Die Superlative sind schon strapaziert. Doch was soll man
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Die Superlative sind schon strapaziert. Doch was soll man
CHRISTOPHORUS | 360 HE FOTO SC le it K LIN An THE WINNER TAKES IT ALL 911-MOTORSPORT 0 911-MOTORSPORT POR CHRISTOPHORUS | 360 ung S ei te 1 Die Superlative sind schon strapaziert. Doch was soll man tun? Der Elfer ist nun einmal das erfolgreichste Rennfahrzeug der vergangenen fünf Jahrzehnte. Zum Jubiläum versammeln sich 13 herausragende Vertreter in der Tiefgarage des Porsche-Museums. Text Eva-Maria Burkhardt Fotografie Steffen Jahn 58 Targa-Florio-Sieger 911 Carrera RSR (links), Werksfahrer Marc Lieb am CupElfer (997) 59 CHRISTOPHORUS | 360 911-MOTORSPORT Porsche 935 „Baby“: 279 kW (380 PS) aus lediglich 1,4 Liter Hubraum reichen für 270 km/h F ünfzig Jahre Motorsport mit dem Elfer bedeuten fünf Jahrzehnte, in denen die drei Ziffern 911 zur magischen Glückszahl werden. Zum Synonym von Siegen, Titeln und Trophäen, wo immer sich ein Elfer dem Wettbewerb stellt: auf der Straße, der Rennstrecke oder der Rallyepiste. Zum Jubiläum begegnet der Elfer seiner eigenen glorreichen Motorsportgeschichte. Am Porscheplatz. In der Tiefgarage des Porsche-Museums. Der Älteste der wilden 13 zoomt die 70er Jahre ins Blickfeld und ein Rennen, das den Ansturm der Moderne nicht überlebt hat und schon lange nur noch als Mythos existiert: die Targa Florio, 72 Kilometer in engen Schleifen durch das Hinterland Siziliens. „Flirrende Hitze hier unten“, notiert ein Zeitzeuge. „Schemen erheben sich plötzlich vom Asphalt. Die Augen, gemartert durch die ver- 60 911-MOTORSPORT CHRISTOPHORUS | 360 911 SC „Safari“ von 1978 (hinten) und der Paris-Dakar-Sieger aus dem Jahr 1984: 911 Carrera 4x4 meintliche Unschärfe der an das Gehirn übertragenen Bilder, tränen und brennen.“ Das Bild von der Zieleinfahrt des Porsche 911 Carrera RSR im Jahr 1973 hält die fiebrige Begeisterung der Tifosi für die Ewigkeit fest. Sie drücken, drängeln und recken die Hälse. Zwischen den Rennfahrzeugen und den Fußspitzen der Mutigsten liegt keine Handbreit. Marc Lieb ist damals noch nicht auf der Welt. Versonnen betrachtet er beim Jubilar-Treffen das 40 Jahre alte Fahrzeug. Mit sechs Meistertiteln und zehn Siegen bei 24-Stunden-Rennen hat der Porsche-Werksfahrer selbst ein Kapitel der Elfer-Erfolgsgeschichte geschrieben. „Den RSR in Martini-Farben wäre ich gerne gefahren“, sagt der 32-Jährige. Sizilien wird mit elf Gesamtsiegen in 17 Jahren PorscheLand. 1973 ist es der 911 Carrera RSR, der die italienische Konkurrenz düpiert. Er leitet den Einstieg in den GT-Sport ein – eine neue Ära im Kundensport. Sein Sechszylinder-Boxer-Motor leistet 243 kW (330 PS). Porsche feiert mit ihm Gesamtsiege bei den Langstreckenklassikern in Daytona und Sebring. Mit dem Sieg 1973 geht auch die große Zeit der Targa Florio zu Ende. Sie zieren auch jenen Elfer, der 1978 zur Safari-Rallye antritt: Mit 28 Zentimeter Bodenfreiheit ist der hochbeinige 911 SC „Safari“ das glatte Gegenteil seiner Rundstreckenbrüder, die sich in ihrer Gier nach Abtrieb an den Asphalt zu schmiegen scheinen. Sein martialischer Frontschutz verleiht ihm einen kräftigen Schuss Aggressivität. Die 5000-Kilometer-Hatz durch Kenia gilt als eine der härtesten Durchhalteprüfungen. Und die Siegestrophäe fehlt in Porsches Sammlung. In Björn Waldegaard engagiert man den perfekten Piloten, der auch der Sintflut über Kenia in jenem Jahr trotzt. Der Schwede hat bereits einen Vorsprung von 46 Minuten, als er Kurs auf die Taita Hills nimmt. Der Journalist Herbert Völker schreibt: „Sie türmen sich hoch, als hätte der Teufel eine Festung gebaut.“ Dort, in den Bergen des Bösen, zerbricht an einem im Schlamm verborgenen Felsbrocken die Hinterachsschwinge des Waldegaard-Elfers. Die kenianische Besatzung im zweiten 911 kommt auf Platz zwei nach Nairobi. Das ist kein Trost. Ohne Sieg bleibt das Kapitel Safari-Rallye unvollendet. Danach hält man sich von den Unwägbarkeiten der Offroad-Pisten erst einmal fern, bis Sportwagen-Star Jacky Ickx bei Technik-Vorstand Helmuth Bott Gehör findet. 61 CHRISTOPHORUS | 360 911-MOTORSPORT 911-MOTORSPORT CHRISTOPHORUS | 360 Le-Mans-Triumphator 911 GT1, Gewinner der Markenweltmeisterschaft 1977: Porsche 935/77 Daraufhin werden drei Carrera 4x4 für die Rallye Paris– Dakar gebaut. Noch heute hängt ein leichter Duft von Benzin und Staub im Cockpit des ersten Allrad-Elfers. Vom Fahrersitz aus geht der Blick über vier gigantische Zusatzscheinwerfer, mit denen in Afrika 1984 die Nacht zum Tag gemacht wird. Diesmal gelingt die Operation. Der Sieg im Allrad-911 geht an den Wüstenspezialisten René Metge. Porsche agiert zu dieser Zeit in Parallelwelten. Der Kampf gegen die Naturgewalten bleibt aber letztlich ein Abenteuer, eine Art Fremdgehen, das nach dem Dakar-Doppelsieg des avantgardistischen 959 im Jahr 1986 eingestellt wird. 62 Porsches Terrain ist und bleibt der Wettbewerb auf fest gefügten Asphaltbändern. Eine der Lichtgestalten aus dieser Gattung ist der Porsche 935. Er ist der Star der Jahre 1976 bis 1982, ein in die Breite gewachsener Elfer mit extrem flacher Frontpartie, mächtigem Flügelwerk und der Taille eines Supermodels. Zudem ein Leichtgewicht, das nur mit dem Einsatz von Bleiplatten das Mindestgewicht von 970 Kilogramm erreicht. Die Version 935/77 kommt bei einem Hubraum von 2857 cm 3 auf eine Leistung von 463 kW (630 PS). 1977 gewinnen Jochen Mass und Jacky Ickx damit das SechsStunden-Rennen in Silverstone. Die LangstreckenRennen der Markenweltmeisterschaft bleiben durch weitere Siege, darunter auch in Watkins Glen und Brands Hatch, fest in Porsche-Hand. In der liebevoll „Moby Dick“ genannten, stärksten Version des 935 leistet das Sechszylinder-TurboTriebwerk 621 kW (845 PS). Doch Porsche kann auch kleine Klassen: Der schwächste Ableger hört auf den Na- men 935 „Baby“ und man geht nicht lange damit schwanger. Nach einer Entwicklungszeit von gerade einmal drei Monaten steht er auch schon am Start der Deutschen Rennsportmeisterschaft. Mit dem auf 1425 cm 3 reduzierten Hubraum leistet er beachtliche 279 kW (380 PS). Optisch unterscheidet sich der 935 „Baby“ vom „Dicken“ durch sein deutlich kürzeres Heck. Und auch der Kleine trägt die Anlagen des Seriensiegers in sich. Um die Elfer-Gene des Porsche 911 GT1 zu dechiffrieren, braucht es einen Trick: Man muss die Augen ein 63 CHRISTOPHORUS | 360 911-MOTORSPORT 911-MOTORSPORT bisschen zusammenkneifen. Er beschert Porsche zum 50. Geburtstag der Firma 1998 den 16. Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Kein anderer Automobilhersteller kann den Langstreckenklassiker so häufig gewinnen. Der 911 GT1 ist die extremste Interpretation des Themas Elfer und der erste komplette Kohlefaser-Rennwagen von Porsche. Die Bodenfreiheit geht gegen null. Seine Silhouette ist lang gestreckt, nur der Hintern entspricht wegen seiner reglementgerechten Breite nicht ganz dem Schönheitsideal. Auch im Cockpit funkelt Kohlefaser. Die Türen sind so leicht, dass man sie mit dem kleinen Finger öffnen kann. Wieder steht eine Zeitenwende an: Nach dem Doppelsieg in Le Mans ist dort vorerst Schluss mit Werkssport. Zu dieser Zeit läuft das Geschäft mit den Porsche-Markenpokalen schon lange prächtig. Das erste Rennen des Porsche Carrera Cup 1990 in Zolder ist der Start eines Dauerbrenners, der auf der ganzen Welt zündet und in Der erste CupPorsche basiert auf dem 964 (hinten), der Nachfolger stammt vom 993 ab Top-Modell des Kundensports: 911 GT3 RSR von 2005 (rechts) und 2011 64 CHRISTOPHORUS | 360 19 Markenpokale mündet. Seit 1998 basiert das Supercup-Fahrzeug auf dem 911 GT3 und heißt daher 911 GT3 Cup. Allein seither hat Porsche die stolze Zahl von 2395 Cup-Rennfahrzeugen gebaut. Und die nächste Generation steht in den Startlöchern. 2013 wird der Neue auf Basis des 991 im internationalen Porsche Mobil 1 Supercup reüssieren – zunächst exklusiv. Vor 400 Gästen weckt der neue Cup-Elfer bei seiner Weltpremiere Anfang Dezember in Weissach Begehrlichkeiten. In der ersten Supercup-Saison 1993 bestreitet auch Walter Röhrl ein Cup-Rennen. Das Fahrzeug stammt vom 964 ab – und es sieht auch genauso aus. Nur der Innenraum wird vom Ballast befreit, Sicherheitskäfig, Schalensitz und Sechspunktgurte installiert. „Das Rennauto hatte gerade 265 PS“, sagt Röhrl kopfschüttelnd. „So sind wir damals Rennen gefahren. Unglaublich.“ CHRISTOPHORUS | 360 911-MOTORSPORT Visionär: Der 911 GT3 R Hybrid gewinnt Langstreckenrennen in der Eifel Beim Treffen der Motorsport-Elfer sind auch zwei besonders ambitionierte Exemplare der Neuzeit dabei. Der 911 GT3 RSR auf 996-Basis fährt von 2004 bis 2006 von Sieg zu Sieg, der Nachfolger (Baureihe 997) übernimmt das Zepter 2007. „Beide Autos waren das Maß der Dinge in der GT-Klasse“, sagt Marc Lieb. „Sehr schnell, zuverlässig, spritsparend.“ Beim GT3 RSR jüngeren Datums sind Seiten- und Heckscheibe, Türen und Motorhaube aus Kunststoff. Der Hebel für die sequenzielle Schaltung ragt aus der Kulisse, die zeitlos schönen Rundinstrumente ersetzt ein cooles Display. „Das Auto wurde technisch absolut ausgereizt.“ Herausragend ist die Saison 2011. Porsche gewinnt alles, was es im GT-Sport mit dem RSR zu gewinnen gibt. Schon der 98. Klassensieg in Le Mans 2010 ist ein 24-Stunden-Marathon wie aus dem Lehrbuch. „Wir haben nur Reifen gewechselt, Öl nachgefüllt und getankt“, sagt Lieb. Auf seiner persönlichen Gefühlsskala wiegt aber sein vierter Gesamtsieg bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring im Jahr darauf mehr: „Wir konnten mit dem Manthey-Team mit relativ geringem Aufwand gegen Werksteams bestehen.“ 66 Cup-Zukunft: der neue 911 GT3 Cup, 2013 zunächst exklusiv im Supercup Dabei hätte ihm um ein Haar ein anderer Porsche den Triumph entrissen: der 911 GT3 R Hybrid. Er transformiert mit seiner Technik die Zukunft in die Gegenwart. Am Ende fehlen eine Stunde und 45 Minuten zur Sensation – dem Sieg des Hybrid-Elfers beim 24-StundenKlassiker auf der Nordschleife. Wegen eines Defekts fällt der weiß-orangefarbene 911 GT3 R Hybrid nach 22 Stunden und 15 Minuten – in Führung liegend – aus. Ein paar Wochen zuvor wird an gleicher Stelle sein Sieg beim vierten Lauf zur Langstreckenmeisterschaft bejubelt. Der Hybrid-Elfer braucht einen Tankstopp weniger als die Konkurrenz. Im Herbst gelingt dem Fahrzeug noch einmal eine eindrucksvolle Demonstration seines Könnens. Beim achten Lauf der American Le Mans Series in Laguna Seca fährt der Hybrid-Elfer außerhalb der Wertung als Erster der GT-Klasse über die Ziellinie. Mit dem Ablauf der Saison 2012 hat sich auch der Lebenszyklus des aktuellen 911 GT3 RSR seinem Ende zugeneigt. Sein Nachfolger auf Basis des neuen 911 debütiert 2013 in der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Er soll ein neues Kapitel der Elfer-Historie schreiben. Es geht um nichts weniger als den Start in die nächsten fünf Jahrzehnte.