Hohlfuß - Engelhardt Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

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Hohlfuß - Engelhardt Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie
PDF 00760
Engelhardt (Hrsg.)
Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie
Hohlfuß
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Synonyme
Pes cavus; Pes excavatus; Pes cavovarus; Pes cavovalgus; Pes calcaneovarus; Pes calcaneocavus; Pes
calcaneoexcavatus; Ballenhohlfuß; Hackenhohlfuß; Hochgesprengter Fuß
Englischer Begriff
Cavus foot; Pes cavus
Definition
Angeborene oder erworbene Fußfehlform mit überhöhter Längswölbung und Steilstellung des Mittelfußes.
Pathogenese
Abgesehen von einer Vielzahl ätiologisch ungeklärter Hohlfüße überwiegen neurologische Ursachen (hereditäre
motorische und sensorische Neuropathie, Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung, Myelodysplasie, Enzephalitis,
Poliomyelitis, Friedreich-Ataxie, spinale Muskelatrophie, neurale Tumoren). Das muskuläre Ungleichgewicht
zwischen dem M. triceps surae, dem M. tibialis anterior und den Mm. peronaei wird als ursächlich für die
Entstehung des Hohlfußes angesehen. Angeborene, myopathische, posttraumatische oder entzündliche
Hohlfußdeformitäten sind selten.
Symptome
Druckbeschwerden im Schuh über dem hochgesprengten Gewölbe. Die vermehrte Belastung der Mittelfußköpfe
(Metatarsalgie) resultiert aus der Steilstellung (Inklination) des Mittelfußes. Konsekutiv entwickeln sich
Krallenzehen und Klauenzehen mit schmerzhaften dorsalen Schwielen.
Diagnostik
Klinik: Erhöhte mediale Längswölbung durch verstärkte Inklination des Mittel- und Vorfußes. Hyperpronation
des Vorfußes mit vermehrter Inklination des ersten Mittelfußknochens. Der Scheitel des Ballenhohlfußes liegt
meist in Höhe der distalen Fußwurzel. Zusätzlich kann eine Inversion des Rückfußes (Fersenvarus, Pes
cavovarus) mit krankhaft gesteigerter Beschwielung unter dem lateralen Fußrand vorliegen, seltener eine
Eversion des Rückfußes (Pes cavovalgus, Pes calcaneovalgus). Beim Hackenhohlfuß (Pes calcaneocavus, Pes
calcaneovarus) mit Scheitel in Höhe der proximalen Fußwurzel imponiert eine vermehrte Steilstellung der Ferse.
Neben einer hypotrophen Wadenmuskulatur zeigen die Betroffenen ein stampfendes Gangbild mit
Standunsicherheit.
Röntgen: Steilstellung der Ferse und horizontale Orientierung des Talus. Oft Deformierung des Os naviculare.
Betonte Steilstellung des ersten Mittelfußknochens.
Therapie
Schuhversorgungen sind geeignet, den Fuß zu betten und damit die Gehfähigkeit zu erhalten. Eine Korrektur
der Deformität im Schuh ist nicht möglich. Operative Verfahren bestehen in einer Kombination geeigneter
Weichteilmaßnahmen und knöcherner Korrekturen, wobei im Erwachsenenalter und bei fortgeschrittenen
Deformitäten ausgedehnte Rückfußarthrodesen (Triple-Arthrodese) oft nicht zu umgehen sind.
Akuttherapie
Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage mit Dehnung der plantaren Fußweichteile. Bei angeborenen
mehrdimensionalen Hohlfußdeformitäten gegebenenfalls etappenweise Redression im Gipsverband.
Konservative/symptomatische Therapie
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Orthopädisches Schuhwerk mit Hohlfußbettung und Weichbettung der Mittelfußköpfe. Dabei muss ein Ausgleich
zwischen dem tiefer stehenden ersten Mittelfußknochen und dem relativ erhöhten fünften Mittelfußknochen
herbeigeführt werden.
Operative Therapie
Weichteileingriffe: Die Ablösung der plantaren Weichteile vom Kalkaneus (Steindler-Release) reduziert die
Weichteilspannung der Fußsohle. Eine Rückverlagerung des M. peronaeus longus auf den M. peronaeus brevis
ist geeignet, die Inklination des ersten Mittelfußstrahls zu verringern. Die Achillessehnenverlängerung kann den
oft vorhandenen Spitzfuß reduzieren.
Knöcherne Korrekturen: Fußwurzelarthrodesen (subtalar, Triple-Arthrodese) mit dorsobasaler Keilentnahme
können in Höhe des Krümmungsscheitels oder als V-förmige Fußwurzelosteotomie mit dorsal gerichteter
Verschiebung des Mittel- und Vorfußes (Japas-Operation) durchgeführt werden. Eine
Kalkaneuskorrekturosteotomie ist zur Behebung der Steilstellung oder der Ferseninversion oft erforderlich.
Extensionsosteotomien des ersten Mittelfußknochens können die vermehrte Inklination beheben. Bei
Klauenzehen können die Rückverlagerung der Extensorensehnen auf die Metatarsalbasen, Arthrodesen der
Kleinzehenmittelgelenke und die Jones-Operation am ersten Strahl (Rückverlagerung der Sehne des M.
extensor hallucis longus auf den ersten Mittelfußkopf, Arthrodese des Interphalangealgelenks) durchgeführt
werden.
Dauertherapie
Ist eine operative Therapie kontraindiziert oder nicht gewünscht, besteht die Dauertherapie in einer individuell
angepassten Fußbettung. Mit der operativen Therapie lässt sich die Fußform deutlich verbessern. Einlagen oder
auch orthopädische Schuhe sind vor allem bei neurologisch bedingten Hohlfüßen oft nicht zu vermeiden.
Bewertung
Isolierte Weichteileingriffe sind nur bei Kindern bis zum siebten Lebensjahr indiziert, wobei die Ergebnisse der
Steindler-Operation oder der Sehnentranspositionen nicht zufriedenstellend sind. Eine Entspannung des
medialen Fußrands ist durch eine Kapselspaltung der Gelenke der medialen Fußsäule sowie eine anteilige
Verlagerung des M. tibialis posterior auf die laterale Fußwurzel zu erreichen.Insgesamt ist bei der operativen
Behandlung der kindlichen Hohlfußdeformität bestenfalls eine Verhinderung der Progredienz zu erwarten. Im
Erwachsenenalter muss befundadaptiert eine Kombination aus Weichteileingriffen und knöcherner Korrektur
durchgeführt werden.
Nachsorge
Nach operativen Therapiemaßnahmen, die aus einer Sehnenverlagerung und einer knöchernen Korrektur
bestehen, muss der Fuß bis zur knöchernen Konsolidierung bzw. der Anheilung der Sehne (zwölf Wochen) in
Korrekturstellung in einem Unterschenkelgips ruhiggestellt entlastet werden.
Autor
Renée Fuhrmann
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