Seminararbeit aus Finanz- und Versicherungsmathematik

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Seminararbeit aus Finanz- und Versicherungsmathematik
Seminararbeit aus Finanz- und
Versicherungsmathematik
Algorithmic Trading
Sabrina Kuhrn
0926421
29. Februar 2012
Inhaltsverzeichnis
1 Algorithmic Trading/Automatisiertes Handeln
1.1 Buy-Side und Sell-Side . . . . . . . . . . . . . .
1.1.1 Buy-Side Banken/Orderausführer . . . .
1.1.2 Sell-Side Banken/Ordererzeuger . . . . .
1.2 Algorithmic Trading auf der Buy- und Sell-Side
1.3 Basis für Algorithmic Trading . . . . . . . . . .
1.3.1 Marktmodelle und Marktregeln . . . . .
1.3.2 Prozessorientierte Sicht . . . . . . . . . .
1.3.3 Elektronische Handelssysteme . . . . . .
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2 Buy-Side Algorithmic Trading
2.1 Technik der Algo Trading Software . . . . . .
2.1.1 Technische Konzepte für Algo-Trading
2.1.2 Software-Agenten . . . . . . . . . . . .
2.2 Prozesse innerhalb der Software . . . . . . . .
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Orderplazierung
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3 Sell-Side Algorithmic Trading
3.1 Formulierung von Orders . . . . . . .
3.2 Weiterleitung von Orders . . . . . . .
3.2.1 Die naive Orderausführung . .
3.2.2 Strategien zur Ausnutzung der
3.2.3 Strategien zur Manipulation .
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4 Unterscheidung: High Frequency Trading und Systematic Trading
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1 Algorithmic
Trading/Automatisiertes
Handeln
Der Begriff Algorithmic Trading bedeutet übersetzt (Börsen-)Handel mit Algorithmen und ist ein Phänomen auf den Finanzmärkten, bei dem nicht mehr der
Mensch, sondern Computerprogramme die Hauptrolle spielen.
Man beschäftigt sich beim Thema Algorithmic Trading mit der Orderausführung
(Transaktionsdurchführung) und der Ordererzeugung (Investmentstrategien). Eine
Order ist ein Kauf- oder Verkaufsgebot eines Investors, welches an Finanzintermediäre 1 übermittelt wird. Bei der Ordererzeugung werden Investmententscheidungen
getroffen und Orders formuliert. Die Orderausführung hingegen beschreibt alle
Prozesse, bei denen das Kauf- und Verkaufsgebot realisiert wird.
Da das Thema Algorithmic Trading so umfangreich ist, wird das Algo Trading aus
der Sicht eines Investors betrachtet, der über Handelssysteme und Handelsgrenzen
hinweg investiert.
1.1 Buy-Side und Sell-Side
Nun werden die Buy-Side und die Sell-Side unterscheiden.
1.1.1 Buy-Side Banken/Orderausführer
Die Buy-Side sind die Nachfrager. Sie investieren die Gelder ihrer Investoren und
handeln demnach auf eigene Rechnung. Beispiele für Buy-Side Banken sind z.B.
Investmentfonds, Hedgefonds oder Pensionskassen.
1.1.2 Sell-Side Banken/Ordererzeuger
Die Sell-Side sind die Anbieter von Waren und Dienstleistungen. Sie bietet der BuySide ihren Service an, um deren Transaktionswünsche zu erfüllen. Sie existiert nur ,
1
Ein Finanzintermediär ist eine Finanzinstitution, die indirekt Geld von Subjekten mit einem
Kapitalüberschuss an Subjekte mit Kapitalbedarf vermittelt. (Vgl. Wikipedia)
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weil die Buy-Side bereit ist, für Liquidität zu bezahlen. Man kann nun die Sell-Side in
Broker2 und Dealer unterteilen, die sich nach ihrer Kundenbeziehung unterscheiden.
Ein Dealer wendet sich direkt an die Finanzinstitute, die die Wertpapiere verkaufen
bzw. kaufen wollen. Er versucht die Wertpapiere selbst niedrig zu kaufen bzw. teuer
zu verkaufen. Das heißt sie stellen einen Verkaufs- und Kaufkurs an der Börse.
Ein Broker hilft im Gegensatz zum Dealer seinen Kunden, einen Vertragspartner
zu finden. Abhängig vom Transaktionsvolumen erhalten sie dafür eine Provision.
Beispiele für Sell-Side Banken sind z.B. Marktmacher oder Börsenhändler. Diese
Erkenntnisse können nun auf das Algorithmic Trading übertragen werden.
1.2 Algorithmic Trading auf der Buy- und
Sell-Side
Die Basis der Buy-Side besteht aus Marktdaten. Algorithmic Trading auf der
Buy-Side dient also der Entscheidungsunterstützung. Die von den Finanzinstituten
eingesetzte Software enthält Algorithmen, die zur Datenanalyse und Mustererkennung dienen. Je nachdem, wie automatisch diese Software aufgebaut ist, werden
dem Investor nur Kauf- und Verkaufssignale geliefert, so dass dieser seine Order
formulieren kann. Alternativ kann diese Software auch die vollautomatische, selbstständige Erzeugung von Orders übernehmen. Unabhängig von ihrer Entstehung
werden die erzeugten Orders an die Sell-Side Software übergeben.
Die Basis der Sell-Side besteht hingegen aus Orders, die von der Buy-Side zur
Verfügung gestellt werden. Algorithmic Trading auf der Sell-Side dient also der
Transaktionsunterstützung. Das heißt, die Algorithmen dienen dazu, den optimalen
Transaktionszeitpunkt, die Ordergröße und den Orderpreis festzulegen. Die Finanzintermediäre übernehmen die Weiterleitung von Orders an die Börsensysteme
(Orderplatzierung). Die dafür eingesetzten Software-Systeme zur Orderplatzierung
sind meist standardisierte Software-Programme. Die Algorithmen werden genutzt,
um eine Order in kleinere Bestandteile aufzulösen und Stück für Stück an die Börse
zu übermitteln.
Die Grenzen zwischen Algo-Trading auf Seiten der Buy-Side und auf Seiten der
Sell-Side sind fließend. Eine prozessorientierte, funktionale Definition von Algorithmic Trading muss sowohl die Ordererzeugung als auch die Orderausführung
beinhalten. Beide Arten von Algorithmen, die Lösungsverfahren, welche in eine
Software eingebettet werden und der Auswertung von Marktdaten oder der Aus2
Ein Broker ist die angelsächsische Bezeichnung eines Wertpapier-, Waren- und Devisenhändlers
an Börsen im Auftrag des Kunden. (Vgl. Wikipedia)
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führung von Orders dienen, darstellen, dienen dazu langfristige Handelsstrategien
umzusetzen, die vom Menschen vorgegeben werden. Dabei können auch mehrere
Lösungsverfahren eingesetzt und miteinander verglichen oder kombiniert werden.
Daraus folgert man nun folgende Definition:
Algorithmic Trading ist die Ausführung oder Unterstützung einer Handelsstrategie
unter Zuhilfenahme von intelligenten, elektronischen Lösungsverfahren, die
miteinander kombiniert werden können.3
1.3 Basis für Algorithmic Trading
Nun werden vorerst die Aussagen über Algorithmic Trading aus der Marktmikrostruktur4 dargelegt. Der Wertpapierhandel wird aus prozessorientierter Sicht
betrachtet und Algorithmic Trading wird dann den einzelnen Transaktionsphasen
zugeordnet.
1.3.1 Marktmodelle und Marktregeln
Das zentrale Element einer jeden Börse ist das Marktmodell, welches durch die
Marktregeln und -prozesse gegeben ist. Die Marktregeln sind dabei die Grundlage
der Definition des Begriffes Marktmodell. Diese werden von der Börse festgelegt.
Die Marktprozesse spiegeln die dynamischen Beziehungen innerhalb eines Handelssystems wieder. Das Marktergebnis wiederum ist die Art und Weise, wie schnell,
wie gut und zu welchem Preis eine Order augeführt wurde. Es kann auf Basis der
Transaktionskosten, Effizienz oder Liquidität beurteilt werden.
1.3.2 Prozessorientierte Sicht
Versteht man den Börsenhandel als phasenorientiert, so kann man die Handelsprozesse in die Informations-,Orderrouting-, Abschluss- und Abwicklungsphase unterteilen.
Die Informationsphase beinhaltet alle Aktivitäten eines Investors, die auf die
Handelsentscheidung gerichtet sind. In dieser Phase entscheiden Käufer und Verkäufer auf Basis von Marktdaten darüber, ob sie handeln möchten. Hier wird nun
unterschiedenen zwichen exogenen und endogenen Marktdaten. Exogene Informationen sind allgemeine Marktdaten die von Nachrichtenagenturen oder Informationsmaklern übermittelt werden und sind so im Anlageprozess nützlich (z.B.
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Gomolka,S.18
Die Marktmikrostrukturtheorie beschäftigt sich mit der Erforschung von Handelsmechanismen
sowie Transaktionsprozessen und versucht zu klären, welchen Einfluss bestimmte Marktbedingungen auf die Handelsergebnisse ausüben. (Vgl. O’Hara, S.1)
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Unternehmensnachrichten, Wertpapieranalyse, makroökonomische Kennzahlen).
Endogene Marktdaten entstehen durch das Agieren der Marktteilnehmern in der
betrachteten Marktorganisation selbst (also durch permanente Änderungen von
Angebot und Nachfrage in einem Börsensystem) und spiegeln das Marktmodell und
die Handelsprozesse eines elektronischen Handelssystems wieder (z.B. Orderbuch).
Während der Orderroutingphase wird der Transaktionswunsch formuliert und
als Order an die Wertpapiermärkte übermittelt. Der Orderparameter soll dabei
helfen, die Transaktionsinteressen genau zu formulieren. Als Orderparameter dienen
Informationen, wie z.B. Wertpapierbezeichnung,Volumen/Stückzahl, Bankverbindungen oder Kauf- oder Verkaufslimit.
In der Abschlussphase werden die Kaufs- und Verkaufsorders zusammengeführt.
Die Marktteilnehmer müssen ihr Verhalten in der Orderroutingphase anpassen, um
erfolgreich zu sein.
In der Abwicklungsphase erfolgt schließlich das Clearing und Settlement unter den
Marktteilnehmern. Unter dem Clearing versteht man die Feststellung wechselseitiger Verpflichtungen zwischen den Handelsparteien, die je nach Handelsorganisation
über eine zentrale Clearingstelle abgewickelt werden kann. Unter dem Settlement
versteht man den Ausgleich der Nettoverpflichtungen über die Konten der Marktteilnehmer, die Übertragung der Eigentumsrechte und (meist elektronische) Lieferung
der Wertpapiere.5
Abbildung 1.1: Phasenorientierte Sicht (Quelle: Gomolka, S. 47)
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Vgl. Gomolka, S.49,50
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Diese phasenorientierte Sicht erlaubt nun eine Gliederung von Algorithmic Trading
nach Buy-Side und Sell-Side. Algorithmic Trading auf der Buy-Side kann der Informationsphase zugeordnet werden. Algorithmic Trading auf der Sell-Side kann man
in der Orderroutingphase anwenden. Diese Phase beschreibt die Formulierung von
Orders oder deren Weiterleitung an elektronische Handelssysteme.
1.3.3 Elektronische Handelssysteme
Der Begriff elektronisches Handelssystem (EHS oder auch Computerbörse genannt) wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Die Mehrheit versteht unter
EHS sogenannte Softwaresysteme, die weitgehend automatisiert sind und zum Abschluss von verschiedenen Börsengeschäften dienen. Mit Hilfe dieser werden Kaufund Verkauforder zusammengeführt, weiters übernehmen sie die Preisfindung. Es
bietet einige Vorteile wie zum Beispiel eine schnellere Reaktionszeit und niedrigere
Kosten. Um an einer Computerbörse teilnehmen zu können, muss man im Vorfeld
eine Handelszulassung von den Betreibern bekommen haben.
Elektronische Handelssysteme kann man in der prozessorientierten Sicht in die Abschlussphase einordnen. Möchte ein Investor Algo-Trading in der Informationsphase
einsetzen (Buy-Side), so muss er sich an die von den EHS zur Verfügung gestellten
Marktdaten orientieren. Möchte er Algo-Trading hingegen in der Orderroutingphase
einsetzen, muss er sich an der technischen Infrastruktur, dem Angebot und der
Nachfrage orientieren (Sell-Side).
Der klassische Börsenhandel, der auf den organisierten Märkten stattfindet(z.B
XETRA) wird dem börslichen Handel zugeordnet und die unorganisierten Märkte,
auf denen Geschäfte frei ausgehandelt und abgewickelt werden (Over the CounterOTC), entsprechen dem außerbörslichen Handel. Die Marktteilnehmer führen
hierbei ihre Börsengeschäfte abseits der organisierten Märkte durch, nutzen für
die Abwicklung der Transaktionen aber die bestehenden Strukturen börslicher
Handelssysteme. Im Grenzbereich zwischen börslichen(organisierten) und außerbörslichen(unorganisierten) Märkten existieren Mischformen von Börsen, die man
nicht genau zu börslichen oder außerbörslichen Märkten zuordnen kann. Diese
Lücke versuchte man durch private Handelssysteme (Proprietary Trading Systems,
PTS) zu schließen.
PTS sind in Europa als multilaterales Handelssystem (Multilateral Trading Systems,MTF)bekannt. Dies ist das europäische Analogon zu den US-amerikanischen
ECN-Electronic Crossing Networks. Eine neue Form von EHS sind die sogenannten
Dark Pools, diese sind aus den MTF entstanden und haben sich auf anonymisierte
Ausführung großer Ordervolumen (z.B durch Algo-Trading) spezialisiert.
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Eine Form von EHS, die noch nicht in den Kontext von PTS eingeordnet wurde,
stellen die sogenannten Dark Pools of Liquidity dar. Man kann im Allgemeinen
zwischen offenen und geschschlossenen Orderbüchern, je nachdem, ob die Marktteilnehmer Einblick in die Orderbuchlage erhalten oder nicht, unterscheiden. Der
Begriff Dark Pools of Liquidity dient zur Bezeichnung von ECN, deren Wertpapierhandel im Verborgenen abläuft, weil nur ein geschlossenes Orderbuch vorliegt. Die
Börsenteilnehmer bekommen keine Informationen über laufende Auktionen, über
das Angebot, die Nachfrage oder die Preisabschlussphase, sondern nur Post-Trade
Informationen. Durch ihren Mangel an Pre-Trade Markttransparenz sind Dark
Pools besonders für diejenigen Händler interessant, deren Handelsstrategie geheim
bleiben soll.
Insgesamt zeigen die Arbeiten zu Dark Pools eine enge Verbindung zum Algorithmic
Trading. Eine Erklärung dafür kann in der Vernetzung der Märkte gefunden werden.
Die Fähigkeiten, Orders in Teilorders zu zerteilen und über mehrere Märkte zu
verteilen, werden in der Literatur immer wieder als Grundfunktionen von Algorithmic Trading genannt. Diese Fähigkeiten setzen voraus, dass zwischen traditionellen
Börsen und ECN Verbindungen bestehen, die einen ungehinderten Orderfluss zwischen den Märkten erlauben. Dieser freie Informationsaustausch und der Orderfluss
zwischen den Märkten wird auch als Vernetzung der Märkte bezeichnet.6
Entwicklungsstufen
Es gibt Entwicklungsstufen der elektronischen Handelssysteme. Die erste Stufe
bilden die sogenannten computerunterstützten Parketthandelssysteme. Hier basiert
die Börsenorganisation auf dem Parkett und Präsenzhandel, während Computerprogramme alle Prozesse und Funktionen außer der eigentlichen Orderausführung
unterstützen. Die zweite Stufe bilden die sogenannten computerunterstützten Handelssysteme, welche den Präsenzhandel vollständig ersetzen. Die Verhandlung über
Geschäftsabschluss und Kontraktabschluss erfolgt aber über Telefon. Die dritte
Stufe bilden dann Computerhandelssysteme, bei denen alle Transaktionsprozesse
automatisiert sind und die Preisbildung innerhalb eines geschlossenen elektronischen Systems- ohne Medienbrüche- stattfindet. Die Computerbörsensysteme stellen
den (vorläufig) letzten Evolutionsschritt dar und unterscheiden sich von ihren
Vorgängern, indem sie auch die Phasen der Transaktionsabwicklung durch Clearingund Settlementsysteme integriert haben.
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Gomolka, S. 83
2 Buy-Side Algorithmic Trading
Am Anfang der Transaktionsprozesse steht eine Investmententscheidung über Kauf
oder Verkauf eines Wertpapiers. Der Investor, der die Transaktion auslöst (Initiator)
wird der Buy-Side zugeordnet. Als Initiatoren kommen private Investoren und professionelle Finanzintermediäre in Frage. Diese werden unterteilt in Finanzgutachter,
Finanzauktionator und Finanzhändler, wobei Letzteren die Funktion des Initiators
im Algo Trading zugewiesen werden kann.
Buy-Side Algo Trading wird, wie zuvor schon erwähnt, der Informationsphase
zugeordnet. Diese kann man in Teilprozesse (Informationsbeschaffung und Informationsauswertung) unterteilen. Das Ergebnis der Transaktionsprozesse ist der
Transaktionswunsch. Da Hochfrequenzhandel ein Teilbereich von Algo Trading darstellt und Irene Aldrige in ihrem Buch High-Frequency Trading diesen Bereich
genau und ausführlich untersucht hat, wird in diesem Kapitel immer wieder Bezug
darauf genommen.
2.1 Technik der Algo Trading Software
2.1.1 Technische Konzepte für Algo-Trading
Standard-Software für Algorithmic Trading
Aldrige versucht die unterschiedlichen Software-Produkte übersichtlich zu erfassen,
indem sie die Modelle nach ihren Teilaufgaben strukturiert. Die Aufgaben lassen
sich nach Aldrige in eine aktive Phase (Runtime Phase) und eine passive Auswertung (Post-Trade Phase) untergliedern. Erstere bezeichnet den laufenden Betrieb
einer Software im realen Börsenhandel. Die Post-Trade Phase hingegen bezeichnet
die Auswertungen zur Leistungsfähigkeit und zum Erfolg der Algorithmen aus der
Runtime Phase, vor allem eine Übersicht der Transaktionskosten.
Diese hohe technische Abhängigkeit verlangt natürlich eine dauernde Pflege der
Systeme. Diese müssen daher gegen Stromausfall, Computerviren oder Programmierfehlern geschützt werden.
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CEP Systeme
Das Complex Event Processing beschreibt Werkzeuge, Methoden und Techniken,
Ereignisse kontinuierlich und zeitnah zu verarbeiten. Angewendet wird dies in der
Überwachung von Geschäftsprozessen und unternehmenskritischen Ressourcen, im
Sammeln von Messwerten aus der Außenwelt oder in der sofortigen Auswertung
von Finanzmarktdaten.
Black Box Systeme
Die Funktionsweise dieser Systeme ist wie der Name schon sagt geheim. Aldrige
unterteilt derartige Systeme in sieben Komponenten: ein Modul, um Handelssignale zu erzeugen und die Portfolio-Positionen zu überwachen, wissenschaftliche
Software für computergestützte Analyse und finanzielle Modellierung, ein Modul
zur Informationssammlung und Recherche, eine Handelssoftware zur optimalen
Orderausführung, ein Risikomanagement-Modul, das die Einhaltung von standardisierten Parametern und Verluste und Gewinne überwacht, mobile Applikationen
mit denen die Entwickler die Funktionsweise der Software permanent überwachen
können und eine Einbindung externer Forschung zur erweiterten Information und
Vorhersage.
Neuronale Netze
Das sind allgemeine Systeme, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden werden.
Mit Hilfe dieser Netze will man Ein und Ausstiegssignale, Kauf- oder VerkaufsBefehle aus den Marktdaten ableiten. Sie werden oft mit Fuzzy Logik oder Genetischen Algorithem in Verbindung gebracht.
Die neuronalen Netze werden verwendet, um Zeitreihendaten vorherzusagen. Dies
geschieht, indem die Netze lernen, Kurven zu optimieren. Zuerst werden die Informationen erlernt, dann abgespeichert und schließlich für die Optimierung und die
Prognose genutzt. Genetische Algorithmen dienen der Informationssuche und der
Optimierung dieser Suche. Die Fuzzy Logic beschreibt Methoden, mit denen man
Prognosen selbst unter unsicherern Bedingungen abgeben kann.
Anhand dieser drei genannten Systeme versucht man, die Prozesse des Algo Trading
vereinfacht dazustellen. Im Folgenden wird nun eine andere Gliederung für das
Buy-Side Algorithmic Trading erläutert. Die sogenannten Software-Agenten.
2.1.2 Software-Agenten
Software-Programme für Buy-Side Algorithmic Trading braucht man im Allgemeinen für die Informationsbewertung der Marktdaten. Um nun über die vielen
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unterschiedlichen Formen von Algorithmic Trading einen Überblick zu gewinnen,
kann man die Softwareprogramme mit sogenannten Software-Agenten klassifizieren.
Nun werden drei verschiedene Typen von Agenten unterschieden:
• Agenten-Typ 1: Dieser hat ausschließlich eine informative Wirkung, er analysiert Marktdaten, um daraus eine selbständige Investitionsentscheidung
oder einen Transaktionswunsch abzuleiten, generiert dann Kauf- und Verkaufssignale und diese werden schließlich dem Investor auf dem Bildschirm
angezeigt. Er ist dann geeignet, wenn für die Informationsbeschaffung und
-auswertung genügend Zeit bleibt.
• Agenten-Typ 2: Im Unterschied zu dem vorigen Typ entscheidet er selbst, ob
die Transaktion ausgeführt werden soll oder nicht und übermittelt die Kaufoder Verkaufsentscheidung gleich selbst. Der Agent ist dann von Vorteil, wenn
für Infobeschaffung und -auswertung nur wenig Zeit bleibt. Der Mensch ist
bei dieser Form von Algo Trading nicht mehr an den Transaktionsprozessen
beteiligt. Dadurch entstehen hohe Reaktionsgeschwindigkeiten. Hier lassen
sich Standard-Software, Black-Box Systeme und CEP-Systeme einordnen.
• Agenten-Typ 3: Dieser kann Datenströme nicht nur vollautomatisch auswerten und Orders generieren, sondern lernt auch aus den Fehlern, um die
Leistungsfähigkeit zu optimieren. Er wird eingesetzt, wenn nur wenig Zeit für
Infobeschaffung und -auswertung bleibt und wenn die Software-Systeme z.B
auf Grund von schlechter Datenlage andauernd dazu lernen sollen. Hier lässt
sich die Anwendung von neuronalen Netzen einordnen.
2.2 Prozesse innerhalb der Software
Mit Hilfe der drei Software-Agenten kann man die Teilprozesse, die beim Algo
Trading ablaufen, strukurieren. Diese sind Teilprozesse der Informationsphase.
Durch die Prozesse versucht man, Marktdaten zu sammeln, um daraus eine Kaufoder Verkaufsentscheidung abzuleiten. Die Methode zur Informationsauswertung
erfordert bestimmte Marktdaten. Je mehr komplexe Daten für die Auswertung
benötigt werden, desto länger dauert der Prozessablauf.
Nun wird der Teilprozess Informationsauswertung genauer beschrieben. Dieser
wird im Börsenhandel unendlich oft wiederholt. Anhand von diesem wird dann ein
Transaktionswunsch abgeleitet. Die Abläufe der Prozesse schauen wie folgt aus. Der
Investor entscheidet, welche Methode der Informationsauwertung für ihn am besten
geeignet ist. Diese wird nun in die Anlageprozesse beim Investor eingebunden und
so verschmelzen beide miteinander. Die Ergebnisse der Analysen führen dann zu
einer Investmententscheidung. Den Kern dieser Teilprozesse bilden demnach die
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Methoden zur Informationsauswertung, die Anlageprozesse und die mechanischen
Handelsregeln. Letztere beschreiben die Entscheidungs-Prinzipien eines Investors
bei der Datenanalyse.
Die Handelsstrategie ist der wichtigste Bestandteil in der Informationsphase, denn
sie beeinflusst die Wahl der Auswertungsmethode, die Handelsfrequenz und die
Formulierung der mechanischen Handelsreglen. Aldrige gibt eine Gliederung der
Investmentstrategien an. Sie grenzt die traditionellen Handelsstrategien aus der
technischen, fundamentalen und quantitativen Analyse gegenüber High Frequency
Trading ab. Wobei die technische Analyse die technischen Muster in historischen
Daten verwendet, um daraus Handelssignale abzuleiten, die fundamentale Analyse
sich auf Daten des Jahresabschlusses bezieht und die quantitative Analyse die
wissenschaftliche Analyse für ihre Handelssignale heranzieht. Diesen traditionellen
Strategien stellt Aldrige vier neue Strategien gegenüber, die erst durch Algorithmic
Trading möglich wurden. Dies sind:
• der algorithmische Handel: Handelssignale basieren auf komplexen Algorithmen
• der systematische Handel: zählen zu dem automatisiertem Handel, gehen
jedoch über Hochfrequenzhandel hinaus
• der elektronische Handel: Ausführungsalgorithmen der Sell-Side
• die Low-Latency Strategien: beziehen sich auf Orderrouting und auf die
effiziente Ausführung
Aldrige unterscheidet jedoch nicht zwischen Algo Trading auf Seiten der Buy-Side
bzw. der Sell-Side. Doch beide Seiten müssen von einander getrennt werden, da
sie unterschiedliche Aufgabenbereiche haben. Demnach folgt nun eine allgemeine
Klassifikation der Handelsstrategien.
Statistische Arbitrage
Eine Arbitragemöglichkeit existiert immer dann, wenn ein identisches Wertpapier
an zwei oder mehr Börsen gehandelt wird, aber unterschiedliche Preise aufweist.
So kann man durch sofortigen Kauf oder Verkauf zumindest theoretisch einen
risikolosen Gewinn machen. Die Halteperioden dieser Strategien sind meist auf ein
paar Sekunden, Minuten oder Tage beschränkt. Sie können jedoch auch mehrere
Wochen betragen. Die Unvollkommenheit der Märkte veranlasst jedoch, dass es
derartige Gewinne nicht gibt (Transaktionskosten, Opportunitätskosten, Steuern
usw.). Vorgänger dazu ist das sogenannte Pairs Trading, bei dem Wertpapiere in
Paaren gehandelt werden, deren Rendite eine hohe Korrelation aufweisen.
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Fundamentale Analyse
Hier hat man zum Ziel, den wahren Wert einer Firma zu ermitteln und über- oder
unterbewertete Unternehmen zu identifizieren. Es werden Kennzahlen ermittelt, die
ein Urteil darüber erlauben. Eine Kennzahl wäre z.B das Kurs-Gewinn Verhältnis,
welches als Quotient des Preises pro Aktie und dem Gewinn pro Aktie berechnet
wird. In unterbewertete Unternehmen wird dann demnach investiert, überbewertete
Unternehmen werden leerverkauft.
Technische Analyse
Hier werden Strategien, welche auf Basis von historischen Preis-,Volumendaten
oder deren Statistiken eine Prognose über die zukünftige Kursentwicklung angeben, zusammengefasst. Aus den entstandenen Mustern werden dann Kauf- oder
Verkaufsempfehlungen abgeleitet.
Textnachrichten
Handelsstrategien müssen nicht unbedingt auf quantitativen Daten , sondern können auch auf qualitativen Informationen beruhen. Dabei muss ein Zusammenhang
zwischen Medieninformationen und dem Börsenkurs bestehen. Es können vier
Entwicklungsstufen bei der Textauswertung zusammengefasst werden.
Die Bereitstellung von Textnachrichten dient als Informationsquelle z.B Aktienforen im Internet, RSS-Feeds usw. Mit Hilfe der Textanalyse versucht man, die
relevanten Informationen aus den Nachrichtenströmen herauszufiltern. Die Computational Linguistics werden dazu verwendet, um die Entscheidungsprozesse zu
vereinfachen, indem die Texte klassifiziert werden. Und schließlich werden durch
die Sentimentalanalyse die Texte entsprechend ihrer psychologischen Bedeutung
interpretiert.
Econphysics
Dies ist ein relativ junges Forschungsgebiet, welches sich mit Methoden aus der
statistischen Physik auseinandersetzt. Es wird mit dynamischen Zeitreihen gearbeitet, welche nicht normalverteilt sind und deren Verteilung sich auch dynamisch
ändert. Es ist jedoch sehr umstritten, ob man die Gesetzmäßigkeiten der Physik
einfach auf Finanzmärkte anwenden kann.
Momentum-Strategien
Hier werden gegensätzliche Handelsstrategien miteinader kombiniert. Es werden
Wertpapiere verkauft, die in der Vergangenheit Kursverluste aufgewiesen haben
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und welche gekauft, die in der Vergangenheit positive Rendite hatten. Diese Strategien gehen also davon aus, dass die heutigen Kurse nur gering von denen in der
Vergangenheit abweichen.
3 Sell-Side Algorithmic Trading
Sell-Side Algorithmic Trading kann man der Orderroutingphase zuordnen und
deshalb wird nun auf deren Teilprozesse eingegangen.
Hat ein Investor eine Investmententscheidung getroffen, so kann er entweder einen
Broker beauftragen, die Transaktion durchzuführen oder selbst Sell-Side Algorithmic
Trading anwenden. Das heißt Sell-Side Algo Trading übernimmt eine Brückenfunktion zwischen Kauf- oder Verkaufsentscheidung und der maschinellen Durchführung
von Transaktionen in möglichst kurzer Zeit. Fasst man verschiedenste Definitionen
zusammen, so geht es bei dieser Form des Algorithmic Trading darum, eine Order
möglichst gut im Markt zu plazieren, ohne das bestehende Gleichgewicht zwischen
Angebot und Nachfrage zu ändern. Die Definition bezieht sich ausschließlich auf
die Ausführung einer Order in der Orderroutingphase, also der Zeitraum vom
Eintreffen der Order an der Börse bis zur Feststellung der Transaktionspreises in
der Preisabschlussphase.
3.1 Formulierung von Orders
Hier geht es um die Wahl des richtigen Ordertyps, die Festlegung von Orderparametern, die Orderverbindlichkeit und die Aufteilung in Teilorders.
Am Anfang steht ein Optimierungsproblem, da die Aufteilung eines Orders in
mehrere kleinere Teilorders zur Erhöhung der Transaktionskosten führt. Diese
Kosten kann man einteilen in Investmentkosten (Steuern, Verzögerungskosten),
welche nach der Investment-Entscheidung entstehen, Handelskosten(Market Impact,
Kommissionen, Gebühren, Spreads, Preisdrift, Timing Rist), die mit der Umsetzung der Strategie entstehen und schlussendlich die Opportunitätskosten. Letztere
kommen vor, wenn eine Order nicht vollständig umgesetzt wurde und Teilorder
übrig bleiben. Durch die Aufteilung erhofft man sich jedoch, eine Verringerung des
Market Impact. Unter Market Impact versteht man den Einfluss einer neuen Order
auf das bestehende Angebot bzw. die Nachfrage. Denn wenn die Marktteilnehmer
Kenntnis von einer großen Kauforder bzw. Verkaufsorder erlangen, werden sie ihre
eigenen Verkaufspreise bzw. Kaufpreise nach oben (unten) anzupassen, um die
maximale Zahlungsbereitschaft abzuschöpfen bzw. zu minimalen Kursen zu kaufen.1
1
Vgl. Pole,S.31 und Almgren,Chriss, S.8
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Für die Berechnung der Transaktionskosten werden Vergleichsparameter, die sogenannte Benchmarks, benötigt. Die Benchmark-Kosten Φ(γ) (wobei γ das Verhältnis
aus dem geplanten und dem erwarteten Transaktionsvolumen pro Handelsintervall
ist- also Handels- oder Ausführungsrate) dienen entweder dazu, den Market Impact
einer Order abzuschätzen oder den Erfolg der Orderausführung, durch Auswertung
von Transaktionen, zu messen. Im Folgenden werden nun ein paar weit verbreitete
Benchmarks bei Algorithmic Trading genannt.
• Volume Weighted Average Price (VWAP) ist ein Transaktions-Preis in einer
Periode. Vergleicht man diesen mit dem eigenem Transaktionspreis, so kann
man Rückschlüsse ziehen, ob der eigene Preis durchschnittlich zu hoch oder
niedrig war bzw. ob zu teuer gekauft oder zu niedrig verkauft wurde. Er kann
aber auch für eine gewisse Zeit bestimmt werden, um eine
optimale Ordergröße
PT
t=1 Pt ·Qt
und Ausführungszeitpunkt zu bestimmen. Pvwap = PT Q Wobei Pvwap
t=1 t
definiert ist als der Quotient aus dem gesamten Handelsvolumen einer Periode
, multipliziert mit dem Preis aller Transaktionspreise während der Periode
Pt , geteilt durch das gesamte Handelsvolumen des gleichen Zeitraumes.2
• Time Weighted Average Price (TWAP) ist ein Algorithmus, der darauf bedacht
ist, in einem vordefinierten Zeitraum eine Anzahl von Teil-Orders auszuführen
oder
ein Volumen einer Order in periodischen Abständen abzusetzen. Ptwap =
P
N
t=1
Pt
, wobei Ptwap der einfache Durchschnittspreis einer Periode mit n
Preisen ist. Beobachtungszeitraum ist ein Tag, mehrere Stunden oder aber
auch nur Minuten. 3
n
• Implementation Shortfall wird die Veränderung der Marktbedingungen während die Order auf den Datenleitungen unterwegs ist und im Orderbuch auf
Ausführung wartet und der damit entstehende Gewinn oder Verlust für den
Investor genannt. Eine andere Bezeichnung dafür ist der Begriff Slippage,
der die Abweichung des vom Computer errechneten Preises und dem tatsächlichen im Börsenhandel erreichten Preis beschreibt, der sich auf Grund
der Preisvolatilität unterscheidet. IS = PExecute − PDecide , wobei der Preis
der Orderaufgabe (Decision Price) vom Transaktionspreis (Execution Price)
abgezogen wird. 4
• Midpoint of bid and ask (MBA) ist besonders gut für den Hochfrequenzhandel,
weil sie einen Zeitvorteil beinhaltet. Die Berechnung beruht nämlich wie
2
3
4
Vgl. Gomolka, S.125
Vgl. Gomolka, S.125
Vgl. Gomolka, S.125
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der Name schon sagt nur auf Bid und Ask Kursen. Während die zuvor
genannten Benchmarks auf Post-Trade Daten basieren, nimmt die MBA
die Bewegungen im Orderbuch vorweg, die zu diesen Transaktionen geführt
haben.Post-Trade Benchmarks verwenden Transaktionspreise, die bereits
festgestellt wurden (beispielsweise Schlusskurse vom Vortag) wohingegen sich
Pre-Trade Benchmarks an Transaktionspreisen orientieren, die noch nicht
feststehen, weil die laufende Auktion noch nicht beendet ist (MBA).PMBA =
PAsk −PBid
, wobei PMBA der Mittelkurs aus Geldkurs PBid und Briefkurs PAsk
2
5
ist.
Ziel der Algorithmic Trading Strategie ist es nun, die eigene Transaktion besser als
die vergleichende Benchmark durchzuführen unter der Annahme, dass diese den
Market Impact am besten widerspiegelt.
Reicht die Liquidität eines Marktes nicht aus, um eine Order zu bedienen, kann
man entweder den Zeitraum der Orderausführung in die Länge ziehen oder Zugeständinisse beim Transaktionspreis machen. Die Verteilung einer Order über die
Zeit bringt zwei grundsätzliche Risiken mit sich. Einerseits die Unsicherheit über
zukünftige Liquidität eines Wertes und andererseits über zukünftige Transaktionspreise. Bei der Realisierung der Strategie kommt zusätzlich die Unsicherheit über
die zukünftigen Market Impact Kosten, die sogenannte Timing Risk Ψ, hinzu.
Abbildung 3.1: Market Impact und Timing Risk (Quelle: Gomolka, S.123)
5
Vgl. Gomolka, S.125,134
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Anhand dieser Abbildung kann man sehen, dass die Market Impact Kosten immer
mehr sinken und das Timing Risk zunimmt. Bei der Bestimmung einer Algorithmic
Trading Strategie geht es also darum, die optimale Handelsstrategie γ zu bestimmen,
bei der die gesammten Transaktionskosten L = Cost + λ · Ψ sehr klein werden.
Wobei λ das Verhältnis aus Timing Risk und erwarteten Kosten steuert und die
Variable Cost für den Market Impact steht.
Hat sich nun der Investor für ein Benchmark entschieden, muss er festlegen, mit
welcher Orderform die Ausführung stattfinden soll. Dabei gibt es zwei grundlegende
Möglichkeiten, die in der Literatur behandelt werden:
• Market Orders
• Limit Orders
Eine Order mit festgelegtem Preis und/oder festgelegter Zeit für die Ausführung
wird Limit Order genannt. Hier bewegt sich die Preisvorstellung nahe am Markt
und ist daher für informierte Händler am besten geeignet, während risikoneutrale
Händler ihre Orders weit weg vom Markt abgeben sollten. Eine Market Order
ist ein Auftrag, eine Aktie zum besten aktuellen Marktkurs zu kaufen oder zu
verkaufen und sind daher am besten geeignet, um schnell zu handeln. Ein Market
Order ist demnach agressiv, weil sie auf Grund des fehlenden Limits, sofort gegen
jede andere Order der Gegenseite ausgeführt werden kann. Unter Nichtagressiv
versteht man Orders, die mehr Liquidität für ein Orderbuch spenden, indem sie im
Orderbuch auf eine Ausführung warten. Ein Limit Order ist also z.B nicht agressiv,
wenn ihr Limit nicht dem aktuellen Spread 6 entspricht.
Nach der Auswahl der richtigen Brenchmark, nach der Wahl von Market oder
Limit Order usw. besteht die Möglichkeit, die Ausführung einer Order zeitlich zu
staffeln und Orderketten zu bilden. Es besteht die Möglichkeit, dass, wenn eine
Order nicht sofort ausgeführt wird, mehrere gestaffelte Orders zu benutzen, um
die Order in Teilstücken an die Börse zu leiten und sich schrittweise an einen
bestimmten Limit-Preis heranzutasten. Dies nennt man Orderketten.7 Die Bildung
derartiger Orderketten im Sell-Side Algorithmic Trading ist im realen Börsenhandel
bereits hochentwickelt und wird auch oft angewendet. Das ursprüngliche Ordervolumen wird also nicht nur durch die Benchmark-Algorithmen zerkleinert, sondern
durch diese Orderketten in die Länge gezogen.
6
7
Spread (engl. Spanne) ist die Differenz zwischen Geldkurs und Briefkurs bzw. zwischen Anund Verkaufskurs.(Vgl. Wikipedia)
Vgl. Prix, Loistl, Huetl, S.3
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3.2 Weiterleitung von Orders
Nach der Formulierung kommt es zum nächsten Schritt nämlich zu der Weiterleitung an elektronische Handelssysteme. Bei der Formulierung erfolgt die Aufteilung
und Verkettung der Orders mit dem Ziel, die Transaktionskosten zu optimieren. Bei
der Weiterleitung hingegen erfolgt nun die Aufteilung und Verkettung der Orders.
Im Folgenden werden die einzelnen Handelsstrategien zur Orderausführung erklärt:
Während Benchmarks, Transaktionskosten oder Orderarten im Algorithmic Trading zur Transparenz der Prozesse beitragen, sind die langfristigen Überlegungen
zur Orderausführung (die Handelsstrategie) der am wenigsten greifbare Teil. Sie
bildet jedoch den Kern der Prozesse, weil sich alle kurzfristigen Entscheidungen
zur Orderausführung daran orientieren. Es gibt nun eine dreistufige Gliederung der
Handelsstrategien:
3.2.1 Die naive Orderausführung
Als eine der ersten Banken begann die Credit Suisse im Jahr 2001 Sell-Side Algorithmic Trading unter dem Namen AES8 zu vermarkten. Bis 2002 wurde den
Kunden zwei Algorithmen für die automatische Orderausführung angeboten. Die
sogenannten VWapper und ein Algorithmus mit Partizipationsstrategie. Wie genau
diese funktionierten, erfuhr man jedoch nicht. Seit der Einführung von AES ist
die Entwicklung von neuen und komplexen Ausführungsalgorithmen unbegrenzt.
Dazu gehören z.B Guerrilla und Sniper (entwickelt und vermarktet durch Credit
Suisse). Wie man sieht, erkennt man mit Hilfe der Namen nur schwer, welche
Funktionsweise die Algorithmen haben. Man kann sie jedoch in drei Kategorien
zusammenfassen:
• VWAP-nahe Strategien: Deren Ziel ist es, den Market Impact gegenüber
der verfügbaren Zeit für eine Transaktion auszubalancieren. Es geht bei
der Strategie darum, die Aktienanzahl so zu zerteilen und über den Tag zu
verteilen, dass die Transaktionspreise im Verlauf eines Tages, im Durchschnitt
nahe am VWAP liegen. Dabei wird eine große Order in kleinere Teilorder
zerlegt, die über den Tag verteilt ausgeführt werden. Der Algorithmus für die
Verteilung wertet vorerst historische Daten aus steuert die Orderausführung
nach mechanischen Handelsregeln. Basis ist die VWAP-Benchmark.
8
AES ist die Abkürzung für Advanced Encryption Standard und gilt als beliebter kryptografischer, symmetrischer Verschlüsselungs-Standard in der IT-Welt. (Vgl.
http://www.tomshardware.de/AES-Verschlusselung-Intel,testberichte-240484-2.html)
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• Dynamische Volumenverteilungen: Da die vorhergenannte Strategie zu Problemen führen kann, wenn sich die Volumen-Verteilung der Order im Laufe des
Tages ändert wurde eine dynamische VWAP-Strategie entwickelt, die während
eines Börsentages angepasst werden kann. Es geht darum die Volumensveränderung während eines Börsentages zu analysieren und vorherzusagen, um
den Zeitpunkt mit der höchsten Liquidität zu bestimmen.
• Liquiditätssuchende Algorithmen: Die Credit-Suisse führte 2004 den Guerilla
Algorithmus zur Orderplazierung ein. Die Handelsstrategien suchen in mehreren Handelssystemen gleichzeitig nach Liquidität, um den Market Impact so
gering wie möglich zu halten.
3.2.2 Strategien zur Ausnutzung der Orderplazierung
Diese Computerprogramme versuchen andere Algo-Trading Programme auszuspähen und dann die Erkenntnis über diese Strategien zu nutzen.
• Predatory Algos: Sie sind sogenannte Jäger unter den Buy-Side Algorithmen,
denn sie greifen aktiv in die Quotierung der Sell-Side Algorithmen ein, um die
Kurse zu verändern. Sie erzeugen selbst eine künstliche Orderbuch-Situation,
um dann Profit daraus zu erhalten.
• Order Ping: Ein Ping wird in der Informatik ein Programm genannt, das nur
prüft, ob eine Netzwerkverbindung zwischen zwei Computern besteht oder
nicht. Beim Order Ping geht es nun darum, extrem kurzlebige Orders, ohne
dem Ziel eine Transaktion herbeizuführen, in einem Markt zu plazieren. Es
wird stattdessen die Reaktion der anderen Marktteilnehmer gemessen.
• Frontrunning: Ein Broker ist mit der Abwicklung der Transaktionen seiner
Kunden beauftragt. Die durch diese Aufträge vorhandenen Informationen
könnte er für den Eigenhandel nutzen. Ein kurzes Beispiel: Ein Broker führt
eine große Blockorder zum Kauf aus und deckt sich vorher noch mit eigenen
Stücken. Dadurch profitiert er vom später steigenden Kurs.
3.2.3 Strategien zur Manipulation
Fleeting Orders (Limit Orders) sind kurzfristige Orders. Flash Orders bezeichnen
eine agressive Form der Fleeting Orders. Sie dienen zur Manipulation des Orderbuches, da deren Lebenszeit schon von Anfang an auf ein Minimum beschränkt
ist. Sie blähen das Ordervolumen eines Marktes auf, führen aber nicht zu mehr
Transaktionen.
4 Unterscheidung: High
Frequency Trading und
Systematic Trading
Unter Hochfrequenzhandel (High Frequency Trading) versteht Irene Aldrige diejenigen Anlagestrategien, die zu einem hohen Kapitalumsatz führen und mit Hilfe
des Computers sehr schnell (z.B. in Millisekunden) auf veränderte Marktsituationen reagieren können. Portfolio-Postitionen werden am Ende des Tages komplett
verkauft, so dass über Nacht keine Risiken durch Kursschwankungen entstehen
können. Vorteile, die durch diesen Handel enstehen sind z.B Sicherstellung der
Liquidität, Erhöhung der Markteffizienz oder Reduktion der Personalkosten.
Im Gegensatz dazu stehen Strategien mit niedriger Handelsfrequenz (Low Frequency Trading), die in der gleichen Periode weniger Kapital umsetzen und nicht so
schnell auf veränderte Marktsituationen reagieren. Die Handelsstrategien, die nicht
zum Hochfrequenzhandel gehören werden Systematische Strategien genannt. Diese
beziehen sich auf alle Handelsstrategien, die Computermodelle einsetzen, um Käufe
oder Verkäufe zu tätigen und deren durchschnittliche Halteperioden, eine Minute,
einen Tag oder längere Zeiträume umfassen. Wie lange die Halteperiode für den
Hochfrequenzhandel wirklich sein darf, wird in der Literatur oftmals unterschiedlich
definiert. Es gibt eine Umfrage des Finanzdienstleisters FINALT ERN AT IV ES , von
der man entnehmen kann, dass Handelsstrategien deren Halteperioden weniger als
fünf Tage andauern als High Frequency Trading definiert werden.
Aldrige stützt ihre Zusammenfassung auf eine umfangreiche Anzahl Studien,
die hochfrequente Orderbuch-Daten auswerten. Unter hochfrequenten Orderbuchdaten (Ultra High Frequency Data) versteht man Transaktionsdaten oder Tick-Daten,
die mit Zeitstempeln versehen sind, und eine auf die Sekunde genaue Zuordnung
von Kursen und Transaktionen möglich machen.
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Literaturverzeichnis
[1] Gomolka, Johannes Algorithmic Trading Universitätsverlag Potsdam,2011
[2] O’Hara, Maureen Market Microstructure Theory Blackwell Publishing,
1998
[3] Aldridge, Irene High-Frequency Trading John Wiley and Sons, Inc., Hoboken, New Jersey, 2010
[4] Pole, Andrew Statistical Arbitrage: Algorithmic Trading Insights and Techniques Hoboken(NJ): John Wiley and Sons,2007
[5] Almgren,Robert and Chriss,Neil Optimal Execution of Portfolio Transactions Working Paper,2000
[6] Prix, Johannes, Loistl, Otto und Huetl, Michael Chain-Structures
in Xetra Order Data Universität Wien, Working Paper,2008
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