1 extremwertaufgaben und bildung - Österreichische Mathematische

Transcrição

1 extremwertaufgaben und bildung - Österreichische Mathematische
,::C
.:.
-123-
EXTREMWERTE
-GANZ
VERBOTEN
." ';:',,;
"
-,":c
von Rainer Schmid-Zartner, Wien
Oie übliche allzu enge Bindung von Extremwertaufgaben
an die Differentialrechnung
versäumt die Chance, diese Aufgaben zur Entwicklung eines reflexionsorientierten
Mathematikunterrichts
einzusetzen. Ausgehend von einem Bildungsbegritt; der Reflexion
über Mathematik und die eigene mathematische Kompetenz als zentralen Aspekt umfasst
soll hier an konkreten Beispielen aufgezeigt werden, wie Extremwertaufgaben im Unterricht
zur
Entwicklung
von Problemlösekompetenz
verwendet
und als Ausgangspunkt
methodischer Reflexion von Mathematik genützt werden können.
1 EXTREMWERTAUFGABEN
UNDBILDUNG
Titel wie auch Inhalt des hier vorgestelltenProjektswurden inspiriert durch ein Erlebnis mit einem
Nachhilfeschüleraus einer achten KlasseAHS. Dieser sollte eine der üblichen Extremwertaufgaben
lösen -konkret ging es darum,einem Kreis das flächeninhaltsgrößte
Rechteckeinzuschreiben.Nach
harter Arbeit und vielen Rechenfehlernwaren wir mit Hilfe der üblichenTechnik (HauptbedingungNebenbedingung-Zielfunktion -Ableiten usw.)schließlichdoch nochzum richtigenErgebnisgelangt.
Nun konnte ich es mir aber doch nicht verkneifen,auf einen ungleich kürzeren,einfacherenund der
Fragestellungauch viel angemessenerenLösungsweghinzuweisen,der darüberhinausauch noch den
Vorteil hat, nicht mit der "Kanone"Differentialrechnungauf einen "Spatzen"zu schießen.Ich erntete
ungläubigesStaunen,das schließlichin der halb entrüstetenFeststellunggipfelte,dass man "solche"
Aufgabendoch "so" nichtlösendürfe.
Es wird hier davon ausgegangen,dass diese Anekdotenicht den eher seltenenAusnahmefallbetrifft,
sondern viel mehr eine gängige Praxis von Mathematikunterricht
charakterisiert.Vom Standpunkt
mathematischerGrundbildung aus wären der Mathematikunterrichtund die diesen gestaltenden
Lehrerinnenetwafolgendermaßenzu befragen:
.Welches
Bild von Mathematikwird in der Unterrichtspraxiseigentlich vermittelt-das einer
Wissenschaft,in der das logischkorrekteund gültige Argumentdie letzte Instanzist oder eher
doch das eines nicht weiter begründetenMethodenkatalogs,
der strikt vorgegebenwird und
genau einzuhalten ist, und mit dessen Hilfe "Probleme"bearbeitetwerden,die wenig oder
überhauptkeinenBezugzum Schüleroder zur Schülerinhaben?
.Warum
macht Mathematikunterricht
so selten die kreativen,entdeckendenund forschenden
Aspekte von Mathematik erlebbar -werden diese vielleicht zu oft oder zu früh einer
vordergründigen"Brauchbarkeitsund Anwendungsorientierung"
geopfert?
,.
~
"
~t
j;;.;;;:~.,-,:::;-
.Geht
Mathematikunterrichtvielleicht grundsätzlichverkehrt vor, indem Methoden in den
Mittelpunkt gestellt werden und dann dazu (mehr oder weniger interessante,brauchbare,
anwendungsorientierte
...)Aufgabengesuchtoder gar nichtso selten"dazukonstruiert"werden,
anstatt von einem Problem auszugehen (das übrigens gar nicht unbedingt immer eine
vordergründigeLegitimationdurch einen ,Alltags-oder Lebensbezug"braucht)und an diesem
Problemdas breiteSpektrummathematischer
Denkweisenund Methodenzu entwickeln?
-124-
.Sind
immer wieder festgestelltesDesinteressean Mathematikund die oft beklagtefehlende
Motivationvon Schülerinnenund Schülernvielleichtauch Ergebnis systematischenIgnorierens
anthropologischer
Grundbedürfnisse
nach Beschäftigungmit spannenden"Denksportaufgaben"
(wie sie auch und gerade die "seriöse" Mathematik reichlich anbietet), nach geistiger
Herausforderungdurch"echte"Problemealso,die kommunikativund explorativaufgeschlüsselt
und bearbeitetwerdenund die Chancezu wahrenintellektuellenErfolgserlebnissen
bieten?
Die Listedieser (bewusstprovokantformulierten)Fragenkönntenoch verlängertwerden.Hier soll über
einen Versuch berichtetwerden, das altehrwürdigeKapitel "Extremwertaufgaben"
aus seiner strikten
Bindungan die Differentialrechnung
zu lösen und damitgemeinsammit Schülerinnenund Schülernin
einerForm zu erschließen,die Methodenmonokultur
durcheine Vielfaltvon Zugängenersetzt,aufechte
intellektuelleHerausforderungabzielt und eben nicht nur auf ein Training in kaum verstandenen
Rechentechniken.
1.1 Reflexion als Ziel von Mathematikunterricht
Dem hier beschriebenenProjektliegt ein (Grund-)Bildungsbegriff
zugrunde,der als ein wichtigesZiel
von Bildungsbemühungen
die Fähigkeitund Bereitschaftzur reflektierendenAuseinandersetzungmit
den Inhaltenund Methoden,Möglichkeitenund Grenzender jeweiligenWissenschaftsieht. "Reflexion"
meint hier das Heraustreten aus einem bestimmten Kontext, also die Betrachtung von einem
Standpunkt außerhalb eines gegebenen Zusammenhangesmit dem Ziel einer (persönlichen)
Bewertung.
In Konkretisierungauf die Mathematikseien drei Reflexionsebenenunterschieden-nämlich die
systematische, die soziologische und die persönlich-individuelle Ebene. Mit der Nennungdieser
drei Reflexionsebenenwird hier kein Anspruch auf Vollständigkeitverbunden-es mag noch weitere
bedeutendeAspektegeben. Ein gegenüberdem hier vorgeschlagenenSchemavielleichtmodifizierter
oder erweiterter begrifflicher Raster könnte aber hilfreich sein bei Auswahl, Einordnung oder
BegründungmathematischerBildungsaktivitäten.
1.1.1
Reflexionsebene1 -Mathematik als System
Mathematikist ein (formales)System mit bestimmten"Spielregeln",Möglichkeitenund Grenzen.Durch
die modernemathematisch-logische
Grundlagenforschung
wurdenFragenwiezum Beispiel
.Was
.Ist
.Ist
~'ii~-
ist ein mathematischerBeweis?
die Mathematikwiderspruchsfrei?
die Mathematikvollständigin dem Sinne,dassjede "wahre"mathematischeAussageauch
beweisbarist?
gestelltund auch teilweisebeantwortet.Im Rahmen"metamathematischer"
Untersuchungenwurde die
Mathematikselbstzum GegenstandmathematischerAnalysec,
indem versuchtwurde,Fragen wie dieoben angeführten mit Hilfe "verlässlicher"finiter Methoden zu untersuchen. Die Reflexion als
Heraustretenaus einem gegebenenZusammenhangbestehthier also darin, dass nur ein besonders
vertrauenswürdiger
Teil der Mathematikzur Analyseund letztlichBeurteilungder Mathematikinsgesamt
herangezogenwird.
~
""'i'\.
.::3-
~
&.~
~,~::c..,
'?~,
.
,,""~!
-125-
Auch der Mathematikunterricht
sollte die SystemebenemathematischerReflexionnichtvöllig ignorieren
und etwa Fragenwie
.Wann
können wir einen mathematischenZusammenhangals abgesichert ("bewiesen")
ansehen?
.Warum
sollenwir uns überhauptum einen BeweismathematischerTatsachenbemühen?
.Was
gewinnen wir durch eine Formalisierungeiner gegebenen Fragestellung,was geht
dabeiaber auch verloren?
.Welche
Möglichkeitenund Grenzenhatdie Mathematik?
.Was
ist der wesentliche Unterschied zwischen der Mathematik und anderen
Wissenschaften?
.Sind
mathematischeErgebnisse"sicherer'als die andererWissenschaften?
Gemeint ist damit eine wissenschafts-bzw. erkenntnistheoretische
Einschätzungder Mathematikals
Grundlagefür eine Beurteilungihrer Methodenund Ergebnisse.
1.1.2
Reflexionsebene2 -Mathematik und Gesellschaft
Unser Leben in einer von Wissenschaftund technischer RationalitätbestimmtenGesellschaftwäre
ohne die Mathematikundenkbar,selbstwenn diese Unverzichtbarkeit
der Mathematikauf den ersten
Blick nicht sofort erkennbarist. Mit mathematischenMitteln und in mathematischerSprachewerden
viele abstrakteSachverhalteanalysiert,kommuniziertund organisiert-man denke etwa nur an die
Bedeutung der Statistik als Argumentationsmittelim politischen Diskurs (diverse wirtschaftliche
Kenngrößen wie z.B. die Inflationsrate oder die Arbeitslosenstatistik, Bedeutung der
Bevölkerungsentwicklungfür das Pensionssystem,...) und auch als Hilfsmittel bei konkreten
(politischen) Entscheidungen. Dieses Beispiel ist nur eines von sehr vielen, an denen die
"Mathematisierung"
unseresAlltagssinnfälligwird -ein gebildeterMenschsollte prinzipiellin der Lage
sein, die gesellschaftlicheBedeutungder Mathematikeinzuschätzenund mathematischgewonnene
bzw. in mathematischerSpracheformulierteBeiträgezum öffentlichenDiskurszu bewerten.
Im Unterrichtwäre also immerwieder und von verschiedenenBlickwinkelnaus die Frage aufzuwerfen,
was die Gesellschaftmit Mathematikmachtund was umgekehrtdie Mathematikaus der Gesellschaft
macht,d.h. welcheRolledie Mathematikbei der HerausbildunggesellschaftlicherIdentitätspielt.
1.1.3
Reflexionsebene3 -das mathematischeSelbstbild
Schließlichsei noch auf eine dritte Dimensionvon Mathematikhingewiesen,die sich nicht unter eine
der beiden anderensubsummierenlässt. Gemeintist die persönlicheBedeutung,die Mathematikfür
das Individuum hat und die subjektive Aspekte wie Z.B. emotionale Haltungen der Mathematik
gegenüberebensoumfasstwie Fragender persönlichenmathematischenKompetenzoder Begabung.
--~~-~"'"; ,- -Von großer Bedeutungist in diesem Zusammenhang
der Begriff"Metakognition",
der das Nachdenken
über das eigeneDenkenmeint-letztlich mitdem Ziel,die eigene kognitiveKompetenzzu verbessem
bzw. zu optimieren. Die Herausbildung metakognitiverKompetenzen wäre ein wichtiges Ziel
(mathematischer) Bildung, da damit die Grundlage gelegt wird für die selbstständige und
eigenverantwortliche
Steuerungund Gestaltungvon Bildungsprozessen.
,'c-'c~':'
"1
'~jf
'"
-126-
1.2
Zum Reflexionspotentialvon Extremwertaufgaben
Extremwertaufgaben
individuellen
..-",1'-
bieten Gelegenheit zum Reflektieren zumindest auf der Systemebene und auf der
Ebene. Anhand verschiedener
Lösungsstrategien
können einerseits Möglichkeiten
und
Grenzen sowie Vorteile und Nachteile verschiedener Zugänge zum Problem aufgezeigt und thematisiert
werden, andererseits stellen gerade Extremwertaufgaben
Problemlösestrategien
Hypothesenbildung,
Generalisierung,
(Formalisieren,
Verfizieren
bzw.
Verwendung
Falsifizieren
ein ideales Feld zur Entwicklung heuristischer
geeigneter
graphischer
Darstellungen,
von
Hypothesen,
Spezialisierung
und
...) dar. Darüber hinaus können in diesem Zusammenhang
wichtige metakognitive
Kompetenzen
(etwa durch Selbstbeobachtung
beim Lösungsversuch
und noch mehr durch
Kommunikation über das Problem und verschiedene Ideen zu dessen Bearbeitung im Team) entwickelt
und trainiert werden.
1.2.1
Eine kleine Extremwertdidaktik
Der Bereich der Extremwertaufgaben
.Extremwertaufaaben
als
könnte etwa folgendermaßen
intellektuelle
erschlossen werden:
Herausforderung:
Zunächst
geht
es
darum,
Extremwertaufgaben als intellektuelle Herausforderung zu erleben, d.h. als Fragestellungen,
die Nachdenken provozieren können und nicht durch ein simples algorithmisches Verfahren
oder durch eine vorgefertigte
Prozedur so leicht gelöst werden können. Man wird also die
Schülerinnen zum Einstieg mit einer Vielfalt von einschlägigen Fragestellungen konfrontieren
und sie diese (etwa in Partnerarbeit oder in Kleingruppenarbeit explorieren lassen). Dabei
geht es zunächst
nicht darum, die Aufgaben
sondern die Schülerinnen
(möglichst
elegant und schnell) zu lösen,
sollen eher die Art der Fragestellungen
kennenlemen
und diese
als sinnvolle Probleme erleben.
.Die
"Extremwertbrille":
eine "Extremwertbrille"
ihrem
Alltag),
d.h.
In einem zweiten Schritt könnten die Schülerinnen gebeten werden,
aufzusetzen (und das nicht nur im Unterricht, sondern gerade auch in
selbst einmal
alle nur denkbaren
Minimierung oder Maximierung unter gegebenen
sammeln. Im Mittelpunkt steht dabei wiederum
sondern
die
Formulierung
lebenspraktischer
.Intellektuelle
sinnvoller
Probleme,
Fragestellungen
im Sinne
einer
Randbedingungen zu entwickeln und zu
nicht die Beantwortung dieser Fragen,
seien
sie
innermathematischer
oder
Natur.
Grenzen erleben (Erfola und Scheitern):
In einer Phase sollen ausgewählte
Extremwertfragestellungen
lösungsorientiert bearbeitet werden (vorzugsweise in Partneroder Kleingruppenarbeit). Es geht nun um die Entwicklung, Erprobung und Implementierung
verschiedener
Lösungsstrategien
und darum, intellektuelle
Durchbrüche
wie
-Sackgassen
zu erleben, gute Ideen zu haben oder Irrwege ein Stück weit zu verfolgen.
:~
auch
.
Problemstufe": Aus der intensiven Beschäftigung mit Extremwertaufgaben verschiedenster
Art ergibt sich schließlich der Wunsch nach (algorithmisierten) Lösungsverfahren, die auf
bestimmte Typen von Extremwertaufgaben
anzuwenden sind und mit deren Hilfe aus einem
"
"c:~
-;;;"'-':;C;~
;~
~
-127-
"Problem"schließlicheine "Übungsaufgabe"wird. Gemeintsind Verfahren,die im Sinne
einer Routineprozedurzur Lösung bestimmterFragestellungeneingesetztwerden können
und die es einem ersparen,in jedem Fall aufgute Ideenoder genialeEingebungenhoffenzu
müssen. Erst an dieser Stelle sollte das auf der Differentialrechnung
beruhendeVerfahren
eingeführtwerden.
1.2.2
Extremwertaufgaben-drei Methoden
An einem einfachenBeispielseien nun drei Lösungsmethodendemonstriert,die im Zusammenhang
mit Extremwertproblemenbedeutsam sind, nämlich die graphische, die nichtalgorithmischprozedurale und die geniale Methode.
Gesuchtist dasflächeninhaltsgrößte
Rechteckmit 10 m Umfang.
1.2.2.1 GraphischeLösung:
Man zeichnetdie sogenannteZielfunktionund liest aus dieser Darstellungdas Maximum bzw. das
Minimumab.
Wir betrachtenalso ein Rechteckmit Seitenlängenxund y unddem Umfang10m:
Dann gilt
2.x + 2.y = 10,
d.h.
Y
x+y=5
oder
x
y=5-x
und somithat diesesRechteckden Flächeninhalt
,.6"""
::1
,I
,.
1 I
..11
A(x) = x.y = x.(5 -x) = 5.x -X2
-~
Aus der graphischenDarstellungder "Zielfunktion"
A wird das Maximumabgelesen-dieses liegt.bei
X= 2..5.Dasflächeninhaltsgrößte
Rechteckist also
ein Quadratmit 2,5m Seitenlänge.
;,.'
;,;:;..c
~ ..'._-~-
..,
c
-1 2 8 -'ci
Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass es sich leicht auf praktisch alle Extremwertaufgaben
anwenden
lässt, deren Zielfunktion eine Funktion einer Variablen ist. Sein Nachteil liegt natürlich in der begrenzten
Genauigkeit
graphischer
Berechtigung
dieser
Wertetabelle
Darstellungen.
Methode
diskutiert
Darüber
werden.
hinaus
sollte
Dürfen wir die endlich
Ebene
vielen Wertepaare
die
einer
durch eine Kurve verbinden und aus dieser Hochpunkte oder Tiefpunkte ablesen? Das
bedarf letztlich natürlich einer mathematischen
Rechtfertigung.
heuristisches
einer
Hilfsmittel
Extremwertaufgabe
zur
-einer
Dieses Lösungsverfahren
Grundeigenschaften
Formulierung
Vermutung
könnte eine eingehende
Beschäftigung
ist eigentlich eher ein
bezüglich
einer
Lösung
der
Begründung bedarf.
mit Standard funktionstypen,
deren
und Graphen motivieren.
ist damit
Nebenbedingung
Das Verfahren
Vermutung, die noch einer exakten mathematischen
1.2.2.2 Nichtalgorithmisch-prozedurale
Gemeint
auf grundsätzlicher
das
auf der
-Zielfunktion),
Lösung:
Differentialrechnung
aufbauende
Verfahren
(Hauptbedingung
-
das hier wohl nicht im Detail abgehandelt werden muss.
.Hauptbedingung:
A(x,y) = x.y
.Nebenbedingung:
2.X + 2.y = 10 => Y = 5 -x
.Zielfunktion:
A(x) = 5.x -x2
.Bestimmung
der Extremwerte:
A'(x) = 5 -2.x = 0 => x = 2,5
A"(x) = -2 < 0 => Maximum
.Ergebnis:
Das flächeninhaltsgrößte Rechteck mit 10m Umfang ist das Quadrat mit 2,5 m Seitenlänge.
Diese Methode
Berechtigung
setzt natürlich
Kenntnisse
der Differentialrechnung
steht und fällt mit einer entsprechenden
sich um eine nichtalgorithmisch-prozedurale
voraus -ihre
mathematische
Begründung des Ableitungsbegriffs.
Vorgangsweise
Es handelt
in dem Sinn, dass zwar der Lösungsweg
als allgemeine Prozedur vorgegeben ist, nicht aber im Sinne eines Algorithmus oder Rechenverfahrens,
bei dem jeder einzelne Schritt genau festgelegt ist.
1.2.2.3 Geniale Lösung:
~!ne
gute
Idee
stellt sich
"Uberraschungsangriff'
oft als die
angemessene
Lösungsmethode
heraus -in
einer
Art
wird das Problem bewältigt. Hier sollen zwei solche Ideen vorgeführt werden.
(1) Die erste Idee:
-
~
;:iJI"!J;.".j1
-129-
Wegen 2.x + 2.y = 10 habenwir x + y = 5
und könnennun x und y folgendermaßendarstellen:
X= 2,5 + t und y = 2,5 -t;
Y
,("--"
...
damitergibtsich für den Flächeninhalt
A = x.y = (2,5 + t).(2,5-t) = 6,25-t2,
X
und dieser Flächeninhaltwird maximalfür t = O.
Als Lösungder Aufgabeerhältman also ein Quadratmit 2,5m Seitenlängeund 6,25 m2
Flächeninhalt.
(2) Die zweiteIdee:
ACDG sei irgendeinRechteckmit 10m Umfangund BCEFsei das Quadratmit 2,5cm Seitenlänge
(eswird ohne Beschränkungder Allgemeinheitangenommen,dassAC länger als 2,5cm ist).
Zunächsteinmal gilt
2,5cm
AB + BC + CD = BC + CD + DE = 5
F
worauswir
AB = DE und CD < 2,5
G
R2
D
erhalten;
darausergibtsich
R1
AB.CD< 2,5.DE
A
und somit
R1< R2;
das Rechteckist also flächeninhaltskleiner
als
dasQuadrat.
(DieseLösungist RADEMACHER
I TOEPLlTZ(2000)entnommen.)
---"~-~~
~~
--~
Die Lösungeiner Extremwertaufgabeauf kreativemund elegantemWeg ruft üb!icherweisedie größte
subjektive Befriedigunghervor -es macht einfach Spaß, gute Ideen zu haben und in einem "AhaErlebnis"zur plötzlichenEinsichtzu gelangen.Ein Nachteildieser "Methode"ist aber zweifellos,dass
man eine "geniale"Ideeeben erst einmalhabenmuss.
~~~-
~;~'l~:!!!!
,
i~~{:~l
130
--~~]f;!~~
2
Im
BEISPIELE
Sinne
FÜR
des
Schulstufen
in
bearbeitet
und
auf
(1.2.1)
sinnvolle
zumindest
bereits
bekannt
Vorteilen
sollen
uns
zunächst
Nachteilen
nun
hier
Lösung
2.1
oder
noch
auf
Je
es
wurde
eine
gut
dem
Möglichkeiten
der
jeweiligen
zur
dieser
ob
(wenn
auf
gemeinsamen
auf
d.h.
es
nicht
der
die
eine
des
eine
andere
Schülerinnen
und
entsprechenden
danach
permanente
einer
von
gelegt.
vorgestellt
Andeutung
nach
Diskussion
Zugänge
Arbeit
eine
wenn
noch
Differentialrechnung
Darstellung
verschiedenen
und
Kleingruppenarbeit
Kenntnisstand
formuliert
der
verschiedener
in
geachtet,
gefragt,
Verfügung
wurde
Aufgabe
öfter
Vielfalt
immer
Vermutung
Grenzen
Schülerinnen
und
graphischen
Wert
und
Produkte
der
von
mathematischen
begründete
ausgewählte
wurde
Methoden
Besonderer
werden,
einer
"guten
wobei
Idee"
zu
beschränken.
Flächeninhaltsgrößtes
Einem
nach
wurden
Einzelarbeit
methodische
dann
nach
gesucht.
Formulierung
in
auf
wurde,
dargestellten
sowie
einige
die
besonders
(1.2.2).
oben
Aufbaus
exploriert,
bewältigt
(vgl.
drei
Begründung
und
Es
wurde
Art
gibt
die
Funktionsgraphen
dem
Dabei
war)
entsprechenden
wir
didaktischen
formuliert,
bestimmte
Lösungswege
standen
ihrer
skizzierten
gelöst.
eine
,:,,;
~_.~~,i:'"y,
EXTREMWERTAUFGABEN
Extremwertaufgaben
Aufgabe
:'c' ,c
Halbkreis
ist
das
Halbkreisdurchmesser
Dreieck
im
flächeninhaltsgrößte
Halbkreis
Dreieck
so
einzuschreiben,
dass
eine
Dreieckseite
mit
zusammenfällt.
C
A
B
!:Q.§g!].q:
Bei
fixer
Also
das
gleichschenkelig-rechtwinkelige
hat
Grundlinie
AB
ist
das
flächeninhaltsgrößte
Dreieck
Dreieck
ABC
den
größten
dasjenige
mit
der
größten
Höhe.
Flächeninhalt.
ci:
~;'~
flächeninhaltsgrößte
BemerRlina-:
Das
flächeninhaltsgrößte
Rechteck,
einer
in
Diagonale
Dreiecke
ein
Quadrat.
maximiert.
zwei
Dabei
indem
rechtwinkelige
erhält
man
Rechteck
man
irgendein
im Kreis demmuss Kreisdas eingeschriebenes
Quadrat
sein.
Dreiecke
zwei
zerlegt
und
gleichschenkelig-rechtwinkelige
dann
den
Denn Rechteck
man
Flächeninhalt
Dreiecke
erhält
entlang
das.
dieser
bei den
-insgesamt
also
"..,,=
~i:
c:
-131"'
..~';.':
2.2 Flächeninhaltsgrößtesn.Eck im Kreis
2.2.1
FlächeninhaltsgrößtesDreieck im Kreis
Einem Kreis ist das flächeninhaltsgrößte
Dreieckeinzuschreiben.
C
Bei fester GrundlinieAB hat das Dreieckmit der größtenHöhe -also das gleichschenkeligeDreieck
ABC -auch den größten Flächeninhalt.Das flächeninhaltsgrößte
Dreieck mussaber "von jeder Seite
aus gesehen"gleichschenkeligsein-also hat dasgleichseitigeDreieckden größtenFlächeninhalt.
(DiesesProblemfindetsich in SCHOENFELD(1985).)
-77~~
2.2.2
FlächeninhaltsgrößtesViereck im Kreis
Einem Kreisist dasflächeninhaltsgrößte
(konvexe)Viereckeinzuschreiben.
~
-
" "'
~,~"
;
-132,,'
.;:::!;:~;'
C".
b
d
a
Um das flächeninhaltsgrößte Viereck zu erhalten müssen die Dreiecke ACD und ABO jedenfalls
gleichschenkelig sein (da sie dann die größte Höhe haben), d.h. es muss
a = bund c = d
gelten; ebenso müssen die Dreiecke ABO und BCD gleichschenkelig sein, d.h.
a = d und b = c',
somit gilt im flächeninhaltsgrößtenViereck
a = b = c = d,
es handelt sich also um eine Raute; da diese Raute einen Umkreis hat bleibt als einzige Möglichkeit das
Quadrat übrig.
2.2.3
Flächeninhaltsgrößtesn-Eck im Kreis
Einem Kreis ist das flächeninhaltsgrößte (konvexe) n-Eck einzuschreiben.
P4
3
P
--~
P2
-P1 Die Dreiecke P1P2P3,P2P3P4,P3P4PS,..., Pn-2Pn-1Pn
müssen
c;-~
alle gleichschenkelig
---~
sein,"-~-~.~
damit das n-Ecko:-~
den größten Flächeninhalt hat; d.h. aber, dass im flächeninhaltsgrößten n-Eck alle Seiten gleichlang
sind -es handelt sich somit um das regelmäßige n-Eck.
.,,+,
~:::;:;
-133-
~It;~;~~;;;;
2.3 VolumsgrößterQuaderin der Kugel
Einer Kugel ist der volumsgrößteQuadereinzuschreiben.
.,..,'"
Wir wissen schon, dass das flächeninhaltsgrößteRechteckim Kreis das Quadratist (siehe(2.1)). Bei
fixer Höhe ist also der Quader mit quadratischerGrundflächeder volumsgrößte.Nun kann man aber
jede Seitenflächedes Quadersals "Grundfläche"ansehen-der volumsgrößteQuadermussalso sechs
Quadrateals Seitenflächenhabenund somitein Würfelsein.
Bemerkunq:Analog lässt sich begründen,dass das volumsgrößteTetraeder in einer Kugel das
regelmäßigeTetraederist.
2.4 Zerlegungvon Zahlen
2.4.1
Zerlegung der 1
1 ist so in zwei positiveSummandenzu zerlegen,dass! + ~ minimalist.
x y
Wegen x + y = 1
könnenwir x und y mit einergeeignetenZahl ( wie folgtschreiben:
x = 0,5 + ( und y = 0,5 -( ;
dann ist aber
1
1
1
1
1
X
Y
0,5 + (
0,5 -(
0,25 -(2
-+-=+=
minimalfür ( = 0; die gesuchteZerlegungerhältman alsofür x = y = 0,5 .
2.4.2
Zerlegung einer Zahl mit kleinster Quadratsumme
Die positiveZahl x ist so in zwei positiveSummandenzu zerlegen,dassdie Summeder Quadrateder
Summandenmöglichstklein ist.
--~Ji.
WJr_schreiben
-~~~-~t ~--~---
,
i
und stellen u und v in der Form
u = ~ + ( und v = ~ -(
2
2
2
dar; dann ist
U2+ V2 = ~ + 2. (2 minimalfür ( = O.
2
,&3~~
-134-
Bemerkung: Das Ergebnis lässt sich leicht induktiv auf den Fall der Zerlegung in n Summanden mit
minimaler Quadratsumme verallgemeinern.
.."I':';
;';",-
2.4.3
Eine Eigenschaftdes gleichseitigen Dreiecks
In einem gleichseitigen Dreieck ist derjenige Punkt P zu bestimmen, für den die Summe der
Normalabstände zu den Seiten maximal (minimal) ist.
C
a
d3
A
a
B
Den Flächeninhalt des ganzen Dreiecks ABC mit der Höhe h kann man als Summe der Flächeninhalte
der Dreiecke APB, BPC und APC darstellen:
Y2.a.h= %.a.d1 + Y2.a.d2+ Y2.a.d3,
woraus man h = d1 + d2 + d3 erhält.
Die Summe der Normalabstände eines Punktes zu den drei Seiten ist also immer gleich der Höhe des
Dreiecks.
2.4.4
Kurzer Weg
Gegebene Punkte P und Q sind durch einen möglichst kurzen Weg zu verbinden, der die gegebene
Gerade g berührt.
P
g
-135Spiegelung von 0 an g ergibt den Punkt 01:
P
~.~{;;'"
g
01
Jedem Weg von P über g nach 0 entspricht nun ein gleich langer "gespiegelter'
Weg von P nach 01.
Nun ist aber die gerade Strecke von P nach 01 (die g in S schneidet) sicher die kürzeste Verbindung
von P nach 01 -der gesuchte kürzeste Weg verläuft also so, dass der Winkel zwischen PS und g gleich
ist dem Winkel zwischen OS und g ("Einfallswinkel ;:;Ausfallswinkel").
2.4.5
Dreieck mit kleinstem Umfang.
Unter allen Dreiecken mit gegebenem
Flächeninhalt ist dasjenige mit kleinstem Umfang zu bestimmen.
R
Wie wir schon wissen (2.4.4) hat bei gegebener Basis PO und gegebener Höhe das gleichschenkelige
Dreieck POS den kleinsten Umfang. Das gesuchte Dreieck muss aber von jeder Seite aus gesehen
gleichschenkelig
--.;;:;~*~--
und somit gleichseitig sein.
-136-
3 RÜCKBLICKUND PERSÖNLICHES
RESUMEE
Der skizzierte didaktisch-methodischeBlick auf Extremwertaufgabenweicht beträchtlich von- der
"Standardauffassung"
ab und er tut das bewusstund nichtzufällig. Eine Analyseder weit verbreiteten
"Extremwertpraxis"lässt den Betrachterratloswerden angesichtsder Frage, was ein Training in der
Anwendungkaum verstandenerLösungsrezepteauf (aus Schülerinnensicht)weitgehendirrelevante
Fragestellungeneigentlich mit "Bildung" zu tun habe und könnte zur überpointiertenFormulierung
verleiten,dassalles bessersei als der "übliche"Zugang.
Ausgangsideedes Projektswar. mit Schülerinneneinmal in die "mathematischeWerkstatt"zu gehen
und sie dort möglichst authentisch fragen und suchen, finden und erfinden, kommunizierenund
interagieren,verifizierenund verwerfen,zweifeln,verzweifelnund triumphierenzu lassen.Ziel war eben
nicht die Abhandlung von Extremwertaufgabenals geschlossenes"Kapitel" mit der Präsentation
entsprechenderLösungsrezepte,sondern die auch vom Ergebnisher weitgehendoffene Exploration
der mathematischenGrundvorstellung"Extremwert".Im Mittelpunktstand dabei das Fragenund nicht
das Lösen,das Forschenund nicht das Rechnen,das Entdeckenund nicht das Reproduzieren.Für
Schülerinnen und begleitenden Lehrer gleichermaßenwar es eine eindrucksvolleErfahrung,wie
interessantund anregenddie Arbeit mit"klassischen"Extremwertaufgaben
sein kann,wenn man sie als
echte mathematischeProblemeerleben kann. In diesem Sinn gab es auch reichlichRückmeldungen
von Schülerinnen.
Dieser insgesamt positiven Bilanz stand die im Zusammenhang mit alternativen Zugängen
wahrscheinlichunvermeidlicheVerunsicherunggegenüber,die sich besondersin der Anfangsphase
des Projekts auf Schülerinnenseitegelegentlichin der Frage manifestierte,wann wir denn wieder
"richtig" Mathematik machen würden. Darüber hinaus stellte sich -und zwar nicht nur für die
Schülerinnen-die Frage,wie eine entsprechendeSchularbeitaussehenkönnte.Im weiteren Verlauf
des Projektssetzte sich auch auf Schülerinnenseiteimmer mehr die Einsichtdurch, dass wir selten
"richtigere"Mathematikgemachthatten als gerade jetzt und das Schularbeitsproblemwurde in eher
"traditioneller"Form (Variantender erarbeitetenAufgabenwaren mit beliebigerMethodezu bearbeiten)
"gelöst".Speziellin der Beurteilungsfragewären noch Ideen zu entwickelnund zu erprobenwie etwa
Berichte über eigene Erfahrungen und Lernprozesse oder Präsentationen selbst erfundener
Extremwertaufgaben.
Eine formelleEvaluationdes Projektswurde zwar nicht durchgeführt,doch die Erfahrungenermutigen
durchauszu seiner Fortsetzungund auch dazu, anderemathematischeKapitelin ähnlicherWeise zu
erschließen -etwa
das der Funktionen. Ein tragfähiger Funktionsbegriffist nicht nur eine
Voraussetzungfür die Arbeit mit Extremwertproblemen,
das Kapitel bietet auch für sich selbst
genommenbeträchtlichesReflexionspotential.
Literatur:
;:;;;
,4,
--~7;;',7t:7"
RADEMACHER
H., TOEPLlTZ0.: Von Zahlen und Figuren.Probenmathematischen
Denkenstür Liebhaberder
,i,
Mathematik.
Springer-Verlag
BerlinHeidelberg
2000
;i,',c,:",';i;
--!"";"Yi'.,;-i! -
SCHOENFELD
A. H.:Mathematical
ProblemSolving.AcademicPressSanDiego1985---