Sinn und Unsinn von proteinreicher Ernährung im Bodybuilding

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Sinn und Unsinn von proteinreicher Ernährung im Bodybuilding
Sinn und Unsinn
von proteinreicher Ernährung im Bodybuilding
Autor: Floey
Datum: 11.02.2009
Veganer und Protein
Immer wieder liest man, dass erfolgreiche Bodybuilder Unmengen von Protein zu
sich nehmen müssen, um überhaupt auf eine derartige Körpermasse zu kommen.
Und fast ebenso oft wird dies als Argument gegen die Möglichkeit als Veganer
Muskelmasse aufzubauen ins Feld geführt.
Nun, den wenigsten von euch werde ich etwas neues erzählen, wenn ich sage, dass
Proteinreichtum in der veganen Ernährung nicht wirklich ein Problem darstellt. Tofu
z.B. hat in der Regel ca. 15g von dem guten Stoff je100g und Soja-Protein ist ein
hochwertiges Protein. Ganz zu schweigen von Sojafleisch mit häufig über 50g/100g,
Weizenfleisch mit etwa 30g/100g, Lupinentofu mit etwa 20g/100g und den Proteinen,
die darüber hinaus noch in Getreidesorten, Hülsenfrüchten Nüssen und einigen
Gemüsesorten vorkommen.
Aber reicht das auch wirklich, um den Proteinbedarf eines Bodybuilders zu decken?
Die kurze Antwort ist: ja.
Für die Lange Antwort muss ich etwas weiter ausholen. ;)
Der Proteinbedarf eines Bodybuilders
Betrachten wir also die Unmengen an Protein, die so ein Bodybuilder sich durch den
Körper jagen muss. Ronnie Coleman nimmt z.B. einigen Quellen zu Folge zeitweise
täglich zwischen 400g und 600g Protein zu sich – in Tofu gerechnet wären das etwa
15 Blöcke. Ähnliches gilt für Jay Cutler. Die Tatsache, dass die genannten
Bodybuilding-Größen wandelnde Chemie-Fabriken sind, sei für den Moment mal in
den Hintergrund gestellt. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass man, um ein
gigantisches Massemonster zu werden unbedingt Unmengen an Protein braucht,
richtig? Falsch! Nasser El Sonbaty zum Beispiel sagt folgendes über seine
Ernährungsgewohnheiten für den Masseaufbau:
„Everyone has different DNA and a different gene pool and different metabolism.
I belong to the group-type who can maintain my size by not having protein for
weeks. To put size on, I do not need more than 100gr of protein daily.”
(http://www.criticalbench.com/Nasser-El-Sonbaty.htm)
Und auch Mike Mentzer hat die Sache mit dem Protein etwas anders gesehen:
„[L]et me state again that muscle tissue is comprised mostly of water (more than
70 percent) and only a small portion is protein (some 22 percent). And while I
pointed out that water drunk to excess will only be passed through the body,
protein consumed in excess can be turned to fat just as readily as excess
calories derived from fat and carbohydrate sources. […] For a 220-pound
bodybuilder, daily protein requirements would be 80 grams.”
(Mike Mentzer, Heavy Duty Nurtition)
Um noch einmal auf das Tofu-Block-Rechenbeispiel zurückzukommen: wir bewegen
uns jetzt in einer Größenordnung von ca. 2,5 bis 3 Blöcken. Klingt fast schon wenig,
was? ;)
Für den Aufbau1 scheinen also selbst für solch massive Bodybuilder wie Nasser El
Sonbaty oder Mike Mentzer eher Kohlenhydrate, gute Fette und genug Vitamine,
sowie Mineralstoffe und Spurenelemente (Steroide und Wachstumshormone wie
gesagt hier einmal außen vor) die entscheidende Rolle zu spielen. Doch was ist mit
der Diät?
Low Carb Diät als Veganer?
Ja, es stimmt, eine Diät, die reich an Protein und Fett und recht
arm an Kohlenhydraten ist, bietet tatsächlich einige Vorteile für
Bodybuilder. Die überschüssigen Fettsäuren werden zum Teil in
Testosteron umgewandelt und die große Menge an Protein, die
konsumiert
wird,
verhindert,
dass
im
verstärkten
Maße
körpereigenes Protein verstoffwechselt wird. Zudem ist die
Aufspaltung
von
Protein
zur
Energiegewinnung
sehr
thermogenetisch (d.h. sie erhöht die Körpertemperatur), was
gemeinhin als positiv für die Fettverbrennung angesehen wird.
Und auch für den Auftritt auf der Bodybuilding-Bühne2 ist es
empfehlenswert,
dass
man
die
Kohlenhydratspeicher
der
Muskulatur zunächst leert, damit sich selbige hinterher über die
Maßen füllen, wenn man wieder Kohlenhydrate zuführt. Doch
1
2
Hierzu mehr im Artikel „Ernährung für den Aufbau“ von Jakob
Hier sind die Artikel zur Wettkampfvorbereitung von Alex und Partick zu empfehlen
dies geht eben nur mit einer sehr kohlenhydratarmen (ja, fast kohlenhydratfreien)
Diät!
Ist es also möglich, als Veganer auf die kohlenhydratreichen Produkte in der
Ernährung zu verzichten und immer noch genug Protein zu sich zu nehmen? Auch
hier wieder die kurze Antwort: ja. Die ausführlichere gibt’s diesmal in Form eines
Beispielplanes für eine vegane Low-Carb Diät.
Beispielplan und Tipps für eine vegane Low Carb Diät
Zunächst noch ein paar gute Tipps für Bodybuilding-Diäten im Allgemeinen. Es lohnt
sich, auch auf kleine Diäthelfer zu achten. Hier ist eine Liste an Nahrungsmitteln, die
einen Positiven Effekt im Hinblick auf Fettverbrennung und Muskelerhalt haben
können:
-
grüner Tee (wirkt thermogenetisch)
-
Kaffe vor dem Training (regt die Fettverbrennung an und erhöht die Ausdauer
im Training)
-
Chili in relativ großen Mengen (tötet Vorläufer von Fettzellen und hindert
bestehende Fettzellen daran, sich zu füllen)
-
Knoblauch (soll die Fettverbrennung anregen; hat zudem eine positive
Wirkung auf den Testosteronspiegel)
-
Ingwer (ergänzt die Wirkung von Knoblauch)
-
Cayenne-Peffer (regt das ZNS an und verstärkt die Wirkungen der anderen
genannten Lebensmittel
-
Spinat (enthält ein natürliches Steroid, dass in geringem Maße die
Proteinsynthese erhöht)
-
Kohlgemüse, besonders Rotkohl und Broccoli (hat eine Anti-Östrogene
Wirkung)
Ich empfehle es, wenn möglich, morgens auf (fast) nüchternen Magen zu trainieren
und vorher nur etwas Kaffee und Proteinpulver (in Wasser, oder grünem Tee) zu sich
zu nehmen, da zu diesem Zeitpunkt am besten Körperfett verbrannt werden kann.
Zudem sollte zum Gewichtstraining auch Cardio-Training gemacht werden, besser
kurz und intensiv, wie z.B. bei Intervalltraining, als ewig lang und lahm – letzteres
kann katabol (also muskelabbauend) wirken.
Hier nun also mein Beispielplan:
Vor dem Training:
Nährwerte je Mahlzeit:
250 ml Kaffe
16,8 g Protein
300 ml Wasser (grüner Tee)
1,1 g Kohlenhydrate
10 g Erbsen-Proteinisolat
1 g Fett
10 g Soja-Proteinisolat
68,7 kcal
Mahlzeit 1:
200 g Tofu, mit Sojasoße mariniert und in
Olivenöl angebraten
35,9 g P
150 g Kaisergemüse (Broccoli,
9,9 g KH
Blumenkohl, Möhren)
38 g F
25 g Walnüsse (nicht erhitzt)
540 kcal
Mahlzeit 2:
150 g Seitansteak
57,4 g P
50 g Rotkohl
5,5 g KH
+ 10 ml Rapsöl (nicht erhitzt)
28,7 g F
+ 25 g Paranüsse (zerkleinert)
507,1 kcal
Mahlzeit 3:
100 g Feldsalat mit Zitronendressing (ca.
1/3 Zitrone, Salatkräuter, 10-15 ml Hanf-,
oder Rapsöl)
+ 100 g gewürfelter Tofu
+ 25 g Erdnüsse
+ 3-4 Champignons (ca. 50 g)
Mahlzeit 4 :
300 g Spinat mit Lupinenrahm (100g
Lupinenseide, etwas Wasser, oder
Sojamlich)
+ 10 ml Leinöl (erst nach dem kochen
hinzufügen)
24,4 g P
5,6 g KH
33,8 g F
431,8 kcal
+ 1 Knoblauchzehe
27,8 g P
+ Ingwer (ungefähr so viel wie
5 g KH
Knoblauch)
18,4 g F
+ 2-3 EL Chili-Flocken
297 kcal
Mahlzeit 5:
100 g Seitan-Lopino-Schaschlik
34,1 g P
+ Rohkost (Zucchini, Gurke usw.)
8,9 g KH
+ 10 ml Rapsöl (auf die Rohkost; nicht
31 g F
erhitzt)
453,5 kcal
+ 25 g Paranüsse
Vor dem Schlafengehen:
Shake mit 300 ml Soja- oder
36,3 g P
Lupinenmilch, 30 g Proteinpulver (Erbse,
7 g KH
Soja) 10 g Kokosöl und 10 ml Leinöl
25,8 g F
416,3 kcal
Nährwerte gesamt:
232,7 g P
43 g KH
176,7 g F
2714,4 kcal
Dieser Plan ist nicht unbedingt auf die Bedürfnisse eines IFBB-Profis ausgelegt,
sondern eher auf die eines ambitionierten Naturalbodybuilders mit einem
Kalorienbedarf von 3000 kcal am Tag. Die Mahlzeiten lassen sich natürlich variieren,
zum Beispiel mit Rührtofu zum Frühstück, für Athleten, die morgens keine Zeit zum
Trainieren haben. Aber die Gesamtmenge der Kohlenhydrate sollte 50 g am Tag in
keinem
Fall
überschreiten.
Die
Lupinenprodukte
kann
man
über
Shops
VeganWonderland, Ulmafit, oder Veggie’s Delight im Internet beziehen; Lupinenmilch
muss man allerdings selbst aus Lupinensamen herstellen (mit einer SojamilchMaschine). Vegane Proteinpulver gibt es im Shop.
Wer eine ketogene („anabole“) Diät daraus machen will, sollte noch mehr Fett
(Paranüsse, Öl usw.) und noch weniger Kohlenhydrate (Gemüse, Nüsse mit relativ
hohem KH-Anteil) - am besten nicht mehr als 30 g (max. 5% der Gesamtkalorien) am
Tag - konsumieren. Allerdings muss dann verstärkt auf den Vitamin- und
Mineralstoff-/Spurenelement-Haushalt geachtet werden, da Gemüse eben besonders
reich an den genannten Stoffen ist. Es empfiehlt sich hier nur noch gedünsteten oder
rohen Broccoli und Spinat zu verwenden, da diese beiden Gemüsesorten recht
Kohlenhydratarm und dafür sehr vitalstoffreich sind. Gleiches gilt für Feld- und
Eisbergsalat. Zusätzlich kann man natürlich auch mit Supplementen arbeiten.
Es sollte während dieser Diät viel Wasser getrunken werden (min. 3-4 Liter am Tag,
besser 5), damit die Harnsäure, die bei der Verdauung der Proteine entsteht, den
Körper verlässt und die Nieren keinen Schaden nehmen.
Refeeds
Zudem ist es wichtig, mindestens einmal pro Woche einen so genannten Refeed zu
machen, das heißt, den Körper wieder mit reichlich Kohlenhydraten zu versorgen.
Dies sorgt zum einen dafür, dass der Körper weiterhin brav sein Fett verbrennt, zum
anderen, dass wichtige Körperfunktionen intakt bleiben und die Insulinsensibilität
nicht ins unermessliche steigt.
An Refeed-Tagen können alle Sorten von Kohlenhydraten gegessen werden und
man darf ruhig etwas über die Stränge schlagen (gut 500 kcal über Bedarf). Ich halte
es allerdings für empfehlenswert auch hier einen großen Teil aus vollwertigen
Produkten wie Reis, Kartoffeln, Obst, Quinoa usw. zu beziehen. Das Level an
aufgenommenem Nahrungsfett sollte an diesen Tagen recht gering gehalten werden
und man sollte bevorzugt ungesättigte Fette zu sich nehmen (z.B. Leinöl ins Müsli).
Man kann auch mit Hilfe von Zimt dafür sorgen, dass der Insulinspiegel nicht so sehr
in die Höhe schießt; allerdings kann eine zeitweilige Erhöhung des Insulinspiegels
auch eine positive Wirkung auf die Proteinsynthese haben.
Protein sollte auch nicht all zu kurz kommen, an diesen Tagen; hier bieten sich
Nahrungsmittel wie
Linsen
und Kidneybohnen an, die neben Komplexen
Kohlenhydraten auch relativ viel Protein bieten. Am besten in Verbindung mit
Getreide (Reis, Weizen, Quinoa), da die Kombination die Wertigkeit steigert.
Minderweriges Pflanzenprotein?
Häufig sieht man sich als Veganer auch noch mit der Mär konfrontiert, dass
pflanzliches Protein vom Körper nicht vernünftig verwertet werden kann, da es eine
zu geringen Wertigkeit für den menschlichen Körper aufweist. Zum einen ist dies
nicht ganz Korrekt – die Behauptung bezieht sich nämlich auf die „Biologische
Wertigkeit“, kurz BW, der Proteine, nicht auf den reliableren PDCAAS (Protein
Digesitbility Corrected Amino Acid Score).
Soja kommt bei letzterem Bewertungsverfahren, dass in besserer Korrespondenz zu
den gemachten Studien zu verschiedenen Proteinen (Whey im Vergleich zu Soja)
und deren Effekt auf Trainierende steht, in allen Quellen als optimales Protein weg.
Weizen wird manchmal als hochwertig3, manchmal als minderwertig angeführt.
Ähnlich sieht es mit Lupinen (die jedoch häufiger als hochwertig genannt werden),
oder Hanf aus.
Im Endeffekt kommt es allerdings zum einen auf die Menge des Verzehrten Proteins
an (nicht vergessen, dass nur ein sehr geringer Teil wirklich zum Erhalt der
Muskelmasse dient) und darauf, dass über den Tag verteilt verschiedene
Proteinquellen Konsumiert werden. Denn der Körper spaltet Proteine zur
Transportation durch den Blutfluss sowieso in Aminosäuren auf und diese werden so
eingesetzt, wie sie gebraucht werden.
Selbst die Muscle and Fitness weiß:
„Mit der richtigen Kombinationsgabe können Sie Ihren Proteinbedarf mit
pflanzlichen Quellen allein decken (wie es auch vegane oder strikt vegetarische
Athleten tun), solange Sie Mahlzeitenkombinationen so wählen, dass keine
Aminosäure eingeschränkt wird.“
(http://www.muscle-fitness-de.com/360.html)
Ein paar abschließende Tipps
Solltet ihr für einen Wettkampf diäten, dann ist es empfehlenswert, ein paar Wochen
vor dem Wettkampf die Seitan-Produkte aus der Ernährung zu nehmen, da Gluten
dafür bekannt ist, subkutan Wasser zu binden, was die Form versauen kann.
Selbiges gilt natürlich für Weizen-Nudeln usw.
Alle weiteren Tipps für die Wettkampfvorbereitung findet ihr in den Artikeln unserer
wettkampferprobten Athleten (Alex und Patrick).
3
z.B. http://www.doh.gov.za/docs/factsheets/guidelines/foodstuff/labelling01.pdf
Der Low-Carb Ernährungsstil kann auch zum Aufbau verwendet werden; allerdings
sollte man dann nicht ganz so wenige Kohlenhydrate und nicht ganz so viel Fett und
Protein konsumieren, wie in dem von mir gegebenen Beispiel.
Bleibt nur noch, euch allen viel Erfolg und guten Appetit zu wünschen! ;)
Disclaimer:
- Der Autor übernimmt keinerlei Verantwortung für evtl. auftretende gesundheitliche
Probleme oder Schäden, die durch das einhalten der vorgestellten Ernährungsweise
entstehen. -
Quellen*:
o
http://www.flexonline-de.com/247.html
o
http://www.bodybuilding.com/fun/topicoftheweek98.htm
o
http://www.criticalbench.com/Nasser-El-Sonbaty.htm
o
Mike Mentzer, Heavy Duty Nurtition
o
http://www.doh.gov.za/docs/factsheets/guidelines/foodstuff/labelling01.pdf
o
http://www.muscle-fitness-de.com/360.html
o
http://www.bambamscorner.com/ernaehrung/diaet/ad.html
o
http://people.famouswhy.com/ronnie_coleman/
o
http://findarticles.com/p/articles/mi_m0KFY/is_12_23/ai_n16034010
o
http://bodybuilding.com/fun/protein_requirements_reevaluated.htm
o
http://www.timinvermont.com/fitness/soyvswhy.htm
o
http://www.nutritionj.com/content/3/1/22
* Für alle Online-Quellen gilt das oben genannte Datum des Artikels

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