte: „Die Sowjets wollen alle Amerikaner werden. Amerika ist zwar schön, aber ihre Kultur hat keine Wurzel. Wir Russen haben eine gemeinsame Geschichte. Eine einzige, die wir nicht vergessen sollten und nicht aufgeben Luc Degla dürfen.“ Die Dimension dieses Satzes wurde mir einige Monate später bewußt. Ungeachtet dieser Warnung lernten immer mehr Russen Englisch. Mein Nachbar ging so weit, daß er nur Englisch mit Tochter und Ehefrau sprach. Sprach man ihn auf russisch an, so antwortete er in Englisch. Er amerikanisierte sich. Ich konnte nicht wissen, ob er weiterhin russischen Tee trank oder nicht. Tatsache ist, daß die Ehefrau uns um Hilfe bat. Wie viele von solchen amerikanisierten Sowjets gab es in dieser Zeit? Keine Ahnung. Aber selbst Gorbatschow konnte der Amerikanisierung nicht widerstehen. Ich möchte nicht behaupten, daß es Zusammenhänge gegeben hat, aber der Amerikanisierung der Sowjetunion folgte der politische und wirtschaftliche Zusammenbruch. Die deutsche Wirtschaft ist vielleicht ← Bestellschein umseitig! Faltblatt Aufkleber K leben Sie den Sprachverderbern eine! Unser Anti-SALEAufkleber „Schluß mit dem Ausverkauf der deutschen Sprache“ ist nach wie vor heißbegehrt. Die Auflage ist mittlerweile auf 21.000 Stück gestiegen. Mit Hilfe dieses Aufklebers tragen wir nicht nur unser Anliegen in die Öffentlichkeit, sondern gewinnen laufend neue Leser und Mitstreiter. Bekennen Sie Farbe und bestellen Sie diesen kostenlosen Aufkleber! K lären Sie Ihre Mitmenschen auf! Unser Faltblatt „Rettet die deutsche Sprache!“ findet weiterhin reißenden Absatz. Gemeinsam mit Ihnen, liebe Leser, haben wir Tausende Faltblätter bereits gezielt verteilt. Bestellen und verbreiten auch Sie das Faltblatt und klären Sie über die Sprachpflege und die DEUTSCHE SPRACHWELT auf! Unsere Arbeit ist abhängig von Ihrer Spende! Verein für Sprachpflege e.V. Bundesrepublik Deutschland Republik Österreich Stadt- und Kreissparkasse Erlangen Volksbank Salzburg Bankleitzahl 763 500 00 Bankleitzahl 45010 Kontonummer 400 1957 Kontonummer 000 150 623 BIC: BYLADEM1ERH IBAN: DE63763500000004001957 zu stark, um zusammenzubrechen, aber soweit mein Gedächtnis mir es erlaubt, verstärken sich die Anglizismen seit dem Beginn des Zeitalters der Informationstechnologie, und was danach auf dem „Neuen Markt“ passierte, war nichts anderes als ein Zusammenbruch. Als deutscher Schriftsteller höre ich nicht auf, die Schönheit der deutschen Sprache hervorzuheben. In welcher Sprache kann man solche Sätze schreiben? „Bei Gefahr die Polizei anzurufen, war ein nutzloses Unterfangen, da diese selber Angst vor Einbrechern hatte und deshalb entweder behauptete, daß ihr Streifenwagen leider ohne Benzin wäre, oder mit großer Verspätung an den Tatort kam, daß die Ganoven sich schon mit Sicherheit in Sicherheit gebracht hatten“, „das Mädchen hat einen eifersüchtigen freundfeindlichen Vater“ oder „laß schlafen gehen, damit wir schön einschlafen können.“ Endlos kann ich mit dieser wortreichen Sprache spielen. Ich bin offen für alle Sprachen. Ich spreche selbst fünf und verstehe sechs. Ich wünsche mir, daß die deutsche Politik ihre Sprache ein bißchen verteidigt. Viel braucht es nicht, schon eine Regelung für Plakate und Werbung würde viel bringen. Der Schriftsteller Luc Degla ist in Benin geboren und arbeitet in Deutschland. www.luc-degla.de Lieferbare Ausgaben 39 Frühling 2010 38 Winter 2009/10 Unter anderem: Thomas Paulwitz: Werben für die deutsche Sprache / Können wir die Sprachentwicklung steuern? / Alfredo Grünberg: Esperanto: Weltsprache ohne Machtanspruch / Thomas Paulwitz: Was ist eine Weltsprache? / Klemens Weilandt: Ein bewegtes Leben / Günter Körner: Ka Em Ha – Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher Sicht (1) / Die deutsche Sprache im Koalitionsvertrag / Karin Pfeiffer-Stolz: Eine Irrlehre – Was „Vereinfachte Ausgangsschrift“ und Rechtschreibreform gemein haben / Gespräch mit Josef Kraus: Bürgerliche Revolte gegen den Bildungsabbau / Peter Fischer: Deutsche Zwillingsformeln / Horst Stein: „Sergejs Schatten“ / Ausgewählte Beiträge aus dem Schreibwettbewerb „Schöne deutsche Sprache“ 2009 / Thomas Paulwitz: Die Kulturhauptstadt deutscht zurück / Sprachsünder-Ecke: Technische Universität München / Lienhard Hinz: Die Deutsche Welle diskutiert über Sprachpolitik / Thomas Paulwitz: Köthener Gespräch über Deutsch als Wissenschaftssprache / Bautzener Sprachretter appellieren an die Parteien / Wettbewerb zur Jagdlyrik / Heinz Böhme: Gedanken über einen Modegruß / Ein Baum für die deutsche Sprache / Wolfgang Hildebrandt: Den Regierenden ein besseres Deutsch (Anglizismenmuffel) 37 Herbst 2009 Unter anderem: Thomas Paulwitz: Was haben wir von der neuen Bundes- Das Goethe-Institut veröffentlichte Ende Januar 2010 in seinem Netzauftritt einen Beitrag, in dem auch die DEUTSCHE SPRACHWELT zu Wort kommt: Wenn Sprachen sterben Von Janna Degener … Stirbt die deutsche Sprache? „Wenn wir nichts für die deutsche Sprache tun, dann kann es durchaus eines Tages soweit sein, daß auch sie ausstirbt“, meint Thomas Paulwitz, der sich als Chefredakteur der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt für ein größeres Sprachbewußtsein in Deutschland einsetzt. [Der Bremer Linguist Dr. Thomas] Stolz als Experte für bedrohte Sprachen hält solche Prognosen für „Panikmache“: „Auch wenn man das heute in jeder zweiten Zeitungsglosse lesen kann“, meint Stolz, „das Deutsche stirbt nicht aus, zumindest nicht in den nächsten vier Generationen. Das sind die typischen Ängste, wenn sich eine Sprache verändert.“ Tatsächlich gehört das Deutsche mit knapp 100 Millionen Sprechern zu den weltweit meistgesprochenen Sprachen. Weil immer mehr Anglizismen das Deutsche prägen und Englisch hierzulande in Medien, Wissenschaft, internationalen Verhandlungen und seit kurzem unter bestimmten Bedingungen auch in internationalen Prozessen als Gerichtssprache verwendet wird, befürchtet Paulwitz, das Deutsche könne „langfristig zu einem Dialekt des Englischen verkommen“. Dann werde die englische Sprache für „wichtige Dinge“ verwendet, während man „nur noch in der Freizeit“ ein bißchen Deutsch sprechen könne. Für den Germanisten Prof. Dr. Ulrich Ammon dagegen ist das Deutsche „linguistisch zu weit von Englisch entfernt“, um ein Dialekt des Englischen werden zu können. Solange außerdem mindestens ein Staat die Sprache in der Funktion als Amtssprache erhält und für die staatliche Verwaltung und als Unterrichtssprache verwendet“, ist die deutsche Sprache in seinen Augen nicht in ihrer Existenz bedroht. Und im Moment haben sieben Staaten Deutsch zumindest für Teile ihres Gebietes als Amtssprache. … Den vollständigen Beitrag finden Sie unter www.goethe.de/ges/spa/sui/ de5589701.htm. Die zehn sprachpolitischen Forderungen 1. Deutsch muß im öffentlichen Raum die vorrangige Sprache sein. 2. Die Unterrichtssprache in Schulen und Hochschulen ist Deutsch. Deutsch muß nationale Wissenschaftssprache sein. 3. Die deutsche Rechtschreibung muß einheitlich geregelt sein. 4. Deutsch muß in der Europäischen Union Arbeits- und Veröffentlichungssprache sein. 5. Die deutschen Mundarten und die deutsche Schrift sind besonders zu schützen. 6. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist Voraussetzung für Einbürgerung und langfristigen Aufenthalt. 7. Bildung und Familie müssen gefördert werden, um die deutsche Sprache zu stärken. 8. Die deutsche Sprache muß auch im Ausland gefördert werden. 9. Die deutsche Sprache ist vor politischem Mißbrauch zu schützen. 10. Ein neuer Deutscher Sprachrat betreut die Erfüllung dieser Forderungen. Mehr auf unserer Netzseite www.deutsche-sprachwelt.de/forderungen.shtml regierung sprachpolitisch zu erwarten? / Stephan Elbern: Zweisprachige Erziehung: ein Erfahrungsbericht / Günther Zimmermann: Sprechen Sie „Versicherisch“? / Wolfgang Hildebrandt: Die Masche mit den „selbsternannten“ Sprachpflegern / Kurt Reinschke: Unsere Sprache ist Ausdruck unserer kulturellen Identität (Rede zur deutschen Sprache) / Thomas Paulwitz: 2011 kommt die nächste Rechtschreibreform / Oliver Höher: Peter von Matt gibt Heinrich Hoffmanns „Struwwelpeter“ heraus / Thomas Paulwitz: Deutschlehrer, denen Englisch lieber ist / Sprachsünder-Ecke: Kulturhauptstadt Europas – 2010 wird die Ruhr amerikanisch / Rolf Zick: Die Verantwortung der Presse / Diethold Tietz: Sprachfest mit den Sorben / Fotowettbewerb brachte geistreiche deutsche Werbesprüche ans Licht / Tag der deutschen Sprache in Straubing / Ein Herz für die deutsche Sprache / Wolfgang Hildebrandt: Denglisch als Folge mangelnder Zivilcourage? (Anglizismenmuffel) 36 Sommer 2009 Unter anderem: Thomas Paulwitz: Stammeldeutsch als Errungenschaft? / Arthur Brühlmeier: Sprachfeminismus in der Sackgasse / Alexander Kissler: Merkeldeutsch / Köthen spricht über die deutsche Sprache in der EU / Thomas Paulwitz: Deutsch für Bundespräsidenten / Irmela van Thiel: Mehrsprachigkeit: einfach zweisprachig oder doppelt halbsprachig? / Grundschulenglisch gescheitert / Christoph Waitz: Zur europäischen Sprachenfrage / Sprachprüfsteine zur Europawahl / Norbert Pietsch: Sprachbegeisterte Mönche schufen neue Psalmenübersetzung / SOK fordert Rechtschreibmoratorium / Oliver Höher: T. S. Eliots „The Waste Land“ in neuer Übersetzung / Thomas Paulwitz: Der Sprachschützer als Massenmörder? / Sprachsünder-Ecke: Bundesregierung läßt den „Webman“ los / Rolf Zick: Bundestag wird Verständlichkeit fordern / Sieghard Kosel: Nachruf auf Annedore Zschiedrich / Rudolf Erler: Tschechische Sprachpflege / Thomas Paulwitz: Binsenweisheiten von Sprachbürokraten / Edda Moser geehrt / Ein Turm der deutschen Sprache / Wolfgang Hildebrandt: Abseiling zum Abwracking (Anglizismenmuffel) 35 Frühling 2009 Unter anderem: Thomas Paulwitz: Laßt euch nicht auffressen! Wahlen 2009 / Rudolf Wachter: Wo bleibt die Deutsche Orthographische Konferenz? / Thomas Paulwitz: SALE? Nicht mit uns! / Gesucht: Die besten deutschen Werbesprüche / Geert Teunis: Vortrag vor der Hauptversammlung der Siemens AG / Einzigartiges Eurofon / Werner Pfannhauser: Werden unsere Universitäten englisch? / Sprachenvielfalt vor der Rettung? Fragen an Klaus Däßler / Buchbesprechungen / Thomas Paulwitz: Goethe ungeschminkt / Oliver Höher: Schwer zu übersetzende Sprache / Sprachwahrer 2008: Mahnung an die Deutsche Welle / Sprachsünder-Ecke: Apothekerverbände / Günter Körner: Georg Philipp Harsdörffer / Diethold Tietz: Fremdwörter in der Presse / Klemens Weilandt: Scheinbares Denken / Wolfgang Hildebrandt: Bad Bank – Kurort oder Schrottplatz? (Anglizismenmuffel) Lieferbar sind auch noch alle früheren Ausgaben. Die Inhaltsverzeichnisse sämtlicher Ausgaben finden Sie unter www.deutsche sprachwelt.de/archiv/papier/index.shtml. Bildung Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Seite 7 Wenn Schulen den deutschen Wortschatz abbauen Von Ralph Mocikat Wie das Vordringen der Unterrichtssprache Englisch der Landessprache schadet I mmer mehr Schulen bieten den Sachfachunterricht, also in Biologie, Chemie, Physik, Mathematik, Geographie, Geschichte oder Politik und sogar auch in Religionslehre als sogenannten „bilingualen“ Unterricht an. Für diejenigen Schüler, welche sich für diesen Zweig entscheiden, findet jedoch der gesamte Unterricht in dem betreffenden Fach monolingual, also einsprachig, in der Fremdsprache statt; insofern ist die Bezeichnung „bilingual“ in höchstem Maße irreführend. In den allermeisten Fällen ist die verwendete Sprache ausschließlich das Englische. Die Ludwigsburger Kreiszeitung berichtete am 28. Januar 2009: „Schulunterricht in englischer Sprache will die Stadtverwaltung einführen. … Zuerst ist das Gymnasium an der Reihe, dann folgen Real-, Haupt- und Grundschule sowie die Kindergärten. … In einem Fach könnten Schüler dann bis zum Abitur komplett in englischer Sprache unterrichtet werden. Einen alternativen Unterricht in Deutsch werde es in diesem Fach nicht geben.“ Eine Grundschule in Tübingen will die Hälfte der Fächer bereits ab der ersten Klasse in englischer Sprache unterrichten. In einer weiteren Grundschule in Schleswig-Holstein soll der gesamte Unterricht außer im Fach Deutsch in englischer Sprache erfolgen. In einer Hauptschule in Nürnberg sollen Geschichte, Erdkunde und WirtschaftArbeit-Technik komplett auf englisch gelehrt werden. Dies sind nur wenige Beispiele aus der derzeit rasant wachsenden Zahl von Schulen aller Gattungen, welche das „bilinguale“ Konzept des Sachfachunterrichts verfolgen. Lehre leidet unter der Fremdsprache Die Argumente, die für den sogenannten bilingualen Unterricht etwa in den naturwissenschaftlichen Fächern vorgebracht werden, beziehen sich stets auf die Verbesserung der Fremdsprachenkompetenz der Schüler. Hier mögen auch in der Tat positive Auswirkungen erkennbar sein. Jedoch stellt sich die Frage, ob ein weiterer Abbau der Unterrichtssprache Deutsch die angemessene Antwort auf die alarmierenden Schwächen darstellt, welche zum Beispiel Hochschullehrer im Wortschatz, in der Grammatik und im Sprachverständnis der Studenten feststellen. Angesichts dieser Defizite müßte der deutsche Sprachunterricht an den Schulen energisch ausgebaut werden. Auch der natur- oder sozialwissenschaftliche Unterricht, wenn er auf deutsch erteilt wird, ist ein Deutsch-Unterricht. Während zu der fremdsprachlichen Kompetenz von Schülern, die einen „bilingualen“ Unterricht durchlaufen haben, empirische Untersuchungen vorliegen, gibt es keine Studie, die die Sachfachkompetenz dieser Schüler bewertet hätte. Glücklicherweise kennen wir entsprechende Untersuchungen aus dem Hochschulbereich. Alle Studien, zum Beispiel aus Schweden, Norwegen oder den Niederlanden, zeigen eine negative Beziehung zwischen dem Lerneffekt und dem Gebrauch einer zweiten Sprache auf. Die Lernstrategien der Studenten ändern sich, indem sie zum Beispiel im Seminarraum nur mechanisch Notizen machen, um diese später anhand von Lehrbüchern mit Sinn zu erfüllen, oder indem sie auf Mitschriften völlig verzichten. Der Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden geht erheblich zurück. Auch das Lesen geschriebener Texte ist erschwert, wenn diese englisch sind. In den Niederlanden wurde gezeigt, daß die Zahl der nicht bestandenen Prüfungen in englischsprachigen Studiengängen fast doppelt so hoch ist wie in den muttersprachlichen. In allen Studien stuften übrigens die beteiligten Studenten ihre Englischkenntnisse subjektiv als hervorragend ein. Leider liegen derartige empirische Untersuchungen aus dem deutschen Sprachraum nicht vor. Beobachtungen des Verfassers belegen jedoch auch hierzulande für englischsprachige Seminare mit ausschließlich deutschsprachigen Teilnehmern eine signifikante Einschränkung der Diskussion. Es zeigte sich, daß die Zahl der Wortmeldungen, bezogen auf die Zahl der Teilnehmer, gegenüber deutschsprachigen Seminaren durchschnittlich um den Faktor 6,3 verringert war. Die Teilnehmer dieser Seminare waren übrigens Wissenschaftler, die das Englische ausnahmslos hervorragend beherrschten. Verdrängung des Deutschen an Schulen und Hochschulen Es ist völlig klar, daß Authentizität und Lebendigkeit in Lehrveranstaltungen auf der Strecke bleiben, wenn man nicht die Muttersprache gebraucht. Zur Lehre gehören nicht nur Beherrschung von Wortschatz und Grammatik, sondern vor allem stilistische Feinheiten, das Zwischen-den-Zeilen-Gesagte, Bildhaftigkeit, Anspielungen, humoristische Ausflüge, differenzierte Betonung, Wortspiele, Körpersprache, Ironie und Witz. Dies alles kann kaum in einer Fremdsprache verwirklicht werden, mag der Lehrende diese auch noch so gut beherrschen. Wir wissen nicht, inwieweit die skizzierten Beobachtungen, die alle aus der Hochschule stammen, auf den Sachfachunterricht an den Schulen übertragbar sind. Jedenfalls rechtfertigen sie Zweifel hinsichtlich der Wahrnehmung und Verarbeitung des Stoffes durch die Schüler und hinsichtlich der erreichten fachlichen Tiefe. Es ist zu bezweifeln, ob in einer Fremdsprache Wissen angeeignet werden kann, welches auf reflektierendem Nachdenken, Neuordnung und Übertragung angelegt ist, oder ob nur die einfache Wiedergabe des Wissens eingeübt wird. Empiri- Tunnelblick auf die angloamerikanische Kultur sche Untersuchungen zu diesen Fragen auf einer breiten Basis im deutschsprachigen Raum fehlen, sind jedoch dringend erforderlich. Ein weiterer Aspekt des sogenannten bilingualen Unterrichts betrifft die historischkulturellen Bezüge dessen, Derzeit beobachten wir eine was gelehrt wird. Diese werkonsequente Verdrängung der den, wenn sie auf englisch deutschen Sprache aus immer vermittelt werden, nur noch in mehr Bereichen. Im Bereich der Sichtweise der angloameder Wissenschaften wird dem rikanischen Tradition wahrEnglischen bereits eine geradegenommen. In einem Artikel, zu totalitäre Ausschließlichkeit der für den englischsprachizugesprochen. Daß für die Vergen Unterricht im Fach Bioständigung auf internationalogie wirbt, findet sich das lem Parkett eine gemeinsame Sprache erforderlich ist und Die englische Sprache verfolgt deutsche Kinder bis Argument, daß die Biologie daß das Englische diese Auf- ins Bett: „Lernen wie im Schlaf“ verspricht die LIDL- ja ein „angelsächsisch gegabe übernommen hat, soll an „Lernbettwäsche“ mit aufgedruckten englischen Vokabeln. prägtes Fach“ sei. Um diesen dieser Stelle nicht in Frage gestellt wer- in Erscheinung tritt; andernfalls können Anspruch zu untermauern, wird auf den. Jedoch wird nun auch im internen die Lernenden keine Lösungsstrategien Namen verwiesen wie Edward Jenner Wissenschaftsbetrieb das Deutsche zu- entwickeln, die sie auf Neues, Unbe- für die Immunologie oder Alexander gunsten des Englischen verabschiedet: kanntes erfolgreich anwenden können. Fleming für die Mikrobiologie. Paul Deutschsprachige Kollegen tauschen Theorien sind naturgemäß unanschau- Ehrlich als Vater der Immunologie sich im Inland oft nur noch auf englisch lich und lassen sich nur durch Rück- oder Louis Pasteur und Robert Koch aus, ganze Studiengänge an den Univer- griff auf Bekanntes vergegenwärtigen, als Begründer der Mikrobiologie wersitäten werden auf die Lehrsprache Eng- das aus ganz anderen Wissensgebieten den geflissentlich vergessen. lisch umgestellt. Die Abschaffung des stammen mag. So müssen molekulare Deutschen auch im Sachfachunterricht Prozesse mit Hilfe von Bildern in die Dieser Tunnelblick auf die englische an Schulen mag da als ein logischer Alltagswelt des Menschen übertragen Sprache und die angloamerikanische werden. Diese Bilder werden aus dem Kultur bringt es mit sich, daß der jüngenächster Schritt erscheinen. Herkunftsbereich in einen Zielbereich ren Generation das Bewußtsein anderer übertragen, und sie müssen sich sprach- Denktraditionen vollständig abhanden Fachwortschätze lich wiedergeben lassen. Das Neue muß kommt, was sich bereits jetzt schon absterben aus also mit Hilfe des bereits vorhandenen zeichnet. Alles, was modern, innovativ Was werden die Folgen sein? Die Wissens erschlossen werden. Den Me- und wichtig ist, könne schlechthin nur konsequente Unterweisung in einem taphern kommt folglich eine erkennt- aus dem angloamerikanischen Raum Fach ausschließlich in einer Fremd- nisleitende Funktion zu; sie werden kommen. Der Rückgang der Kenntsprache von der Schule bis zur immer aus der Alltagssprache entnom- nisse in anderen Fremdsprachen außer Universität wird bewirken, daß die men und entwickeln sich erst später zu dem Englischen ist ebenfalls ein Indiz für eine Denkweise, die mit der eudeutschen Fachwortschätze (Fach- fachsprachlichen Bezeichnungen. ropäischen Idee kaum in Einklang zu terminologien) aussterben und daß die Absolventen dann nicht mehr in Damit ist auch klar, daß in der Wis- bringen ist. der Lage sind, über wichtige Gegen- sensvermittlung die Alltagssprache stände wie Chemie, Biologie, Physik eine besondere Rolle spielt. Nur in Insgesamt steht zu befürchten, daß ein oder auch Geschichte, Wirtschaft der Alltagssprache erschließen sich ausschließlich fremdsprachiger Sachund Politik auf deutsch zu sprechen. dem Lernenden alle gedanklichen fachunterricht den Aufbau von umfasVerknüpfungen und Nebenbedeu- sendem, theoriegeleitetem Wissen nicht Wir erleben jetzt schon, daß Absolven- tungen einer Metapher vollständig fördert, sondern eher einer weiteren ten von sogenanntem bilingualem Bio- und augenblicklich, so daß sich ein Fragmentierung des Wissens Vorschub logieunterricht grundlegende Begriffe erkenntnisleitendes „Netz von Bil- leistet. Ob ein solcher Unterricht auch nur noch mit dem englischen Ausdruck dern“ ausbilden kann. Die Art des zu den affektiven Bestandteilen der Bilkennen, was letztlich Auswirkungen Herangehens an das Unbekannte dung, also zur Vermittlung von Werten auf die Verständigung in der Alltags- bleibt stets in dem Denken verwur- und Haltungen, etwas beitragen kann, welt hat. Eine fehlende Weiterentwick- zelt, das die Muttersprache zumin- erscheint fraglich. Selbstverständlich wäre gegen einen echt bilingualen lung landessprachlicher Terminologi- dest mitbedingt. Sachfachunterricht, der die Schüler zu en führt dazu, daß eine Sprache ihre Wissenschaftstauglichkeit verliert. Dies hat Folgen – zum Beispiel für den einer voll ausgebildeten zweisprachiIndem man die Sprache gerade aus Dialog über Fächergrenzen hinweg. gen Terminologie führt, nichts einzuden hochangesehenen Themenfeldern Durch den Verzicht auf die Mutterspra- wenden. Man kann es sich jedoch nicht verdrängt, sinken ihr Status im Inland che werden fächerübergreifende Ansät- leisten, die Muttersprache und die mit und ihr Ansehen im Ausland. Wie will ze, vor allem in den anwendungsbezo- ihr verknüpften Denkstrukturen aus man etwa an Einwanderer die berech- genen Disziplinen, erheblich erschwert. ganzen Wissensgebieten vollständig tigte Forderung herantragen, unsere Fächerübergreifendes Denken kann nur zu verbannen. Das wäre nicht im Sinne Landessprache zu erlernen, wenn wir unter Rückgriff auf die Metaphern der unserer Schüler und nicht im Sinne der ihnen andererseits klar vor Augen füh- Muttersprache gelingen, da selbst ein gesamten Sprachgemeinschaft. ren, daß man über die wichtigen Dinge Fachwissenschaftler in einem benachbarten Fach Laie ist. Man denke an die auf englisch zu sprechen hat? Umweltforschung, in der natur- und Leicht geänderter Nachdruck aus gesellschaftswissenschaftliche Diszi- „freiheit der wissenschaft online“ (JaAlltagssprache ist für Wissenschaft plinen zusammenwirken und außerdem nuar 2010). Prof. Dr. Ralph Mocikat unerläßlich starke regionale und lokale Bezüge vor- lehrt Immunologie an der Universität Wissenschaften erklären die Wirklich- handen sind; oder an die gesellschaftli- München und ist Vorsitzender des Arkeit mit Hilfe von Theorien. Auch im che Erörterung ethischer Fragen in der beitskreises Deutsch als Wissenschaftsnaturwissenschaftlichen Schulunter- modernen Biomedizin, die nur vor dem sprache e. V. (ADAWIS). richt müssen Lehrer Wissen aufbauen, Hintergrund unserer eigenen Denktrawww.adawis.de das anhand theoriegeleiteter Kriterien ditionen stattfinden kann. Anzeigen 7000 antiquarische Bücher Liste für 1,45 € in Briefmarken A. Neussner • D-37284 Waldkappel 900 Jahre Zisterzienser – 900 Jahre literarisches Schaffen Für Sie als Autor die besondere Gelegenheit, uns Ihr Manuskript anzuvertrauen, denn unser bewährtes Verlags-Management wird Ihr Werk bekannt und absatzfähig machen! 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Besprechungen Seite 8 Auf den Spuren preisgekrönter Prosa Die Fäden ziehen Kein Beitrag zur Festigung der Staatsbürger Von Thomas Paulwitz Gewöhnliche Gedanken in ungewöhnlichen Ausdrücken Von Wieland Kurzka W as ist das Geheimnis einer guten wissenschaftlichen Prosa, wie sie alljährlich von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung durch den SigmundFreud-Preis ausgezeichnet wird? Der Preisträger des Jahres 2006 war der Frankfurter Historiker Johannes Fried, dessen Werk „Das Mittelalter“ kurz nach der Veröffentlichung drei Auflagen erlebte. Von ihm müßte man lernen können. Überrascht stellt der Leser dieses Buches fest, daß schlichtes und einfaches Deutsch keinesfalls zu den Idealen einer vorbildlichen wissenschaftlichen Prosa zu gehören scheint. Im Gegenteil – das anspruchsvolle Fremdwort ist offenbar geradezu die Krönung dieser Sprachkunst. Der ausgezeichnete Wissenschaftsprosaist würde nie „hervorrufen“, „einleiten“, „verinnerlichen“, „mit einschließen“, „verpflanzen“ und so weiter verwenden, nein er „evoziert“, „initialisiert“ („Lernprozesse für den interkulturellen Wissenstransfer“), „internalisiert“, „koinzidiert“ und „implantiert“. Er liebt das Wort „systemisch“, was zweifellos den Vorteil hat, daß sich niemand etwas Genaues darunter vorstellen kann. „Das systemische Zusammenspiel antagonistischer Kräfte“, das hat genau diese gewisse Unschärfe, die den Zauber der hochgelehrten Ausdrucksweise ausmacht. Ebenso wie „abstrahierende Semantik“ oder „Fiktionalität der Fiktion“. Nein, die platte Deutlichkeit eines seichten Alltagsdeutschs vermag wohl nicht die Texte des geübten Prosaisten auf die Höhe seiner Einsichten als Universitätslehrer zu heben. Diesen tiefen Einsichten ist auch jenes feinsinnige Stilmittel der Verdoppelung geschuldet, durch das der Autor die Eindringlichkeit seiner Aussagen unterstreicht: „konditionierende Bedingung“, „additiv aneinandergereiht“ oder „kommunikativ artikulierend“. Oder das Stilmittel Veredelung, wenn er von dem Speyrer Dom als der „Inkunabel“ des neuen Bauens spricht. In dem Thronbild des Kaisers Otto III. im Aachener Evangeliar sieht er die großartigste „Bildimagination“ dieses die Erneuerung des Imperiums planenden Herrschers. Einfach wunderbar! In diesem Eifer für das richtige Wort sind vereinzelte Mißgriffe des Autors unvermeidbar, so wenn er sich über den zutreffenden Gebrauch des Wortes „akzidentell“ nicht im klaren ist oder vom „Corpus Iuris Canonici 1917“ statt vom „Codex Iuris Canonici“ spricht. Dafür gelingen Fried dann stilistische Edelsteine: „Gregor verkündete eine Epiphanie, ja, er verhieß in Christomimese eine rituelle Theophanie“. Oder wenn er über Friedrich III. sagt: „Der Achtundsiebzigjährige starb, ohne daß die Türkengefahr gebannt gewesen wäre, noch ohne von der Entdeckung Amerikas erfahren zu haben, wohl aber von schmerzhafter Arteriosklerose in den Beinen geplagt …“ So etwas gibt uns zu denken! Bewunderungswürdig, wie der wissenschaftliche Schriftsteller in seiner stilistischen Gelenkigkeit leichtfüßig die logische Hürde des Satzes vom Widerspruch überspringt: „Entgegen allen Endzeitsorgen, ja – recht betrachtet – nicht zuletzt ihretwegen erfolgte damals …“ Was sagte Arthur Schopenhauer in „Parerga und Paralipomena“? „Den deutschen Schriftstellern würde durchgängig die Einsicht zustatten kommen, daß man zwar, wo möglich, denken soll wie ein großer Geist, hingegen dieselbe Sprache reden wie jeder andere. Man brauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge: aber sie machen es umgekehrt. Wir finden sie nämlich bemüht triviale Begriffe in vornehme Worte zu hüllen und ihre sehr gewöhnlichen Gedanken in die ungewöhnlichsten Ausdrücke, die gesuchtesten, preziösesten und seltsamsten Redensarten zu kleiden. Ihre Sätze schreiten ständig auf Stelzen einher.“ Johannes Fried: Das Mittelalter. Geschichte und Kultur, Verlag C. H. Beck, 3. Auflage, München 2009, 580 Seiten, gebunden, 29,60 Euro. Amtlich zulässig Eine wahrlich „kleine“ Sprachkritik E ine kleine Sprachkritik“ verspricht Wiglaf Droste im Untertitel des Buches, das schnell gelesen ist. Zwar denkt er manchmal durchaus nach und bringt auch andere dazu, wenn er beispielsweise findet, daß eigentlich von der Politik keine Pakete beschlossen werden können. Um solche durchaus treffenden Beobachtungen rankt er jede Menge Assoziationen und Geschichten. In der Glosse „Ist das der Zug nach Kötzschenbroda?“ sucht man die Sprachkritik vergeblich, denn hier werden nur Begebenheiten einer Reise nach Sachsen erzählt, die von seinem Kampf mit der Lüftungsanlage eines Hotels in Dresden erzählen, herumgeworfenen Glasaugen im Jahre 1946, Gedichten auf Speisekarten, die Droste offenbar dümmlich findet, um dem Leser dann ein ebenfalls nicht geistreicheres eigenes Gedicht vorzusetzen. Meissener Porzellan möchte er am liebsten zerschlagen, hypothetische Schwiegermütter, die selbiges besitzen, ausrauben lassen. Er landet dann in einer sächsischen Schenke, wo er beim Wein entdeckt, daß die Speisekarte in gutem Deutsch abgefaßt ist und der kleine historische Abriß zu seiner Erleichterung auf das „n. Chr.“ verzichtet. Zu Hochform läuft Droste dann beim Kapitel „Fruchtzwerge“ auf, zu welcher Albernheit ihn, der barocker Sprache offenbar nicht kundig ist, die „Fruchtbringende Gesellschaft“ veranlaßt hat. Da sieht er Joseph Goebbels’ Geist durch die Luft wabern sowie Kleingeistigkeit und Größenwahnsinn, verpaßt Reiner Kunze einen Tritt, vermutet beim „Arbeitskreis Deutsche Sprache in der Chirurgie“ gar Mordabsichten mit Skalpell, während Droste selbst in einem anderen Kapitel großzügig darauf verzichtet, Kai Dieckmann von der Bahnsteigkante zu stürzen. Was lernt der Leser daraus? Es gibt erlaubte und unerlaubte Sprachkritik. Letztere „kläfft herum“, leidet an „Überfremdungsangstneurosen“ und ist nach Befund von Droste offenbar in einer Traditionslinie schon seit der Barockzeit ganz nah am Nationalsozialismus, während, wie aus dem Buch ersichtlich, Droste wohl ein berufener Sprachkritiker ist. In lichteren Augenblicken betreibt er aber genau das Metier der von ihm so gehaßten Sprachkritiker, entdeckt (wie selbige), daß „Public Viewing“ eine öffentliche Aufbahrung wie auch anderes falschverstandenes Englisch ist, entdeckt (wie selbige) die Hohlheit mancher Werbesprüche, tadelt (wie selbige) den Abkürzungswahn, spürt (wie selbige) falsche Sprachbilder auf, weist (wie selbige) auf vernebelnde, beschönigende Sprache hin und macht sich (wie selbige) über sprachliche Narreteien lustig. Dazwischen bekommt noch in wilden gedanklichen Kapriolen der Papst etwas ab, das Christentum, Ernst Jünger (zu dem er auf eine nur ihm verständliche Weise den Bogen von einem Haarpflegemittel schlägt), kurzum alle Leute und Institutionen, die er nicht leiden kann, wobei Linke mit falscher Linie nicht ausgespart werden. Garniert wird das ganze mit sprachlichem Gegrapsche am Unterleib, was hoffentlich nicht der Anlaß dafür war, ihm den Annette-vonDroste-Hülshoff-Preis zuzusprechen. Durchaus witzig dagegen und auch mal unideologisch kann Droste sein, wenn er wirklich nur der Sprache nachspürt, so im Kapitel „Im Sparadies der Friseure“, das dem Buch auch seinen Titel gab und wo er auf der Suche nach einem Friseur von „Kamm hair“ über „Haarvantgarde“ bis zu „cHAARisma“ irrt und wo offenbleibt, ob es sich hier um Unsinn oder gekonnte Wortspiele handelt. Wiglaf Droste: Im Sparadies der Friseure. Eine kleine Sprachkritik, Edition Tiamat, Berlin 2009, 144 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro. Ab 19. Juli 2010: Goldmann, Taschenbuch, etwa 7,95 Euro. Ecke Sprachsünder Von Rominte van Thiel Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 D ieser Kriminalroman wird sicher nicht als „Tatort“ verfilmt werden. Der Stoff ist zwar filmreif, aber für das Öffentlich-Rechtliche völlig ungeeignet. Denn der Roman äußert Gesellschaftskritik von einem ganz anderen Standpunkt aus. Daher leistet das Buch, anders als die in der Regel „pädagogisch wertvollen“ Erzeugnisse, die im Ersten zu sehen sind, keinen Beitrag zur Aufklärung und Festigung der Staatsbürger. Bei Jörg Hellmann zählen die Opfer zu den Säulen des Staates. Es sind Altachtundsechziger, die sich vor allem gegenseitig stützen und auf diese Weise zu Macht und Geld gekommen sind: der Kriminologe und ehemalige Europaabgeordnete Heinrich Ömmel, der männerliebende Innenminister Benedikt Kriegmann und der gerissene Bankier Anton Schickelgruber. Allesamt sind sie Abzocker, die es sich im System bequem eingerichtet haben und einander bei der Ausbeutung des Staates und seiner Steuerzahler helfen. Hilfreich für sie ist, daß sie derselben Partei angehören. Auf der anderen Seite stehen drei Rentner, tief enttäuscht über die Zustände im Staat und die Doppelmoral der führenden Elite. Sie sind gefährlich, weil sie schwer erkrankt sind und nichts mehr zu verlieren haben. Hellmann gelingt es geschickt, die Spannung bis zum Schluß aufrechtzuerhalten, obwohl nach der Hälfte des Buches für den Leser die Mörder festzustehen scheinen. Für die Presse und andere, die dem staatlich organisierten „Kampf gegen Rechts“ verpflichtet sind, ist der Fall schon we- sentlich früher klar: Es handle sich um eine Anschlagserie von Rechtsradikalen. Eine friedliche Demonstration gegen rechte Gewalt führt zu hundert verletzten Polizisten. Für Kommissar Walter Kalter wird es angesichts des öffentlichen Drucks nicht leicht, den Fall aufzuklären. Und was bedeuten die Deutschlandfähnchen, die neben den Toten gefunden werden? Der Roman ist dort am besten, wo Hellmann seine Stärken als Spötter und Wortspieler ausspielt, wie wir sie schon aus seinem Buch „Michel schlägt zurück“ (siehe DSW 18, Seite 9) kennen; etwa, wenn Kommissar Findeisen durch die verschiedenen Abteilungen eines Kaufhauses läuft und sich von der Wursttheke bis zum Waschmittelregal an die Lösung des Falles herantastet. Wenn der Verfasser sich noch an die traditionelle Rechtschreibung gehalten hätte, wäre der Lesegenuß vollkommen. Die Handlung und die handelnden Personen sind übrigens frei erfunden, betont Hellmann. Letztlich überzeichnet er die Schwächen der Opfer derart, daß diese auch ohne das Zutun der Rächer ihre gesellschaftliche Stellung verloren hätten. Das gibt Hoffnung. Was bleibt, ist ein spöttisch-spannend geschriebenes Buch und ein leidenschaftliches Bekenntnis zur Meinungsfreiheit. Lesen! Jörg Hellmann: Die Fäden ziehen. Kriminalroman und Gesellschaftssatire, Hildesheimer Literaturverlag, Bad Salzdetfurth 2010, gebunden, 256 Seiten, 19,80 Euro. www.politik-satire.de „Der Sinn ergibt sich …“ G ibt der Sinn auf und schwenkt die weiße Fahne oder erschließt er sich dem Leser? Schon beim Rätseln über die Überschrift „Der Sinn ergibt sich …“ wird der Sinn dieses Gedichtbandes deutlich: Es lädt dazu ein, genauer auf die Sprache zu achten, Doppeldeutigkeiten aufzuspüren. „Wer keine Ader für Anspielungen und schwarzen Humor hat, der wird sich schwer damit tun“, meint der Autor und Sprachschützer Reinhard Ulmar, der dichtet: „Euch dämmert’s erst beim Dämmerschoppen, / ihr müßt die „shopping“-Hämmer stoppen.“ Einige Gedichte sind bereits bei Lesungen der Öffentlich- keit vorgestellt worden. Die etwa dreißig Abbildungen zu den Texten liegen dem Verfasser besonders am Herzen. Sie sind entweder von ihm selbst oder stammen von Künstlern aus fünf verschiedenen Ländern. Einer der Raben des Tasmaniers Dean Hills schmückt das Titelblatt. Er soll Kindheitsgefühle wecken und dazu einladen, die Vernunftwelt der Erwachsenen zu verlassen und sich auf (Wort-)Spiele einzulassen. (dsw) Reinhard Ulmar: Der sich … Dichtung für und rabenschwarze Books on Demand, 2009, 14,60 Euro. Sinn ergibt helle Köpfe Spaßvlögel, Norderstedt An dieser Stelle stellen wir Sprachsünder vor, die besonders unangenehm aufgefallen sind, und rufen unsere Leser zum Protest auf Gerichtssprache Englisch? Justizminister untergraben die Stellung der deutschen Sprache Von Thomas Paulwitz D eutsch ins Grundgesetz? Nicht nötig, schließlich sei in mehreren Gesetzen festgelegt, daß Deutsch Amtssprache ist. So war es immer wieder als Entgegnung zu hören. Stimmt: Daß Deutsch Gerichtssprache der Bundesrepublik Deutschland ist, regelt das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG, Paragraph 184). „Die Gerichtssprache ist deutsch“, heißt es dort. Doch das soll sich ändern: Die Justizminister von NordrheinWestfalen (Roswitha Müller-Piepenkötter, CDU) und Hamburg (Till Steffen, Grüne) wollen diesen Paragraphen nun um Englisch erweitern. Dazu haben sie dem Bundesrat am 12. Februar einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Müller-Piepenkötter meint: „Der Gerichtsstandort Deutschland leidet darunter, daß das Gerichtsverfassungsgesetz Deutsch als Gerichtssprache vorschreibt.“ Daher sollen nun „Kammern für internationale Han- delssachen“ das gesamte Gerichtsverfahren vollständig auf englisch abwickeln können. (pau) Fragen Sie die Justizminister Hamburgs und Nordrhein-Westfalens, warum sie Urteile nicht mehr in der Sprache des Volkes fällen lassen wollen, und lassen Sie uns bitte ein Doppel zukommen: Sprachsünder Dr. Till Steffen, Justizbehörde, Freie und Hansestadt Hamburg, Postfach 302822, D-20310 Hamburg, Telefon +49-(0)40-42828-0, Telefax +49-(0)4042843-4290, [email protected] Sprachsünderin Roswitha Müller-Piepenkötter, Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Martin-Luther-Platz 40, D-40212 Düsseldorf, Telefax +49-(0)2118792-569, [email protected] Literatur Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Seite 9 Im Hause des Sprachkünstlers Besuch bei Peter Schönhoff in Niederschindmaas Von Diethold Tietz E s ist ein frostklirrender Januartag. Noch haben die Schneemassen etwas Poetisches, Anheimelndes. Die allgemeine Schneepression wird sich erst in den Folgewochen einstellen. Die Reise geht nach Niederschindmaas. Selbst für eingefleischte Sachsen ein Fragezeichen-Ort. Jedoch stellt sich beim Näherkommen ein Aha-Effekt ein: In fünf Kilometern Entfernung befindet sich Zwickau-Mosel: früher TrabantSchmiede, heute eines der modernsten VW-Werke. Dem Trabant 1.1 (mit VW-Viertakt-Motor) folgte der VW-Polo II auf dem Fuß. Dann kamen der VW Golf und der Passat. Nicht zu vergessen die Nobel-Karossen für Bentley und Phaeton. Welch ein Kontrast zu diesem trutzigen Bauernhaus am Rande des Dorfes. Peter Schönhoff gewährt Einlaß. Im Atelier herrscht schöpferische Unordnung, der Kamin strahlt wohlige Wärme aus, der Zigarilloduft rundet die Wohlfühlatmosphäre ab. Der vermeintliche Mittsechziger – wie sich später herausstellen wird, ein deutliches Verschätzen nach unten – ist eine faszinierende Persönlichkeit. Im Gespräch mit ihm vergeht die Zeit wie im Fluge. Anlaß des Besuchs war sein Angebot, in Köthen/ Anhalt, dem Sitz der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft (NFG), eine Ausstellung seiner zwanzig übermalten Drucke „Interjektion Internet“ zu präsentieren. Aber schon ist die Idee weiter gediehen: Hinzugesellen werden sich noch eigensinnig-frivole Texte – Sprachspaß in Reinkultur –, auch Skulpturen und Installationen. Dies alles wird einen Bezug haben zu Wolfgang von Thumbshirn, weiland Gesandter des Herzogs von Sachsen-Altenburg und Mitglied der barocken Fruchtbringenden Gesellschaft. Die Ausstellung wird ab 20. August für einen Monat im Köthener Dürerbundhaus zu erleben sein. Michael Hametner, Redakteur beim Hörfunksender „MDR Figaro“, wird es sich nicht nehmen lassen, die Ausstellungseröffnung maßgeblich zu begleiten. Er ist ein rastloser Geist, der sich auf keine Rolle festlegen läßt und dem es gar nicht liegt, mit den Wölfen zu heulen, weder zu DDR-Zeiten noch heutzutage. Und er bearbeitet weit mehr als nur die Leinwand. Ob Holz oder Metall oder andere Stoffe – nichts ist vor ihm sicher. Schon gar nicht die Sprache, die er sowohl als filigranen Degen, wie auch als kräf- Peter Schönhoff in seinem Atelier tigen Säbel zu handhaben weiß. Kein Wunder eigentlich, studierte er doch an der Leipziger Karl-Marx-Universität Kunsterziehung und Germanistik. Und er betrachtete sich stets als „zoon politikon“, als öffentliches Lebewesen, das mitsprechen und mitgestalten wollte – zunehmend gegen den Strich der DDR-Apparatschiks. Bild: Tietz Das erste Parteiverfahren handelte er sich als Ost-68er während des ČSSR-Aufstands ein. Die weiteren Fettnäpfchen waren eine Ausstellung von Holzschnitten Gerhard Altenbourgs in Hinterglauchau, der einer der bekanntesten DDR-Künstler war (außer in der DDR selbst). Wolf Biermann, dessen Verehrer er zwar nicht ist, aber dessen Lieder er mit hämischer Freude zur Kenntnis nahm, wurde für Schönhoff zum nächsten Stasi-Stolperstein. Eine erfundene Bücherraub-Geschichte schließlich brachte ihm sieben Monate Untersuchungshaft mit anschließender Bewährungsstrafe ein. Folgerichtig wechselte er zur vielbeschworenen „herrschenden Klasse“ über, wurde Anstreicher. Na immerhin, heute bezieht Schönhoff Verfolgtenrente. Aber er wäre nicht er, würde er sich nicht heute in der ihm eigenen Art in die beliebte „Unrechtsstaat-Diskussion“ einbringen. Er definiert messerscharf und trefflich: Es gibt den Rechtsstaat, in dem ist alles erlaubt, was nicht verboten ist – verboten ist recht wenig. Und es gab den Linksstaat, in dem alles verboten war, was man nicht erlaubte – erlaubt war relativ wenig. Und dann waren da noch die Zweifler, die sich nicht sicher waren, ob das Erlaubte denn tatsächlich erlaubt war. Viele Stationen säumten Schönhoffs Lebensweg: der NVA-Ehrendienst bei der Volksmarine, die Stuck-Fassadengestaltung in Ost-Berlins Nikolai-Vorzeigeviertel. Ab 1986 war er M it welchem Spruch sollten wir für die deutsche Sprache werben?“ lautete die Frage. In der vergangenen Ausgabe hatten wir die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT dazu aufgerufen, gute Werbesprüche für die deutsche Sprache einzusenden. Viele Leser beteiligten sich an dieser Aktion. Nach Abzug der doppelten haben wir über 150 verschiedene Vorschläge gezählt. Die eingereichten Werbesprüche teilen wir in die folgenden sieben Gruppen ein: Aufforderungen, (gutes) Deutsch zu sprechen; Bekenntnisse zur deutschen Sprache; Lob der deutschen Sprache; Ablehnung der Sprachvermischung; geflügelte Worte; selbsterfundene Sinnsprüche, gereimt und ungereimt; Sonstiges. Einige der vorgeschlagenen Werbesprüche stellen wir hier vor. „Auf deutsch, bitte!“ Unter den Aufforderungen sind Verbindun- Lateinische Regeln Das große Einmaleins der Sprache in 2 Bänden Band 1 Ein Leitfaden durch die lateinischen Regeln wurde komplett überarbeitet (34 Seiten, 6,50 Euro, ISBN 3-00-008859-8) Es wird leider Zeit, den lauschigen Platz am sächsischen Kamin (natürlich errichtet aus jahrhundertealtem Mauerwerk) zu verlassen. Es ist schade, sich von diesem Born an Lebensweisheit, Kulturwissen, staatsbürgerlichem Einsatz und fesselnder Erzählkunst zu verabschieden. Und wie sagt er so überzeugend zum Schluß: „Ich kann mich immer noch im Spiegel wiedererkennen, und das ist das Größte, was man im Alter von sich sagen kann.“ Also dann: auf gesundes Wiedersehen im August in Köthen! Werbesprüche für die deutsche Sprache gen mit „Sprich deutsch!“ oder „Sprecht deutsch!“ der Renner. Wir zählen weitaus weniger Vorschläge mit „Sag’s auf deutsch“ oder „Red’ deutsch!“ Andere Sprüche fordern Stolz, „Mut zur Muttersprache“ oder Einsatz für die deutsche Sprache. „Deutsch – unsere Sprache!“ Zu den Bekenntnissen zur deutschen Sprache zählen wir weiterhin Sprüche wie „Ich spreche gern Deutsch“, „Deutsch verstehen wir am besten“ oder „Deutsch spricht mich an“. „Deutsche Sprache – schöne Sprache“. Die Vorzüge der deutschen Sprache rühmen zudem Sprüche wie „Deutsch trifft punktgenau!“, „Deutsch ist deutlich“ oder ganz einfach: „Deutsch ist schön!“ „Engleutsch? Nein danke!“ Nicht nur mit diesem Klassiker lehnten die Leser die Sprachvermischung ab, natürlich auch in der Fassung „Deng- lisch – nein danke!“ Eine hübsche Abwandlung bietet dieser Spruch: „Denglisch – nein, denke!“ „Die Sprache ist der Spiegel einer Nation.“ Erhabener wirken die geflügelten Worte, die vorgeschlagen wurden. Wie das eingangs genannte stammen sie meist von Friedrich Schiller, aber auch von Jacob Grimm, wie dieser Satz: „Tretet ein in die euch allen aufgetane Halle eurer angestammten uralten Sprache, lernt und heiliget sie und haltet an ihr, eure Volkskraft und Dauer hängt in ihr.“ „Wie sehr Du auch schwitzt – deutsch sitzt!“ Heiterer kommt das Selbstgereimte daher: „Wer sein eigenes Deutsch nicht kennt, wird von der Welt schnell abgehängt!“ – „Klar und deutlich sein, kannst Du nur mit Deutsch allein.“ – „Das deutsche Wort wird weiterleben, wenn wir ihm stets den Vorzug geben.“ Aber Anzeigen überarbeitete Auflage! freiberuflicher Maler und Grafiker, von 1990 bis 1993 Direktor des Museums und der Kunstsammlung im Schloß Hinterglauchau. Seit 1994 ist er auch freiberuflicher Autor. Bei der „Freien Presse“ zeugen zahlreiche seiner Feuilletons davon, daß es auch heute noch (oder wieder?) Spaß macht, gegen den Strom zu schwimmen. Inzwischen gibt es von ihm Romane und Künstlerbücher (mit eigenen Texten und Grafiken) und vieles mehr. Derzeit treibt den rastlosen Geist besonders die Vorbereitung auf das Robert-Schumann-Gedächtnisjahr um. Das Beherrschen der lateinischen Sprache und ihrer Denkweise kann unbezahlte Vorteile bringen. Deshalb hat Gerhard Bach ein Nachhilfegerüst geschrieben, das auf eigenen Erfahrungen beruht. Zu beziehen sind beide Bände über den Buchdienst der DEUTSCHEN SPRACHWELT oder direkt beim Verfasser: Gerhard Bach M.A. Wingertstraße 1 1/2 D-97422 Schweinfurt Telefon 0 97 21/2 69 27 neu! Band 2 Ein Leitfaden durch die lateinische Grammatik ist neu erschienen (ca. 96 Seiten, 10,- Euro, ISBN 3-00-00XXXX-X) Praktikumsstelle / Volontariat Chamäleon Media GmbH ist mit über 2.500 Internetseiten ein großer Anbieter von Web-Inhalten in der Schweiz. Für die Mitarbeit in der Redaktion bieten wir am Arbeitsort Chur eine Praktikumsstelle. Während einer Dauer von 12 Monaten (oder nach Vereinb.) haben Sie die Möglichkeit, an verschiedenen Internetmedien bzw. Internetzeitungen mitzuwirken. Gute Deutschkenntnisse sind verausgesetzt, das Beherrschen einer Fremdsprache von Vorteil. Senden Sie Ihre aussagefähige Bewerbung an: Kontakt: [email protected] www.Chamaeleon-Media.ch auch die ungereimten Sinnsprüche regen zum Nachdenken an: „Wenn das Bild das Wort erschlägt, ist auch die deutsche Sprache nichts mehr wert!“ – „Ohne deutsche Sprache keine deutsche Kultur!“ „German – yes, we can!“ Einsendungen solcher Bekenntnisse zählen wir zu den nicht ganz ernst gemeinten Vorschlägen. In diese Gruppe fällt auch das Wort „I speak deutsch“. Aus dieser Zusammenstellung wird deutlich, daß es schöne Sprüche gibt, um für die deutsche Sprache zu werben. Je nach Anlaß mag der eine Spruch besser passen als der andere. Wir bitten Sie, uns weiterhin geistreiche Werbesprüche zu schicken, damit wir sie den übrigen Lesern vorstellen oder an passender Stelle einsetzen können. Für Ihre bisherige und künftige Mithilfe danken wir herzlich! (pau) Werkstatt Seite 10 Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Guttenberg, Wickert, van Gaal gewinnen Deutsche Wortwelt Die Leser der DEUTSCHEN SPRACHWELT haben die Sprachwahrer des Jahres 2009 bestimmt Von Thomas Paulwitz D ie Chancen, daß Guttenberg sich in der Abstimmung gegen die Konkurrenten Guido Westerwelle, Bayern-Trainer Louis van Gaal und die Pop-Band Tokio Hotel durchsetzt, stehen gar nicht schlecht.“ Mit dieser Einschätzung hat das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ letztlich recht behalten, obwohl das „Westfalen-Blatt“ seine Leser unterrichtete: „Niemand kann Sie zwingen, Westerwelle oder Guttenberg zu wählen.“ Denn die Zeitung hatte entdeckt, daß Karl-Theodor zu Guttenberg einmal einen lateinischen Superlativ gesteigert hatte: die „ultima ratio“ war zur „ultissima ratio“ geworden – geistreiche Wortschöpfung oder Sprachverhunzung? Es hat dem Oberfranken jedenfalls nicht geschadet, auch wenn die „Thüringer Allgemeine“ schon stöhnte: „Wieder er.“ Die Zeitung mußte allerdings zugeben: „Das ist, ohne Ironie, ein guter Vorschlag“. Wir sehen: Die spannende Frage, wer zum Sprachwahrer gewählt würde, ließ den Blätterwald diesmal ganz besonders laut rascheln: Die Medien druckten nicht nur die Meldung der dpa ab, sondern veröffentlichten zahlreiche eigene Kommentare. So ging das „Neue Deutschland“ der Frage nach: „Muß ein Sprachwahrer die Wahrheit sprechen?“ Ein Minister, ein Journalist und ein Fußball-Trainer erhielten also die meisten Stimmen bei der Wahl zum Sprachwahrer des Jahres 2009. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg errang mit 35,0 Prozent der Stimmen den ersten Platz und setzte sich damit im unmittelbaren Vergleich gegen Bundesaußenminister Guido Westerwelle durch, der mit 13,7 Prozent überraschend nur Vierter wurde. Auf den Plätzen 2 und 3 liegen nahezu gleichauf der ehemalige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert und Louis van Gaal, Übungsleiter des FC Bayern München. Für die beiden stimmten 16,7 und 16,3 Prozent. Daß im Februar dieses Jahres sich ein ganz anderer Minister, nämlich Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, für die Auszeichnung empfahl (siehe auch Seite 3), konnte nicht mehr in die Abstimmung eingehen, denn diese endete am 31. Januar. Ramsauer gilt jedoch für die nächste Wahl als gesetzt. Die Deutsche Welle berichtete in englischer Sprache und unter der Überschrift „Defending the German language“ über die SprachwahrerWahl. Der deutsche Auslandssender befragte DSW-Mitarbeiterin Ursula Bomba. Auf der Seite der Beschwichtiger durfte sich Rudolf Hoberg, der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), zu Wort melden. Während Bomba den Standpunkt der Sprachschützer verdeutlichte, suchte Hoberg nach den Vorteilen der Sprachvermischung und sagte: „I think, foreign words can sometimes help. Words are taken over when there are gaps in the language to be filled.“ Fremdwörter könnten also dabei helfen, Lücken zu füllen; eine Binsenweisheit. Auf die Verdrängung der deutschen Sprache ging Hoberg jedoch nicht ein. Die Sprachwahrer des Jahres 2009 Guido Westerwelle 13,7% Xavier Naidoo 7,6% Tokio Hotel 5,7% Andere 4,9% Louis van Gaal 16,3% Ulrich Wickert 16,7% Die Wahl zum Sprachwahrer des Jahres war von einer Aktion der Anhänger der Musikgruppe „Tokio Hotel“ begleitet. Sie hatten dazu aufgerufen, die Abstimmung zugunsten ihrer Lieblinge zu entscheiden. In zahlreichen Veröffentlichungen im Netz machten sie auf die Wahl aufmerksam. Allerdings stürmten die Anhänger nicht zur Abstimmung der DEUTSCHEN SPRACHWELT, sondern auf eine Umfrage im Netzauftritt der Tageszeitung „Die Welt“, die darüber ausführlich berichtet hatte. Die Gesamtstimmenzahl schnellte dort in wenigen Minuten in die Tausende. Nach rund 15.000 Stimmen (99,9%) für Tokio Hotel nahm „Die Welt“ ihre eigene Abstimmung wieder aus dem Netz. Da von uns jedoch nur diejenigen Stimmen gewertet werden können, die unmittelbar bei der DEUTSCHEN SPRACHWELT eingehen, hatte dieser Ansturm keine Auswirkungen auf das Ergebnis. Er ist jedoch ein Zeichen dafür, wie begehrt dieser Titel inzwischen geworden ist. Ulrich Wickert wies in seinem Netzauftritt sogar selbst auf seine Benennung hin. Seit zehn Jahren ruft die DEUTSCHE SPRACHWELT dazu auf, die Sprachwahrer des Jahres zu bestimmen. Während dieser Zeit sind einige neue Wettbewerbe hinzugekommen, die auch etwas von der Aufmerksam- Karl-Theodor zu Guttenberg 35,0% keit abhaben wollen: Jugendwort des Jahres, nervigstes Wort des Jahres, nützlichstes Wort des Jahres und so weiter. Das Streiflicht der „Süddeutschen Zeitung“ bemerkt dazu kritisch: „Längst hat sich auch die Sprache dem Ritual der Jahresbestenkür anbequemen müssen.“ Allerdings würdigt die DEUTSCHE SPRACHWELT im Gegensatz zu den anderen Wettbewerben nicht Wörter, sondern Personen, Gruppen und Unternehmen. Dies macht die Wahl einzigartig. Platz 1: Karl-Theodor zu Guttenberg Die „Süddeutsche Zeitung“ beschäftigt sich daher besonders ausführlich mit der DEUTSCHEN SPRACHWELT und mit zu Guttenberg: „Wann immer Karl-Theodor zu Guttenberg sich Klarheit über seine Soldaten und die Kunst der Kriegsführung verschaffen will, greift er zu Platons ‚Politeia‘. … Dies und alles Übrige liest der Verteidigungsminister natürlich im altgriechischen Original. Weil er darüber hinaus sowohl ein gutes Deutsch als auch ein einwandfreies Englisch spricht, weil er ferner das Wort ‚Krieg‘ nicht krampfhaft vermeidet und weil er zu- Die DSW in der Presse Die Nachrichtenagentur dpa meldete am 22. Dezember 2009: Politiker für Wahl zum „Sprachwahrer des Jahres“ nominiert rlangen (dpa) – Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) könnte „Sprachwahrer des Jahres“ 2009 werden – aber auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat Chancen, die Auszeichnung zu bekommen. Guttenberg habe bereits als Bundeswirtschaftsminister eine breite Öffentlichkeit mit seiner Sprachgewandtheit beeindruckt, begründete die Zeitschrift „Deutsche Sprachwelt“ am Dienstag in Erlangen ihre Entscheidung. Westerwelle rühme die „wunderschöne deutsche Sprache“. Zudem nominierten die Sprachschützer die Band Tokio Hotel, den Musiker Xavier Naidoo, FC-Bayern-München-Trainer Louis van Gaal und den früheren „Tagesthemen“-Moderator Ulrich Wickert. Die Abstimmung endet am 31. Januar. Zum „Sprachwahrer des Jahres“ wurden bisher unter anderem der Sportwagen-Hersteller Porsche (2007) und Papst Benedikt XVI. (2005) gewählt. dem in der Lage ist, eine mitreißende Bierzeltrede zu halten, ist er jetzt von der Deutschen Sprachwelt für den Titel ‚Sprachwahrer des Jahres‘ vorgeschlagen worden.“ Platz 2: Ulrich Wickert Ulrich Wickert ist ein sprachempfindlicher Mensch, der zum Beispiel lieber „Strafmaßnahme“ statt „Sanktion“, „Blutrecht“ statt „ius sanguinis“ oder „Judenvernichtung“ statt „Holocaust“ sagt. Deutsche Wörter sind für ihn eben saftiger, kräftiger, ausdrucksstärker. Mit Fremdwörtern läßt sich die Sprache leichter vernebeln. Bereits als Nachrichtenmoderator der ARD nahm Ulrich Wickert die Sprache sehr ernst. Folglich beobachtet er auch heute noch den Sprachgebrauch auf dem Gebiet, auf dem er selbst jahrelang tätig war, ganz genau. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung rechnete er mit ARD und ZDF ab: „Wenn es um die Sprache geht, bedauere ich, daß nur noch wenige Autoren von Stücken für ‚Tagesschau‘ und ‚Tagesthemen‘ oder für ‚heute‘ und ‚heute-journal‘ den Satzbau beherrschen. Häufig streuen sie Substantive wie grobes Meersalz zwischen kurze Sätze. Auch wenn die Suche nach einer treffenden Schlußbemerkung zu viel Nachdenken fordert, dann ‚bleibt es abzuwarten‘, ‚ist die Ursache unklar‘, oder ‚es wird sich zeigen‘.“ Wickert setzte noch eins drauf: „Wer so textet, ist nicht nur schusselig, sondern denkfaul. Und warum lassen die Redaktionschefs die sprachliche Verlotterung durchgehen? Bedeutet ihnen die Sprache so wenig, oder merken sie nichts?“ Kai Gniffke von der Tagesschau-Redaktion wies Wickerts Tadel jedoch zurück: „Unsere Texte finde ich sprachlich außerordentlich akkurat, und zudem gewinnen sie durch den unfallfreien, engagierten Vortrag unserer Präsentatoren.“ Aber warum sollten sich ARD und ZDF nach dem Zuschauer richten, wenn die Gebühren unabhängig von deren Urteil fließen? Platz 3: Louis van Gaal Bevor Aloysius Paulus Maria „Louis“ van Gaal am 1. Juli 2009 sein Amt in München antrat, büffelte er erst einmal richtig Deutsch. Zwar hatte er Hochdeutsch bereits in der Schule gelernt, aber das reichte ihm nicht. Eine Woche lang paukte er mit Hilfe eines Privatlehrers täglich von 9 bis 18 Uhr die deutsche Sprache. Um ungestört üben zu können, wollte er sich ursprünglich sogar in ein Kloster zurückziehen. Doch die Ehefrau hatte dagegen Einspruch erhoben. Deutsch als alleinige „Amtssprache“ einzuführen, war eine der ersten Maßnahmen van Gaals als BayernTrainer. Alle Besprechungen finden nun auf deutsch statt. Inzwischen ist das sogar in einem Verhaltenskatalog schriftlich festgehalten. Denn die Edelfußballer des FC Bayern München kommen aus aller Herren Länder, weswegen die Verständigung un- Das entbehrliche Fremdwort Service Point Nachdem die Deutsche Bahn (DB) mit dem „Service Point“ die Auskunft ersetzt hatte, ahmten dies viele Einrichtungen nach, voran die Hochschulen. Bleibt zu hoffen, daß die voraussichtliche Abschaffung des DB„Service Points“ ebenso viele Nachahmer findet. Das richtig geschriebene Wort grölen Beim „Gröhlen“ röhrt das „h“ so schön mit. Dennoch ist dies die falsche Schreibweise: „Grölen“ ist richtig. Abgeleitet ist das Wort nämlich von „Gral“, nach dem spätmittelalterliche Turnierfeste benannt wurden, auf denen die Zuschauer lärmten, „gralten“. Das treffende Wort „Ich hätte mir gewünscht“ Es lief nicht wie gewünscht. Der Enttäuschte sagte: „Ich hätte es mir anders gewünscht.“ Falsch, denn der Konjunktiv paßt hier nicht, sondern gehört in den Nebensatz: „Ich hatte mir gewünscht, daß es anders gekommen wäre.“ Genauso falsch: „Ich hätte da mal ’ne Frage …“ Richtig ist: „Ich habe eine Frage.“ Das richtig gebeugte Wort gewinkt / gewunken „Gewunken“ ist mundartlich, hochdeutsch heißt es winken / winkte / gewinkt, nicht etwa: winken / wank / gewunken. Das wiederentdeckte Wort ergötzen/ergötzlich „Ergötzen“ stammt von „vergessen“. Wer jemanden „ergötzt“, der macht ihn etwas vergessen. Wer sich an etwas ergötzt, der freut sich über eine Sache. Wenn etwas „ergötzlich“ ist, dann wird es als angenehm empfunden.. Welche weiteren Wörter sollten in dieser Wortwelt stehen? Schreiben Sie uns! ter den Spielern bisweilen schwierig ist. Van Gaals Vorvorgänger Jürgen Klinsmann hatte noch alle Spieler dazu verpflichtet, Fremdsprachen zu lernen. – Auch die deutschen Spieler nahm er davon nicht aus! Klinsmann war sogar so weit gegangen, Englisch als zweite „Amtssprache“ einzuführen. Ganz anders und überhaupt nicht abgehoben verhält sich dagegen Louis van Gaal. Er stellte klar: „Wer in Deutschland spielt, muß sich der Kultur anpassen. Dazu gehört die Sprache.“ Dabei betätigte sich van Gaal auch als Wortschöpfer, wie die Abendzeitung schreibt: „Den Titel Sprachwahrer 2009 müßte ‚van Chhhhhaal‘ allein für den Simplizissimus ‚fußballen‘ bekommen, etwa: ‚Wir haben diszipliniert gefußballt‘.“ Wie ernst es van Gaal mit der deutschen Sprache ist, wird anhand der Begebenheit deutlich, daß er einem Spiegel-Mitarbeiter, der das Gespräch mit ihm auf englisch oder spanisch führen wollte, antwortete: „In welchem Land befinden wir uns gerade, was denken Sie?“ – Das Gespräch fand auf deutsch statt. Also: „Bewaar die taal, van Gaal!“ www.sprachpflege.info/index.php/ Sprachwahrer_des_Jahres www.deutsche-sprachwelt.de/ sprachwahrer Anstöße Deutsche Sprachwelt_Ausgabe 39_Frühling 2010 Seite 11 „Deutsch – Sprache „Deutsch ist der Ideen“ die Kultursprache der Welt“ Mit einer Feierstunde eröffnete Westerwelle ein „Jahr der deutschen Sprache“ Von Lienhard Hinz B undesaußenminister Guido Westerwelle eröffnete am 25. Februar in der Berliner Spielstätte „Radialsystem V“ die Kampagne „Deutsch – Sprache der Ideen“. Ein „Jahr der deutschen Sprache“ soll bewirken, daß im Ausland wieder mehr Deutsch gelernt wird. In seinem Grußwort vor Diplomaten und Journalisten nannte Westerwelle „Abendrot, Morgenstern und Blütenstaub“ phantasievolle Wörter. Er hob hervor, daß Deutsch als Fremdsprache nach wie vor gefragt ist, weil sie die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Laufbahn und den Weg in die größte Volkswirtschaft Europas eröffnet. 750 Millionen Euro, ein Viertel des Haushalts des Auswärtigen Amtes, sind im vergangenen Jahr für auswärtige Bildung ausgegeben worden. Die meisten Deutschlernenden hat Polen. In Asien ist besonders in Indien das Interesse an der deutschen Sprache groß. Auf die Besonderheiten beim Deutschlernen gingen im anschließenden Programm die japanische Schriftstellerin Yoko Tawada und der ungarische Autor Péter Esterházy ein. Die fehlende Logik bei den deutschen Artikeln veranschaulichte Tawada anhand der Wörter „der Rock“ und „die Hose“. Esterházys Figur Esti löst das Problem, indem sie an Substantive das Suffix „-chen“ fügt und dann den Artikel „das“ sicher verwenden kann. – Originell waren die Lesungen aus „Sprachpolizei und Spielpolyglotte“ und „Kornél Estis Abenteuer mit der deutschen Sprache“. Das Goethe-Institut steht im Mittelpunkt der Kampagne. Präsident Klaus-Dieter Lehmann erinnerte an die Verleihung der Goethe-Medaille zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland im Jahr 2005 an Yoko Tawada. Auch der 2009 mit der Medaille ausgezeichnete schwedische Schriftsteller Lars Gustafsson ist ein Verehrer Goethes. Die Schönheit der deutschen Sprache brachte der Tenor Christoph Prégardien mit dem von Franz Schubert vertonten „Erlkönig“ und den Heine-Liedern von Wilhelm Killmayer zum Klingen. Nach der abstrakten Lautpoesie der Gruppe „Die Maulwerker“ glänzte die „Rapperin“ Nina „Fiva“ Sonnenberg mit einer klaren deutschen Aussprache bei aller Monotonie der Rhythmik. Die anwesenden Journalisten wurden nicht zufriedengestellt, was den Inhalt der Kampagne „Deutsch – Sprache der Ideen“ betrifft. Vertreter des Auswärtigen Amtes verwiesen nach Anfragen auf eine Netzseite. Der geringe Informationswert der Veranstaltung wurde während des anschließenden Empfangs durch die Stände der Deutschen Welle, des Goethe-Instituts, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und des Pädagogischen Austauschdienstes der Kultusministerkonferenz (PAD) etwas ausgeglichen. www.diplo.de/Sprache-der-Ideen Paul-Josef Raue ist Ehrenmitglied der Aktion Deutsche Sprache Von Rolf Zick P aul-Josef Raue ist nun Ehrenmitglied der Aktion Deutsche Sprache (ADS). Dem früheren Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, der seit 2. Dezember 2009 Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen Zeitung ist, erhielt diese Auszeichnung auf einstimmigen Beschluß des ADS-Vorstands. Raue setzte sich besonders durch seine Kolumne „Friedhof der Wörter“, die jeden Mittwoch in der Braunschweiger Zeitung erschien, für die deutsche Sprache ein. Auf diesem „Friedhof“ begrub er vor allem unnötige Anglizismen. Die Mitglieder der ADS hatten Raue am 10. September 2009 beim Sprachtreff in Hannover mit seinem Vortrag „Sprache und Medien – Die Verantwortung der Presse für Pflege und Schutz der deutschen Sprache“ persönlich kennengelernt (siehe DSW 37, Seite 11). Am 21. Dezember 2009 überreichten ADS-Vorsitzender Hermann Neemann und der stellvertretende Vorsitzende und Pressesprecher Rolf Zick in Braunschweig Paul-Josef Raue die Urkunde. Darin heißt es: „Die Aktion Deutsche Sprache e.V., Hannover, verleiht Herrn PaulJosef Raue, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, in Würdigung seines vorbildlichen Einsatzes für die deutsche Sprache und dessen journalistische Umsetzung die Ehrenmitgliedschaft. Paul-Josef Raue und seine Redaktionsmannschaft wurden am 31. August 2009 mit dem Deutschen Journalistenpreis 2008 der Gesucht: Deutsche Markenund Produktnamen Wettbewerb von „Centaur“ und der „Aktion Deutsche Sprache“ U nsere Welt ist voller Markenund Produktnamen. Wir sind täglich von ihnen umgeben. Sie sind überall. Das deutsche Markenrecht definiert eine Marke als Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens mit der Absicht, sich von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Über die Verständlichkeit dieser Kennzeichnung sagt das Markengesetz nichts aus. Dabei wäre es durchaus sinnvoll, wenn Marken- und Produktnamen auf Anhieb verständlich wären. Denn Erzeugnisse, deren Namen der Kunde nicht versteht, wird er auch nicht kaufen. Mehr noch: Produktebezeichnungen, die schwierig auszusprechen sind, werden sogar als besonders riskant eingeschätzt. Das besagt eine Studie der Universität von Michigan aus dem vergangenen Jahr. Auf „Gefahr!“ dürfte das deutsche Gehirn demnach vor allem bei Produkten des amerikanischen Kaffeerösters „Starbucks“ schalten. Oder haben Sie auch nur den Hauch einer Ahnung, was sich hinter einem „Winter Watercolor Tumbler“, einer „Double Tall Vanilla Non Fat Latte“ oder einer „Americano Macchiato Low Fat Venti with Room“ verbirgt? Sehen Sie! Aber auch in Teilnahmebedingungen Der Wettbewerb findet in drei Kategorien statt: A: Handelsmarken (zum Beispiel EDEKA, REWE, Rossmann) B: Produkte des Handwerks und der Industrie (zum Beispiel Bäckereien, Möbelhersteller) C: Dienstleistungsprodukte (zum Beispiel Tarife von Energieversorgern und Versicherungen) Bewertet werden Ideenreichtum, Treffsicherheit und Humor. Jeder Teilnehmer kann je Kategorie bis zu drei Vorschläge einreichen. Anzeigen und Prospekte sind im Original, Produktfotos analog im Format 13 x 18 cm oder digital im jpg-Format in der Auflösung von 300 dpi einzureichen. Jedes Werbemittel oder Foto ist mit folgenden Angaben zu versehen: Vor- und Nachname, volle Anschrift und Telefonnummer des Einsenders. Ferner ist unbedingt anzugeben, wann und wo das Produkt fotografiert worden ist. Preise 1. Preis: Digitalisiergerät für Bildnegative, Diapositive (Umkehrfilm) und Papierabzüge (Wert: 150 Euro), 2. Preis: Brettspiel „Monopoly“ von Parker (Wert: 34,99 Euro), 3. Preis: Rossmann-Einkaufsgutschein (Wert: 30 Euro). Für alle Plätze gibt es eine Teilnahmeurkunde und eine Buchprämie der ADS. Das Preisgericht besteht aus je einem Vertreter der Aktion Deutsche Sprache (Hannover), des Sprachrettungsklubs Bautzen/ Oberlausitz, der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft zu Köthen/Anhalt, der DEUTSCHEN SPRACHWELT (Erlangen) und der Centaur-Redaktion. Wird ein preisgekröntes Produkt oder eine preisgekrönte Marke mehrmals eingereicht, so entscheidet das Los über den Preisträger. Die Preisträger werden schriftlich benachrichtigt. Namen und Wohnorte werden auch im „Centaur“ und in der DEUTSCHEN SPRACHWELT veröffentlicht. Je Kategorie wird ein erster, ein zweiter und ein dritter Sachpreis ausgesetzt. Die Preise werden im August 2010 übergeben. Einsendeanschrift Aktion Deutsche Sprache e.V., Stichwort „Werbesprüche“, Lothringer Straße 33 B, D-30559 Hannover. Elektronische Einsendungen an: [email protected]. Einsendeschluß ist der 31. Juli 2010. Drogeriemärkten geht’s gefährlich unverständlich zu, wenn sich beispielsweise L’Oréal mit „Studio Line Hot Glatt oder FX out of Bed“ der Haare annimmt oder Procter & Gamble für die Gesichtspflege „Olaz Regenerist Daily 3 Zone Treatment Creme“ anbietet. Und was können Sie mit Zungenbrecher-Markennahmen wie „Syoss“ oder „Frizz ease“ anfangen? Im Sortiment der Haushaltsreiniger schießt Reckitt Benckiser mit dem Fleckentferner „Vanish Oxi Action Intelligence Plus“ den Vogel ab. Aber es geht eben auch anders. Da gibt es beispielsweise „Milchbad Zauber Zart“ von Kneipp oder „Innere Ruhe Harmonie-Tee“ von Teekanne. Rossmann hat die Eigenmarken „Fußwohl“ oder „Flink und Sauber“ im Sortiment. Von Edeka gibt es die eigenen Lebensmittel-Marken „Gut und günstig“ und „VielLeicht“. Und solche originellen und leicht verständlichen deutschen Marken- oder Produktnamen aus Handel, Handwerk, Industrie und Dienstleistungsgewerbe sucht die Redaktion der Rossmann-Kundenzeitschrift „Centaur“ zusammen mit der Aktion Deutsche Sprache (ADS). Der Wettbewerb läuft vom 26. April bis zum 31. Juli 2010. Eingereicht werden können selbst aufgenommene Produktfotos oder Produktabbildungen aus Zeitungsanzeigen und Werbeprospekten. Ein unabhängiges Preisgericht aus verschiedenen Vereinen, die sich der Pflege und Erhaltung der deutschen Sprache verschrieben haben, wird Ende August die besten Vorschläge bewerten. Es winken schöne Preise aus dem Rossmann-Sortiment sowie ADS-Buchprämien. (ros/ads) Konrad-Adenauersche Sprache. Zur Stiftung, Bonn, ausVerleihung des Litegezeichnet, nachdem raturnobelpreises an die Braunschweiger Herta Müller schrieb Zeitung unter seier am 11. Dezember ner Leitung bereits 2009 in der „Thürinim Jahr 2002 einen ger Allgemeinen“: 2. und im Jahr 2006 „Im Alltag stolpern einen 3. Platz in wir über Anglizisdiesem Wettbewerb men, obwohl unsere errang. Besonders Sprache klare wie beeindruckend und schöne Wörter bietet. erfrischend in dieWer sich am Bahnser ‚Bürgerzeitung‘ Urkundenübergabe an Paul- hof orientieren will, ist für alle Freunde Josef Raue (Mitte) durch den sucht verwirrt die Hermann Auskunft, sie heißt der deutschen Spra- ADS-Vorsitzenden Neemann (links) und Rolf Zick nun Service Point, che die wöchentli(rechts). che Raue-Kolumne und das Klo wird – Bild: David Mache (Braunschweiger Zeitung) ‚Friedhof der Wörzum Toilet Center. ter‘, die seit dem 17. Oktober 2007 Wir schätzen unsere Sprache gerinbereits über 100mal erschienen ist. ger als das Nobel-Komitee. Deutsch In wenigen Zeilen zeichnet Paul-Jo- ist die Kultursprache der Welt. In sef Raue dort gekonnt Anglizismen, keine andere wurden so viele Werke ‚Denglisch‘ und sonstige auffällige der Weltliteratur übersetzt. Mit Heroder fehlerhafte Benutzung unserer ta Müller erhält auch die deutsche Sprache auf und ‚beerdigt‘ sie dann Sprache den Nobelpreis. Die Geehrjournalistisch. Mit der Verleihung te beginnt ihr Meisterwerk ‚Atemder Ehrenmitgliedschaft danken wir schaukel‘ mit dem Satz ‚Alles, was Paul-Josef Raue für dieses nach- ich habe, trage ich bei mir. ‘ Damit drückliche Eintreten für die deutsche weist sie auch auf die Sprache, in der Sprache.“ sie schreibt. Sie ist unsere Muttersprache. Wir sollten sie achten und Auch an seiner neuen Wirkungsstätte lieben, wie jeder seine Mutter achtet bricht Raue eine Lanze für die deut- und liebt.“ Anzeigen Weltweite Verständigung durch die internationale Sprache Ido Ido, die internationale Plansprache lernen. Die Grammatik an einem Tag. Sprechen in wenigen Monaten und danach erfolgreich auch andere Sprachen erlernen. 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Die Justizressorts von NordrheinWestfalen und Hamburg haben jetzt einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der die Einführung von Kammern für internationale Handelssachen vorsieht, in denen eine vollständige Verfah- rensführung in englischer Sprache vor einem deutschen Gericht möglich ist. Zumindest teilweise verabschiedet man sich damit von Paragraph 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes, der bestimmt: „Die Gerichtssprache ist deutsch.“ Indessen hat die Zukunft schon begonnen. Seit dem 1. Januar dieses Jahres läuft im Oberlandesgerichtsbezirk Köln ein Modellprojekt, wonach die Parteien eines Zivilprozesses unter bestimmten Voraussetzungen in englischer Sprache vor Gericht verhandeln können. Das Ganze läuft unter den Gesichtspunkten der „Effektiven Justizdienstleistungen für den globalen Handel“, des „Justizstandorts Deutschland im globalen Wettbewerb“ und der „Chance für Justiz und Anwaltschaft in Deutschland“ (Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter). Wer bislang zweifelte, ob es notwendig sei, Deutsch im Grundgesetz festzuschreiben, wird spätestens jetzt eine Besseren belehrt. Auf dem Gebiet der Rechtspflege wird durch das genannte Projekt die Sprache als zentrales Element des nationalen Selbstverständnisses und der kulturellen Identität bedenkenlos für die globale Geländegängigkeit des deutschen Rechtswesens und den dadurch angestrebten Profit geopfert. Schon Jean Paul meinte: „Der Deutsche ist gegen keine Sprache so kalt als gegen die eigene, so reiche.“ Aber wenn Deutsch halt so ein „No go“ ist! W Wein predigen, Wasser trinken er Wasser predigt und Wein trinkt, wird nicht zu Unrecht scharf kritisiert oder gar beschimpft, vor allem, wenn er als Politiker eine Vorbildfunktion innehat. Daß aber jemand auch im umgekehrten Fall kritisiert, ja sogar ausgelacht werden kann – also wenn er Wein predigt, aber Wasser trinkt – zeigt der Fall Günther Oettingers, des ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs. Wer am Anfang des Jahres ins Netz ging oder Zeitung las, konnte mit Erstaunen hören oder lesen, daß jener nur ein erbärmliches Englisch spricht, das selbst für englische Muttersprachler schwer verständlich ist. Wir erinnern uns: 2006 forderte Oettinger Englisch als Der kleinste gemeinsame Nenner Sprachkritik aus naturwissenschaftlicher Sicht (2) Von Günter Körner S prache, die elastische Ware der Auswerter von Mitteilungen, ist so weich, daß sie nachgibt bis zur Mehrdeutigkeit. Daher wird sie von ihren Anwendern, die sich Eindeutiges sagen möchten, sinnvoll geregelt. Da bleibt für Wortinhalte nicht der geringste Spielraum, soweit sie in Fachgebieten eingegrenzt werden. Welche Mathematiker würden sich erlauben, etwa das Gleichheitszei- chen als ungefähr pendelnde Waage zu verwenden? Andererseits müssen Fachleute mit Wörtern aus der Umgangssprache arbeiten, wenn sie nicht als binär blinzelnde Zeichengeber enden wollen. So ist beispielsweise das Wort „Bruch“ für zerteilte Ganzzahlen in der Mathematik eindeutig. Ein Bruch beschreibt das Verhältnis von Zähler zu Nenner. Diejenigen, welche ihr Gehirn zum Bruchrechnen benützen, kennen die Eigenheit von Brüchen, die deren Wert im gleichen Maß steigen läßt, wie ihr Nenner schrumpft. Strichrechnungen sind ausschließlich mit Brüchen gleichen Nenners möglich. Ungleichnamige Brüche müssen daher vor dem Zusammenzählen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Dazu sucht sich der Rechnende ein gemeinsames ganzzahliges Vielfaches der vorhandenen Nenner. Die nötigen Faktoren vervielfältigen aber auch die Zähler. Deswegen ist es sinnvoll, das kleinste gemeinsame Vielfache zu wählen. Dieser kleinste gemeinsame Nenner liefert den größten möglichen Wert der „Vereinigungsmenge“ (Menge aller Elemente). Ein Politiker, der nach (warum immer) nächtlicher Debatte etwas vom „kleinsten gemeinsamen Nenner“ in die Mikrofone stottert, meint jedoch das schiere Gegenteil, nämlich die „Schnittmenge“. DSW-Silbenrätsel Ausscheidungsorgane – 21. Gestalt einer Hochschule (Kurzform) – 22. abgehobenes Kriechtier – 23. gestohlenes Gebäude – 24. Kümmernisse sorgsam zusammenlegen – 25. betrügerische männliche Ziege – 26. schwieriger Geländeteil – 27. Weichtier auf Wallfahrt – 28. lyrisches Gebirge in Südamerika – 29. vom Umglück verfolgtes Riechorgan – 30. voll entwickeltes weibliches Kleidungsstück 1. abgefüllt mit Getreideschnaps – 2. Schweinchen am Tresen – 3. Erbinformation eines Sklavenhalters – 4. drehbare Woge – 5. befreundetes Borstentier – 6. hilfreiche Himmelsrichtung – 7. durchsichtiger Behälter für Zeiteinheiten – 8. Halszierde zum Weitwurf – 9. frei gewählte Verletzungen durch Zähne – 10. hypnotisierte Person auf dem Dachboden – 11. Endausscheidung kurzer Noten – 12. ständig klagendes Tuch – 13. bedürftiger Teil des Oberkörpers – 14. Tasteninstrument für Federvieh – 15. verärgertes Fleischgericht – 16. tief liegender Teil eines Textes – 17. ein Denkorgan säubern – 18. Leuchtkörper, der sich täuscht – 19. sehr dunkles Zahlungsmittel – 20. Stellmöbel für ach – arm – bau – bel – bis – blem – bo – bock – bra – brust – cher – den – den – den – den – di – er – fal – fi – flie – flü – form – ge – ge – ge – gel – geld – gen – gen – ger – glas – hirn – hüh – irr – jam – ka – korn – kur – kür – lap – le – le – le – licht – luft – mas – me – me – mer – mu – na – na – ne – ner – ni – nie – pech – pen – pil – prell – pro – ra – raub – reif – ren – ret – rock – sa – san – satz – sau – säu – sche – schel – schlan – schmeiß – schwarz – schwein – se – se – sor – spei – sten – stun – tel – ten – ten – tisch – tungs – u – um – ver – voll – wä – we – wel – zapf – zo Arbeitssprache für alle, ob er Facharbeiter oder Geschäftsführer sei. Demnächst, so versprach er, nachdem von allen Seiten Häme auf ihn niederprasselte, werde er in Brüssel als EU-Energiekommissar Englischunterricht nehmen. Doch wozu das, Herr Oettinger, ist es etwa eine Schande, nicht Englisch zu können? Keineswegs, denn in Brüssel gibt es genug Dolmetscher, die gute Arbeit leisten. Vor allem sollte niemand Opfer derjenigen werden, die nach dem folgendem Leitsatz angloamerikanischer Marktstrategen leben: „Zwinge den Partner, deine Sprache zu lernen, das kostet ihn Zeit und Energie, und du wirst ihm überlegen sein, weil du deine Sprache immer besser sprechen wirst als er.“ Da wäre es doch besser, Deutsch zu lernen, denn wie heißt doch der Wahlspruch BadenWürttembergs: „Wir können alles, außer Hochdeutsch“. Auf den Zusatz „and Englisch can we also not“ sollte daher verzichtet werden, meint Ihr Anglizismenmuffel Wolfgang Hildebrandt Wolfgang Hildebrandt, Mal ganz ehrlich – Gedanken eines Anglizismenmuffels über Überflüssiges im Überfluß, ISBN 978-3-929744-33-0, 6,00 Euro (einschließlich Portokosten innerhalb Deutschlands). Bestellungen: Wolfgang Hildebrandt, Am Steingrab 20a, D-27628 Lehnstedt, Telefon +49(0)4746-1069, Telefax +49-(0)4746931432, [email protected] Von Dagmar Schmauks Lösungen: 1. Vollkorn – 2. Zapfsäule – 3. Massagen – 4. Kurbelwelle – 5. Kameradenschwein – 6. Rettungswesten – 7. Stundenglas – 8. Schmeißfliege – 9. Kürbisse – 10. Speichermedium – 11. Achtelfinale – 12. Jammerlappen – 13. Armbrust – 14. Hühnerflügel – 15. Sauerbraten – 16. Bodensatz – 17. Gehirnwäsche – 18. Irrlicht – 19. Schwarzgeld – 20. Nierentisch – 21. Uniform – 22. Luftschlange – 23. Raubbau – 24. Sorgenfalten – 25. Prellbock – 26. Problemzone – 27. Pilgermuschel – 28. versanden – 29. Pechnase – 30. Reifrock Prof. Dr. Dagmar Schmauks ist in der Arbeitsstelle für Semiotik an der Technischen Universität Berlin tätig. Semiotik ist die Wissenschaft von den Zeichen. Einladung zum Vierten Köthener Sprachtag Am 20. und 21. August 2010 in Köthen/Anhalt, ausgerichtet von der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft Bitte deutlich schreiben! n Anmeldung Ich nehme am Vierten Köthener Sprachtag (20. und 21. August 2010) teil und bringe ________ Personen mit. Bitte senden Sie mir die Tagungsunterlagen (endgültiges Programm, Hotelliste) zu. ___________________________________________________________ Name, Vorname _________________________________________________________________________________________ Straße _________________________________________________________________________________________ Postleitzahl und Ort _________________________________________________________________________________________ Elektronische Post _________________________________________________________________________________________ Datum und Unterschrift Schicken Sie die ausgefüllte Anmeldung bitte bis spätestens zum 31. Juli 2010 an: Neue Fruchtbringende Gesellschaft zu Köthen/Anhalt e. V., Schloßplatz 5, D-06366 Köthen/Anhalt, Telefon und Telefax +49-(0)3496-405740, [email protected] E inmal im Jahr treffen sich Sprachfreunde und Sprachvereine im anhaltischen Köthen zum Sprachtag. 2010 findet das Treffen am 20. und 21. August statt. Während am Freitag der Blick auf die Sprachgeschichte gerichtet ist, stehen am Samstag Fragen der Gegenwart im Mittelpunkt des Vierten Köthener Sprachtags. Mehrere Vorträge setzen sich mit mehrsprachiger Erziehung auseinander. Tagungsort ist der Anna-Magdalena-Bach-Saal im Veranstaltungszentrum des Köthener Schlosses, Schloßplatz 4, D-06366 Köthen/Anhalt. Der Eintritt zu den Vorträgen und Diskussionen ist frei. Tagungsteilnehmer erhalten einen ermäßigten Eintritt für die Vorstellung am Freitagabend. Das Programm enthält zum Beispiel folgende Beiträge: Freitag, 20. August Begrüßung durch den Oberbürgermeister der Stadt Köthen, KurtJürgen Zander – Einführungsworte der Vorsitzenden der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft, Prof. Dr. Uta Seewald-Heeg – Dr. Brigitte Bulitta, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Arbeitsstellenleiterin des Althochdeutschen Wörterbuchs: „Althochdeutsches Wörterbuch“ – Julia Schinköthe, Leipzig: „Philipp von Zesen“ – Kabarettabend mit Bernd-Lutz Lange und Rainer Vothel am Klavier im Spiegelsaal des Köthener Schlosses. Samstag, 21. August Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Dessau-Roßlau, Klemens Koschig – Ludmila Budar, Vorsitzende des Sorbischen Schulvereins, Bautzen: „Untersuchungsergebnisse zum bilingualen Spracherwerb von Kindern in der sorbischen Lausitz“ – Dr. Stephan Elbern, Bad Frankenhausen: „Zweisprachige Erziehung“ – Dr. Georg Brankatschk, RuprechtKarls-Universität Heidelberg, Institut für Physiologie und Pathophysiologie: „Erkenntnisse aus der Hirnforschung über das Lernen“ – N. N.: „Frühenglisch“ – Margund Hinz, Sonderschullehrerin für Sprachförderung, Berlin: „Die preußischen Kleinkinderschulen“. Das endgültige Tagungsprogramm wird sowohl auf www.fruchtbringendegesellschaft.de veröffentlicht als auch nach der Anmeldung zugeschickt.