Schwedenreise des LFI (Bremerhaven) vom 31.01. bis 05.02.2010
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Schwedenreise des LFI (Bremerhaven) vom 31.01. bis 05.02.2010
HOSPITATIONSBERICHT Schwedenreise des LFI (Bremerhaven) vom 31.01. bis 05.02.2010 (Informationen in die jeweilige Spalte einfügen) Schule: Datum: Hjulstaskolan www.hjulstaskolan.se 2.2.2010 vorgelegt von Manuela Baecker, Birgit Willenbrock, Anette Winkler-Waste, und Manfred Rademacher, alle Georg-Büchner-Schule I I Schulorganisation 1. Welche Verantwortungsebenen bestehen auf Schulebene/Trägerschaft? Schule in kommunaler Verwaltung 2. Was liegt in der Verantwortung der Kommune/des Staates (Rahmenbedingungen) bzw. der Schule? Staat (Nationale Agentur für Schulentwicklung) erstellt Bildungspläne, Vorgabe der Gesamtstundenzahl (6665 Schülerstunden über 9 Jahre verteilt), Bildungsfinanzierung: gleiche Ressourcen für alle Schüler, egal wer der Träger (kommunal oder privat) ist, freie Wahl der Schule ist Zielsetzung, da kein Recht auf Transportkosten bei Schule in anderem Einzugsbereich: Häufung von „Problemkindern“ entsprechend dem Wohngebiet, Gleichbehandlung der öffentlichen und privaten Schulen, Privatschulen dürfen kein Schulgeld verlangen, alle Kommunen müssen ausrechnen, wie viel Geld sie pro Schüler ausgeben, es gibt finanzielle Zuschläge für Schüler mit besonderem Förderbedarf, diesen regelt jedoch jede Kommune anders (Verhandlungssache), Privatschulen dürfen nicht indoktrinieren, auch die religiösen und ethnischen Schulen nicht, sie werden von der staatlichen Schulaufsicht kontrolliert, Schule (Schulleiter) stellt Personal selbst ein und entlässt auch, entscheidet nach staatlicher Rahmenvorgabe über Höhe des Gehalts in Abhängigkeit erbrachter Leistungen 3. Wie ist die Schulverwaltung organisiert (Schulleitung, Verwaltung, Gremien…) Schule besteht aus zwei Schulen, die zusammengehören, die Hyllinge, Vorschule bis 5. Klasse (6-12-Jahre) und die Hjulstaskola 6. bis 9. Klasse (13-16 Jahre). etwa 650 Schüler, jede Schule hat einen Schulleiter und drei Stellvertreter, Schulleiter stellt Geschäftsführung, Budgetverwaltung und Hausverwaltung, Schulleiter unterrichtet nicht, „ist für Visionen zuständig“ 4. Wie ist Schulentwicklung organisiert (Steuergruppe, Gremien, Inhalte…)? Qualitätsmessung durch Schulleiter, erweitertes Teammanagement und Teamleiter; 1 Inhalte: Zufriedenheit von Schülern und Mitarbeitern, Ergebnisse werden in Konferenzen vorgetragen und als Grundlage für weitere Entwicklung genommen im ständigen Austausch mit Personal im Rahmen von Konferenzen, Seminaren und Feiertagsarbeit, weil da die Eltern Zeit haben 5.Tages- bzw. Wochenstruktur/Rhythmisierung des Unterrichts: siehe Anlage: Klassenstundenplan, Lehrerstundenplan 6. Pausen / Mittagessen: Frühstück als Starter, gemeinsames Mittagessen in der Mensa, jeden Freitagmorgen Unterrichtscafete (Herstellung und Konsum) für alle Schüler und Lehrer, siehe Anlage: Klassenstundenplan, Cafeteria für Pausen, Nachmittags- und Abendbetrieb 7. Klassengröße/Jahrgangsgröße Spezialklassen bis zu 15, „Normal“-Klassen bis zu 24, durchweg zweizügig 8. Kooperationspartner der Schule (Verträge/Vereinbarungen) Partner auf unterschiedlichen Projektebenen, Universität Stockholm, Vasa-Museum, Botanischer Garten, Schirmherrschaft Königin Silvia 9. weitere Organisationsformen nicht abgefragt II Unterrichtsentwicklung /Integration 1. Unterrichtsformen/Unterrichtsgestaltung Unterricht verteilt auf Vor- und Nachmittag mit vielen Freiarbeitszeiten, Zeiten für Sport, Bewegung, Musisches und Kommunikation, Essen; ab 8;15 Flexzeit, Fachunterricht ab 9 Uhr, unterschiedliche Unterrichtszeiten zwischen 20 und 70 Minuten, häufig fächerübergreifende Projektarbeit in Nat (Tiere im eigenen Zoo), Musik und Kunst und anderswo, praktische Arbeit auf hoher professioneller Ebene (Ausstattung, Betreuung durch Fachberufler), unterstützt durch Sponsoring, pädagogische Leitlinie: was ist deine Möglichkeit und Fähigkeit und nicht: was ist dein Problem? Schüler haben innerhalb eines Jahrgangs die gleichen Fächer zur gleichen Zeit: „Bänder“ die leistungshomogene Gruppe ermöglichen, Teamarbeit/pädagogische Freiheit für alle gegeben; kein Einschwören auf nur eine pädagogische Linie 2 2. Nachmittagsangebote Fußball, Tanzunterricht, Geige-Spielen, Bibliothek, Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe (mittwochs sogar bis 20.30 Uhr), Cafe, Real-Angels-Training, Basketball, Vorträge, Vorführungen, Tanz, Theater, Musical (own stories), an drei Nachmittagen im Jahr Theaterauftritt in der Stadt, für Eltern drei offene Foren: Filmproduktion, Reparaturdienst auf Wechselseitigkeit, gemeinsames Kochen „Schwedish for two", Exkursionen 3. Individuelle Förderung/Feststellung von Lernfortschritten -viele der Newcomer haben noch nie eine Schule besucht, allenfalls eine Koranschule, für sie gibt es z.Z. 7 Klassen, -eine Klasse für stark verhaltensauffällige Schüler (social behaviour problems und Schulmüde) 13-15 Schüler, mit vor allem praktischen Aufgaben (Holzarbeit, Kochen, Catering), gehen später in „normale“ Klasse, wo sie zuerst Musik, Kunst, Sport mitmachen – sehr individuelles Handling, kein festes Schema, - eine Klasse mit Down-Syndrom-Schüler, -eine Klasse für spezial-needs (Körper- und Sinnesgeschädigte), -12 „normale“ Klassen, -jedes Kind hat gesetzlichen Anspruch auf mindestens 2 Stunden muttersprachlichen Unterricht, -die meisten Schüler arbeiten mit Portfolio und Prozessfolio (je nach Bereitschaft der Lehrkräfte), -individueller Entwicklungsplan für die Dauer der gesamten Schulzeit, differenzierte Unterrichtsangebote um unterschiedliche Leistungsstärken und Lernwege der Schüler anzusprechen (vgl. II.1.Unterrichtsbänder) -für stärkere Schüler besteht die Möglichkeit zum Besuch einer höheren Klasse in einzelnen Fächern, -zwei Wochen summerschool für besonders Leistungsstarke und besonders Leistungsschwache, -regelmäßige Tests zur Überprüfung der Lernfortschritte in Englisch, Mathe, Schwedisch in 5. und 9. Klassen, -regelmäßige Eltern-Lehrer-Schüler-Gespräche über Fortschritte, Stärken und Schwächen, ggf. Besprechen von Fördermaßnahmen, diese nur mit Einwilligung der Eltern 4. Integration von Schülern mit (sonderpädagogischen) Förderbedarf keine Selektion nach Alter und Leistungsniveau, dafür siehe II. 3. 5. Evaluation von Unterricht/Feedbackkultur - den Schüler nicht defizitorientiert betrachten, sondern den einzelnen in seinen Stärken und speziellen Fähigkeiten wahrnehmen >> individualisieren! - kein selektierendes Messen an anderen Schülern, sondern am eigenen Entwicklungsfortschritt >>Portfolio und Prozessfolio, - Noten gibt es erst ab Klasse 8 mit den Einstufungen: bestanden, gut bestanden und sehr gut bestanden, - regelmäßige Rückmeldung an Schüler und Eltern, - starkes Augenmerk auf soziale Zielsetzungen, siehe auch I. 4. 3 III Team- und Personalentwicklung 1. Schülerzahl: 640 von beiden Schulen (etwa je 320 pro Schule), davon 98% mit Migrationshintergrund aus rund 50 Staaten mit 30 Sprachen (v.a. aus Somalia, Irak, Kurdistan, Aserbaidschan, China und Ägypten), 80% der Schüler bereits in zweiter Generation in Schweden 2. Alter von – bis: 6 bis 16 Jahre 3. Personalzuweisung sie I. 2. und 3. 4. Lehrkräfte: Gesamtzahl: ?? davon 1 Musiklehrer, 1 Sportlehrer, ein Tanzlehrer 5. Pädagogisches und sonstiges Personal: Krankenschwester, Schulärztin, Cafeteriapersonal, Studenten der Universität, Bibliothekarin, Berufsberater für 8. und 9. Klassen incl. Praktikavorbereitung und -durchführung, 2 Schulpsychologen (alle auf Honorarbasis), native-speakers aus stadtweitem Pool, Eltern für besondere Projekte, 6. Arbeitszeit/Lehrerrhythmus Allgemein gilt in Schweden: Die Lehrerarbeitszeit ist formal mit 1700 Stunden pro Jahr festgelegt, verteilt auf 194 Arbeitstage, davon 178 mit Schülern, also 16 für Präsenzzeiten und Fortbildungen, Im Detail für die Hjukstaskolan: -45 Zeitstunden pro Schulwoche (entspricht der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst von 39 Zeitstunden pro Arbeitswoche), -davon 35 Zeitstunden in der Schule und 10 „Vertrauensstunden“ zu Hause oder anderswo, -von den 35 Stunden sind 18 Zeitstunden Unterricht (entsprechend 22,5 45Minuten-Stunden), -2,5 Zeitstunden für Teamgespräche und Konferenzen, -1 Stunde für Elterngespräche, -1/2 Stunde für Klassengespräche, -1 Stunden individuelle Health-Care (z.B. Tennis, Volleyball, Yoga, Joggen --im Kollegium), -1/2 Lesestunde mit der Klasse, -45 Minuten „Sozialkunde“ im Sinne lebenskundlicher Beratung: „Was bekomme ich wo von wem und wofür“, -im Juni eine Woche Präsenztage zur Vorbereitung des neuen Schuljahres incl. aktueller Fortbildungen (z.B. zur Bedienung technischer Geräte), 4 7. Teamstrukturen bei Schüler/innen gewählte Schülervertretung, Basketballteam, Tanzgruppe, Fußballmannschaft, Musicalprojekte, Musikgruppe mit Produktion; Belohnungssystem für die ordentlichsten Klassenräume; sehr schön renovierte Mädchentoilette in Eigenverantwortung der Schülerinnen; gewählte Real-Angels: Real-Angels arbeiten an den Herausforderungen Mobbing, Angst, Vandalismus; sie werden für ihren Einsatz mit Ausflügen, Kinokarten und anderem belohnt, sie stammen aus 6-9 Klassen und sind in der Regel 15 an der Zahl, 8. Teamstrukturen bei Lehrkräften arbeiten in selbstgefundenen Team und werden von Schulleitung und mit Handreichungen unterstützt; treffen sich 2 mal pro Wochen zur Teambesprechung; umfassender Materialfundus erleichtert Unterrichtsplanung; Teams bleiben in ihren Räumen und arbeiten jeweils für zwei Jahre, die Klassen wandern weiter 9. Räume für Teams nicht abgefragt 10. Organisation der Zusammenarbeit ergibt sich aus 6: Arbeitszeit und Lehrerrhythmus 11. Fortbildungen: laut Arbeitsvertrag sind 104 Stunden pro Jahr verpflichtend Schwerpunkt: Schüler-Eltern-Lehrergespräche als Lernentwicklungsgespräche, Aktionspläne gegen Mobbing, grundlegende Erkenntnisse der Hirnforschung, konstruktivistisch-humanistische Lerntheorie 12. Elternarbeit -regelmäßige Elterntreffen, -Treffen für Eltern entsprechend ihrer Heimatsprachen z.T. mit Dolmetschern, -ein monatlicher Elternabend für Fragen und Ideen an Schulleitungen, dafür bietet die Schule in dieser Zeit Kaffee und Kinderbetreuung, -Edv-Kurse für Eltern, -ein monatliches Elternessen mit Ethno-Food von den Eltern, -ein Elternchor, -Betreuung und Beratung bei Behördengängen, -Aufnahmegespräche mit Schulleiter, Familie, Lehrer und Krankenschwester 13. Notizen viele Auszeichnungen, u.a. Friedenspreis Emerich-Fonds (65000SEK) 5 IV Auswertung/Persönliche Einschätzung/Übertragbarkeit 1. Was hat Sie besonders beeindruckt? Zielsetzung auf Werte und Normen einer demokratischen Grundhaltung wird sichtbar umgesetzt. Soziale Ziele stehen im Vordergrund: Förderung der Stärken und des Individuums. Teamkultur; Elternarbeit und Schule als Begegnungsort. Das Grundprinzip der Schule: es gibt keinen „falschen“ Schüler im Sinne von: der passt nicht zu unserer Schule. Wir arbeiten mit den Schülern, die da sind. Das bedeutet: das Lernangebot muss differenziert sein und gleichzeitig unterschiedlich leistungsstarke Schüler ansprechen. Im Mittelpunkt steht die individuelle Entwicklung. Diese Schule wie auch die anderen drei besuchten Schule waren jede für sich einzigartig, hatten aber unübersehbar fundamentale Gemeinsamkeiten: - es herrschte eine ruhig entspannte Atmosphäre bei Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, egal ob der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund gering war oder bei 98% lag, - Integration war kein Thema, da von vornherein nicht ausgesondert wurde, d.h. hier wurde Inklusion verwirklicht, Stigmatisierung durch Statuierung eines besonderen Förderbedarfs (=Behinderung) erübrigt sich. Einige notwendige Bestandteile dieses Erfolgsrezepts: - Schülerinnen und Schüler werden 9 Jahre gemeinsam unterrichtet, - an Ganztagsschulen ist der Schulalltag entdichtet und entschleunigt: Unterricht wechselt mit Freiarbeit und langen Zeiten für Begegnungen, aber nicht nach dem Prinzip: morgens Unterricht und nachmittags Betreuung, sondern gleichmäßig verteilt über den ganzen Tag, - die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte verteilt sich auf den gesamten Tag, zwischen den Unterrichts- und Betreuungszeiten liegt viel Raum für Konferenzen, Teamarbeit und Planung – dies ist möglich aufgrund der Verpflichtung zu 35 Zeitstunden Wochenarbeitszeit in der Schule bei 10 Stunden Vertrauenszeit zu Hause oder anderswo – dies geht wohl nur durch Gesetz, freiwillig klappt’s eher nicht; die interviewten Kollegen möchten das Modell dennoch nicht mehr missen, Kinder mit Handicaps und „spezial needs“, also auch Lernbehinderte, Sprachbehinderte und Entwicklungsgestörte erhalten besondere Förderung nach ihren individuellen Bedürfnissen: das erfordert einen Personalmix von Sonderpädagogen, Psychologen, Sozialabeitern, Krankenschwestern, Pflegern, Berufsberatern in Festanstellung oder als Honorarkräfte. Dabei wird im Einzelfall entschieden, ob die förderbedürftigen Kindern im Rahmen der Klasse, in Kleingruppen, in Einzelförderung oder in zeitlich begrenzten Extraklassen gefördert werden: immer bleiben sie Schüler und Schülerinnen ihrer Klassen und in der gemeinsamen Verantwortung des Regelteams, der Sonderpädagogen und der anderen Beteiligten: es gibt kein: 6 „mein Schüler, dein Schüler“. 2. Wo sehen Sie Herausforderungen? - diese Erfolge sind sicher nur im Rahmen einer veränderten Lehrerarbeitszeit im oben beschriebenen Sinne zu erzielen – solange diese Einsicht nicht besteht ist sicher mit heftigem individuellen und gewerkschaftlichen Widerstand zu rechnen, - den Schüler nicht defizitorientiert betrachten, sondern den einzelnen in seinen Stärken und speziellen Fähigkeiten wahrnehmen >> individualisieren! - kein selektierendes Messen am anderen Schülern, sondern am eigenen Entwicklungsfortschritt >>Portfolio und Prozessfolio - die räumlichen und materiellen Voraussetzungen dafür müssen gegeben sein. 3. Was von dem Gesehenen ist für Ihre Schule interessant? Im Sinne des Zieles „eine Schule für alle“ (Schulentwicklungsplan) alles; bis dahin: Projektarbeit: Focus auf praktische und ästhetische Bereiche lenken 4. Welche Ideen wären auch für andere Schulen in Bremerhaven interessant? siehe 3. 5. Welche Ideen wären auch für andere Schulen in Bremerhaven mit wenig Aufwand übertragbar? mit wenig Aufwand braucht man gar nicht erst anzufangen! 6. .Welche Ideen wären auch für andere Schulen in Bremerhaven mit größerem Aufwand übertragbar? siehe 3. 7. Welche Kontakte (zur Gruppe/ nach Schweden) sollten aufrecht erhalten werden nach der Hospitation? für unterschiedliche Gruppierungen (Kollegien, Fachgruppen, Schulleitungen, Schulverwaltung, Seestadtimmobilien) bieten die einzelnen Schulen Unterschiedliches; je nach Frageschwerpunkt daher alle 8.Notizen Die hervorragend und professionell vorbereitete Exkursion durch Martina Stender-Szonn & Sandra Dudzek ( LFI-Fachberaterinnen ), die damit gewonnenen wertvollen Kontakte und das reisetechnische Wissen sollten aufbewahrt und abgerufen werden dürfen. 7 8