Tenor Tatbestand
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Tenor Tatbestand
VG München, Urteil v. 14.06.2012 – 10 K 11.4717 Titel: Normenketten: § 33 GrStG § 33 GrStG § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG §§ 32 und 33 GrStG § 34 Abs. 2 GrStG § 33 GrStG § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG §§ 32 und 33 GrStG § 34 Abs. 2 GrStG Orientierungsatz: Insolvenz des Grundsteuerschuldners; Einschränkung der Anwendbarkeit des Grundsteuererlassanspruchs Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klagepartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand Die insolvente ... GmbH & Co. KG (Grundstücksveräußerin) war Alleineigentümerin des Grundstücks ...straße 30-32 in ... in ... Der Insolvenzverwalter verkaufte und übereignete den vorbenannten Grundbesitz mit notariellem Kaufvertrag vom 14. Dezember 2009 an die ...zentrum ... GmbH & Co. KG (Grundstückserwerberin). Als Zeitpunkt des Besitzübergangs inklusive Nutzungen, Lasten, sämtlichen Gefahren und der Versicherungspflicht war der 1. Januar 2010, 1 Uhr vereinbart worden. Die bis zum Tag des Besitzübergangs angefallene bzw. anfallende Grundsteuer samt Säumniszuschlägen hat ausschließlich der Veräußerer zu tragen (siehe Nr. 4.1 des notariellen Kaufvertrags). Die Zurechnungsfortschreibung des Grundbesitzes auf die Grundstückserwerberin erfolgte auf den 1. Januar 2011 (Einheitswert- und Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes ... v. ...6.2010). Für das Kalenderjahr 2010 hat die Beklagte gegenüber der Klagepartei (bzw. deren Insolvenzverwalter) die Grundsteuer in Höhe von 21.979,98 Euro festgesetzt. Der Insolvenzverwalter hat die Grundsteuer für das Kalenderjahr 2010 an die Beklagte entrichtet. Der Insolvenzverwalter beantragte für die Klagepartei bei der Beklagten am 4. März 2011 für das Kalenderjahr 2010 den Erlass der Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderung nach § 33 GrStG in Höhe von 25%, d. h. 5.495 Euro. Zur Antragsbegründung wird ausgeführt, nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums, mithin nach den Verhältnissen des Kalenderjahres 2010, habe die geschätzte übliche Jahresrohmiete insgesamt 432.000 Euro betragen. Der im Erlasszeitraum tatsächlich erzielte Rohertrag belaufe sich auf lediglich 52.524 Euro. Die Minderung belaufe sich auf 87,85%, d. h. 379.476 Euro. Da der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50% gemindert sei und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten habe, sei die Grundsteuer zu 25% zu erlassen. Die angeführten Ertragsdaten stammen von der Grundstückserwerberin. Mit Bescheid vom ... März 2011 lehnte die Beklagte den beantragten Grundsteuererlass für das Kalenderjahr 2010 ab. Die ... GmbH & Co. KG befinde sich in Insolvenz und ein Grundsteuererlass würde somit nur ihren Gläubigern zugute kommen, da die wirtschaftliche Existenz der insolventen KG bereits vernichtet sei. Ein Grundsteuererlass könne somit nicht gewährt werden. Hierbei wurde auf das Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 15. April 1983 Az. (richtig) 8 C 52/81 Bezug genommen. Das Objekt ...straße 30-32 sei am 14. Dezember 2009 veräußert worden und damit nicht nur zu „reinen Vermietungsabsichten“ auf den Markt gebracht worden. Der Erlassantrag sei daher auch abzulehnen, da sich die Grundsteuerschuldnerin nicht ausschließlich um eine Weitervermietung des Objekts bemüht habe. Gegen den Bescheid der Beklagten vom ... März 2011, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, hat der Insolvenzverwalter mit Eingang am 4. April 2011 Widerspruch eingelegt. Die Grundstückserwerberin habe zu Beginn des Erlasszeitraums 2010 tatsächlich eine Bruttokaltmiete von lediglich 52.524 Euro erzielt, während die Grundsteuer für das Kalenderjahr 2010 tatsächlich von einer Jahresrohmiete über 432.000 Euro ausgehe. Der Insolvenzverwalter als Steuerschuldner habe die Minderung des Rohertrages nicht zu vertreten. Da Besitz, Nutzen und Lasten auf die Grundstückserwerberin übergegangen seien, habe der Steuerschuldner keinen Einfluss auf eine Weitervermietung an Dritte. Nach Übergang von Nutzen und Lasten sei hierzu allein die Grundstückserwerberin zuständig. Mit der Zahlung der vollen Grundsteuer für das Jahr 2010 werde die Insolvenzmasse gemindert. Mit Widerspruchsbescheid vom ... August 2011 wies das Landratsamt ... den Widerspruch des Insolvenzverwalters zurück. Die Grundsteuer sei eine ertragsunabhängige Real- oder Objektsteuer, die allein auf der Grundlage des Einheitswerts erhoben werde. Deshalb lasse sich aus der mangelhaften Ertragslage eines Grundstücks eine zum Billigkeitserlass berechtigende Härte grundsätzlich nicht herleiten. Von diesem Grundsatz lasse das Gesetz Ausnahmen gemäß §§ 32 und 33 GrStG zu. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass sich der Steuerschuldner bereits in Insolvenz befunden habe. Dies begründe eine unwiderlegbare Vermutung der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Grundsteuerschuldners. Ein Erlass der Grundsteuer würde somit dem Sinn des § 33 GrStG zuwiderlaufen, Grundstückseigentümern in Ausnahmefällen bei von ihnen nicht zu vertretenden wirtschaftlichen Ertragsminderungen eine Entlastung zu gewähren. Diese Sichtweise habe das Bundesverwaltungsgericht gemäß Entscheidung vom 15. April 1983 Az. 8 C 52/81 vorgegeben. Der Insolvenzverwalter hat durch seine Bevollmächtigten (die ehedem Bevollmächtigten der Grundstückserwerberin; Bevollmächtigung Bl. 30 der Gerichtsakte) mit Eingang am 30. September 2011 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben lassen und beantragt zuletzt, unter Aufhebung des Bescheids der Beklagte vom ... März 2011 und des Widerspruchsbescheids des LRA ... vom ... August 2011 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Grundsteuer für das Jahr 2010 in Höhe von 5.495 Euro zu erlassen. Die Klagebegründung entspricht dem bisherigen Vortrag im Verwaltungsverfahren. Ergänzend wird ausgeführt, die Klagepartei habe die Grundsteuer für 2010 für die Grundstückserwerberin „verauslagt“. Die Klagepartei habe der Grundstückserwerberin die verauslagte Grundsteuer in Rechnung gestellt, angemahnt und zwischenzeitlich eingeklagt. Die Grundstückserwerberin vertrete gegenüber der Klagepartei die Rechtsauffassung, leistungsfrei zu sein, soweit die Grundsteuer wegen wesentlicher Erwerbsminderung nach § 33 GrStG zu erlassen sei. Ein Erlass der Grundsteuer komme daher nicht den Insolvenzgläubigern zugute, vielmehr allein der Grundstückserwerberin, die die rechnerisch sachlichen Erlassvoraussetzungen ohne Weiteres erfülle. Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt, Klageabweisung. Als Steuerschuldnerin der Grundsteuer für den VZ 2010 sei die Klagepartei zwar antragsbefugt im Sinne von § 33 GrStG, auch sei die Antragsfrist des § 34 Abs. 2 GrStG eingehalten. Rechtlich ungeklärt sei die Frage, inwieweit ein Steuerschuldner einen Grundsteuererlass nach Maßgabe von § 33 GrStG begehren könne, indem er auf eine wesentliche Ertragsminderung seines Rechtsnachfolgers verweise, da er selber wegen des Übergangs von Nutzen und Lasten auf den Rechtsnachfolger keinerlei Einfluss auf eine Weitervermietung an Dritte gehabt hatte. In materieller Hinsicht könne der den Erlass beantragende Voreigentümer nur dann einen Erlassanspruch haben, wenn ihm das Verhalten des Nacheigentümers für den Erlasszeitraum zugerechnet werde, was vorliegend ersichtlich nicht der Fall sei. Denn § 33 Abs. 1 GrStG setze voraus, dass der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten habe. Damit werde der Anspruch auf Erlass gemäß § 33 GrStG in subjektiver Weise durch die Entscheidungssphäre des Steuerschuldners begrenzt. Wegen fehlender Steuerbarkeit der Minderung des Rohertrages durch die Steuerschuldnerin könne vorliegend auch kein Erlass gewährt werden. Der Begriff des Vertretens setze ersichtlich eine grundsätzlich bestehende Steuerungsmöglichkeit voraus. Andernfalls käme man in derartigen Konstellationen eines Eigentümerwechsels stets zu dem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis, dass immer ein Erlass nach § 33 GrStG gewährt werden müsste. Mindestens wäre im Hinblick auf das Nichtzuvertretenhaben der Minderung des Rohertrages, dass die Klagepartei nachweist, warum die Erwerberin die Rohertragsminderung im Einzelnen nicht zu vertreten habe. Der Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde sei ferner beizupflichten, wonach der gesetzlichen Zweckbestimmung des § 33 GrStG dann nicht mehr genügt werden können, wenn die wirtschaftliche Existenz des Steuerschuldners in Folge Insolvenz bereits vernichtet sei, ein Erlass wirtschaftlich also nicht ihm, sondern in erster Linie seinen Gläubigern zugute käme. Auch für die vorliegende Sachverhaltskonstellation gelte nichts anderes. Lediglich die insolvente Steuerschuldnerin habe einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung bereits geleisteter Grundsteuer. In Folge einer solchen Rückzahlung ergebe sich ausschließlich für deren Gläubiger eine um diesen Erstattungsbetrag erhöhte Insolvenzmasse und eine entsprechend erhöhte Quote. Warum die Erwerberin meint, einen alleinigen Anspruch auf Auskehr dieses Betrages an sie zu haben, sei nicht verständlich. Ein Anspruch auf weitergehenden Erlass der Grundsteuer bestehe ebenfalls nicht. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen. Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom ... März 2011, mit dem die Beklagte den Antrag der Klagepartei nach § 33 GrStG auf Erlass der Grundsteuer in Höhe von 5.494 Euro abgelehnt hat, und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des LRA ... vom ... August 2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klagepartei nicht in ihren Rechten. Die Klagepartei hat keinen Rechtsanspruch auf Erlass der Grundsteuer nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Die Geltendmachung eines Rechtsanspruchs nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG ist nach Sinn und Zweck dieser Erlassvorschrift auf die Grundsteuerpflichtigen beschränkt, deren wirtschaftliche Existenz im Erlasszeitraum noch nicht vernichtet ist. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtshofs vom 15. April 1983 Az. 8 C 52/81, KStZ 1983, 137 ff., fortgeführt zuletzt durch OVG Rheinland-Pfalz vom 18. Juni 2010 Az. 6 A 10376/10, der sich die erkennende Kammer anschließt, enthält § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Inhalts, dass zum Kreis der erlassberechtigten Grundsteuerpflichtigen nur diejenigen gehören, deren wirtschaftliche Existenz im Erlasszeitraum noch nicht vernichtet ist. Maßgeblich für die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ist, dass die Grundsteuer nach der gesetzlichen Konzeption eine ertragsunabhängige Objektsteuer ist. Basierend auf diesem Grundsatz der Ertragsunabhängigkeit hat es auf die Einziehung der Grundsteuer keinen Einfluss, ob das Objekt Ertrag abwirft oder nicht. Mit der Regelung in § 33 GrStG erfährt dieser Grundsatz eine Durchbrechung bei bebauten Grundstücken und bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft. Hiernach soll - als Ausnahme vom Grundsatz der Ertragsunabhängigkeit - durch Verkürzung der Grundsteuer bei vom Abgabepflichtigen nicht zu vertretender wesentlicher Ertragsminderung eine wirtschaftliche Entlastung des Grundsteuerpflichtigen zulasten der Grundsteuerempfängerin gewährt werden. Diese gesetzliche Zweckbestimmung ist nicht mehr erreichbar, wenn die wirtschaftliche Existenz des Grundsteuerschuldners vernichtet ist, der Erlass wirtschaftlich also nicht ihm, sondern in erster Linie seinen Gläubigern zugute kommen würde. Entsprechend dieser Einschränkung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG hat die Klagepartei keinen Rechtsanspruch auf Grundsteuererlass. Die Auffassung der Klagepartei, der Erlass käme der Grundstückserwerberin und nicht den Gläubigern der Klagepartei zugute, ist unzutreffend. Dieser Vortrag bezieht behauptete zivilvertragliche Forderungen zwischen der Klagepartei und der Grundstückserwerberin mit ein, die hingegen unmaßgeblich sind. Allein maßgeblich ist die öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung zwischen der Klagepartei als Grundsteuerschuldnerin für den Veranlagungszeitraum 2010 und der Beklagten. Die Klagepartei ist unstreitig Grundsteuerschuldnerin. Da die Grundsteuer eine Stichtagsregelung nach § 9 GrStG beinhaltet (Beginn des Kalenderjahres) und nach § 10 GrStG der Klagepartei zu Beginn des Kalenderjahres 2010 als bürgerlich- rechtlicher Eigentümerin der Steuergegenstand in der Einheitswertfeststellung bis zur Änderung mit Wirkungszeitpunkt auf den 1. Januar 2011 zugerechnet war, würde eine verminderte Grundsteuerzahlung oder eine Rückerstattung des Erlassbetrages der gezahlten Grundsteuer nur der Insolvenzmasse der Klagepartei zufließen. Dass nach den behaupteten zivilvertraglichen Beziehungen zwischen der Klagepartei und der Grundstückserwerberin wirtschaftlich per Saldo durch Geldzufluss an die Insolvenzmasse durch die Grundstückserwerberin in Höhe der geminderten Grundsteuerzahlung eine „faktische Weitergabe“ der öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtung der Klagepartei in der vorgenannten Höhe erfolgen soll, ist für den öffentlich-rechtlichen Erlassanspruch nach § 33 GrStG und dessen Anwendungsbereich unmaßgeblich. Ebenso ist unmaßgeblich, ob nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO i. V. m. § 39 AO für den Veranlagungszeitraum 2010 eine Änderung in der Person des Grundsteuerpflichtigen, nämlich der Grundstückserwerberin als wirtschaftlicher Eigentümerin im Veranlagungszeitraum 2010, durch geänderte gesonderte Einheitswertfeststellung (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO) hätte erreicht werden können. Insoweit wäre auch die Fristbindung nach § 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG abgelaufen. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.