St. Moritz war eine Reise wert

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St. Moritz war eine Reise wert
18 SPORT STEIRISCH
Freitag, 21. Februar 2003
St. Moritz war eine Reise wert
QUERPASS
Harald
Müllner
Mit dem „silbernen“ Hans Knauß freute sich ganz Österreich, obwohl er
wieder nur um Sekundenbruchteile am WM-Titel vorbeigefahren ist.
Aus der Sicht des österreichischen Schisportfreundes
wird die Welt nach dem
Ende der Weltmeisterschaft
in St. Moritz weiter in Ordnung sein, die Sportler haben zum ganz überwiegenden Teil die ohnedies hoch
angesetzten Erwartungen
wirklich erfüllen können.
Wenn man es jedoch riskiert,
den Blick über Spielfeld und
Walserberg hinaus zu richten, so ist die WM für manch
andere große Schiverbände
doch mit großen Enttäuschungen verbunden gewesen. Man denke etwa an die
„Nullnummer“ in Deutschland. Auch Frankreichs Erfolge stehen in keinem Verhältnis zum Potential der
einstigen Schigroßmacht.
Die Schweiz als Veranstalterland ist mit vier Medaillen noch mit einem blauen
Auge davon gekommen, Italien hat im Rennsport auch
schon bessere Zeiten erlebt.
Fazit: Im Alpenraum steht
und fällt der Schisport mit
dem Engagement des ÖSV,
eine einseitige Belastung
und Herausforderung gleichermaßen, die freilich
nicht der Weisheit letzter
Schluss sein kann.
Immerhin haben sich im
Schweizer Nobelschiort aber
auch echte Zukunftsperspektiven aufgetan: Die Kostelic-Geschwister etwa sind
so etwas wie ein bunter
Farbtupfen im drohenden
Einheitsbrei, und was vor allem die wirtschaftliche Sparte des Schisportes betrifft,
muss der Auftritt der Amerikaner ein warmer Regen für
die Hersteller g’führiger
Bretteln gewesen sein.
Wenn es sich auch noch
bis in die Staaten herumspricht, dass Miller & Co.
auf Initiative des ÖSV erfolgreich mit den Österreichern zusammenarbeiten, ist
Schröcksnadel reif für den
nächsten Professorentitel.
ie lustigste, längste und
lauteste Nacht im Österreicher-Haus von St. Moritz war jene am Tag des WM-Silbers für Hans Knauß. Nachdem
der Schladminger von einigen
Hundert seiner Fans aus dem
Ennstal vor Ort zum Vizeweltmeister im Riesentorlauf getragen (oder getrieben) worden
war, hatte er am Abend die gesamte Kompetenz seiner frisch
erworbenen Medaille in die
Waagschale geworfen: Entweder
eine ordentliche Feier mit allen
meinen Landsleuten oder gar
nicht. Und somit öffneten sich
die ansonsten streng bewachten
Tore des Österreicher-Hauses
ausnahmsweise auch für „ganz
normale“ steirische Schlachtenbummler, die als deklarierte
Hans Knauß-Fans dann auch für
einen gestandenen „Ennstaler
Hüttenzauber“ sorgen sollten.
Vielleicht ist diese an sich unbedeutende Begebenheit auch
ein Teil der Antwort auf die Frage, warum der Schladminger
Schirennläufer so ungewöhnlich
beliebt ist. So gut wie niemand
hat je ein böses oder abfälliges
Wort über den mittlerweile 32jährigen Rennfahrer zu verlieren
gewusst. Und ich kann mich
nicht erinnern, dass im Laufe
der vielen Jahre auch einmal aus
den Reihen der Team-Kollegen,
sprich Team-Gegner, wirklich
ernste Kritik gekommen wäre.
Hans Knauß ist nach seinen
„wilden Jahren“, die schon bald
ein Jahrzehnt oder länger zurück liegen, zu einem wirklich
Großen in seinem Geschäft gereift. Viele seiner Freunde – und
auch er selbst – mögen vielleicht
an dem Umstand nagen, dass
der Zeitraum von wenigen Augenblicken (wörtlich genommen) vielleicht sogar zwei, drei
Medaillen mehr bedeutet hätte.
Aber genau diese Umstände
können auch jene Konkurrenten für sich reklamieren, die
nach den Podestplätzen des
Hans Knauß ihrerseits knapp
dahinter mit der „ledernen Medaille“ vorlieb nehmen mussten.
Unterm Strich kommt vieles
im Leben wieder zurück. Hans
Knauß hat sich schon allein dadurch eine symbolische Goldmedaille verdient, dass er nach
einer scheinbar leichten, aber
äußerst langwierigen Knieverletzung nicht aufgegeben hat. Jene
D
Hans Knauß
Foto: Müllner
Rückschläge, die für die Sportfans nur schwer nachvollziehbar
waren, hat er, von der Öffentlichkeit wenig beachtet, mit sehr
viel Willen und Energie überwinden können. Silber im Riesentorlauf war für ihn sozusagen
mindestens so viel wert wie das
Gold, das letztlich dem unglaublich vielseitigen Bode Miller vor-
Elisabeth Görgl
Foto: Damberger
behalten gewesen ist. Widmen
wir uns im Rückblick doch dem
Rest des steirischen Kleeblattes,
das in St. Moritz an den Start gehen konnte. Weil gerade von erfolgreich überstandenen Verletzungen die Rede war: Man sollte
nicht vergessen, dass noch kein
Jahr vergangen ist, seit sich Renate Götschl in Lenzerheide ihr
linkes Knie so sehr lädiert hat,
dass man schon wirklich das
Ärgste
befürchten
musste.
Glanzvoll aber hat die Landwirtstochter aus Schwarzenbach
ihr Comeback im Weltcup vor
gerade einem Monat in Cortina
mit einem Doppelsieg durchziehen können, hat sich damit
selbst als Medaillenanwärterin
ins Spiel gebracht. Dass es in St.
Moritz nur zu Platz fünf (Ab-
fahrt) und Rang acht (Super-G)
gereicht hat, ist aber nicht allein
den Fahrkünsten der Steirerin
zuzuschreiben. Auch das Material hat, wie so oft bei großen
Wettbewerben, über Sieg oder
eben einen undankbaren Platz
mit entschieden.
Sehr diplomatisch wusste sich
Klaus Kröll aus Öblarn während
der ersten Tage der Weltmeisterschaft zu verhalten. Was blieb
ihm als Abfahrts-Teambaby denn
auch viel anderes übrig, als sich
ins Unvermeidliche zu fügen und
die Nichtnominierung aus dem
Gefühl der Trainer heraus zu akzeptieren. So wird die Frage eben
nie beantwortet werden können,
ob der Steirer im Rennen wirklich deutlich besser gewesen
wäre als Maier und Strobl, die
letztlich auf den Plätzen acht und
zehn gelandet sind. Sehr viel
langsamer wäre vermutlich auch
Kröll nicht gefahren, sehr viel
schneller aber wahrscheinlich
auch nicht. Was soll Titelverteidiger Hannes Trinkl sagen, dessen
Regentschaft als Abfahrtsweltmeister mit einem 31. Platz zu
Ende gegangen ist?
Elisabeth Görgl schließlich
hatte als zweite steirische WMDebütantin ebenfalls keinen
glücklichen Auftritt. Im Slalom
kam der Ausfall schon nach wenigen Fahrsekunden. Immerhin
aber weiß man jetzt, dass hier
ein weiteres großes Schi-Talent
schon fast fertig ausgereift ist.
Die Slalomspezialistin aus
Kapfenberg wird nämlich heuer
immerhin überlegen den Europacup gewinnen, und diese Leistungsstufe ist in hohem Maße
eine Empfehlung für künftige
höhere Aufgaben. Elisabeth
Görgl, die ja erblich vorbelastet
ist (Mutter Traudl Hecher hat
zwei Mal Olympiabronze daheim hängen), hat trotz ihrer gerade 22 Jahre schon drei schwere Knieverletzungen überstanden und sich immer nach oben
gekämpft. Im Weltcup hat sie
heuer schon Platz zwei in Bormio geschafft.
Als steirisches Resümee kann
man St. Moritz trotzdem als
gute Weltmeisterschaft abhaken. Das Erfreuliche: Alle vier
Schisportler sollten es drauf haben, in zwei Jahren in Bormio
erneut unsere weiß-grünen Farben bei der nächsten Weltmeisterschaft zu vertreten.
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