Wilhelm Tell - Theater Dortmund

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Wilhelm Tell - Theater Dortmund
Materialien zur Vor- und Nachbereitung
Wilhelm Tell
Schauspiel von Friedrich Schiller
Herausgegeben von:
Theater Dortmund / Kinder- und Jugendtheater
Erika Schmidt- Sulaimon, Inga Waizenegger, Ilona Seippel- Schipper,
Theaterpädagogik und Dramaturgie
Spielzeit 2015 / 2016
Theater Dortmund / Kinder- und Jugendtheater
Sckellstr. 5-7, 44141 Dortmund
Leitung: Andreas Gruhn
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Inhaltsverzeichnis
Begrüßung
3
Verhalten im Theater
3
Dramaturgischer Teil
4
Inhalt und Entstehung
4
Friedrich Schiller
5
Die Tell Sage
5
Stückbearbeitung des KJT
5
Entstehungsgeschichte des Willhelm Tell im Comic
7
Theaterpädagogische Vorbereitung
9
Die Fertigung des Bühnenbildes
9
Assoziationsübung zum Bühnenbild
10
Wahlkampf
11
Dramentext sprechen: Tells Monolog
12
Status – Erläuterung
13
Statusperspektiven erproben
13
Führen und geführt werden
13
Theaterpädagogische Nachbereitung
14
Mordmotive
14
Willkürherrschaft und Tyrannei
16
Literaturhinweis/Quellennachweis
17
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Begrüßung
Mit den vorliegenden Materialien möchten wir Sie und Ihre Schüler mit
Hintergrundinformationen zu unserer Inszenierung Wilhelm Tell von Friedrich Schiller
versorgen. Da es zu diesem klassischen Drama umfassende Sekundärliteratur für den
Unterricht gibt, liegt unser Schwerpunkt auf den Besonderheiten der Inszenierung von
Johanna Weißert. Für viele Jugendliche ist Wilhelm Tell das erste klassische Drama im
Versmaß, das sie in der Schule lesen und verstehen sollen. Vieles ist ihnen fremd. Auch
beim Theaterbesuch sind sie mit vielen neuen Eindrücken konfrontiert. Sehgewohnheiten,
die von Film und Fernsehen geprägt sind, gilt es zu erweitern. Theaterzeichen und
Symbole gilt es zu deuten. Dabei lässt das Theater viele Deutungen zu.
Im praktischen Teil der Materialien geben wir Anregungen für szenische Annäherungen
an den Stoff, laden dazu ein, den Text einmal selbst zu sprechen und mit Emotionen zu
versehen. Dadurch vertieft sich das Erleben des Bühnengeschehens.
Bitte besprechen Sie mit Ihren Schülern vor dem Theaterbesuch auch die unten
angeführten Regeln zum Verhalten im Theater.
Viel Freude am Ausprobieren und einen anregenden Theaterbesuch wünschen die
Theaterpädagoginnen Inga Waizenegger und Erika Schmidt-Sulaimon, Dramaturgin Ilona
Seippel-Schipper und das Wilhelm Tell -Ensemble.
Verhalten im Theater
Ankunft
Das Kinder- und Jugendtheater ist zwar eine Sparte des großen Theater Dortmund, hat
aber eine externe Spielstätte in der Sckellstr. 5-7, Dortmund Hörde. Es empfiehlt sich, 1520 Minuten vor Beginn der Vorstellung im Theater zu sein, damit genug Zeit ist, Jacken
und Taschen an die Garderobenständer im Untergeschoß zu hängen.
Sie dürfen nicht mit in den Theatersaal genommen werden. Im Untergeschoß befinden
sich auch die Toiletten.
Einlass
Ca. 5 Minuten vor Vorstellungsbeginn gongt es, dann gehen alle in den Theatersaal, am
Eingang werden die Karten kontrolliert. Es gibt keine nummerierten Sitzplätze, sondern
Sitzreihen, die lückenlos besetzt werden.
Die Schauspieler und alle, die an der Produktion beteiligt sind, tun alles dafür, dass Ihr
Ausflug ins Theater zu einem gelungenen Erlebnis wird. Doch auch die Zuschauer
müssen etwas zum Gelingen beitragen. Gerade Jugendliche, die selten oder nie ins
Theater kommen, wissen oft nicht, was im Theater erlaubt ist und was nicht. Dabei ist es
eigentlich ganz einfach, sich im Theater so zu verhalten, dass alle auf ihre Kosten
kommen.
Wir möchten Sie deshalb darum bitten, mit den Schülern über die Besonderheiten eines
Besuchs im Theater zu sprechen und Ihnen die Verhaltensregeln zu vermitteln:
Während der Vorstellung: Respekt
Anders als im Kino, wo das Erleben einseitig in den Zuschauersitzen stattfindet, lebt eine
Theatervorstellung von der Kommunikation zwischen Schauspielern und Publikum. Die
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Schauspieler nehmen ihr Publikum sehr genau wahr und müssen bei jeder Vorstellung
auf Lacher, Zwischenapplaus und anderer Reaktionen spontan reagieren. Gespräche mit
dem Nachbarn, das Spiel mit dem Handy oder gar ein Telefonklingeln, eine raschelnde
Bonbontüte oder Kaugummi-Kauen können eine Vorstellung erheblich stören. Deshalb
braucht es Respekt auf Seiten des Publikums.
Wer die Arbeit der Schauspieler respektiert, redet, trinkt, isst und telefoniert vor oder nach
der Vorstellung und verlässt den Zuschauerraum während der Vorstellung nur im Notfall.
Handys, I-Phones, MP3-Player und sonstige elektronische Geräte müssen ganz
ausgeschaltet werden.
Und am Ende: Applaus!
Am Ende der Vorstellung verbeugen sich die Schauspieler. Das Publikum
applaudiert. Mit dem Applaus zeigt man, dass man den Einsatz der Schauspieler
wertschätzt. Man sagt: Der Applaus ist das Brot des Künstlers. D.h. auch wenn einem die
Aufführung in Teilen nicht gefallen hat, spendet man Applaus. Natürlich kann man mehr
oder weniger begeistert in die Hände klatschen, aber gar nicht zu klatschen ist respektlos.
Dramaturgischer Teil
Wilhelm Tell
Schauspiel von Friedrich Schiller
ab Klasse 8
Premiere am 26.2.2016
Regie: Johanna Weißert
Bühne und Kostüme: Ulrich Leitner
Musik: Peter Kirschke
Dramaturgie: Ilona Seippel- Schipper
Regieassistenz: Veronika Metz
Schauspieler: Rainer Kleinespel, Andreas Ksienzyk, Talisa Lara, Philip Pelzer, Thorsten
Schmidt, Bettina Zobel
Inhalt und Entstehung
Die Urkantone Schwyz, Uri und Unterwalden leiden unter der Härte und Willkür der
habsburgischen Besatzungsmacht. Die Bevölkerung ist empört über das brutale
Vorgehen. Wilhelm Tell rät jedoch zu Geduld. Auch er erhofft sich ein Leben in Freiheit,
verweigert aber die Mitarbeit bei den Planungen für einen Aufstand. Folglich findet der
Rütlischwur ohne ihn statt.
Schließlich wird auch Tell in das politische Geschehen involviert. Er weigert sich, dem Hut
des Reichsvogtes Gessler die Ehre zu erweisen und wird verhaftet. Tell muss mit einem
Armbrustschuss den Apfel auf dem Kopf des eigenen Sohnes treffen, um sich und den
Sohn zu retten. Es gelingt ihm, doch gesteht er, dass er mit dem zweiten Pfeil auf Gessler
geschossen hätte, wenn seinem Sohn etwas zugestoßen wäre. So bleibt er – entgegen
dem Versprechen des Vogtes – in Haft und kann erst bei einer Fahrt über den See
entkommen…
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Das 1804 erschienene und in Weimar – unter der Regie von Johann Wolfgang von
Goethe – uraufgeführte Blankvers-Drama Wilhelm Tell war Friedrich Schillers letztes und
lange Zeit erfolgreichstes Stück. Das Geschichtsdrama spielt um 1300 in der Schweiz
und behandelt den Freiheitskampf der Urkantone. Der überzeugte Einzelkämpfer Wilhelm
Tell wird wider Willen zum Tyrannenmörder, Volkshelden und Mitbegründer einer freien
Gesellschaftsordnung.
Wilhelm Tell verkörpert Schillers Idealbild von einem freien Menschen. Tell schätzt die
Ruhe der Natur seiner Heimat und die Einsamkeit der Jagd. Vor allen politischen Zielen
gilt Tells Interesse dem Wohl seiner Familie.
Im Drama verwebt Schiller die Tell-Sage mit den historischen Ereignissen zur Befreiung
der Schweiz aus der Gewaltherrschaft der Österreicher im 12./13. Jahrhundert.
Friedrich Schiller
Johann Christoph Friedrich von Schiller wurde am 10. November 1759 in Marbach am
Neckar geboren. 1773 tritt er in die militärische Karlsschule ein und studiert zunächst
Jura. 1775 beginnt Schiller mit dem Studium der Medizin, bereits 1777 entstehen erste
Szenen der „Räuber“. Ab 1781 lebt und arbeitet er als Dichter und Militärarzt in Stuttgart.
Nachdem Schiller Die Räuber anonym im Selbstverlag veröffentlicht hat, wird das Stück
1782 mit großem Erfolg in Mannheim uraufgeführt. Er entschließt sich dazu, sich fortan
verstärkt dem Schreiben zu widmen und flieht im September 1782 aus der Stuttgarter
Garnison.
1788 begegnen sich Goethe und Schiller erstmals in Rudolstadt und Schiller wird als
Professor für Geschichte an die Universität berufen. Die Heirat mit Charlotte von
Lengefeld findet 1790 statt. Nach der Geburt der Tochter Caroline Henriette Luise siedelt
die Familie 1799 nach Weimar um. Eine sehr arbeitsreiche Phase beginnt, Schillers
Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend. In der Weimarer Zeit entstehen u.a.
Maria Stuart, Die Jungfrau von Orléans und Wilhelm Tell.
Am 9. Mai 1805 stirbt Friedrich Schiller vermutlich an den Folgen einer
Tuberkuloseerkrankung.
Die Tell-Sage
Das Motiv vom Apfelschuss taucht in mehreren europäischen Sagen auf. Sie stimmen
darin überein, dass der Held einen Apfel vom Kopf seines Kindes zu schießen hat und
dass er einen Pfeil bereithält, um im Falle eines Fehlschusses denjenigen zu töten, der
ihm den Befehl gegeben hat. In allen Sagen gelingt der Meisterschuss.
Die älteste Version der Sage wird vom Mönch Saxo Grammaticus über den dänischen
Helden Toko überliefert. Ihm wird der Schuss von König Harald Blauzahn befohlen. Um
1200 wurde die dänische Legende verschriftlicht und fand dann Einzug im Weißen Buch
von Sarnen (1472) und in Verbindung mit allen historischen Komponenten um 1550 im
Chronicon Helveticum von Aegidius Tschudi.
Die Chronik von Tschudi entlieh Friedrich Schiller im Jahr 1802 aus der Weimarer
Hofbibliothek zur Vorbereitung seiner Arbeit am Wilhelm Tell.
Die Stückbearbeitung des KJT
In Schillers Original gibt es 47 Rollen plus Statisten. In der Inszenierung des KJT spielen
6 Schauspieler. Wie ist das möglich? Regisseurin Johanna Weißert hat in ihrer
Stückfassung das Augenmerk auf sechs Hauptfiguren gelegt: Tell, Hedwig, Stauffacher,
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Vogt Gessler, Rudenz, Berta. Neben diesen Hauptfiguren spielen die Schauspieler 24
weitere Rollen, mit einer Ausnahme: der Schauspieler Rainer Kleinespel spielt immer den
Tell. Der Schauspieler Andreas Ksienzyk spielt neben seiner „Hauptrolle“ des Landvogts
Gessler die Rollen des Bauern Kuoni (in I,1 undVI,1), des Freiherrn von Attinghausen (in
II,1 und VI,2), Meier (in II,2) und am Ende Parricida. Die Rollenwechsel passieren offen
und mit klaren theatralen Zeichen. Dabei kommen Bärte, Mützen und Hüte zum Einsatz,
die die unterschiedlichen Gruppierungen, wie Bauern, Reiter, Arbeiter kennzeichnen.
Für jede Inszenierung an einem Theater wird der Stücktext von Dramaturgen und
Regisseuren bearbeitet. Dies ist auch in unserem Fall geschehen, allerdings ist jedes
Wort, das auf der Bühne gesprochen wird, von Schiller. Die Stückfassung hält auch an
Schillers Szenenfolge fest, d.h. die Situationen in den einzelnen Szenen bleiben erhalten.
Die KJT-Fassung folgt Schillers Wirkungsästhetik und berücksichtigt, wie sich in den
Szenen der Fokus der Handlung verschiebt. Der Originaltext ist gekürzt, Aussagen der
Figuren auf den Kern konzentriert. Dabei bleibt das Versmaß, in dem ja die große
Kunstfertigkeit des Dichters zum Tragen kommt, erhalten. Auch die Redewendungen, die
vor allem für die Figur des Wilhelm Tell charakteristisch sind, bleiben erhalten.
Durch eine von der Regisseurin vorgenommene Textverschiebung wird der
Interpretationsspielraum für das Ende des Dramas erweitert.
Schiller endet mit dem Ausspruch von Rudenz: „Und frei erklär ich alle meine Knechte.“
Johanna Weißert hat in ihrer Fassung eine Passage aus dem fünften Akt, erste Szene,
angefügt:
„Kommt alle, kommt, legt Hand an, Männer und Weiber!
Brecht das Gerüste! Sprengt die Bogen! Reißt
Die Mauern ein! Kein Stein bleibt’ auf dem andern.
Kommt! Reißt nieder. Nieder! Nieder! Nieder!“
Während das Originalende eher einem „Happy End“ gleicht, wird durch die von Weißert
vorgenommene Änderung ein weiteres Vorandrängen der Handlung proklamiert.
Assoziationen an einen Bürgerkrieg werden geweckt, ein Szenario, welches der heutige
Zuschauer aus dem aktuellen politischen Weltgeschehen kennt.
Insgesamt soll mit der Bearbeitung dem jungen Publikum, das hier größtenteils zum
ersten Mal ein klassisches Drama im Theater erlebt, der Zugang zu den dargestellten
Themen und Konflikten erleichtert werden. Und wie in jeder Inszenierung wollen die
Theaterleute das Publikum gut unterhalten und zum Nachdenken über ihr eigenes Leben
und das gesellschaftliche System anregen.
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Die Entstehungsgeschichte des Wilhelm Tell – Ein Stoff und zwei
berühmte Dichter
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Theaterpädagogische Vorbereitung
Die Fertigung des Bühnenbildes in den Werkstätten des Theaters
Das Bühnenbild von Wilhelm Tell besteht aus vier Theaterbaumstämmen. Das komplette
Stück wird in diesem Bühnenbild gespielt. Der Entwurf dazu stammt von dem
Bühnenbildner Ulrich Leitner. In enger Abstimmung mit der Regisseurin hat er die Idee
entwickelt.
Angefertigt wurden die Theaterbaumstämme von Schlossern, Schreinern,
Theaterplastikern und Theatermalern des Dortmunder Theaters. Da die Stämme nicht
einfach nur als Dekoration auf der Bühne stehen, sondern von den Schauspielern bespielt
werden, mussten sie sehr stabil gebaut werden. Dazu waren zahlreiche Arbeitsschritte
nötig.
In der Schlosserei des Theaters wird das Metallgerüst
geschweißt und montiert.
Anschließend wird das Metallgerüst von den
Theaterschreinern mit festen Papprohren belegt.
Im Malsaal kaschiert der Theaterplastiker mit
Horizontleinen und Leim die grobe Rindenstruktur. Mit
Nesselstoff, Leim um Theaterkleber kommt darauf die
Feinstruktur.
Damit die Stämme bespielt werden können, kommt
noch eine Schicht aus Theaterkleber, Leim und Gummi,
vermischt mit einer Grundfarbe, darüber.
Mit einer flexiblen Farbe trägt der Theatermaler am
Ende Schattierungen auf.
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Das Bühnenbild steht fertig aufgebaut auf der Bühne.
Ein Baumstamm wiegt ca. 200 kg. Bei dem Aufbau sind
4 Bühnentechniker und ein elektrischer Gabelstapler
(„Ameise“) im Einsatz.
Fotos: Ulrich Leitner
► Wow, das sieht täuschend echt aus!
Warum können denn keine echten Bäume verwendet werden? Diese Frage könnt ihr
selbst beantworten, wenn ihr das Stück gesehen habt.
Assoziationsübung zum Bühnenbild
Das Theater arbeitet mit Zeichen und Symbolen. Viele Handlungen, der Gebrauch von
Gegenständen, Kostümen, Geräuschen oder Orten werden oft nur angedeutet. Das
vollständige Bild entsteht in der Phantasie des Zuschauers. Damit das funktioniert, muss
sich der Zuschauer ganz auf das Bühnengeschehen einlassen - und sich nicht von
Nachbarn, Handys oder Ähnlichem ablenken lassen.
Bei der Einordnung der Theaterzeichen und Symbole gibt es keine eindeutigen
Lösungen. Theater ist kein Rätselraten mit einer Frage und einer eindeutigen Antwort!
Theater lässt viele Deutungen zu. Probiert es aus.
Aufgabe:
Was fällt euch spontan ein, wenn ihr das Bild mit den Baumstämmen auf der
Bühne betrachtet?
Welche Assoziationen habt ihr dazu? Schreibt eure Gedanken zunächst für
euch selbst auf. Auch vermeintlich banale Einfälle sind gut, z.B. Holz, Wald,
Tiere, Spielplatz,…
Tauscht euch dann mit den anderen aus.
Tipp:
Tauscht euch nach dem Besuch der Vorstellung erneut aus. In welche
Spielorte hat sich das Bühnenbild verwandelt? Welche weiteren Mittel
waren dafür notwendig?
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Wahlkampf
Die Klasse teilt sich in drei gleichgroße Gruppen. Eine Gruppe ist das Volk, die anderen
zwei Gruppen sind die Wahlkämpfer.
Aufgabe der Wahlkämpfer: Gruppe 1 und Gruppe 2 benutzen untenstehende Sätze und
proklamieren sie als Heldenstatue. Findet ein gemeinsames
Standbild und nutzt die Kraft der Sprache, um das Volk für
euch zu gewinnen.
Stellt sicher, dass ihr versteht, was ihr sagt!
Aufgabe des Volkes:
Was bedeuten die Aussagen? Stimmt gemeinsam ab. Welche
Wahlkämpfer überzeugen euch mehr? Findet eine
demokratische Einigung.
Gruppe 1. Mit eitler Rede wird hier nichts geschafft.
Gruppe 2. Doch könnten Worte uns zu Taten führen.
Gruppe 1. Ein jeder zählt nur sicher auf sich selbst.
Gruppe 2. Verbunden werden auch die Schwachen mächtig.
Gruppe 1. Der Starke ist am mächtigsten allein.
Gruppe 2. Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.
Gruppe 1. Was Hände bauten, können Hände stürzen.
Gruppe 2. Die einz´ge Tat ist jetzt Geduld und Schweigen.
Gruppe 1. Mir fehlt der Arm, wenn mir die Waffe fehlt.
Gruppe 2. Dem Friedlichen gewährt man gern den Frieden.
Auswertung: Wodurch haben die Wahlkämpfer das Volk überzeugt? (durch die Aussage,
die Darbietung?)
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Dramentext sprechen: Tells Monolog
Schillers Drama Wilhelm Tell ist im Versmaß geschrieben. Wie kann man Tells Monolog
sprechen, damit die Zuhörer den Sinn erfassen? Probiert verschiedene Sprechweisen
aus. Nutzt folgende Hinweise:
1. Flüssig sprechen: Am Versende wird nicht automatisch eine Sprechpause
gemacht, sondern der Sprechfluss geht weiter in den nächsten Vers.
2. Mit Betonungen sprechen: Welche Worte müssen betont werden, um die
Aussage des Textes zu unterstützen? Z.B. Durch diese Hohle Gasse múss er
kommen.., hier könnte das Wort „muss“ betont werden, damit bekräftigt Tell, dass
er am richtigen Ort ist.
3. Pausen setzen: z.B. bevor ein neuer Gedanke geäußert wird.
4. Sprechtempo: Welche Textpassagen werden langsam und welche werden schnell
gesprochen? Welche Wirkung wird dadurch erzielt, bspw. Aufregung bei schnellem
Sprechen, Nachdrücklichkeit bei langsamem Tempo.
5. Gefühle ausdrücken: mit Hilfe von Tonfall, Lautstärke und Betonung. Welche
Gefühle liegen der Aussage zugrunde? Z.B. : Rache, Mitleid, Selbstmitleid, Trauer,
Verzweiflung, Zuneigung, Sehnsucht, schlimme Erinnerung, schöne Erinnerung,
Verantwortung.
6. Handlungen, Gestik und Mimik kommen hinzu.
Durch diese hohle Gasse muss er kommen,
Es führt kein andrer Weg nach KüssnachtMach deine Rechnung mit dem Himmel Vogt,
Fort musst du, deine Uhr ist abgelaufen.
Ich lebte still und harmlos- das Geschoss
War auf des Waldes Tiere nur gerichtet,
Meine Gedanken waren rein von MordDu hast aus meinem Frieden mich heraus
Geschreckt, in gärend Drachengift hast du
Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt,
Zum Ungeheueren hast du mich gewöhntWer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte,
Der kann auch treffen in das Herz des Feinds.
- Da, als ich den Bogenstrang
Anzog- Als du
Mich zwangst, aufs Haupt des Kindes anzulegenDamals gelobt ich mir in meinem Innern
Dass meines nächsten Schusses erstes Ziel
Dein Herz sein sollte- Was ich mir gelobt
In jenes Augenblickes Höllenqualen,
Ist eine heil`ge Schuld, ich will sie zahlen.
Tell in Vierter Aufzug, 3. Szene
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Status-Erläuterung
Wir alle übernehmen im Alltag verschiedene Rollen. Je nach Rolle haben wir mehr oder
weniger Macht und Einfluss.
Beispiel: Till, ein 14-jähriger Junge, ist in der Familie das Kind und großer Bruder, in der
Schule ist er Schüler, in der Fußballmannschaft ist er Kapitän. Das sind schon 4 Rollen.
In jeder Rolle hat er eine andere Machtposition. Gegenüber dem jüngeren Bruder ist er
mächtiger, den Eltern und Lehrern muss er gehorchen.
Schon früh lernen Kinder, ob sie sich in sozialen Situationen gegenüber anderen
Menschen anpassen, unterwerfen oder sich durchsetzen oder zur Wehr setzen dürfen
und sollen. So wird Statusverhalten erlernt.
Je nach Situation, Gegenüber und Rolle ändert sich der Status. Ist man im Hochstatus,
hat man Macht und Einfluss, ist man im Tiefstatus, muss man sich unterordnen. Der
Status beeinflusst die Körperhaltung, das Denken, Fühlen und Handeln. Das soll mit der
folgenden Übungen bewusst wahrgenommen werden.
Statusperspektiven erproben
Aufgabe:
Stellt euch paarweise dicht gegenüber auf und schaut euch an. Langsam
begibt sich der eine in die Hocke, dabei bleibt der Blickkontakt erhalten.
Nachdem ihr euch einen Moment auf die Perspektive konzentriert habt,
wechseln beide langsam die Positionen.
Frage:
Welche Gedanken und Gefühle lösen die unterschiedlichen Perspektiven
aus?
Tauscht euch über eure Erfahrungen aus.
Kommentar: Die Teilnehmer erfahren, wie der Blick von oben bzw. von unten den Status
einer Person definiert. Auf Eltern-Kind-Erfahrungen anspielend, werden
solche Perspektiven bewusst oder unbewusst genutzt, um in Institutionen
(Schule, Gericht, Bundestag) und Medien Autorität zu etablieren.
►Beispiel aus „Wilhelm Tell“: Der Hut des Landvogts Gessler auf der
Stange. Zu ihm soll das Volk aufschauen.
Führen und geführt werden
Aufgabe:
Bildet Paare. Eine hält ihre Hand dicht vor das Gesicht der Partnerin. Die
Hand wird bewegt, die Partnerin muss den Bewegungen der Hand durch
den Raum folgen: hoch und runter, schnell und langsam, gerade und
kurvenreich. Der Spielleiter gibt das Signal zum Rollenwechsel.
Frage:
Wie habt ihr euch in der Rolle des Führenden gefühlt, wie beim GeführtWerden? Was hat Freude bereitet, was war unangenehm? Welche Rolle hat
euch besser gefallen?
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Theaterpädagogische Nachbereitung
Mordmotive
Aufgabe:
Zu zweit wird der Comic in verteilten Rollen gelesen.
Im Anschluss werden die Mordmotive der Figuren kurz besprochen. Daraus
entsteht eine Diskussion mit der Grundfrage, ob es einen Unterschied
macht, aus welchem Grund man mordet. Die Paare nehmen hierbei
gegensätzliche Positionen ein und auf dieser Grundlage wird diskutiert.
Das Ziel hierbei ist die Auseinandersetzung/ Konfrontation mit einem
Gegenüber, der eine andere Meinung teilt.
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Willkürherrschaft und Tyrannei
Vogt Gessler betreibt eine Willkürherrschaft, indem er sich unsinnige Regeln ausdenkt,
um seine Macht gegenüber dem Volk zu zeigen.
Zentrale Tyrannen-Aktionen sind der Hut auf der Stange und der Apfelschuss.
Aufgabe:
Denkt euch unsinnige Regeln aus, die in der Schule befolgt werden müssen,
z.B. alle Schüler müssen jeden Morgen dem Ältesten aus der Klasse die
Hand zur Begrüßung geben, zum Zeichen des Respekts.
Die Schüler gehen durch den Raum, ein Stuhl steht in der Mitte. Wer eine
Regel zu verkünden hat wird zum Tyrann, stellt sich auf den Stuhl und
spricht die Regel laut aus. Alle anderen müssen sie befolgen. Wer die Regel
nicht befolgt, muss möglicherweise mit einer Strafe rechnen. Diese denkt
sich der Tyrann für jeden einzelnen Verweigerer aus.
Anregung:
Was passiert, wenn mehrere Schüler Widerstand leisten? Wie sieht der
Widerstand aus?
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Literaturhinweis/Quellennachweis
Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell, in der Bearbeitung von Johanna Weißert und Ilona
Seippel-Schipper, KJT Dortmund, Spielzeit 2015-16
Schiller, Friedrich: Wilhelm Tell, Klett Verlag „Klassiker trifft Comic“, Stuttgart 2015
Scheller, Ingo: Szenisches Spiel. Handbuch für die pädagogische Praxis, Cornelsen
Verlag, Berlin 1998
Scheller, Ingo: Friedrich Schiller „Wilhelm Tell“ - szenisch interpretiert. Stuttgart 1992
Varga, Lorenz: Friedrich Schiller. Wilhelm Tell, Stark Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,
2013
von Wilpert, Gero: Schiller-Chronik, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2000
www.friedrich-schiller-archiv.de
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