Räumungsklagen bei Eigentümer

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Räumungsklagen bei Eigentümer
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Räumungsklagen bei Eigentümer- und Vermieterwechsel
Prof. Dr. Beate Gsell, München
I. Einleitung – Veräußerung bricht nicht Miete
Veräußert der Vermieter-Eigentümer sein Grundstück, so tritt nach § 566 Abs. 1 BGB – ggf.
iVm § 578 BGB – der Erwerber hinsichtlich der Mietverträge über die Nutzung von
Wohnraum bzw. Grundstücken und anderen Räumen anstelle des bisherigen Vermieters in die
sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und
Pflichten ein. Dieser selbst im Gesetz verkürzt und unzutreffend mit dem Schlagwort „Kauf
bricht nicht Miete“ wiedergegebenen Regelung kommt in Zeiten der großflächigen
Veräußerung insbesondere kommunaler Wohnungsbeständen an Investoren1 ersichtlich
erhebliche praktische Bedeutung zu. Sie gilt im Übrigen nach § 57 ZVG auch für einen
Erwerb des Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung.
Im Folgenden soll ein nur ein Teilaspekt der damit zusammenhängenden Fragen behandelt
werden, nämlich die Frage der Räumung und Herausgabe des Mietgegenstandes nach
Beendigung des Mietverhältnisses: Zu unterscheiden sind dabei die materiellrechtlichen
Auswirkungen des Eigentümerwechsels auf die Räumungs- und Herausgabe- bzw.
Kündigungslage einerseits und deren prozessrechtliche Konsequenzen andererseits.
Gefragt werden kann also zum einen, wie es sich materiellrechtlich auswirkt, wenn dem
bisherigen Eigentümer und Vermieter aufgrund Beendigung des Mietverhältnisses ein
Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Räume bzw. des Grundstücks nach § 546 BGB –
aber auch etwa aus § 985 BGB und sonstigen konkurrierenden Anspruchsgrundlagen –
zusteht. Entsprechend kann untersucht werden, was gilt, wenn das Mietvertragsverhältnis im
Zeitpunkt der Veräußerung zwar noch nicht beendet ist, aber bereits wirksam gekündigt war
und wie schließlich die Rechtslage ist, wenn bei Veräußerung wenigstens die
Voraussetzungen oder ein Teil der Voraussetzungen vorliegen für eine solche vermieterseitige
Kündigung. Zu klären ist jeweils, wie sich die Veräußerung auf den Räumungs- und
Herausgabeanspruch bzw. dessen Voraussetzungen auswirkt und was mit möglichen
Einwendungen des Mieters geschieht.
Die Wirkungen einer Grundstücksveräußerung auf eine (mögliche) Beendigung des
Mietverhältnisses lassen sich aber – wie bereits angedeutet – auch mit Blick auf deren
Konsequenzen für einen möglichen Räumungsprozess untersuchen. Diese prozessuale
Perspektive einer Räumungsklage soll im Folgenden im Vordergrund stehen. Allerdings ist
1
S. dazu nur Rips, WuM 2006, 227 ff.
2
offensichtlich, dass die Erfolgsaussichten einer Räumungsklage, i.e. deren Begründetheit
maßgeblich von der materiellen Rechtslage abhängen, so dass zunächst auf die soeben
aufgeworfenen materiellen Rechtsfragen eingegangen werden muss. Da die ZPO mit §§ 265
Abs. 2, 325 Abs. 1, 727 ZPO besondere Regelungen für die Veräußerung des
Streitgegenstandes enthält, wird die Veräußerung des Grundstückes vor Rechtshängigkeit,
diejenige nach Rechtshängigkeit und schließlich diejenige nach Rechtskraft des Räumungsund Herausgabeurteils getrennt untersucht.
II. Veräußerung vor Rechtshängigkeit
1. Schicksal materiellrechtlicher Herausgabeansprüche bzw. Kündigungslagen?
a. Vertrag bei Veräußerung beendet und Mieter ausgezogen
Was zunächst die Veräußerung des Grundstücks vor Erhebung einer Räumungsklage
anbelangt, so ist materiellrechtlich zunächst kurz klarzustellen, dass § 566 BGB nach h.M.
keine Anwendung findet, wenn das Mietverhältnis bei Veräußerung beendet und der Mieter
bereits ausgezogen ist.2
b. Vertrag bei Veräußerung beendet, aber noch kein Auszug des Mieters
Hingegen tritt der Veräußerer trotz vorheriger Vertragsbeendigung nach h.M. gem. § 566
BGB in das Rückabwicklungsverhältnis ein, wenn der Mieter bei Veräußerung noch nicht
ausgezogen ist.3 Der Erwerber erlangt danach also in diesem Fall den bereits in der Person des
Veräußerers entstandenen Rückgabe- und Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB.4
Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die Gründe, auf die der Veräußerer seine
Kündigung stützte, auch in der Person des Erwerbers verwirklicht sind. Vielmehr kommt es
darauf nach materiellem Recht prinzipiell nicht an, da mit der wirksamen Kündigung das
Vertragsverhältnis endgültig in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird. Aus der
Rechtsprechung des BGH ergibt sich selbst für die Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2
Nr. 2 BGB nichts anderes. Da der BGH (auch) in diesem Fall nachvertragliche Pflichten
2
S. BGH NJW 2007, 1818 Rn. 10; BGH NJW 2010, 1068, 1069 f.; Horst, ZMR 2009, 655, 657, 661; vgl. ferner
nur die Nachw. bei Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 28.
3
S. BGH NJW 2007, 1818 Rn. 9 m.w.Nachw.; Horst, ZMR 2009, 655, 657, 661; Börstinghaus, NZM 2004, 481,
488; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. I 183; Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 28; a.A. OLG
Düsseldorf NJW-RR 1994, 1101.
4
BGH NJW 1978, 2148, 2149; Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 50; a.A. Sternel, Mietrecht aktuell, 4.
Aufl. 2009, Rn. XIII. 61.
3
ablehnt, die über den Ablauf der Kündigungsfrist hinausreichen5, ist der Erwerber selbst dann
nicht zur Wiederbegründung des Mietverhältnisses verpflichtet, wenn in seiner Person kein
Eigenbedarf vorliegt.
c. Vertrag bei Veräußerung gekündigt, aber noch keine Vertragsbeendigung
aa. Herrschendes Verständnis von § 566 BGB i.S. einer zeitlichen Zäsur lässt
Fortwirkung von Kündigung zweifelhaft erscheinen
Wandelt man die Konstellation nun in zeitlicher Hinsicht dahin ab, dass der Veräußerer zwar
schon gekündigt hat, jedoch das Vertragsverhältnis bei Veräußerung noch nicht beendet ist,
weil noch eine Kündigungsfrist, insbesondere nach § 573c BGB läuft, so folgt aus der
Anwendung von § 566 Abs. 1 BGB, dass der Rückgabeanspruch, wenn er denn entsteht,
nunmehr in der Person des Erwerbers entsteht, auch hier also der Erwerber die Räumung und
Herausgabe vom Mieter verlangen kann.6 Da die Kündigung aber als Gestaltungsrecht erst
mit dem Ende der Kündigungsfrist Wirkungen entfaltet, fragt sich, in wessen Person die
Voraussetzungen für das Gestaltungsrecht im Zeitpunkt der Vollendung der Kündigungsfrist
vorliegen müssen.
Diese Frage ist einmal deshalb nicht einfach zu beantworten, weil ein grundlegender Streit
herrscht um das richtige Verständnis des § 566 BGB. Die Rechtsprechung steht mit Teilen der
Literatur auf dem Standpunkt, dass es nach § 566 BGB nicht zu einer Rechtsnachfolge des
Erwerbers in die Rechte aus dem Mietvertrag komme, sondern der Mietvertrag im Zeitpunkt
der Veräußerung mit demselben Inhalt, den der zuvor zwischen Veräußerer und Mieter
geschlossene Vertrag hatte, nunmehr zwischen dem Erwerber und dem Mieter neu entstehe.7
Damit kommt es zu einer grundsätzlich strikten zeitlichen Zäsur. Bereits entstandene Rechte
und Pflichten bleiben beim Veräußerer, neue Rechte und Pflichten entstehen beim Erwerber.8
Auf der Grundlage einer solchen strikten zeitlichen Zäsur lässt sich kaum begründen, dass
mehraktige bzw. gestreckte Tatbestände oder gar Dauertatbestände, wie sie insbesondere als
Kündigungsgrund einem Kündigungsrecht zugrunde liegen können, zugunsten des Erwerbers
fortwirken, wenn sie zuvor ganz oder teilweise in der Person des Veräußerers entstanden
5
S. BGH NJW 2003, 2504; BGH NJW 2006, 220; BGH NJW 2009, 1141; Derleder, NJW 2008, 1189, 1191;
Horst, ZMR 2009, 655, 660.
6
S. zum Ganzen Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 46 m.w.Nachw.; Derleder, NJW 2008, 1189, 1191 f.;
MünchKomm/Häublein, 6. Aufl. 2012, § 566 Rn. 35.
7
S. bereits RGZ 59, 177, 188; RGZ 102, 177, 178; s. nur aus jüngerer Zeit BGH NJW 2005, 1187; BGH NJW
2006, 1800, 1801; NJW 2008, 2256, 2257; w.Nachw. bei Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 4; s. zum
Ganzen auch Weitemeyer, FS Blank, 2006, 445 ff.
8
S. im Einzelnen die Nachw. bei Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 4, 38.
4
sind9, man denke nur an den Zahlungsverzug gegenüber dem bisherigen Vermieter, § 543
Abs. 2 Nr. 3 BGB. Sie nicht fortwirken zu lassen, kann aber unangemessen erscheinen, weil
auf diese Weise der Mieter aus der Veräußerung einen Vorteil zieht, ohne dass es dafür einen
sachlichen Grund gibt.10
Leichter tut man sich hingegen mit einer Überleitung von Kündigungsvoraussetzungen auf
den Erwerber, wenn man den Mietvertrag mit einer in der Literatur vertretenen Ansicht als
Einheit begreift und in § 566 BGB eine Form der gesetzlichen Vertragsübernahme sieht.11 Ein
solches Verständnis trägt dem Charakter der Miete als einheitlichem Dauerschuldverhältnis
wesentlich besser Rechnung und erscheint damit als gesetzlicher Eingriff in die
Vertragsfreiheit deutlich schonender als die h.M.12, die einen einheitlichen tatsächlichen und
rechtlichen Vorgang ohne Not zerteilt. Dies zumal man in vielerlei Hinsicht doch nicht umhin
kommt, die für eine Rechtsnachfolge geltenden Regelungen auf den Wechsel des Vermieters
infolge Veräußerung anzuwenden, so namentlich § 265 Abs. 2 ZPO, worauf noch
zurückzukommen sein wird.13 Zwar bleibt es auch dann, wenn man § 566 BGB als
gesetzliche Vertragsübernahme einordnet, dabei, dass der Vermieter nur „in die sich während
der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten“
eintritt. Es ist auf dieser Grundlage aber nicht ausgeschlossen, als Rechte und Pflichten, die
sich während des Eigentums des Erwerbers ergeben, auch solche Rechte und Pflichten
anzusehen, die auf der Fortwirkung bereits zuvor verwirklichter Voraussetzungen beruhen.
Denn immerhin handelt es sich um ein einheitliches Vertragsverhältnis.
bb. Ratio der Kündigungsvoraussetzung entscheidend
Versteht man also § 566 BGB im Sinne einer gesetzlichen Vertragsübernahme, so heißt dies
allerdings nicht, dass alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Vertragsbeendigung, die
einmal vor der Veräußerung vorlagen, zugunsten des Erwerbers fortwirken. Vielmehr beruhen
die verschiedenen Kündigungsvoraussetzungen materiellrechtlich auf unterschiedlichen
Erwägungen. Grob gesprochen lassen sich eher vermieterbezogene und eher nicht
vermieterbezogene, sondern mieter- oder objektbezogene Merkmale unterscheiden. M.E.
sollte diese jeweilige materiellrechtliche Ratio einer Kündigungsvoraussetzung den Ausschlag
9
Kritisch deshalb Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 4, 38 ff., 42 m.w.Nachw.; s. ferner Weitemeyer, FS
Blank, 2006, 445, 448 ff.
10
Derleder, NJW 2008, 1189, 1191.
11
So heute noch vor allem von Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 5, 47a m.w.Nachw.; Weitemeyer, FS
Blank, 2006, 445 ff. (m.w.Nachw. auch zur älteren Lit. auf S. 447 Fn. 15), 451 ff.
12
Vgl. dazu, dass die rechtstechnischen Bedenken gegen die Anerkennung einer Vertragsübernahme heute
überholt erscheinen, Weitemeyer, FS Blank, 2006, 445 ff., 451 ff. m.w.Nachw.
13
S. unter II.3.a.
5
geben für die Frage, ob eine Fortwirkung zugunsten des Erwerbers anzunehmen ist oder nicht.
Nur wo eine Tatbestandsvoraussetzung auf die Person des Vermieters bezogen ist, sollte es
auf den Erwerber ankommen und dies sollte ggf. selbst dann gelten, wenn der Mieter damit
aus der Veräußerung in concreto einen Vorteil zieht. Denn andernfalls würde die mit dem
Abstellen auf den Vermieter verfolgte gesetzgeberische Absicht infolge der Veräußerung
vereitelt. Der Veräußerer ist nun einmal ab der Veräußerung nicht mehr Vermieter. Dagegen
hat es bei eher objekt- und mieterbezogenen Tatbestandsmerkmalen dabei zu bewenden, dass
der Mietvertrag ein einheitliches Dauerschuldverhältnis ist und der Mieter aus der
Veräußerung keine Vorteile ziehen soll. Oder anders gewendet: Der Eigentumswechsel stellt
keinen sachlichen Grund dar, bereits erfüllte objekt- oder mieterbezogene Merkmale als nicht
verwirklicht zu erachten.
cc. Im Einzelnen
Was zunächst die Eigenbedarfskündigung anbelangt, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, so wird bei
Veräußerung vor Ablauf der Kündigungsfrist überwiegend angenommen, der Eigenbedarf des
Veräußerers begründe kein Kündigungsrecht mehr, weswegen der Vermieter das
Mietverhältnis fortsetzen müsse14, sofern nicht der Eigenbedarfsgrund im Erwerber
fortwirke.15 Dies erscheint nach der Ratio der Eigenbedarfskündigung konsequent. Das
Argument, dass der Mieter durch die Veräußerung nicht besser gestellt werden soll als ohne
diese, verfängt hier nicht, da die Veräußerung hier nur den Grund für den Wegfall des
Eigenbedarfs darstellt. Genauso, wie es dem Mieter auch sonst zum Vorteil gereicht, wenn
der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist entfällt, widerspricht es deshalb nicht den
Wertungen des materiellen Rechts, wenn der Mieter hier von der Veräußerung profitiert.
Dieselben Grundsätze müssen aber auch etwa für eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3
BGB wegen Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des
Grundstückes gelten, soweit es dabei nach den Umständen des jeweiligen Falles um Gründe
geht, die in der Person des Vermieters liegen. Das BVerfG verlangt für eine Kündigung aus §
573 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalles und namentlich
eine Berücksichtigung der von dem Erwerber für den Erwerb der Wohnung erbrachten
Aufwendungen.16 Anders als bei primär objektbezogenen Aspekten der wirtschaftlichen
14
BGH NJW 2006, 220; BGH NJW 2001, 1141; LG Berlin, 4.11.2010 Az. 67 S 33/10, zitiert nach juris;
Derleder, NJW 2008, 1189, 1191.
15
Dazu OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1164: Angehöriger erwirbt die Wohnung; ebenso LG Karlsruhe, Urt. v.
6.4.1990, Az.: S 612/89, zitiert nach juris.
16
Vgl. BVerfG NJW 1991, 3270, 3271; BVerfG NJW-RR 2004, 371 u. allgemein zur Auslegung der Regelung
bereits BVerfG NJW 1989, 972; vgl. zum Ganzen auch Derleder, NJW 2008, 1189, 1191, der ebenfalls ein
6
Verwertbarkeit des Grundstücks, die nach dem bislang Gesagten als nicht vermieterbezogene
Voraussetzungen zugunsten des Erwerbers fortwirken, ist hinsichtlich der für das Grundstück
erbrachten Aufwendungen die Person des (aktuellen) Vermieters entscheidend. Damit kommt
– parallel zum Eigenbedarf – nur im Ausnahmefall eine Fortwirkung eines zuvor beim
Veräußerer verwirklichten Umstandes in Betracht: So mögen sowohl der Erwerber als auch
zuvor der Veräußerer Aufwendungen für das Grundstück erbracht haben, die außer Verhältnis
stehen zu den erzielbaren Mieteinnahmen und mag deshalb in der Person des Erwerbers
derselbe vermieterbezogene Umstand gegeben sein wie zuvor beim Veräußerer. Dann kann
ebenso wie bei der Eigenbedarfskündigung ausnahmsweise eine Fortwirkung bejaht werden.
Was hingegen den Kündigungsgrund der schuldhaften Pflichtverletzung i.S.v. § 573 Abs. 2
Nr. 1 BGB betrifft, so geht es um eine primär mieterbezogene Tatbestandsvoraussetzung.
Deshalb sollte aus meiner Sicht die Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung
grundsätzlich zugunsten des Erwerbers fortwirken, andernfalls der Mieter durch die
Veräußerung des Grundstückes privilegiert wird, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund
gibt.17
d. Kündigungsrecht bei Veräußerung bereits entstanden, aber vom Veräußerer noch
nicht ausgeübt
Dreht man nun noch ein wenig an der Uhr und stellt man sich vor, dass das Kündigungsrecht
bei Veräußerung bereits entstanden war, aber vom Veräußerer noch nicht ausgeübt war, so ist
wiederum zu fragen, ob eine solche Kündigungslage fortwirkt zugunsten des Erwerbers.
Klarzustellen ist zunächst, dass hier nach der Veräußerung nur noch der Erwerber kündigen
kann, denn nur er ist nach der Veräußerung der Vermieter.
Vielfach findet sich nun allerdings in der Literatur die Aussage, dass ein bereits entstandenes,
aber nicht ausgeübtes Kündigungsrecht mit der Veräußerung prinzipiell erlösche.18
Insbesondere für den Zahlungsverzug des Mieters wird auf der Grundlage der h.M., nach
welcher es im Falle des § 566 BGB nicht zu einer Rechtsnachfolge in das Mietverhältnis
kommt19, angenommen, dass eine Kündigungslage nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB nur
Abstellen auf die finanziellen Verhältnisse des Erwerbers verlangt vgl. aber auch BGH NJW-RR 2008, 869,
wonach es an der Erheblichkeit des Nachteils fehlen kann, wenn der Vermieter die Wohnung im vermieteten
Zustand erworben hat, da dem Grundstück dann von Anfang an der durch die Vermietung begründete
Minderwert anhaftet.
17
In diesem Sinne auch Derleder, NJW 2008, 1189, 1191 der auf die fortbestehende Wirkung der
Vertragsverletzung und die Zumutbarkeit für den Erwerber abstellt; ähnl. MünchKomm/Häublein, 6. Aufl. 2012,
§ 566 Rn. 35.
18
So Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 47 m.w.Nachw.; ebenso im Grundsatz Börstinghaus, NZM 2004,
481, 488.
19
S. die Nachw. in Fn. 6 u. 7.
7
zugunsten des Erwerbers fortwirke, wenn ihm die entsprechenden Zahlungsansprüche des
Veräußerers abgetreten worden seien.20 Dies überzeugt nach dem oben Gesagten nicht. Auch
hier gilt vielmehr wieder der Grundsatz, dass es dem Mieter nicht zum Vorteil gereichen soll,
dass das Grundstück veräußert wurde. Es gibt deshalb keinen sachlichen Grund, eine durch
Zahlungsverzug verwirklichte Kündigungslage erlöschen zu lassen, es sei denn, das
Kündigungsrecht war bereits durch den Veräußerer verwirkt.21 Vielmehr muss auch hier
wieder der Mietvertrag als Dauerschuldverhältnis gesehen und deshalb eine zeitliche Zäsur
hinsichtlich der Voraussetzungen von Rechten des Vermieters vermieden werden. Zu den
Rechten iSv § 566 BGB sind deshalb auch die Voraussetzungen eines Kündigungsrechtes als
Gestaltungsrechts zu verstehen, soweit diese nicht – Stichwort: Eigenbedarf – nach der Ratio
des entsprechenden Tatbestandsmerkmals strikt vermieterbezogen sind.
Dasselbe hat entgegen weit verbreiteter Ansicht auch bei anderen Pflichtverletzungen des
Mieters zu gelten wie namentlich der Kündigung wegen Gefährdung der Mietsache durch
Vernachlässigung sowie wegen Untervermietung.22 Auch insofern ist nicht einzusehen,
warum der Mieter die Belastung durch die Kündigungslage verlieren soll, obwohl diese sich
aus seinem Verhalten ergibt.
Für eine solche Sicht spricht auch der Umstand, dass der Veräußerer angesichts des nahenden
Eigentumswechsels vielfach gar kein Interesse mehr haben wird, die Kündigung selbst
auszusprechen. Der Erwerber hingegen kann seinerseits auch dann, wenn in seinem
Verhältnis zum Veräußerer bereits ein Besitzwechsel mit Übergang der Gefahr, der
Nutzungen und der Lasten stattgefunden hat, nicht kündigen, bevor er im Grundbuch
eingetragen wird und neuer Eigentümer wird. § 185 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung23,
so dass auch eine nachträgliche Heilung der zunächst unberechtigt erklärten Kündigung
ausscheidet. Der Erwerber könnte also den Untergang einer Kündigungslage gar nicht
20
Vgl. etwa OLG Hamm, NJW-RR 1993, 273, 274; OLG Hamm, Urt. v. 21.1.2009, Az.: 30 U 106/08, zitiert
nach juris; LG Berlin, GE 2005, 487; Börstinghaus, NZM 2004, 481, 488; Derleder, NJW 2008, 1189, 1191;
Horst, ZMR 2009, 655, 660; a.A. Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 47a m.w.Nachw.
21
Die Frage, ob die Kündigung eines Mietverhältnisses nach § 543 BGB einer Erklärungsfrist unterliegt oder ob
§ 314 Abs. 3 BGB durch die spezielle Ausgestaltung der außerordentlichen Kündigung bei der Miete gesperrt
wird, ist vor allem mit Blick auf die Kündigung wegen Zahlungsverzuges umstritten, vgl. einerseits für
Anwendung von § 314 Abs. 3 BGB MünchKomm/Bieber, 6. Aufl. 2012, § 543 Rn. 53; dagegen
Münchkomm/Gaier, 6. Aufl. 2012, § 314 Rn. 9; überzeugend für eine zurückhaltende Anwendung von § 314
Abs. 3 BGB Schmidt-Futterer/Blank, 10. Aufl. 2011, § 543 Rn. 127, wonach der Einwand der verspäteten
Kündigung lediglich im Ausnahmefall greifen dürfe und zwar nu dann, wenn zwischen dem Eintritt der
Kündigungsvoraussetzungen und dem Ausspruch der Kündigung längere Zeit vergangen sei und der Mieter
aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, der Vermieter werde von seinem Kündigungsrecht keinen
Gebrauch machen; offen gelassen wird die Frage von BGH NZM 2009, 314, 315.
22
Für die hartnäckige Untervermietung sowie die Erfüllungsverweigerung ähnl. Derleder, NJW 2008, 1189,
1191.
23
LG Hamburg, WuM 1977, 260; Börstinghaus, NZM 2004, 481, 488; OLG Hamm NJW-RR 1993, 273;
MünchKomm/Häublein, 6. Aufl. 2012, § 566 Rn. 24.
8
verhindern. Nach weit verbreiteter Ansicht kommt auch eine Abtretung des Kündigungsrechts
als Gestaltungsrecht nicht in Betracht.24 Immerhin wird eine Ermächtigung nach § 185 Abs. 1
BGB durch den Veräußerer für zulässig erachtet25, wobei angenommen wird, dass eine
Abtretung des Kündigungsrechts entsprechend umgedeutet werden kann.26
e. Einzelne Voraussetzungen des Kündigungsrechts bei Veräußerung bereits entstanden
Verändert man nun die zeitliche Perspektive noch einmal und fragt sich, was gilt, wenn nur
einzelne Voraussetzungen des Kündigungsrechtes bereits entstanden sind im Zeitpunkt der
Veräußerung, so ergibt sich auch insofern die richtige Linie bereits aus dem bislang Gesagten:
Wiederum kann nunmehr allein der Erwerber kündigen, weil er allein Vermieter ist. Und
wiederum ist hinsichtlich der Frage, inwieweit er in Kündigungsvoraussetzungen, die bereits
vor der Veräußerung verwirklicht wurden, eintritt, keine strikte zeitliche Zäsur vorzunehmen.
Vielmehr ist auch hier nach der Ratio der jeweiligen Kündigungsvoraussetzung zu fragen und
lediglich in Bezug auf solche Kündigungsvoraussetzungen, die die Person des Vermieters
betreffen, zu verlangen, dass sie in dessen Person, also aktuell in der Person des Erwerbers
verwirklicht wurden. Danach kann etwa bei einem Zahlungsverzug vor Veräußerung, der
noch nicht ausreichte für die Begründung eines Kündigungsrechtes nach § 543 Abs. 2 Nr. 3
BGB, der Erwerber nicht erst dann kündigen, wenn entweder seit der Veräußerung Beträge in
der nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderlichen Höhe aufgelaufen sind oder ihm der
Veräußerer die Ansprüche, welche die früheren, vor der Veräußerung eingetretenen
Rückstände begründen, abtritt und diese zusammen mit den nunmehr seit der Veräußerung
aufgelaufenen Beträgen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB
erfüllen.27 Vielmehr tritt der Erwerber auch hier wieder in die entsprechende auf das
Verhalten des Mieters bezogene Tatbestandsvoraussetzung des Zahlungsverzuges ein und
kann deshalb auch ohne eine Abtretung der Zahlungsansprüche des Veräußerers die aktuellen
und die früheren Rückstände addieren.
f. Bei Veräußerung noch kein Kündigungsgrund entstanden
Nur der Vollständigkeit halber sei schließlich erwähnt, dass selbstverständlich neue,
vollständig erst nach Veräußerung eingetretene Kündigungstatbestände ebenfalls eine
24
LG Berlin, ZMR 1996, 325, 326; LG Augsburg NJW-RR 1992, 520; Börstinghaus, NZM 2004, 481, 488 m.w.
umfangr. Nachw.; offen gelassen in BGH NJW 1998, 896, 897.
25
Vgl. nur BGH NJW 1998, 896, 897; BGH NJW 2002, 3389, 3391; Horst, ZMR 2009, 655, 656 m.w.Nachw.
26
BGH NJW 1998, 896, 897; Horst, ZMR 2009, 655, 656.
27
S. dazu bereits die Nachw. in Fn. 20.
9
Kündigung durch den Erwerber rechtfertigen, so etwa ein nach der Veräußerung eintretender
Zahlungsverzug gegenüber dem Erwerber iSv § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB.
2. Schicksal materiellrechtlicher Einwendungen des Mieters?
a. Herrschende zeitliche Zäsur erstreckt sich auf die Einwendungen des Mieters
Nun noch ein Wort zur Frage, was mit den Einwendungen des Mieters geschieht im Falle der
Veräußerung des Grundstücks. Auch greift nach h.M.28 der Grundsatz der Neubegründung des
Mietverhältnisses mit dem Erwerber ein und ergibt sich folglich grundsätzlich eine zeitliche Zäsur:
Spiegelbildlich zu den Ansprüchen des Vermieters gilt auch hinsichtlich der Ansprüche des Mieters,
dass Rechte, die im Zeitpunkt der Veräußerung bereits vollständig entstanden waren, nicht übergehen,
sondern sich weiterhin gegen den Veräußerer richten. Für die Entstehung eines Anspruches kommt es
nach materiellem Recht prinzipiell auf die Fälligkeit an, so dass ein Anspruch des Mieters, der bereits
gegenüber dem Veräußerer fällig war, grundsätzlich nicht nach § 566 BGB übergeht, es sei denn, er
entsteht dauernd neu.29
b. Im Einzelnen
Praktisch bedeutsam sind vor allem Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche, aber auch
Ansprüche auf Abrechnung der Betriebskosten und etwaige Nachzahlungsansprüche des Mieters.
Während namentlich der Anspruch auf Mängelbeseitigung selbst sich ab dem Zeitpunkt der
Veräußerung nach § 566 BGB gegen den Erwerber richtet30, weil dieser nunmehr nach § 535 BGB
verpflichtet ist, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen zustand geeigneten Zustand zu
überlassen, gilt Abweichendes für Schadens- und Aufwendungsansprüche insbesondere wegen
Mängeln, die bei Veräußerung bereits beseitigt sind. Hier kommt es bei Schadensersatzansprüchen auf
die Entstehung des Schadens an, weil diese für die Fälligkeit des Schadensersatzanspruches
entscheidend ist. Nur dann, wenn der Schaden zumindest teilweise erst nach Veräußerung entstanden
ist, richten sich folglich Schadensersatzansprüche gegen den Erwerber.31 Dies gilt auch dann, wenn der
Veräußerer mit der Mängelbeseitigung in Verzug geraten ist, ohne dass es darauf ankommt, ob auch
den Erwerber ein Verschulden trifft.32 Und bei Aufwendungen ist entscheidend, wann die
Aufwendung i.S.v. §§ 536a Abs. 2, 539 BGB vorgenommen wurde, i.e. vor oder nach Veräußerung.33
28
S. die Nachw. in Fn. 6 u. 7.
S. zum Fälligkeitsprinzip die Umfangr. Nachw. bei Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 51.
30
BGH NZM 2006, 696; Horst, ZMR 2009, 655, 659; Derleder, NJW 2008, 1189, 1190; Staudinger/Emmerich,
2011, § 566 Rn. 52;
31
KG Berlin ZMR 2010, 182, 183; Horst, ZMR 2009, 655, 659; umfangr. Nachw. bei Staudinger/Emmerich,
2011, § 566 Rn. 54.
32
BGH NJW 2005, 1187; Horst, ZMR 2009, 655, 659; Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 54; kritisch
MünchKomm/Häublein, 6. Aufl. 2012, § 566 Rn. 39 m.w.Nachw., der für eine gesamtschuldnerische Haftung
von Veräußerer und Erwerber für nach dem Erwerb entstehende Teilschäden plädiert.
33
BGH NJW 1965, 1225; BGH NJW 1988, 705; BGH NJW 1991, 3031, 3032; Horst, ZMR 2009, 655, 659;
Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 53 m.w.Nachw.
29
10
Hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung weicht die h.M. allerdings mit Blick darauf, dass die
Veräußerung kaum einmal exakt zum Ende eines Abrechnungszeitraumes erfolgen wird, vom
Fälligkeitsprinzip ab und nimmt an, dass der Veräußerer verpflichtet bleibt, über die bei Veräußerung
bereits abgeschlossenen Rechnungsperioden abzurechnen und die entsprechenden beiderseitigen
Ansprüche auf Rückerstattung oder Nachzahlung für diese bereits abgeschlossenen Perioden zwischen
diesen beiden Personen, also Veräußerer und Mieter verbleiben.34 Der Erwerber erwirbt damit die
Abrechnungs- und ggf. Rückerstattungspflicht nur hinsichtlich der dann noch laufenden
Rechnungsperiode sowie aller künftigen Abrechnungsperioden.
c. Verlust eines Zurückbehaltungsrechts oder einer Aufrechnungsmöglichkeit fragwürdig
Soweit sich aus der beschriebenen zeitlichen Zäsur ergibt, dass der Mieter seine Schadensersatz-,
Aufwendungsersatz- oder auch Abrechnungs- und Rückerstattungsansprüche gegen den Veräußerer
geltend zu machen hat, droht dem Mieter für den Zeitraum ab der Veräußerung ein Verlust darauf
gestützter Zurückbehaltungs- und Aufrechnungsmöglichkeiten.35 Da er nämlich die ab der
Veräußerung fällig werdenden Mietraten nach § 566 BGB dem Erwerber schuldet, könnte er diesem
gegenüber ein zuvor dem Veräußerer gegenüber bestehendes Zurückbehaltungsrecht oder eine
Aufrechnungsmöglichkeit nur geltend machen, wenn §§ 404 ff. BGB Anwendung fänden. Geht man
aber mit der h.M. davon aus, dass es bei § 566 nicht zu einer Rechtsnachfolge komme, sondern zu
einer Neubegründung des Rechtsverhältnisses, scheidet jedenfalls eine unmittelbare Anwendung aus.36
Die entsprechenden Schutzlücken sollen dem Mieter zuzumuten sein.37 Dies erscheint allerdings
fragwürdig, stellt sich die Situation hinsichtlich der Interessen des Mieters doch nicht wesentlich
anders dar als bei Abtretung der Ansprüche auf Mietzinszahlung an den Erwerber. Dementsprechend
wird in der Literatur auch durchaus vereinzelt gefordert, § 404 analog anzuwenden38 bzw. dem
Erwerber wenigstens in bestimmten Situationen wie etwa bei einer lange Zeit unterbliebenen
Abrechnung der Betriebskosten subisidiäre Pflichten aufzuerlegen39, auf die dann der Mieter eine
Aufrechnung bzw. ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der laufenden Miete stützen könnte.
d. Keine Bedeutung im Kontext des Anspruches auf Herausgabe und Räumung
34
BGH NZM 2001, 158, wo die Pflicht von Veräußerer und Erwerber zur Zusammenwirkung ausgesprochen
wird; BGH NJW 2004, 851; BGH NJW-RR 2008, 323, 324; für die gewerbliche Miete ebenso BGH NJW-RR
2005, 96; vgl. ferner BGH NJW 2007, 1818, 1819; ausf. zum Ganzen Derleder, NZM 2009, 8 ff.;
Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 55-55b m.w.Nachw.
35
Dazu eingehend Weitemeyer, FS Blank, 2006, 445 ff., 447 ff. m.w.Nachw.
36
Vgl. LG Berlin, NZM 1999, 616, wo eine entsprechende Anwendung von § 404 BGB abgelehnt wird; näher
dazu Weitemeyer, FS Blank, 2006, 445 ff., 453 f., die zutreffend darauf hinweist, dass der BGB eine Analogie
zu § 404 BGB gar nicht in Erwägung zieht.
37
Vgl. BGH 2004, 188, 189, wo es schlicht heißt: „Soweit den Mietern danach Nachteile entstehen können, weil
es ihnen verwehrt ist, mit ihnen zustehenden Rückzahlungsforderungen gegenüber Mietzinsforderungen des
Erwerbers aufzurechnen, ist dies die Folge des Erwerbs ihres Vertragsgegners und von ihnen hinzunehmen.“ In
diesem Sinne auch BGH NZM 2006, 696.
38
Weitemeyer, FS Blank, 2006, 445 ff., 453 ff.
39
So Derleder, NZM 2009, 8 ff.; dem folgt Staudinger/Emmerich, 2011, § 566 Rn. 55.
11
All dies spielt allerdings für die vorliegend interessierende Situation des Anspruches auf
Herausgabe und Räumung der Mietsache keine Rolle, da insofern nach §§ 570, 578 BGB ein
Zurückbehaltungsrecht des Mieters gegen den Rückgabeanspruch des Vermieters ohnehin
ausscheidet40 und eine Aufrechnung mangels Gleichartigkeit etwaiger Gegenansprüche des
Mieters ebenfalls nicht in Betracht kommt.
Denkbar bleiben aber Einwendungen, welche die Voraussetzungen des Kündigungsrechts
betreffen. So wirkt etwa eine durch den Vermieter gewährte Stundung der Miete zulasten des
Erwerbers weiterhin verzugsausschließend.41
Außerdem kann der Mieter beispielsweise dann, wenn der Veräußerer eine fristlose
Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB ausgesprochen hat, ungeachtet eines Wechsels
des Grundstückseigentums nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB eine Befriedigung des Vermieters
und damit die Unwirksamkeit der Kündigung herbeiführen, wobei hinsichtlich der Frage, an
wen zu leisten ist, darauf abzustellen ist, welche Zeiträume die Rückstände betreffen. Alle vor
der Veräußerung bereits aufgelaufenen Zahlungsrückstände sind gegenüber dem Veräußerer
zu tilgen.
3. Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis
Stellt sich also bereits die materielle Rechtslage mit Blick auf die verschiedenen
abzugrenzenden Zeiträume als durchaus komplex dar, so soll nun die prozessuale Perspektive
ins Spiel kommen, wobei es zunächst immer noch um die Konstellation gehen soll, dass die
Veräußerung vor Erhebung der Räumungsklage erfolgt ist.
Fragt man nach der Aktivlegitimation und der Prozessführungsbefugnis, so liegen beide beim
Erwerber. Denn wie bereits ausgeführt42 entsteht einerseits der Rückgabeanspruch aus § 546
Abs. 1 BGB in der Person des Erwerbers, sofern das Mietverhältnis bei Veräußerung noch
nicht beendet war und tritt der Erwerber andererseits dann, wenn das Mietverhältnis bei
Veräußerung bereits beendet war, nach § 566 BGB in das Rückabwicklungsverhältnis ein,
solange nur der Mieter noch nicht geräumt hat und ausgezogen ist. Folglich ist jeweils der
Erwerber aktivlegitimiert und nach der Grundregel, dass es Sache des (angeblichen)
Rechtsinhabers ist, seine Rechte gerichtlich durchzusetzen43, auch problemlos zur Erhebung
der Räumungsklage prozessführungsbefugt. Das Urteil erstreitet er als Partei über ein eigenes
Recht, so dass auch eine Vollstreckung aus dem Titel unproblematisch ist.
40
Der Ausschluss ist nicht auf den Anspruch aus § 546 Abs. 1 BGB beschränkt, sondern erstreckt sich auf
konkurrierende gesetzliche Ansprüche, vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, 10. Aufl. 2011,§ 570 Rn. 5.
41
Derleder, NJW 2008, 1189, 1191; Horst, ZMR 2009, 655, 660.
42
Vgl. unter II.1.b.
43
Vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 50 Rn. 18.
12
Wie aber oben schon in anderem Zusammenhang erläutert, gilt all dies erst ab der
Veräußerung, für welche die die Vollendung des Eigentumserwerbs, also die Eintragung im
Grundbuch entscheidend ist.44 Während der Zwischenphase nach Abschluss des
Kaufvertrages und vor Eintragung des Erwerbers im Grundbuch kann der Erwerber also aus
eigenem Recht selbst dann nicht mit Aussicht auf Erfolg auf Räumung klagen, wenn der
Vertrag bereits wirksam beendet wurde.45 Der Veräußerer, der vielleicht selbst kein Interesse
mehr hat an der Räumungsklage, kann aber den Erwerber ermächtigen zur Prozessführung.46
Dies setzt ein eigenes rechtliches Interesse des Erwerbers voraus, das aber mit Blick auf
dessen Erwerb des Grundstücks zu bejahen ist. Es liegt dann eine sog. gewillkürte
Prozessstandschaft vor, bei der der Erwerber den Herausgabeanspruch des Veräußerers in
eigenem Namen geltend macht.
II. Veräußerung nach Rechtshängigkeit
Nun zu der prozessual interessanteren Situation der Veräußerung nach Rechtshängigkeit der
Räumungsklage, bei der also der Veräußerer (oder der Erwerber als gewillkürter
Prozessstandschafter des Erwerbers) bereits Räumungsklage erhoben hat, als sich der
Eigentumswechsel durch Eintragung des Erwerbers im Grundbuch vollzieht.
1. Schicksal materiellrechtlicher Herausgabeansprüche bzw. Kündigungslagen?
Für das Schicksal der materiellrechtlichen Herausgabeansprüche bzw. Kündigungslagen
ergibt sich hier nichts anderes als bereits vorhin für die Konstellation der Veräußerung vor
Rechtshängigkeit ausgeführt, da es sich insoweit um materiellrechtliche Fragen handelt.
Soweit der Vertrag bereits wirksam beendet wurde, was typischerweise im Stadium der
Erhebung der Räumungsklage durch den Veräußerer der Fall sein wird, bleibt es dabei auch
zugunsten des Erwerbers und dies wiederum auch dann, wenn er selbst den Vertrag nicht
hätte wirksam kündigen können. Und nach hier vertretener Auffassung47 wirken wiederum
auch bereits entstandene, aber nicht ausgeübte Kündigungsrechte, Kündigungslagen oder
einzelne Tatbestandsvoraussetzungen der Kündigung zugunsten des Erwerbers, sofern nicht
ausnahmsweise das materielle Recht verlangt, dass die Voraussetzung in der Person des
Vermieters vorliegt.
44
S. unter II. 1.d.
Erst recht kann er nicht selbst eine wirksame Kündigung aussprechen; dass es dazu in Praxis dennoch häufig
kommt, darauf weist hin Eisenhardt, in: Lützenkirchen (Hrsg.), Anwalts-Handbuch Mietrecht, 4. Aufl. 2010, J
Rn. 368 f.
46
Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. XIV 31; LG Berlin, GE 1994, 399.
47
S. unter II.1.c. bis e.
45
13
2. Schicksal materiellrechtlicher Einwendungen des Mieters
Ähnlich gilt es hinsichtlich der Einwendungen des Mieters auf oben zu verweisen48, wobei
insbesondere nochmals an die weitreichend Wirkung des § 570 BGB zu erinnern ist.
3. Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis
a. Veräußerer als gesetzlicher Prozessstandschafter
Da wie oben ausgeführt49, der Veräußerer den Rückgabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB mit
der Veräußerung verliert bzw. dieser sogleich in der Person des Erwerbers entsteht, sofern der
Vertrag bei Veräußerung noch nicht beendet war, wäre eine Räumungsklage des Veräußerers
im Zeitpunkt der Veräußerung an sich unbegründet oder um es technisch zu formulieren: Der
Veräußerer verliert mit der Veräußerung des Grundstücks seine Aktivlegitimation für die
Räumungsklage. Richtiger Kläger müsste nun eigentlich der Erwerber werden. Jedoch führt
die Veräußerung des Streitgegenstandes nach der ZPO nicht zu einem Parteiwechsel. Es
findet vielmehr § 265 Abs. 2 ZPO Anwendung und so auch in der vorliegenden
Konstellation.50 Der Veräußernde wird damit nach § 265 Abs. 2 ZPO kraft Gesetzes
Prozessstandschafter des Rechtsnachfolgers.51 Die Heranziehung des § 265 Abs. 2 ZPO macht
übrigens einmal mehr deutlich, dass die These der h.A., es komme im Falle des § 566 BGB
nicht zu einer Rechtsnachfolge, auf tönernen Füßen steht. Denn die Regelung des § 265 ZPO
ist nach Wortlaut, Systematik, aber auch ihrer Genese und Ratio klar für den Fall der
Rechtsnachfolge konzipiert.
Da es sich hier um einen Wechsel auf Klägerseite handelt, verlangt die herrschende sog.
Relevanztheorie eine Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Rechtsnachfolger.52
Der bisherige Eigentümer und Vermieter muss nunmehr also Herausgabe an den Erwerber
48
S. oben II.2.
Vgl. unter II.1.b.
50
Grdlgd. RGZ 102, 177, 179 f. wo mit Blick auf die Ratio des § 265 Abs. 2 ZPO, insbesondere eine
Verzögerung der Rechtsdurchsetzung durch Veräußerung des Streitgegenstandes zu vermeiden, einem weiten
Verständnis der „Rechtsnachfolge“ iSv § 265 ZPO das Wort geredet wird; außerdem wird in der Entscheidung
die Voraussetzung der „in Streit befangenen Sache“ mit dem Argument, dass die (Vorläufer)regelung des § 566
BGB eine Verknüpfung zwischen schuldrechtlichem Mietvertrag und Grundstückseigentum bewirke, weit
verstanden, so dass auch bei einer Klage, die auf einen Anspruch aus dem Mietverhältnis gestützt wird, das
Grundstück als in Streit befangen angesehen wird ; ebenso auch bereits RGZ 55, 293, 294; s. ferner aus jüngerer
Zeit BGH NJW 2010, 1069 (obiter); s. auch Horst, ZMR 2009, 655, 661; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl. 2012, §
727 Rn. 10; MünchKomm/Häublein, 6. Aufl. 2012, § 566 Rn. 24; Schmidt-Futterer/Streyl, 10. Aufl. 2011,§ 566
Rn. 156.
51
S. nur Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 265 Rn. 6; in diesem Sinne auch schon RGZ 40, 340, 341 ff., 343
m. ausf. Diskussion des Streitstandes.
52
Std. Rspr. seit RGZ 40, 340, 341 ff., 343; s. etwa auch BGH NJW 1986, 3206, 3207; BGH NJW 1990, 2755;
dazu, dass diese Sicht den Willen des historischen Gesetzgebers missachtet, jüngst ausführl. Lammeyer, Konflikt
zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil, 2012, 43 ff., 217 ff. m. umfangr. Nachw. zum
Streitstand.
49
14
verlangen, der dadurch aber eben nicht Partei wird. Unterlässt der Veräußerer dies, wird die
Klage als unbegründet abgewiesen.53 Das Gericht hat nach § 139 ZPO im Rahmen seiner
materiellen Prozessleitungspflicht auf eine entsprechende Antragsänderung hinzuwirken.54
Die Rechtsprechung behandelt eine solche Umstellung des Klageantrages nicht als echte
Klageänderung, sondern als bloße Antragsbeschränkung55, so dass § 264 Nr. 2 ZPO
Anwendung findet56.
Der neue Eigentümer ist nach § 265 Abs. 2 ZPO nicht berechtigt, den Prozess ohne
Zustimmung des Gegners (Mieters) als Partei zu übernehmen. Dagegen ist § 266 ZPO auf
Klagen, die auf § 546 Abs. 1 BGB gestützt werden, nicht anwendbar, da es sich bei der Miete
um ein Schuldverhältnis und nicht um ein dingliches Recht handelt.57 Mit Zustimmung des
Gegners ist allerdings ein Parteiwechsel möglich. Sieht man darin einen Fall des gewillkürten
Parteiwechsels, so bedarf es auch der Zustimmung des ehemaligen Eigentümers und
Vermieters als Rechtsvorgänger.58 Die Zustimmung des Gegners kann nicht durch
Sachdienlichkeit ersetzt werden.59 Eine eigenständige neue Klage des Erwerbers wäre
aufgrund des Einwandes der Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig.60
Zustimmungsfrei möglich ist eine Nebenintervention, der jedoch nach § 265 Abs. 2 S. 3 ZPO
nicht die Wirkungen einer streitgenössischen Nebenintervention nach § 69 ZPO zukommt.
b. Räumungsklage nur begründet bei Herausgabeanspruch des Erwerbers
Wird also der Räumungsprozesses nicht ausnahmsweise mit Zustimmung des Mieters und des
Veräußerers durch den Erwerber übernommen, so bleibt der Veräußerer klagende Partei.
Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, dass der Veräußerer kein eigenes Recht mehr
geltend macht, sondern als gesetzlicher Prozessstandschafter im eigenen Namen das Recht
des Erwerbers auf Herausgabe und Räumung durchsetzt. Dies ist von entscheidender
Bedeutung für die Begründetheit der Räumungsklage. Diese hängt nunmehr allein davon ab,
ob dem Erwerber ein einredefreier Anspruch auf Räumung und Herausgabe des
Mietgegenstandes zusteht. Damit erlangen die oben61 angestellten materiellrechtlichen
Erwägungen zur Frage der Fortwirkung einer ausgesprochenen Kündigung bzw. einer
Kündigungslage sowie einer etwaigen Einwendung des beklagten Mieters Bedeutung. Lagen
53
S. dazu allg. die Nachw. bei Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 265 Rn. 6.
Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 139 Rn. 15.
55
So schon RGZ 158, 302, 314.
56
S. nur Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 265 Rn. 6a, § 264 Rn. 3b.
57
S. Horst, ZMR 2009, 655, 661; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 266 Rn. 2.
58
Allg. in diesem Sinne MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, 3. Aufl. 2008, § 265 Rn. 93 m.w.Nachw.
59
BGH NJW 1996, 2799; BGH NJW 1988, 3209.
60
Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 266 Rn. 8a.
61
S. II. 1. und 2.
54
15
beispielsweise in der Person des Veräußerers die Voraussetzungen des Eigenbedarfes nach §
573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, war aber die Kündigungsfrist bei Veräußerung noch nicht
abgelaufen, so verliert der Veräußerer als Prozessstandschafter des Erwerbers den
Räumungsprozess, wenn nicht ausnahmsweise auch in der Person des Erwerbers der
Eigenbedarf fortwirkt, weil es sich um einen Angehörigen des Veräußerers handelt.
Umgekehrt entfaltet nach meiner Auffassung etwa eine durch den Veräußerer
ausgesprochene, auf eine fehlende angemessene wirtschaftliche Verwertung gestützte
Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zugunsten des Erwerbers auch dann Wirkung, wenn
zwar im Zeitpunkt der Veräußerung die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war, die
objektbezogenen Umstände aber fortbestehen und die entsprechenden wirtschaftlichen
Nachteile in der Person des Erwerbers bejaht werden können. Das entsprechende
Nachschieben der in der Person des Erwerbers verwirklichten Kündigungsvoraussetzungen ist
materiellrechtlich nach § 573 Abs. 3 S. 2 BGB zulässig und kann prozessual in den Grenzen
des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO selbst noch in der Berufungsinstanz erfolgen62.
4. Rechtskrafterstreckung
Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirkt das vom Veräußerer in gesetzlicher Prozessstandschaft
erstrittene Urteil zu Gunsten und zu Lasten des Erwerbers. Dies gilt nach h.M. selbst dann,
wenn die nach Rechtshängigkeit erfolgte Veräußerung des Streitgegenstandes (hier: des
Grundstücks) während des Prozesses unbeachtet geblieben ist, der Veräußerer also entgegen
der herrschenden sog. Relevanztheorie seinen Klageantrag nicht auf Leistung an den
Rechtsnachfolger (hier: den Erwerber) umgestellt hat.63
5. Vollstreckung
Nach § 727 ZPO kann der Erwerber, obwohl er gar nicht Partei des Räumungsprozesses war,
Erteilung der Vollstreckungsklausel zur Vollstreckung aus dem vom Veräußerer in
Prozessstandschaft erstrittenen Urteils beantragen.64 Da es zu einer Rechtskrafterstreckung
nach § 325 Abs. 1 ZPO zugunsten des Erwerbers auch dann kommt, wenn die Veräußerung
62
Allgemein dazu Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 531 Rn. 30 m.w.Nachw.; zur Rechtslage vor der ZPOReform s. etwa OLGR München 2002, 281.
63
Vgl. BGHZ 145, 352, 355; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 325 Rn. 17.; dasselbe gilt auch für ein
klageabweisendes Urteil, ausf. zum Ganzen Lammeyer, Konflikt zwischen Zession und dem vom Zedenten
erwirkten Urteil, 2012, 63 ff. m.umfangr.Nachw.
64
Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht schon der Veräußerer selbst eine vollstreckbare Ausfertigung beantragt
hat, vgl. BGH NJW 1984, 806, wo zugleich klargestellt wird, dass eine (einfache) vollstreckbare Ausfertigung
zugunsten des neuen Gläubigers nach §§ 724, 725 ZPO selbst dann ausscheidet, wenn der Klageantrag auf
Leistung an den Rechtsnachfolger umgestellt worden war.
16
im Prozess nicht offengelegt wurde65, gilt dies auch bei einer solchen verdeckten
Veräußerung, obwohl das Urteil dann nicht auf Leistung an den Erwerber lautet.66 Die
Rechtsnachfolge kann der Erwerber stets durch öffentliche Urkunde, nämlich durch einen
Grundbuchauszug nachweisen.67 Ein Nachweis ist entbehrlich, wenn die Rechtsnachfolge
offenkundig ist oder der Schuldner die Rechtsnachfolge im Sinne von § 288 ZPO zugestanden
und der bisherige Gläubiger der Erteilung der Vollstreckungsklausel an den Rechtsnachfolger
zugestimmt hat.68
III. Veräußerung nach Rechtskraft des Urteils
Kommt es erst nach rechtskräftiger Entscheidung der Räumungsklage zu einer Veräußerung
des Grundstücks, so ist aufgrund des bereits erfolgten Abschlusses des Erkenntnisverfahrens
die Frage nach dem Schicksal der materiellrechtlichen Herausgabeansprüche,
Kündigungsrechte und –lagen grundsätzlich nicht mehr von vordringlichem Interesse,
sondern ist entscheidend, ob die Rechtskraftwirkung des Urteils sich auf den Erwerber
erstreckt.
1. Rechtskrafterstreckung
Die Rechtskrafterstreckung eines aufgrund der Räumungsklage des Veräußerers ergangenen
Urteils auf den Erwerber ist auch bei einer Veräußerung des Grundstückes nach
Rechtskrafteintritt zu bejahen und zwar sowohl zugunsten als auch zu Lasten des Erwerbers.
Denn auch bei Rechtsnachfolge nach rechtskräftigem Urteil greift § 325 Abs. 1 ZPO ein.69
Ein vom Veräußerer erlangtes Urteil wirkt also ebenfalls zu Gunsten und zu Lasten des
Erwerbers, obwohl der Veräußerer seinen Klageantrag naturgemäß nicht auf Leistung an den
Erwerber umgestellt hatte, da im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der
letzten Tatsacheninstanz noch gar keine Veräußerung vorlag.
Allerdings mag der Erwerber dann, wenn der Veräußerer im Prozess unterlegen ist, einen
neuen Räumungsprozess anstrengen wollen. Da auch in dieser Situation § 325 Abs. 1 ZPO
Anwendung findet, ist ein solcher neuer Prozess gemäß der § 767 Abs. 2 ZPO zu
entnehmenden zeitlichen Grenze für die Rechtskraftwirkung nur zulässig, soweit der
65
S. Fn. 63.
S. Lammeyer, Konflikt zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil, 2012, 91 m.w.Nachw.
67
Auch bei einem auf Leistung an den Rechtsnachfolger lautenden Tenor stellt das Urteil selbst die
Rechtsnachfolge nach h.M. nicht rechtskräftig fest, vgl. RGZ 167, 321, 323; BGH NJW 1984, 806; kritisch
Lammeyer, Konflikt zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil, 2012, 467 ff. m.umfangr.
Nachw. zum Streitstand.
68
BGH WM 2005, 1914; LAG Köln, ArbR 2010, 613.
69
BGHZ 114, 363, 364; BGH NJW 1983, 2032; BGH NJW 1981, 1517; s. ferner eingehend Lammeyer,
Konflikt zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil, 2012, 61 f. m.w.Nachw.
66
17
Erwerber sich auf Tatsachen stützt, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung der
letzten Tatsacheninstanz entstanden sind.70 Auch insofern kann eine Klage also gerade nicht
auf einen bereits zuvor beim Veräußerer entstandenen Herausgabeanspruch bzw. eine
entsprechende Kündigungslage gestützt werden.
2. Vollstreckung
Aufgrund der Rechtskrafterstreckung nach § 325 Abs. 1 ZPO kann der Erwerber ebenso wie
bei einer Veräußerung nach Rechtshängigkeit gemäß § 727 ZPO eine Vollstreckungsklausel
für sich beantragen. Dass der Veräußerer aufgrund der erst nachfolgenden Veräußerung
seinen Klageantrag noch nicht auf Herausgabe an den Erwerber des Grundstücks als
Rechtsnachfolger umstellen konnte ist dabei ebenso unschädlich wie der Umstand, dass dieser
nicht Partei des Räumungsverfahrens war.
IV. Fazit
1. Vor allem bei einer Veräußerung vor Rechtshängigkeit, aber auch bei einer Veräußerung,
die zwar nach Rechtshängigkeit erfolgt, jedoch bevor der Veräußerer ein rechtskräftiges
Räumungsurteil erstritten hat, kann der Erfolg der Räumungsklage davon abhängen, ob eine
Kündigung bzw. Kündigungsvoraussetzungen zugunsten des Grundstückserwerbers
fortwirken. Im ersten Fall macht der Erwerber als Klagepartei ein eigenes Recht auf
Herausgabe und Räumung aus § 546 Abs. 1 BGB und etwaigen gesetzlichen
Anspruchsgrundlagen geltend, im letztgenannten Fall wird der Prozess grundsätzlich nach §
265 Abs. 2 ZPO vom Veräußerer als gesetzlichem Prozessstandschafter des Erwerbers
fortgeführt, so dass es ebenfalls darauf ankommt, ob der Erwerber einen Herausgabe- und
Räumungsanspruch gegen den Mieter hat.
2. Das herrschende Verständnis zu § 566 BGB im Sinn einer strikten zeitlichen Zäsur mit
einem prinzipiellen Verbleib bereits entstandener Rechte und Pflichten beim Veräußerer,
wird dem Dauerschuldcharakter der Miete nicht gerecht. Vorzugswürdig erscheint
demgegenüber ein Verständnis als gesetzliche Vertragsübernahme. Ist der Vertrag im
Zeitpunkt der Veräußerung noch nicht beendet, so sollte über die Fortwirkung einer zuvor
bereits erklärten Kündigung, einer Kündigungslage oder auch einzelner
Kündigungsvoraussetzungen die Ratio des jeweiligen Kündigungsgrundes oder der jeweiligen
Kündigungsvoraussetzung entscheiden, so dass Tatbestandsmerkmale, die nicht primär auf
70
Allg. dazu Stein-Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl. 2008, § 322 Rn. 234; MünchKomm/Gottwald, ZPO, 3. Aufl.
2008, § 322 Rn. 150 ff. jeweils m.w.Nachw.
18
die Person des Vermieters bezogen sind, sondern eher an das Objekt oder den Mieter
anknüpfen, grundsätzlich zugunsten des Erwerbers fortwirken.