Sensationelle Zuschreibung - frank c. möller fine arts
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Sensationelle Zuschreibung - frank c. möller fine arts
amerikanischen Museum reserviert. Im Jahr 2005 war die Schale Der Kunsthandel fördert Tag für nur eines von 20 000 Losen. Die Tag Objekte unterschiedlicher Qua- Kürze der Zeit, in der das gigantiEreignis durchgezogen lität auf den Markt. Ganz selten sche sind darunter Werke, die sich nicht wurde, ließ dem Auktionshaus nur über ihre Schönheit und ihren keine Möglichkeit, jedes Objekt Wert definieren, sondern auch die akribisch zu hinterfragen. Im KataKunstgeschichte um neue Facetten log war sie unvollständig in Briefbereichern und als wahre Sensatio- markengröße abgebildet. Dennoch nen zu bezeichnen sind. Ein sol- war sie einem Kunsthändler aus cher Coup ist dem Hamburger Leeds im Gegensatz zum geringen Kunsthändler Frank C. Möller ge- Schätzwert 60 000 Euro wert. Der britische Händler aber lungen: Was im Oktober 2005 im Katalog von Sotheby’s großer Auk- wurde nicht glücklich mit der Ertion des königlichen Hauses Han- werbung und gab das schneeweiße nover auf der Marienburg als Los Gefäß in den Handel nach Paris 3412 als „schöne Marmorschale, ita- weiter. Dort erst entdeckte sie – lienisch, 19. Jahrhundert“ mit ei- „wie vom Blitz getroffen“ – Frank nem Schätzwert von 5 000 bis C. Möller, der sich seit vielen Jah8 000 Euro aufgeboten wurde, ist ren intensiv mit dem Werk des Arnach zwei Jahren Recherche nun lü- chitekten, Stadtplaners, Malers, ckenlos einem Entwurf des stilbil- Skulpteurs Schinkel beschäftigt. denden Architekten des Preußi- Alle Details der Ornamentik spraschen Klassizismus Karl Friedrich chen für eine Zuschreibung an Schinkel: der abwechselnd aus Schinkel (1781-1841) zuzuordnen. Angefertigt wurde das auf fast Blatt und Palmette bestehende eine Mio. Euro angesetzte Pracht- Fries, die den Rand der Schale stück von fast einem Meter Durch- schmückenden, fein aufgefädelten CLAUDIA HERSTATT | HAMBURG messer in der Bildhauerwerkstatt Kügelchen in Form einer Perlendes nicht minder berühmten Chris- kette. Möller griff zu, auch wenn es tian Daniel Rauch zwischen 1824 bis 1826. Bis zum 20.10. ist die auf einem Untersatz drehbare Schale Für fast eine Mio. Euro von einem aus hauchdünnem, durchscheinen- US-Museum reserviert: Schinkels erdem Carrara-Marmor von einem lesene Marmorschale (1824/1826). CLAUDIA HERSTATT | HAMBURG 50 | * zunächst keinen Nachweis auf Schinkel gab. Die Museen, bei denen er vorsprach, winkten ab. Das Kunsthandwerk ist in der Wissenschaft und Lehre immer noch ein vernachlässigtes, wenig erforschtes Terrain. Nach systematischer Suche in den Katalogen der alle zwei Jahre stattfindenden Ausstellungen der Berliner Akademie aus der preußischen Blütezeit stieß Möller in den Aufzeichnungen des Jahres 1826 auf den Eintrag: „Eine Schale in Marmor, nach einer Zeichnung des Geheimen Oberbauraths Schinkel“ aus dem Atelier Rauch. Dass der Bildhauer neben Denkmälern und Porträtbüsten auch dekorative Objekte auf höchstem Niveau anfertigte, war bis dahin unbekannt. Der Hinweis auf die Werkstatt von Christian Daniel Rauch führte Möller ins Staatsarchiv in Dahlem. Dort sind die Kontenbücher Rauchs aufbewahrt mit den von Rauch selbst notierten Rechnungen und Aufträgen. In den von allen Historikern offensichtlich übersehenen Eintragungen ab 1824 fand Möller, was er suchte: etwa, dass Rauchs Mitarbeiter Francesco Menghi Baba in Carrara an einer Schale mit Weinstockhenkeln nach einer Zeichnung von Schinkel arbeite; außerdem minutiös notierte Einzelheiten über die aus einem einzigen Marmorblock herausgearbeitete Schale. Details, die nach mehr als 180 Jahren eindeutige Indizien lieferten. Die an Prinz Wilhelm für 230 Taler verkaufte Schale war der Aktenlage nach offensichtlich ein Geschenk an den Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. Sie hatte im Berliner Stadtschloss im sogenannten Teesalon vor einem Spiegel zwischen zwei Fenstern ihren Platz, bis der Kronprinz sie im Jahr 1837 seiner Schwester Friederike schenkte. Diese bestieg als Gattin von König Ernst August von Hannover in diesem Jahr den Thron, womit sich der Kreis schließt. Der große Kehraus des Welfenhauses im Jahr 2005 schließlich beförderte das exquisite kunsthandwerkliche Schaustück ans Licht. KUNSTMARKT 9./10./11. OKTOBER 2009 | NR. 195 Sensationelle Zuschreibung Eine „schöne Marmorschale“ entpuppt sich als Schinkel-Entwurf – Entdeckt hat sie der Kunsthändler Frank C. Möller amerikanischen Museum reser- zunächst keinen Nachweis auf Geheimen Oberbauraths Schinkel“ viert. Im Jahr 2005 war die Schale Schinkel gab. Die Museen, bei de- aus dem Atelier Rauch. Dass der C. Möller wird seinen außergewinkten ab. Das Bildhauer neben Denkmälern und Der Kunsthandel fördert Tag für nur eines von 20 000 Losen. Die nen er vorsprach,Frank wöhnlichen Fund auf den Munich Highlights (15. bis Wissen18. 10.) in MünchenPorträtbüsten auch dekorative Obin der Tag Objekte unterschiedlicher Qua- Kürze der Zeit, in der das giganti- Kunsthandwerk ist präsentieren – zu Gast bei Bernheinoch ein Ereignis durchgezogen schaft und Lehremerimmer lität auf den Markt. Ganz selten sche Fine Old Masters (Bericht folgt). jekte auf höchstem Niveau anfersind darunter Werke, die sich nicht wurde, ließ dem Auktionshaus vernachlässigtes, wenig erforsch- tigte, war bis dahin unbekannt. Der Hinweis auf die Werkstatt von nur über ihre Schönheit und ihren keine Möglichkeit, jedes Objekt tes Terrain. Nach systematischer Suche in Christian Daniel Rauch führte MölWert definieren, sondern auch die akribisch zu hinterfragen. Im KataNEUES VOM MARKT Kunstgeschichte um neue Facetten log war sie unvollständig in Brief- den Katalogen der alle zwei Jahre ler ins Staatsarchiv in Dahlem. Rückkehr nach Köln ckas monumentale „Werkstattfindenden Ausstellungen der Dort sind die Kontenbücher bereichern und als wahre Sensatio- markengröße abgebildet. Dennoch Die Art Cologne holt auf. Im Rennen skizze“ aus dem Jahr 1966 ging Berliner der Rauchs aufbewahrt mit den von nen zu bezeichnen sind. Ein sol- war sie einem Kunsthändler aus füraus 32 000 Europreußi(20 000) ins um einen SpitzenplatzAkademie unter den Rheinland. Einem Stuttgarter Kunstmessen hat Direktor Daniel schen Blütezeit stieß Möller in den Rauch selbst notierten Rechnuncher Coup ist dem Hamburger Leeds im Gegensatz zum geringen Telefonbieter war Max AckerHug eine Reihe wichtiger Galerien BemerkenswertFrank gute Bilanz von Christie’ Kunst manns „Horizontales Formspiel“gen und Aufträgen. In den von alwieder Aufzeichnungen zur Teilnahme bewegen kön- des Jahres 1826 Schätzwertmit 60Schweizer 000 Euro wert. Kunsthändler C. Möller ge-s Spezialauktion nen. Am überraschendsten ist wohl 25 000 Euro (10 000) wert. Der britische Händler auf den Eintrag: „Eine Schale in len Historikern offensichtlich überlungen: Was im Oktober 2005 im ner Taxe und vor den Augen des Marco, Perugia“ von 1913 mit weit aber Insgesamt erlöste die Auktion die Bewerbung von Akira Ikeda aus CHR. V. FABER-CASTELL | ZÜRICH überraschten Einlieferers auf über der Schätzung liegenden eine Dreiviertelmillion Euro ohne Tokio, der das letzte Mal in den Marmor, nach einer Zeichnung des wurde nicht glücklich mit der Ersehenen Eintragungen ab 1824 fand Katalog von Sotheby’s großer AukMit insgesamt 5,9 Mio. Euro steu- 333 144 Euro geklettert. 539 376 Euro. Auch Giovanni GiacoAufgeld. | kob 1980er-Jahren teilgenommen ern vier des Schweizer Unterbrochen das „Hod- mettis herrliche Gehatte. Zu den Rückkehrern gehören werbung und 1914 gabgemalte das schneeweiße tion desGemälde königlichen Hauses Han-wurde Nationalmalers Ferdinand Hodler ler-Festival“ lediglich vom Erfolg birgslandschaft „Mattina d’inverno weiterhin Karsten Greve (Köln), Mo- Pan kennt keine Krise Gefäß Handel nach nover derzuMarienburg alsVallottons Los fast mehr alsauf die Hälfte dem heutzu- von Felix expressio-in– den Wintermorgen“ erzielte mit 1,4Paris Unbeirrt von Finanzmarktdenica Sprüth (Berlin/London), tage schon fast sensationellen Ge- nistischer Klostergartenarchitek- Mio. Euro rund das Doppelte ihrer pressionen und WirtschaftsturNächst St. Stephan (Wien) und Rüweiter. Dort erst entdeckte sie – 3412 als „schöne Marmorschale, itasamtumsatz von Christie’s Züri- tur „L’escalier du couvent San unteren Taxe. bulenzen kletterte auf der Antidiger Schöttle aus München. Auch cher Spezialauktion „Schweizer kenauktion bei Cahn in Basel Judy Lybke kehrt mit seiner Galerie lienisch, 19. Jahrhundert“ mit ei- „wie vom Blitz getroffen“ – Frank Kunst“ bei. Toplose am 21. Septemein rund 2 000 Jahre alter kopfEigen+Art nach jahrelanger Abstinem Schätzwert von 5 000 bis C. Möller, der sich seit vielen Jahber waren Hodlers 1910 gemaltes loser marmorner Hirtengott nenz zur Art Cologne zurück. „Ich Bergporträt „Eiger, Mönch und habe mich für die Art Cologne ange- Pan auf 268 421 Euro. Bei dem ren intensiv mit dem Werk des Ar8 000 Euro aufgeboten wurde, ist Jungfrau“ und seine ein Jahr zuvor knapp 40 cm hohen Torso hanmeldet“, bestätigt er, und fügt gemalte tanzende, blau gewandete delt es sich um die künstlerisch schmunzelnd hinzu: „Jetzt müssen nach zwei Jahren Recherche nun lü- chitekten, Stadtplaners, Malers, „Femme joyeuse“. Beide Gemälde sie mich nur noch zulassen.“ | kob ungewöhnlich eigenständige röSkulpteurs Schinkel beschäftigt. ckenlos einem Entwurf sind zwar einzigartig marktfrisch, des stilbilmische Nachbildung einer helleaber etwas blass und auffrischungsProfitable Verkleinerung nistischen Bronzefigur des sodenden Architekten des Preußi- Alle Details der Ornamentik sprabedürftig in den Farben. Sie mussBis zu 250 Interessenten füllten das genannten „schwänzchenhaten zu ihren vermuteten Reserveschenden Satyrknaben“. Vor Zelt, in dem die Berlinerin Irene schen Klassizismus Karl Friedrich chen für eine Zuschreibung an preisen von 2,8 Mio. Euro und versammelter internationaler Lehr den Lagerbestand der Galerie Schinkel: der abwechselnd aus Schinkel zuzuordnen. 2 Mio. Euro (1781-1841) an anonyme TelefonSammler- und vor allem HändValentien in Stuttgart versteigerte. bieter abgegeben werden. lerelite konnte er seinen AusrufMit dem Umzug in kleinere Räume Angefertigt wurde das auf fast Blatt und Palmette bestehende Dafür aber zahlte das Züricher preis verdoppeln. Bereits zur kam vieles zutage, das teilweise Händlerduo Beda Jedlick und SteMitte dieser wichtigen Versteinoch in D-Mark ausgezeichnet war. eine Mio. Euro angesetzte Pracht- Fries, die den Rand der Schale fan Puttaert von der Galerie J & P gerung hatte eine museumsDie vollständige Neubewertung zu stück von fast einem Meter Durch- schmückenden, fein aufgefädelten Fine Art – beides ehemalige Expergünstigen Auktions- statt zu Galerie- würdige attische, schwarzfiguten bzw. Direktoren von Christie’s rige Augenschale der Krotospreisen lockte vor allem Sammler messer in der Bildhauerwerkstatt Kügelchen in Form einer PerlenZürich bzw. Phillips, de Pury & Lu- Ferdinand Gruppe sowohl die Krisenfestigan. Bis auf sechs fanden alle der xembourg Zürich – fürberühmten Hodlers HodlersChriskeit der Antiken als Kunst298, vorwiegend aus dem Prokette. Möller griff zu, auch wenn es des nichtinminder eindrucksvolles Selbstbildnis von eindringgramm des traditionsreichen Kunst- marktgebiet als auch die tian Daniel Rauch zwischen 1824 1912 mit 793 000 Euro rund das Dopliches starke Marktstellung des Basvermittlers stammende Lose einen pelte der mittleren Taxe. Wenige „Selbstneuen Besitzer. Den höchsten Preis ler Traditionsunternehmens bebis 1826. Bis zum 20.10. ist die auf eiLose davor war sein unscheinbar bildnis“ wiesen. Die in der Zeit um 520 zahlte mit 64 000 Euro netto kleinformatiges, aber rührend di- von 1912 bis 510 v. Chr. entstandene (Taxe 40 000) ein niedersächsinem Untersatz drehbare Schale Für fast eine Mio. Euro von einem rektes Kinderbild „Der kleine Fi- erzielte Schale kam auf einen überrascher Sammler für Fritz Klimschs aus hauchdünnem, durchscheinenUS-Museum reserviert: Schinkels erscher“ aus Hodlers Frühzeit um 793 000 schenden Zuschlagspreis von überlebensgroße „Ruhende“ aus 1879 gar unter Verfünffachung sei- Euro. dem Carrara-Marmor von einem lesene Marmorschale (1824/1826).Marmor von 1909/10. Alfred Hrdli- 71 000 Euro. | fac Fotos: Frank C. Möller, Christie’s Hodler spielt einmal wieder das Zugpferd © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. Möller, was er suchte: etwa, dass Rauchs Mitarbeiter Francesco Menghi Baba in Carrara an einer Schale mit Weinstockhenkeln nach einer Zeichnung von Schinkel arbeite; außerdem minutiös notierte Einzelheiten über die aus einem einzigen Marmorblock herausgearbeitete Schale. Details, die nach mehr als 180 Jahren eindeutige Indizien lieferten. Die an Prinz Wilhelm für 230 Taler verkaufte Schale war der Aktenlage nach offensichtlich ein Geschenk an den Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. Sie hatte im Berliner Stadtschloss im sogenannten Teesalon vor einem Spiegel zwischen zwei Fenstern ihren Platz, bis der Kronprinz sie im Jahr 1837 seiner Schwester Friederike schenkte. Diese bestieg als Gattin von König Ernst August von Hannover in diesem Jahr den Thron, womit sich der Kreis schließt. Der große Kehraus des Welfenhauses im Jahr 2005 schließlich beförderte das exquisite kunsthandwerkliche Schaustück ans Licht. Frank C. Möller wird seinen außergewöhnlichen Fund auf den Munich Highlights (15. bis 18. 10.) in München präsentieren – zu Gast bei Bernheimer Fine Old Masters (Bericht folgt).