sb. – Mehr als 550 Teilnehmer waren Ende

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sb. – Mehr als 550 Teilnehmer waren Ende
BAUMÄRKTE
sb. – Mehr als 550 Teilnehmer waren Ende Dezember der Einladung des Handelsverbandes
Heimwerken, Bauen und Garten zum BHB-Kongress in Kassel gefolgt. Unter dem Motto
„DIY unplugged – Was brauchen unsere Kunden?“ diskutierte die Branche, wie in Zeiten des
Wandels die Heimwerker von heute und morgen angesprochen werden können. Dass viel
Arbeit vor den Unternehmen liegt, wird beim Blick auf aktuelle Umsatzprognosen deutlich.
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BAUMÄRKTE
Harte Worte
Marktforscher: Baumärkte können nicht an Marktentwicklung teilhaben
Klaus Peter Teipel ist ein gefragter Mann
in der DIY- und Gartenbranche. Wo immer er auftaucht – und das ist bei vielen
Veranstaltungen der Fall –, ist ihm die
Aufmerksamkeit des Publikums gewiss.
Denn Teipel hat, worauf viele Unternehmen ihr Handeln stützen: Zahlen, Daten,
Statistiken und Prognosen. Mit dem Titel
„DIY 2015 – Fit for the future“ hatte er
seinen Vortrag beim BHB-Kongress in Kassel überschrieben.
Ist die Branche also fit für die Zukunft?
Folgt man den Ausführungen des Marktforschers und Unternehmensberaters, ist
sie es nur bedingt. Ein Präsentations-Chart
zeigte ein sehr unglückliches Gesicht,
darüber der unmissverständliche Satz:
„Die Bau- und Heimwerkermärkte können mit ihren Konzepten an der Marktentwicklung nicht teilhaben!“ Das Problem sei, so Teipel, dass es in jeder Warengruppe „individuell unterschiedliche
Haupt-Mitbewerber“ gebe. „Sie werden
von anderen Anbietern überholt“, warnte
er die Zuhörer im Auditorium.
(+1,1%). Die Bau- und Heimwerkermärkte einzeln betrachtet legen der Prognose
zufolge ebenfalls nur marginal (+1,4%)
auf 21,58 Mrd. EUR zu. Ob es überhaupt
Wachstum geben werde, hänge auch von
der weltwirtschaftlichen Lage ab.
Ansatzpunkte für den DIY-Handel sieht
Teipel in der Optimierung bestehender
Verkaufsflächen und -konzepte, in der Verlagerung und Erweiterung von Bestandsflächen und in der Expansion. Besonders
hervor hob er die konsequente Umsetzung
und Beschäftigung vieler Martktteilnehmer mit Kleinflächenkonzepten.
Zudem wies Teipel auf einen „Megatrend“ hin, den viele Unternehmen bereits weit oben auf ihrer Agenda platziert haben: „Do-it-for-me“. Die kontinuierlich steigenden Marktanteile des
Handwerks zeigten eine zunehmende
Dienstleistungsorientierung der Verbrau-
cher. Werkstattlose Handwerker seien bei
Renovierungen und Sanierungen immer
stärker gefragt, Heimwerken und Gärtnern dagegen „Zeitfresser“ vor allem für
Besserverdienende. Der demografische
Wandel verstärke die Nachfrage nach
Dienstleistungen.
Was die Branche tun kann und muss
angesichts der Herausforderungen durch
den demografischen Wandel, die Digitalisierung und den Wertewandels hin zu
stärkerem Nachhaltigkeitsdenken, wurde
im Rahmen des Kongresses diskutiert. Dabei standen erfolgsversprechende Marketingstrategien orientiert an den Erwartungshaltungen der Kunden und zukunftsorientierte Modelle der Unternehmensführung in Zeiten des Wandels
ebenso auf der Tagungsagenda wie Multichannel-Erfolgsmodelle und daraus resultierende Chancen des stationären Handels.
Warenhaus-Dilemma?
Konkurrenz machen den Baumärkten neben reinen Online-Händlern beispielweise
Möbelhändler, Holzhändler, Supermärkte
und Discounter, aber auch Handwerker
und Objekteure. Diese Branchen verzeichnen laut Teipel deutlich höhere Umsatzzuwächse in jeweils verschiedenen Sortimenten als die Bau- und Heimwerkermärkte, der Möbelhandel beispielsweise
im Bereich „Lebend Grün“. Ob hier „Anzeichen eines Warenhaus-Dilemmas“ zu
erkennen seien, fragt der Marktforscher in
diesem Zusammenhang sicher nicht unberechtigt.
Für das gerade gestartete Jahr 2016 rechnet Teipel im DIY-Kernmarkt, dazu zählen
die Bau- und Heimwerkermärkte, Fachmärkte und Kleinbetriebsformate, mit einem Gesamtumsatz von 44,41 Mrd. EUR
„Sie werden von anderen Anbietern überholt!“ Richtig glücklich werden die Ausführungen von Klaus
Peter Teipel die Kongressteilnehmer nicht gemacht haben.
FOTOS: BHB
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Außerdem diskutierten die Teilnehmer die
aktuelle Branchenentwicklung des DIYMarktes, Veränderungen traditioneller
Handelsstrukturen sowie aktuelle, den DIYMarkt bestimmende, Gesellschafts- und
Sortimentstrends.
Baumärkte als Inspirationsquelle
für Kunst- und Kreativszene
Der Münchener Installationskünstler Markus Heinsdorff widmete sich der Frage,
inwieweit Unternehmen der DIY-Branche
die Innovationskraft von Künstlern und
Kreativen für die eigene Ausrichtung nutzbar machen können. „Der Baumarkt der
Zukunft muss sich als Plattform in modernem Design mit Fokus auf Nachhaltigkeit und sozialem Engagement definieren“, rief der Bundesverdienstkreuzträger
den Kongressbesuchern zu. Dies mache
ihn für Kunden attraktiv.
Dabei gelte es, besonders die aktuell bestimmenden Gesellschaftstrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu nutzen
und sich bei der zukunftsorientierten Neuausrichtung der eigenen Unternehmensprozesse auch von innovativen Visionen
und Werken der Kunst- und Kreativszene
inspirieren zu lassen. Mit Heimwerkkursen
für Kunden, Recycling-Workshops oder
in den Märkten angebotenen Schulungen
zu speziellen DIY-Themen und -Projekten
könne der Baumarkt als Ort kreativen
Schaffens in den Köpfen seiner Kunden
positioniert werden.
Dr. Eike Wenzel, Inhaber des Instituts für
Trend- und Zukunftsforschung (ITZ), ging
in Kassel der Frage auf den Grund, ob
der DIY-Trend im Spannungsfeld von demografischem Wandel, Digitalisierung und
Nachhaltigkeitsdenken ein verheißungsvoller Wachstumsmarkt sein könne. Unter
den zahlreichen „Megatrends“ sei die
Digitalisierung der entscheidende Wachstumstreiber bis 2025. Der Kunde des digitalen Zeitalters erwarte, seine Alltagsbesorgungen raum- und zeitunabhängig
erledigen zu können und personalisierte
Angebote zu erhalten.
Doch Digitalisierung sei nicht gleichbedeutend mit „nur“ E-Commerce. „Der Untergang des stationären Handels fällt aus“,
stellte Wenzel fest. Es komme aber darauf
an, den Handel als „Gesamtkunstwerk von
digital und analog“ neu zu erfinden. Für
die Baumärkte bedeute dies, in Zeiten des
demografischen Wandels, der Energiewende und einem Wertewandel hin zu
mehr Nachhaltigkeit einen relevanten gesellschaftlichen Beitrag zur Zukunft der
„Mega-Cities“ zu leisten und hierzu digi-
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BHB-Hauptgeschäftsführer Peter Wüst vor dem von Tape-Art-Künstlern gestalteten Bühnenbild. Das mit
Klebebändern erstellte Motiv zeigt den Verkaufsraum eines Baumarkts.
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durch die Einführung von Big-Data, der
Ausbau der Serviceangebote (Same-DayDelivery) oder die Integration digitaler Bezahlsysteme.
BHB-Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Wüst
zog im Anschluss an die Veranstaltung ein
positives Fazit: „Der Kongress hat sich wieder als ‚die’ Bühne für die DIY-Branche bewiesen.“ Dies zeigten die konstant hohen
Teilnehmerzahlen und die Präsenz der Führungskräfte und Entscheider der Handelsund Herstellerunternehmen. Zuvor hatte
Wüst in seinem Impulsvortrag („Warum es
uns gibt“) die historische Entwicklung des
Handels und dessen Aufgaben als Bindeglied in der Absatzkette zwischen Herstellern und Verwendern skizziert.
Handel entwickelt sich zum
„Full-Service-Provider“
Preisträger des DIY-Lifetime-Awards 2015:
Der Gründer und langjährige Geschäftsführer
des Dünger- und Blumenerde-Produzenten
ASB Grünland, Helmut Aurenz, erhielt die Auszeichnung beim Galaabend.
FOTOS: BHB
tale und analoge Infrastrukturen auf- und
auszubauen. Wachstumshebel könnten
insbesondere die Nutzung digitaler Technologien zur Schaffung von Mehrwerten
für die Kunden im Stationärgeschäft sein,
ebenso wie die Garantie einer nachfragegerechten Warenpräsenz in den Märkten
Die Handelsfunktionen hätten sich elementar verändert, sagte der Verbandschef.
Heute sei es Aufgabe des Handels, als
„Full-Service-Provider“ die Erwartungen
der Kunden zu erfüllen und dabei Komplettlösungen über alle Vertriebskanäle
hinweg anzubieten. „Das Kundenvertrauen in die Bau- und Heimwerkermärkte ist
derzeit groß“, sagte Wüst mit Blick auf
aktuelle Zufriedenheitsstudien. Der Baumarkthandel müsse dies nutzen und „die
eigenen Geschäftsmodelle im Bewusstsein
der Erwartungshaltungen seiner Kunden
ausbauen“.
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