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Zwei Jahre hat es gedauert, aus einem 175 Jahre alten landwirtschaftlichen Anwesen einen ÖkoCampingplatz mit Teichen und Streuobstw wie iese senn zu machen. Nomaden auf Ökotrip SPEZ20I15AL Juni 10 Seiten n zu achhaltigem Öko-Camping Camping ist eine der klimafreundlichsten Urlaubsformen. Der Verein „Ecocamping“ in Konstanz entwickelt seit 13 Jahren Strategien, um die Ökobilanz von Campingplätzen weiter zu verbessern. Eine, die besonders Spaß macht: im Zirkuswagen oder in der Jurte auf der Schwäbischen Alb übernachten. TEXT: SIGRID KRÜGEL 74 natur 06-15 Foto: Eric Vazzoler / Zeitenspiegel < Besser leben 06-15 natur 75 Z uerst kamen die Molche aus dem nahegelegenen Wald. Danach waren ruckzuck auch die Kröten und Frösche da und besiedelten die neuen Teiche. Mit dem Öko-Campingplatz „Hofgut Hopfenburg“ im Biosphärengebiet Schwäbische Alb hat sich Architekt Andreas Hartmaier, im Nebenberuf Campingplatzbetreiber, einen Traum erfüllt. Der Gebäudekomplex mit Festscheune, Backhaus, Seminarräumen und Ställen wurde nach baubiologischen Vorgaben und mit regionalen Baumaterialien saniert. In »Wir wollten alles hundertprozentig richtig machen und auch die Menschen nicht vergessen« Andreas Hartmaier, Campingplatzbetreiber einem Blockheizkraftwerk erzeugt die Hopfenburg ihren eigenen Strom, die Abwärme wird zur Warmwasserbereitung und im Winter zum Heizen genutzt. Die Duschköpfe sind mit Durchflussbegrenzern ausgestattet und die Toiletten mit Spartasten. Außerdem gibt es zwei getrennte Abwassersysteme für Brauchwasser und Regenwasser. Und sobald genug Geld da ist, will Hartmaier die geplante Drei-Kammer-Grube mit Ultraviolettbestrahlung bauen, um das Wasser aus den Duschen aufzubereiten und für die Toilettenspülungen wiederzuverwenden. „Vorbereitet ist alles.“ 76 natur 06-15 80 Stellplätze für Wohnwagen, Wohnmobile und Zelte gibt es auf der Hopfenburg. Dazu acht Jurten, acht Tipis und sieben Tuareg-Zelte sowie zwei Dutzend Schäfer- und Zirkuswagen. Die Nomadenunterkünfte mit ihrem Dach aus roten Holzstäben, über die dicker blau und grau verzierter Wollfilz gespannt ist, wurden im Biosphärenreservat Issyk Kul in Kirgistan von Nomadenfamilien gefertigt. Die Tipis hat Hartmaier in einem Biosphärengebiet in Nordamerika machen lassen, die Zirkuswagen aus Leipzig, Stuttgart und dem Vogtland nach Münsingen gekarrt. Baubiologisch renoviert und ausgebaut wurden die Zirkuswagen in der hofeigenen Schreinerei, in der auch Jugendliche mit Behinderung arbeiten. Bei den vielen Maßnahmen zum Naturschutz sollten auf der Hopfenburg „die Menschen nicht vergessen werden“, sagt der 58-Jährige über das Inklusionsprojekt. In der Festscheune können die Campinggäste frühstücken und zu Abend essen, gekocht wird zu 80 Prozent mit regionalen Lebensmitteln. Was es, wie etwa Kaffee, auf der Alb nicht gibt, stammt aus fairem Handel. „Wir wollten alles hundertprozentig richtig machen“, sagt Andreas Hartmaier. Gut zwei Jahre hat es gedauert, aus dem 175 Jahre alten Anwesen, auf dem früher Hopfen für die vielen kleinen Brauereien auf der Schwäbischen Alb angebaut wurde, einen ÖkoCampingplatz zu machen. 400 hochstämmige Apfelund Birnbäume – seltene und fast ausgestorbene Sorten – säumen heute das Gelände. Waldschafe sorgen für Ordnung auf den Streuobstwiesen. Und mit ih- Fotos: Eric Vazzoler / Zeitenspiegel (4), Ecocamping e.V. Urlaub im Zirkuswagen. „Wir sind eigentlich gar keine Camper“, erzählt Erika Herold, während ihre Schwägerin die NeuCamper fotografiert. < Besser leben rem laut scheppernden Wiehern wecken Beppo und Robin, zwei Poitou-Esel, die Langschläfer. „ArcheHof“ nennt Hartmaier diesen kleinen Zoo der bedrohten Nutztierrassen, zu dem auch die beiden Hinterwälder Rinder Babette und Bella gehören. Urlauber dürfen mit anpacken, die Tiere füttern, melken und den Stall ausmisten. Bauernhofleben für Einsteiger: arbeitsreich, aber dabei wild-romantisch. Vom Internetportal www.glamping.info (zusammengesetzt aus „glamorous“ und „Camping“) wurde die Hopfenburg deshalb als eine der „10 verträumtesten Glamping-Unterkünfte 2014“ in Europa ausgezeichnet. Vom ADAC gab es wegen des außergewöhnlichen und zukunftsweisenden Konzepts den „Camping Caravaning Award“. 100 Kilometer südlich von Münsingen, in Konstanz am Bodensee, hat der Verein „Ecocamping“ seinen Sitz. Geschäftsführer Wolfgang Pfrommer und sein Team beraten auch das Hofgut Hopfenburg. Feste Unterkünfte wie dort lägen im Trend, erklärt der 56-Jährige. „Campingurlaub wird immer schicker, es ist kein Billigurlaub mehr, sondern Naturluxus. Man kann seine Sehnsucht nach Natur, nach Draußensein stillen.“ Vor 13 Jahren haben Umwelt- und Campingverbände den Verein gegründet, um Campingurlaub noch grüner zu machen. Heute nutzen rund 230 Platzbetreiber das von Ecocamping entwickelte Umwelt- und Qualitätsmanagementsystem. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die CO2-Bilanz. Es gilt, Energie und Wasser effizient zu nutzen und Abfälle zu recyceln oder ganz zu vermeiden. Das Leitbild enthält mehr als ein Dutzend Ziele, darunter die Förderung von Artenvielfalt und sanfter Mobilität, die Bevorzugung regionaler Produkte und Dienstleister sowie der Ausbau barrierefreier Lebensräume. Insgesamt prüfen die Mitarbeiter bei der Zertifizierung eines Platzes 600 Aspekte. Ausgefallene Mietunterkünfte wie auf der Hopfenburg sind nicht nur bei den Gästen beliebt, erzählt Wolfgang Pfrommer. Sie haben einen entscheidenden Umweltvorteil: „Urlauber können mit leichtem Gepäck und öffentlichen Verkehrsmitteln reisen.“ Denn ein Großteil der Emissionen nahezu jedes Urlaubs entsteht bei der An- und Abreise. Wer Gaskocher, Luftmatratze und Geschirr nicht mitschleppen muss, braucht auch keinen eigenen Wagen. Die meisten Mietunterkünfte – vom Baumhaus bis zum Schäferwagen – sind heute ähnlich ausgestattet wie eine Ferienwohnung. Wer es ernst meint mit dem klimafreundlichen Urlaub, sollte daher eine feste Unterkunft auf einem energieeffizienten Campingplatz buchen und mit dem Zug fahren, rät der Fachmann. Wie viel klimafreundlicher Öko-Camping ist, untersuchte 2011 Unternehmensberater Gunter Riechey. Seine EU-geförderte Studie „Betriebswirtschaft- liche Analyse von ausgewählten Campingplätzen mit Ecocamping-Management im Bundesgebiet und in Mecklenburg-Vorpommern“ kommt zu dem Ergebnis, dass Campingplätze mit Ecocamping-Management „sowohl wirtschaftlich erfolgreicher als auch ressour- »Campingurlaub wird immer schicker, es ist kein Billigurlaub mehr, sondern Naturluxus« Wolfgang Pfrommer, Geschäftsführer von Ecocamping ceneffizienter und damit umweltschonender sind“. Sprich: Umweltschutz zahlt sich aus. Vor allem beim Wasserverbrauch macht sich das Engagement in grüne Technologien bemerkbar. Laut der Untersuchung verbrauchten Ecocamping-Plätze im Durchschnitt 81,9 Liter je Übernachtung und Person. Bei konventionellen Anlagen waren es 90,6 Liter – und damit fast elf Prozent mehr. „Obwohl die Betriebe mit Ecocamping über wesentlich mehr wasserintensive Schwimmbäder verfügen, was einen höheren Wasserverbrauch erwarten lassen würde“, wie es in dem Gutachten Beppo und Robin heißen die beiden Poitou-Esel auf der Hopfenburg. AnnaMaria Jenny, hauswirtschaftliche Leiterin, backt Brot für die Gäste (ganz unten). 06-15 natur 77 Besser leben > »Wir analysieren den Ist-Zustand und schauen, wo die Potenziale eines Campingplatzes liegen« Carina Dambacher, Projektleiterin bei Ecocamping Die Gäste auf Klausenhorn können sich kostenlos einen Solarkocher ausleihen. Direktvermarkter verkaufen mehrmals pro Woche Lebensmittel aus der Region. 78 natur 06-15 Erlebnisräume. Das klingt wie ein pädagogischer Auftrag, ist aber ein klares wirtschaftliches Interesse, denn wenn die Kinder sich wohlfühlen, kommen die Gäste wieder“, so Carina Dambacher, Projektleiterin und bei Ecocamping unter anderem für die Themen „Naturnahe Freizeitgestaltung“ und „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ zuständig. 30 Campingplätze können mitmachen. „Wir analysieren den IstZustand und schauen, wo die Potenziale liegen.“ Feuchtgebiete sind ein Thema, Trockenmauern für Eidechsen und Reisigwälle, in denen der Zaunkönig sein Nest baut und der Igel Unterschlupf findet. Auch kleine Dinge, die den Gästen Freude machen, seien wichtig, sagt Dambacher: „Ein Kräutergarten zum Beispiel, aus dem man sich bedienen kann.“ Oder Baumarten, die tiefhängende Äste haben, „damit Kinder raufklettern können.“ Viel Erfahrung mit solchen Angeboten hat auch Klaus Engelmann, Chef des Campingplatzes Klausenhorn, 20 Autominuten von Konstanz entfernt. Klausenhorn, im Besitz der Stadt Konstanz, war das erste Projekt von Ecocamping, noch bevor es den Verein überhaupt gab. 1998 wurde die Anlage – damals noch unter Federführung der Bodensee-Stiftung und geistigen Mutter von Ecocamping, energetisch auf Vordermann gebracht. Mit Solaranlage, Photovoltaik, Wasserspartechnik und begrüntem Dach. Für Engelmann bedeutet Öko-Camping, „dass man die Natur so wenig wie möglich stört“. 1989 hatte der gelernte Vermessungstechniker die Nase voll vom Bürojob und wechselte ins Campinggewerbe. Und rief als erstes den „müllfreien Campingplatz“ aus. „Die Kosten für die Abfallentsorgung fraßen uns den Gewinn weg.“ Die Camper kauften verpackte Ware im Discounter und der Müll blieb ungetrennt. „Aber man muss nur mit den Leuten reden“, sagt Engelmann. So habe er es die ganzen Jahre gehalten und damit Erfolg gehabt. Man muss die richtigen Angebote machen, sagt Wolfgang Pfrommer, und da sei Klausenhorn ein Musterschüler. An der Wertstoffinsel im Eingangsbereich wird alles getrennt: Flaschen, Dosen, Eierkartons, Korken. Verschiedene Direktvermarkter bieten schon seit vielen Jahren Obst und Gemüse, Fleisch und Wurst, Honig und Käse direkt auf dem Platz an. Statt im Discounter abgepackte Ware zu kaufen, kommen die meisten Gäste mit Einkaufskorb und Kunststoffbehälter. Wer auf Klausenhorn eincheckt, bekommt außerdem ein Infoblatt mit den Adressen vom örtlichen Metzger und Bäcker und vom Bauernhof mit Frischmilchautomat ausgehändigt, Experimentierfreu- Fotos: Ecocamping e.V., Hans König (2), Tourist-Information Konstanz GmbH, Zeitenspiegel heißt. Ähnlich die Ergebnisse bei Strom und Heizung. Für Ecocamping-Plätze ermittelte Riechey einen Stromverbrauch von 2,83 Kilowattstunden pro Übernachtung, bei Plätzen ohne Öko-Anspruch waren es 3,00 Kilowattstunden, also sechs Prozent mehr. Bei der Heizenergie kam der Gutachter auf eine Ersparnis von 3,5 Prozent gegenüber konventionellen Plätzen. Ressourceneffizienz ist aber nur ein Bereich, der in Konstanz beackert wird. In einem neuen Projekt geht es um biologische Vielfalt. „Campingplätze brauchen Direkt am Bodensee: Der Öko-Campingplatz Klausenhorn gehört der Stadt Konstanz. dige können sich auch kostenlos einen der Solarkocher ausleihen. 36 Kräutertöpfe stehen zum Plündern bereit, ebenso wie eine Getreidemühle und Teigmaschine – fürs gemeinsame Pizza- und Flammkuchenbacken. Der Campingplatzchef sagt: „Die Natur ist der Ast, auf dem wir sitzen.“ Und so sähen es auch die meisten seiner Gäste. Früh um fünf, wenn Engelmann zur Vogelwanderung ruft, stehen sie parat, mit Fernglas und Fotoapparat. Tausende hat er so schon in die Vogelwelt am Bodensee eingeführt und Hunderte Nistkästen mit ihren Kindern gebaut. Für den Platzbesitzer ist Camping auch „ein Lernort für Zuhause“. 2014 haben sich die Klausenhorner zum ersten Mal in Foodsharing versucht. Nudeln übrig oder Karotten? „Wir haben einen Kühlschrank aufgestellt, in den jeder Lebensmittel legen konnte, die er nicht aufbrauchte.“ Etwas zäh lief das Ganze, „aber man darf nicht gleich aufstecken“, sagt Engelmann. „Für neue Ideen braucht man Sitzfleisch und Geduld.“ Der ■ Campingveteran hat beides. Sigrid Krügel hatte fast schon vergessen, wie schön Campen sein kann. So wunderbare Plätze wie die Hopfenburg mit Zirkuswagen, kirgisischen Jurten und Eselgewieher zum Frühstück gab es in ihrer Kindheit leider noch nicht. 06-15 natur 79 Besser leben > Yes, we camp Anna Klein Die Wirtschaftswissenschaftlerin lehrt an der International University of Applied Sciences (IUBH) Duales Studium in München. Ihre Doktorarbeit wurde mit dem NatureLife Nachhaltigkeitspreis 2014 und dem ITB Wissenschaftspreis 2015 ausgezeichnet. 80 natur 06-15 natur: Camping boomt, auch bei Leuten, die sich locker einen Familienurlaub im Hotel leisten können. Klein: Über LOHAS heißt es oft, das sind die Wohlhabenden dieser Welt. Das stimmt so aber nicht. LOHAS bedeutet „Lifestyles of Health and Sustainability“ und ist eine Bewegung unterschiedlicher Lebensstile, in deren Mittelpunkt Gesundheit und Nachhaltigkeit stehen. Sie betrachten den Konsum als Möglichkeit, die Welt zu verändern. Das unterscheidet sie von den Ökoaktivisten der ersten Stunden in den 70er Jahren, die Konsum per se schlecht fanden. Es gibt genügend LOHAS, die eher zu den unteren Einkommensklassen gehören, die sich aber trotzdem gesund ernähren und Produkte aus fairem Handel kaufen wollen. Was die Freizeit angeht: Camping ist Urlaub in der Natur und das ist auf alle Fälle das, was LOHAS anstreben. Wen haben Sie befragt? In der LOHAS-Gruppe waren Leute, die ich über die drei bedeutendsten LOHASPortale in Deutschland gesucht habe: utopia.de, karmakonsum.de und lohas.de. Die zweite Gruppe bestand aus Nicht-LOHAS, bei denen die wichtigsten demografischen Kriterien wie Alter, Einkommen und Geschlecht mit denen der LOHAS übereinstimmten. Die Gruppen bestanden aus einem Drittel Männer und zwei Dritteln Frauen – von dieser Verteilung gehen auch die wichtigsten Untersuchungen über LOHAS aus. Die meisten waren zwischen 20 und 50. Wohin reisen LOHAS am liebsten? LOHAS verreisen öfter innerhalb von Deutschland. Wenn sie ins Ausland fahren, dann bevorzugt in Nachbarländer wie Frankreich, Österreich, die Schweiz oder nach Westeuropa, zum Beispiel Ir- land und England. Sie machen lieber Outdoor-Urlaub als eine Pauschalreise. Weniger interessiert sind sie an preiswerten Strandzielen in Bulgarien und Griechenland. Nachhaltigkeit fängt ja bei der Mobilität an ... Für die Anreise nutzen LOHAS häufiger umweltfreundliche Verkehrsmittel wie den Zug oder öffentliche Verkehrsmittel. Am Urlaubsort sind sie häufiger mit dem Fahrrad unterwegs. Und wo schlafen sie am liebsten? Bei der Wahl der Unterkunft konnte ich ebenfalls Unterschiede feststellen. LOHAS präferieren stärker als die Vergleichsgruppe die sogenannte Para-Hotellerie – wie zum Beispiel Ferienwohnungen und Campingplätze. Meine Vermutung wäre, dass diese Unterkunftsarten eine individuellere Urlaubsgestaltung ermöglichen als dies bei Hotels der Fall ist. Eine Ferienwohnung mieten 20,7 Prozent der LOHAS am liebsten. Für Zelt, Wohnwagen und Wohnmobil entscheiden sich 13,4 Prozent. Im Hotel übernachten 20,7 Prozent, aber 36,3 Prozent der Nicht-LOHAS. Was hat Sie am meisten überrascht? Als wichtigstes Kriterium für die Wahl einer Unterkunft nannten LOHAS die biologische Küche mit regionalen und saisonalen Gerichten. Das würde auch erklären, warum LOHAS Ferienwohnungen und Campingplätze bevorzugen. Bioverpflegung im Hotel gibt es vor allem im hochpreisigen Segment. Wer nicht so viel Geld ausgeben will oder kann, wählt die Ferienwohnung oder den Campingplatz, wo er sich selbst verpflegen kann. Fast genauso wichtig waren die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Kennzeichnung mit einem Gütesiegel für ■ nachhaltigen Tourismus. Foto: privat Die Urlaubsvorlieben von Menschen, die ihr Leben gesundheitsbewusst und nachhaltig gestalten wollen, hat Anna Klein in ihrer Dissertation untersucht. Dabei stellte sie fest: 13,4 Prozent der sogenannten LOHAS bevorzugen Zelten und Urlaub im Wohnwagen oder Wohnmobil. natur sprach mit der Professorin für Tourismuswirtschaft über ihre Ergebnisse. Ab in den Urlaub Lust auf Hotel? Hat aber keine gute Klimabilanz! Komfort schadet der Umwelt eher. Das Wohnmobil, das auf einem einfachen Stellplatz geparkt wird, schneidet deshalb laut Ökoinstitut auch besser ab als ein Campingplatz. In die Übernachtung auf Campingplätzen fließen nämlich auch Schwimmbäder, Sanitäranlagen und Restaurants ein. Der Haken bei der Sache: Wer zwei Wochen Ferien mit dem Wohnmobil macht, wird sich kaum mit einem Stellplatz begnügen, auf dem außer Strom nicht viel geboten ist. Am umweltfreundlichsten ist übrigens der Urlaub auf einem Öko-Campingplatz. Der klimafreundlichste Urlaub ist die Radtour ab der Haustür. Die Reise hin zum Urlaubsziel und zurück verursacht nämlich die meisten Emissionen. Größter Klimakiller: das Flugzeug. Bei Mittel- und Langstreckenflügen erreicht es Flughöhen, in denen nicht nur Kohlendioxid, sondern auch Stickoxide, Wasserdampf, Partikel und Schwefeloxide den Treibhauseffekt verstärken. Am besten schneidet der Reisebus ab. Pkw und Wohnmobil sind ungünstiger als der Bus, auch wenn sie mit vier Personen besetzt sind. natur-Tipp In der Untersuchung des Ökoinstituts nicht berechnet wurde die Variante „Mit dem Reisebus zum Campingplatz auf Rügen“. Das aber wäre der absolute Klima-Tipp: Laut Berechnung von natur fallen dabei nur 100 Kilogramm klimaschädliche Emissionen an. Und: Finger weg von Kreuzfahrten. Wer zwölf Tage durch die Ostsee schippert, verursacht 2,3 Tonnen CO2-Äquivalente. Zu guter Letzt ein Fallbeispiel: Zwölf Tage Urlaub auf Rügen, Herr und Frau M. wohnen in Frankfurt am Main, Fahrstrecke: 1570 Kilometer hin und zurück. Welche Art Urlaub ist am ökologischsten, wenn man die Faktoren An- und Abreise, Übernachtung, Verpflegung und die Mobilität vor Ort zusammen betrachtet? Laut Ökoinstitut ist es der Campingurlaub mit dem Pkw. Er trägt mit knapp 226 Kilogramm CO2-Äquivalente zur globalen Erwärmung bei (CO2-Äquivalente bedeutet: die chemischen Verbindungen, die zum Treibhauseffekt beitragen, umgerechnet auf Kohlendioxid). Beim Urlaub im Wohnmobil sind es 235 Kilogramm. Allerdings nur, wenn kein Campingplatz in Anspruch genommen wird. Wohnmobilisten, die auf dem Campingplatz Urlaub machen, verursachen knapp 274 Kilogramm CO2-Äquivalente. Da ist es klimafreundlicher, mit dem Reisebus zu fahren und im Hotel abzusteigen. Die komplette Untersuchung, die auch Vergleiche für eine Südfrankreich-Reise und Winterurlaub in den Dolomiten enthält, kann kostenlos beim Ökoinstitut im Internet heruntergeladen werden: www.oeko.de/oekodoc/1572/2013–428-de.pdf Quelle: Vergleichende Klimabilanz von Motorcaravanreisen, Öko-Institut 2013, und Ecocamping-Netzwerkanalyse 2013 (Anteil Verpflegung geschätzt) 73 Mal zur Sonne und zurück: Diese Strecke legen die Deutschen pro Jahr in ihrer Freizeit und bei Urlaubsfahrten zurück, insgesamt 22 Milliarden Kilometer. Das Ökoinstitut Freiburg hat im Auftrag des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD) untersucht, wie viel klimaschädliche Emissionen bei Urlaubsreisen entstehen. natur hat ausgerechnet: Nehmen Sie den Fernbus und gehen Sie campen. Klimafreundlicher geht’s nicht. 06-15 natur 81 Besser leben > Immer mehr Urlauber gehen campen, wie Statistiken zeigen. Ein Platz an der Sonne Camping boomt. Um mehr als sieben Prozent ist die Zahl der Übernachtungen auch 2014 wieder gestiegen. Was müssen Neueinsteiger wissen? An welchen Siegeln erkennt man einen Öko-Campingplatz? Und wo ist es besonders schön? Ecocamping 230 Mitglieder in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Slowenien und Kroatien. Elf Campingplätze sind inzwischen klimaneutral, sie tragen das Zeichen „Klimafreundlicher Betrieb“. Wertung der Verbraucherinitiative: Die Auszeichnung Ecocamping-Management gibt Urlaubern gute Hinweise auf nachhaltige Strategien im Campingsektor. Da keine konkreten Kriterien oder Kennzahlen vorgegeben werden, wird keine Bewertung vorgenommen. www.ecocamping.de Grünes Blatt Der ADAC kennzeichnet in seinem aktuellen Campingführer 167 besonders klimafreundliche Betriebe mit dem Grünen Blatt. Wichtige Kriterien sind der Einsatz alternativer Energiequellen, die Einsparung von Trinkwasser und die Nutzung von Brauchwasser (mindestens 30 Prozent des Gesamtwasserbedarfs). Verbraucherinitiative: keine Erwähnung. www.campingfuehrer.adac.de 82 natur 06-15 Viabono Viabono wurde 2001 auf Initiative des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes gegründet. 15 Campingplätze in Deutschland sind zertifiziert. Wertung der Verbraucherinitiative: Es handelt sich um ein anspruchsvolles Label, das zu ökologischen Verbesserungen im Tourismus beiträgt und das auch einzelne soziale Forderungen aufstellt. Empfehlenswert. www.viabono.de EU-Ecolabel Unter anderem müssen bei Campingplätzen mindestens 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Neun Campingplätze in Deutschland sind zertifiziert. Wertung der Verbraucherinitiative: Die Kriterien für die Vergabe des Labels werden von unabhängigen Stellen mitentwickelt. Umfassende und unabhängige Kontrollen machen das Label glaubwürdig. Besonders empfehlenswert. www.eu-ecolabel.de Übersichtlich Eine gute Übersicht über Campingplätze, zum Teil in ganz Europa, bieten auch folgende Portale: www.campingplatz-deutschland.de www.camping.info www.eurocampings.de Foto: Kerstin Bittner Die Siegel Wer nach einem klimafreundlichen Campingplatz sucht, stößt am häufigsten auf das blau-grün-gelbe Logo von Ecocamping und das Grüne Blatt des ADAC. Nur wenig verbreitet sind das Logo von Viabono und das EU-Ecolabel. Anders campen Camping im privaten Garten. Aus Großbritannien und den Niederlanden ist der neueste Trend der Share Economy inzwischen auch in Deutschland und dem Rest von Europa angekommen: Auf der Internetseite „Camp in my Garden“ bieten Gartenbesitzer private Campingmöglichkeiten an. www.campinmygarden.com Schwimmender Wohnwagen. Wohnwagen und Schiff zugleich ist der Sealander. Das Fahrwerk ist voll verzinkt, die Radnaben ölgelagert und zum Schutz vor dem Wasser versiegelt. www.sealander.de Huckepack. Eine schwimmende Plattform für sein Wohnmobil oder den Wohnwagen kann man in Mecklenburg-Vorpommern mieten. www.camping-maritim.de, www.freecamper.de Glamorous Camping. „Die Idee von einem naturnahen Urlaub, ohne auf einen gewissen Luxus zu verzichten, wird sich weiter durchsetzen“, ist Zukunftsforscher Eike Wenzel überzeugt. „Glamping“ nennt er diesen Trend, ein Kunstwort aus „glamourous“ und „Camping“. www.glamping.info Lieblingscampingplätze Vegane Chefin in 17279 Lychen, www.siebenseen.de Den NABU im Boot in 24306 Plön, www.spitzenort.de Bioladen und Büchertauschbude in 29525 Uelzen, www.uhlenkoeper-camp.de Esel und Zirkuswagen in 72525 Münsingen, www.hofgut-hopfenburg.de Storch ahoi in 78465 Konstanz-Dingelsdorf, www.camping-klausenhorn.de Galloways und Naturschwimmteich in 88094 Oberteuringen/Neuhaus, www.camping-am-bauernhof.de Agility für Herrchen und Hund in 94234 Viechtach, www.knauscamp.de/viechtach.html Lerncamping in I-39100 Bozen, www.moosbauer.com Unter Obstbäumen schlafen in CH-2572 Sutz-Lattrigen, www.camping-lindenhof.ch Tipps für Einsteiger Platz reservieren. Vor allem an den langen Wochenenden und in den Sommerferien sind Campingplätze oft ausgebucht. Testcampen. Zelt vor dem Urlaub zuhause aufbauen und Gaskocher und ähnliche Gerätschaften vorher ausprobieren. Entspannt packen. Eine Checkliste, damit man nichts vergisst, gibt es unter www.campingplatz-deutschland.de/camping-fuer-ein steiger/checkliste.html. Wild campen. In Deutschland ist das Zelten auf öffentlichem Gelände nur an speziell gekennzeichneten Orten gestattet. Auf privatem Gelände muss vorher das Einverständnis des Eigentümers eingeholt werden. Weitere Tipps: Bundesverband der Campingwirtschaft, www. bvcd.de. Was in anderen Ländern erlaubt ist, weiß der ADAC, www.campingfuehrer.adac.de/campinglexikon/lexikon.php. 06-15 natur 83