sb. – Mehr als 550 Teilnehmer waren Ende
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sb. – Mehr als 550 Teilnehmer waren Ende
BAUMÄRKTE sb. – Mehr als 550 Teilnehmer waren Ende Dezember der Einladung des Handelsverbandes Heimwerken, Bauen und Garten zum BHB-Kongress in Kassel gefolgt. Unter dem Motto „DIY unplugged – Was brauchen unsere Kunden?“ diskutierte die Branche, wie in Zeiten des Wandels die Heimwerker von heute und morgen angesprochen werden können. Dass viel Arbeit vor den Unternehmen liegt, wird beim Blick auf aktuelle Umsatzprognosen deutlich. 44 baustoffmarkt 1/ 2016 BAUMÄRKTE Harte Worte Marktforscher: Baumärkte können nicht an Marktentwicklung teilhaben Klaus Peter Teipel ist ein gefragter Mann in der DIY- und Gartenbranche. Wo immer er auftaucht – und das ist bei vielen Veranstaltungen der Fall –, ist ihm die Aufmerksamkeit des Publikums gewiss. Denn Teipel hat, worauf viele Unternehmen ihr Handeln stützen: Zahlen, Daten, Statistiken und Prognosen. Mit dem Titel „DIY 2015 – Fit for the future“ hatte er seinen Vortrag beim BHB-Kongress in Kassel überschrieben. Ist die Branche also fit für die Zukunft? Folgt man den Ausführungen des Marktforschers und Unternehmensberaters, ist sie es nur bedingt. Ein Präsentations-Chart zeigte ein sehr unglückliches Gesicht, darüber der unmissverständliche Satz: „Die Bau- und Heimwerkermärkte können mit ihren Konzepten an der Marktentwicklung nicht teilhaben!“ Das Problem sei, so Teipel, dass es in jeder Warengruppe „individuell unterschiedliche Haupt-Mitbewerber“ gebe. „Sie werden von anderen Anbietern überholt“, warnte er die Zuhörer im Auditorium. (+1,1%). Die Bau- und Heimwerkermärkte einzeln betrachtet legen der Prognose zufolge ebenfalls nur marginal (+1,4%) auf 21,58 Mrd. EUR zu. Ob es überhaupt Wachstum geben werde, hänge auch von der weltwirtschaftlichen Lage ab. Ansatzpunkte für den DIY-Handel sieht Teipel in der Optimierung bestehender Verkaufsflächen und -konzepte, in der Verlagerung und Erweiterung von Bestandsflächen und in der Expansion. Besonders hervor hob er die konsequente Umsetzung und Beschäftigung vieler Martktteilnehmer mit Kleinflächenkonzepten. Zudem wies Teipel auf einen „Megatrend“ hin, den viele Unternehmen bereits weit oben auf ihrer Agenda platziert haben: „Do-it-for-me“. Die kontinuierlich steigenden Marktanteile des Handwerks zeigten eine zunehmende Dienstleistungsorientierung der Verbrau- cher. Werkstattlose Handwerker seien bei Renovierungen und Sanierungen immer stärker gefragt, Heimwerken und Gärtnern dagegen „Zeitfresser“ vor allem für Besserverdienende. Der demografische Wandel verstärke die Nachfrage nach Dienstleistungen. Was die Branche tun kann und muss angesichts der Herausforderungen durch den demografischen Wandel, die Digitalisierung und den Wertewandels hin zu stärkerem Nachhaltigkeitsdenken, wurde im Rahmen des Kongresses diskutiert. Dabei standen erfolgsversprechende Marketingstrategien orientiert an den Erwartungshaltungen der Kunden und zukunftsorientierte Modelle der Unternehmensführung in Zeiten des Wandels ebenso auf der Tagungsagenda wie Multichannel-Erfolgsmodelle und daraus resultierende Chancen des stationären Handels. Warenhaus-Dilemma? Konkurrenz machen den Baumärkten neben reinen Online-Händlern beispielweise Möbelhändler, Holzhändler, Supermärkte und Discounter, aber auch Handwerker und Objekteure. Diese Branchen verzeichnen laut Teipel deutlich höhere Umsatzzuwächse in jeweils verschiedenen Sortimenten als die Bau- und Heimwerkermärkte, der Möbelhandel beispielsweise im Bereich „Lebend Grün“. Ob hier „Anzeichen eines Warenhaus-Dilemmas“ zu erkennen seien, fragt der Marktforscher in diesem Zusammenhang sicher nicht unberechtigt. Für das gerade gestartete Jahr 2016 rechnet Teipel im DIY-Kernmarkt, dazu zählen die Bau- und Heimwerkermärkte, Fachmärkte und Kleinbetriebsformate, mit einem Gesamtumsatz von 44,41 Mrd. EUR „Sie werden von anderen Anbietern überholt!“ Richtig glücklich werden die Ausführungen von Klaus Peter Teipel die Kongressteilnehmer nicht gemacht haben. FOTOS: BHB baustoffmarkt 1/ 2016 45 BAUMÄRKTE Außerdem diskutierten die Teilnehmer die aktuelle Branchenentwicklung des DIYMarktes, Veränderungen traditioneller Handelsstrukturen sowie aktuelle, den DIYMarkt bestimmende, Gesellschafts- und Sortimentstrends. Baumärkte als Inspirationsquelle für Kunst- und Kreativszene Der Münchener Installationskünstler Markus Heinsdorff widmete sich der Frage, inwieweit Unternehmen der DIY-Branche die Innovationskraft von Künstlern und Kreativen für die eigene Ausrichtung nutzbar machen können. „Der Baumarkt der Zukunft muss sich als Plattform in modernem Design mit Fokus auf Nachhaltigkeit und sozialem Engagement definieren“, rief der Bundesverdienstkreuzträger den Kongressbesuchern zu. Dies mache ihn für Kunden attraktiv. Dabei gelte es, besonders die aktuell bestimmenden Gesellschaftstrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu nutzen und sich bei der zukunftsorientierten Neuausrichtung der eigenen Unternehmensprozesse auch von innovativen Visionen und Werken der Kunst- und Kreativszene inspirieren zu lassen. Mit Heimwerkkursen für Kunden, Recycling-Workshops oder in den Märkten angebotenen Schulungen zu speziellen DIY-Themen und -Projekten könne der Baumarkt als Ort kreativen Schaffens in den Köpfen seiner Kunden positioniert werden. Dr. Eike Wenzel, Inhaber des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung (ITZ), ging in Kassel der Frage auf den Grund, ob der DIY-Trend im Spannungsfeld von demografischem Wandel, Digitalisierung und Nachhaltigkeitsdenken ein verheißungsvoller Wachstumsmarkt sein könne. Unter den zahlreichen „Megatrends“ sei die Digitalisierung der entscheidende Wachstumstreiber bis 2025. Der Kunde des digitalen Zeitalters erwarte, seine Alltagsbesorgungen raum- und zeitunabhängig erledigen zu können und personalisierte Angebote zu erhalten. Doch Digitalisierung sei nicht gleichbedeutend mit „nur“ E-Commerce. „Der Untergang des stationären Handels fällt aus“, stellte Wenzel fest. Es komme aber darauf an, den Handel als „Gesamtkunstwerk von digital und analog“ neu zu erfinden. Für die Baumärkte bedeute dies, in Zeiten des demografischen Wandels, der Energiewende und einem Wertewandel hin zu mehr Nachhaltigkeit einen relevanten gesellschaftlichen Beitrag zur Zukunft der „Mega-Cities“ zu leisten und hierzu digi- 46 baustoffmarkt 1/ 2016 BHB-Hauptgeschäftsführer Peter Wüst vor dem von Tape-Art-Künstlern gestalteten Bühnenbild. Das mit Klebebändern erstellte Motiv zeigt den Verkaufsraum eines Baumarkts. FOTOS: BHB durch die Einführung von Big-Data, der Ausbau der Serviceangebote (Same-DayDelivery) oder die Integration digitaler Bezahlsysteme. BHB-Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Wüst zog im Anschluss an die Veranstaltung ein positives Fazit: „Der Kongress hat sich wieder als ‚die’ Bühne für die DIY-Branche bewiesen.“ Dies zeigten die konstant hohen Teilnehmerzahlen und die Präsenz der Führungskräfte und Entscheider der Handelsund Herstellerunternehmen. Zuvor hatte Wüst in seinem Impulsvortrag („Warum es uns gibt“) die historische Entwicklung des Handels und dessen Aufgaben als Bindeglied in der Absatzkette zwischen Herstellern und Verwendern skizziert. Handel entwickelt sich zum „Full-Service-Provider“ Preisträger des DIY-Lifetime-Awards 2015: Der Gründer und langjährige Geschäftsführer des Dünger- und Blumenerde-Produzenten ASB Grünland, Helmut Aurenz, erhielt die Auszeichnung beim Galaabend. FOTOS: BHB tale und analoge Infrastrukturen auf- und auszubauen. Wachstumshebel könnten insbesondere die Nutzung digitaler Technologien zur Schaffung von Mehrwerten für die Kunden im Stationärgeschäft sein, ebenso wie die Garantie einer nachfragegerechten Warenpräsenz in den Märkten Die Handelsfunktionen hätten sich elementar verändert, sagte der Verbandschef. Heute sei es Aufgabe des Handels, als „Full-Service-Provider“ die Erwartungen der Kunden zu erfüllen und dabei Komplettlösungen über alle Vertriebskanäle hinweg anzubieten. „Das Kundenvertrauen in die Bau- und Heimwerkermärkte ist derzeit groß“, sagte Wüst mit Blick auf aktuelle Zufriedenheitsstudien. Der Baumarkthandel müsse dies nutzen und „die eigenen Geschäftsmodelle im Bewusstsein der Erwartungshaltungen seiner Kunden ausbauen“. ■