neuköllner wirtschaft - Fachgebiet Stadt

Transcrição

neuköllner wirtschaft - Fachgebiet Stadt
NEUKÖLLNER
WIRTSCHAFT
ENDBERICHT
NEUKÖLLNER
WIRTSCHAFT
ENDBERICHT
NEUköllner Wirtschaft
C
B
A
ENDBERICHT
Grundlagenwissen Gentrifizierung
10
I
Eine Annäherung: Definiton – Dimensionen – Deutungsmuster
10
II
Die Funktionale Dimension der Gentrifizierung
29
C
Exkursion nach Kraków
38
PROJEKTLEITUNG
Susanne David
Pia Kaiser
D
Rückblende und Positionierung
40
PROJEKTTEILNEHMER*INNEN
Aline Fraikin
Robin Hüppe
Nora König
Moritz Müller-Markmann
Miriam Schmid
Philip Stephan
Rolf Trott
Johannes Tobias Habermann
Nico Januszewski
Julia Lieberwirth
Phillip Nitsch
Theresia Maria Schmidt
Ella-Paulina Stöcker Sanjin Zamola
E
Der Reuterkiez – Grundlagen zum Quartier
44
I
Gewerbe
44
II
Sozioökonomisches Profil
52
III
Das Image des Reuterkiezes und Neuköllns
60
REDAKTIONELLE
BEARBEITUNG
Nico Januszewski
Johannes Tobias Habermann
Nora König
Phillip Nitsch
F
Kartierung der Wirtschaftseinheiten im Reuterkiez
74
G
Befragung der zugezogenen Unternehmen im Reuterkiez
84
GESTALTUNG UND LAYOUT
Sanjin Zamola
Philip Stephan
H
Fazit 94
BILDRECHTE
Die Rechte aller Abbildungen ohne Quellenangabe liegen bei der Redaktion.
Alle Rechte vorbehalten. ©2013-2014
I
Lessons Learned
96
Anhang
99
I
NEUköllner Wirtschaft – Wirtschaftlicher Wandel als Begleiterscheinung von Gentrifizierung in Nordneukölln?
Bachelor-Studienprojekt im Wintersemester 2013/14 und Sommersemester 2014
Fachgebiet Stadt- und Regionalökonomie
Institut für Stadt- und Regionalplanung
Technische Universität Berlin
E
B
F
Einleitung6
G
A
H
IMPRESSUM
D
INHALTSVERZEICHNIS
VERWENDUNG VON GENDERSENSIBLER SPRACHE
Dieser Endbericht ist ein Sammelwerk aus den Texten, die die Projekteilnehmerinnen und-teilnehmer innerhalb der o.g.
zwei Semester geschrieben haben. Daher kann es zu unterschiedlicher Anwendung gendersensibler Sprache kommen.
Wir bitten, dies zu entschuldigen und weisen daraufhin, dass wir in den Textinhalten jederzeit die unterschiedlichen Geschlechter berücksichtigen, auch wenn die Texte diesbezüglich eine Einheitlichke vermissen lassen.
A
Einleitung
A
»Es gibt heute kaum
eine grössere deutsche
Stadt, die nicht ihre
Gentrifizierungsdebatte
hat oder hatte.«
Der Begriff Gentrifizierung ist seit einigen Jahren omnipräsent. Er findet sich in der Stadtforschung, den wohnungspolitischen Debatten in den Parlamenten, den Schlagzeilen der
Feuilletons ebenso wie in den Flugblättern und Plakaten von Stadtteilinitiativen, im akademischen Seminar oder am Stammtisch. Es gibt heute kaum eine größere deutsche Stadt
die nicht ihre Gentrifizierungsdebatte hat oder hatte. Dies alleine ist schon bemerkenswert für eine akademische Fachvokabel mit der vor 50 Jahren erstmals ein städtischer
Umstrukturierungsprozess im Londoner Stadtteil Islington beschrieben wurde. Besonders
überraschend ist jedoch, dass diese Modevokabel bis heute einer allgemein anerkannten Definition entbehrt. Verschiedene sozialwissenschaftlichen Aussagen darüber, was
Gentrifizierung im Kern ausmacht, wodurch solche Prozesse ausgelöst werden und wie
sie verlaufen, werden nicht nur nicht in gegenseitige Ergänzung gebracht, sondern widersprechen sich mitunter auch. Und was sich für die Forschung feststellen lässt, gilt für
die öffentliche Debatte, die durch diese begriffliche Unschärfe erschwert wird, noch viel
mehr. Dies bringt mit sich, dass sich fast jede eingenommene Position – von der, dass Gentrifizierung eine prägende Rahmenbedingung heutiger Städte ist, bis zum notorischen
Leugnen einer sozialen Relevanz – diese mit guten Argumenten zu verteidigen weiß. Nicht
zuletzt führt die inflationäre Verwendung des Begriffs auch zu einem gewissen Überdruss,
zu einem Gefühl, es doch irgendwie nicht mehr hören zu können und zu wollen.
Davon überzeugt, es trotz alledem mit einem der spannendsten, komplexesten und kontroversesten sozialen Phänomenen zu tun zu haben, hat sich das Studienprojekt NEUköllner Wirtschaft – Wirtschaftlicher Strukturwandel als Begleiterscheinung von Gentrifizierung in Nordneukölln? im Studienjahr 2013/14 der Thematik angenommen. Räumlicher
Fokus ist mit dem Reuterquartier ein Gebiet, das sich seit einiger Zeit im Mittelpunkt einer
empört geführten Debatte befindet. Der Schwerpunkt des Interesses liegt dabei auf der
funktionalen Dimension von Gentrifizierung – den quantitativen und qualitativen Veränderungen im Geschäfts- und Dienstleistungsangebot.
7
Forschungsfrage
Der Begriff „Gentrifizierung“ ist seit einigen Jahren omDieser Bericht dokumentiert den ersten, theoretischen
zialforschung« erscheinen als eigenständige Textblöcke
nipräsent. Es gibt heute kaum eine größere deutsche
GRUNDLAGENWISSEN
Teil der Forschungsarbeit des Projektes im Wintersein dem Zwischenbericht
und weisen ihre eigeneGENTRIFIZIERUNG
GliedeStadt, die nicht ihre Gentrifizierungsdebatte hat oder
AGI: Gentrifizierung
AGII: funktionale
mester, bevor
im Sommersemester
die Feldphase Aussarung und Literaturverzeichnisse
auf.
hatte. sich
Verschiedene
sozialwissenschaftlichen
Dimension
anschließt.
Grundverständnis
von Gentrifizierung
genEin
darüber,
was Gentrifizierung
im Kern ausmacht,
zu gewinnen
ist dabei
das Prozesse
Ziel der Kapitel
B I: »Gentrifiverschiebt sich das Forschungsinteresse vom
wodurch
solche
ausgelöst
werden und Danach
wie
Definition
verlaufen,
werden
nicht nur Dimensionen,
nicht in gegenseitige
zierung –sie
Eine
Annäherung.
Definitionen,
Gegenstand selbst zu den
Mitteln, die zu seiner ErforDefinition
&
Merkmale
der
Ergänzung
gebracht,
sondern
MerkmaleDas gewonnene MeDeutungsmuster«
und
B II: »Die
Akteurewidersprechen
einer Gentrifi- sich mitschung zur Verfügung stehen.
funktionalen
auch.
was sich
die Forschung
feststellen
& Dimesionen
zierung«.unter
Neben
der Und
Diskussion
vonfür
gängigen
Definitiothodenwissen bildet eine
wichtige Grundlage für dieDimesionen
lässt, gilt für die öffentliche Debatte, die durch diese
Musterverlauf
nen widmet sich das erstgenannte den verschiedenen
selbstständige Forschungsarbeit zur Thematik. Weitepositive & negative
begriffliche Unschärfe erschwert wird, noch viel mehr.
Erklärungsansätze
Dimensionen
in
denen
sich
Gentrifizierung
artikuliert,
re
wichtige
Zäsuren
der
Projektarbeit
sind
die
FormuEffekte
Nicht zuletzt führt die inflationäre Verwendung des Beder Frage,
wasauch
solchezuEntwicklungen
auslöst,
diskutiertzu einem
lierung einer übergeordneten Fragestellung und eines
griffs
einem gewissen
Überdruss,
den kontroversen
undhören
widmet
(→Kapitel AG
D). Die
Gefühl, esVerdrängungsbegriff
irgendwie nicht mehr
zu sich
können. entsprechenden Forschungsdesigns
AG III: Akteure der
IV: Methoden der
einigen prominenten Fallbeispielen. Das sich anschlieAusdifferenzierung derGentrifizierung
Forschungsfrage in vier kleineMessbarmachung
Davonbeleuchtet
überzeugt,die
esRolle
trotz einiger
alledemAkteure,
mit einem
ßende Kapitel
ihreder spanre Themenkomplexe und die Aufteilung des Projekts in
nendsten,
komplexesten und
und kontroversesten
Positionen,
Handlungsspielräume
die Beziehungen sozialen
vier entsprechend spezialisierte Arbeitsgruppen bildet
Phänomenen zu tun zu haben, hat sich das StudienPositionen
zwischen diesen Akteuren näher und nimmt sich zudem
dann schon die Brücke zur
empirischen Feldforschung
Möglichkeiten und
projekt im Studienjahr 2013/14 der Thematik ange&
der Frage von Good Practices im Zusammenhang mit
im Sommersemester. Zum Abschluss
dieses BerichtsGrenzen
soll der empririnommen. Räumlicher Fokus ist mit dem Reuterkiez
Handlungsspielräume
Gentrifizierung
an.
Zwei
Gespräche
mit
Experten
(→11
die
Projektarbeit
noch
einmal
prägnant
resümiert
werschen
Betrachtung
ein Gebiet, das sich seit einiger Zeit im Mittelpunkt eiGood Practices
Andrej Holm)
rundengeführten
diese Themen
ab.befindet.
Sowohl die geden: Was waren die zentralen Erkenntnisse? Was war in
ner empört
Debatte
nannten Kapitel, als auch die ExpertInnen widerspiegeln
besonderem Maße kontrovers? Was kam thematisch zu
Schwerpunkt
des
Interesses liegt
dabei auf kurz
der oder blieb ganz offen? Und ganz zuletzt gilt es nain ihren Der
Positionen
durchaus
verschiedene
Interpretafunktionalen
Dimension von Gentrifizierung
– den quantionsschemen
und Forschungsansätze
von Gentrifizietürlich einen kleinen Rückblick auf die Forschungsarbeit
titativen
und
qualitativen
Veränderungen
im
Geschäftsrung.
im Sommer zu werfen.
»Inwieweit unterliegt die Gewerbestrukur des Reuund Dienstleistungsangebot.
Das Kapitel B III: »Die funktionale Dimension der Gentrifizierung« widmet sich im Anschluss jenen Veränderungen im lokalen Gewerbe, die als besonders sichtbarer Aspekt mal als Ausdruck, Motor oder Ergebnis des
Gentrifizierungsprozess interpretiert werden. Nach einer Definition und Abgrenzung des Begriffs werden hier
typische Branchen und Musterverläufe analysiert sowie
Effekte positiver wie negativer Natur und typische Gewinner und Verlierer diskutiert. Ein schon zum Anfang
des Semesters durchgeführter Kiezspaziergang (→29
Clemens Mücke) komplettiert die erste Annäherung an
das Kernthema des Projekts. Zentrales Produkt dieser
Projektphase ist die Aufstellung einer Definition von
funktionaler Gentrifizierung (→ Kapitel C) als Grundlage
der späteren Forschungsarbeit.
Exkursion
Die vier großen Themenkomplexe »Eine Annäherung:
2014 fand–die
Exkursion nach »Die
Krakau
DefinitonIm– Mai
Dimensionen
Deutungsmuster«,
Ak-statt. Die
Gruppe wollte untersuchen, wie die Stadt mit Verändeteure einer Gentrifizierung«, »Die Funktionale Dimensirungs- und auch eventuellen Verdrängungsprozessen
on der Gentrifizierung« und die »Methoden in der So-
8
in den letzten Jahren umgegangen ist und auch immer
noch umgeht. Besonderes Augenmerk legten wir dabei auf die Viertel Kazimierz (ehem. jüdisches Viertel),
Nowa Huta (Arbeiterstadt mit Stahlwerk) und Podgórze (ehem. jüdisches Ghetto/Industriegebiet).
Projektverlauf
Projektverlauf
Befragung
Relevanz
der Standortfaktoren
Relevanz der
Standortfaktoren
2014 2014
Angenehme Kiezatmosphäre
Oktober 2013
Gewerbemiete
A
Das Projekt
WIRTSCHAFT
Möglichkeiten zur eigenen (Um)Gestaltung der Räumlichkeiten
Theoretische Phase
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
Gute ÖPNV Erreichbarkeit
Angesagter Standort
Relevanz
der Standortfaktoren 2014
Ortsbegehnung mit Clemens Mücke
(Wirtschaftsförderung Neukölln)
Nähe zum Wohnort des Inhabers
Angenehme Kiezatmosphäre
Relevanz der Standortfaktoren
2014
Gutes Freizeit- und Kulturangebot
Gewerbemiete
Gutes Gastronomieangebot
Angenehme Kiezatmosphäre
Möglichkeiten zur eigenen (Um)Gestaltung der Räumlichkeiten
Theoretische Grundlagen
Relevanz der Standortfaktoren 2014
Angenehme Kiezatmosphäre
Ansprechende Architektur
Gewerbemiete
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
Möglichkeiten zur eigenen (Um)Gestaltung der Räumlichkeiten
Erarbeitung in Kleingruppen
Gute Pkw Erreichbarkeit
Gute ÖPNV Erreichbarkeit
Gewerbemiete
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
Tipp von Freunden und Bekannten
Angesagter Standort
Möglichkeiten zur eigenen (Um)Gestaltung der Räumlichkeiten
Nähe zu Kooperationspartnern
Gute ÖPNV Erreichbarkeit
Nähe zum Wohnort des Inhabers
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
Gutes Förderangebot vor Ort
Angesagter Standort
Gutes Freizeit- und Kulturangebot
Gute ÖPNV Erreichbarkeit
Nähe zum Wohnort des Inhabers
0%
Gutes Gastronomieangebot
Angesagter Standort
Gutes Freizeit- und Kulturangebot
Ansprechende Architektur
Nähe zum Wohnort des Inhabers
Gutes Gastronomieangebot
Gute Pkw Erreichbarkeit
Gutes Freizeit- und Kulturangebot
Ansprechende Architektur
Tipp von Freunden und Bekannten
Gutes Gastronomieangebot
Gute Pkw Erreichbarkeit
Nähe zu Kooperationspartnern
Ansprechende Architektur
Tipp von Freunden und Bekannten
Gutes Förderangebot vor Ort
Gute Pkw Erreichbarkeit
Nähe zu Kooperationspartnern
Input Andrej Holm (HU Berlin)
Input Sigmar Gude (TOPOS)
sehr wichtig
40%
wichtig60%
20%
sehr wichtig
weniger wich
wichtig
unwichtig
wenigerder
wichtig
Gewichtung der Relevanz
14 k.A.
angegebe
unwichtig
ortfaktoren von ‚sehr wichtig‘ bis ‚unwichtig
k.A.
gender Anordnung
Januar 2014
Forschungsfrage
0%
Tipp von Freunden und Bekannten
Erarbeitung im Plenum
Gutes Förderangebot vor Ort
Nähe zu Kooperationspartnern
0%
Gutes Förderangebot vor Ort
Zwischenbericht
0%
20%
40%
20%
40%
60%
80%
20%
60%
40%
80%
60%
80%
100%
100%
terkiezes einem imagebedingten Wandel?«
Exkursion Krakau
»Welche
Rolle spielt
‚Image‘ in der
Standortentscheidung
zuziehender Unternehmen im Reuterkiez?«
AG I:
sozioökono- AG II:
misches Gewerbe
Profil
»In welchem Umfang
hat sich die Gewerbestruktur im Reuterkiez in den letzten
10 Jahren verändert?«
AG
IV:
AG III:
StandortentImage
scheidungen
Theoretische Grundlagen
Erarbeitung in Kleingruppen
Vorbereitung der Erhebung
Kartierung
Erarbeitung in Kleingruppen
Befragung
Erarbeitung in Kleingruppen
Auswertung
Beantwortung der Forschungsfrage
Juli 2014
KARTIERUNG
BEFRAGUNG
Schlagworte zur Einzigartigkeit des Reuterk
gen der befragten UnternehmerInnen mit G
der Häufigkeit durch die Schriftgröße
Beantworung der Forschungsfrage
»In welchem Umfang
hat sich die Gewerbestruktur im Reuterkiez in den letzten
10 Jahren verändert?«
Die Gewerbestruktur unterliegt einer immensen
quantitativen Veränderung – die Zahl der Wirtschaftseinheiten hat sich
»Welc
Rolle s
‚Image‘ i
Standortents
zuziehende
nehmen im
terkiez
Da es sich b
zatmosphäre
imageaffinen
9
faktor handelt,
das Image ei
B
I »Eine Annäherung: Definition – Dimensionen – Deutungsmuster«
BI
»Im Stadtgebiet manifestieren sich die Auswirkungen der voranschreitenden Gentrifizierung
oft auf unterschiedliche
Weise...«
Andrej Holm
In der Projektsitzung vom 26.11.13 wurde das Projekt vom
Soziologen Andrej Holm besucht. Nach einer kurzen gegenseitigen Vorstellung nahm der Soziologe unmittelbar Bezug
auf seinen Werdegang, bei dem die ersten Sozialstrukturstudien im Prenzlauer Berg, an denen er in der Folge seine Dip- Abb. 1: Andrej Holm
lomarbeit teilnahm, besonders relevant für die Projektarbeit schienen. Ebenso informativ
war auch die Vorstellung eines seiner aktuelleren Projekte namens GentriMap bei dem er
sich an der Visualisierung der Gentrifizierung in Berlin versuchte. Es handelte sich darin
weiterhin um rein soziodemographische Analysen partieller Wohngebiete, die genauere
Untersuchungen in diesen Gebieten ermöglichen sollte.
Im Zusammenhang im dem Forschungsziel des Projektes empfahl Holm die Benutzung
Google-StreetViews, da dort eingestellte Aufnahmen zu größten Teilen aus dem Jahr
03/04 stammten und das entsprechende Gewerbe auf diese Bildern noch zu sehen sei.
Außerdem vertritt Andrej Holm die These, dass quartiersbezogene Gentrifizierung heute wissenschaftlich nicht mehr zu fassen sei, da sehr weitreichende Teile der Innenstadt
betroffen seien und das Phänomen nicht mehr punktuell auszumachen sein soll. Stadtforscher untersuchten ferner die Gentrifizierung in Gebieten in denen sie zukünftig zu
vermuten sei um erfolgreiche Forschungsergebnisse erreichen zu können.
Auf die Frage, ob es fachübergreifenden Konsens zu akzeptierten Verdrängungsindikatoren gebe traf Holm die Aussage, der Begriff »Gentrification« sei in der Forschung zumeist
ein negativ konnotierter Begriff (»dirty word«) und dass es bis auf die Verdrängung durch
erzwungenen Umzug keinen übergreifenden Konsens gebe. Weiterhin entgegnete er auf
die Frage nach der spät in Kraft getretenen Erhaltungssatzung im Prenzlauer Berg mit der
Verweisung auf fehlende Gelder der Berliner Stadtplanungsämter und der Weigerung des
Senats, diese mit mehr Kapital auszustatten.
Im Folgenden wurde die Strategie Mietpreisbindung diskutiert, bei der die Allgemeinheit
11
Holm spricht von einem zirkulären Charakter der Berliner Gentrifizierung und dass man, sofern man von
einer Definition der Gentrifizierung über Verdrängung
ausgeht, bei dem Stadtteil Neukölln durchaus von ei-
nem gentrifizierten Stadtgebiet sprechen könne.
Ein besonderes Novum an den Umständen in Neukölln
sei jedoch die internationale Herkunft der Gentrifier, der
Kosmopolitismus Neuköllns und der Definition von außen. Ein gutes Beispiel für sogenanntes »good practice«
ist seiner Ansicht nach Toronto- eine Stadt die mit stadtpolitischen Maßnahmen einer bevorstehenden Gentrifizierung gekonnt entgegen gewirkt hätte.
Nach den vorgeschlagenen Exkursionszielen Vancouver
und Wien gab Andrej Holm dem Plenum ein paar Fragen
mit auf den Weg die es bei der Hinarbeitung zur Beantwortung der Fragestellung leiten sollte. Unter anderem:
Wie wirkt sich die Veränderung der Sozialstruktur auf
das Gewerbe aus? Gibt es einen ‚local benefit‘? Ist ein
Geschäft anpassungsfähiger als andere, z.B. Kiosk oder
Shishabar? Was gibt es für Anpassungsstrategien? Welche Rolle spielt das zugezogene Unternehmen in der
Gentrifizierung: Folge, Voraussetzung oder Verstärker?
Andrej Holm schloss seinen Besuch mit der Bitte, der
Ergebnispräsentation beiwohnen zu dürfen.
BI
zu dem Ergebnis kommt, dass hierbei die Modernisierung von Wohneinheiten stark vernachlässig würde und
bei einer Aufhebung ein enormer Sprung in hohe Mietpreissegmente entstehen könnte. Außerdem wären
viele Investoren bei einer solchen Mietenbremse nicht
mehr bereit, neu zu bauen und man könne es keinem
Vermieter verbieten unterdurchschnittliche Mietpreise
zu verlangen. Hier müsse der Staat bzw. die Stadt eingreifen um diese Finanzlücke zu schließen. Doch hierfür
sei eine nötige Verzahnung der Instrumente nicht gegeben, wie beispielsweise Milieuschutz und Zweckentfremdungsgebot, denn diese würden nebeneinander
wirken und nicht miteinander. In der Immobilienverwertungskoalition seine alle »kooperativ«, da würde die
Stadt eher das Tempelhofer Feld neu bebauen anstatt
sich mit den Problemen im Baubestand auseinanderzusetzen. Es gebe jedoch an die 70 Hausgemeinschaften
berlinweit, die sich gegen die Aufwertungsmaßnahmen
des Hauseigentümers zur Wehr setzten.
BI
INHALTSVERZEICHNIS
1
Einleitung
14
2
Definition und historischer Rückblick
14
3
Dimensionen des Gentrifizierungsbegriffs und ihre
16
Manifestation im Stadtgebiet
4
5
12
Die Mechanismen des Gentrifizierung
17
4.1
Ökonomische Aufwertungsmechanismen
18
4.2
Kulturelle Aspekte in Gentrifizierungsprozessen
20
4.3
Stadtpolitik und Gentrifizierung
21
4.4
Schlussbemerkungen
22
Verdrängungsaspekte
22
5.1
Definition des Verdrängungsbegriffs
22
5.2
Verdrängungstypologien
23
6
Fazit
24
7
Quellen
25
13
Gentrifizierung ist in aller Munde. Obwohl sich kaum
einer mit dem Begriff auseinandersetzt, hört man ihn
tagtäglich als Synonym für jegliche Form von Veränderung in Großstadtvierteln. Doch was bedeutet Gentrifizierung eigentlich und welche Dimensionen umfasst der
Begriff? Kann jede Gegend gentrifiziert werden? Gibt
es typische Akteure? Gibt es typische Phasen? Welche
Rollen spielen Pioniere und bedeuten eine neue Galerie und eine Bar mit scheinbar zusammengewürfelten
Sperrmüllmöbeln, dass man sich die Miete in fünf Jahren nicht mehr leisten kann?
Einen kleinen Überblick über das sehr komplexe, mehrdimensionale und vielschichtige Thema zu geben, ist
Ziel dieser Ausarbeitung. Dabei wird zunächst auf die
Ursprünge geblickt, versucht, eine Definition zu finden
sowie über ökonomische und kulturelle Aufwertungsprozesse und über die Rolle der Stadtpolitik gesprochen. Dabei werden verschiedene Ebenen von Verdrängung beleuchtet und prominente Quartiere gezeigt, die
in Berlin schon seit einigen Jahren als Musterbeispiele
für Gentrifizierung dienen.
2 Definition und historischer Rückblick
Gentrifizierung ist in unserer Zeit ein stets allgegenwärtiger Begriff. Erste Recherchen im Internet attestieren
die aktuell entfachte Diskussion auf Blogs oder auf Seiten lokaler und nationaler Fernseh- und Radiosender.
Neben einer ereignisorientierten Retrospektive enthält
der folgende Definitionsbeitrag auch einen Ausblick
über die Multiperspektivität und Kontroversität des zentralen Themenfeldes Gentrifizierung.
Das soziale Phänomen trat zunächst in Nordamerika
in Erscheinung, wo erste Arbeiten über Ursachen und
Prozessablauf entstanden (z.B. Clay 1979) und erst ein
knappes Jahrzehnt später in der einer ersten deutschen
Studie von Dangschat und Friedrichs (1988). Zum Ende
der 70er Jahre ist diese soziale Gegebenheit in den USA
immer wieder in den Zusammenhang der Verdrängung der weißen Mittelschicht durch Afroamerikaner
gebracht und untersucht worden. Parallel fand dazu
14
Zum ersten Mal im Rahmen einer Untersuchung der
Veränderung des Londoner Stadtteils Islington von Ruth
Glass verwendet, wird der Begriff Gentrification seit
1964 dazu verwendet, sozialräumliche Entwicklungsprozesse von Stadtquartieren bezeichnen zu können.
Er bezieht sich auf das englische Wort »gentry«, was
mit »niederer Adel« übersetzt wird (Breckner 2012:
27) jedoch in ungünstiger Beziehung zu den heutigen
sogenannten Gentrifiern steht, da diese weder adlig
noch rückwandernd – wie einst – in die Stadt zurückziehen. Dennoch handelt es sich bei beiden – dem niederen Adel und den heutigen Gentrifiern – um weitgehend
homogene Bevölkerungsgruppen (Thomas 2008: 10).
Allein das Phänomen Gentrifizierung hat inzwischen einen ansehnlichen Forschungszweig der Geografie und
Stadtsoziologie entwickelt.
Aktuelle Analysen am deutschen Wohnungsmarkt zeigen dessen räumliche und soziale Differenzierung. Ehemals industrielle Ost- und Westregionen verlieren an
Einwohnern während das Bevölkerungswachstum und
die Wohnraumnachfrage in urbanem Raum nach wie
vor stark steigen. Dieser Anstieg spiegelt sich weiterhin
in dem wachsenden Verdrängungsdruck auf ärmere Bevölkerungsgruppen und bietet somit eine hervorragende Grundlage für den Gentrifizierungsprozess (Breckner
2012: 29).
Trotz seiner langen Geschichte mangelt es diesem
höchst kontrovers diskutierten Begriff nun noch immer
an einer eindeutigen einheitlichen und generalisierten
Definition. Dem liegen nicht zuletzt die vielen vorangegangenen Forschungsansätze, sowie die unterschiedlichsten Standpunkte und ideologischen Sichtweisen
dieses Begriffskomplexes zu Grunde. Zudem ist es von
großer Wichtigkeit, dass heute kaum noch Wert auf
eine solch verallgemeinernde Definition gelegt wird, da
die Gentrifizierung zu viele Schichten und Eigenschaften besitzt. Nichtsdestotrotz existieren diverse Verlaufsmuster, bei denen nach einem Definitionsversuch vor
allem ihre Impulse, Beweggründe und Ursachen geklärt
werden sollten.
Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, sich zunächst eine möglichst schmal geschnittene, wenn auch aussagekräftige
und angemessene Begriffsdefinition eines versierten Forschers herauszusuchen, voranzustellen und im Folgenden
durch ergänzende Aspekte weiterer Wissenschaftler auszuweiten und zu präzisieren. Dies ist dem Versuch dienlich, sich einen Überblick über Merkmale und Dimensionen des gesamten Prozesses zu verschaffen.
So kann man sagen, dass »Gentrifizierung alle ökonomischen Strategien der Inwertsetzung oder politischen
Strategien der Aufwertung bezeichnet, (…) die für [ihren]
Erfolg den Austausch der Bevölkerung voraussetzen«
(Holm 2012) und somit die wesentlichen Prozessinhalte
in einem Satz zumindest aufwerfen sowie die ökonomische und bauliche Aufwertung heruntergewirtschafteter Häuser und der durch Bevölkerungsaustausch ausgelöste soziale Charakterwandel einer Nachbarschaft.
Breckner (2012: 27) erläutert diesen Austausch als eine
Dominanz einkommensstarker Haushalte in attraktiven urbanen Lagen zu Lasten ökonomisch schwächerer
Haushalte, entstehend durch Erneuerungsmaßnahmen
und Eigentümerwechsel etwas genauer.
So wird nicht nur der Aspekt des Austausches noch
klarer durch den Begriff der sozialen sowie physischen
Aufwertung dargelegt (Friedrichs 1998) sondern auch
der lokale Schauspielort weiterhin präzisiert. Es handelt
sich dabei um einen durch aufwändige Investition in
alten Baubestand induzierten sozialen Wandel (Häussermann/Siebel) wobei hier das Augenmerk auf den
Baubestand gelegt werden sollte, der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig definiert wurde und schon
einen ersten Hinweis auf einen typischen Modellablauf
einer Gentrifizierung bietet. Schließlich wird der Ansatz
des neutralen Begriffs des Bevölkerungsaustausches
noch spezifiziert, da die Verdrängung der alteingesessenen Bewohnerschaft im Zuge der Gentrifizierung unter
anderem das Wesen solcher Prozesse ausmacht (nach
Holm 2012) und beinhaltet somit eine klare Wertung.
Manche Autoren, wie beispielsweise Loretta Lees, stellen die Behauptung auf, dass es bisher noch nie ohne
stadtpolitischen Auslöser zu einem Gentrifizierungsprozess kam (Lees 1994a, b; Lees/Slater/Wyly 2008). Eben
gerade diese beiden letzten Definitionsabschnitte geben Hinweis darauf, dass sich aus einem akademischen
Analyseansatz zuweilen eine stadtpolitisch umstrittene
Diskussion entwickelt hat. Vor allem die selektive Betonung auf die Negativität des Themas spielt hierbei eine
entscheidende Rolle. Grund dafür ist nach Dangschat
und Blasius (1990) vor allem die Irreversibilität des Vorgangs. Eben auch dann, wenn durch Umwandlung von
Miet- in Eigentumswohnungen preiswerter Wohnraum
entzogen oder, wie bereits angeführt, die alteingesessene Bewohnerschaft verdrängt wird. Busse (1990) formuliert jedoch auch mögliche positive Effekte der Gentrifizierung zusammenfassend, dass sich ein normaler
Bevölkerungsaustausch mit neuer Durchmischung
der Bevölkerung auf Chancen der Regenerierung eines
Stadtquartiers auswirken kann. Vom wirtschaftlichen
Standpunkt aus könnten sich beispielsweise Anreize privater Investitionen der Bewohner schaffen.
Aktuell hat sich, was die Erklärungsansätze der Gentrifizierung angeht, der ökonomische Ansatz durchgesetzt. Er
zeichnet sich durch die Erklärung mit Rendite-Differenzen
aus: »Ein durch Erneuerungsmaßnahmen steigender Gebäudewert (»value-gap«) zieht hiernach später eine Erhöhung des Grundstückswertes nach sich (»rent-gap«).«
(Breckner 2010: 28) Unklar ist jedoch, welche Akteure
und gesellschaftlichen Strukturen auf diesen Wertfortschritt von Boden und Wohnraum miteinwirken. Diese
Aspekte werden zunehmend am Einzelfall untersucht.
Hierfür eignen sich vor allem nationale Längsschnittstudien unter Berücksichtigung der Einflussfaktoren, stellen
aber dennoch eine empirische Forschungslücke dar.
15
BI
1 Einleitung
in Deutschland gewissermaßen eine Umwertung von
Wohnorten statt bei der viele Familien ins Grüne zogen,
da der Innenstadtbereiche als ungeeignete Lebensumwelt für Kinder galt. Die darauffolgende Suburbanisierung begleitete eine partielle Abwanderung, die ärmere
und ältere Bevölkerungsgruppen zurückließ (Thomas
2008). Leerstehende Wohnungen bezogen vor allem
Migranten, was die Sozialstruktur der Innenstadtbereiche stark veränderte, bis zu Anfang der 80er Jahre damit begonnen wurde, städtebauliche Defizite zu bereinigen und im Anschluss an diesen Innenstadtverfall mit
Sanierungsmaßnahmen zu beginnen (Blasius 1993). Typisch für die Stadterneuerungsprogramme der späten
80er und 90er Jahre war neben der Modernisierung des
Wohnbestands auch eine Aufwertung des wohnlichen
Umfeldes. Abgezielt wurde auf gut verdienendes Bürgerklientel, was häufig dazu führte, dass die vorherige
Bewohnerschaft weichen musste (Thomas 2008).
3 Dimension des Gentrifizierungsbegriffs
und ihre Manifestation im Stadtgebiet
Gentrifizierungsprozesse sind sehr komplexe Phänomene, weshalb es sich lohnt, diese Vorgänge aus mehreren verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren und sich
dem Thema durch ein mehrdimensionale Herangehensweise zu nähern (Krajewski 2004). Im Stadtgebiet manifestieren sich die Auswirkungen der voranschreitenden
Gentrifizierung oft auf unterschiedliche Weise, weshalb
keine allgemein gültigen Indikatoren für das Anzeigen
von Gentrifizierungsprozessen genannt werden können.
Sie variieren zum Teil stark von Gebiet zu Gebiet und
sind in unterschiedlichen Stadien der Gentrifizierung
auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Christian Krajewski hat in seinen Untersuchungen zur Gentrifizierung
vier zentrale Dimensionen der Gentrifizierung ausfindig
gemacht, welche als Gerüst für die Folgenden Erklärungen dienen sollen.
Die wohl eingängigste und auffälligste Dimension der
Gentrifizierung im Stadtbild ist die bauliche Aufwertung. Sanierte Gebäude im Altbaubestand prägen das
Bild eines vorangeschrittenen gentrifizierten Gebietes.
Doch die Bausubstanz wird nicht nur in ihrer äußerlichen Beschaffenheit verbessert, auch die Wohnungen
selbst werden saniert. (Krajewski 2004) Zur baulichen
Dimension zählt man in der Diskussion auf internationaler Ebene auch die sogenannte Neubaugentrifizierung,
bei der große Neubaugebiete auf innerstädtischen
Brachflächen, bei denen vorerst keine Altmieter vertrieben werden und keine Altbausubstanz saniert wird,
bebaut werden und es in Folge von Nachbarschaftseffekten zur allmählichen Mietenangleichung im Umfeld
dieser Gebiete kommt. (Holm 2012)
16
Als zweite Dimension benennt Krajewski die der sozialen Aufwertung (Krajewski 2004). Der Begriff der
Aufwertung ist in diesem Zusammenhang jedoch als
respektlos einzustufen, da er verschiedene Bevölkerungsgruppen als mehr oder weniger wert klassifiziert.
Aus diesem Grund ist die Bezeichnung als sozialer Wandel durchaus als die bessere anzusehen. Gekennzeichnet wird diese Dimension vor allem durch den Zuzug
einer sogenannten statushöheren Bevölkerungsgruppe,
welche gegenüber der Stammbevölkerung ein höheres
durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen der sich
in dieser Gruppe befindlichen Personen vorweisen kann
und prozentual mehr Menschen in dieser Gruppe einen
Hochschulabschluss aufweisen können. Dieser statushöheren Bevölkerungsgruppe gehören beispielsweise
auch Studierende oder Yuppies an. (Krajewski 2004)
Durch den Zuzug der im Vergleich zur angestammten
Bevölkerung besser Verdienenden und höher Gebildeten setzen jedoch Effekte ein, welche zur Verdrängung
anderer Bevölkerungsgruppen führen. Eine genauere
Erklärung zu diesen Vorgängen wird im Kapitel 5 gegeben. Indikatoren für die Dimension des sozialen Wandels, und zugleich sicherlich ihre Manifestation, sind der
Rückgang des Arbeiteranteils am Erwerbstätigenanteil,
der Rückgang des Arbeitslosen- und Ausländeranteils,
der Rückgang der Kinderanteils, was auf einen Wegzug
von Familien schließen lässt, und den Anstieg der Single-Haushalte. (Krajewski 2006: 216 - 221) Diese Indikatoren sind jedoch nicht zwangsläufig dafür geeignet,
Gentrifizierung in bestimmten Gebieten anzuzeigen, da
sie nicht auf jedes Gebiet zutreffen, in denen zweifellos Gentrifizierungsprozesse auftreten. Beispielsweise
war die Ausländerquote schon vor dem Einsetzen der
Gentrifizierung im Prenzlauer Berg sehr gering, da dieser Bezirk vormals in Ost-Berlin und somit in der DDR
lag, welche generell eine niedrige Ausländerquote hatte. (Krajewski 2006: 216)
Als dritte große Dimension ist die funktionale Aufwertung zu nennen. Sinkende Leerstandsquoten und die
Ansiedlung neuer Geschäfte und Dienstleistungen haben eine qualitative und quantitative Angebotsausweitung zur Folge, welche sich auch im Stadtbild bemerk-
bar macht. (vgl. Krajewski 2004; auch Bundschuh 2010:
3) Als Beispiel kann die Zunahme an Szenekneipen,
zumindest in der Anfangsphase, oder Anwaltsbüros
genannt werden (vgl. Bundschuh 2010: 3). Zu den Veränderungen im Wohnumfeld und in der Infrastruktur
gehört auch die Umwandlung von Wohn- in Geschäftsfunktionen und die zunehmende Tertiärisierung des betroffenen Gebietes (Bundschuh 2010: 3).
Als Teil der funktionalen Aufwertung ist auch die kulturelle Umwertung als Dimension zu betrachten, welche
das Ansiedeln neuer Läden durch die »Verdrängung
von Raumnutzungen einkommensschwächerer Milieus
(wie etwa Infrastruktur- Kultur- oder Freizeitangebote)«
(Huber: 170) noch begünstigt. Bemerkbar wird dies im
Wegzug von Klubs und Kulturschaffenden oder sonstigen Institutionen der Kreativszene, welcher nicht nur
der steigenden Anzahl an Lärmklagen geschuldet ist,
sondern auch dem nicht mehr Vorhandensein des gewünschten Publikums (Holm 2012).
Als letzte, und nach Krajewski als Meta­
Dimension
der
Gentrifizierung
bezeichnete, wird die Dimension der symbolischen Aufwertung genannt (Krajewski 2004) Im Zuge der vier
zentralen Dimensionen profitiert das von Gentrifizierungsprozessen betroffene Gebiet auch von einer
steigenden medialen Präsenz, im Zuge dessen mehr
und deutlich positivere Artikel oder Berichte gedruckt und ausgestrahlt
werden (Krajewski 2004). In Folge zunehmender touristischer Aktivität aufgrund der hohen Akzeptanz des Gebietes
bei Besuchern und Bewohnern kommt es schnell zur
Schaffung von neuen Sehenswürdigkeiten oder Landmarks (Krajewksi 2004), welche sich nach einiger Zeit
dementsprechend auch in Reiseführern wiederfinden lassen Der Tagesspiegel 2010).
4 Die Mechanismen der Gentrifizierung
Nach der Definition des Begriffs Gentrifizierung und
der Betrachtungen ihrer Dimensionen – also wie sich
diese sichtbar artikuliert – soll im Folgenden der Frage
nachgegangen werden wie solche Prozesse ausgelöst
werden. Was macht Gentrifizierung im Kern eigentlich
aus, welche Mechanismen wirken, welche Rahmenbedingungen und Akteure sind maßgeblich? Die Beantwortung dieser Frage ist mit den lange dominanten monokausalen Erklärungsansätze nicht oder nur defizitär
zu leisten. Stadtentwicklung ist ein hoch komplexes
Feld in dem die Standortpräferenzen von Unternehmen
und Individuen, die Zugangsschwellen des Bodenmarkts
und die Stadtplanung mit ihren zahlreichen Instrumenten in einem engen, jedoch raum-zeitlich variierenden,
Wechselverhältnis stehen. (Häussermann/Siebel 2004:
118f)
Diese Vielschichtigkeit gilt für Gentrifizierung im speziellen nicht minder, vermutlich sogar in besonderem
Maße. Nach langjährigen, teilweise polarisiert geführten Debatten hat sich in der sozialwissenschaftlichen
Forschung mittlerweile die Einsicht durchgesetzt, dass
die wichtigsten Fragen über Gentrifizierung nur in gegenseitiger Ergänzung der Ansätze zu beantworten sind
(Krajewski 2006: 46; Breckner 2010: 28; Karow- Kluge/
Schmitt 2013: 181). Um das Phänomen der Gentrifizierung zu erhellen, gilt es somit die Wechselwirkungen
von ökonomischen, kulturellen und politischen Ursachenkomplexen in den Blick zu nehmen (Holm 2012a:
663ff).
Dies verlangt konkret auch lange populäre und zahlreich
rezipierte Erklärungsansätze wie den Doppelten Invasions-Sukzessions-Zyklus von Jens Dangschat als untauglich zu benennen und zu verwerfen. In der Tradition der
Chicago- School der Sozialökologie wird Gentrifizierung
hier als quasi natürlicher Wanderungsprozess ökonomisch verschieden potenter Bevölkerungsgruppen verstanden (Häussermann/Siebel 2004: 119ff; Breckner
2010: 28). Weitgehend ignoriert werden dagegen der
Einfluss kommunaler Planungsämter, privatwirtschaftlicher Investitionskalküle, struktureller Veränderungen in
den Wohnungsmärkten sowie Aspekte eines kulturellen
Wertewandels. Nicht zuletzt fehlt diesem Modell bis
heute ein empirischer Nachweis. (Krajewski 2006: 49;
Breckner 2010: 28) Im Folgenden sollen nun die verschiedenen Deutungsmuster welche Auslöser zu Gentrifizierung führen sowie etwaige Interdependenzen
näher betrachtet werden.
17
BI
Nach diese kurzen Annäherung kristallisieren sich bereits die zwei ausschlaggebenden Dimensionen der
Gentrifizierung heraus: Die bauliche und die soziale
Dimension deren Bedeutung und Inhalte zu späterem
Zeitpunkt noch geklärt werden.
mechanismen
Bei der Erklärung von Gentrifizierungsprozessen kommt
den ökonomischen Zusammenhängen und Mechanismen eine besonders große Bedeutung zu, denn Gentrifizierung muss im Kern »als eine immobilienwirtschaftliche Inwertsetzung angesehen werden« (Holm 2013:
11). Bevor wir uns aber der Mikroebene der konkreten,
akteursspezifischen Investitionskalküle zuwenden, sollen auch die makroökonomischen Rahmenbedingungen der »Des- und Reinvestitionszyklen des Immobilienkapitals« (Krajewski 2004: 26) in den Blick genommen
werden.
Makroökonomische Rahmenbedingungen
Die raumzeitliche Konzentration innerstädtischer Investitionen – als wesentlicher Voraussetzung für Gentrifizierung – wird makroökonomisch mit einem zyklischen
Verlauf der Stadtentwicklung und der damit verbundenen immobilienwirtschaftlichen Investitionen erklärt.
Diese Zyklen werden auf die spezifische Trägheit und
das ökonomische Beharrungsvermögen der gebauten Struktur zurückgeführt. Investitionen in langlebige
Güter werden als eine langfristige Option auf die Verwertung des Bodens und der auf ihm errichteten Gebäude angesehen. Daher werden bei neuerlichen Investitionen nicht nur die direkten Kosten, sondern auch
die abgebrochene Restnutzungsdauer des Bestandes
Berücksichtigung finden. Da eine solche Investition im Vergleich zu einer an einem unbebauten Ort - oft
kostspieliger ist, ist neben genügend Kapital eine im
Vergleich zur Stadterweiterung höhere Rentabilität Voraussetzung. Dies kann auch erklären, warum die Umstrukturierung innerstädtischer Quartiere oft in Zeiten
wirtschaftlicher Stagnation erfolgt. Die lange dominanten Tendenzen zur Suburbanisierung können als Kapitalentzug für die Innenstädte interpretiert werden. Der
Trendumschwung zur Reurbanisierung markiert wiederum die Umkehrung der Kapitalströme in die Innenstädte. (Holm 2012a: 664) Neil Smith hat Gentrifizierung daher auch als »back to the city movement, by capital, not
by people« (bei Holm 2012a: 664) verstanden.
18
Darüber hinaus gibt es einen makroökonomischen Ansatz, der das enge Korsett einer rein immobilienwirtschaftlichen Betrachtung hinter sich lässt. In diesem sind
die verstärkten Investitionen in die Wohnungsmärkte
Ausdruck eines finanzdominierten Akkumulationsregimes vor dem Hintergrund der zunehmenden Disparitäten zwischen der globalen Wertschöpfung und den um
ein vielfaches höheren Umsätzen der Finanzmärkte. So
wurden auf der einen Seite immer neue Ablagemöglichkeiten in Fonds, Versicherungen und Derivatehandel
aufgelegt, ohne dass es auf der anderen Seite genug
gewinnträchtige Produktionssphären gab, die diesen
Handel tatsächlich hätten decken können. (Holm 2013:
22f) Ohne das Wert und Mehrwert in der allgemeinen
Produktion erzeugt wird, können diese Sektoren jedoch
nicht existieren. Die Unzulänglichkeit der Wertschöpfung durch Produktion wird vielmehr »unausweichlich
ein böses Ende finden« (Harvey 2013: 95). Als Ausweg
wurden, und werden dann oft Investitionen in den sogenannten zweiten Kapitalkreislauf, also in große Bauprojekte, Immobilienmärkte und Infrastrukturen, getätigt.
(Holm 2013: 22) Tatsächlich ließ sich in Folge der Geldmarktkrise der letzten Jahre eine verstärkte Attraktivität
des Immobilienmarktes für professionelle Investoren
feststellen (Karow-Kluge/Schmitt 2013: 180ff.)
Mikroökonomische Investitionskalküle
In einer mikroökonomischen Perspektive wird Gentrifizierung zurückgeführt auf konkrete »Investitionskalküle
[…] innerhalb des Bodenmarkts« (Krajewski 2006: 46).
Boden selbst ist unter kapitalistischen Bedingungen als
eine Ware zu betrachten die bestimmten Verwertungslogiken unterliegt (Holm 2013: 22). Dieser wirft Zinserträge ab, die mitunter »exponentiell« steigerbar sind.
Ausgangspunkt dafür sind Renditedifferenzen bei der Gebäude- und Grundstücksverwertung (Breckner 2010: 28).
Diese Ertragslücken lassen sich durch Investitionen in die
Bausubstanz bzw. durch einen Verkauf schließen (Richter
2012: 8f). Innerhalb des mikroökonomischen Ansatzes
werden noch zwei variierende Modelle diskutiert.
Die Rent-Gap-Theorie steht mit der Grundrente eines innerstädtischen Grundstücks in Zusammenhang.
Wenn diese deutlich niedriger ist als die potenziell zu
erzielende Grundrente, die durch eine Nutzungsände-
Die Value- Gap-Theorie stellt dagegen die Kapitalrendite eines in Eigentumswohnungen umgewandelten
Mietshauses im Gegensatz zu den jährlichen Einnahmen aus der Vermietung des Mietshauses in den
Mittelpunkt. Maximale Rendite wird dabei nur beim
Verkauf eines völlig entmieteten Gebäudes erzielt. So
lassen sich auch trotz Gesetzen, die Mietsteigerungen
begrenzen, durch den Wohnungsverkauf hohe Profite
auf dem Immobilienmarkt erreichen. (Krajewski 2006:
46) Diese Verwertungsstrategie ist besonders in Gebieten, in denen die Miete im Vergleich zum Wohnungsmarkt gering ist, naheliegend (Richter 2012: 9). Letztlich
ist in diesen mikroökonomischen Modellen immer die
Diskrepanz zwischen aktueller und potenzieller Grundrente »der Auslöser […] eines neuen Verwertungszyklus« (Häussermann/Siebel 2004: 130). Der Erfolg
solcher Inestitionsstrategien ist entweder an kollektive
Einkommenszuwächse der Haushalte oder aber den
Austausch der Bewohner gebunden (Holm 2012a: 665).
Neue Eigentümer und veränderte Verwertungslogiken
Viele Berliner Altbauquartiere boten optimale Ausgangsbedingungen für Gentrifizierungsprozesse Sie waren von zumeist inaktiven Einzeleigentümern geprägt,
die die Instandsetzung ihrer Gebäude vernachlässigten
um die Gewinnspanne der Mieteinnahmen zu erhöhen.
Vielfach wären sie auch zu Modernisierungsinvestitionen nicht fähig gewesen. Mit der Aufwertungserwartung eines Gebietes werden steigende Bodenpreise
und der Verkauf von Häusern jedoch wahrscheinlicher.
(Holm 2013: 26f) Tatsächlich spielen neue Eigentümer
eine große Rolle in Gentrifizierungsprozessen. Veränderte Eigentümerstrukturen ließen sich in den 1990er
Jahren sowohl für die Spandauer und die Rosenthaler
Vorstadt in Berlin Mitte (Krajewski 2006: 231f) als auch
von 2005-2009 in Nordneukölln (Holm 2011:225f)
feststellen. Käufer sind oft professionelle Immobilienunternehmen, denen es im Gegensatz zu den Altbesitzern nicht am Zugang zu Investitionsmitteln mangelt.
Diesen geht es jedoch nicht nur um die Mobilisierung
von Geld für Erneuerungsarbeiten, sondern auch um
die Refinanzierung der Kaufpreise. Da für den Erwerb
von Immobilien zumeist entsprechend zu tilgende und
zu verzinsende Kredite aufgenommen werden, lösen
steigende Bodenpreise in Aufwertungsgebieten einen
enormen Verwertungsdruck aus. (Holm 2013: 26 f.)
Die neuen Wohnungsmarktakteure sind in der Regel
keine rentenorientierten Hausbesitzer mehr, sondern
renditeorientierte Investoren. Grundstücksverwertung
wird von diesen als Finanzanlage behandelt, die in einem möglichst kurzen Zeitraum für eine Investition ein
bestimmtes Maß an Rendite abwerfen soll. (Holm
2013: 27). Städtische Aufwertungsprozesse werden
in zunehmenden Maße von globalem, oft vollkommen
branchenfremden, Kapital initiiert. Hat Smith (2002:
94) dies schon früh für die USA analysiert, so wird
dies von Mayer (2012) heute auch für Deutschland bestätigt. Dabei muss insbesondere der »massenhafte und
weit verbreitete Auftritt von Finanzinvestoren auf dem
Wohnungsmarkt« als »ein Symbol gesellschaftlicher
Globalisierung« (Breckner 2010: 30) als bedeutsam
hervorgehoben werden. Auch das Deutsche Institut für
Urbanistik (DifU) hat festgestellt, dass seit der Jahrtausendwende zunehmend internationale Finanzinvestoren auf dem deutschen Immobilienmarkt agieren, und
stellt dies in einen engen Zusammenhang mit dem Problem Gentrifizierung (DifU 2011: 11).
Die Befürchtung, dass die auf kurz- bis mittelfristige Renditeoptimierung ausgelegten Geschäftsmodelle von Investoren negative Auswirkungen auf die Wohnungsversorgung sozial schwächerer Bevölkerungsteile und auf
die Sozialstruktur vieler Wohnquartiere haben, wird lauf
DifU (o. J.) mittlerweile von deutschen Kommunen bestätigt. Karow Kluge/Schmitt (2013: 182) machen dagegen
geltend das auch marktkonforme Handlungslogiken von
Grundstückeigentümern ein breites Spektrum an Investitionsverhalten und Bewirtschaftungsstrategien zulassen.
19
BI
4.1 Ökonomische Aufwertungs-
rung zu erreichen ist, kann die Lücke durch einen Reinvestitionsprozess geschlossen werden. (Krajewski 2006:
46) Nur wenn diese Ertragslücke groß genug ist, um
eine Rendite zu erwirtschaften, rechnet sich die Investition. Sie hängt somit nicht nur von den zukünftig zu
erwartenden Einnahmen, sondern auch von der aktuellen Ertragslage ab. (Holm 2013: 25) Eine Aufwertung
kann somit besonders in solchen Vierteln entstehen,
die bisher von Desinvestitionen geprägt gewesen sind
(Richter 2012: 9). Das heißt letztlich, dass es keine Viertel gibt, die zu schlecht für Gentrifizierung sind, sondern dass diese sogar vorteilhaft sind (Holm 2013: 25).
Gentrifizierungsprozessen
Die vorhergehenden Ausführungen mögen jetzt die
Frage aufwerfen wie sich denn die Läden und Infrastrukturen der Alternativszene oder Kreativmilieus in
solche Prozesse integrieren. Solche Pioniernutzungen
werden oft als »Ausdruck, Ergebnis oder Motor von
Aufwertungsentwicklungen« (Holm 2013: 29) bewertet. Tatsächlich ist für Berlin die schrittweise räumliche
Verlagerung von Pionierphasen im Zusammenhang mit
Aufwertungstendenzen gut belegt (Holm 2011:
214ff). Aber wie kommt diese »Wechselwirkung
zwischen der Produktion kultureller Symbole und
der Produktion städtischen Raums« (Zukin 1998: 27)
konkret zustande?
Einerseits reicht bereits eine beginnende Imageveränderung eines Quartiers oder die Ansiedlung einer subkulturellen Szene aus um deutliche Steigerungen im
Bereich der Neuvermietungsmieten auszulösen (Holm
2013: 16). Solche Extraeinnahmen, die mehr von der
Einzigartigkeit, Authentizität oder Besonderheit eines
Quartiers denn von tatsächlichen Ausstattungsmerkmalen einer Immobilie herrühren, werden als Monopolrenten bezeichnet (Harvey 2013: 165ff). Aus einer
immobilienwirtschaftlichen Perspektive ist die symbolische Aufladung eines Gebietes und die Konstituierung
eines besonderen Ortes daher eine besonders lukrative
Strategie. (Holm 2011: 217)
Andererseits bieten die genannten Kulturmilieus auch
mehr lebensweltliche Bezugspunkte für zahlungskräftigere Mittelschichtsangehörige als traditionelle Arbeiteroder Migrantenmilieus. Sie können daher auch als
»Türöffner« (Holm 2013: 36) für jene »postmaterialistischen Mittelschichten, die selber in ihrem Lebensstil
nicht selten offen oder insgeheim einem ‚Künstlerideal‘ des Kreativen folgen« (Reckwitz 2009: 14), betrachtet werden.
Die kulturell umgewerteten Quartier attraktivieren
natürlich auch Investoren. Es kommt zu Eigentümerwechseln und Aufwertungsmaßnahmen. Sharon Zukin
20
hat diese oft beobachtete Gleichzeitigkeit von symbolisch-kultureller Umwertung und ökonomischer Inwertsetzung in Anlehnung an Pierre Bourdieus Konzept des
kulturellen Kapitals als einen »Prozess der mehrfachen
Kapitaltransformation« (Holm 2012a: 673) beschrieben.
Dabei wird das individuelle inkorporierte kulturelle Kapital der Pioniere zuerst in ein ortsgebundenes kulturelles
Kapital (die künstlerische Besonderheit eines Quartiers)
transformiert. Aus dieser Attraktivität des Ortes werden
über Zusatzeinnahmen bei Neuvermietungen, hochpreisige Vermietung in Folge von Modernisierungsmaßnahmen oder durch Verkauf – dies ist der Punkt an dem
die sichtbare Gentrifizierung beginnt- dann tatsächliche
immobilienwirtschaftliche Gewinne realisiert. Der letzte Transformationsschritt durch die Verwandlung des
aufgewendeten ökonomischen Kapitals der neuen Bewohner zum Erwerb eines käuflich symbolischen Mehrwerts. (Holm 2012a: 672f; 2013: 31ff) In diesem Prozess
findet die »Akkumulation sowohl des Finanzkapitals
als auch der der visuellen Images [..] buchstäblich in
‚Kreisläufen kulturellen Kapitals‘ statt« (Zukin 1998: 32).
Und umso besser die von einer Gruppe erzeugten Gemeingüter – als solche sind auch die Atmosphäre oder
Attraktivität einer Stadt oder eines Stadtquartiers zu bewerten – wahrgenommen werden umso höher ist die
Wahrscheinlichkeit das diese sich von privatwirtschaftlichen Gewinninteressen angeeignet werden (Harvey
2013: 146).
Dieses Wissen hat etwa in den Neuköllner Alternativmilieus zu einer durchaus selbstkritischen Reflektion über
die eigene Rolle in Gentrifizierungsprozessen geführt
(Holm 2011: 226). Mögen die prominenten Berliner
Beispiele für Gentrifizierung alle von einer Pionierphase
eingeleitet worden sein (Holm 2011: 214ff), so darf dennoch nicht vergessen werden, das eine solche weder
zwingend erforderlich, noch der Regelfall in Deutschland ist (Holm 2012b).
Wer ein Verständnis für Gentrifizierung gewinnen
möchte, wird neben den bereits skizzierten Mechanismen auch einige kulturelle Makrotrends berücksichtigen müssen. Hier ist insbesondere der Trendumschwung vom lange dominanten Modell des »Auszugs
der Mittelschichten ins suburbane Eigenheim« (Häus-
sermann/Siebel 2004: 73) zu einer wieder »zunehmenden Stadtaffinität verschiedener Nachfragergruppen
auf dem Wohnungsmarkt« (Karow-Kluge/Schmitt 2013:
180) die oft auch als eine »Renaissance der Innenstädte« (Dangschat 2013: 172) beschrieben wird, hervorzuheben. Dieser Trend wird u.a. auf neue Haushaltsformen
und die Entkopplung der Anzahl der Haushalte von der
allgemeinen Bevölkerungsentwicklung, die Überwindung traditioneller Kleinfamilienstrukturen und darin
eingeschriebener Muster der geschlechtlichen Arbeitsteilung sowie die Notwendigkeit der Durchlässigkeit
von Arbeits-, Wohn-, und Freizeitstrukturen vor dem
Hintergrund der Tertiärisierung der Arbeitswelt, zurückgeführt (Holm 2012a: 667ff). Die neue Popularität der
Innenstädte ist jedoch nicht ausschließlich soziodemografisch und alltagspraktisch motiviert.
Die »innenstadtnahen Stadtviertel als ästhetisiert aufgearbeitete Wohnviertel für die postmaterialistischen
Mittelschichten« müssen auch vor dem »Hintergrund
eines Wechsels der ästhetischen Sensibilität vom funktionalistischen Modernismus zu einer postmodernistischen Alltagsästhetik« (Reckwitz 2009: 16) betrachtet
werden. Ebenfalls von Relevanz ist die »Etablierung distinktionsorientierter Lebensstile« (Holm 2012a: 667) für
die eine »Abgrenzung zu Angehörigen anderer Schichten« (Holm 2013: 33) bedeutsam ist. Eine renommierte
Adresse, etwa in einem Auswertungsgebiet, kann als
»Distinktionsressource« (Holm 2012a: 670) verstanden
werden, die sowohl eine Nähe zu begehrten Dingen
und Personen als auch eine Distanz zu unerwünschten
Erscheinungen des sozialen Lebens erlaubt (Schroer
2012: 92ff). Zudem ist eine solche mit erheblichem
sozialem Prestige verbunden. Pierre Bourdieu hat dies
als Klub-Effekt beschrieben. All jene die als Bewohner
Einlass in ein begehrtes Wohnviertel erhalten werden
zusätzlich symbolisch überhöht weil sie am bereits akkumulierten Kapital partizipieren dürfen, ohne bisher zu
ihm beigetragen zu haben. (Schroer 2012: 99) Es lässt
sich also resümieren das Gentrifzierung auch dem Bedürfnis von Akademikern und Wohlhabenden nach einem räumlichen Zusammenschluss mit gleichgestellten
oder gleichgesinnten im Sinne einer »selbstgewählte[n]
Exklusion« (Karow-Kluge/Schmitt 2013: 182) entgegenkommt.
4.3 Stadtpolitik und Gentrifizierung
Gentrifizierung, das haben die vorhergehenden Ausführungen gezeigt, ist also nicht etwa eine ungewollte Begleiterscheinung der heutigen Stadtentwicklung.
Aufwertung in städtischen Quartieren ist vielfach gewollt und wird von der Stadtpolitik oft als notwendig
angesehen. Denn Städte stehen heute bei »Strafe ihres
Untergangs« (Schroer 2012: 238) in einer Konkurrenz
um Investitionen, Arbeitsplätze, Unternehmen, Touristenströme und steuerzahlende Einwohner (Schroer
2012: 238; Löw 2012: 120; Holm 2013: 41; Zukin 1998:
28). Neben materiellen Vorteilen wie niedrige Löhne
und Steuern oder einem innovativen Wirtschaftsklima
sind dabei auch die »symbolischen Werte« (Zukin
1998: 29) und das »Ambiente der Stadt« (Mayer 1990:
197) von entscheidender Bedeutung. Die Attraktivität
der Stadt als Lebensraum gilt als wichtige Rahmenbedingung für wirtschaftliches Wachstum und die Konkurrenzfähigkeit einer Stadt (Mayer 1990: 201). Gerade
die sozialen Gruppen die als Adressat für attraktiv aufgewertete innerstädtische Wohnungsbestände gelten,
gelten in vielen Städten in besonderem Maße als ökonomische Hoffnungsträger (Thomas 2008: 16). Daher
haben die von diesen Schichten geprägten Vorstellungen vom guten Leben die »Macht über die Formierung
des Städtischen erhalten« (Mayer 1990: 193). Die Herrichtung der Innenstädte für deren Wohn-, Arbeits-, und
Konsumbedürfnisse finden sich stadtpolitisch dann oft
als notwendige Form der »Revitalisierung« (Karow-Kluge/Schmitt 2013: 183) oder als »urban regeneration«
(Smith 2002: 96) verklärt. Im internationalen Städtewettbewerb müssen Städte vor allem unterscheidbar
sein und Besonderheiten ihr eigenen nennen die andere Städte nicht teilen. Diese »Differenzorientierung«
(Reckwitz 2009: 18) richtet sich sowohl nach innen auf
die Stadtbewohner als auch nach außen auf potentielle
Zuzügler, Konsumenten, Touristen und Unternehmen.
Dieser »Kampf um die Anhäufung von Distinktionsmerkmalen und kollektivem symbolischen Kapital in einer
Welt mit starken Konkurrenzkampf« (Harvey 2013: 190)
wird für die Städte auch weiterhin prägend sein.
Über welche Instrumente die Stadt verfügt, um in einen Gentrifizierungsprozess einwirken zu können, werden im Themenblock der »Akteure in einer Gentrifizierung« näher betrachtet.
21
BI
4.2 Kulturelle Aspekte in
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die vorgestellten Deutungsansätze trotz ihrer großen Erklärungskraft
doch theoretische Modelle bleiben. Welche gesellschaftlichen Strukturen, Mechanismen und Akteure
mit welchen konkreten Mittel die Wertentwicklung von
Boden und Wohnraum in bestimmten räumlichen Zusammenhängen beeinflussen, muss immer im lokalen
Einzelfall untersucht werden. (Breckner 2010: 28) Ein
zukünftiger Schwerpunkt der Gentifizierungsforschung
müssen daher empirische Fallstudien sein, die weniger
nach generalisierbaren Ursachen oder Prozessabläufen
als nach speziellen Entwicklungspfaden und lokalen und
nationalen Besonderheiten suchen (Krajewski 2006:
50). So liegen für zumindest einzelne Berliner Aufwertungsgebiete – das dies auch auf andere ebenfalls zutrifft ist nicht ausgeschlossen - keine systematisch
auswertbaren Daten vor, die eine Einschätzung
der wohnungswirtschaftlichen Strategien der neuen
Marktakteure ermöglichen (Holm 2011: 222).
Mit Sicherheit sagen lässt sich jedoch, dass Gentrifizierung ein hochkomplexes soziales Phänomen ist. Zur
Entschlüsselung seiner Wechselwirkungen bedarf es
einer Betrachtung politischer, wirtschaftlicher, kultureller aber auch demographischer Zusammenhänge.
Zudem gilt es auch verschiedene räumliche Maßstabsebenen in den Blick zu nehmen und die »verschiedene[n]
Dimensionen sozialer Wirklichkeit zueinander in Beziehung zu setzen« (Löw 2010: 138). Denn gesellschaftliche Verhältnisse sind im Zeitalter der Globalisierung
sowohl Ausdruck großräumiger Verhältnisse als auch
lokaler Spezifika (Smith 2002: 93). Gerade Phänomene sozialer Ungleichheit werden in den Städten erfahrbar, werden jedoch durch den Nationalstaat ideologisch
vorstrukturiert und durch die Dominanz einer Weltökonomie signifikant beeinflusst (Löw 2010: 130).
Gentrifizierung lässt sich somit nur als »set of common processes, linked in part at the global scale
but also explained locally by policy intervention or
non-intervention« (Krajewski 2006: 50) verstehen.
Dies macht auch eine definitive Aussage zu den zentralen Akteuren schwierig. Denn Gentrifizierung ver-
22
bindet mitunter Akteure an den internationalen Finanzmärkten mit Projektentwicklern, lokalen Händlern, Immobilienunternehmen und - Maklern, lokalen
und nationalen Regierungen aber auch subkulturellen Milieus und den Wohn-, Konsum-, und Distinktionsbedürfnissen bestimmter Bevölkerungsgruppen.
5 Verdrängungsaspekte
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob
die Verdrängung, als Form des Austausches der Bevölkerung, wie beispielsweise nach Aussagen Peter Marcuses wirklich das Wesen der Gentrifizierung darstellt,
und nicht nur etwa ein ungewollter Nebeneffekt ist (vgl.
Holm 2012). Um dies zu beantworten, sind mehrere
Arten und Formen von Verdrängungserscheinungen
genauer zu untersuchen, um die verschiedenen Aspekte eindeutig unterscheiden zu können. Anschließend
stellt sich die Frage, ob die Verwendung des Begriffs
»Verdrängung« überhaupt noch im Zusammenhang
mit Gentrifizierungsprozessen anwendbar ist (Krajewski
2006: 256).
5.1 Definition des Verdrängungsbegriffs
Der Verdrängungsbegriff ist als mehrdimensionaler Begriff
zu verstehen und wird aus unterschiedlichen Sichtweisen
heraus auch verschieden definiert. George und Eunice
Grier verstehen als Verdrängung, wenn ein Haushalt zum
Verlassen seines Wohnsitzes durch verschiedene Umstände, welche seine Wohnung oder seine unmittelbare Umgebung beeinflussen, gezwungen wird (Marcuse 1985: 205).
Diese Umstände sind für die Haushalte nicht kontrollieroder verhinderbar und treten auch auf, wenn der Haushalt
zuvor alle auferlegten Bedingungen erfüllt hat. Wenn diese
Bedingungen ein weiteres wohnen bleiben des Haushalts
unmöglich, gefährlich oder unbezahlbar machen, handelt
es sich um Verdrängung (Marcuse 1985: 205).
Für Krajewski wird derjenige Personenkreis ökonomisch
verdrängt, »der trotz Mietpreisbindung und Mietobergrenzen den Mietzins nach der Modernisierung nicht
mehr zahlen kann« (Krajewski 2006: 255). Eine andere
Definition stammt von Harmut Häußermann aus dem
Jahr 2007, welcher meint, dass sich nur jene Bewohner als Verdrängte bezeichnen dürfen, »die mit der
verhandlungsorientierten Organisation der Stadterneuerung nicht zurechtkommen, weil sie ihre Verhandlungschancen nicht wahrnehmen (können) und die
bezirklichen Beratungsangebote nicht als Hilfe herbeiziehen (können)« (Häußermann 2007: 175). Alle diese
unterschiedlichen Definitionen beziehen sich auf die
verschiedenen Verdrängungsdimensionen, welche im
folgenden Kapitel näher erläutert werden.
5.2 Verdrängungstypologien
Um den Verdrängungsbegriff in seiner Mehrdimensionalität besser erklären zu können, bedarf es einer
genaueren Differenzierung zwischen verschiedenen
Formen der Verdrängung. Peter Marcuse, welcher Gentrifizierungsprozesse in New York untersuchte, unterscheidet zwischen vier verschiedenen Verdrängungstypen (Holm 2012).
Die Verdrängungsform, welche gesellschaftlich wohl aktuell die höchste Wahrnehmung erfährt, ist laut Marcuse die ökonomische Verdrängung, bei welcher die
Bewohner die hohen Kosten einer Mietsteigerung oder
nach Modernisierungsmaßnahmen aufgrund seines
nicht ausreichenden ökonomischen Kapitals nicht mehr
bezahlen kann und aus diesem Grund seinen Wohnsitz
verlassen muss (Holm 2012). Begünstigend für diese Art
von Verdrängung sind auch die in Deutschland geltenden Sozialgesetze im Rahmen des Arbeitslosengeld 2.
Da eine festgesetzte Mietobergrenze für Wohnungen
von Hartz 4- Empfängern besteht, welche sich, abhängig von der Kommune, nach vergleichsweise günstigen Mieten orientiert, werden Mieter, bei welchen die
Mietkosten oberhalb dieser Grenze liegen, teilweise
zum Umzug gezwungen (Piekarz). Allein in Berlin stieg
die Zahl der durch diese Art von Verdrängung betroffenen Personen von 428 im Jahr 2009 bis auf 1313 im Jahr
2011 (Schomaker 2012).
Als zweites zu nennen sind physische Verdrängungsprozesse, bei welchen die Gründe für das Verlassen des
Wohnsitzes zumeist Formen von indirekter physischer
Gewaltanwendung der Haus- oder Wohnungseigentümer gegen die Mieter sind. Sichtbar wird diese Art der
Verdrängung beispielsweise in Form von Dachstuhlbränden oder angesägten Gasleitungen, welche sich
nicht nur im New York der 1960er Jahre, sondern Ende
der 1990er Jahre auch hier zu Lande beobachten ließen.
(Holm 2012)
Als weiteren Verdrängungstyp benennt Marcuse die
sogenannte exkludierende, also ausschließende Verdrängung. Eine Voraussetzung dieser Form ist, dass der
Altmieter aus unabhängigen und individuellen Gründen seine Wohnung verlässt, ohne dass er im Sinne der
weiter vorn im Text genannten Definitionen von Verdrängung zum Umzug gezwungen wurde. Nach dem
Auszug des Altmieters durchfährt die Wohnung jedoch
eine derartige Aufwertung, dass ein mit dem Altmieter
vergleichbarer Haushalt, welcher sich durch die gleichen soziodemographischen Merkmale auszeichnet,
nicht mehr in diese Wohnung einziehen kann. Daraus
resultiert eine Reduzierung der Gesamtanzahl an Wohnungen für diese Art von Haushalten in betroffenen
Gebieten. Verbreitet ist diese Form der Verdrängung
vor allem in Wohnungsmärkten mit hoher Fluktuation.
(Holm 2012)
Die vierte Form der Verdrängung betrifft die kulturelle
Perspektive. Diese kulturelle Verdrängung tritt auf, wenn
verschiedene Gentrifizierungsprozesse beim Altmieter
sogenannte Entfremdungseffekte nach sich ziehen, da
er sich nicht mehr mit seinem Wohnort identifizieren
kann. Beispiele für solche Effekte sind der Austausch der
Nachbarschaft oder Veränderungen in den Ladennutzungen im Umkreis der Wohnung. Betroffen von dieser
Verdrängung ist auch die Klubszene, welche sich einerseits durch eine Häufung von Beschwerden oder Strafanzeigen aus der direkten Nachbarschaft, und andererseits
durch ein nicht mehr vorhandenes Publikum, oft dazu
entscheidet, aus den Gebieten, in denen die Gentrifizierung schon fortgeschritten ist, wegzuziehen.(Holm 2012)
23
BI
4.4 Schlussbemerkungen
Für Krajewski wird derjenige Personenkreis ökonomisch
verdrängt, »der trotz Mietpreisbindung und Mietobergrenzen den Mietzins nach der Modernisierung nicht
mehr zahlen kann« (Krajewski 2006: 255). Eine andere
Definition stammt von Harmut Häußermann aus dem
Jahr 2007, welcher meint, dass sich nur jene Bewohner als Verdrängte bezeichnen dürfen, »die mit der
verhandlungsorientierten Organisation der Stadterneuerung nicht zurechtkommen, weil sie ihre Verhandlungschancen nicht wahrnehmen (können) und die
bezirklichen Beratungsangebote nicht als Hilfe herbeiziehen (können)« (Häußermann 2007: 175). Alle diese
unterschiedlichen Definitionen beziehen sich auf die
verschiedenen Verdrängungsdimensionen, welche im
folgenden Kapitel näher erläutert werden.
5.3 Fazit
Obwohl die Verdrängung für viele Forscher das zentrale
Element der Gentrifizierung ist, sind alle diese Verdrängungsdimension und ihre unterschiedlichen Ausmaße
aufgrund der schwierigen Erhebung empirischen Materials nur sehr schwer nachweisbar (Simmel 2011: 98).
Untersuchungen von J. Blasius zufolge sind die sogenannten Opfer der Verdrängung beispielsweise »keineswegs, wie bislang angenommen, überwiegend Arme,
Alte, Ausländer und sonstige ökonomisch Benachteiligte« (Blasius 1994: 424). Krajewskis Untersuchungen
in Berlin zeigen, dass eindeutig individuelle Gründe für
den Wegzug dominieren (Krajewski 2006: 255). Das Koordinationsbüro zur Begleitung der Stadterneuerung in
24
Berlin gab sogar noch im Jahr 2000 an, dass 40% - 46%
der Weggezogenen nach erfolgreicher Sanierung wieder in ihre alten Wohnungen zurückkehrten (Krajewski
2006: 255).
Gentrifizierung ist also nicht umstandslos mit der Verdrängung unterer Einkommensgruppen durch den Zuzug von statushöheren und wohlhabenderen Schichten
gleichzusetzen (Krajewski 2006: 256). Es ist demnach
wichtig, besonders in der kontroversen Diskussion um
freiwillige oder erzwungene Mobilität, sich eingehend
mit dem Verdrängungsbegriff auseinander zu setzen
und zu analysieren, mit welcher Form der Verdrängung
man es im konkreten Fall zu tun hat, wenn man Lösungen für Probleme in diesem Zusammenhang finden
möchte (Holm 2012).
6 Fazit zum Themenblock
Gentrifizierung ist nach wie vor ein sehr kontrovers
diskutierter Begriff, für den es aufgrund unterschiedlichster Standpunkte und ideologischer Sichtweisen
derzeit nicht möglich ist, eine einheitliche Definition
zu finden. Das soziale Phänomen Gentrifizierung hat
ökonomische, kulturelle, politische und demografische
Ursachen, denen die lange dominanten, monokausalen
Erklärungsansätze nicht gerecht werden. Die im dritten
Kapitel dargestellten Deutungsansätze bleiben theoretische Modelle, deren Mechanismen und Akteure von
Fall zu Fall aufs Neue untersucht werden müssen. Ein
zentrales Problem der Untersuchungen bleiben dabei
fehlende empirische Belegungen, die zukünftig Schwerpunkt der Gentrifizierungsforschung sein müssen. Daher sind auch die Aspekte der Verdrängung, die für viele
Forscher das zentrale Element darstellen, meist nur
schwer mess- und nachweisbar, zumal auch Verdrängung auf verschiedene Arten und Weisen fortschreiten
kann.
7 Quellen
7.1 Literaturverzeichnis
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25
BI
Zusätzlich, als indirekte Verdrängung, zu welcher auch
die kulturelle Verdrängung gehört und zu der Holm
auch die exkludierende Verdrängung zählt (Holm 2012),
kann die Verdrängung aus dem Lebensstil bezeichnet
werden. Ein aktuelles Beispiel aus Berlin zeigt, dass vor
allen Dingen Großfamilien mit Migrationshintergrund
die steigenden Mietbelastungsquoten pro Haushalt
nicht mit Wegzug kompensieren, sondern mit der Verringerung ihres Wohnraums. Diese Kompensierung manifestiert sich meistens in der Aufnahme eines weiteren
Familienangehörigen, worauf als Folge die Mietkosten
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der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften). Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg
27
B
II »Die Funktionale Dimension der Gentrifizierung«
B II
»Heute steht das nördliche Neukölln für den
Wandel zum Künstlerquartier und wird [...] zunehmend zu einem der
vielen kulturellen Aushängeschilder Berlins.«
Clemens Mücke
Wirtschaftsentwicklung zwischen
Biotronik und Boutiquen
Im morgendlichen Markttreiben am Maybachufer, dort wo
der Landwehrkanal die beiden Ortsteile Kreuzberg und Neu- Abb. 1: Clemens Mücke
kölln trennt, treffen wir auf Clemens Mücke, Leiter der Wirtschaftsförderung Neuköllns.
In seiner Funktion kümmert er sich um die Belange von wirtschaftlichen Akteuren – in
einem Bezirk, mit welchem man vordergründig selten seine wirtschaftliche Leistung assoziiert. Lange waren stattdessen die hohen Arbeitslosenzahlen und Migrantenquoten
das Etikett des »Problembezirks« Neuköllns. Heute steht das nördliche Neukölln für den
Wandel zum Künstlerquartier und wird mit seinen Bars und Boutiquen zunehmend zu
einem der vielen kulturellen Aushängeschilder Berlins. Inwiefern sich dieser Wandel auch
in der wirtschaftlichen Struktur des Neuköllner Reuterkiezes wiederspiegelt, will Mücke
auf einem kleinen Kiezspaziergang verdeutlichen.
Als »Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf« ist der Neuköllner Reuterkiez im
Jahre 2001 in das Förderprogramm »Soziale Stadt« aufgenommen worden. Aus dieser
Zeit datiert auch das bis heute aktive Quartiersmanagement. Eine Koalition aus der Wirtschaftsförderung, der Zwischennutzungsagentur und dem Quartiersmanagement des
Reuterkiezes waren infolgedessen daran interessiert, »urbane Pioniere« mit der lokalen
Wirtschaft zu verknüpfen und so leerstehende Gewerberäume sinnvoll zu nutzen. Heute, nach mehr als einem Jahrzehnt erfolgreicher Zusammenarbeit, gebe es dementsprechend keine Leerstände mehr in den Ladenzeilen des Reuterkiezes. Der Reuterkiez, so
Mücke, profitiere in diesem Zusammenhang auch stark von der Nähe zum schon länger
aufgewerteten Kreuzberger SO36.
Auffällig sei jedoch, dass sich die Angebotsstruktur nicht allein wegen der vergleichsweise günstigen Gewerbemieten in Neukölln verändere. Stattdessen sei in den letzten
Jahren verstärkt eine Veränderung in der Nachfragestruktur festzustellen. Wie im Falle
29
Während die kleinteilige Unternehmensstruktur im
nördlichen Teil Neuköllns wächst, wird der südliche Teil
– auch aus historischen Strukturen heraus – von großen
Industriekonzernen geprägt. Das Technologieunternehmen Biotronik und der Tabakprodukthersteller Philip
Morris dominieren hier mit etwa 4000 Angestellten den
Arbeitsmarkt.
In dieser Diskrepanz, der Verfügbarkeit einer relativ hohen Anzahl von Arbeitsplätzen und der bis heute hohen
Quote von Sozialhilfeempfängern im Bezirk, zeigt sich
einer der grundlegenden Herausforderungen, der sich
die Wirtschaftsförderung Neuköllns stellen muss: Wie
kann die lokale Bevölkerung in die wirtschaftliche Entwicklung des Bezirkes eingebunden werden? Mücke
zufolge fehle häufig die geeignete Qualifikation, aber
auch konventionelle »Arbeitstugenden« bei arbeitssuchenden Migranten um in den ortsansässigen Unternehmen eine Anstellung zu finden. Schwierig sei auch
die Überführung von Hartz IV-Empfängern zu Mini-Jobs
und Erstanstellungen. Schneiderinnen zum Beispiel
könnten ihre Expertise in die wachsende Modebranche
Neuköllns einbringen. Seitens des Jobcenters sei es jedoch einfacher den vollen Sozialhilfesatz auszuzahlen,
als die kreative Tätigkeit mit der Hartz IV-Zahlung zu verrechnen.
Inwiefern die Bewohner tatsächlich von den ökonomischen Veränderungen in ihrem Bezirk profitieren, muss
also abgewartet werden. Nicht von der Hand zu weisen
ist jedoch, dass sich die Ladenzeilen des Reuterkiezes
und das Image des »Problemviertels« grundlegend
verändert haben. Die Veränderungen in ihrer ökonomischen und sozialen Dimension zu beschreiben, wird
im weiteren Verlauf des Projektes noch Inhalt unserer
Arbeit.
B II
des Café Jaques, dass direkt am Maybachufer liegt, bis
vor einiger Zeit noch ein ruhiges Dasein pflegte und von
Anwohnern geschätzt wurde. Heute könne man sich allein durch Tischreservierungen einen Platz sichern und
selbst dies wäre in Phasen wie der Berlin Fashion Week
eine Herausforderung. Ähnlich gemausert habe sich der
berühmte »Türkenmarkt« des Maybachufers von der
einfachen Nahversorgung zum touristischen Geheimtipp, angepriesen im Lonely Planet und somit strenggenommen auch kein Geheimtipp mehr.
B II
INHALTSVERZEICHNIS
1
Begriffserklärung der »funktionalen Dimension« von Gentrifizierung
32
2
Abgrenzung zu anderen Dimensionen von Gentrifizierung
33
2.1
Abgrenzung zur »retail gentrification«
33
2.2
Die Erfassung der funktionalen Dimension
34
von Gentrifizierung und ihre Bedeutung
3
Abgrenzung der Begriffe funktionale Dimension von
35
Gentrifizierung, wirtschaftlicher Wandel & funktionale Aufwertung
4
3.1
Definition wirtschaftlicher Wandel
35
3.2
Wirtschaftlicher Wandel im Bau- und Immobiliensektor
36
3.3
Wirtschaftlicher Wandel im Geschäfts- und Dienstleistungssektor
36
3.4
Definition funktionale Aufwertung
36
Quellen
37
31
1 Begriffserklärung der »funktionalen
Dimension« von Gentrifizierung
Der folgende Abschnitt führt in die funktionale Dimension von Gentrifizierung ein und grenzt diesen gegenüber
dem Begriff »Wirtschaftlichen Wandel« ab. Es werden
die typischen Branchen, die an diesem Prozess beteiligt
sind, vorgestellt und Standortmuster erklärt. Der Prozess wird anhand des Beispiel der Spandauer Vorstadt
in Berlin-Mitte erklärt. Die funktionale Dimension von
Gentrifizierung ist in der Fachliteratur bis dato wenig
behandelt. In der Folge ist die Quellenlage außergewöhnlich begrenzt.
Um die funktionale Dimension von Gentrifizierung zu
verstehen, bedarf es einer genauen Eingrenzung des
begrifflichen Geltungsbereiches, da die funktionale Aufwertung nur eine der drei Dimensionen der Gentrifizierung ist (Krajewski 2006: 62). Merkmale bzw. Symptome
einer funktionalen Aufwertung sind die Veränderungen
in der Nutzungsstruktur des untersuchten Gebiets und
die Etablierung neuer Nutzungen, die es bis dato im
Untersuchungsgebiet nicht gegeben hat. So können bedingt durch einen Prozess der funktionalen Aufwertung
kulturelle Einrichtungen entstehen, wo diese bisher
nicht nötig, möglich oder sinnvoll erschienen. Typische
Beispiele hierfür sind Galerien, Theater oder Bühnen,
Klubs oder Veranstaltungsräume. Die selbstständige Ansiedlung hochwertiger Gastronomie ist ebenso ein Indiz
für Gentrifizierung, wie die Verwirklichung von »Leuchtturm-Projekten« (Krajewski 2006: 62), also Projekten,
die nicht nur ihren eigenen Zweck, sondern auch Signalwirkung auf andere Vorhaben über das spezifische
Projekt hinaus besitzen.
32
Dimensionen von Gentrifizierung
Als Dienstleistungen (Gabler Wirtschaftslexikon) wird
die Produktion von immateriellen Gütern verstanden
(Im Gegensatz zur Warenproduktion, die materielle
Güter produziert). Typisches Merkmal von Dienstleistungen ist die Gleichzeitigkeit von Produktion und Verbrauch. Beispiele hierfür sind Friseurbesuche oder Taxifahrten. Als Einzelhandel wird der Absatz von Waren
an den Letztverbraucher durch Einzelhandelsunternehmen verstanden (Gabler Wirtschaftslexikon).
Qualitative und quantitative Änderungen haben Folgen,
sowohl für die Bewohner eines Quartiers als auch für
andere Gewerbetreibende. Wird eine Nutzungskonkurrenz in Gang gesetzt, in deren Folge die Gewerbemieten
stark ansteigen, können bestimmte Nutzungen (Schuster, Bäcker...) verdrängt oder sogar ausgeschlossen werden (Bröcker 2011: 102).
»Die Ausstattung eines Quartieres mit Einzelhandel und
Dienstleistungsbetrieben ist unter mehreren Aspekten
wichtig: Quartiersinterne Betriebe bieten wohnungsnahe Arbeits- und Ausbildungsplätze und sichern auch
die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs in fußläufiger Entfernung. Sie sind somit nicht nur für Senioren oder körperlich eingeschränkte Menschen wichtig,
sondern können auch als Ausdruck der Lebensqualität
in einem Viertel gesehen werden.« (Rettberg 2011: 87)
Neben der funktionalen Aufwertung sind noch zwei
weitere Dimensionen als Teil des Begriffs Gentrifizierung zu verstehen. Zum einen die bauliche Aufwertung
und zum anderen die soziale Aufwertung (Krajewski
2006: 62). Die bauliche Aufwertung umfasst neben der
Sanierung und dem Neubau von Gebäuden auch die
Nachverdichtung bestehender Baustrukturen. Inhärent
ist die Instandsetzung bzw. Erneuerung sowohl von Gebäuden als auch von Wohnungen durch private Investoren und öffentliche Förderung (Krajewski 2006: 62). Veränderungen des Wohnumfeldes und der Infrastruktur,
z.B. Straßenbau oder die verbesserte Einbindung in den
ÖPNV sind ebenfalls Teil der Dimension der baulichen
Aufwertung.
Die Dimension der sozialen Aufwertung beinhaltet neben dem (sukzessiven) Austausch der Bewohner auch
Veränderungen in der Sozialstruktur (Krajewski 2006:
62). Der Zuzug von sozialen Gruppen mit höherem
Bildungsgrad und höherem Einkommen aus anderen
Quartieren ist ebenso Bestandteil der sozialen Aufwertung, wie die Zunahme der Besucherzahlen von Städtetouristen (»Touristification«). Dass der Begriff »soziale
Aufwertung« möglicherweise unangebracht ist, zeigt
die häufige Umformulierung in den Begriff des »sozialen Wandels« (Rettberg 2011: 65).
Eine erweiterte Dimension der Gentrifizierung ist die
symbolische Aufwertung, die entweder als übergeordnete Dimension von Gentrifizierung zu sehen ist (Krajewski 2006: 62) oder als den anderen Dimensionen
gleichwertig (Rettberg 2011: 65). Die symbolische Aufwertung wird durch verschiedene Akteure (Politik, Medien, Kultur, Besucher ...) geprägt und ist die Dimension
der Image- oder Mythosbildung eines Ortes bzw. eines
Gebiets.
Die Abgrenzung der verschiedenen Dimensionen von
Gentrifizierung ist aufgrund der wechselseitigen inhaltlichen Verflechtungen vieler Aspekte eher theoretische Natur. Tatsächlich gehen die einzelnen Dimensionen funktionaler Aufwertung Hand in Hand. Die
Sanierung von Gebäuden (bauliche Aufwertung) kann
beispielsweise den Austausch von Bewohnern (soziale
Aufwertung/Wandel) mit sich bringen und neue Nutzungen (funktionale Aufwertung) beinhalten, die dann
z.B. durch Medien aufgegriffen und verbreitet werden
(symbolische Aufwertung), was wiederum weitere bauliche und soziale Veränderungen begünstigen und die
Gentrifizierung beschleunigen kann.
2.1 Abgrenzung zur »retail gentrification«
Im englischsprachigen Forschungsraum wird die funktionale Dimension von Gentrifizierung vor allem als »retail
gentrification« diskutiert. Wichtig ist hier zu bemerken,
dass der Begriff »retail«, zu Deutsch »Einzelhandel«,
enger gefasst ist, als der der funktionalen Aufwertung.
Ist von »retail gentrification« die Rede, ist vorrangig die
Veränderung im Einzelhandelssektor gemeint und ob
innerhalb dieses Sektors Gentrifizierung zu beobachten ist. Um diese Erscheinungen dokumentieren und
analysieren zu können, ist eine Untersuchung der bestehenden Strukturen des von »retail gentrification«
betroffenen Gebiets unabdingbar. Zudem werden beim
Betrachten der jeweiligen Situation die individuellen
Auswirkungen der Gentrifizierung sichtbar. Um »retail
gentrification« zu untersuchen, muss davon ausgegangen werden, dass sich die Vorbedingungen von Untersuchungsraum zu Untersuchungsraum unterscheiden.
So wird Gentrifizierung im Einzelhandel in Sydney anders ablaufen als in London, in Berlin-Neukölln oder in
Barcelona, da die örtlichen Ausgangsvoraussetzungen
strukturell unterschiedlich sind. Verlauf und Symptome
der Gentrifizierung werden sich dagegen in den Untersuchungsgebieten gleichen, durchlaufen sie doch alle
33
B II
2 Abgrenzung zu anderen
Ein Beispiel für die Auswirkungen von »retail gentrification« sind die Veränderungen in Ciutat Vella, einem
Stadtteil in der Altstadt Barcelonas, der von Gentrifizierung betroffen ist (Pascal-Molinas/Ribera Fumaz 2009:
187-189). In Ciutat Vella wurden schließende Einzelhandelsgeschäfte zumeist durch Geschäfte ersetzt, deren
Sortiment und Ausrichtung sich vor allem an Gentrifiern
(Begriffserklärung siehe Ausarbeitung zum Thema »Akteure einer Gentrifizierung«) und Touristen orientiert.
Steigende Gewerbemieten verhinderten die Neuansiedlung von Einzelhandel, der den Bedarf der Stammbevölkerung bedient. Diese Umstände führten zu einer Versorgungslücke vor allem bei älteren Menschen mit im
Verhältnis niedrigeren Einkommen und eingeschränkter
Mobilität. In der Folge hat die Stadt Barcelona eingegriffen und vakante Gebäude und Gelände aufgekauft,
um sie gezielt so zu vermieten, dass auch der Bedarf
der (alteingesessenen) Lokalbevölkerung bedient wird,
auch wenn letztendlich eine Nutzungsmischung zu beobachten ist, der den Bedürfnissen von Gentrifiern und
Touristen gleichermaßen gerecht wird. Ob diese Maßnahmen Erfolg haben, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass »retail gentrification« Gentrifizierung allgemein beeinflussen und beschleunigen kann.
2.2 Die Erfassung der funktionalen
Dimension von Gentrifizierung
und ihre Bedeutung
Um die funktionale Dimension von Gentrifizierung zu
erfassen, bedarf es einer genauen und detaillierten
Analyse der Strukturen im Untersuchungsgebiet, insbesondere der Einzelhandels- und Dienstleistungsstruktur.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der qualitativen und quantitativen Ausweitung des Angebots. Ist
eine Ausweitung zu beobachten und wenn ja, in welchem Rahmen? Dabei empfiehlt sich die Berücksichtigung sowohl aktueller Daten als auch historischer Informationen, soweit dies möglich ist. Eine Bestandsanalyse
und Beobachtung kann also durch historische Daten ergänzt werden, um ein detailliertes Bild der Entwicklung
der funktionalen Dimension zu erhalten. Je detaillierter
die Analyse ist, desto genauer können Rückschlüsse auf
bestimmte Aspekte gezogen werden.
Beispiel für eine detaillierte und zielgerichtete Gebietsanalyse ist die Datenerhebung von Rettberg zum Stand
der funktionalen Aufwertung im Reuterquartier in Berlin-Neukölln (2011: 86-100). Eine durchgeführt Nutzungskartierung gibt hier Aufschluss über den aktuellen
Nutzungsstand und lässt Rückschlüsse auf eventuell
einsetzende Gentrifizierung zu.
3 Abgrenzung der Begriffe funktionale
»The disappearance of traditional retail shops oriented
to the needs of the non-gentry-locals accelerates their
expulsion from their homes and makes the area more
attractive for new waves of investment and middle-class
in-migration. At the same time, new gentry retails aids
the process of attracting the newly arrived residents
and tourists.« (Pascal-Molinas/Ribera Fumaz 2009: 189)
Dimension von Gentrifizierung,
wirtschaftlicher Wandel
& funktionale Aufwertung
Abb. 2: Ausschnitt der Nutzungskartierung durch Rettberg
34
Auf welche Fragen können Datenerhebungen zur funktionalen Aufwertung eine Antwort geben? Es kommt
darauf an ob es eine quantitative und qualitative Ausweitung des Angebots im Einzelhandels- und Dienstleistungssektor überhaupt gibt und ob eine mögliche
Veränderung zu Lasten der bestehenden Strukturen erfolgt. Sie gibt Aufschluss, welche Geschäfte und Dienstleistungen betroffen sind und wie groß das Ausmaß der
Veränderung ist und ob diese Veränderung als Verdrängung gesehen werden kann. Deutlich wird auch eine bestehende oder drohende Auswirkung auf die Bewohner
und die Bewohnerstruktur des untersuchten Gebiets.
Die funktionale Dimension von Gentrifizierung ist, wie
bereits in der Definition des ersten Kapitels beschrieben, nur ein Aspekt von Gentrifizierung, der die ökonomische Sichtweise des Phänomens, eines qualitativen
Bevölkerungsaustausches in zentrumsnahen Wohngebieten durch »Umgestaltung des Wohnungsbestandes
aufgrund von Modernisierung, Umwandlung von Mietin Eigentumswohnungen und Neubau von Eigentumswohnungen […]« (Blasius 1990: 11) betrachtet. Im folgenden Kapitel werden die kausalen Verbindungen und
Wechselwirkungen der funktionalen Dimension, dem
daraus entstehenden wirtschaftlichen Wandel und die
Folge der funktionalen Aufwertung in den betroffenen
Stadtteilen unter dem Gesichtspunkt der Gentrifizierung behandelt.
3.1 Definition wirtschaftlicher Wandel
Der wirtschaftliche Wandel im Kontext der funktionalen Gentrifizierung beschreibt jene »retail gentrification«, die in Kapitel 2.1. beschrieben ist - ergänzt durch
einen Umstrukturierungs- bzw. Aufwertungsprozess
des Immobilienmarktes, die damit verbundenen erhöhten Bodenpreise, die Veränderung der gesamten Infrastruktur- außerdem die Verdrängung alteingesessener,
einheimischer Geschäfts- und Dienstleistungsunternehmen und die daraus entstehende Sukzession von neuen, möglicherweise unkonventionellen Geschäften und
Dienstleistungen in den vom Gentrifizierungsprozess
betroffenen Quartieren (Falk 1994: 80 ff.).
Durch weiche Standortfaktoren leiten in der ersten Phase des Invasions-Sukzessions-Zyklus »Pioniere«, junge
Menschen zwischen 18-35 Jahre alt, die zudem meist
gebildet sind – oft Studenten, die in sozial benachteiligte, baulich vernachlässigte, zentrumsnahen Stadtquartiere ziehen, den Anfang des Gentrifizierungsprozesses
ein. Durch studentische Lebensstile werden zuvor unauffällige Quartiere zunehmend als besonderer, hipper
und attraktiver Wohnstandort wahrgenommen. Verstärkt wird diese Wahrnehmung, der noch nicht der
funktionalen Aufwertung unterliegenden Stadtquartiere, durch mediale Aufmerksamkeit, die ein eigenständiges kulturelles Objekt innerhalb der Stadt suggerieren.
Die gefühlte Aufwertung dieser Quartiere, »wird als
Transformationsmedium für die Verwandlung kulturellen Kapitals in einen ökonomischen Mehrwert verstanden« (Zukin 1998: 27 ff.).
35
B II
einen Prozess, dessen Aufwertungscharakter miteinander vergleichbar ist und letztlich zum gleichen Endergebnis führt, i.e. eine der Gentrifizierung angepasste
Struktur des Einzelhandels.
Ausgehend von den Daten Rettbergs lässt sich die Datenerhebung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholen
und so feststellen, welche weiteren Veränderung im
Untersuchungsgebiet aufgetreten sind (Daten 2008 vs.
2013). Wichtig ist dabei das identische Vorgehen, um
die Ergebnisse nicht zu verfälschen. Hat die Datenerhebung einen soziostrukturellen Charakter, lassen sich
die zeitlichen Ebenen in einer Untersuchung vereinigen,
indem z.B. Personen befragt werden, die sich zu verschiedenen Zeitpunkten in einem Untersuchungsgebiet
angesiedelt haben (Bewohner seit 1992 vs. 2002). Über
eine detaillierte Analyse der Bewohnerstruktur können
wertvolle Erkenntnisse, auch über die funktionale Aufwertung gewonnen werden.
Bau- und Immobiliensektor
In den folgenden Phasen des Invasions-Sukzessions-Zyklus wird das Wohngebiet der zumeist einkommensschwachen Pioniere und bürgerlichen Haushalte für
sogenannte einkommensstarke »Gentrifier« besonders
begehrens- und wohnenswert. Letztere wollen quasi
dort wohnen, wo reges, junges Leben noch stattfindet
in der Gesellschaft. »Steigende Bodenpreise und Mieten sind erste Anzeichen dafür, dass die Immobilienwirtschaft die Besonderheit des Ortes ökonomisch zu
verwerten versucht […]« (Zukin 1998: 27 ff.).
Die neu empfundene Attraktivität, nutzen nationale
sowie internationale Großinvestoren und viele private
Eigentümer dazu, das lukrative und gewinnmaximierende »Sanierungsgeschäft« immer weiter voranzutreiben,
nicht zuletzt weil ihnen die hohe Nachfrage und das geringe Angebot, modernisierter Wohnungen und Appartements in die Hände spielt. »Ein durch Erneuerungsmaßnahmen steigender Gebäudewert (value-gap) zieht
hiernach später eine Erhöhung des Grundstückswertes
(rent-gap) nach sich.« (Breckner 2010: 28).
Weitere Informationen zu der Rolle der Immobilienwirtschaft können Sie in der folgenden Ausarbeitung zum
Thema »Akteure einer Gentrifizierung« unter Kapitel
2.5 nachlesen.
3.3 Wirtschaftlicher Wandel im
Geschäfts- und Dienstleistungssektor
»Die Veränderung innenstadtnaher Wohnviertel kann
als Folge bzw. als kleinräumige Widerspiegelung globaler ökonomischer Prozesse angesehen werden« (Blasius
1990: 20). Die Gentrifier, die als einkommensstark und
somit kaufkräftiger- zumindest im Vergleich zu den Pionieren gelten, haben dementsprechend mehr Geld übrig am Ende des Monats, um diese in den wirtschaftlichen Kreislauf wiedereinzuführen. Höheres Einkommen
bedeutet mehr Lebensqualität; dies wird auch bei der
36
Auswahl von Lebensmittel und Genussmittel sichtbar.
Exklusive, subjektiv unterschiedlich wahrgenommene
Bio-Läden, die eine gesunde und unbelastete Versorgung sicherstellen, haben zur Folge, dass größere Discounter sich in diesen Quartieren zurückziehen und
somit die Lebensgrundlage bzw. die infrastrukturelle
Existenzgrundlage für geringverdienende Haushalte
bedrohen. Einkommensschwache Haushalte, hätten einen Mehraufwand, um ihre Bedürfnisse des täglichen
Lebens zu befriedigen. Die Neuansiedlung von vielen
neuen Branchen, exklusive Restaurants, Szene-Kneipen,
Weinstuben, die Errichtung hipper Cafés und Bistros,
Clubs und Bars sind ohne Verdrängung von alteingesessen, einheimischen und vor allem einfachen Geschäften und Dienstleistungsunternehmen nicht vorstellbar,
da diese aufgrund vom Wegzug alter Kunden und von
Nachfrageeinbrüchen, meist insolvent werden. (Krajewski 2006: 100)
3.4 Definition funktionale Aufwertung
Die funktionale Aufwertung beschreibt den Anstieg der
wirtschaftlichen Gesamtleistung eines von Gentrifizierung betroffenen Quartiers in Verknüpfung mit eine
besser ausgebauten Infrastruktur für dieses Gebiet. Indikatoren für die funktionale Aufwertung sind daher der
quantitative und qualitative Anstieg von Einzelhandelsund Dienstleistungseinrichtungen, die eine zentrale Dimension der Gentrifizierung als Transformationsfolge
bzw. wirtschaftlichen Wandel darstellen. Dieser Wandel
macht sich auch in der Infrastruktur bemerkbar, etwa
wenn besser-effizientere und günstigere Verkehrsverbindungen zwischen den Versorgungs- und Nutzungsangeboten zur Verfügung stehen und somit das alltägliche Leben in der Stadt - ob nun kürzere Wege zum
Einkaufen oder zum Arbeitsplatz, einfacher und bequemer gestalten. (Blasius 1990: 55)
4 Quellen
4.1 Literaturverzeichnis
4.2 Abbildungsverzeichnis
Bröcker, Katrin (2011): Metropolen im Wandel. Gentrification in Berlin und Paris. Büchner-Verlag, Darmstadt.
Abb. 1: Clemens Mücke; Quelle: http://www.berlin.
de/ba-neukoelln/wirtschaftsfoerderung/wir-ueberuns/020810bp034.jpg Zugriff: 02.11.2014
Falk, Wilhelm (1994): Städtische Quartiere und Aufwertung. Wo ist Gentrification möglich?. Birkhäuser Verlag,
Basel.
Krajewski, Christian (2006): Berlin Stadt-Entwicklungen
zwischen Kiez und Metropole seit der Wiedervereinigung. Arbeitsgemeinschaft Angewandte Geographie,
Münster.
Pascal-Molinas, Ramon/Ribera Fumaz, Nuria (2009):
Retail gentrification in Ciutat Villa, Barcelona. In: Shaw,
Kate (Hrsg.): Whose Urban Renaissance? An international comparison of urban regeneration strategies. Routledge, New York 2009, S. 180-191.
Rettberg, Wiebke (2011): Revitalisierungsprozesse als
Wegbereiter für Gentrifikation. Eine Untersuchung am
Beispiel des Reuterquartiers in Berlin-Neukölln. VDM
Verlag Dr. Müller, Saarbrücken.
Blasius, Jörg / Dangschat, Jens(Hrsg.) (1990): Gentrification. Die Aufwertung innenstadtnaher Wohnviertel.
Campus Verlag, Frankfurt/Main; New York.
Zukin, Sharon (1998): Städte und die Ökonomie der
Symbole. In: Kirchberg, Volker/ Göschel, Albrecht
(Hrsg.): Kultur in der Stadt. Soziologische Analysen zur
Kultur. Leskke + Budrich, Opladen.
Abb. 2: Der Stand der Aufwertung im Reuterquartier;
Quelle: Rettberg, Wiebke (2011): Revitalisierungsprozesse als Wegbereiter für Gentrifikation. Eine Untersuchung am Beispiel des Reuterquartiers in Berlin-Neukölln. S. 95
4.3 Onlinequellen
Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Dienstleistungen, verfügbar
unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/770/
dienstleistungen-v12.html (Abrufdatum 24.11.2013)
Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Einzelhandel, verfügbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/56427/
einzelhandel-v4.html (Abrufdatum 24.11.2013)
Breckner, Ingrid (2010): Gentrifizierung im 21. Jahrhundert, in: APuZ, H. 17, S. 27-32, verfügbar unter: http://
www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32801/stadtentwicklung, Zugriff am 21.11.2013.
37
B II
3.2 Wirtschaftlicher Wandel im
C
Exkursion nach Kraków
Reflexion über den Krakówer Stadtteil Podgórze
In der ersten Maihälfte 2014 unternahm die Projektgruppe eine Studienexkursion nach Kraków. Ziel der
Reise war es, den Umgang anderer Stadtpolitiken mit
Themen, mit denen wir uns im Projekt beschäftigten,
kennenzulernen. Dementsprechend standen die Thematiken Imagewandel von urbanen Räumen und die
funktionale Dimension der Gentrifizierung im Blickpunkt
unserer Ortstermine. Der Schwerpunkt lag daher auf
der Erweiterung unseres stadtplanerischen Horizonts
und weniger auf der Erarbeitung eigener Forschungsarbeiten.
Der nachfolgende Textauszug soll die Eindrücke vermitteln, die wir beim Besuch des Krakówer Stadtteils Podgórze sammeln konnten:
Eine Fußgängerbrücke verbindet die beiden Stadtteile Kazimierz und Podgórze miteinander. Steht man am
nördlichen Weichselufer und blickt nach Podgórze, erkennt man herrschaftliche Wohnhauser aus dem 18.
Jahrhundert sowie Architekturen aus dem heutigen,
deren Erscheinung zwischen bemerkenswert und merkwürdig rangieren. Einfach gesprochen liegen in diesem
Blick nicht viele Gründe um die Weichselseite zu wechseln.
Hätte ich vorab über den Stadtteil recherchiert, wüsste
ich, dass Podgórze als ehemaliges Ghetto unweigerlich
mit der jüdischen Geschichte der Stadt verbunden ist
und dass dieser bittere Beigeschmack lange Zeit die
Wertschätzung gegenüber Podgórze gehemmt hat –
lange Zeit galt es als das »forgotten quarter«, dessen
Bevölkerung sich nach der Ermordung der Juden nicht
mit dem Viertel identifizieren konnte und wollte. Und
ich wüsste wohl, dass gerade die Fußgängerbrücke einer der Faktoren ist, der die wirtschaftliche Entwicklung
über die Weichsel nach Podgorze gebracht hat.
Eingerahmt zwischen dem Fluss und den Lasota-Hügeln präsentiert sich das ehemalige Ghetto heute als
entdeckungswürdiges Stadtviertel, das einerseits den
historischen Charme von Kazimierz in nichts nach steht,
andererseits aber auch noch weiße Flecken auf der
Stadtkarte aufweist, nach denen man in den touristischen Einzugsgebieten des Zentrums vergeblich sucht.
Historische wertvoll sind vor allem der Rathausplatz
samt der St. Joseph Kirche, die sich hinter der ersten
Häuserreihe am Weichselufer auftut und als Aushängeschild Podgórzes dienen würde, wäre sie nicht von den
architektonischen Auswüchsen der letzten Jahre verdeckt. Im Westen Podgórzes schließt sich ein Industriegebiet der vorletzten Jahrhundertwende, das in mehrerer Hinsicht erwähnenswert ist. Zum einen befindet sich
hier die berühmte Fabrik von Oskar Schindler - Endstation der elektronischen Touristenmobile, die in Kazimierz
die Straßen verstopfen.
Zudem sind die brachen Fabrikanlagen brauchbare
Räumlichkeit für die Kreativen Krakaus, die hier von
günstigen Mieten und Lokalisationseffekten profitieren. Wer sich im sozialistischen Büromonstrum in der
Tadeusza Romanowicza-Straße verliert, könnte sich der
Atmosphäre her auch in einem Kreuzberger Gewerbehof vermuten. Und wer im Café Bal einen Cappuccino
trinkt, könnte der Vorkriegsmelancholie von Kazimierz
atmosphärisch nicht ferner sein.
Es lohnt sich also die Weichsel nach Podgórze zu überqueren. Dieser Stadtteil hat sich der Entwicklung des
Krakauer Zentrums angeschlossen, nutzt sein historisches Erbe als touristisches und gewerbliches Potenzial,
entwickelt sich aber gleichzeitig zu einem urbanen, lebensweltlich orientierten Raum. Dabei zeigt Podgórze,
dass es mehr als das Rudiment eines ehemaligen Ghettos ist und öffnet sich über die Fußgängerbrücke zum
Zentrum ohne seinen eigenen Charme vollständig an
den Tourismus zu verlieren.
39
C
»Wer sich im sozialistischen Büromonstrum
in der RomanowiczaStraSSe verliert, könnte
sich atmosphärisch auch
in einem KReuzberger
Gewerbehof vermuten. «
D
Rückblende und
Positionierung
D
»Inwieweit unterliegt
die Gewerbestruktur
des Reuterkiezes einem
imagebedingtem Wandel?«
Die erste Hälfte unserer Projektarbeit diente einem überblickshaften Einstieg in die Thematik der Gentrifizierung (Kapitel B 1.) und speziell ihrer funktionalen Dimension (Kapitel
B 2.). Auch auf unserer Projektfahrt nach Kraków (Kapitel C) beschäftigten wir uns vorrangig mit Thematiken der wirtschaftlichen Stadtteilentwicklung. Gemäß des eigentlichen
Projekttitels war es offensichtlich, dass sich unsere weitere Arbeit mit der funktionalen
Dimension beschäftigen müsse und weniger mit der sozialwissenschaftlichen Frage der
Verdrängung von Einwohnern.
Natürlich war die Gentrifizierungsthematik von einem durchgehenden Diskurs im Plenum begleitet, der von den Expertenbesuchen weiter verstärkt wurde. Daher war eine
gemeinsame neue Definition der funktionalen Dimension der Gentrifizierung vonnöten,
die leicht verändert nach Krajewski 2002 heißt:
»Die funktionale Dimension von Gentrifizierung umfasst Veränderungen des qualitativen
und die Ausweitung des quantitativen Angebots im Dienstleistung- und Einzelhandelssektor. Merkmale bzw. Symptome sind die Veränderungen in der Nutzungsstruktur des
untersuchten Gebiets und die Etablierung neuer Nutzungen, die es bis dato im Untersuchungsgebiet nicht gegeben hat.«
Die funktionale Dimension ist daher ein eher nachgelagerter und verstärkender Effekt der
Gentrifizierung, kann aber in Einzelfällen auch eine auslösende Funktion einnehmen, die
durch eine besondere Nutzung bei großen Leuchtturmprojekten oder „Stätten des Massenkonsums« entstehen kann. Sie ist zudem die „sichtbarste« Dimension der Gentrifizierung und bietet sich auch dadurch für unsere Untersuchungen vor Ort an.
Das große theoretische Konstrukt auf die lokale Ebene zu bringen war damit die nächste
große Herausforderung für das Projekt. Inwiefern wir als Projekt mit der Komplexität der
Gentrifizierungsthematik umgehen können, ließ grundlegende Kontroversen entstehen:
Die Frage, ob eine funktionale Gentrifizierung im Reuterkiez stattfindet oder nicht, lässt
sich – so waren wir uns einig – nicht im Rahmen eines Jahres beantworten. Vielmehr war
es notwendig, die Thematik nochmals einzugrenzen, um die empirische Analyse der lokalen Begebenheiten im zweiten Semester beginnen zu können.
41
Bevor dies im Speziellen im Reuterkiez untersucht werden kann, bedarf es einer Aneignung von Grundlagenwissen zum Untersuchungsgebiet (Kapitel E 1. und E 2.)
und dem Thema Image in der Stadtforschung (Kapitel
E 3.2). Weiterhin muss sich mit dem expliziten Image
von Neukölln und dem Reuterkiez beschäftigt werden
(Kapitel E 3.).
Es zeigt sich also, dass wir uns als Projekt dagegen entschieden haben, als weitere Stimme in den Gentrifizierungskanon einzusetzen, indem wir die Entwicklungen
im Reuterkiez auf die Verdrängung von Geschäften und
seinen Inhabern untersuchen. Vielmehr ist es unser Anliegen, die sozial- und wirtschaftswissenschaftlich nicht
minder interessante Frage nach dem Zusammenhang
von Imagewandel und wirtschaftlicher Stadtteilentwicklung zu beantworten und damit die wirtschaftliche Situation des Reuterkiezes verstehen und einordnen zu
können.
Selbstverständlich muss die untersuchte Thematik weiter eingegrenzt werden - die Formulierung einer Forschungsfrage war daher unumgänglich. Sie lautet:
Inwieweit unterliegt die Gewerbestruktur des Reuterkiezes einem imagebedingtem Wandel?
Zur Operationalisierung wurde die Frage zweigeteilt.
Zum einen muss untersucht werden „in welchem Umfang sich die Gewerbestruktur im Reuterkiez in den letzten x Jahren verändert hat“ und zum anderen „welche
Rolle ‘Image‘ in der Standortentscheidung zuziehender
Unternehmen gespielt hat“. Dazu bedarf es der Kombination von sowohl quantitativen als auch qualitativen
Forschungsmethoden.
42
Grundlage zur Beantwortung der ersten Teilfrage ist
eine aktuelle Kartierung aller Wirtschaftseinheiten im
Reuterkiez (Kapitel F). Als Vergleich konnte auf eine Erhebung der Wirtschaftseinheiten in Erdgeschosslagen
aus dem Jahr 2004 zurückgegriffen werden (Kapitel F
2.), so dass sich der untersuchte Zeitraum auf die letzten zehn Jahre begrenzt. Daraus gilt es in der anschließenden Analyse (Kapitel F 3.) abzuleiten, welche quantitativen Veränderungen dahingehend stattgefunden und
welche Branchen zunehmend im Kiez Einzug gehalten
haben.
Darauf basierend wird schließlich die zweite Teilfrage
mittels einer Befragung der zugezogenen Unternehmen
im Reuterkiez beantwortet (Kapitel G), was in Form von
leitfadengestützten Interviews mit den verantwortlichen Gewerbetreibenden geschieht (Kapitel G II). Wir
wollen somit die Standortfaktoren und Besonderheiten
des Kiezes analysieren und die Rolle der Unternehmen
als Akteure in der wirtschaftlichen Stadtteilentwicklung
untersuchen (Kapitel G III). Die Ergebnisse aus der Analyse der beiden Teilfragen münden schließlich in der
Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage
(Kapitel H). Abschließend haben wir Erfahrungen, die
wir im Verlauf des Projekts gesammelt haben und Herausforderungen, denen wir begegnet sind, formuliert
(Kapitel I).
D
Besonders die beiden Themenbestandteile „Imagewandel“ und der „Wandel in der Gewerbestruktur“ bzw. die
Fragen, was davon vor- oder nachgelagert ist und ob
die Punkte selbstverstärkend oder autark voneinander
agieren, erschienen uns weiterer Nachforschung wert.
Welche Rolle „Image“ in der Standortentscheidung zuziehender Unternehmen im Reuterkiez spielt, ist daher
ein weiterer Schwerpunkt unserer Projektarbeit.
E
I »Gewerbe«
EI
»Die Zwischennutzungsagentur vermittelte [...]
56 ungenutzte Gewerberäume zu teilweise kostenloser Miete und half
damit bei der Entstehung
von über 200 neuen Arbeitsplätzen«
INHALTSVERZEICHNIS
1
Einleitung und Definition
46
2
Historie
46
3
Beispiele für Akteure der Wirtschaftsförderung
48
3.1
Bundesebene
48
3.2
Städtische Ebene
48
3.3
Bezirksebene
48
3.3.1
Wirtschaftsförderung Neukölln
48
3.3.2
Zwischennutzungsagentur
49
3.4
Quartiersmanagement
49
3.5
Verbände
49
3.5.1
Akteur Kreative Netzwerke
49
3.5.2
Unternehmernetzwerkstammtisch Berlin
50
4
Fazit
50
5
Quellen
50
45
Der folgende Text geht auf die Geschichte und die Entwicklung des Gewerbestandortes Reuterkiez ein. Dabei
wird im zweiten Kapitel auf den historischen Hintergrund von Gewerbeansiedlungen am Maybachufer und
der Entwicklung des Markts am Standort eingegangen.
Im dritten Kapitel wird die jüngste Entwicklung im Kiez
durch verschiedene Akteure der Wirtschaftsförderung
aufgezeigt. Somit können im Rahmen der Forschungsfrage Rückschlüsse über eventuelle Ursachen des Wandels der Gewerbestruktur im Reuterkiez gezogen werden. Ziel ist es, den Gewerbebegriff klar zu definieren
und, neben den historischen Fakten, anhand von Beispielen einen Überblick über jüngere und aktuelle Maßnahmen im Rahmen der Wirtschaftsförderung im Reuterkiez zu geben. Aus diesem Grund und zum besseren
Verständnis des Textes wird diesem im Folgenden die
Definition von Gewerbe, welche sich in der Rechtsprechung durchgesetzt hat, voran gestellt:
»Ein Gewerbe ist jede erlaubte selbständige zum Zwecke der Gewinnerzielung vorgenommene nach außen
erkennbare Tätigkeit, die planmäßig und für eine gewisse Dauer ausgeübt wird und kein ‚freier Beruf‘ ist.«
(EinbockGmbH 2013)
2 Historie
Geschichte des Gewerbes im Reuterkiez
Die Entwicklung des Reuterkiezes zu einem bewohnbaren Quartier machte durch den Ausbau des Landwehrkanals einen enormen Fortschritt. Der 1845 neu
entstandene Transportweg nach Neukölln sowie der
Kottbusser Damm als Verbindungsstraße nach Berlin ließen den Reuterkiez zu einem verkehrsgünstigen
Standort werden, sodass sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts das erste Gewerbe dort niederließ und den Ursprung des heutigen Reuterquartiers bildete. Darunter
fanden sich auch viele große Fabriken, die sich nach und
nach zu einem kleinen Industrieviertel am Maybachufer und Kottbusser Damm verdichteten. Vor allem die
Lagerplätze am Wasser boten für das verarbeitende Gewerbe einen großen Vorteil, da auf diesem Weg schnell
46
Die ersten großen baulichen Veränderungen im Reuterkiez traten erst wieder mit dem nationalsozialistischen
Regime auf, da viele Gebäude politisch umgenutzt wurden. So wurde zum Beispiel im Komplex der Firma Pfaff
die zentrale Dienststelle der Nationalsozialistischen
Volkswohlfahrt eingerichtet.
Nach dem 2. Weltkrieg war ein Großteil der Gebäude
im Reuterquartier zerstört oder beschädigt, sodass sich
die Beseitigung der Schäden und der Wiederaufbau bis
in die 50er Jahre zogen. Danach wurde vermehrt die
soziale Infrastruktur ausgebaut, welche bis zu diesem
Zeitpunkt im gesamten Kiez stark vernachlässigt worden war. So entstanden bis 1960 neben neuen Wohnblöcken viele Kinder- und Jugendeinrichtungen. Die
Gewerbehöfe erfuhren eine teilweise Umnutzung in
Wohnungen, da den Besitzern oft die gewerbliche Nutzung nicht genehmigt wurde, sodass sich die meist kleinen Gewerbebetriebe das Gebäude mit Familien teilten
(Bach/Hüge 2004).
Heute handelt sich bei den im Reuterkiez ansässigen
Gewerbebetrieben überwiegend um Klein- und Kleinstbetriebe, die im produzierenden, verarbeitenden und
Dienstleistungssektor tätig sind. Die genaue prozentuale Verteilung dieser wird im Kapitel F II aufgegriffen und
die daraus folgenden Konsequenzen für das Quartier
entschlüsselt.
Entwicklung des Marktes am Maybachufer und seine
wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle
Der Markt am Maybachufer hat eine lange Tradition
und trägt seit mehr als 130 Jahren zur wirtschaftlichen
Entwicklung des Reuterkiezes bei. Seitdem der Markt
1881 aufgrund der guten Lage am Kanal gegründet wurde und zwischenzeitlich über 700 Stände beinhaltete,
überstand er die beiden Weltkriege nahezu ohne Pause
und entwickelte sich seit den 1970er Jahren aufgrund
der hohen Anzahl an türkischstämmigen Verkäufern
zum sogenannten „Türkenmarkt“. Nach wirtschaftlichen
Schwierigkeiten erfolgte im Jahre 2006 eine Konzeptänderung, welche den Imagewechsel zur Folge hatte,
wofür er heute bis über die Grenzen Berlins bekannt
ist. Seitdem heißt der Markt offiziell „BIOriental“ und
ist kein reiner Obst- und Gemüsemarkt mehr, sondern
bietet den Besuchern auch ein vielfältiges kulinarisches
Angebot und eine größere Auswahl an Bio-Produkten.
(Mühlparzer 2013)
Heute ist der Markt mit zirka 150 Ständen auf 7500m²
der zweitgrößte Wochenmarkt Berlins und zieht pro
Markttag mehr als 10.000 Besucher an. Die Zahl der
türkisch- und arabischstämmigen Händler hat sich von
ehemals 80-90% auf 60-70% reduziert. Er findet zweimal wöchentlich, jeweils dienstags und freitags, statt
und ist als Touristenmagnet aus Reiseführern nicht
mehr wegzudenken. (TAZ. Die Tageszeitung 2011)
Seit dem Jahr 2012 gibt es zwei neue Märkte am Maybachufer: Den Stoffmarkt „Neuköllner Stoff“, welcher
wöchentlich am Samstag stattfindet und auch als Leistungsschau kleinerer Betriebe wie auch Werkstätten aus
Neukölln gilt, sowie den Flohmarkt „Nowkoelln Flowmarkt“, welcher zweiwöchentlich am Sonntag stattfindet und außer Gebrauchtwaren sowie antiken Gegenständen auch ein kulinarisches Angebot und Live-Musik
zu bieten hat (Schiedlofsky o. J. und NOWKOELLN Flowmarkt 2014). Somit gibt es am Maybachufer im Wechsel entweder drei oder vier Markttage pro Woche, was
schon vor der Eröffnung des Neuköllner Stoffmarkts zu
Anwohnerprotesten aufgrund der Schmutz- und Lärmbelastung führte (Berliner Zeitung 2011).
Der Markt spielt eine tragende Rolle in der Nahversorgungssituation des Reuterkiezes. Bei einer Kundenbefragung aus dem Jahre 2004 (d. h. bevor der Reuterkiez
in den medialen Fokus der Gentrifizierung kam) wurde
allerdings deutlich, dass zwei Drittel der Befragten nicht
aus der näheren Umgebung kamen und nur selten den
Markt aufsuchten – das genaue Gegenteil zu den Befragten des Marktes auf dem Hermannplatz, unter denen zwei Drittel aussagten, dass sie aus der unmittelbaren Umgebung seien (JoFoTec 2004).
Der Bekanntheitsgrad und der Einzugsbereich dürfte
sich seit der Befragung weiter vergrößert haben, besonders seit der Installierung der zwei neuen Märkte.
Im selben Maße darf vermutet werden, dass die Bedeutung des Marktes für die Nahversorgung des täglichen
Bedarfes abgenommen hat. Plakativ steht hierfür der
Stadtentwicklungsplan Berlins für „Zentren“ aus dem
Jahr 2011, der das Maybachufer als Ort des „Einkaufstourismus“, nicht aber als klassische Nahversorgungsinfrastruktur deklariert.
47
EI
1 Einleitung und Definition
neues Baumaterial und andere benötigte Güter angeliefert werden konnte. Die Agglomeration von Holzbetrieben, gemeinsam auftretend mit schlechten Sicherheitsvorkehrungen in den Maschinenfabriken führte
schließlich 1886 zu einem großen Brand, wodurch das
Quartier fast vollständig zerstört wurde. Nach dem Wiederauf- und Ausbau beherbergte das Reuterquartier ein
Drittel der Rixdorfer Industriebetriebe, während sich
im Nordwesten vor allem ein Wohn- und Gewerbeviertel entwickelte. Vor der Jahrhundertwende stiegen die
Einwohnerzahlen so stark an, dass die Bautätigkeit immens zunahm. „1901 waren die Hauptachsen des Straßenrasters [im Reuterquartier] bereits angelegt“ (Bach/
Hüge 2004). Durch den Wiesengraben bildete die Nansenstraße die östliche Grenze des Quartiers. Erst als die
weiter steigenden Einwohnerzahlen eine Bebauung der
Flächen nötig machten, wurde der Wiesengraben zum
Schifffahrtskanal ausgebaut und die Wiesen um ihn herum trockengelegt. Das Maybachufer entwickelte sich
von seiner früheren Funktion als Lagerstättenstraße hin
zu einer beliebten Wohnstraße, an der nur noch einzelne Fabrikgebäude standen. Bis 1904 hatte sich das
Reuterquartier mit seinen belebten Geschäftsstraßen
Kottbusser Damm und Sonnenallee zu einem beliebten
Wohnviertel gewandelt, das sich vor allem durch eine
höhere Wohnqualität zu anderen Vierteln unterschied.
Neben wenigen Einzimmerwohnungen für einfache Arbeiter fanden sich vor allem Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen, die Beamte und Angestellte anzogen.
Auch die vielen kleinen Läden an den Hauptachsen
erfreuten sich großer Beliebtheit und sorgten für eine
angenehme Atmosphäre im Viertel. Im Nordwesten
des Quartiers entstanden ab 1905 jedoch vermehrt bis
zu fünfgeschossige Fabrikgebäude, zum Teil noch von
Industriebetrieben genutzt, sodass die umliegenden
Wohngebäude oft durch eine Verschlechterung der
Licht- und Luftverhältnisse benachteiligt waren. „Auf
den noch unbebauten Grundstücken des Quartiers […]
entstanden die ersten Gewerbehöfe. Den weitaus größten Komplex dieser Art bildete der 1907-1910 erbaute
Gewerbehof der Möbelfirma „Pfaff“ am Maybachufer
48-51.“ (Bach/Hüge 2004)
Wirtschaftsförderung
Im nun folgenden Teil des Textes wird der Fokus auf verschiedene Akteure der Wirtschaftsförderung im Reuterkiez gelegt, welche in jüngster Vergangenheit in der
Gewerbestruktur des Kiezes hervorgerufen oder beeinflusst haben. Diese werden, soweit dies möglich ist, mit
Beispielen ihrer Maßnahmen hinterlegt.
Um Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern, wird in
strukturschwachen Regionen, Städten, Quartieren oder
Kiezen die Wirtschaftsförderung aktiv. Die Hauptaufgabe besteht dabei in der Unterstützung der regionalen
Investitionstätigkeit, um Einkommen und Beschäftigung
zu erhöhen (SenWTF 2014a). Aufgrund der Vielfalt der
Maßnahmen, wie diesen Problemen begegnet werden
kann, lässt sich die Wirtschaftsförderung in verschiedene
Sparten unterteilen, welche unterschiedliche Aufgaben
wahrnehmen. So gibt es Maßnahmen beziehungsweise
Träger, welche im klassischen Sinne Investitionsvorhaben von Firmen fördern und Zuschüsse leisten (SenWTF
2014b). Des Weiteren können Infrastrukturmaßnahmen
Ziel der Förderung sein (SenWTF 2014c). Und schließlich gibt es auch Träger, welche den Aufbau oder die
Verbesserung von Kooperationsnetzwerken zwischen
mehreren Unternehmen fördern (SenWTF 2014d).
3.2 Städtische Ebene
Diese Aufteilung ist aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW)
des Landes Berlin übernommen und ist aufgrund deren
allgemeiner Gültigkeit für Akteure bei Maßnahmen zur
Wirtschaftsförderung auch auf den Reuterkiez und die
hier ansässigen Förderungsträger anwendbar.
Auf Anfrage verwiesen sämtliche auf der Internetseite
der Wirtschaftsförderung Neukölln (BA Neukölln 2014)
angegebenen Instanzen auf andere Direktionen, weshalb anzunehmen ist, dass die Stadt Berlin als Akteur
der Wirtschaftsförderung im Reuterkiez so gut wie nicht
präsent ist. Insgesamt stellt sich die Förderungslandschaft auf der städtischen Ebene ziemlich unübersichtlich dar, da es sehr viele verschiedene Programme und
Kooperationen mit unterschiedlichsten Zielen gibt. Als
ein Beispiel der Wirtschaftsförderung im Reuterkiez seitens der Stadt Berlin ist jedoch das Projekt „Biosphäre“
zu nennen, welches den „Ein- bzw. Wiedereinstieg in
das Erwerbsleben durch den Erwerb/Auffrischung fachlicher/überfachlicher Kompetenzen“ (BBWA 2014) als
Ziel hatte und von der Senatsverwaltung für Wirtschaft,
Technologie und Forschung im Rahmen des Programms
„Wirtschaftsdienliche Maßnahmen“ (WDM) gefördert
wurde (BBWA 2014).
3.1 Bundesebene
3.3 Bezirksebene
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit (BMUB) fördert im Rahmen des
Programms „Soziale Stadt“, beziehungsweise „Soziale
Stadt – Investitionen im Quartier“, die „städtebauliche
Aufwertung und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in benachteiligten Stadt- und Ortsteilen“
(BMUB 2014b). Im Reuterkiez wurden in den Jahren
2001 bis 2010 und 2012 mehrere Projekte mit Mitteln
aus diesem Programm gefördert (BMUB 2014c). Neben
48
3.3.1 Wirtschaftsförderung Neukölln
Zu den Aufgaben der Wirtschaftsförderung Neukölln gehören die Beratung von Existenzgründern, die Pflege des
Unternehmensbestands, das Standortmarketing und
das Behördenmanagement. So stehen sie Existenzgründern zur Seite, wenn es um die Suche nach Räumlichkeiten, um komplizierte Genehmigungsverfahren, die
Vermittlung von Kontakten und Behördengänge geht.
Sie selbst verfügt über keine direkten Fördermittel, hilft
jedoch, aus einem Pool an Förderprogrammen anderer
Träger den richtigen Förderpartner für das jeweilige
Unternehmen zu finden. Des Weiteren unterstützt die
Wirtschaftsförderung Neukölln Wirtschaftsverbände
und Netzwerke und organisiert regelmäßig Unternehmensstammtische, Gesprächsrunden und Besuche mit
dem Bezirksbürgermeister oder der Agentur für Arbeit
für die kleinen und mittleren Betriebe im Bezirk. Außerdem versucht sie, durch Bekanntmachen von Standortvorteilen Neuköllns, die Ansiedlung in diesem Bezirk für
Existenzgründer und Investoren attraktiver zu machen
(BA Neukölln 2014b).
3.3.2 Zwischennutzungsagentur
Ziel der seit März 2010 als coopolis ausgegliederten
Zwischennutzungsagentur (coopolis 2014) war es, einerseits Leerstand zu bekämpfen und auf der anderen
Seite Jungunternehmern und Freiberuflern passende
Räumlichkeiten für ihre Geschäftsidee zu bieten. So
vermittelte die Agentur in den Jahren 2005-2007 insgesamt 56 ungenutzte Gewerberäume mit zum Teil stark
reduzierter oder sogar vorerst kostenloser Miete und
half damit bei der Entstehung von über 200 neuen Arbeitsplätzen. (coopolis 2010)
3.4 Quartiersmanagement
Das Quartiersmanagement (QM) Reuterplatz wurde im
Auftrag des Senats für Stadtentwicklung und dem Bezirksamt Neukölln 2003 gegründet und wird aus dem
Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ finanziert. Zu
den Aufgaben gehört die Verbesserung der Lebensbedingungen gemeinsam mit den Menschen vor Ort durch
kleinere Projekte und die Schaffung von selbsttragenden
Maßnahmen und Strukturen (QM Reuterplatz 2014a).
Das Quartiersmanagement fördert Unternehmen in
der Regel nicht direkt, unterstützt jedoch Projekte und
Maßnahmen, die die Attraktivität des Kiezes für Unternehmen und deren Kunden erhöhen – wie die Schaffung von kulturellen Netzwerken oder auch die Verschönerung des Straßenbildes. Eine Ausnahme bildete
2011 die direkte Förderung von „Rütli Wear e.V.“, das
versucht, die Identität des Quartiers durch den Verkauf
u.a. T-Shirts und Pullovern mit Aufdrucken von „Rütli“
oder bekannten Straßenmotiven des Kiezes zu steigern
(QM Reuterplatz 2011). Auch hervorzuheben ist die
Beauftragung der zuvor genannten Zwischennutzungsagentur mit der Vermittlung von leerstehenden Gewerbeflächen für temporäre Nutzungen sowie an Künstler
und Existenzgründer (QM Reuterplatz 2005)
Im Januar 2014 wurde von der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung die Verstetigung des QMs Reuterplatz bis zum Ende des Jahres 2016 bekanntgegeben,
das heißt, bis dahin soll ein schrittweiser Rückzug aus
dem Gebiet erfolgen. Förderprogramme wie „Soziale
Stadt“ seien grundsätzlich zeitlich begrenzt und so ergab im Mai 2013 eine durch das Deutsche Institut für
Urbanistik durchgeführte Prüfung aller seit mehr als
zehn Jahren existierender QMs in Berlin, dass vier von
diesen aufgrund verbesserter Sozialdaten in den jeweiligen Gebieten verstetigt werden können. In dem Zeitraum bis 2016 seien alle aufgefordert, die bestehenden
Netzwerke und Maßnahmen soweit zu stärken, dass sie
sich auch über 2016 hinaus ohne Zutun des Quartiersmanagements Reuterplatz selbst tragen können (QM
Reuterplatz 2014b).
3.5 Verbände
3.5.1 Akteur Kreative Netzwerke
Kreative Netzwerke tragen einen nicht unerheblichen
Anteil zur Wirtschaftsförderung in Nordneukölln bei.
Das KNNK, das Kreativnetz Neukölln, beispielsweise
versucht seit 2009 durch Maßnahmen wie der Förderung von Vernetzung und Professionalisierung oder das
Schaffen einer gemeinsamen Außendarstellung, die hier
ansässigen Künstler besser in Neukölln zu verankern,
Aufmerksamkeit zu erregen und die Kooperationen zwischen den Künstlern zu steigern (BMUB 2014a). Desweiteren ist seit 2011 das NEMONA (Netzwerk Mode &
Nähen Neukölln) aktiv, welches ebenfalls die Vernetzung
von Designern und Produzenten in Berlin verbessern
möchte, mit dem Ziel, den Absatz zu stärken, die lokale
Produktion zu fördern und eine „qualitativ hochwertige
Beschäftigung innerhalb der Textilbranche zu erreichen“
(NEMONA 2014). So wurde beispielsweise die 2. Auflage
des 2008 erstmalig ins Leben gerufene Neukölln Fashion
Weekend, an welchem die neuen Designer, Schneider
und Künstler ihre Arbeit den Anwohnern und Besuchern
präsentieren, im Jahr 2011 gezielt von NEMONA mitorganisiert und gefördert (Berliner Morgenpost 2011).
49
EI
3 Beispiele für Akteure der
Projekten, welche sich stärker auf den sozialen Zusammenhalt der Bewohner im Quartier beziehen, wurde
beispielsweise das Projekt „48 Stunden Neukölln“ als
ein klassisches Beispiel für Wirtschaftsförderung über
mehrere Jahre von diesem Programm finanziell unterstützt. 48 Stunden Neukölln soll in erster Linie die im
Reuterkiez ansässigen Künstler und Einrichtungen vernetzen, aber auch dazu beitragen, die technische und
personelle Infrastruktur unter Künstlern effektiver zu
nutzen und ihr Schaffen bei Bewohnern und Besuchern
bekannt zu machen (BMUB 2014d). Die Planung, Koordination und Organisation Kunst- und Kulturfestivals
übernahm hierbei das Quartiersmanagement Reuterplatz (QM Reuterplatz 2014).
stammtisch Berlin
Der Berliner Arbeitswelt e.V. und das Netzwerk Berlin-Neukölln Punkt 20 e.V. gründete sich durch den
Gedanken, dass der Zusammenhalt und das Verständnis der Unternehmer untereinander eine wichtige Basis für die regionale Wirtschaft ist. Aufgrund der stetig
wachsenden Mitgliederzahlen wurde Anfang 2012 der
„Förderverband regionaler Aufgaben & Ziele“ (VRAZ
e.V.) gegründet, sodass Gewerbetreibende, Freiberufler, Handwerker, Existenzgründer, Jungunternehmer,
Hauseigentümer, Vereine und Kunst- sowie Kulturschaffende eine neue bedarfsgerechte Unterstützung vor
Ort erfahren können. Das „Ziel des Netzstamm-Unternehmernetzwerkes ist die Förderung von Kontakten,
Kommunikation und Kooperation zwischen den Teilnehmern. Das Netzwerk richtet sich an [interessierte Akteure] zum Gedankenaustausch.“ (VRAZ e.V. 2012). Jeder
Teilnehmer hat die Möglichkeit, an den Stammtischen,
die kostenfrei stattfinden, sich und sein Unternehmen
vorzustellen und erhält gleichzeitig auch Berichte über
neueingetragene Gewerbebetriebe in seinem Bezirk,
sodass neue geschäftliche Verbindungen hergestellt
werden können (vgl. VRAZ e.V. 2012).
4. Fazit
Der Reuterkiez erlebte in seiner Vergangenheit ein
starkes wirtschaftliches Wachstum, welches durch den
Zweiten Weltkrieg stark gebremst wurde und fast zum
Erliegen kam. Nach der Umnutzung vieler Gewerbehöfe
in Wohnungen und dem im Kiez einhergehenden Wandel zu überwiegend Klein- und Kleinstbetrieben nahm
die Attraktivität für Gewerbeansiedlungen im Reuterkiez ab und führte zu Leerstand, welcher erst abnahm,
als das Viertel durch verschiedene Maßnahmen, wie
das neue Marktkonzept des BIOriental-Marktes, wieder
an Ansehen gewann. In diesem Zusammenhang kommt
der Zwischennutzungsagentur besondere Bedeutung
zu. Aber auch die Schaffung einer Reihe von Unternehmensnetzwerken, Förderprogrammen und Zusammenschlüssen der Gewerbetreibenden im Reuterkiez wirkte sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des
Quartiers aus, welche sich nun vor allem in der zunehmenden Präsenz des Gastronomie- und Kreativsektors
bemerkbar macht.
50
Besonders der Kreativsektor scheint aus Sicht der Stadt
und des Bezirkes auch dort willkommen zu sein, denn
viele Förderungsprogramme sprechen nur diese oder
ähnliche Formen von Gewerbe an. Wie jedoch mit den
alt eingesessenen Betrieben oder anderen Interessenten für eine Ansiedlung im Quartier umgegangen wird,
ist unklar und bedarf weiterer Forschung. Die Frage,
inwieweit die Förderungsmöglichkeiten vor Ort eine
ausschlaggebende Rolle bei der Wahl des Standorts
Reuterquartier für die in jüngerer Zeit hinzugezogenen
Unternehmen gespielt haben, wird im Rahmen der Auswertung der Befragungsergebnisse in Kapitel G diskutiert.
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51
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E
II »Das sozioökonomische Profil«
E II
»Das Untersuchungsgebiet hebt sich zum Teil
stark von seiner
Umgebung ab, wie die
Untersuchung von Leerstandsquoten und Kaufkraftzahlen zeigt.«
INHALTSVERZEICHNIS
1
Einleitung
54
2
Einwohnerentwicklung
54
2.1
Einwohnerzahlen
54
2.2
Migrationsentwicklung
54
2.3
Altersstruktur
55
2.4
Bildungsstruktur
55
3
Wirtschaft
57
3.1
Gewerbemieten
57
3.2
Leerstandsquoten
57
3.3
Kaufkraft der Bevölkerung
58
4
Fazit
58
5
Quellen
59
53
Das sozioökonomische Profil des Reuterkiezes soll im
Folgenden herausgearbeitet und untersucht werden.
Dabei wird nach Möglichkeit und Datenlage auf den
Zeitraum von 2004 bis 2014 Bezug genommen und die
räumlichen Ebenen Berlin / Neukölln(-Nord) / Reuterkiez betrachtet, soweit diese Trichotomie möglich und
sinnvoll ist, um das sozioökonomische Profil des Reuterkiezes im Kontext Stadt, Bezirk und Quartier analysieren zu können. Die Inhalte dieser Analyse sollen als
Grundlage dienen, um die Ergebnisse unserer ausstehenden Gewerbekartierung (Kapitel F) inhaltlich einordnen und verstehen zu können. Dementsprechend
gering wird auf sozioökonomische Veränderungen eingegangen, die sich mit Fragen der Gentrifizierung und
Verdrängung von Einwohnern des Quartiers befassen,
es werden dagegen vorrangig Themen bearbeitet, die
mit dem wirtschaftlichen Wandel des Gebietes einhergehen. Entsprechend stärker werden hingehen jene
sozioökonomische Daten beleuchtet, die mit der wirtschaftlichen Situation des Kiezes in Beziehung stehen.
2 Einwohnerentwicklung
2.1 Einwohnerzahlen
Abb. 1: Einwohnerentwicklung im Reuterkiez, Nord-Neukölln und Berlin im Vergleich. Eigene Abbildung nach
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2014b) und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2014) (s. Anmerkung zu dieser Quelle im Quellenverzeichnis)
Ein Blick auf die Einwohnerentwicklung des Reuterkiezes zeigt deutliche Unterschiede zu Nord-Neukölln und
Berlin auf. Während in Berlin von 2006 bis 2011 ein
Wachstum der Bevölkerung von 2,8 % zu verzeichnen
ist und auf der Bezirksebene Nord-Neukölln sogar von
54
2.3 Alterstruktur
6,1 %, liegt der Reuterkiez deutlich darunter. Von 2008
bis 2010 hat sich die Einwohnerzahl auf Quartiersebene
sogar reduziert – ein Phänomen, das im Bezirk und im
Land Berlin in dieser Hinsicht nicht zu verzeichnen ist.
Das Wachstum von Nord-Neukölln liegt dagegen über
dem Berliner Trend, was die Entwicklung im Reuterkiez
umso bemerkenswerter macht.
2.2 Migrationsentwicklung
Abb. 3: Demographische Verteilung im Reuterkiez und
Berlin 2008. Abbildung aus: Amt für Statistik BerlinBrandenburg (2014a)
Abb. 4: Demographische Verteilung im Reuterkiez
und Berlin 2011. Abbildung aus: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2014a)
Abb. 2: Entwicklung des Anteils von Einwohnern mit
MHG in % zwischen 2008 und 2011 im Reuterkiez. Eigene Abbildung nach Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2014)
Der Reuterkiez weist einen hohen Ausländeranteil in der
Bevölkerung auf, der aber geringer ist als der Anteil auf
Bezirksebene. Darüber hinaus ist der Ausländeranteil
im Reuterkiez in den letzten Jahren rückläufig, anders
als der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund,
der leicht gestiegen ist. Auffällig ist der steigende Wert
von Bewohnern mit deutscher Staatsangehörigkeit, der
so weder in Berlin, noch in Neukölln zu verzeichnen ist.
Zudem ist, obwohl im Trend nicht erkennbar, der Anteil
der Ausländer aus EU-Mitgliedsländern gestiegen, obwohl der Ausländeranteil nominell gesunken ist (Quartiersmanagement 2011). Es kann also für den Reuterkiez eine für Berlin untypische Entwicklung konstatiert
werden, die sogar in dem kurzen Untersuchungszeitraum von 2008 bis 2011 sichtbar ist, für den die Daten
der LOR-Datenbank zu Verfügung stehen.
Die demografische Verteilung im Reuterkiez unterscheidet sich eklatant von der Verteilung Berlins. 2011 weist
das Reuterquartier einen überdurchschnittlichen Anteil
an Menschen von 27 bis 45 Jahren auf. Die Quote der
Menschen über 50 Jahren liegt dagegen durchweg unterhalb des Berliner Durchschnitts. Ebenso bemerkenswert ist der gegenüber Berlin leicht erhöhte Anteil an
Kleinkindern bis 6 Jahren, der einem geringeren Anteil
von Kindern und Jugendlichen gegenübersteht. Ein Vergleich mit den Daten aus 2008 zeigt auf, dass die Altersstruktur sich bis 2011 zugunsten der Menschen von 25
bis 35 Jahren verändert hat. Der Anteil der Menschen
über 50 Jahren ist dagegen weiter gesunken und kann
als Indikator einer Verdrängung interpretiert werden.
Abschließend ist festzuhalten, dass der Reuterkiez eine
für Berlin sehr ungewöhnliche Altersstruktur aufweist,
mit besonders vielen Bewohnern mittleren Alters.
2.4 Bildungsstruktur
Abb. 5: Verteilung der Ausbildungsarten in % im Reuterkiez. Eigene Abbildung nach Gude (2011)
Die aus Gude (2011) erstellte Grafik zur Verteilung der
Ausbildungsarten zeigt deutliche Unterschiede im Reuterkiez gegenüber den Untersuchungsräumen Schillerpromenade und Nord-Neukölln auf. Im Reuterkiez gibt
es deutlich mehr Bewohner mit Hochschulabschluss, als
in den Vergleichsräumen und gleichzeitig weniger Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung.
2.5 Arbeitslosenstruktur
Abb. 6: Entwicklung der Arbeitslosenquote (zw. 15 u. 64
Jahre) in %. Eigene Abbildung nach Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung (2014).
Der Blick auf die Arbeitslosenzahlen zeigt für das Reuterquartier einen positiven Trend auf. Seit 2007 sinkt
die Quote stetig (einzige Ausnahme: 2008 auf 2009).
Dies ist eine Entwicklung, die dem Berliner Trend entspricht und auch im restlichen Neukölln zu beobachten
ist. Zwar liegt die Arbeitslosenquote im Reuterkiez bis
2009 über dem Berliner Mittel, so ist sie jedoch deutlich
niedriger als auf Bezirksebene.
55
E II
1 Einleitung
Sonnenallee – Mietspanne bei Büro,
Praxis und Dienstleistungen
2004
Auch bei den sogenannten »Aufstockern« zeichnet sich
im Reuterkiez ein Trend ab, der als positiv zu bezeichnen
und so weder in Berlin noch im restlichen Nord-Neukölln zu beobachten ist. Während die Zahlen von 2007
bis 2009 in den Vergleichsgebieten nahezu unverändert
sind, hat der Wert im Reuterkiez deutlich abgenommen.
Hier müssen also deutlich weniger Menschen Existenzsicherungsleistungen beziehen. Der Wert liegt allerdings deutlich über dem Berliner Schnitt aber ebenso
deutlich unter dem Level von Nord-Neukölln.
Abb. 8: Anteil der Arbeitnehmer nach Arbeitsplätzen
in Wirtschaftszweigen in Berlin. Eigene Abbildung nach
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2013)
56
Auf der Ebene Berlins erkennen wir die typische Arbeitsplatzstruktur einer Wirtschaft mit Schwerpunkt auf
den tertiären Sektor: Im Dienstleistungssektor finden
sich etwa zwei Drittel der Arbeitsplätze, Tendenz steigend, während der geringe Anteil der Arbeitsplätze im
Produzierenden Gewerbe weiter zurückgeht.
Im Bezirk Neukölln wird die im relativen Sinne wichtige
Stellung des Produzierenden Gewerbes deutlich. Besonders südlich des Berliner Rings befinden sich große
Industrieunternehmen wie Biotronik und Phillip Morris, allein das Gewerbegebiet Sonnenallee-Süd reicht
nach Neukölln-Nord (Wirtschaftsförderung Neukölln
2011). Doch auch in Neukölln ist der Trend der Tertiärisierung deutlich. Prozentual verschoben sich etwa 20 %
der Arbeitsplätze des Verarbeitenden Gewerbes in den
Dienstleistungssektor; deutlich zeigen sich also auch die
Effekte der Schließung von großen produzierenden Betrieben wie beispielsweise der Kindl-Brauerei im Jahre
2005.
8,50€/m²
min.
max.
2011
Abb. 9: Anteil der Arbeitnehmer nach Arbeitsplätzen in
Wirtschaftszweigen im Bezirk Neukölln. Eigene Abbildung nach Bezirksamt von Neukölln (2004) und Wirtschaftsförderung Neukölln (2011)
Abb. 12: Gewerbemieten. Eigene Abbildung nach IHK 2013
Abb. 10: Anteil der Betriebe in Wirtschaftszweigen im
Reuterkiez in den Jahren 2004 und 2011. Eigene Abbildung nach Adler 2004 und Rettberg 2011
Auf der Ebene des Reuterkiezes manifestiert sich noch
einmal der Trend, der in der Analyse der übergeordneten Ebenen (Berlin und Bezirk Neukölln) deutlich geworden ist. Diese Abbildungen beschreiben zwar nur den
Anteil der Betriebe und nicht der Arbeitnehmer (die in
Betrieben des produzierenden Sektors normalerweise
höher ist als bei Dienstleistungsbetrieben), doch hat
sich der Anteil der produzierenden Betriebe von 2004
bis 2011 noch einmal um die Hälfte verringert.
Die Sonnenallee ist nach Junker und Kruse ein Nahversorgungszentrum im Zentrenkonzept des Bezirks und
hat dementsprechend eine niedrigere Leerstandsquote. Es ist daher auch mit einem höheren Gewerbemietspiegel zu rechnen, als ein solcher der im Innenbereich
des Kiezes erreicht wird. Allerdings lässt sich diese Vermutung nicht vollends bestätigen, da die sinkende Leerstandquote im Kiez (s.u.) auch einen steigenden Gewerbemietspiegel nach sich ziehen dürfte.
3.2 Leerstandquoten
3 Wirtschaft
3.1 Gewerbemieten
Bei Gewerbemieten besteht im Gegensatz zu Wohnmieten eine größere Gestaltungsfreiheit zwischen den
Vertragspartnern. Die Höhe der Miete ist in der Regel
frei vereinbar (IHK 2013). Um nicht der Willkür des Eigentümers ausgesetzt zu sein, bietet die IHK Gewerbetreibenden einen Mietspiegel, der zum Vergleich herangezogen werden kann. Allerdings finden sich hier keine
Vergleichsmieten für den Innenbereich des Kiezes, sondern allein für die angrenzenden Straßen – in diesem
Falle der Sonnenallee.
Abb. 13: Leerstandsquoten. Eigene Abbildung nach
Rettberg 2011 und Junker und Kruse 2009
Die Verringerung der Leerstandsquoten im Reuterkiez
ist eine der augenscheinlichsten Veränderungen im Gebiet. Rettberg konnte zwischen den Jahren 2004 und
2011 eine Reduktion leerstehender Gewerbeeinheiten
von etwa 30 % auf 14 % belegen. Die Leerstandsquote
im Kiez hat sich somit dem Niveau des Nahversorgungszentrums Sonnenallee (s.o.) angeglichen, was für den
eigentlich nahversorgenden Charakter des Kiezinneren
eine beachtliche Leistung ist und sich auch von der Quote des gesamten Bezirks deutlich abhebt.
57
E II
Abb. 7: Entwicklung der Quote der nicht-arbeitslosen
Empfänger zwischen Existenzsicherungsleistungen nach
SGB II u. VII in %. Eigene Abbildung nach Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (2014)
6,50€/m²
5 Quellen
3.3 Kaufkraft der Bevölkerung
4 Fazit
Wie lässt sich das sozioökonomische Bild des Reuterkiezes nun zusammenfassen? Die Analyse der Dokumente,
Erhebungen, Statistiken und Amtsblätter hat uns gezeigt, dass der Anteil junger Erwachsener zwischen 25
und 35 Jahren zunimmt und die Einwohner zusehends
höher gebildet sind, während die Arbeitslosigkeit sinkt.
Unter ihnen sind anhaltend viele Einwohner mit Migrationshintergrund, doch steigt der Anteil derer, die aus
dem EU-Ausland stammen, in den letzten Jahren stark
an. Unabhängig von der Frage nach Gentrifizierungstendenzen ist also die Veränderung des sozialen Gefüges
nicht von der Hand zu weisen.
Abb. 14: Einzelhandelsrelevante Kaufkraft je Haushalt in
€/Monat. Eigene Abbildung nach IHK 2013
Die Kaufkraft der Bewohner im Reuterkiez ist unter
dem Durchschnitt Berlins, liegt weit hinter den Verhältnissen der Bewohner des Prenzlauer Bergs zurück
und übersteigt nur knapp den Neuköllner Durchschnitt.
Allerdings beeinflussen hier die hohen Kaufkraftzahlen
des Neuköllner Südens die Analyse erheblich, da Britz,
Rudow und Neukölln ein sozioökonomisch sehr heterogenes Bild ergeben. Der eklatante Kontrast zwischen
dem Reuterkiez (PLZ 12047) und den angrenzenden Gebieten (bspw. Sonnenallee Nord, PLZ 12045) ist jedoch
deutlich und unterstreicht nochmals die wirtschaftliche
Leuchtturmwirkung des Reuterkiezes im Neuköllner
Norden.
Die Tertiärisierung der Arbeitsplatzverteilung schreitet
derweil weiterhin voran, was sowohl die Anzahl der
produzierenden Betriebe im Reuterkiez, wie auch die
Verteilung der Arbeitsplätze im Bezirk zeigt. Das Untersuchungsgebiet hebt sich zum Teil stark von seiner
Umgebung ab, wie die Untersuchung von Leerstandsquoten und Kaufkraftzahlen zeigt. Dem Kiez wird damit
immer mehr eine herausragende Stellung im Neuköllner Norden zuteil und verdient in seiner (sozio)ökonomischen Entwicklung besondere Beachtung.
Umso wichtiger wird damit die bevorstehende Kartierung zum Wandel in der Gewerbestruktur des Reuterkiezes. Sie wird zeigen, inwiefern sich eine Veränderung
der lokalen Wirtschaft im Untersuchungsgebiet manifestiert hat und trägt somit zu einem zur gegenwärtigen
Diskussion über die Entwicklungsrichtung des Kiezes
bei.
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von der Jugendhilfe bereits definierten Sozialräume einheitlich abgestimmt. Die LOR sind am 01.08.2006 per
Senatsbeschluss als neue räumliche Grundlage für Planung, Prognose und Beobachtung demografischer und
sozialer Entwicklungen in Berlin festgelegt worden. Die
diesbezügliche Datenbank ist im Internetauftritt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einsehbar.
59
E II
Adler (2004): Gewerbeerhebung Reuterkiez 2003. Berlin
E
III »Das Image des Reuterkiezes und Neuköllns«
E III
»Das Image eines vor
wenigen Jahren noch so
angesagten Bezirks wird
aktuell von der
Gentrifizierungsdebatte
getrübt«
INHALTSVERZEICHNIS
1
Einleitung
62
2
Imagebegriff
62
2.1
Der Imagebegriff in der Stadtforschung
53
2.2
Räumliches Image
54
2.3
Image als Standortfaktor
64
3
Medienanalyse
64
3.1
Vorgehensweise
65
3.2
Räumliche Abgrenzung
66
3.3
Zeitstrahl
68
4
Fazit
71
5
Ausblick
71
6
Quellenverzeichnis
72
61
Bereits zu Beginn des ersten Semesters wurde deutlich,
dass sich Gentrifizierung auf unterschiedliche Weise
zeigt und es sich lohnt, das Phänomen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, um den Prozess in seiner Komplexität zu erfassen.
Um eine theoretische Grundlage zur Beantwortung unserer Forschungsfrage erstellen zu können, untersucht
das Projekt zunächst, welche Rolle Image bei der Standortentscheidung von zuziehenden Unternehmen spielt.
Dem geht eine theoretische Annäherung an den Begriff
Image, sowohl im Allgemeinen, als auch in Bezug auf
die Stadtforschung, voraus, bei welcher die Einflüsse,
die auf die Entstehung eines Stadtimages einwirken, bestimmt werden.
Ein Indikator, an dem sich die symbolische Reichweite
der Gentrifizierung untersuchen lässt, ist laut Krajewski die steigende mediale Präsenz eines Ortes (s. Kapitel
B1.). Dies zeigt sich in der steigenden Anzahl der deutlich positiveren Artikel oder Berichte, welche über den
sich verändernden Ort gedruckt und ausgestrahlt werden (vgl. Krajewski 2004), weshalb für die Beantwortung der Forschungsfrage die mediale Berichterstattung
über das Reuterquartier von besonderem Interesse ist.
Im Gegensatz zur Veränderung der Wirtschaftsstruktur,
welche das Projekt anhand einer Kartierung der Gewerbestruktur im Reuterkiez untersucht, ist die symbolische
Dimension weniger greifbar. Es wird vermutet, dass mit
der Veränderung der Gewerbestruktur eine symbolische Veränderung einhergeht. Um herauszufinden, inwieweit diese Veränderungen im Reuterkiez stattfinden,
wird eine Medienanalyse durchgeführt, welche im zweiten Teil des Kapitels dargestellt ist.
2 Imagebegriff
Der Begriff Image hat seine Wurzeln in der lateinischen
Sprache. Als Ursprung des heute häufig verwendeten
Imagebegriffs kann der Terminus »imago« in seiner Bedeutung als Ursprung angesehen werden. Eine mögli-
62
2.2 Räumliches Image
che Definition beschreibt Image als »das einer Person,
einer Sache oder einem Raum zugeordnete Vorstellungsbild, das sich aus der Summe aller Urteile und
Vorurteile über das Objekt ergibt« (Leser 1989: 264).
Allgemein lässt sich sagen, dass man unter Image das
Bild oder die Wahrnehmung eines Unternehmens oder
eines Produktes versteht. Außerdem können Personen,
Organisationen, Städte und Ortschaften oder Standorte ein bestimmtes Image besitzen. Im Alltag wird dies
häufig mit Begriffen wie Ansehen, Charakterbild, Ruf,
Prestige, Leitbild oder Vorurteil in Verbindung gebracht.
Es bezeichnet also das innere Gesamtbild, das sich eine
Person von einem Meinungsgegenstand macht bzw.
den unwillkürlich entstehenden Gesamteindruck (Höpner 2005: 16).
»Das Individuum richtet seine Entscheidungen gegenüber einem Meinungsgegenstand nicht danach, wie er
ist, sondern danach wie es glaubt, dass er wäre« (Spiegel 1961: 116). Images erleichtern dem Individuum die
Wahrnehmung und Einschätzung von Objekten, wenn
keine detaillierten persönlichen Erfahrungen vorliegen.
Stattdessen werden diese anhand von zwei Aspekten
bewertet: zum einen über kommunizierte vereinfachte
Einschätzungen der konkreten Sache und zum anderen über abstrakte Maßstäbe, die sich in der Regel an
oberflächlicher Wahrnehmung bestimmter Objekteigenschaften orientieren und schematisch zugeordnet
werden. Das so entstandene Image schreibt dem betrachteten Gegenstand gewisse Qualitäten zu, die es
nicht unbedingt erfüllt (Höpner 2005: 15).
Images können Beurteilungen eines Objektes beinhalten und drücken seine Wertschätzung und Attraktivität,
aber auch negative Assoziationen gegenüber einem Gegenstand aus.
»Das Image eines Objektes kann [...] einem bestimmten
Personenkreis, Milieu oder Lebensstil [zugeordnet werden]. Personen können sich über das Objekt und sein
Image mit einer solchen Gruppe und den ihr zugeordneten Eigenschaften identifizieren« (Höpner 2005: 15).
Wie entsteht ein Image? Images entstehen nicht von
selbst. Sie werden bewusst oder unbewusst produziert.
So ist die Schöpfung, Vermittlung, Akzeptanz sowie Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung eines Images ein
komplexer gesellschaftlicher Prozess (Höpner 2005:16).
In der Betriebswirtschaftslehre werden vier Arten von
Image unterschieden. Das Produktgruppenimage beschreibt eine bestimmte Produktgattung einer Branche
unter Einbeziehung aller Marken, beispielsweise Fußbälle, welche als sportlich, jung und unkonventionell
beschrieben werden. Des weiteren gibt es das Markenimage, welches am Beispiel des Energie-Getränks
»Red Bull« beschreiben kann, welches Lebendigkeit
verspricht. Das qualitätsbewusste Image von BMW
kann dem Unternehmensimage zugeschrieben werden
und das Länder-, Regionen-und Städteimage kann am
Beispiel von Paris gezeigt werden, welche als Stadt der
Liebe gilt.
2.1 Der Imagebegriff in
der Stadtforschung
Ein Stadtimage setzt sich aus subjektiven Vorstellungsbildern von Individuen, unter anderem aber auch aus
Vorurteilen, zusammen. Diese Bilder sind in den Köpfen
der Menschen entstanden und drücken die gefilterte
mentale Repräsentation der städtischen Wirklichkeit
aus. Demzufolge muss dieses auch nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen. (Lamkemeyer 2005:20)
»Unter Image werden die Meinungen und Einstellungen, die sich gegenüber einer Stadt, innerhalb dieser
Stadt, wie auch von außen, durchgesetzt und entwickelt
haben, verstanden. Es beruht auf objektiven und subjektiven, eventuell auch falschen und stark emotional
gefärbten Vorstellungen, Ideen und Gefühlen, Erfahrungen sowie Kenntnissen und stabilisiert und stilisiert sich
im Zeitverlauf« (Meissner 1995:21).
Da Räume in ihrer Gesamtheit kaum wahrgenommen
werden können, bewertet man diese, insbesondere
wenn keine umfangreichen und detaillierten individuellen Erfahrungen vorliegen, über Images (Höpner 2005:
16). Einerseits werden Gebiete über kommunizierte
imageartige Vorstellungen beurteilt und aus deren Perspektive betrachtet, andererseits erfolgt die individuelle Beurteilung eines Platzes in der Regel über eine
oberflächliche und ausschnitthafte Betrachtung einiger
Raumelemente und -eigenschaften. Deren assoziierte
Images werden auf den Raum übertragen und bilden so
ein Raumimage (Höpner 2005:17).
Eine gefühlsmäßige Hierarchisierung der Orte in bevorzugte, als attraktiv empfundene Gebiete und abzulehnende, als uninteressant oder gar unangenehm empfundene Plätze werden vom räumlichen Image gefördert.
So werden Nachbarschaften, Stadtteile, Ortschaften
und Städte mit bestimmten Milieus und Lebensstilen
verbunden. Dies kann das Gebiet für bestimmte Gruppen auf- oder abwerten. Ebenso können sich Menschen
oder Unternehmen mit bestimmten Bereichen identifizieren oder können mit diesen identifiziert werden. Die
Wertigkeit des räumlichen Images kann so auf sie übertragen werden.
Im Prozess der Imageproduktion haben einige soziale
Gruppen, wie zum Beispiel die Besitzer eines jungen,
hippen Cafés oder einer angesagten Bar, eine größere
Bedeutung. So sind diese beispielsweise aktiver in der
Schöpfung und Weiterentwicklung eines Images, da sie
deutlich öffentlich in Zusammenhang mit dem jeweilig
betreffenden Raum in Erscheinung treten und ihn so
durch ihr Handeln prägen.
Bestimmte Einflussgrößen spielen bei der Imagebildung
von Städten eine Rolle. Jedoch wird nicht jedes Stadtimage gleichermaßen aus allen Einflussgrößen geprägt.
Abbildung 1 gibt dazu einen näheren Einblick. So kann
ein Stadtimage zum einen durch bauliche Strukturen,
wie beispielsweise große Plattenbausiedlungen, geprägt werden. Zum anderen trägt die Sozialstruktur in
63
E III
1 Einleitung
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Nach der theoretischen Auseinandersetzung mit den 11. Heft 2009
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Spiegel 43. Ausgabe 1997
21.1.2008
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Berliner Zeitung
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Neukölln
Studenten
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zunehmend besser
Verdienende
2014
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„Die Tür ist offen –
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Kneipe 'Freies Neukölln'“:
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Dornröschenschlaf endete 2006
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Tagesspiegel
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64
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Analyse
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Christina M. Heinen erwähnt 2013
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dem Pool hinzugefügt wurden.
3.1 Vorgehensweise
Die Medienanalyse soll das Bild des Reuterkiezes in
den Jahren 2004 bis 2014 darstellen und zeigen, wie
dieses sich in der medialen Repräsentation gewandelt
hat. Nachdem die Gruppe sich über gängige Vorgehensweisen informiert hatte (Quasthoff, Richter, Wolff
2003), wurde deutlich, dass eine vereinfachte Form der
Medienanalyse angewandt werden musste, da nur ein
knapper Zeitraum zur Verfügung stand und eine allumfassende Analyse zu aufwendig gewesen wäre. Die Absicht war es, das Ergebnis mittels eines Zeitstrahls darzustellen.
Um eine Vergleichbarkeit zur Erhebung der Gewerbestruktur mit dem Datensatz von 2004 und unserer eigenen Erhebung herstellen zu können, wurde beschlossen,
den gleichen Zeitrahmen (2004 bis 2014) zu wählen.
Um ein möglichst großes Spektrum der Berichtserstattung abzudecken, wurden möglichst unterschiedliche
Beiträge ausgewählt. Die Medienanalyse umfasste Tageszeitungen, zwei führende Berliner Stadtmagazine,
internationale Zeitungen, Online-Artikel, Blogs sowie
zwei Reiseführer.
66
Die Gruppe erstellte über zwei Wochen einen Artikel-Pool von 36 Artikeln, die analysiert werden sollten.
Christina M. Heinen erwähnt 2013 in ihrer Dissertation
»Tief in Neukölln« zahlreiche Artikel über Neukölln, die
dem Pool hinzugefügt wurden. Nach der ersten Sichtung
stellten sich einige Artikel als für die Gruppe irrelevant
heraus, da ihr Fokus zu wenig auf dem Reuterkiez lag.
Insgesamt verkleinerte sich der Pool dadurch auf 27 Artikel. Im Folgenden sind die Quellen genau aufgeführt:
Print-Artikel:
Der Spiegel, Zitty, BZ
Tageszeitungen Online:
Spiegel Online, Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, Taz
Berliner Zeitung, BZ, Berliner Morgenpost
Stadtmagazine Online:
Tip, Zitty
Online-Blogs/ Nachrichten:
turus.net, n-tv.de
Internationale Medien:
The Guardian, Spiegel Online, timeout.com,
New York Times
Reiseführer:
Lonley Planet, Berlin für Berliner 2008,
Berlin für Berliner 2010
3.2 Räumliche Abgrenzung
Der Begriff »Neukölln« wurde in den Artikeln räumlich
unzureichend und teilweise unterschiedlich definiert.
»Neukölln« existiert sowohl als Bezirksbezeichnung,
als auch als Ortsteil innerhalb des Bezirks. Dies führte
zu Unklarheiten über die Ortsangaben in den Artikeln.
Weitere Bezeichnungen für das Untersuchungsgebiet
sind »Nord-Neukölln«, »Kreuzkölln« oder »nahe der
Kreuzberger Grenze«.
Mithilfe einer Strichliste, in welcher aufgelistet wurde,
inwieweit die Kiezbezeichnung in den Artikeln differenzierte, konnte herausgefunden werden, wie und mit
welcher Häufigkeit die unterschiedlichen Ortsangaben
in den Artikeln verwendet wurden.
Mit 20 Nennungen war die Bezeichnung »Neukölln«
an oberster Stelle, welche oft auf eine relativ undifferenzierte Darstellung in den Artikeln schließen ließ. Es
folgte die Bezeichnung »Nord-Neukölln« mit 15 Nennungen, die auch auf den offiziellen Seiten der Stadt mit
dem Reuterkiez gleichgesetzt wird:
»Besonders in Nord-Neukölln, an der Grenze zu Kreuzberg zwischen Landwehrkanal und Sonnenallee, hat
sich der Bezirk in den vergangenen drei Jahren gewandelt. Kreuzkölln nennen deshalb manche Berliner die
Gegend, eine Art Hybrid-Kiez also.« (Berlin.de o.J.)
Erst mit relativ großem Abstand folgt mit acht Erwähnungen der Begriff »Kreuzkölln« und dahinter, mit sieben Nennungen, »Reuterkiez« als die eigentliche Bezeichnung des Quartiers. In zwei Artikeln wurde der
Ortsteil sogar nur als »Nahe zur Kreuzberger Grenze«
bezeichnet.
Nach der Sichtung wurden die Artikel in eine Tabelle
eingetragen, die dazu diente, eine Übersicht über die
verschiedenen Inhalte der Artikel zu geben um diese
miteinander vergleichen zu können.
Aus der Tabelle konnte die Gruppe entnehmen, ob die
Berichterstattung eines Artikels eher positiv oder negativ war, welche Standorte im Reuterkiez erwähnt und
wie die Bewohner vor Ort von den Autoren charakterisiert wurden. Diese Wertung ist jedoch nicht objektiv,
da die Einordnung zuvor selbstständig und nach eigenen Kriterien von der Gruppe vorgenommen wurde.
E III
um einen möglichst guten Gesamteindruck zu erhalten.
Der Leitgedanke ist, herauszufinden, wie das Image des
Reuterkiezes vor zehn Jahren (vorrangig in der Presse)
dargestellt wurde, wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat und wie es heute dargestellt wird. Die Absicht
des Projekts ist es, anhand der Ergebnisse der Medienanalyse zu untersuchen, ob es einen konkreten Zeitpunkt gab, an dem sich die Berichterstattung über den
Reuterkiez gewandelt hat und ob zu diesem Zeitpunkt
auch eine Veränderung in der Gewerbestruktur zu verzeichnen ist. Um dies überprüfen zu können, müssen die
Ergebnisse der Medienanalyse, der Gewerbekartierung
und der Befragung zugezogener Unternehmen in Beziehung zueinander gestellt und ausgewertet werden.
Abb. 16 Strichliste zu den verschiedenen Begriffen,
Quelle: eigene Darstellung
In einigen Artikeln wurde, nachdem »Neukölln« erwähnt
wurde, noch etwas genauer auf die Lage bzw. den Namen des Quartiers eingegangen, wobei auch hier mit
Abstand am meisten die Bezeichnungen »Nord-Neukölln« oder »Kreuzkölln« verwendet wurden. Die sieben
Nennungen des Reuterkiezes folgten immer erst nachdem die Begriffe »Kreuzkölln« oder »Nord-Neukölln«
erwähnt worden waren.
67
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Süddeutsche
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für Berliner“
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Umgebung
Umgebung
ZeitungZeitung
MagazinMagazin
Marco Polo
Marco Polo
Heft 11 Heft
2009:11 2009:
Süddeutsche
Süddeutsche
19.5.2010:
19.5.2010:
„Berlin „Berlin
NeuköllnNeukölln
–
–
hat Zeug
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zur zur
„Allein „Allein
im Sog im
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Aus Berliner
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Kulturmeile
Kulturmeile
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Wind Wind
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wird frischer
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weit undweit
breit
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im Freudentaumel
im Freudentaumel
über dieüber die
Szenewerdung
Szenewerdung
Abgeranztheit
Abgeranztheit
hip lässige
hip lässige
ausgeprägte
ausgeprägte
Kulturszene
Kulturszene
2.4 2.4
Zeitstrahl
Zeitstrahl
Brandbrief
Brandbrief
Alkoholisierte
Alkoholisierte
Männer Männer der Lehrer
der Lehrer
wenige wenige
Studenten
Studenten
aus
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sozialersozialer
Niedergang
Niedergang
Rütlischule
Rütlischule
BerlinBerlin
verslumt
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20082008
Staubsauger
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für Asoziale
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hungernde
hungernde
KinderKinder
echteechte
ArmutArmut
blaugeschlagene
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Frauen Frauen
19971997
2006 2006
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2004 2004 Spiegel Spiegel
29.11.2004
29.11.2004
„Ein Kiez
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Kippe“
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Parallelgesellschaft
Parallelgesellschaft
Ausländer
Migranten
MigrantenAusländer
Gewalt
Gewalt
Kriminalität
Kriminalität
New York
NewTimes
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18.9.2009:
18.9.2009:
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highest highest
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culturally
culturally
rich area
rich area
primed primed
for art for
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night life
night life
Der Zeitstrahl beginnt mit einem Artikel aus dem Spiegel-Magazin von 1997, in dem der Bezirk Neukölln sehr
stark als Problembezirk dargestellt wird. Es ist die Rede
von hungernden Kindern und alkoholisierten Männern,
gar slumähnlichen Verhältnissen. In dem Artikel heißt
es: »‘Neukölln is‘ nur noch een Staubsaujer für Asoziale
aus der janzen Stadt‘, philosophiert eine Hauswartsfrau«
(Wen-sierski, 2007: 60). Der Artikel aus dem Spiegel fällt
zwar nicht in den Untersuchungszeitraum von 2004 bis
2014, die Arbeitsgruppe hatte sich dennoch dazu entschieden, ihn in die Analyse aufzu-nehmen, da er ein
68
20122012
zitty 8.3.2011:
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angesagte
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Studentenkneipen
Studentenkneipen
und
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„Neukölln
leuchtet“
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GalerienGalerien
lebendig
lebendig
ArmutArmut
Ghettoisierung
Ghettoisierung
Brennpunkt
Brennpunkt
multikulturelle
multikulturelle
VielfaltVielfalt
bunt bunt
stabilesstabiles
Negativbild
Negativbild
in
in
der Öffentlichkeit
der Öffentlichkeit
Simon-Dachierung
Simon-Dachierung
Goldgräberstimmung
Goldgräberstimmung
in
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NeuköllnNeukölln
Studenten
Studenten
das ist das
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dasNeukölln
neue Neukölln
Kreative
Kreative
zunehmend
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besser besser
Verdienende
Verdienende
20142014
5.3.20125.3.2012
zitty zitty
ist Tür
offen
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zwei Künstler
zwei Künstler
betreiben
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Neukölln'“:
Neukölln'“:
Kneipe Kneipe
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vom Reuterkiez
vom Reuterkiez
Dornröschenschlaf
Dornröschenschlaf
endete 2006
endete Tagesspiegel
2006 Tagesspiegel
24.1.2014:
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junge junge
Menschen
Menschen„Armes,„Armes,
cooles cooles
Neukölln“
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Viertel
Viertel
im Aufwind
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KünstlerKünstler
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Mittzwanziger
Mittzwanziger
Studenten
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Spiegel 43.
Spiegel
Ausgabe
43. Ausgabe
1997
1997
3.3 Zeitstrahl
Um bei der Betrachtung der Zeitstrahlgrafik die Stimmung in der Berichterstattung über Neukölln optisch
auf den ersten Blick kenntlich zu machen, wurde eine
Einteilung in positiv (blaue Sprechblasen), sowohl positiv als auch negativ (violette Sprechblasen) und negativ
(rote Sprechblasen) vorgenommen.
turus.net
turus.net
MagazinMagazin
13.2.2010:
13.2.2010:
„Berlin „Berlin
Neukölln:
Neukölln:
Spaziergang
Spaziergang
im Problemkiez“
im Problemkiez“
Tagesspiegel
Tagesspiegel
13.7.2007:
13.7.2007:
„Berlin-Neukölln
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was was
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werden?“
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Gerichtsvollzieher
Gerichtsvollzieher
HöchsteHöchste
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Sozialhilfedichte
EuropasEuropas
Spiegel 43.
Spiegel
Ausgabe
43. Ausgabe
1997
1997
stabile
stabile
Wohnquartiere
Wohnquartiere
hippe hippe
Jugend
Jugend
2010 2010
43. Ausgabe
43. Ausgabe
Spiegel Spiegel
1997: 1997:
„Endstation
„Endstation
Neukölln“
Neukölln“
BerlinerBerliner
ZeitungZeitung
28.8.2013
28.8.2013
„SPD streiten
„SPD streiten
um Image
um von
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Neukölln“:
Neukölln“:
Bezirkspolitiker
Bezirkspolitiker
reden ihren
reden ihren
Bezirk schlechter
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N-tv 11.11.2011:
N-tv 11.11.2011:
„Vom Schmuddel„Vom Schmuddelzum zum
Szenekiez
Szenekiez
- Berlin- Berlin
ist hip ist
geworden“
hip geworden“
NeuköllnNeukölln
sehr drastisches Bild über das Neukölln der 1990er Jahre
zeichnet. Außerdem kann davon ausgegangen werden,
dass durch die Reichweite des deutschlandweit erscheinenden Magazins der Ruf Neuköllns weit über die Grenzen Berlins getragen wurde.
Im November 2004 erscheint auf Spiegel Online der Artikel »Ein Kiez auf der Kippe«, der ausschließlich negativ
über Neukölln berichtet. Es werden der hohe Migrationsanteil der Bewohnerschaft, die hohe Dichte von Sozialhilfeempfängern und die große Menge an registrierten Gewalttaten im Gebiet erwähnt.
Im Jahr 2006 verfasst die Schulleiterin der Rütli-Schule
einen offenen Brief an den Senat, welcher deutschlandHeftAufmerksamkeit
11.
2009
Heft 2009
weit11.für
sorgt. In dem offenen Brief
werden von der Schulleiterin unter anderem die Tatsache, dass Gewalt und Kriminalität hier auf der Tagesord-
nung stehen und die Unmöglichkeit, den Schülern den
Unterrichtsstoff zu vermitteln, beklagt. Die Veröffentlichung des Briefes löste eine Debatte über die Gewalt an
Schulen und die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus. (o.A. 2007)
BZBZ21.1.2008
21.1.2008
BZBZ21.1.2008
21.1.2008
Bis zum Jahr 2007 werden überwiegend Artikel veröffentlicht, die sich auf die Probleme der Rütli-Schule beziehen. Im Sommer 2007 jedoch erscheint erstmals ein
Bericht im Tagesspiegel, der nicht nur negativ über Neukölln berichtet. In ihm ist die Rede vom Neuköllner Norden als ein »Viertel im Aufwind«. Es wird außerdem auf
die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur eingegangen, die plötzlich von Künstlern, Studenten und »adrette[n] Mittzwanziger[n]« geprägt sei. (Dietrich 2007)
Im Jahr 2008 kann eine nominal deutlich zunehmende Berichterstattung über Neukölln festgestellt werden. Anfang
des Jahres veröffentlicht die BZ die »Neukölln-Karte der
Angst« (Berlin Verlag GmbH (Hrsg.) 2008: 10-11), welche
die hohe Kriminalität in Neukölln verdeutlichen soll. Auf
derselben Seite wird ein Artikel mit der Überschrift »Aber
es gibt auch Hoffnungsschimmer in Neukölln« abgedruckt,
der Positives berichtet. Oft zitiert wird der zitty-Artikel
»Neukölln rockt«, der im März 2008 erscheint. In ihm
werden Schlagwörter wie »Hype« und »Gründergeist«
genannt. Außerdem ist die Rede von Neukölln als neuem
Trendbezirk (Boese 2008: 14-20). Das macht sich stark im
Kurvenverlauf des Zeitstrahls bemerkbar. Im Jahr 2008
wird in dem Reiseführer »Berlin und Umgebung für Berliner« erstmals für Neukölln geworben (Berger 2008: 90).
In den Jahren von 2009 bis 2011 gibt es einen deutlichen Aufschwung. Es wird überwiegend positiv über
Neukölln berichtet. Mit dem New York Times Artikel »A
Berlin Hub‘s Arty Spinoff« im September 2009 findet
Neukölln sogar in der internationalen Presse Erwähnung
(Wilder 2009). In ihm wird Neukölln als »culturally rich
area« beschrieben. Außerdem veröffentlicht das Süddeutsche Zeitung Magazin den Artikel »Berlin Neukölln
– aus Berliner Luft Luft Luft weht frischer Wind Wind
Wind«, in dem die Veränderung besonders treffend zusammengefasst werden:
»Nach desaströsen Schlagzeilen über die Rütli-Schule
geht Berlin-Neukölln nun schon seit
einigen Monaten in die Charmeoffensive: Passt man einmal fünf Mizitty 20.3.2008
zitty 20.3.2008
nuten nicht auf, hat
schon wieder eine neue
Bar oder ein Laden aufgemacht. Was im Stadtsoziologen-Sprech Gentrifizierung genannt wird, heißt für die
69
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Zeitstrahl
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2.5 Überblick der Medienberichterstattung
Auch 2011 und 2012 werden viele Berichte über Neukölln veröffentlicht. Allerdings geht hier der An-teil der
positiven Artikel, die das Quartier als neuen Trendkiez
darstellen, bereits ein wenig zurück. Es werden erstmals
Schlagwörter, die mit Gentrifizierung in Verbindung gebracht werden, benutzt, beispielsweise »zunehmend
besser Verdienende« (Klün 2011) oder »hords of hipsters« (Dyckhoff 2011). Der Reiseführer »lonely planet«
aus 2011 bezeichnet Neukölln dagegen nach wie vor als
den »aktuell angesagtesten Bezirk« (Schulte-Peevers
2011: 145).
Im März 2012 berichtet die Zitty über die Eckkneipe
»Freies Neukölln« und die Motive der beiden Inhaber,
eine Kneipe im Reuterkiez zu eröffnen (Kringel 2012).
Der Bericht erwähnt die besondere Rolle der Kneipe,
denn mit der Eröffnung vom Freies Neukölln 2006 wurde das Ende des »Dornröschenschlaf[s] im Neuköllner
Norden« eingeläutet.
Das Kunst- und Kulturfestival 48h Neukölln wird alljährlich zum Anlass genommen, um die Verände-rungen
in Neukölln zu thematisieren. Die überwiegend negative Berichterstattung über den sogenannten Problembezirk gehört der Vergangenheit an. Der »Bezirk mit
dem schlechtesten Ruf« hat sich zu einem »hippe[n]
Bezirk« etabliert, in dem sich heute die »vielen neuen
Bewohner[n] und ihre[n] Bars und Galerien« aufhalten.
(Strauss 2012)
Die Multikulturalität in Neukölln wird kaum noch in Bezug auf die bekannten Probleme bei der Migrationspolitik, Armutsbekämpfung und Kriminalität erwähnt. Vielmehr wird beachtet, dass diese im Rahmen des Festivals
kreativ genutzt wird, beispielsweise um ein Theaterstück
zu inszenieren. Die positive Berichterstattung scheint
sich im Jahr 2012 auf dem Höhepunkt zu befinden.
70
Schon 2013 beginnt sich die Atmosphäre zu trüben. Berichte über Gentrifizierung werden veröffentlicht. Vor
allem die steigenden Mieten werden oft thematisiert.
Auch der Vergleich mit den Entwicklungen in Prenzlauer
Berg und Kreuzberg wird häufig herangezogen. Die Gentrifizierungser-scheinungen werden sehr kontrovers diskutiert. Einige sagen den Ausverkauf von Nordneukölln
voraus, andere sind froh darüber, dass sich neben den
Spielcasinos und Mobilfunkshops endlich alternative
Einkaufs- und Freizeitangebote entwickeln (vgl. Frenzel
2013 und Schiedlofsky 2013).
2014 reißt die Debatte über die steigenden Mieten und
die damit verbundene Verdrängung von gering verdienenden Teilen der angestammten Bevölkerung nicht ab.
Fragen zu den zu erwartenden, negativen Auswirkungen
der Aufwertung werden offen gestellt, wie beispielsweise im Januar 2014 in einem Artikel der Berliner Zeitung,
der die Aufnahmen bei Google Street View von 2008
dazu benutzt, um die augenscheinliche Veränderung
im Reuterkiez zu verdeutlichen: »Ob das ältere Ehepaar
vor der Hausnummer 210 noch hier lebt? Oder mussten
diese Menschen nach der letzten Mieterhöhung in die
Gropiusstadt umziehen?« (Baumgärtel 2014).
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2010
Im Jahr 2004 ist der Ortsteil in der Medienberichterstattung wenig präsent. Die wenigen erscheinenden Artikel
sind nahezu ausschließlich negativ und spiegeln vor allem die Gewalt und Probleme im Kiez wider. Diese Negativberichterstattung in den Schlagzeilen mündet 2006
mit dem Brandbrief der Lehrer der Rütli-Schule. Erst ab
2007 ist die steigende Aufmerksamkeit der Presse nicht
mehr allein auf die Probleme vor Ort fokussiert. Die vereinzelt positiven und attraktivitätssteigernden Veränderungen im Kiez, die etwa 2007/2008 beginnen, gewinnen in den Medien die Überhand.
2012
2014
2008
2004
2006
Rütli-Brandbrief
sorgt für mehr
Aufmerksamkeit
für Nord-NK
Zunehmend internationale
positive Berichte, Artikel
werben für Kulturszene,
beginnende Gentrifizierungsdebatte
Abb. 17: Zeitstrahl der Medienanalyse mit Erläuterungen, Quelle: eigene Darstellung
4 Ausblick
3.4 Fazit
Die Medienanalyse von 2004 bis 2014 hat ergeben, dass
sich in Nord-Neukölln und im Reuterkiez zweifellos ein
imagebedingter Wandel vollzogen hat. Der Inhalt der
Berichte hat sich seit 2004 stark zum Positiven verändert und auch die generelle Präsenz des Kiezes in den
Medien ist stärker geworden.
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E III
Neuköllner vor allem: Endlich muss man nicht mehr
nach Kreuzberg oder Mitte, wenn man abends auf ein
Bier raus oder in Läden einkaufen möchte, die zwar teurer sind als Ein-Euro-Shops, dafür aber auch Aufregenderes anbieten als 1,5-Volt-Batterien im Zehnerpack«
(Engelmeier 2009).
Im Jahr 2010 wird Neukölln auch international immer
beliebter und in den Medien als neuer Trendbezirk artikuliert. Parallel beginnt in der lokalen Presse eine Debatte über die ersten Gentrifizierungserscheinungen.
Die sich immer weiterentwickelnde Kulturszene findet
zunehmend Erwähnung und wird sowohl in den Tageszeitungen als auch in Reiseführern positiv angepriesen.
Aktuell (2014) wird die positive Entwicklung des Kiezes
untrennbar mit dem Thema der Gentrifizierung in Verbindung gesetzt, was das Image eines vor einigen Jahren noch so angesagten Bezirks ein wenig trübt.
Wie bereits einleitend erwähnt wurde, stellt der
»Image-Zeitstrahl« eine Grundlage für die weitere Arbeit an unserer Forschungsfrage dar. Zum einen können
Ergebnisse der Analyse in den Fragebogen an die zugezogenen Unternehmen integriert werden (s. Kapitel G
II), und zum anderen lassen sich Daten aus der Bestandserhebung des Gewerbes mit dem »Image-Zeitstrahl«
vergleichen. So lässt sich untersuchen, ob es Parallelen
zwischen dem Zuzug von Unternehmen und der Medienberichterstattung des Reuterkiezes gibt und welche
Gewerbebetriebe, die medial Erwähnung fanden, immer noch im Kiez ansässig sind.
Im nächsten Arbeitsschritt geht es nun um die Erstellung eines Fragebogens, welcher dann von Unternehmen beantwortet werden soll, die ab 2004 in das Reuterquartier gezogen sind.
71
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und Standortwahl von Unternehmen, Difu-Impulse,
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Praxis. Braun &Brunswick Verlag, Waltrop
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»Nord Neukölln: Spielplatz Avantgarde von Jacek Slaski«,
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hip geworden« von Johanna Uchtmann,
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die Kneipe »Freies Neukölln«» von Markus H. Kringel,
URL: http://www.zitty.de/die-tur-ist-offen-zwei-kunstler-betreiben-die-kneipe-freies-neukolln.html,
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»Berlin-Neukölln: Aus Berliner Luft, Luft, Luft wird
frischer Wind, Wind, Wind« von Hanna Engelmeier, URL: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/
anzeigen/28510, vom 01.11.2009, letzter Zugriff am
10.04.2014
»Update Neukölln« von Susan Schiedlofsky, URL:
http://www.tip-berlin.de/kultur-und-freizeit-stadtleben-und-leute/update-neukolln, vom 10.07.2012, letzter Zugriff am 10.04.2014
»SPD streitet um Image von Neukölln« von Martin Kiesmann, URL: http://www.berliner-zeitung.de/
berlin/neukoelln-spd-streitet-um-image-von-neukoelln,10809148,24067598.html, vom 20.08.2013, letzter
Zugriff am 10.04.2014
»Armes, cooles Neukölln« von Susanne Vieth-Entus,
URL:http://www.tagesspiegel.de/berlin/armes-cooles-neukoelln/9377020.html, vom 24.01.2014, letzter
Zugriff am 10.04.2014
»Image-Wandel: Neuköllner Schulen sind keine Sitzenbleiber mehr« von Lars Petersen, URL: http://
www.bz-berlin.de/bezirk/neukoelln/neukoellner-schulen-sind-keine-sitzenbleiber-mehr-article1793243.html,
vom 23.01.2014, letzter Zugriff am 10.04.2014
»Mit Google Street View durch Neukölln« von Tilman
Baumgärtel,
URL:http://www.berliner-zeitung.de/kultur/gentrifizierung-in-berlin-mit-google-street-view-durch-neukoelln-,10809150,25815396.
html, vom 07.01.2014, letzter Zugriff am 10.04.2014
»Berlin boomt – Neukölln ist so beliebt wie Prenzlauer
Berg« von Florentine Anders, URL: http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article124983452/Berlin-boomtNeukoelln-ist-so-beliebt-wie-Prenzlauer-Berg.html,
vom 18.02.2014, letzter Zugriff am 10.04.2014
»Gentrifizierung in Berlin: Hip, hipper, Neukölln« von
Veronica Frenzel, URL: http://www.tagesspiegel.de/
berlin/gentrifizierung-in-berlin-hip-hipper-neukoelln/9152496.html, vom 30.11.2013, letzter Zugriff am
10.04.2014
»Neukölln: the best bits of Berlin‘s hippest ‚hood« von
David Clack, URL: http://www.timeout.com/travel/features/1277/neukolln-the-best-bits-of-berlins-new-hipster-hood, ohne Datum, letzter Zugriff am 10.04.2014
»Neukölln Nasties: Foreigners feel accused in Berlin
Gentrification Row« von Moises Mendoza, URL: http://
www.spiegel.de/international/germany/neukoelln-nasties-foreigners-feel-accused-in-berlin-gentrification-row-a-750297.html, vom 11.03.2011, letzter Zugriff
am 10.04.2014
»Let‘s move to Kreuzkölln, Berlin: it‘s the epicentre of
cool« von Tom Dyckhoff, URL: http://www.theguardian.
com/money/2011/mar/19/move-to-kreuzkolln-berlin,
von 19.03.2011, letzter Zugriff am 10.04.2014
Schulte-Peevers, Andrea: Lonely Planet Reiseführer Berlin, 3. Auflage, Mairdumont: 2011.
ohne Autor: Berlin für Berliner 2010: Mit Insider-Tipps.
Events, Kultur, Ausgehen, Essen & Trinken, Shoppen, Wellness & Sport, Cityatlas, 7. Auflage, Mairdumont: 2009.
Berger , Christine: Berlin und Umgebung für Berliner
2008, Mairdumont: 2007
Heinen , Christina M: »Tief in Neukölln«, transcript-Verlag: 05/2013
Medienanalyse und Visualisierung: Auswertung von
Online-Pressetexten durch Text Mining: http://epub.
uni-regensburg.de/6846/1/QuasthoffRichterWolffMedienanalyse.pdf letzter Zugriff am 24.06. 2014
73
E III
5 Quellenverzeichnis
F
Kartierung der Wirtschaftseinheiten im Reuterkiez
F
»Insgesamt kann
festgestellt werden,
dass nur jeder sechste
Betrieb bereits 2004
vor Ort war.«
INHALTSVERZEICHNIS
1
Einleitung
76
2
Methodisches Vorgehen
76
3
Analyse
77
3.1
Hinzugezogene Betrienbe seit 2004 in Erdgeschosslage
77
3.2
Veränderungen in der Gewerbestruktur in Erdgeschosslage
78
3.3
Veränderungen bei der Leerstandsquote
79
3.4
Veränderungen in der räumlichen Verteilung von
80
Wirtschaftseinheiten der Gastronomie und Dienstleistungen
4
Beantwortung der Teilforschungsfrage
83
5
Quellverzeichnis
83
75
3 Analyse
3.1 Hinzugezogene Betriebe seit 2004 in Erdgeschosslage
1 Einleitung
2 Methodisches Vorgehen
Bei der Forschungsarbeit handelt es sich um eine Kartierung der statistischen Einheiten mit Wirtschaftstätigkeit. Dies bedeutet, dass alle gewerblichen Einheiten
im Reuterkiez kartiert worden sind – ungeachtet, ob
jeweils eine Profitorientierung vorhanden oder nicht
vorhanden ist. Dementsprechend wurden auch soziale
und öffentliche Einrichtungen mit in die Kartierung aufgenommen. Die Kartierung wurde im April 2014 durchgeführt.
Um wissenschaftlichen Standards zu entsprechen, orientiert sich das Projekt an den Empfehlungen des Statistischen Bundesamts zur »Klassifikation der Wirtschaftszweige« (Statistisches Bundesamt 2008). Das sehr
umfangreiche Dokument wurde an unsere Gebietskulisse angepasst und dementsprechend vereinfacht
(s. »Hinweise zum Erhebungsbogen« im Anhang). Um
eine Anschaulichkeit der Ergebnisse zu gewährleisten,
76
ist diese Aufschlüsselung wiederum zusammengefasst worden; sie orientiert sich allerdings auch in dieser gewählten Form an den
Empfehlungen
des
Statistischen
Bundesamts.
Grundlage der Analyse ist der Abgleich unserer Daten
mit der Gewerbekartierung, die Dr. Reinhard Adler im
Jahr 2004 vorgenommen hat. Die Kartierung von Adler
umfasst bedauerlicherweise nur Erdgeschosslagen, höhere Stockwerke oder Hinterhöfe wurden nicht kartiert.
Im Projekt wurde beschlossen eine vollständige Kartierung aller Gewerbeeinheiten durchzuführen, um dann
F
Die vorliegende Kartierung soll zur Beantwortung der
ersten Teilforschungsfrage dienen. Dementsprechend
soll sie Daten erbringen, die erklären, »in welchem
Umfang sich die Gewerbestruktur im Reuterkiez in den
letzten zehn Jahren verändert hat« (s. Kapitel D). Diesbezüglich sind vier Analysefragen entstanden, die im
Laufe dieses Abschnitts beantwortet werden. Aus der
Analyse resultieren wiederum Thesen, die zum Ende
des Abschnitts vorgestellt werden. Die Beantwortung
der ersten Analysefrage bietet zudem die Grundlage für
die Auswahl der befragten Unternehmen in Kapitel G.
die Erdgeschosseinheiten von 2014 mit denen von 2004
zu vergleichen. In Abb. 1 ist der Zuzug der Wirtschaftseinheiten seit 2004 dargestellt.
Bei dem Abgleich haben sich einige Unstimmigkeiten
ergeben. Anscheinend hat Adler die Wirtschaftszweige »Erziehung und Unterricht«, »Gesundheit und Sozialwesen« und »Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen« nur unvollständig kartiert.
Daher kann in der folgenden Analyse nur eine vage Aussage zur Entwicklung dieser Wirtschaftszweige getroffen werden.
Auch zeigt sich, dass einige Klassifizierungen, die Adler
2004 vorgenommen hatte, unserer Ansicht nach nicht
auf die jeweilige heute noch vorgefundene Wirtschaftseinheit anwendbar sind. In diesen Fällen haben sich die
Bearbeitenden vorbehalten, die Kartierungsdatei von
Adler den vorgefundenen Verhältnissen anzugleichen.
Hauseinheiten mit
Wirtschaftseinheit 2004
zusätzliche Hauseinheiten mit
Wirtschaftseinheit 2014
Abb. 1: Zuzug von Wirtschaftseinheiten in Erdgeschosslage nach Hauseinheiten seit 2004. Quelle: Eigene Darstellung
Im Reuterkiez wurden 2014 insgesamt 598 Betriebe in
Erdgeschosslage kartiert. 490 dieser 2014 kartierten
Betriebe waren nach der Kartierung von Adler 2004
noch nicht vor Ort – ein enormer Zuwachs also. Waren
die Betriebe in Erdgeschosslage 2004 vor allem an den
Hauptstraßen zu finden, wie der Sonnenallee und dem
Kottbusser Damm, so zeigt ein Blick auf die Kartierung
von 2014 eine gleichmäßigere Verteilung der Betriebe im Kiez. Auffällig ist dabei die fast vollständige gewerbliche Erdgeschossnutzung an mehreren Straßen,
die im inneren Bereich des Kiezes verlaufen, wie der
Hobrechtstraße, der Weserstraße oder der Lenaustraße. Auffällig ist auch eine geringer werdende Anzahl an
Betrieben nord-östlich des Reuterplatzes, ein Umstand
der so 2004 noch nicht zu beobachten war.
Den größten Anteil an den zugezogenen Betrieben in
Erdgeschosslage hat die Gastronomie. Rund ein Drittel
der kartierten Betriebe sind diesem Zweig zuzuordnen.
Nominal sind das 163 Einheiten, eine sehr hohe Anzahl,
die nicht nur das Straßenbild sondern auch den Kiez und
sein Image an sich prägt. Wie in Abbildung 2 erkennbar,
77
1%
5%
8%
1%
3%
1%
2%
5%
1%
2%
8%
12%
12%
3%
8%
8%
2%
11%
29%
2%
11%
29%
Tab. 2: Gewerbestruktur in Erdgeschosslage in den Jahren 2004 und 2014
2%
2%
7%
10%
7%
Abb. 2: Zuzug von Wirtschaftseinheiten in Erdgeschosslage nach Wirtschaftszweigen seit 2004
haben die Erbringung von sonstigen Dienstleistungen,
Einzelhandel mit Verlagsprodukten, Sportausrüstung
und Bekleidung sowie Einzelhandel mit Nahrungs- und
Genussmitteln einen Anteil von je ca. 10 % an den zugezogenen Betrieben in Erdgeschosslage. Nominal sind
das 71, 59 und 64 Betriebe.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass nur jeder sechste
Betrieb bereits 2004 vor Ort war. Auffällig ist, dass sich sowohl die Zahl der Betriebe als auch die Zahl der Gewerbeeinheiten (hier wurde der Leerstand ebenfalls erfasst) stark
erhöht hat (326 Gewerbeeinheiten im Jahr 2004 auf 598 in
2014). Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass Adler
in seiner Kartierung von 2004, wie bereits im methodischen
Vorgehen erwähnt, einige Branchen nicht oder nur unvollständig aufgenommen hat. Einige Straßen im Südosten des
Kiezes wurden von Adler nicht berücksichtigt bzw. kartiert
(z.B. Jansa- und Tellstraße), sind aber von der Projektgruppe 2014 aufgenommen worden; ein Umstand, der beim
Blick auf die Zahlen und Daten berücksichtigt werden will.
3.2 Veränderungen in der Gewerbestruktur
in Erdgeschosslage in 2004 und 2014
Bei dem Vergleich der Gewerbestruktur in Erdgeschosslage der Jahre 2004 und 2014 zeigen sich einige Auffälligkeiten, die den Wandel der Gewerbestruktur des
Reuterkiezes während des letzten Jahrzehnts verdeutlichen.
Die Anzahl der Wirtschaftseinheiten in Erdgeschosslage hat sich verdoppelt. Bis auf die Wirtschaftszweige
»Verarbeitendes Gewerbe« und »Baugewerbe« gibt
es in allen Branchen einen teilweise deutlichen nominalen Zuwachs. Besonders hervorzuheben sind hierbei
die »Erbringung von freiberuflichen, technischen und
wissenschaftlichen Dienstleistungen« (Verachtfachung
der Wirtschaftseinheiten), sowie die Wirtschaftszweige »Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln«,
»Gastgewerbe (Gastronomie)« und »Kunst, Unterhaltung und Erholung« (jeweils mehr als eine Verdoppelung der Wirtschaftseinheiten).
Wie lassen sich diese Entwicklungen erklären? Der
starke nominale Zuwachs von Wirt-schaftseinheiten
78
ist kongruent zu dem Rückgang der Leerstandsquote –
bildhaft gesprochen ist also Leerstand »aufgefüllt« worden. Zudem konnte während der Kartierung festgestellt
werden, dass augenscheinlich ehemalige Erdgeschosswohnungen in die Gewerbenutzung überführt worden
sind. Zu guter Letzt dürfte auch die (im Vergleich zu Adler 2004) genauere Kartierung den nominalen Zuwachs
erklären.
Der Wirtschaftszweig »Erbringung von freiberuflichen,
technischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen«
spiegelt mit seinem drastischen prozentualen Zuwachs
auch den Bedeutungsanstieg dieser Branche für das Gebiet wider. Eine genauere Analyse des räumlichen Auftretens dieses Wirtschaftszweiges ist in Kapitel FIId zu
finden.
Bei dem Wirtschaftszweig »Einzelhandel (Nahrungsund Genussmittel)« ist eine eindeutige analytische Aussage schwierig zu treffen. Es handelt sich um eine sehr
heterogene Branche, in der ein nominaler Zuwachs sowohl den Zuzug von Wein- und Delikatessenläden aber
auch von Spätkäufen und Sonderpostenmärkten bedeuten kann.
Die Gastronomie repräsentiert die nominal stärkste Veränderung des Gewerbes; er war je-doch auch im Jahr
2004 schon der am häufigsten vertretene Wirtschaftszweig im Kiez. Eine genauere Analyse des räumlichen
Auftretens ist in Kapitel F 3.1 zu finden.
Abschließend verdient der Wirtschaftszweig »Kunst,
Unterhaltung und Erholung« genauere Betrachtung.
Der prozentuale Anstieg ist zwar vergleichsweise stark,
die nominale Veränderung jedoch – im Vergleich zur
gesamten Veränderung des Gewerbes – marginal. Die
Kartierung hat gezeigt, dass (wie auch 2004) etwa 90%
dieses Wirtschaftszweigs durch Spielotheken ausgemacht wird. Der Reuterkiez ist daher als kein bedeutender Standort für Theater, Varietés oder ähnliche Orte
der darstellenden Kunst zu bewerten. Die kiezprägende
Kultur ist weiterhin durch ihren gastronomischen Charakter gekennzeichnet.
3.3 Veränderungen bei der
Leerstandsquote
Abb. 3: Veränderung der Leerstandsquote in Prozent
seit 2002, Quelle: eigene Darstellung nach Quartiersmanagement für 2002 und 2011, eigene Erhebung für
2014
79
F
10%
im Südosten des Kiezes mit fünf bzw. drei leerstehenden
Gewerbeeinheiten. Vor allem in der kurzen Jansastraße mit ihren wenigen Erdgeschossgewerbeeinheiten
ist der Leerstand noch besonders augenscheinlich und
straßenbildprägend.
Gastronomie
Die Gastronomie hat den höchsten Anteil unter den
zugezogenen Unternehmen (vgl. Kapitel F 3.1) und den
höchsten nominalen Zuwachs im Reuterkiez (vgl. Kapitel
F 3.2).
punktsetzung in Bezug auf den »Charakter« der Gastronomie. Im Jahr 2004 dominierten noch Eckkneipen
im inneren und Fastfood-Imbisse im äußeren Bereich
des Kiezes den Wirtschaftszweig. Die neue räumliche
Eine mögliche Erklärung für die geringe Leerstandquote im Reuterkiez könnte die hohe Nachfrage nach Gewerberaum vor Ort sein. Wäre dies zutreffend, kann
der Kiez als beliebter Gewerbestandort bewertet werden. Die Standortfaktoren werden durch die Befragung
der Unternehmen vor Ort genauer beleuchtet werden
(vgl. Kapitel G). Somit kann festgestellt werden, dass die
Leerstandproblematik im Reuterkiez heute nicht mehr
existent ist.
Im Jahr 2004 konzentrierte sich dieser Wirtschaftszweig vorrangig auf die Sonnenalle und den Kottbusser
Damm; in dem inneren Bereich des Kiezes gab es eine
relativ gleichmäßige Dichte mit leichten Schwerpunkten
in der Hobrechtstraße. Deutlich ist die Konzentration
auf Ecklagen der Blockrandbebauungen.
Schwerpunktsetzung im Kiezinneren wird dagegen vorrangig von Cafés und Restaurants verkörpert; zusätzlich
zeigt sich in der Weser- und Pannierstraße ein deutlicher Zuzug von Schankwirtschaften, die nicht mehr dem
ursprünglichen Charakter von Eckkneipen entsprechen
und damit vor allem jüngeres Publikum ansprechen.
Im Vergleich zwischen den Jahren 2004 und 2014 ist die
Dichte an der Sonnenallee und dem Kottbusser Damm
in etwa gleich geblieben. Eine deutliche Zunahme gab
es im inneren Bereich des Kiezes. Dabei sind die Pannier-, Hobrecht- und Weserstraße sowie der Nordtteil
der Friedelstraße als Schwerpunkte hervorzuheben.
Zusätzliche Verdichtungen befinden sich in den begrenzenden Straßen Maybachufer und Weichselstraße.
Eine Konzentration auf Ecklagen wie noch 2004 ist nicht
mehr zu erkennen.
Da die Gastronomie im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen den öffentlichen Raum stark prägt, geht
mit der Veränderung des »Charakters« der Gastronomie auch eine Veränderung des öffentlichen Raumes im
Kiezinneren einher. Nicht umsonst wird der Reuterkiez
in den Medien (vgl. Kapitel EIII) auch über sein gastronomisches Erscheinungsbild verkörpert. Es ist daher davon
auszugehen, dass die Veränderungen, die in diesem
Wirtschaftszweig aufgetreten sind und in diesem Kapitel
beschrieben wurden, auch unmittelbare Auswirkungen
auf das Image des Reuterkiezes haben.
3.4 Veränderungen in der räumlichen Verteilung von Wirtschaftseinheiten
der Gastronomie und Dienstleistungen
Die Clusterungen lassen sich einerseits durch die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln (U-Bahnhöfe Schönleinstraße und Hermannplatz) und zusätzlich in einigen Fällen durch die Nähe zum Maybachufer
erklären. Es ist zu vermuten, dass die gastronomischen
Betriebe von Konsumenten profitieren, die nicht aus
dem Kiez stammen, sondern entweder gezielt diese Betriebe aufsuchen oder neben dem Besuch am Maybachufer dort konsumieren.
Zusammengefasst hat sich die Konzentration der Gastronomie von der Sonnenallee bzw. dem Kottbusser Damm
in den inneren Bereich des Kiezes verschoben. Neben
dem nominalen Zuwachs und der räumlichen Veränderung zeigt die Kartierung auch eine neue Schwer-
Erbringung von freiberuflichen, technischen
und wissenschaftlichen Dienstleistungen
Der Wirtschaftszweig »Erbringung von freiberuflichen,
technischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen«
stellt mit einer Verachtfachung der Wirtschaftseinheiten die stärkste prozentuale Veränderung in der Gewerbestruktur des Reuterkiezes dar (vgl. Kapitel FIIa). Hierbei ist zu erwähnen, dass heute weitere 69 Einheiten
dieser Branche in höheren Geschosslagen, Hinter- und
Gewerbehöfen ansässig sind – bedeutende Agglomerationen lassen sich in Gewerbehöfen längs des Kottbusser Damms und der Hobrechtstraße feststellen.
Gastgewerbe
(Gastronomie)
2004
2014
Abb. 4: Veränderung der räumlichen Verteilung von Gastronomie in Erdgeschosslage zwischen 2004 und 2014
Quelle: Eigene Darstellung (Kartengrundlage aus FIS-Broker)
81
F
Die Leerstandquote hat sich innerhalb von zwölf Jahren
von 30% im Jahr 2002 auf nur noch 5% in 2014 reduziert. Auffällig ist die erneute Halbierung der Quote zwischen den Jahren 2011 und 2014, also innerhalb von
nur drei Jahren. Bei der Kartierung der Projektgruppe
2014 wurden lediglich 24 Gewerbeeinheiten als leerstehend aufgenommen. Bei sieben Einheiten war eine genaue Aussage aufgrund von herunter gelassenen Rollläden nicht möglich. Beide Zahlen zusammen ergeben
die Leerstandsquote von 5%. Werden die Einheiten mit
heruntergelassenen Rollläden nicht eingerechnet, liegt
die Leerstandquote bei nur noch 3,87% und damit weit
unter dem Neuköllner Durchschnitt (vgl. Kapitel E I). Der
Leerstand ist relativ gleichmäßig über den Kiez verteilt.
Einzige Ausnahme sind hier die Jansa- und die Tellstraße
Erbringung von freiberuflichen, technischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen
2004
2014
Abb. 5: Veränderung der räumlichen Verteilung von Wirtschaftseinheiten mit freiberuflichen, technischen und wissenschaftlichen Dienstleistungen in Erdgeschosslage zwischen 2004 und 2014, Quelle: Eigene Darstellung (Kartengrundlage aus FIS-Broker)
Im Jahr 2004 waren die fünf vorhandenen Wirtschaftseinheiten undefiniert über das Gebiet verteilt und dabei
sowohl in den angrenzenden Straßen als auch im inneren Bereich des Kiezes vertreten. Auch 2014 zeigt sich
eine relativ homogene Verteilung mit einer sehr leichten Clusterung im nordwestlichen Bereich (Sander- und
Bürknerstraße, Westteil der Pflüger- sowie Nordtteil der
Hobrecht- und Friedelstraße) und beschränkt sich damit
weitestgehend auf den inneren Bereich des Kiezes.
Eine genauere Betrachtung der Kartierungsdatei zeigt,
dass in den Erdgeschosseinheiten dieses Wirtschaftszweigs vorrangig künstlerischen Arbeiten nachgegangen wird (Werkstätten, Galerien und Ateliers). Einige
82
haben eine untergeordnete Einzelhandelsfunktion. Die
relativ undefinierte räumliche Verbreitung dieses Wirtschaftszweiges lässt sich nur unzureichend erklären.
Eventuell besitzt dieser nur geringe Standortansprüche
oder verfügt wegen geringer Finanzkraft über eine begrenzte Entscheidungsmöglichkeit zur Standortwahl.
5 Quellenverzeichnis
Mit Bezug auf die untergeordnete Forschungsfrage »In
welchem Umfang hat sich die Gewerbestruktur im Reuterkiez in den letzten zehn Jahren verändert?« lassen
sich folgende Thesen aus der vorangegangenen Analyse
ableiten:
Adler (2004): Gewerbekartierung Reuterkiez. Berlin
Rettberg (2011): Revitalisierungsprozesse als Wegbereiter für Gentrification?. Saarbrücken
Statistisches Bundesamt (2008): Klassifikation der Wirtschaftszweige. Wiesbaden
I.
Die Gewerbestruktur unterliegt einer immensen
quantitativen Veränderung – die Zahl der Wirtschaftseinheiten hat sich im Zeitraum 2004 bis
2014 von 326 auf 598 nahezu verdoppelt.
II.
Die Leerstandsproblematik des Reuterkiezes ist
beseitigt – in den letzten zwölf Jah-ren ist die
Leerstandsquote von 30% auf 4–5% und damit
weit unter den Neuköllner Durchschnitt gesunken.
III.
Die ohnehin geringe Anzahl des Verarbeiten den
Gewerbes und des Baugewerbes ist weiter geschrumpft.
IV.
Im inneren Bereich des Kiezes hat der Gastronomiesektor enorm an Bedeutung gewonnen – damit einher geht eine qualitative Veränderung des
Angebots u.a. in Form von Cafés und Restaurants.
V.
Die Zahl von Wirtschaftseinheiten in freiberuflichen, technischen und wissenschaftlichen
Dienstleistungen hat sich verachtfacht – mit
Schwerpunkten im inneren Bereich des Kiezes
und den Gewerbehöfen des Kottbusser Damms.
F
4 Beantwortung der Teilforschungsfrage
Nichtsdestotrotz kann durch die Kartierungsbegehungen ausgesagt werden, dass diese Branche durch ihre
augenscheinliche Präsenz in Erdgeschosslage auch die
Wahrnehmung des öffentlichen Raumes im Kiezinneren
beeinflusst. Zusammen mit der Gastronomie ist dieser
Wirtschaftszweig zu den prägenden Elementen des Kiezes zu zählen.
83
G
Befragung der zugezogenen
Unternehmen im Reuterkiez
INHALTSVERZEICHNIS
G
»Der prozentual
stärkste Zuzug der
befragten Unternehmen
fand im Jahr 2010 statt.«
1
Einleitung
86
2
Entstehung des Fragebogens
86
3
Methodisches Vorgehen
86
4
Auswertung der Fragen und Antworten
88
4.1
Eröffnungsdaten der zugezogenen Unternehmen
88
4.2
Bewertung der imageaffinen Standortfaktoren
88
4.3
Die Besonderheiten des Reuterkiezes
89
4.4
Auswirkung des Wandels auf die Unternehmen
90
4.5
Unternehmen als Teil des Wandels
91
5
Beantwortung der Teilforschungsfrage
92
85
1 Einleitung
schrecken. Ein kurzer Fragebogen sollte außerdem ermöglichen, eine möglichst große Anzahl von Unternehmen zu befragen.
Die Befragung der Betriebe wurde insofern anonym
durchgeführt, als dass der Name des befragten Unternehmens nicht aufgenommen wurde. Einzig die Einordnung in den jeweiligen Wirtschaftszweig sollte für die
spätere Auswertung berücksichtigt werden und wurde
auf jedem Fragebogen notiert.
2 Entstehung des Fragebogens
3 Methodisches Vorgehen
Nachdem einige ProjektteilnehmerInnen den ersten
Entwurf des Fragebogens erarbeitet hatten, wurde dieser in einem Spätkauf-Geschäft getestet. Mithilfe dieser
Erfahrung und der Diskussion im Plenum wurden verschiedene Änderungen am Fragebogen vorgenommen.
Dabei diskutierte das Projekt, ob und ggf. wie die Formulierung von offenen Fragestellungen die Auswertung
der Antworten erschweren würde. Außerdem wurde
das Vorhandensein des Bezugs zur Forschungsfrage bei
jeder Frage besprochen, damit der Fragebogen optimal
genutzt wird und alle Ergebnisse für die Beantwortung
der Forschungsfrage verwertet werden können. Außerdem sollte das Abändern von Begriffen wie Absatzmarkt
und Subventionen dazu beitragen, dass Fragen und Antwortoptionen leichter verständlich und erklärbar sind.
Nachdem die Erstellung des Fragebogens abgeschlossen war (s. Anhang), begannen die Vorbereitungen für
die Befragung. Die Kartierungsgruppe hatte ermittelt,
dass 490 Unternehmen zwischen 2004 und 2014 in den
Reuterkiez zugezogen sind und die zugezogenen Unternehmen in Wirtschaftszweige eingeteilt.
Eine weitere wichtige Erkenntnis in der Diskussion war,
dass die Verwendung des Begriffs »Image« vermieden
werden sollte, damit die zu befragenden Personen
nicht davon beeinflusst werden. Die Befragungsgruppe
bemühte sich, verschiedene Faktoren, die sich auf das
Image beziehen, in die Antwortmöglichkeiten der ersten Frage einzuarbeiten, um sowohl relevante harte als
auch weiche Standortfaktoren als Antwortoptionen anzubieten.
Beispielsweise ergab sich aus der Kartierung, dass der
Anteil des Wirtschaftszweigs Gastronomie 29% der zugezogenenen Unternehmen ausmacht. Im Vergleich
dazu ist der Wirtschaftszweig Verarbeitendes Gewerbe
mit 2% vertreten, so dass in diesem Bereich auch nur
zwei Unternehmen befragt werden mussten, um diesen
Zweig angemessen in seinem Verhältnis zu repräsentieren.
Ziel war es, den Fragebogen möglichst kurz zu halten,
um die zu Befragenden nicht aufgrund der Länge abzu-
86
Wie die Kartierungsgruppe bei der Aufschlüsselung der
Wirtschaftszweige vorgegangen ist, kann im Kapitel F II
nachgelesen werden. Damit jeder dieser Wirtschaftszweige genau so in der Befragung repräsentiert wird,
wie er im Reuterkiez anteilig vertreten ist, wurde der
jeweilige Anteil von 490 auf 101 Unternehmen skaliert,
so dass im Anschluss feststand, wie viele Unternehmen
eines Wirtschaftszweiges befragt werden mussten.
Bei der Aufteilung der Straßenzüge orientierte sich die
Befragungsgruppe an der vorherigen Einteilung des Gebiets durch die Kartierungsgruppe. Die Einteilung des
Kiezes in vier Gebiete ergab sich daraus, dass die Befragungsgruppe aus acht Mitgliedern bestand, so dass die
erste Befragungsrunde jeweils zu zweit durchgeführt
werden konnte.
Die Teilgebiete wurden durch Buchstaben gekennzeichnet. Dadurch wollte die Befragungsgruppe gewährleisten, dass jedes Gebiet unabhängig von der zuvor
bearbeiteten Person in Nachhinein von einer anderen
Person bearbeitet werden kann. Sobald eine erfolgreiche Befragung durchgeführt wurde, notierte die befragende Person den jeweiligen Buchstaben sowie eine
fortlaufende Nummer auf dem Fragebogen. Dieses
Buchstaben-Nummernsystem war vor allem gruppenintern relevant, um den Überblick über die Anzahl der
durchgeführten Befragungen zu behalten und um bei
Problemen oder Verzögerungen nachzuvollziehen, welche Gruppe bzw. Person verantwortlich ist.
Für den reibungslosen Ablauf der Befragung sollte ein
von den Gruppenmitgliedern entwickelter Leitfaden
sorgen, der beschrieb, wie eine optimale Befragung abläuft, welche Ausstattung zur Befragung mitgenommen
werden sollte (Fragebögen, Schreibunterlage, Übersichtstabelle, etc.) und welche Verfahrensweise empfohlen wird, falls kein geeigneter Ansprechpartner zur
Verfügung steht. Außerdem wurde der Fragebogen auf
Englisch übersetzt, weil damit gerechnet werden musste, dass einige Unternehmer nicht Deutsch sprechen
würden.
lange eine Befragung dauert. Ziel war außerdem, dass
jede Gruppe fünf Befragungen durchführt. Obwohl zu
diesem Zeitpunkt die Einteilung der Straßenzüge und
die Anteile der Wirtschaftszweige noch nicht fertiggestellt war, entschied sich die Befragungsgruppe aus Zeitgründen dennoch mit der Befragung zu beginnen. Es
wurde davon ausgegangen, dass gastronomische Unternehmen einen großen Anteil der zugezogenen Unternehmen ausmachen werden, so dass der Schwerpunkt
in der ersten Runde auf diese Betriebe gelegt wurde.
Nach dem Austausch im Plenum wurde festgestellt,
dass die Durchführung zeitaufwendiger war als zuvor
angenommen, so dass entschieden wurde die zweite
Befragungsrunde mit der gesamten Projektgruppe im
Rahmen einer Projektsitzung durchzuführen. Hintergrund war, neben der Zeitersparnis, die Feststellung,
dass viele Unternehmer mitteilten, dass vormittags ein
günstigerer Zeitraum zur Befragung für sie wäre. Für die
Durchführung der Befragung mit der gesamten Projektgruppe war es nötig, das Buchstaben-Nummernsystem
auf acht Gebiete bzw. Gruppen zu erweitern. Außerdem
wurde für jedes 2er-Team vorab festgelegt, in welchen
Straßen des Kiezes wie viel Unternehmen eines bestimmten Wirtschaftszweiges befragt werden sollen.
Sämtliche Notizen dienten dazu, dass eine Person oder
2er-Gruppe die Befragung in einem Teilgebiet einer anderen übernehmen konnte und dadurch vorab informiert war, ob das Ansteuern eines Unternehmens erfolgversprechend war oder nicht.
Es wurde für jede Straße eine Liste mit allen zugezogenen Unternehmen erstellt und diese der jeweiligen
Gruppe ausgehändigt. Die Listen wurden mittels Notizen und Anmerkungen (z. B. »bereits befragt«, »günstiger Befragungszeitraum am Vormittag Tag X«) jedes
Befragungsteams online aktualisiert. So konnte eine
andere Gruppe die Straße in der nächsten Befragungsrunde übernehmen, ohne dass doppelte Befragungen
oder mehrmaliges Anlaufen eines Unternehmens stattfanden.
Die gesamte Befragung wurde zwischen dem 27.05.2014
und 23.06.2014 durchgeführt. Das Ziel der ersten Befragungsrunde war es, erste Erfahrungen über den Ablauf
zu sammeln sowie ein Gefühl dafür zu bekommen, wie
Nach jeder Befragungsrunde wurde der Arbeitsstand
online in einem Etherpad festgehalten. Dabei handelt
es sich um eine Arbeitsplattform, in der gleichzeitig von
verschiedenen Teilnehmern orts- und zeitunabhängig
87
G
Ziel dieses Kapitels ist die Beantwortung der zweiten
Teilforschungsfrage, d.h. die Untersuchung, welche
Rolle »Image« in der Standortentscheidung zuziehender Unternehmen spielt (s. Kapitel D). Hierzu dient
die Befragung der zugezogenen Unternehmen auf Basis der Ergebnisse der Kartierung aus dem Kapitel F.
Nachfolgend werden die Forschungsergebnisse anhand
der Analysefragen aus dem Fragebogen ermittelt, die
schließlich in der Beantwortung der Teilforschungsfrage
am Kapitelende münden.
WIRTSCHAFT
4 Auswertung der Fragen und Antworten
4.1 Eröffnungsdaten der
18
16
14
13
13
12
10
6
6
6
4
4
16
14
13
13
12
10
10
10
8
Unser Ziel war es, mit Hilfe der ersten Frage zu erfahren, wie die Unternehmensinhaber eine Auswahl von
14 Standortfaktoren hinsichtlich ihrer Wichtigkeit bewerten (siehe Grafik 14 Standortfaktoren). Unter ihnen
befanden sich fünf Faktoren,
die wir als »imageaffin«
Jahre
betrachten.
Aufbefragten
dem Fragebogen
hattenlässt
diese
keine
Anhand
der 92
Unternehmen
sich
seit
2007
ein Aufwärtstrend
hinsichtlich
Zuzugs
in den
besondere
Kennzeichnung,
so dassdes
nicht
ersichtlich
Reuterkiez
erkennen.
DerFaktoren
Höhepunkt
dieser
Entwickwurde, dass
wir diesen
bei der
Auswertung
lung
war 2010.
besondere
Aufmerksamkeit schenken wollen. Hierbei
handelte es sich um:
6
6
6
6
5
4
4
4
2
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, bündeln sich
Besonderheiten
des Reuterkiezes
aber in der Kiezatmosphäre,
die ein Großteil der Befrag-
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Was haben die Unterneh
Es wird deutlich, dass das Image eine zentrale Rolle bei
der Standortentscheidung im Reuterkiez spielt. Die Ant-Was
Positiv/Negativ
40%
15%
Positiv
Negativ
k.A.
worten zeigen, dass es aufgrund der Ausrichtung und
30%
Struktur der Unternehmen eine
wichtige Rolle im wirtschaftlichen Zusammenspiel der Faktoren einnimmt.
G
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
Abb. 1: Jahre des Zuzugs der befragten Unternehmen,
Quelle: Eigene Darstellung
Neue öffentliche Wahrnehmung
W
Jeder der in den
P
Der Wandel letzten
des Reuterkiezes
hatte für den Großteil
10 Jahren
der Unternehmen überwiegend positive Auswirkun- Ge
zugezogen
ist, sollte
gen.
Lediglich
15% der befragten
Unternehmen gaStandortfaktoren
4.3
Die
Besonderheiten
des Reuterkiezes
Scheinbar gibt genau dieses Umfeld den Geschäftstreisich
Wandel
im
Die befragten Unternehmen
charakterisieren die Beben an, dass
der zum
Wandel
keine Auswirkungen
auf ihrzu
4.
Was
haben
die
Unternehmen
geantwortet?
1.
gutes Freizeit- und Kulturangebot
benden die Möglichkeit, sich frei zu entfalten. So versonderheiten des Reuterkiezes überwiegend mit atUnternehmen
gehabt
habe.
Welche der folgenden Faktoren haben für Sie bei der
s
2.
gutes Gastronomieangebot
»Was macht denReuterkiez
Reuterkiez inzählen.
Ihren Augen einwundert es auch nicht, dass auf Platz drei der Faktor
mosphärischen Begriffen. Laut der befragten UnWahl des Standortes im Reuterquartier eine Rolle geR
3.
ansprechende Architektur
zigartig/besonders? Kreuzen Sie an, wie wichtig
»Möglichkeiten
zur eigenen (Um)Gestaltung der Räumternehmen
spielt? Bewerten Sie die Wichtigkeit der einzelnen
Wirmachen
sind Teil Multikulturalität, Kreativität und
Wir
sind
der
mehr
Kunden/Umsatz
4.
angenehmen Kiezatmosphäre
diese
Einzigartigkeit für
lichkeiten«
zu finden Was
ist.den
Eventuell
benötigen
viele UnJeder der in den
Bekanntheit
Reuterkiez
Faktoren!
4. die Standortwahl Ihres
haben
dieeinzigartig
Unternehmen
geantwortet?
des Wandels
Prototyp derinternationale
internationales Publikum
ternehmer
den Raum und die Freiheit, um ihre gewerbaberunten).
nicht
Gentrifizierung(siehe Grafik
lichen
Vorstellungen zu verwirklichen.
Gentrifizierer.
Gewerbemiete
2014
Darüber hinaus spielt lediglich ein weiterer der fünf definierten imageaffinen Standortfaktoren, nämlich »angesagter Standort«, bei der Standortentscheidung der
Mehrheit der befragten Unternehmen eine bedeutende Rolle. Dieser Faktor wurde von 57% als (sehr) wichtig
Die öffentliche
Wahrnehmung
angegeben
und fällt auf
Rang 6 von 14.des
DieReuterkiezes
anderen Fak- hat sich
in
den
letzten
Jahren
gewandelt.
Hatte
dieser Wandel
toren im Ranking fallen höchstwahrscheinlich deshalb
Hatte
der
Wandel
Auswirkungen
auf
ihr ja, welche?
auf Ihr Unternehmen?
Wenn
nach Auswirkungen
hinten, weil Kiezatmosphäre
als Oberbegriff
funUnternehmen? Wenn
ja, welche?
giert und als ein ganzheitlicher Begriff verstanden wird,
welcher die anderen mit abdeckt.
15%
Was macht
Reuterkiez
in Ihren Augen
ten als den
(sehr)
wichtig bezeichnete.
Viele einzigartig/
Unternehmen
besonders?
Sie tolerante
an, wie wichtig
schätzenKreuzen
das offene,
und vondiese
vielenEinzigNationaartigkeit
für
die
Standortwahl
Ihres
Unternehmens
war.
litäten und Kulturen geprägte Umfeld des Reuterkiezes.
Möglichkeiten zur eigenen (Um)Gestaltung der Räumlichkeiten
2
0
der Wahl des Standorts im Reuterquartier eine
Rolle gespielt? Bewerten Sie die Wichtigkeit der
einzelnen Faktoren!«
16
angesagter Standortletzten 10 Jahren
zugezogen
sollte
Relevanz der
Standortfaktoren
2014 ist, 2014
Relevanz
der Standortfaktoren
sich zum Wandel im
Angenehme Kiezatmosphäre
Reuterkiez zählen.
5
4
Wann sind wie viele Unternehmen zugezogen?
18
5.
10
8
6
Zuzugsdatum
»Welche der folgenden Faktoren haben für Sie bei
Bis Juni
Um einordnen zu können, wann die erfassten Unternehmen ab dem Jahr 2004 in den Reuterkiez gezogen
sind, wurde auf dem Fragebogen das Eröffnungsdatum
erfasst. Die Auswertung ist in der folgenden Grafik festgehalten:
10
Die Hälfte der Standortfaktoren wurden in 50% der Fälle als »(sehr) wichtig« erachtet. Der wichtigste Standortfaktor war dabei die Kiezatmosphäre und wurde von
78% als (sehr) wichtig angegeben. Somit liegt ein imageaffiner Standortfaktor in der Gunst der GewerbetreiDa esbenden
sich bei
Kiezatmosphäre
umden
einen
imagedesder
Reuterkiezes
noch vor
»klassischen«
affinen
Standortfaktor
handelt,
beeinflusst
das
Imagewie
Nenngrößen der wirtschaftlichen Wertschöpfung,
eindeutig
die Standortentscheidung
Großteils
beispielsweise
der Gewerbemiete eines
oder der
Nähe zu
der befragten Unternehmen. Darüber hinaus spielte
Kunden und Auftraggebern (s. auch Tabelle zur Einteilediglich ein weiterer der fünf definierten imageaffinen
lung von Standortfaktoren unter E III). Dies zeigt, dass
Standortfaktoren, nämlich „angesagter Standort“, bei
das Image des Reuterkiezes in der Standortentscheider Standortentscheidung der Mehrheit der befragten
dung neu eine
zugezogener
Unternehmen
eine zentrale
Unternehmen
bedeutende
Rolle [Rang
6 von 14Rolle
spielte.
mit 57% „(sehr) wichtig“-Nennungen].
Standortfaktoren für zuziehende
0
zugezogenen Unternehmen
16
Ergebnisse der Befragung
4.2 Bewertung der imageaffinen
Anzahl der Unternehmen
an einem Text bzw. Dokument gearbeitet werden kann.
Mithilfe des Etherpads konnten alle Gruppenmitglieder
ihre Ergebnisse an einem Ort festhalten. Darüber hinaus
war leicht erkennbar, wie viele Unternehmen von welchem Wirtschaftszweig noch befragt werden mussten.
Aus Gründen, die im Kapitel I näher beschrieben sind,
ist es der Befragungsgruppe nicht gelungen, die Zielsetzung von 101 befragten Unternehmen zu erreichen.
Insgesamt wurden 92 Unternehmen erfolgreich befragt.
Gute ÖPNV Erreichbarkeit
Angesagter Standort
Relevanz
der Standortfaktoren 2014
Nähe zum Wohnort des Inhabers
Angenehme Kiezatmosphäre
Relevanz der Standortfaktoren
2014
Gutes Freizeit- und Kulturangebot
Wir haben den Wandel vom
Anfang an mitbekommen, da
wir einer der ersten Cafés
hier im Kiez waren. Ansehr
denwichtig
Mieterhöhungen macht wichtig
er sich
für uns am meisten
weniger wichtig
bemerkbar.
Gewerbemiete
Zwischen 2004 und 2014 lässt sich insgesamt eine anGutes Gastronomieangebot
unwichtig
Angenehme Kiezatmosphäre
Möglichkeiten zur eigenen (Um)Gestaltung der Räumlichkeiten
der Standortfaktoren
2014
steigende Tendenz in der AnzahlRelevanz
des
Zuzugs
beobachk.A.
Ansprechende Architektur
Gewerbemiete
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
Angenehme
Kiezatmosphäre
ten. Zu Beginn des
Betrachtungszeitraums steigt die
Gute Pkw Erreichbarkeit
Möglichkeiten zur eigenen (Um)Gestaltung der Räumlichkeiten
Gute ÖPNV Erreichbarkeit
Gewerbemiete
Anzahl der zuziehenden Unternehmen
nur
schwach,
Tipp von Freunden und Bekannten
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
Angesagter Standort
der Räumlichkeiten
sehr wichtig
Nähe zu Kooperationspartnern
ÖPNV ErreichbarkeitIm
findetMöglichkeiten
aber imzur eigenen
Jahr (Um)Gestaltung
2008 ihren
erstenGute
Höhepunkt.
Nähe zum Wohnort des Inhabers
wichtig
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
Gutes Förderangebot vor Ort
Angesagter Standort
Jahr 2010 ist der Zuzug der befragten Unternehmen
proFreizeit- und Kulturangebot
Gutes
weniger wichtig
sehr
wichtig
Gute ÖPNV Erreichbarkeit
Nähe zum Wohnort des Inhabers
0%
20%
40%
80%unwichtig
100%
Jahr am höchsten. Nach 2010Angesagter
geht die
Anzahl
der
ZuzüGutes Gastronomieangebot
wichtig60%
Standort
Gutes Freizeit- und Kulturangebot
k.A.
weniger wichtig
sehr wichtig
ge pro Jahr leicht zurück,
liegt aber dennoch höher alsAnsprechende Architektur
Nähe zum Wohnort des Inhabers
Gutes Gastronomieangebot
unwichtig
wichtig
Gute Pkw Erreichbarkeit
2008, dem Jahr des ersten
Höhepunkts.
Gutes Freizeitund Kulturangebot Das Jahr 2014
weniger wichtig k.A.
Ansprechende Architektur
Tipp von Freunden
und Hälfte
Bekannten
Die
(7 von 14)
der Standortfaktoren
wurde
Abb.
2:
Wichtigkeit
der
einzelnen
Standortfaktoren
für
kann in der Analyse nichtGutes
berücksichtig
werden,
weil
die
Gastronomieangebot
unwichtig
Gute Pkw Erreichbarkeit
Nähe zu Kooperationspartnern
von
den
befragten
Unternehmen
in
50%
(oder
mehr)
k.A.
Ansprechende
Architektur
die zugezogenen Unternehmen
Befragung im Juni 2014 endete. Tipp von Freunden und Bekannten
Gutes Förderangebot
vor Ort
der Fälle
als „(sehr) wichtig“ erachtet. Der wichtigste
Gute Pkw Erreichbarkeit
Nähe zu Kooperationspartnern
Standortfaktor
die Kiezatmosphäre
mit 78%
0% war
20%
40%
60%
80%
100%„(sehr)
Tipp von Freunden und Bekannten
Gutes Förderangebot vor Ort
wichtig“-Nennungen vor den Gewerbemieten, UmgeNähe zu Kooperationspartnern
88
0%
20%
40%
60%
80%
100%
staltungsmöglichkeiten
der Räume
und der Nähe zum
Gutes Förderangebot vor Ort
Absatzmarkt.
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Der Reuterkiez
erinnert mich mit
seinen kleinen
Läden ein wenig
an New York City.
Jeder der in den
letzten 10 Jahren
zugezogen ist, sollte
sich zum Wandel im
Reuterkiez zählen.
Unternehmens war!«
höherer Anspruch der
Kundschaft
Wir sind Teil
Wir sind der
Prototyp der
Gentrifizierung
des Wandels
aber nicht
Gentrifizierer.
Wir haben den Wande
Anfang an mitbekomme
wir einer der ersten C
hier im Kiez waren. An
steigende Mieten
Mieterhöhungen
macht
Bewohner-/Stammfür uns am meiste
kundenverdrängung
bemerkbar.
mehr Konkurrenz
Wir haben den Wandel vom
Anfang an mitbekommen, da
wir einer der ersten Cafés
hier im Kiez waren. An den
Mieterhöhungen macht er sich
für uns am
Selbstverwirklichung,
diemeisten
bemerkbar.
Besonders der Freiraum zur
gute Lage und Multikulturalität hielten die Unternehmen in ihrer Standortwahl für „(sehr) wichtig“.
Der Reuterkiez
erinnert mich mit
Die am seinen
häufigsten
genannten positiven Auswirkungen
kleinen
wenig
waren Läden
mehreinKunden
und Umsatz sowie der Zuwachs
an New York City.
an internationalem Publikum. Als negative Auswirkungen wurden die steigenden Mieten am häufigsten erwähnt.
Was haben die Unternehme
Abb. 3: Wortwolke mit Nennungen der Besonderheiten (Größere Schriftgröße = mehr Nennungen)
89
Im Anschluss an die Nennung der Besonderheiten des
Reuterkiezes wurden die Antworten danach gewichtet,
wie ausschlaggebend diese für die Standortwahl des
Unternehmers waren. Daten hierzu lagen von 81,3%
der Unternehmen vor. Hier konnte wieder zwischen den
Antwortmöglichkeiten »sehr wichtig, wichtig, weniger
wichtig, unwichtig bzw. keine Angabe« gewählt werden.
Im nächsten Schritt der Auswertung erfolgte ein Ranking der Besonderheiten des Kiezes bezüglich der Häufigkeit der Nennungen. Dabei stehen Antworten, die
unter den Oberbegriff »Multikulturalität« fallen, mit
24,7% an erster Stelle. Ebenso waren der »Kreative Szenebezirk« und die »Internationale Bekanntheit« häufig
aufgeführte Charakterisierungen. Dies lässt sich wieder
auf den atmosphärischen Fokus der Gewerbetreibenden zurückführen, als auch den Faktor der internationalen Vielfalt und der Ansiedlung von Künstlern und vielen
jungen Menschen im Kiez.
Ein weiterer Aspekt der Auswertung ist die Wichtigkeit
der selbst genannten Kiezbesonderheiten. Am wichtigsten für die Standortwahl der Unternehmen waren der
Freiraum zur Selbstverwirklichung und die gute Lage.
Multikulturalität folgte an dritter Stelle. Es ist zu beachten, dass die ersten beiden wichtigsten Besonderheiten
jedoch viel weniger aufgeführt wurden als andere, daher ist die Aussagekraft eingeschränkt. Insgesamt waren
alle Kiezbesonderheiten bei den Unternehmen mit mindestens 70% wichtig bis sehr wichtig. Aus diesem Ergebnis lässt sich schließen, dass der Charakter des Kiezes
90
zum Zeitpunkt der Standortwahl eine wichtige Rolle für
die Unternehmen gespielt hat.
Abb. 4: Ranking der genannten Besonderheiten
4.4 Auswirkungen des Wandels
auf die Unternehmen
»Die öffentliche Wahrnehmung des Reuterkiezes
hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Hatte
dieser Wandel Auswirkungen auf ihr Unternehmen? Wenn ja, welche?«
Diese Frage haben 78 der befragten Unternehmen
beantwortet, 14 haben keine Angabe hierzu gemacht.
14 Unternehmen empfanden ausschließlich negative
Auswirkungen auf ihr Unternehmen, 28 ausschließlich
positive Auswirkungen. 37 Betriebe gaben an, sowohl
positive als auch negative Auswirkungen feststellen zu
können.
15%
Positiv/Negativ
40%
15%
Positiv
Negativ
k.A.
30%
Abb. 5: Prozentsatz positiv und negativ empfundener
Auswirkungen des Wandels
Die meistgenannten positiven Auswirkungen waren
eine Zunahme an Kunden/Umsatz mit 33 Nennungen
sowie (mehr) internationales Publikum/Touristen mit 18
Nennungen. Als die häufigste negative Konsequenz des
Wandels wurden die steigenden/teureren Mieten mit
22 Nennungen genannt. Die steigende Anzahl an Touristen wurde teilweise auch als negativ empfunden; dies
gaben fünf Unternehmen an. Gleichauf mit fünf Nennungen wurde die vermehrte Konkurrenz zwischen den
Unternehmen im Kiez beklagt. Sechs Nennungen hatte
die Bewohner- und Stammkundenverdrängung.
mehr Kunden/Umsatz
int. Publikum
höherer Anspruch der
Kundschaft
4.5 Unternehmen als Teil des Wandels
»Sehen Sie sich als Teil des oben genannten Wandels?«
Sehen Sie sich als Teil des Wandels?
Mithilfe der vierten Frage wollten die Studierenden herausfinden, ob die Unternehmer sich als Teil des Wandels
sehen, der zuvor schon im Fragebogen angesprochen
wurde. Dabei antworteten ca. 70% der Unternehmer
Nein
k.A.
Ja
mit »Ja«.
»Ja«
0%
20 %
40 %
»Nein«
60 %
80 %
100 %
Abb 7: Empfindung als Teil des Wandels
steigende Mieten
Bewohner-/Stammkundenverdrängung
Touritsten
mehr Konkurrenz
Abb 6: Am häufigsten genannte positive sowie negative
Auswirkungen
57 der 92 befragten Personen, d. h. mehr als zwei Drittel, nutzten im Anschluss die Möglichkeit, ihre Antwort
zu begründen. Die Differenz besteht aus Antworten wie
»Ich weiß nicht«, »Es wurde viel darüber diskutiert« oder
die Frage wurde falsch verstanden, sodass die Befragten
zum Beispiel erneut Gründe für den Zuzug ins Quartier
aufführten. Viele Unternehmer reagierten erstaunt auf
die Frage und gaben an, dass man selbstverständlich Teil
des Wandels sei, wenn man seinen Laden im Reuterkiez
eröffne. Eine zentrale und häufig genannte Begründung
für ein »Ja« im ersten Teil der Frage war, dass die Gewerbeeinheit erst im Zuge dieses Wandels entstanden sei.
So bestätigt zum Beispiel ein Gewerbetreibender, dass
es vor ein paar Jahren »keine Läden in der Straße« gegeben hätte. Andere geben an, dass sie ihren Laden vor 15
Jahren definitiv nicht im Reuterkiez eröffnet hätten. Ein
ähnlicher, oft genannter Grund dafür, Teil des Wandels zu
sein, war, dass das Gewerbe sich in der Lage sah, sich mit
dem Wandel verändern zu müssen und sich an Neuerungen anpassen sollte, wie zum Beispiel andere Kundschaft
mit anderem Bedarf. Viele Unternehmer sehen sich somit als Teil eines Wandels und wissen sehr wohl um ihre
Rolle, die sie in diesem Prozess spielen.
Die Antwort »Nein« dagegen wurde seltener begründet.
Hier ist eine häufig genannte Begründung, dass der Laden noch nicht lange existiere oder er sich als Folge des
Wandels verändere, nicht als Teil.
91
G
Um die Antworten der zweiten Frage unseres Fragebogens in ihrer Bandbreite zu fassen, wurde eine Clusterung vorgenommen. Dabei wurde jede einzelne Antwort
mit anderen ähnlichen Aussagen zusammengefasst, so
dass zehn allgemeine Themenfelder entstanden.
Auffällig bei den Ergebnissen der Clusterung ist, dass die
Unternehmen fast ausschließlich atmosphärische Besonderheiten aufgeführt haben, sodass acht von zehn
der von den Projektteilnehmern gewählten Oberbegriffe eine Charakterisierung der Kiezatmosphäre des Reuterquartiers ausdrücken. Dies führt zu dem Rückschluss,
dass der Reuterkiez aufgrund dieser Kiezatmosphäre für
die Unternehmen besonders und einzigartig ist und die
baulichen sowie strukturellen Merkmale bei der Standortwahl als weniger wichtig eingestuft wurden.
5 Beantwortung der Teilforschungsfrage
I.
Anhand der 92 befragten Unternehmen lässt sich
seit 2007 ein Aufwärtstrend hinsichtlich des Zuzugs in den Reuterkiez erkennen. Der Höhepunkt
dieser Entwicklung war 2010.
II.
Die Hälfte (7 von 14) der Standortfaktoren wurde von den befragten Unternehmen in 50%(oder
mehr) der Fälle als »(sehr) wichtig« erachtet. Der
wichtigste Standortfaktor war die Kiezatmosphäre. Sie wurde von 78% als »(sehr) wichtig« angegeben, vor den Gewerbemieten, Umgestaltungsmöglichkeiten der Räume und der Nähe zum
Absatzmarkt.
III.
IV.
92
Da es sich bei der Kiezatmosphäre um einen
imageaffinen Standortfaktor handelt, beeinflusst
das Image eindeutig die Standortentscheidung
eines Großteils der befragten Unternehmen. Darüber hinaus spielte lediglich ein weiterer der fünf
definierten imageaffinen Standortfaktoren, nämlich »angesagter Standort«, eine bedeutende
Rolle. Dieser Faktor wurde von 57% der befragten
Unternehmen als (sehr) wichtig angegeben und
fällt auf Rang 6 von 14.
Die befragten Unternehmen charakterisieren die
Besonderheitendes Reuterkiezes überwiegend
mit atmosphärischen Begriffen. Laut der befragten Unternehmen machen Multikulturalität, Kreativität und internationale Bekanntheit den Reuterkiez einzigartig. Besonders der Freiraum zur
Selbstverwirklichung, die gute Lage und Multikulturalität hielten die Unternehmen in ihrer Standortwahl für »(sehr) wichtig«.
V.
Der Wandel des Reuterkiezes hatte für den
Großteil der Unternehmen überwiegend positive Auswirkungen. Die am häufigsten genannten
positiven Auswirkungen waren mehr Kunden
und Umsatz sowie der Zuwachs an internationalem Publikum. Als negative Auswirkungen wurden die steigenden Mieten am Häufigsten erwähnt.
VI.
Über 70% der befragten Unternehmen sehen
sich als Teil des Wandels im Reuterkiez. Anhand
der Aussagen wurde deutlich,
dass die unternehmenseigene Rolle hinsichtlich der aktiven/
passiven Teilnahme an diesem Prozess unterschiedlich wahrgenommen wird.
unseres Fragebogens, der vor allem mitVII. Mittels
hilfe der zweiten Frage bewusst auf das Image des
Reuterkiezes abzielte, kann die Teilforschungsfrage, welche Rolle »Image« in der Standortentscheidung zuziehender Unternehmen gespielt
hat, beantwortet werden. Die Unternehmen geben von sich aus hauptsächlich Besonderheiten
zur Antwort, die die Atmosphäre des Reuterkiezes beschreiben. Unter Einbeziehung der Analyse
der Standortfaktoren (Frage 1) ist somit deutlich
die wichtige Rolle des Images zu erkennen, da die
Kiezatmosphäre als der wichtigste Standortfaktor
aller 92 befragten Unternehmen ermittelt wurde.
G
Die Auswertung der Befragungsergebnisse lässt folgende
Erkenntnisse zu:
H
Fazit
Die übergeordnete Forschungsfrage »Inwieweit unterliegt die Gewerbestruktur des Reuterkiezes einem imagebedingtem Wandel?« wurde am Ende des ersten Semesters definiert und war damit Richtlinie für alle folgenden Recherchen (Kapitel E) und der praktischen Forschungsarbeit im Reuterkiez (Kapitel F und G). Sowohl die gewählte Methodik,
die Analyse der gesammelten Daten und die schlussendlichen Forschungsergebnisse
mussten sich somit an unserer Forschungsfrage messen lassen.
Zum Ende der Kapitel F und G wurden vorerst die Teilforschungsfragen beantwortet –
ohne aber eine Bearbeitung der übergeordneten Forschungsfrage vorwegzunehmen, die
schließlich in der letzten Projektsitzung vorgenommen werden konnte.
H
»Inwieweit unterliegt
die Gewerbestruktur
des Reuterkiezes
einem imagebedingtem
Wandel?«
Basierend auf der empirischen Analyse kam die Projektgruppe zu dem Schluss, dass
die Gewerbestruktur des Reuterkiezes einem imagebedingten Wandel unterliegt.
So konnte die Kartierung sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Veränderung
aufzeigen. Zudem verdeutlicht sowohl die Medienanalyse als auch die Befragung einen
Imagewandel in den letzten zehn Jahren. Der Zusammenhang zwischen Image- und Gewerbewandel wird durch das Ergebnis der Befragung erklärt, bei der sich die Kiezatmosphäre als wichtigster Standortfaktor für die neu zugezogenen Unternehmenstreibenden
heraustellte und damit wichtiger war als die abgefragten harten Standortfaktoren. Dass
derweil vier von fünf imageaffinen Standortfaktoren keine große Rolle in der Standortentscheidung gespielt haben, ist dem geschuldet, dass diese auch als Teilemente des Begriffs
»Kiezatmosphäre« interpretiert werden können. Die Unternehmen sehen sich sowohl als
Treiber als auch als Profiteure des Wandels des Reuterkiezes.
Weiterhin auffällig war der äußerst starke Zuwachs von Wirtschaftseinheiten mit freiberuflichen Dienstleistungen und der Gastronomie. Diese Wirtschaftszweige prägen
aufgrund ihrer starken Präsenz im öffentlichen Raum auch das Image des Reuterkiezes.
Dieser Umstand wird auch in den Medien widergespiegelt. Diesbezüglich steht die mediale Berichterstattung in einer engen, sich verstärkenden Wechselbeziehung mit dem
Zuwachs der Gastronomie und der freiberuflichen Dienstleistungen.
95
I
Lessons Learned
In der letzten Projektsitzung wurden im Plenum die »EHE« (Erwartungen, Herausforderungen und Erkenntnisse) der gemeinsamen Projektarbeit erörtert, um so vor allem die
angewandte Methodik Revue passieren zu lassen. Die Erwartungen der KartierungsteilnehmerInnen auf der einen und der BefragungsteilnehmerInnen auf der anderen Seite
waren sehr differenziert:
Von der Kartierungsgruppe wurden in einem Zeitraum von drei Wochen insgesamt 598
Wirtschaftseinheiten im Erdgeschoss kartiert. Die adäquate Aufschlüsselung der Wirtschaftszweige erleichterte die Arbeit immens. Nichtsdestotrotz zeigte sich, dass keine
Aufschlüsselung der Wirtschaftszweige komplett sein kann, da in der Praxis häufig »Mischformen« von Wirtschaftseinheiten (bspw. Café inkl. Einzelhandel mit Bekleidung) vorkommen, bei denen schließlich die subjektive Einschätzung des Kartierenden darüber
entscheidet, welche Nutzung den ausschlaggebenden Charakter der Wirtschaftseinheit
darstellt. Herausforderungen entstanden zudem bei der genauen Zuteilung von Ecklagen, dem Erkennen von Leerstand und die Zuordnung von Wirtschaftseinheiten ohne
Beschriftung bzw. Beschilderung. Weiterhin war die Erfassung von Hinterhöfen, höheren
Geschossen und Gewerbehöfen oft nur mit großem zeitlichen Aufwand zu bewerkstelligen. Nichtsdestotrotz war die Kartierung effizient und effektiv. Deutlich zeigte sich jedoch,
dass die spätere Analyse stark von der Qualität des vergleichenden Datensatz abhängt (in
diesem Fall von Adler 2004) – Fehler und Ungereimtheiten lassen sich in diesem Zusammenhang nicht mehr ausgleichen.
I
»Durch das praxisorientierte zweite
Semester war der
Zuwachs an methodischeM Wissen groSS.«
Während bei der Kartierung mehrheitlich auf die gründliche Vorbereitung vertraut wurde, erwartete man bei der Befragung größere Komplikationen wegen weitgehend fehlender Erfahrung mit der Methodik. Besonders die Komplexität der späteren Analyse war
kaum abzusehen, da die Befragungsgruppe nur bedingt auf die Qualität der Antworten
der Unternehmenstreibenden einwirken konnte, während die Kartierungsgruppe durch
einen stichfesten Wirtschaftszweigkatalog spätere Unzulänglichkeiten (fast) ausschließen
zu können glaubte. Dementsprechend groß waren auch die Herausforderungen für die
Befragungsgruppe. Eventuell umstimmige Fragestellungen konnten nicht während des
Befragungsprozesses geändert werden und es war häufig schwierig, die Gespräche so
zu leiten, dass die Unternehmenstreibenden für den Fragebogen relevante Antworten
97
ANHANG – Fragebogen
Eröffnungsdatum:
N. d. B.:
Datum:
gaben. So sah man sich häufig mit gentrifizierungs- und
anderen veränderungsübertrüssigen Unternehmensbetreibenden konfrontiert, die kaum auf die Fragen antworten wollten, oder aber man traf auf aufgeschlossene
Geschäftsinhaber, bei denen es schwierig war, den Redefluss in für uns geeignete Antworten zu interpretieren. Der Fragebogen wurde daher in einigen Fällen situationsspezifisch angepasst, was die Befragenden auch
später bei der Analyse vor große methodische Herausforderungen stellte. Die Organisation der Befragung war
damit anspruchsvoller und der Ablauf zeitaufwendiger
als vorweg angenommen.
Die Befürchtung, dass unsere Fragestellung die Ergebnisse in eine bestimmte Richtung lenkte, hat sich nicht
bestätigt, da die Unternehmen auch andere Antworten,
wie zum Beispiel bauliche Identitätsträger, hätten aufführen können. Aus diesem Grund entnimmt das Projekt der statistischen Auswertung, dass sich das Image
des Reuterkiezes aus Sicht der Unternehmen durch
seine soziale Durchmischung und besondere Stimmung
vor Ort zusammensetzt und damit mehrheitlich ein
Grund in der Standortentscheidung war, sich dort niederzulassen.
Leider konnte die Zielsetzung von 101 befragten Unternehmen nicht erreicht werden. Die benötigte Anzahl
von Unternehmen bestimmter Wirtschaftszweige, die
zur Vervollständigung des erforderlichen Prozentsatzes
benötigt wurden, standen entweder aus Zeitgründen
nicht zur Verfügung oder verweigerten die Aussage. Da
nur noch wenige Unternehmen dieser Sektoren über
waren, war nicht möglich einen Ersatz aufzutreiben. Die
Lösung dieser Problematik hätte den zeitlichen Rahmen
überschritten.
98
Auch die Befragungsgruppe war schlussendlich zufrieden mit der Qualität der Ergebnisse, auch wenn die aufgenommene Datenmenge in der kurzen Zeit nur mit großen Aufwand analysiert werden konnte. Die Interviews
waren mehrheitlich spannend und aufschlussreich und
es zeigte sich, dass der Fragebogen passend zu den Gegebenheiten im Untersuchungsgebiet gestaltet wurde.
Die Projektarbeit und ihr Ergebnis wurden damit äußerst positiv beurteilt. Durch das praxisorientierte zweite Semester war der Zuwachs an methodischem Wissen
groß. Auch aufgrund der sehr detailliert definierten Forschungsfrage konnten wir am Ende mit überschaubaren
Aufwand ein umfassendes gemeinsames Forschungsprodukt entstehen lassen, das wissenschaftlichen Ansprüchen entspricht und ohne Bedenken (und sicherlich
auch mit etwas Stolz) für Interessierte publiziert werden
kann.
Branche:
FragebogenNr:
Als Projektgruppe des Instituts für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin beschäftigen wir uns mit
dem Wandel in der Neuköllner Wirtschaft, insbesondere im Reuterkiez. Der folgende Fragebogen dient zur
Beantwortung unserer Forschungsfrage und ist die Basis für unsere weitere Forschungsarbeit.
Ihre Antworten auf die folgenden Fragen dienen rein wissenschaftlichen Zwecken und werden vertraulich
behandelt.
1.
Welche der folgenden Faktoren haben für Sie bei der Wahl des Standorts im Reuterquartier eine
Rolle gespielt?
Bewerten Sie die Wichtigkeit der einzelnen Faktoren!
ig
hr
•
Preis der Immobilie/Miete
•
Möglichkeiten zur eigenen
(Um)Gestaltung der Räumlichkeiten
•
Gute ÖPNV Erreichbarkeit
•
Gute PKW Erreichbarkeit
•
Nähe zum Wohnort des Inhabers
•
Nähe zu Kunden und Auftraggebern
•
Nähe zu Kooperationspartnern
•
Gutes Förderangebot vor Ort
•
Tipp von Freunden und Bekannten
•
Gutes Freizeit- und Kulturangebot
•
Gutes Gastronomieangebot
•
Ansprechende Architektur
•
Angenehme Kiezatmosphäre
•
Angesagter Standort
•
Sonstige
se
t
ich
er
ig
w
w
t
ich
w
ig
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tig
ch
wi
tig
un
ch
wi
.
k.A
ANHANG – Fragebogen
Was macht den Reuterkiez in Ihren Augen einzigartig/besonders?
Kreuzen Sie an, wie wichtig diese Einzigartigkeit für die Standortwahl Ihres Unternehmens war!
ig
r
eh
t
ich
w
t
ich
ig
en
w
u
tig
ch
i
nw
.
k.A
Bedarf
Die öffentliche Wahrnehmung des Reuterkiezes hat sich in den letzten Jahren gewandelt.
Hatte dieser Wandel Auswirkungen auf ihr Unternehmen? Wenn ja, welche?
Ende:
3.
Lage
Bemerkungen
s
er
ig
w
tig
ch
wi
Abkürzungen Lage:
EG
Erdgeschoss zur Straße
HÖ
Höheres Geschoss
HH
Hinterhof
GH
Gewerbehof
2.
ANHANG – Kartierungsbogen
Nein
Nr.
Name
Datum:
Im Namen des Projekts bedanken wir uns herzlich für Ihre Mithilfe!
Name:
Anmerkungen:
(nur bei Einzelhandel einzutragen)
Ja
Straße
Sehen Sie sich als Teil des oben genannten Wandels?
ERHEBUNGSBOGEN
4.
Symbole Bedarf:
+++
kurzfristig
++
mittelfristig
+
langfristig
Start:
Negative Auswirkungen:
H‐Nr.
Zweig
Positive Auswirkungen:

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