klassiker - NVC Oberhausen

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klassiker - NVC Oberhausen
Krupp cummins 980 front
V wie Voluminös
Krupp-Lastwagen waren
der Konkurrenz in Kraft und
Optik überlegen – nur nicht
in der Haltbarkeit. Mit dem
Aus kam die Legende
Eigentlich sollte der KruppLastwagenbau nie pleitegehen.
Die Familie sei stolz darauf, ihrem Namen auf den Straßen
Europas zu begegnen, koste es,
was es wolle – so erzählten sich
Kruppianer noch bis tief in die
60er-Jahre. Doch 1967 starb der
„letzte Krupp“, Alfried Krupp von
Bohlen und Halbach. Schon ein
Jahr später kam das Aus für die
„Krawa“ (Kraftwagenfabrik) in
Essen. Industriegeschichte.
Davon erzählt der Lkw-Hof der
Familie Hoffmann in Oberhausen, die dem Laster-Laster verfal-
len ist. Inmitten Hunderter Lkw
in allen Zuständen leuchtet blaurot der generalüberholte KF (Kipper-Frontlenker) 980, im November 1968 erstmals zugelassen
und somit einer der allerletzten
seiner Art. 265 mittlerweile standfeste PS, Zwölfgang-Gruppenge-
triebe, kippbares Fahrerhaus –
alles Superlative, mit denen die
Konkurrenz damals nicht mithalten konnte.
Mit Junior Sascha Hoffmann
besteige ich die Kabine, besser
gesagt: Ich erklimme sie. Ich
muss rechts rauf, denn ich ha- .
klassiker mit Achtzylinder
Die Plattschnauzer-Form mit XXL-Scheibe ist heute
noch spannend anzusehen. Damals meckerten
Krupp-Fahrer über die zu kleinen Wischerblätter
38 www.autobild-klassik.de | Nr. 11 · November 2012
Fotos: H. Neu (3)
Transatlantisches
Bündnis: Ami-Motor im
Laster aus Essen.
Dank Kippkabine ist der
V8 mit fast 13 Liter
Hubraum bequem zugänglich. Direkteinsprit­
zung und 265 PS
machten Trucker der
60er-Jahre stolz, doch
erst die letzten
Krupp-Baujahre hiel­ten
zuverlässig durch
November 2012 · Nr. 11 | www.autobild-klassik.de 39
Krupp cummins 980 front
V wie Voluminös
Krupp-Lastwagen waren
der Konkurrenz in Kraft und
Optik überlegen – nur nicht
in der Haltbarkeit. Mit dem
Aus kam die Legende
Eigentlich sollte der KruppLastwagenbau nie pleitegehen.
Die Familie sei stolz darauf, ihrem Namen auf den Straßen
Europas zu begegnen, koste es,
was es wolle – so erzählten sich
Kruppianer noch bis tief in die
60er-Jahre. Doch 1967 starb der
„letzte Krupp“, Alfried Krupp von
Bohlen und Halbach. Schon ein
Jahr später kam das Aus für die
„Krawa“ (Kraftwagenfabrik) in
Essen. Industriegeschichte.
Davon erzählt der Lkw-Hof der
Familie Hoffmann in Oberhausen, die dem Laster-Laster verfal-
len ist. Inmitten Hunderter Lkw
in allen Zuständen leuchtet blaurot der generalüberholte KF (Kipper-Frontlenker) 980, im November 1968 erstmals zugelassen
und somit einer der allerletzten
seiner Art. 265 mittlerweile standfeste PS, Zwölfgang-Gruppenge-
triebe, kippbares Fahrerhaus –
alles Superlative, mit denen die
Konkurrenz damals nicht mithalten konnte.
Mit Junior Sascha Hoffmann
besteige ich die Kabine, besser
gesagt: Ich erklimme sie. Ich
muss rechts rauf, denn ich ha- .
klassiker mit Achtzylinder
Die Plattschnauzer-Form mit XXL-Scheibe ist heute
noch spannend anzusehen. Damals meckerten
Krupp-Fahrer über die zu kleinen Wischerblätter
38 www.autobild-klassik.de | Nr. 11 · November 2012
Fotos: H. Neu (3)
Transatlantisches
Bündnis: Ami-Motor im
Laster aus Essen.
Dank Kippkabine ist der
V8 mit fast 13 Liter
Hubraum bequem zugänglich. Direkteinsprit­
zung und 265 PS
machten Trucker der
60er-Jahre stolz, doch
erst die letzten
Krupp-Baujahre hiel­ten
zuverlässig durch
November 2012 · Nr. 11 | www.autobild-klassik.de 39
Krupp cummins 980 front
hin versuchen sie bereits, hydrau­
­lisch die eine oder andere Bodenwelle zu vernichten, was aber selten genug wirklich gelingt.
Während ich Saschas routinierte Arbeit bewundere, rollen wir
über die Autobahn bei Oberhausen. Die Tachonadel zittert Richtung 80, der Drehzahlmesser
zeigt 2400 Touren, der V8 dröhnt
ausgeruht. Ich schließe die Augen. Klimawandel im Krupp.
Duftet es nicht plötzlich nach
Kernseife, qualmenden Stumpen
und öligen Putzlappen? Vermischt natürlich mit Dieseldunst,
dem Smog des Ruhrgebiets und
Erinnerungen an eine Zeit, als es
immer nur aufwärts ging? Die
Lohntüten schwollen jährlich an,
in den Neubaugebieten parkten
keine Krafträder mehr, sondern
Käfer mit glänzenden ExportStoßstangen.
Doch ausgerechnet mit Krupps
Kraftwagen ging es bergab. Vom
Todesstoß erfuhren die LasterLeute, als es eigentlich wieder
aufwärts gehen sollte. Äußerlich
zeigten die Fahrerhäuser schon
ab 1959 mit der großen Panoramascheibe, wie elegant und markant ein Lastwagen aussehen
kann. 1963 folgte die Abkehr vom
ungemein lauten und durstigen
Zweitakt-Diesel der Nachkriegsjahre. Der US-Motorenbauer
Cummins gab eine Lizenz, lieferte viertaktende V6- und V8-Zylinder, die anfangs reihenweise
→Historie
kollabierten. Böse Zungen behaupteten, Krupp habe das kippbare Fahrerhaus nur deshalb
eingeführt, um schneller an verreckten Cummins-Triebwerken
schrauben zu können. Denn die
Einspritzungen waren extrem anfällig, die Haltbarkeit der Motoren lag weit unter den alten Zweitakt-Zyklen von bis zu einer
Million Kilometern.
Die Essener Ingenieure arbeiteten bis zur Erschöpfung, brachten den prachtvollen Motoren
endlich Standfestigkeit bei. Zu
spät: Ganze zwei Prozent Marktanteil waren den Krupp-Last­
wagen zuletzt geblieben. Am Ende half auch kein stolzer Name
mehr.
Diether Rodatz
Patente Krupp-Idee:
Für Reparaturen
kann die Kabine bis
zu 55 Grad gekippt
werden. Der originale
Prospekt betont
die „leichte Montierbarkeit“ der Räder. Alles relativ
Technische Daten
Fotos: H. Neu (7), A. Perkovic, Hersteller, privat
Krupp 980 Front
klassiker mit Achtzylinder
be keine passende Lizenz. Und
selbst wenn: „Vater lässt Fremde
nur ungern ans Steuer.“
Die Unterhaltung endet abrupt. Denn nach Saschas Knopfdruck startet der Direkteinspritzer ein gewittriges Dauer-Donnerwetter, jetzt hilft nur noch
Zeichensprache. Über Ohrenschützer, die heute jeder lästige
Laubbläser-Schwinger trägt, hätten sie verächtlich gelacht, die
Kapitäne der Landstraße.
Sogar der damalige Tester
stellte sich taub. Es sei „jetzt im
Krupp-Lastwagen ausgesprochen ruhig geworden, das dumpfe Brummen des Motors wird
höchs­tens durch den ViscoLüf­ter übertönt“, schreibt „Das
Nutzfahrzeug“ im November
1965. Krupp-Kenner wissen: Die
vom Cummins-Motor abgelös­
ten Zwei­takt-Diesel lärmten wie
Starfighter beim Start, insofern
mag dem Tester der Neue leiser
vorgekommen sein.
Lastwagenfahrer, ein Job für
harte Männer. Nur sie bändigten
die Kraft der 12,8 Liter Hubraum,
das unsynchronisierte Getriebe,
die schwergängige Kupplung und
die hinterhältig zischende Luftdruckbremse. Die in den 60ern
hochmoderne Servolenkung bemüht sich zwar nach Kräften,
trainiert aber immer auch beide
Bizepse des Steuermanns.
Der klagte auch nicht über die
kleinen Sitze, die eigentlich bessere Gartenstühle sind. Immer-
Links: am Schalthebel die Wipptaste für das Vorschaltgetriebe. Oben:
Start-Pilot-Einspritzung für den winterlichen Kaltstart, daneben Schalter für
die Differenzialsperre. Unten: spartanisches Fahrerhaus mit unbequemkleinen Sitzen, aber in der Mitte schon ein Halter für die Thermoskanne
Motor: Krupp-V8 (Lizenz Cummins), vorn
längs eingebaut • zentrale Nockenwelle,
vier Ventile pro Zylinder • Direkteinspritzung durch PTG-Förderpumpe mit PTCInjektor • Hubraum 12 849 cmÍ • Leistung
195 kW (265 PS) bei 2600/min • max. Drehmoment 770 Nm bei 1600/min Antrieb/
Fahrwerk: Sechsganggetriebe mit elektropneumatischer Vorschaltgruppe,
also zwölf Vorwärts- und zwei Rückwärts­
gänge • Hinterradantrieb • Starrachsen,
→Plus/Minus
→MARKTLAGE
Größtes Minus: Der Spaß ist nicht billig, das
beginnt schon bei der Suche nach einer ausreichend großen Abstellfläche. Das Gute
dabei: Es gibt in diesem Metier kaum Spekulanten, sondern überwiegend echte Fans
der Schwarze-Fingernägel-Fraktion. Nicht
immer sind Vollrestaurierungen fällig – an
dem hier gezeigten Cummins-Krupp war
nur das Fahrerhaus zu überholen, der Motor ist dank früher Stilllegung erst rund
80 000 km gelaufen. Zweitakter sind begehrter, aber fast nie auf dem Markt. Über
die Standfestigkeit der Cummins-Motoren
sagt Holger Gräf, Chefredakteur des Fachmagazins „Historischer Kraftverkehr“:
„Die Kruppianer haben den Motor komplett
überarbeitet, alle Probleme gelöst und die
letzten Jahrgänge richtig standfest gemacht. Die V6 und V8 sind drehfreudig, haben richtig Mumm!“
Zweitakter werden fast nur innerhalb der
Szene gehandelt, Cummins-Modelle hier
und da auf dem freien Markt. Ihr Zustand
ist meist desolat. Billig ist so ein TechnikMonument nicht: Auf rund 80 000 Euro
schätzen Krupp-Experten den Wert des
blauen Foto-Exemplars. Ansonsten ist
Kommunikation alles, bei Besuchen vieler
Lastwagen-Sammlertreffen lassen sich
Kontakte knüpfen. Die Szene funk­tioniert
und ruht in sich – Neulinge brauchen einige Zeit, bis sie dazugehören.
→ERSATZTEILE
Pero cortio odo el duisl dionsecte mod tem quamcommolum eros ad enit
vel er ipsuscil ipit ipisi.Duisim quamcon ummodio doluptat, quat lum quisl
iuscipit wis nulla facil etummy ipit vel ip ex eriusto odolum quisi te
vorn mit Stabilisator, Halbelliptik-Blattfedern • Trilex-Räder, Reifen 12.00-20/PR
16 Maße: Radstand 3700 mm • L/B/H
6355/2440/2820 mm • Leergewicht 7540
kg Fahrleis­tungen/Verbrauch: Spitze
je nach Achsübersetzung bis 82 km/h •
Verbrauch ca. 30 l Diesel pro 100 km
Neupreis: circa 63 000 Mark (1968)
Alltagstauglichkeit
Reparaturfreundlichkeit
Ersatzteilversorgung
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Preisprognose
40 www.autobild-klassik.de | Nr. 11 · November 2012
ã
ããã
ã
ãã
ã
ã ãã
Eine organisierte Ersatzteilversorgung gibt
es nicht, dafür aber gut verdrahtete KruppBesitzer: Jeder hilft jedem mit (Gebraucht-)
Teilen. Standard-Ersatzteile für das ZFGetriebe, Bremsen und Zubehör bereiten
wenig Probleme, sind gut zu bekommen.
Schwieriger ist die Lage bei den KruppCummins-Motoren. Die Krawa (Kraftwagenfabrik) in Essen ist längst Geschichte,
also ist die Szene besonders hier auf Selbsthilfe mitsamt Nachfertigungs-Aktionen
angewiesen. Krupp hat auch Muldenkipper
und Mobilkrane gebaut, sodass sich mit­
unter noch kleinere Ersatzteilbestände
finden lassen. Das gilt übrigens auch für
die Zweitakt-Modelle der Essener Marke.
ã mangelhaft • ã ã ausreichend • ã ã ã befriedigend • ã ã ã ã gut • ã ã ã ã ã sehr gut
Schon 1893 stieg Krupp in den Motorenbau
ein, schloss einen Vertrag mit Rudolf Diesel. Ab 1908 bauten die Essener zusammen
mit Daimler einen Plattformwagen für Geschütze, ein echtes „Bombengeschäft“ für
beide Konzerne. Ab 1920 produzierte Krupp
ein Fünftonner-Fahrgestell für Sonderfahrzeuge. Abenteuerliche Konstruktionen mit
Boxermotoren und Zweitakt-Gegenkolben
folgten. 1940 dann der Leckerbissen: ein
Zweitakt-Diesel in V8-Form. Er blieb eine
Rarität. Als 1946 der Lkw-Bau im Fränkischen unter dem Namen „Südwerke“ wieder anlief, griffen die Krupp-Ingenieure das
Zweitakt-Prinzip erneut auf und entwickelten einen Dreizylinder, weil die Besatzungsmächte den Motorenbauern im Nachkriegsdeutschland maximal 100 PS erlaubten. Da stärkere Lkw fehlten, griffen
die Südwerker zu einer List: Sie koppelten
einfach zwei Dreizylinder — fertig war der
legendäre Titan mit anfangs 200, später
210 PS. 1951 kam die Fertigung zurück nach
Essen, die Laster zeigten wieder die drei
berühmten Ringe, die das Krupp-Patent
der nahtlos geschweißten Eisenbahnräder
symbolisieren. Nach 1951 ging es zügig aufwärts, eine ganze Modellfamilie vom Dreizylinder (Büffel, Widder, Elch), Vierzylinder (Mustang, Drache) bis zum Fünfzylinder (Tiger) folgte. Ab 1963 arbeitete Krupp
mit Cummins-Motoren. Der V8 mit 265 PS
war Deutschlands stärkster Lastwagen­
motor, doch technische Probleme ruinierten den Ruf. Im Juni 1968 war Schluss,
Mercedes übernahm das Händlernetz.
→EMPFEHLUNG
Wer eine eigene Werkstatt hat, lebt
leichter mit einem Lkw-Klassiker – selbst
dann, wenn er nicht selbst restaurieren
will, denn das ist für Einsteiger fast unmöglich. Wer einen eigenen Krupp haben möchte, sollte nicht mit einer Riesen-Baustelle
beginnen. Ohne Fachkenntnisse sind 1950 bis 1954 Titan, der Name passt zur LkwKrupp-Lkw nicht reparabel . Die Technik Legende der 50er. Es gibt nur noch zwei davon
der älteren Zweitakter gilt als relativ
unproblematisch, während die Viertaktmotoren der letzten Baujahre eine
kundigere Hand erfordern.
→ADRESSEN
Klub: gibt es nicht. Unterstützung bieten 1951 bis 1955 Zyklop-Muldenkipper auf Basis
Sammler, z. B. Hoffmann Nutzfahrdes Titan. Ebenfalls schon 210 PS – eine Macht
zeuge und sein Nutzfahrzeug-VeteranenCenter (www.nvc-oberhausen.de,
Telefon 02 08-8 23 23-0) oder die Fachmagazine wie zum Beispiel „Historischer
Kraftverkehr“ (www.verlagrabe.de)
Literatur: K.-H- Hesse: Alle Last­wagen
von Krupp, Verlag Klaus Rabe, 20 Euro;
Bernd Regenberg: Das Lastwagen-Album
1966 bis 1968 Noch ein Spätwerk: AK 380 mit
Krupp, Podszun, 44,90 Euro
Cummins-V8, hier als sogenannter Langhauber
November 2012 · Nr. 11 | www.autobild-klassik.de 41
Krupp cummins 980 front
hin versuchen sie bereits, hydrau­
­lisch die eine oder andere Bodenwelle zu vernichten, was aber selten genug wirklich gelingt.
Während ich Saschas routinierte Arbeit bewundere, rollen wir
über die Autobahn bei Oberhausen. Die Tachonadel zittert Richtung 80, der Drehzahlmesser
zeigt 2400 Touren, der V8 dröhnt
ausgeruht. Ich schließe die Augen. Klimawandel im Krupp.
Duftet es nicht plötzlich nach
Kernseife, qualmenden Stumpen
und öligen Putzlappen? Vermischt natürlich mit Dieseldunst,
dem Smog des Ruhrgebiets und
Erinnerungen an eine Zeit, als es
immer nur aufwärts ging? Die
Lohntüten schwollen jährlich an,
in den Neubaugebieten parkten
keine Krafträder mehr, sondern
Käfer mit glänzenden ExportStoßstangen.
Doch ausgerechnet mit Krupps
Kraftwagen ging es bergab. Vom
Todesstoß erfuhren die LasterLeute, als es eigentlich wieder
aufwärts gehen sollte. Äußerlich
zeigten die Fahrerhäuser schon
ab 1959 mit der großen Panoramascheibe, wie elegant und markant ein Lastwagen aussehen
kann. 1963 folgte die Abkehr vom
ungemein lauten und durstigen
Zweitakt-Diesel der Nachkriegsjahre. Der US-Motorenbauer
Cummins gab eine Lizenz, lieferte viertaktende V6- und V8-Zylinder, die anfangs reihenweise
→Historie
kollabierten. Böse Zungen behaupteten, Krupp habe das kippbare Fahrerhaus nur deshalb
eingeführt, um schneller an verreckten Cummins-Triebwerken
schrauben zu können. Denn die
Einspritzungen waren extrem anfällig, die Haltbarkeit der Motoren lag weit unter den alten Zweitakt-Zyklen von bis zu einer
Million Kilometern.
Die Essener Ingenieure arbeiteten bis zur Erschöpfung, brachten den prachtvollen Motoren
endlich Standfestigkeit bei. Zu
spät: Ganze zwei Prozent Marktanteil waren den Krupp-Last­
wagen zuletzt geblieben. Am Ende half auch kein stolzer Name
mehr.
Diether Rodatz
Patente Krupp-Idee:
Für Reparaturen
kann die Kabine bis
zu 55 Grad gekippt
werden. Der originale
Prospekt betont
die „leichte Montierbarkeit“ der Räder. Alles relativ
Technische Daten
Fotos: H. Neu (7), A. Perkovic, Hersteller, privat
Krupp 980 Front
klassiker mit Achtzylinder
be keine passende Lizenz. Und
selbst wenn: „Vater lässt Fremde
nur ungern ans Steuer.“
Die Unterhaltung endet abrupt. Denn nach Saschas Knopfdruck startet der Direkteinspritzer ein gewittriges Dauer-Donnerwetter, jetzt hilft nur noch
Zeichensprache. Über Ohrenschützer, die heute jeder lästige
Laubbläser-Schwinger trägt, hätten sie verächtlich gelacht, die
Kapitäne der Landstraße.
Sogar der damalige Tester
stellte sich taub. Es sei „jetzt im
Krupp-Lastwagen ausgesprochen ruhig geworden, das dumpfe Brummen des Motors wird
höchs­tens durch den ViscoLüf­ter übertönt“, schreibt „Das
Nutzfahrzeug“ im November
1965. Krupp-Kenner wissen: Die
vom Cummins-Motor abgelös­
ten Zwei­takt-Diesel lärmten wie
Starfighter beim Start, insofern
mag dem Tester der Neue leiser
vorgekommen sein.
Lastwagenfahrer, ein Job für
harte Männer. Nur sie bändigten
die Kraft der 12,8 Liter Hubraum,
das unsynchronisierte Getriebe,
die schwergängige Kupplung und
die hinterhältig zischende Luftdruckbremse. Die in den 60ern
hochmoderne Servolenkung bemüht sich zwar nach Kräften,
trainiert aber immer auch beide
Bizepse des Steuermanns.
Der klagte auch nicht über die
kleinen Sitze, die eigentlich bessere Gartenstühle sind. Immer-
Links: am Schalthebel die Wipptaste für das Vorschaltgetriebe. Oben:
Start-Pilot-Einspritzung für den winterlichen Kaltstart, daneben Schalter für
die Differenzialsperre. Unten: spartanisches Fahrerhaus mit unbequemkleinen Sitzen, aber in der Mitte schon ein Halter für die Thermoskanne
Motor: Krupp-V8 (Lizenz Cummins), vorn
längs eingebaut • zentrale Nockenwelle,
vier Ventile pro Zylinder • Direkteinspritzung durch PTG-Förderpumpe mit PTCInjektor • Hubraum 12 849 cmÍ • Leistung
195 kW (265 PS) bei 2600/min • max. Drehmoment 770 Nm bei 1600/min Antrieb/
Fahrwerk: Sechsganggetriebe mit elektropneumatischer Vorschaltgruppe,
also zwölf Vorwärts- und zwei Rückwärts­
gänge • Hinterradantrieb • Starrachsen,
→Plus/Minus
→MARKTLAGE
Größtes Minus: Der Spaß ist nicht billig, das
beginnt schon bei der Suche nach einer ausreichend großen Abstellfläche. Das Gute
dabei: Es gibt in diesem Metier kaum Spekulanten, sondern überwiegend echte Fans
der Schwarze-Fingernägel-Fraktion. Nicht
immer sind Vollrestaurierungen fällig – an
dem hier gezeigten Cummins-Krupp war
nur das Fahrerhaus zu überholen, der Motor ist dank früher Stilllegung erst rund
80 000 km gelaufen. Zweitakter sind begehrter, aber fast nie auf dem Markt. Über
die Standfestigkeit der Cummins-Motoren
sagt Holger Gräf, Chefredakteur des Fachmagazins „Historischer Kraftverkehr“:
„Die Kruppianer haben den Motor komplett
überarbeitet, alle Probleme gelöst und die
letzten Jahrgänge richtig standfest gemacht. Die V6 und V8 sind drehfreudig, haben richtig Mumm!“
Zweitakter werden fast nur innerhalb der
Szene gehandelt, Cummins-Modelle hier
und da auf dem freien Markt. Ihr Zustand
ist meist desolat. Billig ist so ein TechnikMonument nicht: Auf rund 80 000 Euro
schätzen Krupp-Experten den Wert des
blauen Foto-Exemplars. Ansonsten ist
Kommunikation alles, bei Besuchen vieler
Lastwagen-Sammlertreffen lassen sich
Kontakte knüpfen. Die Szene funk­tioniert
und ruht in sich – Neulinge brauchen einige Zeit, bis sie dazugehören.
→ERSATZTEILE
Pero cortio odo el duisl dionsecte mod tem quamcommolum eros ad enit
vel er ipsuscil ipit ipisi.Duisim quamcon ummodio doluptat, quat lum quisl
iuscipit wis nulla facil etummy ipit vel ip ex eriusto odolum quisi te
vorn mit Stabilisator, Halbelliptik-Blattfedern • Trilex-Räder, Reifen 12.00-20/PR
16 Maße: Radstand 3700 mm • L/B/H
6355/2440/2820 mm • Leergewicht 7540
kg Fahrleis­tungen/Verbrauch: Spitze
je nach Achsübersetzung bis 82 km/h •
Verbrauch ca. 30 l Diesel pro 100 km
Neupreis: circa 63 000 Mark (1968)
Alltagstauglichkeit
Reparaturfreundlichkeit
Ersatzteilversorgung
Unterhaltskosten
Verfügbarkeit
Preisprognose
40 www.autobild-klassik.de | Nr. 11 · November 2012
ã
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ã
ãã
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Eine organisierte Ersatzteilversorgung gibt
es nicht, dafür aber gut verdrahtete KruppBesitzer: Jeder hilft jedem mit (Gebraucht-)
Teilen. Standard-Ersatzteile für das ZFGetriebe, Bremsen und Zubehör bereiten
wenig Probleme, sind gut zu bekommen.
Schwieriger ist die Lage bei den KruppCummins-Motoren. Die Krawa (Kraftwagenfabrik) in Essen ist längst Geschichte,
also ist die Szene besonders hier auf Selbsthilfe mitsamt Nachfertigungs-Aktionen
angewiesen. Krupp hat auch Muldenkipper
und Mobilkrane gebaut, sodass sich mit­
unter noch kleinere Ersatzteilbestände
finden lassen. Das gilt übrigens auch für
die Zweitakt-Modelle der Essener Marke.
ã mangelhaft • ã ã ausreichend • ã ã ã befriedigend • ã ã ã ã gut • ã ã ã ã ã sehr gut
Schon 1893 stieg Krupp in den Motorenbau
ein, schloss einen Vertrag mit Rudolf Diesel. Ab 1908 bauten die Essener zusammen
mit Daimler einen Plattformwagen für Geschütze, ein echtes „Bombengeschäft“ für
beide Konzerne. Ab 1920 produzierte Krupp
ein Fünftonner-Fahrgestell für Sonderfahrzeuge. Abenteuerliche Konstruktionen mit
Boxermotoren und Zweitakt-Gegenkolben
folgten. 1940 dann der Leckerbissen: ein
Zweitakt-Diesel in V8-Form. Er blieb eine
Rarität. Als 1946 der Lkw-Bau im Fränkischen unter dem Namen „Südwerke“ wieder anlief, griffen die Krupp-Ingenieure das
Zweitakt-Prinzip erneut auf und entwickelten einen Dreizylinder, weil die Besatzungsmächte den Motorenbauern im Nachkriegsdeutschland maximal 100 PS erlaubten. Da stärkere Lkw fehlten, griffen
die Südwerker zu einer List: Sie koppelten
einfach zwei Dreizylinder — fertig war der
legendäre Titan mit anfangs 200, später
210 PS. 1951 kam die Fertigung zurück nach
Essen, die Laster zeigten wieder die drei
berühmten Ringe, die das Krupp-Patent
der nahtlos geschweißten Eisenbahnräder
symbolisieren. Nach 1951 ging es zügig aufwärts, eine ganze Modellfamilie vom Dreizylinder (Büffel, Widder, Elch), Vierzylinder (Mustang, Drache) bis zum Fünfzylinder (Tiger) folgte. Ab 1963 arbeitete Krupp
mit Cummins-Motoren. Der V8 mit 265 PS
war Deutschlands stärkster Lastwagen­
motor, doch technische Probleme ruinierten den Ruf. Im Juni 1968 war Schluss,
Mercedes übernahm das Händlernetz.
→EMPFEHLUNG
Wer eine eigene Werkstatt hat, lebt
leichter mit einem Lkw-Klassiker – selbst
dann, wenn er nicht selbst restaurieren
will, denn das ist für Einsteiger fast unmöglich. Wer einen eigenen Krupp haben möchte, sollte nicht mit einer Riesen-Baustelle
beginnen. Ohne Fachkenntnisse sind 1950 bis 1954 Titan, der Name passt zur LkwKrupp-Lkw nicht reparabel . Die Technik Legende der 50er. Es gibt nur noch zwei davon
der älteren Zweitakter gilt als relativ
unproblematisch, während die Viertaktmotoren der letzten Baujahre eine
kundigere Hand erfordern.
→ADRESSEN
Klub: gibt es nicht. Unterstützung bieten 1951 bis 1955 Zyklop-Muldenkipper auf Basis
Sammler, z. B. Hoffmann Nutzfahrdes Titan. Ebenfalls schon 210 PS – eine Macht
zeuge und sein Nutzfahrzeug-VeteranenCenter (www.nvc-oberhausen.de,
Telefon 02 08-8 23 23-0) oder die Fachmagazine wie zum Beispiel „Historischer
Kraftverkehr“ (www.verlagrabe.de)
Literatur: K.-H- Hesse: Alle Last­wagen
von Krupp, Verlag Klaus Rabe, 20 Euro;
Bernd Regenberg: Das Lastwagen-Album
1966 bis 1968 Noch ein Spätwerk: AK 380 mit
Krupp, Podszun, 44,90 Euro
Cummins-V8, hier als sogenannter Langhauber
November 2012 · Nr. 11 | www.autobild-klassik.de 41