Berufliche Bildung schafft Perspektiven
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Berufliche Bildung schafft Perspektiven
D 20493 E 05 | 2011 Berufliche Bildung schafft Perspektiven Fachkräftequalifizierung im Paritätischen Nachrichten | Berichte n e em h T n e de zial . e l ra le so t en r al z l zia et fü o .s ern w t wwm In ti k un p eff r T r h I | Reportagen – Anzeige – Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bürgertelefon Montag bis Donnerstag 8 - 20 Uhr Rente 01805 6767-10 Unfallversicherung/Ehrenamt 01805 6767-11 Arbeitsmarktpolitik und -förderung 01805 6767-12 Arbeitsrecht 01805 6767-13 Teilzeit/Altersteilzeit/Minijobs 01805 6767-14 Infos für behinderte Menschen 01805 6767-15 Ausbildungsförderung/-bonus 01805 6767-18 Europäischer Sozialfonds 01805 6767-19 Mitarbeiterkapitalbeteiligung 01805 6767-20 Bildungspaket 01805 6767-21 Gehörlosen/Hörgeschädigtenservice E-Mail [email protected] Gebärdentelefon [email protected] Schreibtelefon 01805 6767-16 Fax 01805 6767-17 Festpreis 4242 Cent/Min. aus den Mobilfunknetzen. Festpreis 14 14 Cent/Min. Cent/Min.aus ausden denFestnetzen Festnetzenund undmax. max. Cent/Min. aus den Mobilfunknetzen. http://www.bmas.de | [email protected] Inhalt Editorial 3 Thema Berufliche Bildung schafft Perspektiven Qualifizierung maßgeschneidert Mütter als Zielgruppe Der Mensch steht im Mittelpunkt Paritätische Akademien und Bildungswerke „Rückenwind“ für Führungskräfte Verankerung im Verband hilft, Angebote auf Mitgliederinteressen zuzuschneiden Fachkräfte fit machen für das Ehrenamtsmanagement Fragen hilft, besser zu verstehen „Man merkt, dass es etwas bringt“ An dieser Schule bauen alle mit „Herauforderungen kreativ angehen“ 5 7 9 11 12 13 15 16 18 20 22 Pflegende Angehörige besser unterstützen Hartz-IV-Regelsatz: Zehn Euro mehr reichen nicht „Arbeitsmarktpolitik für alle“ „Bildungspaket ist gescheitert“ Reform der Pflegeversicherung verschoben Von gleichen Bildungschancen keine Spur Zahnbehandlung bei Menschen mit Behinderung liegt im Argen „Rentenreform-Pläne sind eine Farce“ 5 24 25 26 26 27 28 29 30 Verbandsrundschau Heilige Männer zieren die Weihnachtspost www.sozialzentralde.de kommt an Erst Bundeswehr, dann soziale Arbeit! Foto: Ulrike Bauer Sozialpolitik 31 31 31 32 Forum 33 33 33 34 34 35 35 35 36 36 was · wann · wo hören & sehen Buchbesprechung | Impressum 37 38 39 33 5| 2011 www.der-paritaetische.de 3 Foto: Robert-Bosch-Krankenhaus Hunde erschnüffeln Krebs Beim inklusiven Unterricht enormer Nachholbedarf wheelmap.org zeigt rollstuhlgerechte Orte Erstes „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ ausgezeichnet „Tierisch Pädagogisch“ (Noch?) keine Krawalle „Toll“: Texte von Menschen mit geistiger Behinderung Fortbildung in den USA Neues von der Frauenhauskoordinierung Das besondere Produkt: Espresso Dark JackPott Thema Dr. Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes Liebe Leserinnen und Leser, Bildung ist wichtig! Dass dem so ist, wusste der große Sir Peter Ustinov in unnachahmlicher Weise auszudrücken: „Bildung ist wichtig!(…)Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, dass die Zelle anständig möbliert ist.“ Bildung und Qualifizierung spielen auch für die Arbeit des Paritätischen und seiner Mitglieder eine wichtige Rolle und werden in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Wir stehen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vor der großen Herausforderung, ausreichend qualifiziertes Personal für die soziale Arbeit in unserem Land zu finden. Daher ist es erforderlich, unsere Anstrengungen bei der Ausbildung junger Menschen und bei der berufsbegleitenden Weiterbildung weiter zu bündeln und zu verstärken. Zusätzlich zu dieser Herausforderung sehen sich die potenziellen Fachkräfte von morgen mit stetig wachsenden Erwartungen und Anforderungen seitens des Schul- und Bildungssystems und der Gesellschaft im Allgemeinen konfrontiert. Das große Ziel der Bildung ist dabei nicht lediglich die Aneignung von (Fach-)Wissen, sondern die Fähigkeit, verantwortlich, sozial kompetent und sachgerecht zu han4 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 deln. Die hohen Anforderungen sind auch gerechtfertigt, wenn man sich das Aufgabenprofil der sozialen Berufe anschaut. Um den täglichen Herausforderungen, beispielsweise im Umgang mit Kindern und Jugendlichen, Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen und in schwierigen Lebenslagen gerecht werden zu können, ist eine fachlich fundierte und pädagogisch unterstützte Ausbildung von grundlegendem Wert. Die Qualität von Bildungs- und Erziehungsangeboten spielt daher eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Suche nach den Fachkräften für das Sozial- und Gesundheitswesen von morgen. Zum Glück gibt es in unserer Gesellschaft inzwischen einen breiten Konsens über den Wert von Bildung. Doch die gute Absicht allein reicht nicht aus, um der Zukunft gerecht werden zu können. Aus diesem Grund engagiert sich der Paritätische schon lange in der Ausbildung in sozialen und pflegerischen Berufen. Die Fort- und Weiterbildungsangebote der Paritätischen Bildungsträger sollen die Beschäftigten der Mitgliedsorganisationen und Einrichtungen in ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit unterstützen, ihnen neue Impulse und wertvolle Informationen geben, ihre Kompetenzen stärken und nicht zuletzt den kollegialen Austausch fördern. In vielen Bereichen sind die Erfolge inzwischen deutlich sichtbar. Die Maßnahmen greifen an der richtigen Stelle, Projekte entwickeln sich positiv und finden Nachahmer. In Zeiten der Finanzkrise kann man sich ruhig mal wieder an das Zitat Benjamin Franklins erinnern: „Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“ In dieser Ausgabe unseres Verbandsmagazins präsentieren wir Ihnen Beispiele aus dem breiten Spektrum der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen Paritätischer Bildungsträger. Im Sinne der Verbandsgrundsätze ist es uns ein Anliegen, die unterschiedlichen Bildungsprozesse, Herangehensweisen und Zielgruppen in unserem Verband zu unterstützen und deren Anliegen und Erfordernisse zu berücksichtigen. Ich wünsche Ihnen eine informative und anregende Lektüre! Herzliche Grüße, Ihr Eberhard Jüttner Thema Qualifizierung maßgeschneidert Paritätische Bildungsträger wissen, was für die soziale Arbeit wichtig ist Für qualifizierte Fachkräfte zu sorgen ist ein zentraler Bestandteil der Personalentwicklung. Der demografische Wandel forciert die Entwicklung zeitgemäßer Qualifizierungsmaßnahmen. Die Bildungsträger unter dem Dach des Paritätischen bieten ein breites Spektrum. S ir Ernest Shackleton müsste man heißen: Für 56 freie Stellen mit sehr unterschiedlichen Anforderungsprofilen in einem befristeten und äußerst beschwerlichen Projekt gehen bei ihm mehr als 5.000 Bewerbungen ein. Und das, obwohl die Stellenausschreibung alles andere als einen Traumjob verheißt: harte Arbeit, wenig Lohn und einen Einsatz am Ende der Welt. So geschehen 1914, als der Abenteurer eine Mannschaft für seine große transkontinentale Antarktisexpedition zusammensuchte. Angeblich lautete damals die Annonce frei übersetzt: „Männer für gefährliche Fahrt gesucht. Geringe Heuer. Bittere Kälte. Lange Monate der absoluten Dunkelheit. Ständige Gefahr. Sichere Rückkehr zweifelhaft. Ehre und Anerkennung im Erfolgsfall.“ Sicher ist die Arbeitsmarktsituation im British Empire von 1914 nur schwer mit der heutigen vergleichbar – und trotzdem ist es faszinierend und lehrreich, wie es dem charismatischen Expeditionsleiter gelang, auf den ersten Blick wenig attraktiven Arbeitsplätzen eine besondere Anziehung zu verleihen. Zugegebenermaßen waren die Kündigungsmöglichkeiten beider Seiten nach dem Auslaufen des Forschungsschiffes recht begrenzt. Vorausschauende Konzepte Obwohl soziale Einrichtungen und Organisationen keine Leute für abenteuerliche Expeditionen suchen: Qualifizierte und motivierte Fachkräfte zu finden, ist kein Kinderspiel. Selten wurde über die Bedeutung des Personals für den Einrichtungserfolg mehr geschrieben und geredet als heute. Inzwischen fehlt in kaum einer Sonntagsrede der Verweis auf Aus- und Weiterbildung als wesentliche Bestandteile einer erfolgreichen Personalentwicklung. Die Frage nach einem „Ja“ oder „Nein“ von Personalentwicklungsstrategien stellt sich nicht mehr. Ein eklatanter Fachkräftemangel in den Sozial-, Pflege- und Gesundheitsberufen, seit Jahren prognostiziert und gleichermaßen ignoriert, zwingt inzwischen zu schnellem und strategischem Handeln. Personalentwicklung erfordert vorausschauende und langfristige Konzepte. Das tägliche Zupfen am Halm lässt das Gras nicht schneller wachsen. Anziehungskraft einer überzeugenden Mission Dabei stehen unsere Chancen nicht schlecht. Thomas Sattelberger, heute Personalvorstand der Telekom, sagte bereits 2003 in einem Interview mit der Zeitschrift brand eins zum Thema strategische Aufgaben der Personalverantwortlichen: „Unternehmen müssen eigentlich von Freiwilligen-Organisationen lernen. Die haben einen gemeinsam verstandenen und gelebten Zweck, jeder ist der guten Sache verpflichtet, ein kräftiges Stück Leidenschaft und auch Emotionalität ist mit im Spiel, eine Chancenund Risikogemeinschaft, Joint Destiny, wie die Angelsachsen sagen.“ Aufbauend auf der Anziehungskraft einer überzeugenden Mission der Mitgliedsorganisationen und des Paritätischen, verbunden mit einem innovativen Personalmanagement und kreativen Problemlösungen, sollten soziale Einrichtungen gute Chancen im Wettbewerb um das beste Personal haben. Die Attraktivität eines Arbeitgebers reduziert sich eben nicht nur auf die Frage der Entlohnung. Die Bildungsträger Paritätischer Mitgliedsorganisationen, der Landesverbände und des Gesamtverbandes leisten ihren jeweils spezifischen Beitrag zu einer wettbewerbsfähigen Organisations- und Personalentwicklung. Gefördert durch das ESF-Programm „rückenwind – Personalentwicklung für die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurden bisher 16 Modellprojekte zur Personalentwicklung gestartet. Viele der dort entwickelten Konzepte sind in Fortbildungsangebote eingeflossen. Kooperation mit Hochschulen Die Paritätische Bundesakademie konzentriert sich seit mehr als zehn Jahren auf die Fach- und Führungskräfteentwicklung und setzt dabei auch auf eine enge Kooperation mit Hochschulen. (Siehe auch Interview auf Seite 22.) Immerhin verfügen circa 60 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozialbereich über einen Hochschulabschluss und erwarten natürlich zu Recht Weiterbildungsangebote auf einem adäquaten Niveau mit einem ausgeprägten Praxisbezug. Lebenslanges Lernen Wenn lebenslanges Lernen nicht zu einem leeren Schlagwort verkommen soll, muss es für die Arbeitgeberseite sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen attraktive Qualifizierungswege eröffnen, die sich eng am Lebensund Berufsalltag orientieren. Der komplette Wechsel zwischen Berufstätigkeit und Qualifizierung in den einzelnen Lebensphasen wird eher die Ausnahme bleiben. Viel wahrscheinlicher ist ein steigender Bedarf an berufsbegleitenden Qualifizierungsangeboten, die sowohl praxisrelevantes Wissen vermitteln als auch neue Karrieremöglichkeiten eröffnen. Wichtig ist dabei auch, Qualifikationen anzuerkennen, die zwar mit Erfahrungswissen, wenn auch nicht mit formalen Abschlüssen belegt sind. (Fortsetzung auf Seite 6) 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 5 Thema Lebensnahe Anerkennungs- und Zulassungsverfahren gerade an den Übergangsstellen zwischen beruflicher Erstausbildung und Hochschulstudium, zwischen unterschiedlichen Hochschulabschlüssen (Diplom, Bachelor, Master) und nicht zuletzt zwischen praktischen Erfahrungen und einzelnen Weiterbildungszertifikaten sind dringend erforderlich, um in den kommenden Jahren dem drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Die Paritätische Bundesakademie nimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige Brückenfunktion wahr. Einerseits entwickelt sie ihre Fortbildungsangebote weiter und passt sie dem veränderten Bedarf an, andererseits kooperiert sie eng mit Hochschulen im gesamten Bundesgebiet und im europäischen Ausland. So bietet sie den mittlerweile bundesweit nach der Studierendenzahl größten akkreditierten postgradualen berufsbegleitenden Fernstudiengang „Sozialmanagement/Sozialwirtschaft“ mit einem Master-Abschluss an. Sicher ein Meilenstein in der Verknüpfung der verschiedenen Qualifizierungsebenen ist die Anerkennung der Paritätischen Bundesakademie als Hochschulinstitut der Fachhochschule Ottersberg. Dies ermöglicht es, die Fortbildung zu erweitern sowie flexibler und praxisorientierter zu gestalten. Herausforderungen in der Pflege und der frühkindlichen Erziehung Zwei Arbeitsfelder stehen beispielhaft für die Herausforderungen, die der Paritätische meistern muss: der Pflegebereich und die frühkindliche Erziehung. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Beschäftigtenzahlen in der Pflege fast verdoppelt. Ein weiterer Anstieg ist aufgrund der demografischen Entwicklung gewiss. Doch die Ausbildungskapazitäten wurden bislang nicht entsprechend angepasst. Schon heute mangelt es an Fachpersonal. Das führt zu Arbeitsverdichtung, hohen physischen und psychischen Anforderungen und in der Folge zu einem Negativ-Image der Pflegeberufe. Der Paritätische hält es für sinnvoll, die bislang getrennten Kranken- und Altenpflegeausbildungen in einer „ge6 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 ren mehr als 100.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte gebraucht. Hinzu kommen die steigenden fachlichen Anforderungen insbesondere im Hinblick auf die frühkindliche Bildung, die Zusammenarbeit mit den Eltern, die Konzeptentwicklung und die Umsetzung von Evaluationsverfahren. Dies gilt es nicht nur in der Erstausbildung zu berücksichtigen, sondern auch in geeigneten Anpassungs- und Aufstiegsqualifizierungen. Beispielhaft sei an dieser Stelle nur auf die 2010 gegründete Paritätische Fachschule für Sozialpädagogik in Aschersleben verwiesen. Dort werden in Trägerschaft des Paritätischen Bildungswerks Sachsen-Anhalt ErzieherInnen in enger Kooperation mit Mitgliedsorganisationen ausgebildet (Siehe Bericht auf Seite 20). Tilo Liewald Foto: Bauer neralistischen Pflegeausbildung“ zusammenzuführen. Dies trüge nicht nur der zunehmenden fachlichen Verflechtung der beiden Felder Rechnung, sondern würde diese Berufssparte auch attraktiver machen. Der gemeinsame Berufsabschluss, unter Umständen mit fachlichen Schwerpunktsetzungen, bringt mehr Flexibilität – sowohl für die Beschäftigten als auch für die Einrichtungen. Reform der Pflegeausbildung Eine Reform der Pflegeausbildung muss auf dem bewährten Praxisbezug der bestehenden Kranken- und Altenpflegeschulen aufbauen und den erweiterten Anforderungen im Berufsfeld gerecht werden. Sowohl nach unten wie auch nach oben ist eine Öffnung notwendig: Der berufliche Quer- und Wiedereinstieg muss erleichtert werden. AltenpflegerhelferInnen, Praktikanten und HauptschülerInnen brauchen für sie geeignete Ausbildungswege, Fachkräfte bessere Aufstiegschancen. Die Aus- und Weiterbildung muss sich am Arbeitsund Lebensalltag der Interessenten und der Einrichtungen orientieren. Allein aufgrund des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige werden in den Kindertageseinrichtungen in den nächsten Jah- Komplexe dynamische Prozesse Zur Lösung des Fachkräfte-Problems wird es keinen Königsweg geben. Die Mitgliedsorganisationen des Paritätischen, der Verband selbst und seine Bildungseinrichtungen werden zum Teil ganz unterschiedliche Wege gehen, um am Ende eine Vielzahl von Angeboten unterbreiten zu können. Diese bekannt zu machen und den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu fördern, ist dem Verband ein großes Anliegen. Das Kompetenzzentrum Fachkräftegewinnung beim Paritätischen Gesamtverband leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Was sich hinter den Begriffen demografischer Wandel und Fachkräftemangel verbirgt, ist ein äußerst komplexer und dynamischer Prozess, der sich in den Bundesländern und Regionen und für die einzelnen Arbeitsfelder der sozialen Arbeit, der Pflege und des Gesundheitswesens sehr unterschiedlich darstellt. Lösungen für einen Bereich, für eine Region erzeugen unter Umständen verschärfte Problemlagen in anderen. Damit kreativ und vorausschauend umzugehen, gehört zu den Kernkompetenzen der gegenwärtigen und der zukünftigen Führungskräfte. Das notwendige Knowhow dafür zu vermitteln, ist eine zentrale Aufgabe Paritätischer Bildungsträger. Tilo Liewald, Geschäftsführer der Paritätischen Bundesakademie Anzeige Thema Mütter als Zielgruppe Neues Projekt der Berufsfachschule in Hausach Arbeitslose Mütter haben es schwer, im Berufsleben Fuß zu fassen. Erst recht, wenn es mit den deutschen Sprachkenntnissen hapert. In der Paritätischen Berufsfachschule für Sozial- und Pflegeberufe in Hausach werden sie gezielt gefördert. Seit Oktober 2010 können arbeitslose Mütter mit (und ohne) Migrationshintergrund dort den Beruf der Altenpflegehelferin erlernen und gleichzeitig ihre Deutschkenntnisse verbessern. Möglich macht das eine Kooperation der Schule mit dem Institut für Deutsche Sprache und der Kommunalen Arbeitsförderung in Offenburg. H andschuhe, Tupfer, Kanülen liegen bereit. Auch Desinfektionsmittel, Kochsalzlösung und sterile Einmalspritzen hat Carmen Heitz vorbereitet. „Wer fängt an?“, fragt die Fachlehrerin für Pflegeberufe. Drei, vier Hände gehen in die Höhe. Stefanie Stoffer traut sich als erste an die „Durchführung einer subkutanen Injektion“ wie das Unterrichtsthema an diesem Morgen in der Paritätischen Berufsfachschule für Sozial- und Pflegeberufe im baden-württembergischen Hausach lautet. Ihre „Patientin“ ist eine Mitschülerin. Seit Oktober 2010 nimmt die 27-Jährige an der Ausbildung zur „Staatlich anerkanntenAltenpflegehelferinplusDeutsch B2 Beruf“ teil. Das kann die Mutter des siebenjährigen Malik und des zweijährigen Chris nur, weil die Ausbildung über 22 Monate in Teilzeit angeboten wird. 22 Monate, in denen die Hartz-IV-Empfängerin einen Berufsabschluss erreichen kann. „Ich habe schon eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin begonnen, aber aus privaten Gründen nicht beenden können“, sagt Stefanie Stoffer. Nun ist sie zuversichtlich, dass es im zweiten Anlauf klappt. Ihren Ausbildungsplatz in der der Avendi-Seniorenresidenz „Alte Mühle“ in Bodersweier hat sie sich selbst ausgesucht. Für den Lebensunterhalt der jungen Frau kommt weiterhin die kommunale Arbeitsförderung auf. Sie übernimmt auch die Kosten für die Betreuung von Chris durch eine Tagesmutter. Schulgeld muss die 27-Jährige nicht zahlen. Mit Zeugnis und Sprachzertifikat hat sie nach der knapp zweijährigen Ausbildungszeit gute Möglichkeiten, in ihrem neuen Beruf zu arbeiten oder sich zur Altenpflegerin weiterzubilden. Eine Perspektive, auf die auch Nihal Köseoglu hinarbeitet. Die 30-jährige gebürtige Türkin lebt seit acht Jahren in Deutschland. Die Mutter eines siebenjährigen Sohnes hat bislang keine Berufsausbildung. Wie Stefanie Stoffer aber hat auch sie einen Ausbildungsplatz gefunden: im Seniorenpflegeheim „Sonnenhaus“ in Kork. „Ich habe noch Probleme mit der deutschen Sprache, aber die Arbeit mit alten Menschen macht mir viel Freude“, sagt sie. Eine Erfahrung, die sie mit Mernush Moradi teilt. Die 30-jährige Iranerin, die in ihrem Heimatland eine Ausbildung zur Reisebürokauffrau gemacht hat und seit 2002 in Deutschland lebt, konnte es sich zuerst gar nicht vorstellen, „in einem Altenheim zu arbeiten“. Doch in der Ausbildungsmöglichkeit, die der Kurs der zweifachen Mutter gibt, sieht sie eine „gute Gelegenheit, besser Deutsch zu lernen“ – und in ihrer neuen Heimat einen qualifizierten Berufsabschluss zu bekommen. Berufliche Perspektiven verbessern Stefanie, Nihal und Mernush sind drei von 22 Frauen, mit denen das Kooperationsprojekt der Paritätischen Berufsfachschule für Sozial- und Pflegeberufe, das Institut für Deutsche Sprache (ISD) und die kommunale Arbeitsförderung in Offenburg einen neuen Weg gehen. Die Beweggründe erläutert Astrid Müller, Geschäftsführerin der Paritätischen Berufsfachschule: „Wer einen Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen hat und über grundlegende Sprachkenntnisse verfügt, hat damit noch keine berufliche Perspektive. Bei uns können die Kursteilnehmerinnen nicht nur eine Ausbildung absolvieren, sondern parallel 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 7 Thema Ausbildungsplatz angeboten und konnten die zu ihnen passende Bewerberin auswählen. 850 Stunden praktische Arbeit müssen die Kursteilnehmerinnen in den 22 Monaten leisten, 720 Stunden Theorie bewältigen und 480 Stunden Deutschunterricht. Dabei lernen sie nicht nur Fachliches für die Arbeit mit alten, pflegebedürftigen Menschen, sondern gewinnen auch an Selbstsicherheit. „Die Frauen kommen durch die Ausbildung aus ihrem Schneckenhaus heraus, verbessern ihre Sprachkenntnisse und ihre sozialen Kompetenzen“, betont Astrid Müller, Geschäftsführerin der Berufsfachschule. „Das sind wichtige Voraussetzungen, um auf dem Arbeitsmarkt Chancen zu haben.“ Im Unterricht lernen die Schülerinnen auch, Spritzen zu geben. gezielt ihre Deutschkenntnisse erweitern.“ Auf dem Informationspapier für Interessierte steht eine Reihe von Zugangsvoraussetzungen. An erster Stelle: der Hauptschulabschluss. Doch diesen nachzuweisen, bedeutet für viele Bewerberinnen mit Migrationshintergrund schon die erste Hürde. Astrid Müller: „Wenn ein solcher aus Deutschland nicht vorliegt, muss das Regierungspräsidium in Stuttgart ein Zeugnis aus dem Heimatland der Bewerberin anerkennen.“ Erst mit dem Zeugnis samt dessen deutscher Übersetzung und der Anerkennung durch den Regierungspräsidenten können die Bewerberinnen zugelassen werden. Den „strengen Filter“ (nachgewiesener Hauptschulabschluss und Die Paritätische Berufsfachschule im badischen Hausach ist ein anerkannter Bildungsträger für Ausbildungsgänge in Pflege-, Sozial- und Gesundheitsberufen. Sie ermöglicht unter anderem die staatlich anerkannte Ausbildung als Altenpfleger/in (drei Jahre), zur Heilerziehungspflege und der Jugend- und Heimerziehung (drei Jahre nach einem einjährigen angeleiteten Praktikum). Die von der Schule angebotene Ausbildung zum Ergothe- 8 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 Foto: Corinna Willführ Sprachkenntnisse B1), so Wolfgang Eberhardt, Leiter des Instituts für Deutsche Sprache in Offenburg, „konnte ein Teil der Bewerberinnen mit Migrationshintergrund nicht erfüllen“. Für den ersten Kurs wurde die Gruppe deshalb um langjährig arbeitslose Mütter erweitert, die eine EDV-Schulung erhalten, während ihre Kolleginnen deutsche Grammatik und Vokabeln lernen. Vorgeschlagen wurden sie alle von der kommunalen Arbeitsförderung in Offenburg. 16 Einrichtungen der Altenhilfe aus dem Ortenaukreis, für die die kommunale Arbeitsförderung Offenburg zuständig ist, waren an dem ersten Kurs interessiert. Sie haben für eine oder mehrere Kursteilnehmerinnen einen praktischen rapeuten, ebenfalls über drei Jahre, ist vom Weltverband der Ergotherapeuten WFOT (World Federation of Occupational Therapists) zertifiziert. Sie qualifiziert die AbsolventInnen für eine internationale Tätigkeit in ihrem Beruf. Die Schule bietet außerdem anerkannte Weiterbildungen in den Bereichen „Arbeitserziehung“ und „Verantwortliche Pflegekraft“ an. Derzeit hat sie rund 300 Schülerinnen und Schüler. cor Organisationstalent ist gefragt Ausbildung und Familie unter einen Hut zu bringen, erfordert zudem Organisationstalent von den Frauen. Mernush Moradi muss mit ihrem berufstätigen Partner die Betreuung ihrer beiden Kinder während der zwei halben Studientage in der Woche mit fachlichem Unterricht, dem halben Tag Deutsch-Unterricht und zwei halben Tagen in der Altenhilfe-Einrichtung koordinieren. „Das ist nicht einfach“, sagt die gebürtige Iranerin. „Zum Glück arbeitet mein Mann auch Schicht, sodass wir das hinkriegen können.“ Die Organisation ihres Tagesablaufs ist auch für Nihal Köseoglu nicht einfach. Doch sie kann auf die Unterstützung ihrer Familie rechnen. Wenn sie in der Schule oder an ihrem Ausbildungsplatz im „Sonnenhaus“ in Kork ist und die Tagesmutter einmal ausfällt, passen Familienmitglieder auf ihren siebenjährigen Sohn auf. Denn sie haben erlebt, dass „mir die Arbeit mit alten Menschen gefällt und ich darin eine Perspektive für mich und mein Leben sehe“, so die 30-Jährige. Corinna Willführ Kontakt Paritätische Berufsfachschule für Sozialund Pflegeberufe gGmbH Inselstraße 30, 77756 Hausach Tel.: 07831/96850 E-Mail: [email protected] Homepage: www.pbfs.de Thema „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ Paritätisches Bildungswerk NRW qualifiziert SchuldnerberaterInnen Rund drei Millionen Haushalte in Deutschland gelten als überschuldet. Häufig führen der Verlust des Arbeitsplatzes, eine gescheiterte Ehe, eine schwere Krankheit oder steigende Mieten bei sinkenden Löhnen dazu, dass ihr Einkommen nicht ausreicht: Zahlungsverpflichtungen können nicht mehr erfüllt werden, der Kontostand bleibt dauerhaft im Minus. Entsprechend groß ist der Bedarf an Schuldnerberatung. Das zeigt sich auch beim Paritätischen Bildungswerk Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Wuppertal. „Die Nachfrage nach Qualifizierungsangeboten für Schuldnerberaterinnen und -berater steigt ununterbrochen“, sagt Bildungsreferent Fritz Heinecke. A kten bestimmen den Arbeitsalltag von Daniela Andree. Einmal pro Woche beschäftigt sich die Justizsekretärin am Landgericht Paderborn jedoch mit leibhaftigen Menschen – ehrenamtlich, als Schuld- nerberaterin im Arbeitslosenzentrum Paderborn. Dort hat sie Gunda Köster kennengelernt. Die Diplom-Sozialarbeiterin in einer Integrationsfirma hat immer wieder mit „Leuten in Verschuldung“ zu tun. „Da möchte man fit sein“, sagt Gunda Köster. Um sich das nötige fachliche Know-how für die Beratung anzueignen, wählten sie und Daniela Andree eine Fortbildung des Paritätischen Bildungswerks NRW in Bielefeld. (Fortsetzung auf Seite 10) Anzeige Office-Lösungen EFFIZIENZ Brother Office-Lösungen überzeugen mit Effizienz und intelligenter Funktionalität. Vom Beschriftungssystem bis zum High-End Laser-MFC. Nutzen Sie die Rahmenvereinbarungen mit Brother Top-Konditionen! Mehr Infos unter www.brother.de Thema „Schuldnerberatung ist Sozialarbeit“, betont Gottfried Beicht, Dozent des Bildungswerks. Doch die Hälfte der Teilnehmenden kommt nicht aus sozialarbeiterischen, sondern aus anderen Berufsfeldern: aus der Justiz wie Daniela Andree, der Arbeitsvermittlung, aus kommunalen Behörden, sogar aus dem Bankenwesen. Sie wollen lernen, wie Schuldnerberatung geht, weil sie es im Beruf brauchen oder weil sie sich eine neue Perspektive eröffnen wollen. Ganzheitlicher Ansatz Angesichts der heterogenen Klientel, wie sie dort im Seminarraum des Tagungshauses in Bielefeld sitzt, ist von einem Unterrichtsplan nach Schema F keine Rede. Gottfried Beicht richtet den Inhalt des jeweiligen Kurses an den Teilnehmenden und deren Hintergrund aus und arbeitet mit ihnen „so praxisnah wie möglich“. Seine Erfahrung hat ihn auf nahezu alle Fragen und Fälle vorbereitet: Gottfried Beicht ist seit 30 Jahren, also seit den Anfängen, in der Schuldnerberatung tätig. Er hat viele Jahre eine Beratungsstelle geleitet und sich kürzlich als Sozialanwalt selbstständig gemacht. Umfangreiches Qualifizierungsangebot Mit einem breitgefächerten Programm wendet sich das Paritätische Bildungswerk des Landesverbands NordrheinWestfalen an die rund 3.000 Mitgliedsorganisationen des Verbandes sowie andere Interessierte. Die Zertifikatskurse – mehr als ein Dutzend pro Jahr – werden vor allem zu Managementaufgaben in der Sozialarbeit und zu fachlichen Qualifizierungen wie etwa zur Schuldnerberatung angeboten. Sie erstrecken sich über fünf Blöcke zu je drei Tagen (mindestens 100 Stunden). Dazwischen bearbeiten die Teilnehmenden individuell oder in Lerngruppen begleitende Aufgaben. Das umfangreiche Angebot des Paritätischen Bildungswerks NRW umfasst Über das notwendige Fachwissen hinaus impft Gottfried Beicht der Zuhörerschaft seine Philosophie der Schuldnerberatung ein, betont den „ganzheitlichen Ansatz“. Nicht die „Miesen“ stehen im Fokus, sondern der Mensch. „Verschuldung betrifft alle Lebensbereiche“, so Beicht. Sie mache krank, Für jeden Fall eine Lösung: Dozent Gottfried Beicht qualifiziert Frauen und Männer aus unterschiedlichen Berufsfeldern für die Arbeit in der Schuldnerberatung. Foto: Kleiner 10 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 außer Zertifikatskursen auch ein- bis fünftägige Seminare. Deren Schwerpunkte liegen in den Bereichen Management, Fachliche Qualifizierung sowie in dem Ausbau persönlicher Kompetenzen. Beispiele dafür sind Veranstaltungen zu den Themen Finanzund Qualitätsmanagement, Personalführung, Recht, Kinder, Jugend und Familie, Tageseinrichtungen für Kinder, Menschen mit Behinderung, Altenhilfe- und -pflege, Sozialpsychiatrie, Kommunikation und vieles mehr. Detaillierte Informationen zu den Angeboten sowie zu nationalen und internationalen Projekten des Paritätischen Bildungswerks erhalten Interessierte auf www.bildung.paritaet-nrw.org. gefährde Jobs. „Die Ressourcen und Stärken des Betroffenen ermitteln, Selbstbewusstsein aufbauen und zwischen Gläubiger und Schuldner vermitteln“, so beschreibt Gottfried Beicht die Kernaufgaben. Häufig stehe zunächst die Existenzsicherung im Mittelpunkt, gelte es beispielsweise, den Verlust der Wohnung zu verhindern. Die Ratsuchenden seien keine „Loser, sondern Elite, weil sie ihre Schwellenangst überwunden haben und um Unterstützung nachsuchen“. Erstgespräch im Rollenspiel Jeder Fall ist laut Gottfried Beicht anders. Aber jede Schuldnerberatung beginnt damit, die notwendige Vertrauensbasis herzustellen. Zum Auftakt des Kurses bittet Gottfried Beicht daher zu Rollenspielen, um Erstgespräche darzustellen. Für solche Situationen müssen vor allem die Teilnehmenden ohne professionelle Beratungserfahrung ein Gespür entwickeln. Daniela Andree gelingt es auf Anhieb. „Sie hat intuitiv ein gutes Gespräch gemacht“, freut sich Gottfried Beicht. Um die inhaltlichen Aspekte der Schuldnerberatung zu beleuchten, wählt Gottfried Beicht aus seinem reichen Fundus an Praxisfällen. Diese Beispiele werden in kleinen Gruppen erörtert, die Resultate mit den Musterlösun- Thema gen des Dozenten verglichen. Rechtsfragen diskutiert Gottfried Beicht anhand von Fachexempeln, das Verbraucherinsolvenzverfahren stellt er mit PowerPoint-Präsentationen dar. Binnen sechs Monaten kommen die Männer und Frauen des Zertifikatskurses insgesamt fünf Mal zusammen, um drei Tage lang in die Materie einzutauchen. Das Themenspektrum reicht von der Ausgabenanalyse für einen Privathaushalt bis zur Zwangsvollstreckung. Gunda Köster findet die Unterbrechungen sinnvoll: „Da hat man Zeit, die Sache sacken zu lassen.“ Zwischen den Blöcken erledigen die Teilnehmenden Hausarbeiten. „Man ist so dazu gezwungen, sich mit dem Stoff auseinanderzusetzen“, schildert Gundula Köster ihre Erfahrungen. „Roter Faden“ gibt Sicherheit „Diese 15-tägige Fortbildung bietet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine gute Grundlage“, meint Gottfried Beicht. „Die meisten bilden sich parallel zu ihrer Beratungstätigkeit anschließend kontinuierlich weiter.“ Bei der Zertifikatsübergabe bekräftigen die Teilnehmenden, neben einem dicken Ordner voll nützlichem Material jetzt einen „roten Faden“ in der Hand zu halten, der sie mit mehr Sicherheit bei Entscheidungen und Selbstbewusstsein in die Praxis gehen lässt. Er werde jetzt nicht gleich „nasse Finger bekom- men, wenn ein Gläubiger eine Kontopfändung reinhaut“, meint ein Teilnehmer. Zugleich sei im Seminar mit Vorurteilen aufgeräumt worden, betont ein Sparkassen-Angestellter. Zum Beispiel mit dem Spruch, die Klientel der Schuldnerberatung bestünde nur aus „Hartz-IV-Empfängern und Leuten, die nicht mit Geld umgehen könnten“. Bernd Kleiner Kontakt Paritätisches Bildungswerk Landesverband NRW e. V. Tel.: 0202/2822-232 E-Mail: [email protected] Paritätische Akademien und Bildungswerke Soziales Engagement und Bildung bringt bundesweit ein dicht geknüpftes Netz Paritätischer Bildungsträger zusammen. Hier einige wichtige Adressen: Paritätische Bundesakademie gGmbH Hackesche Höfe Rosenthaler Straße 40-41 10178 Berlin Tel.: 030/24636-440 E-Mail: [email protected] www.paritaetische-akademie.de Paritätisches Bildungswerk Bundesverband e. V. Heinrich-Hoffmann-Straße 3 60528 Frankfurt am Main Tel.: 069/6706-272 E-Mail: [email protected] www.bildungswerk.paritaet.org 14482 Potsdam Tel.: 0331/7481875 E-Mail: [email protected] www.paritaet.org/brandenburg/pb Paritätisches Bildungswerk Landesverband Bremen e. V. Faulenstraße 31 28195 Bremen Tel.: 0421/17472-0 E-Mail: [email protected] www.pbwbremen.de Paritätisches Bildungswerk Landesverband Hessen e. V. Heinrich-Hoffmann-Straße 3 60528 Frankfurt am Main Tel.: 069/6706-235, -236 E-Mail: [email protected] www.pbhessen.de Paritätische Akademie Süd Haußmannstr. 6 70188 Stuttgart Tel.: 0711/215 51 92 E-Mail: [email protected] www.akademiesued.org Paritätisches Bildungswerk Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. Loher Straße 7 42283 Wuppertal Tel.: 0202/2822-232 E-Mail: [email protected] www.bildung.paritaet-nrw.org Paritätisches Bildungswerk Landesverband Brandenburg e. V. Stephensonstraße 24-26 Paritätisches Bildungswerk Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland e. V. Feldmannstraße 92 66119 Saarbrücken Tel.: 0681/9266024 E-Mail: [email protected] www.pbw-rlp-saar.de Paritätisches Bildungswerk Landesverband Sachsen-Anhalt e. V. Wiener Straße 2 39112 Magdeburg Tel.: 0391/62933-13 E-Mail: bildungswerk@ mdlv.paritaet.org www.bildungswerk-lsa.de Das Paritätische Bildungswerk Landesverband Thüringen e. V. Neudietendorf Bergstraße 11 99192 Nesse-Apfelstädt Tel.: 036202/26113 E-Mail: [email protected] www.pbw-thueringen.de Paritätische Akademie Thüringen Parisat gGmbH Neudietendorf Bergstraße 11 99192 Nesse-Apfelstädt Tel.: 036202/26152 E-Mail: [email protected] www.paritaetische-akademie-thueringen.de 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 11 Thema Szenen aus den Seminaren: Gemeinsam Inhalte erarbeiten. Fotos: Kai Sachs „Rückenwind“ für Führungskräfte Norddeutsches Netzwerk für Bildung, Beratung und Coaching Wie wachsen Beschäftigte zum Team zusammen? Welche Probleme erledigen sich von selbst, und welche Konflikte sollten schnell behoben werden? Wer braucht mehr Förderung, wer kann mehr Verantwortung übernehmen? Täglich müssen sich Führungskräfte Fragen wie diesen stellen. Nun bekommen sie „Rückenwind“, so der Name eines bundesweiten Fortbildungsprogramms für Beschäftigte in der Sozialwirtschaft, das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wird. Im Rahmen dieses Programms bieten die drei Paritätischen Landesverbände Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein unter dem Titel „Norddeutsches Netzwerk für Bildung, Beratung und Coaching“ Weiterqualifizierungs-Seminare an, die extra für den sozialen Sektor entwickelt wurden. G erade in Zeiten des Fachkräftemangels ist Wissen um Personalentwicklung und Änderungsprozesse in Einrichtungen nötiger denn je“, sagt Kai Sachs vom Paritätischen Schleswig-Holstein, der das auf drei Jahre angelegte Projekt federführend betreut. Dieses Wissen wollen die drei Landesverbände nicht nur ihren Mitgliedern vermitteln. Insgesamt können 170 Personen an den Schulungen teilnehmen und dabei rund 13.000 Weiterbildungsstunden absolvieren. „Wir haben die Kurse und Workshops so entworfen, dass sie punktgenau zu den Bedürfnissen der jeweiligen Ziel12 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 gruppe passen“, betont Sachs. Die größte Gruppe ist der ManagementNachwuchs mit angepeilten 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Marketing und Personalentwicklung Wie sich Einrichtungen auf den Fachkräftemangel einstellen, wie aus einem Unternehmen eine „Marke“ wird und wie sich gezielt um Beschäftigte werben lässt, vermittelt die Seminarreihe „Marketing und Personalentwicklung“, die speziell für Leitungskräfte gedacht ist. Nicht nur Zahlen, Daten, Fakten sollen die Beteiligten aus den Seminaren mitnehmen: „Das Projekt zielt auf Nach- haltigkeit“, so Projektleiter Kai Sachs. „Wir wollen überregionale Netzwerke entwickeln, die sowohl über die Grenzen der Bundesländer wie auch über die der Dachverbände hinauswachsen.“ Die Kontakte sollen das Ende der Fortbildungen überdauern, der Austausch könnte auf virtuellen Plattformen weitergehen. Dieser Anspruch gilt auch für die beiden weiteren Säulen, „Führen in Veränderungsprozessen – Qualifizierungsreihe für Führungspersonal in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen“ und „Fit für Führung – Qualifizierungsreihe für Führungskräfte in Kindertagesstätten“. Für beide Gruppen spielt die Thema richtige Mischung aus Theorie und Praxis eine wichtige Rolle. So besteht die Fortbildung für die Kita-Führungskräfte aus Seminartagen und Besuchen in den Einrichtungen. Dabei wird die „Shadowing“-Methode angewendet: Wie ein Schatten – shadow – folgen und beobachten ein Dozent oder eine Dozentin die Führungskraft. Dabei stellt der Schatten fest, wie diese sich im Alltag verhält und kann daraus Ratschläge ableiten. „Diese Methode hat sich als sehr nützlich für eine intensive Reflexion erwiesen“, sagt Sachs, der selbst Geschäftsführer des Kastanienhofes, einer Einrichtung des Paritätischen Landesverbands Schleswig-Holstein, war. Auch beim Programm für die Leitungskräfte aus dem Pflegebereich wird es Einzelschulungen geben, um sich speziell den Themen in den Einrichtungen widmen zu können. Esther Geißlinger Qualifizierungsreihe des Netzwerks Nähere Informationen zu den Kursen des „Norddeutschen Netzwerks für Bildung, Beratung und Coaching“ finden Interessierte auf der Interseite www. paritaet-sh.org über den Button „EUQualifizierungsprogramm für Führungskräfte“. Anmeldungen sind möglich bei Simone Reichow unter der Telefonnummer 0431/5602-22 oder per E-Mail an [email protected]. Hier ein erster Einblick ins Programm: „Marketing und Personalgewinnung – Qualifizierungsreihe für Führungspersonal der Sozialwirtschaft“: Veranstaltungsort Hamburg: 27. Februar bis 14. September 2012, Veranstaltungsort Bremen: 22. März bis 28. September 2012. „Führen für die Zukunft – Qualifizierungsreihe Vielfalt und Veränderung gestalten“: Bremen: 5. Januar bis 13. Juli 2012, Kiel: 23. Februar bis 21. September 2012. „Führen in Veränderungsprozessen – Qualifizierungsreihe für Führungspersonal in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen“: Workshops in Bremen am 24. und 25. Januar sowie 6. und 7. März 2012, anschließend Einzelcoachings nach Absprache. „Fit für Führung – Qualifizierungsreihe für Führungskräfte in Kindertagesstätten“: Hamburg: 11. Januar bis 17. Oktober 2012. Verankerung im Verband hilft, Angebote auf Mitgliederinteressen zuzuschneiden Breitgefächertes Bildungsangebot des Paritätischen Landesverbandes Sachsen Der Paritätische Landesverband Sachsen hat weder ein eigenes Bildungswerk noch eine Akademie – trotzdem bietet er seinen Mitgliedern jährlich mehr als 200 Bildungsangebote, die mit über 10.500 Teilnehmerstunden bestens angenommen werden. Zusätzlich läuft ein Modellprojekt zur Qualifizierung von Führungskräften zur altersgerechten Personalentwicklung. B ei uns ist Bildung ein gleichberechtigtes Referat neben anderen“, sagt Wibke Hanspach vom Landesverband Sachsen. Dadurch sitzt die Bildungsreferentin regulär in den Teambesprechungen der FachreferentInnen und erfährt so direkt, welche Weiterbildungen gebraucht werden. „Die enge Zusammenarbeit wirkt sich positiv auf unsere Bildungsplanung aus“, betont Wibke Hanspach, die das Referat 1999 neu aufgebaut hat und seither mit einer für die Bildungskoordination zuständigen Kollegin betreut. Das Programm umfasst alles von Kursen zu Management, Recht und fachlicher Qualifizierung über die Entwick- lung persönlicher wie beruflicher Kompetenzen bis zu „besonderen Angeboten“, etwa für ehrenamtliche Kräfte. Neben Präsenz-Seminaren organisiert das Referat auf Wunsch auch Inhouse-Schulungen. Außer den 500 Mitgliedsorganisationen des sächsischen Landesverbandes zieht der gute Ruf des Programms auch Teilnehmer aus anderen Landesverbänden oder Organisationen an. „Gerade Führungskräfte brauchen manchmal die Freiheit, die eine gewisse Anonymität schenkt, um sich erfolgreich fortbilden zu können“, berichtet Bildungsreferentin Wibke Hanspach. Speziell für Führungskräfte haben vier ostdeutsche Landesverbände des Paritätischen das Projekt „profi – personal. professionell. entwickeln“ im Rahmen des ESF-Programms „rückenwind“ konzipiert. „Das Projekt ist eine sinnvolle Ergänzung und Bereicherung unseres regulären Bildungsangebotes“, sagt Wibke Hanspach. Und Anita Hommel, profi-Projektkoordinatorin im sächsischen Landesverband, erklärt: „Im Unterschied zum Bildungsreferat bieten wir keine klassischen Seminare an, sondern problembezogene Workshops, bei denen die Teilnehmer – moderiert durch externe Dozenten – gemeinsam Lösungen erarbeiten.“ Der Hintergrund: Die Nachfrage nach 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 13 Thema Projekt: profi – personal. professionell. entwickeln Seit 2009 läuft das über den Europäischen Sozialfonds geförderte Projekt: „profi – personal. professionell. entwickeln“ in den vier Paritätischen Landesverbänden Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Federführung in der Verwaltung gegenüber dem Europäischen Sozialfonds liegt beim Landesverband Thüringen. Die GeschäftsführerInnen der vier Landesverbände und die jeweiligen ProjektkoordinatorInnen tauschen sich regelmäßig aus. Zudem begleiten Fachbeiräte die Arbeit in den Landesverbänden. Qualifizierung, Beratung und Coaching für altersgerechte Personalentwicklung wird in den vier Bundesländern jeweils nach den regionalen Bedürfnissen eigens entwickelt. 2012 läuft das Projekt aus, ein Nachfolgeprojekt ist in Vorbereitung. sozialen Dienstleistungen wächst in einer alternden Gesellschaft. Doch zugleich spürt die Sozialwirtschaft schon heute den Fachkräftemangel. Im Osten Deutschlands verschärft sich dieser durch die Abwanderung. Das Pro- jekt „profi“ gibt keine fertigen Antworten zur Lösung des Dilemmas. Vielmehr werden nach den Bedürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Angebote zu Qualifizierung, Beratung und Coaching entwickelt. So stellte Projektkoordinatorin Anita Hommel „profi“ erst einmal vor und besuchte die ersten 30 Interessierten persönlich, um ihren Bedarf zu analysieren. Daraus entstand zunächst eine WorkshopReihe für das obere Management zur Mitarbeiterführung, die auf Wunsch der GeschäftsführerInnen später auch für das mittlere Management angeboten wurde. Inzwischen nutzen „profi“ rund 60 Mitgliedseinrichtungen. In Rückkopplung auf die Teilnehmer entstanden eine weitere Workshop-Reihe zum Wissensmanagement und rund 20 Einzel-Workshops, darunter zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zum Aufbau einer gesunden Unternehmenskultur, zur Motivation der Beschäftigten und zum Krisenmanagement bei Burnout. Managementaufgaben übernehmen Für Annett Saupe, die 2008 eine Leitungsstelle im der Gemeinnützigen Hospizium GmbH übernommen hatte, kam das Angebot gerade recht. Denn – wie viele Führungskräfte in sozialen Einrichtungen – brachte sie als berufserfahrene Krankenschwester und studierte Religionswissenschaftlerin zwar bereits viele nützliche Qualifikationen mit, musste aber die neuen Aufgaben des Managements und der Mitarbeiterführung lernen. In den Einrichtungen des Leipziger Hospizium arbeiten rund 60 fest angestellte und rund hundert ehrenamtliche Kräfte. „Die praxiserfahrenen Dozenten und die gelungene Teilnehmermischung aus erfahrenen Geschäftsführern und Berufsanfängern verhilft zu lebensnahen, umsetzbaren Tipps“, erzählt Annett Saupe. So lernte sie zum Beispiel von einem Teilnehmer, wie alle Kräfte im Team von der Fortbildung eines einzelnen Mitarbeiters profitieren können. Dieser Teilnehmer schickt seine Angestellten mit klaren Fragen zur Fortbildung: Was machen wir schon? Und was könnten wir brauchen? So können auch kleine Anregungen effektiv weitergegeben werden. Beratung und Gruppencoaching Die Leipziger Hospizium GmbH wird auch das zweite Paket von profi annehmen: Beratung und Gruppencoaching für MitarbeiterInnen. So können die Themen der Fortbildungsreihen vertieft werden und erhalten eine breitere Basis. Gemeinsam lassen sich die neuen Erkenntnisse leichter umsetzen. 2012 läuft das ESF-Projekt aus. Anita Hommel ist mit den Referaten des sächsischen Landesverbandes dabei, ein Folgeprojekt für Fach- und Führungskräfte auf die Beine zu stellen. Denn die Mitgliedsorganisationen können weiterhin Unterstützung in ihrer altersgerechten Personalentwicklung brauchen. Gisela Haberer Kontakt Der Paritätische Landesverband Sachsen hat ein breitgefächertes Bildungsangebot entwickelt. Blick in eines der Seminare. Foto: Thomas Neumann 14 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Sachsen Wibke Hanspach Anita Hommel Am Brauhaus 8 01099 Dresden Tel.: 0351/4916610 E-Mail: [email protected] www.parisax.de Thema Zertifikatskurse der Paritätischen Akademie „Personal führen in sozialen Organisationen unter Berücksichtigung von Haupt- und ehrenamtlichem Personal“ lautet der Titel eines Zertifikatskurses, der vier Module à drei Tage umfasst. Darin werden sowohl unterschiedliche Möglichkeiten der Personalführung beleuchtet als auch die eigene Praxis der Teilnehmenden reflektiert. Darüber hinaus sind Organisations- und Personalentwicklung, Kommunikationstechniken, Konfliktmanagement und Fachkräftegewinnung zentrale Kursthemen. Ein weiterer Zertifikatskurs hat den Titel „Helfen und Hilfe gestalten – gemeinsame Arbeitsfelder von haupt- und ehrenamtlichem Personal“. Auch er erstreckt sich über vier Module mit drei Seminartagen. Im Mittelpunkt steht hier die eigene Praxis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Bezug auf Freiwilligenarbeit. Neben Organisationswissen und Managementfragen wird hier gezielt die Praxis der Freiwilligenarbeit behandelt: Warum möchte eine Organisation mit ehrenamtlichen Kräften arbeiten? Was erwartet sie von diesen, was hat sie im Gegenzug zu bieten, um für Freiwillige attraktiv zu sein? Welche Wege sind geeignet, um Freiwillige zu finden? Wie funktioniert eine Freiwilligenagentur? Welche rechtlichen Aspekte (beispielsweise Arbeitsrecht und Versicherung) sind zu beachten? Welche Methoden der Anerkennung stehen zur Verfügung? Diese beiden Zertifikatskurse werden im Zeitraum von Dezember 2011 bis November 2013 zum Beispiel in Berlin und Hamburg mehrmals durchgeführt. * Seit 2005 startet die Paritätische Akademie unabhängig von diesem ESF-Projekt jeden Oktober zudem eine Fortbildung in Ehrenamtsmanagement. Fachkräfte fit machen für das Ehrenamtsmanagement Qualifizierungen der Paritätischen Bundesakademie Im Rahmen des Programms „rückenwind. Für die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft“ hat die Paritätische Akademie im Herbst zwei Zertifikatskurse gestartet, die Fach- und Führungskräfte aus dem Bereich der sozialen Arbeit für das Ehrenamtsmanagement fit machen. Beate Häring, Ehrenamtsexpertin der Paritätischen Bundesakademie, stellt das Qualifizierungsprojekt vor, das aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert wird. D ie Sozialwirtschaft steht in den nächsten Jahren vor einem massiven Umbruch. Die in der Gründungsphase der Fachhochschulen ausgebildete Generation (1965 – 1975) geht in den Ruhestand. Dies bedeutet: In den kommenden vier bis sechs Jahren werden circa ein Viertel der Fachkräfte in allen Bereichen sozialer Arbeit ausscheiden. Das geht einher mit einem sinkenden Anteil Erwerbsfähiger an der Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig steigt die Zahl älterer Menschen, die verstärkt Dienstleistungen des Sozial- und Gesundheitswesens in Anspruch nehmen werden. Fachkräftemangel begegnen Schon jetzt fehlen insbesondere in ländlichen Gegenden sowie im Norden und Osten Deutschlands vielen Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Fachkräfte. Der geplante Ausbau der flächendeckenden Betreuung für Kinder im Alter unter drei Jahren wird den Fachkräftemangel noch verschärfen. Klar ist: Bei der Organisation sozialer Dienstleistungen kann künftig nicht mehr im bisherigen Umfang auf hauptamtliche Fachkräfte gesetzt werden. Das Ehrenamt muss stärker einbezogen werden. Dies ist sicher nicht der einzige, aber ein wichtiger Weg, um dem Fachkräftemangel begegnen zu können. Dabei dürfen Ehrenamtliche aber keinesfalls als Lückenbüßer betrachtet werden. Im Paritätischen schätzen wir Ehrenamtliches Engagement schon seit vielen Jahrzehnten als wichtiges Element sozialer Arbeit. Es gibt einige Bereiche, Beate Häring Foto: Bauer in denen die fachliche Arbeit sogar fast vollständig von entsprechend qualifizierten Ehrenamtlichen übernommen wird, wie beispielsweise bei der Telefonseelsorge oder der Sterbebegleitung in der Hospizarbeit. Die Ehrenamtlichen gewährleisten dort eine hohe Qualität der Arbeit, wie Hauptamtliche das gar nicht könnten, wenn sie diese ständig machen müssten. Aber auch in der Vorstandsarbeit gemeinnütziger Vereine übernehmen Ehrenamtliche oft sehr verantwortungsvolle Aufgaben, haben häufig gar kontrollierende und leitende Funktionen. Die zunehmende Einbindung ehrenamtlicher Kräfte im Sozial- und Pflegebereich verlangt auch nach einer gezielten Qualifizierung des Hauptamts im Hinblick auf besondere Aspekte des 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 15 Thema Rahmenbedingungen Das Projekt zur Qualifizierung hauptamtlicher Kräfte fürs Ehrenamtsmanagement wendet sich ausschließlich an Organisationen aus den „alten“ Bundesländern. Es ist auf hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschränkt, weil deren Gehälter, die ja auch während der Freistellung für die Ausbildung fortgezahlt werden, als Gegenfinanzierung für die EU-Mittel gelten. Damit die Fortbildung für die Einrichtung kostenfrei ist, darf diese nicht mehr als 250 Vollzeitstellen haben. Es ist also eher ein Angebot für kleine und mittlere Träger. Wobei größere nicht ausgeschlossen sind, sie müssen dann jedoch zahlen. Interessant sind die Angebote sowohl für Organisationen, die noch nicht mit Ehrenamtlichen arbeiten, als auch für jene, die bereits Ehrenamtler haben, sich im Ehrenamtsmanagement aber besser qualifizieren möchten. Ehrenamtsmanagements. Die Fachkräfte müssen qualifiziert werden, geeignetes ehrenamtliches Personal zu gewinnen und gemischte Teams anzuleiten. Dazu gehört auch die Fähigkeit, in sozialen Organisationen den notwendigen Kulturwechsel zu initiieren, der Voraussetzung für eine sinnvolle Kombination von qualifizierter hauptund ehrenamtlicher Arbeit ist. Denn Ehrenamtliche wollen nicht irgendeinen Job zugeteilt bekommen, für den sich sonst niemand findet, sondern auch mitgestalten und Verantwortung übernehmen. Hohe Motivation Die Menschen, die sich freiwillig engagieren, wollen etwas bewirken und bringen viel Motivation mit. Wir müssen ihnen die Strukturen bieten, dass sie das können. Die Energie, die sie mitbringen, muss jedoch auch ein Stück weit gelenkt werden. All das gehört zum Ehrenamtsmanagement. Aber natürlich auch Fragen wie: Wen wollen wir für ehrenamtliches Engagement gewinnen? Welche Tätigkeiten bieten sich an? Welche Eignung müssen die Menschen für bestimmte Aufgaben mitbringen? Wenn das passen soll, darf man es nicht dem Zufall überlassen. Und auch die Frage, ob und in welcher Höhe Aufwandsentschädigung und Fahrtkosten erstattet werden, muss geklärt sein. Oder wie mit Konflikten umgegangen wird, die an der Schnittstelle zwischen Haupt- und Ehrenamt aufreten können. Ehrenamtliches Engagement bietet ein unglaubliches Potenzial für die soziale Arbeit. Aber es bringt auch neue Herausforderungen, auf die sich die Akteure möglichst professionell einstellen sollten. Dabei soll unser Projekt ihnen helfen. Kontakt Paritätische Akademie Beate Häring Hackesche Höfe Rosenthaler Straße 40-41 10178 Berlin Tel.: 030/24636-456 E-Mail: [email protected] Fragen hilft, besser zu verstehen Paritätisches Bildungswerk stärkt interkulturelle Kompetenzen In Deutschland leben Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Viele soziale Einrichtungen sind nicht für alle offen – auch wenn sie es vorgeben. Wer bewusst Menschen mit Migrationshintergrund einen Zugang zu sozialen Diensten eröffnen will, muss bei sich selbst anfangen: Das eigene Leitbild im Hinblick auf Integration klären und die Beschäftigten qualifizieren. Leben mit Behinderung Hamburg stellt sich dieser Aufgabe. Sabine Kriechhammer-Yagmur, Bildungsreferentin im Paritätischen Bildungswerk, unterstützt die Einrichtung dabei. Z wei Tage zum Thema „Interkulturelle Öffnung“: 22 Seminarteilnehmende sammeln anfangs Situationen, die sie als schwierig erleben in ihrem Arbeitsalltag. Sie arbeiten in Wohngruppen für behinderte Menschen, in Tagesstätten, in der Beratung oder in Familien, in denen ein Kind mit Behinderung lebt. Sie sprechen von Reibungspunkten, die im Kontakt mit türkischen Familien auf- 16 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 tauchen, fragen sich, warum vermeintlich gute Argumente „abgebügelt“ werden oder wie sie einen tragfähigen Kompromiss erreichen. Sie sind irritiert, wenn Eltern mit Migrationshintergrund ihrem Kind weniger zutrauen als die Betreuenden oder wenn Angehörige mitunter zögern, staatliche Unterstützung anzunehmen. Sie interessieren sich für kulturell bedingte Werte, wollen wissen, wie in anderen Län- dern mit Behinderung umgegangen wird, und stellen die Frage: „Was muss sich ändern, damit Eltern ihre Kinder in unserer Wohngruppe anmelden?“ Auf solche Fragen hat Sabine Kriechhammer-Yagmur keine einfachen Antworten. Während der Inhouse-Schulung bei Leben mit Behinderung Hamburg stellt sie stattdessen neue Fragen: Was ist Kultur überhaupt? Wer sind die Familien mit Migrationshintergrund? Thema Eigene Werte reflektieren Wichtig ist ihr: Es gibt nicht „die“ Familien mit Migrationshintergrund, „den“ Islam oder „die“ Kulturstandards. Vor Zuschreibungen warnt sie genauso wie vor unreflektierter Gleichbehandlung. Vielmehr regt sie mit Übungen dazu an, die eigenen Werte und Bewertungen zu reflektieren. Mitgebracht hat sie Wissen, das in der Kommunikation nützlich ist, aber niemandem erspart, im Einzelfall zu fragen und immer aufs Neue nach einem guten Weg zu suchen. Wie der aussehen kann, erzählt Kriechhammer-Yagmur anhand vieler Erfahrungen aus ihrer Beratungspraxis. noch) als Strafe des Schicksals begriffen, wenn ein Kind behindert ist. Die vielen Erlebnisse, die sie erzählt, helfen den Teilnehmenden, die Reaktionen der Angehörigen besser zu verstehen. Sie machen jedoch auch deutlich, dass jeder Einzelfall differenziert betrachtet und verstanden werden muss, Kulturalisierungen helfen nicht weiter. Zielgruppe und eigenes Leitbild Da ist zum Beispiel die Geschichte eines eritreischen Mädchens. Der koptische Priester war gegen eine gemischtgeschlechtliche Wohngruppe. „Das sind Momente, in denen sich der Träger fragen muss: Wofür stehe ich?“, sagt Sabine Kriechhammer-Yagmur. In diesem Fall hätte der Träger eine Frauen-WG eingerichtet. Ein Modell für alle sei das aber nicht: „Sie müssen jede Entscheidung an ihrer Zielgruppe und ihrem eigenen Leitbild spiegeln“, sagt die Referentin. Und das verlange, diese gegebenenfalls zu überprüfen, die Werte der Einrichtung zu kennen und zu leben. Andere einladen, etwas auszuprobieren Verstehen ja, aber was tun? „Wie spreche ich mit einer Mutter, die denkt, ich bin vom Schicksal bestraft, warum also soll mein Kind zur Schule gehen?“, fragt eine Teilnehmerin. „Ansprechen“, antwortet Sabine Kriechhammer-Yagmur: „Ich nehme wahr, dass…, ich sehe das so, weil... und nach einem Minimalkonsens suchen“. Dabei weist sie deutlich auf eine Grenze der Verhandlungsbereitschaft hin: die Gefährdung des Kindeswohls. „Und wie kann ich es schaffen, die Haltung zu verändern?“ „Gar nicht“, lautet die knappe Antwort. „Ich kann andere nur einladen, etwas auszuprobieren“. Eine Teilnehmerin erzählt, sie habe sich mit den Eltern eines behinderten Kindes geeinigt, das Kind nur abzuholen und zu begleiten. Die Eltern möchten keinen Eingriff in ihre Privatsphäre. Aus fachlicher Sicht, sagt die Teilnehmerin, sei es aber nötig, mit dem Kind auch zu Hause zu arbeiten. Ihr Anderer Umgang mit Behinderung Sabine Kriechhammer-Yagmur hat in mehreren Ländern gelebt und in vielen Ländern Behinderteneinrichtungen besucht. In Litauen zum Beispiel hat sie gelernt, dass Eltern gute Gründe haben können, den Einrichtungen der Behindertenhilfe zu misstrauen. Dort habe sie Menschen gesehen, die gegen ihren Willen ins Heim gebracht und dort fixiert wurden. In der Türkei gebe es heute in den großen Städten eine differenzierte Behindertenhilfe, nicht jedoch in den südanatolischen Dörfern, aus denen viele Einwanderer kommen. Ähnlich sei es in Angola und Mosambik, während es in anderen afrikanischen Ländern, die kolonialisiert waren, meistens katholische Einrichtungen gebe. Zudem werde es häufig (wie in Deutschland zum Teil auch Ständig auf Achse: Sabine KriechhammerYagmur, Referentin des Paritätischen Bildungswerks vermittelt interkulturelle Kompetenzen. Foto: Bauer empfiehlt die Seminarleiterin, neu zu verhandeln, wenn sie Fortschritte erzielen will. „Sagen Sie deutlich: Ohne eine erweiterte Vereinbarung geht es nicht.“ Unterschiedliche Angebote Was Sabine Kriechhammer-Yagmur im Kurs als kurze Hinweise für die Kommunikation einstreut, bietet das Paritätische Bildungswerk Bundesverband e. V. Einrichtungen auch als DreiTage-Seminar an. Nach dem HarvardGesprächskonzept üben die Teilnehmenden dann, wie sie schwierige Situationen meistern, ohne dass eine Seite verliert. Zur Interkulturellen Bildung hat das Bildungswerk eine ganze Reihe von Seminaren entwickelt mit Themen wie Interkulturelle Öffnung und Kompetenz – warum und wie?, Interkulturelle Kompetenz als Schlüsselqualifikation der sozialen Arbeit, Biografiearbeit mit Kindern und Jugendlichen oder Migrationsgeschichte in Deutschland. Kollektive Erfahrungen Interkulturelle Kommunikation kann anders sein. Einrichtungen treten den Eltern mit Migrationshintergrund oft wortgewaltig in einer Fremdsprache gegenüber, die zudem mit Fachbegriffen gespickt ist. „Eltern mit Migrationshintergrund erleben, dass sie nicht die gleiche Macht haben wie andere“, sagt Sabine Kriechhammer-Yagmur. Anders ist die Kommunikation auch, weil Kollektiverfahrungen wie Kolonialismus oder Rassismus die Erwartung an die Kommunikation prägen. Schwierig wird sie zudem, weil sie von gegenseitigen Fremdbildern geprägt ist, die schnell in Feindbilder umschlagen können. Schließlich unterscheiden sich die nonverbalen Ausdrucksformen wie etwa Mimik, Gestik, Körperhaltung oder das Halten von räumlicher Distanz. Eine Teilnehmerin erzählt, dass das Kommunikationsproblem oft schon mit der Begrüßung beginnt. Ein pakistanischer Vater etwa gucke sie nie an, sondern auf seine Füße. „Weil Sie Respektsperson sind und er Ihnen nicht mit seinem Blick lästig sein will“, erklärt Kriechhammer-Yagmur. Andere 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 17 Thema wundern sich, dass sich manche türkische Eltern im Elterngespräch nie etwas zu trinken nehmen. Es sei höflich, ein Getränk anfangs abzulehnen. Sich später selbst ungefragt einzuschenken, sei wiederum unhöflich – auch wenn sie wissen, dass viele Deutsche das so machen. „Bieten Sie den Tee einfach noch einmal an“, empfiehlt die Referentin. Dabei betont sie, dass jede Situation auch ganz anders verlaufen kann. „Patentrezepte gibt es nicht“. Interkulturelle Kommunikation sei zeitaufwendiger, weil nur nachfragen vor Missverständ- nissen schütze. So warnt Kriechhammer-Yagmur davor, ein „Ja“ zu einer Vereinbarung immer allzu wörtlich zu nehmen. „Oft ist das nur höflich“. Besser sei es noch einmal zu fragen, welche Vereinbarung da nun getroffen sei. Viele Fragen selbst beantwortet Am Ende des Seminars sind die Teilnehmenden „angenehm gefüllt“ mit vielen Informationen, auch über den Islam im Alltag. Viele ihrer Anfangsfragen konnten sie sich im Laufe des Tages selber beantworten, und der Blick für jede einzelne Familie ist geschärft. „Ich habe jetzt mehr Mut, Fragen zu stellen“, sagt eine Teilnehmerin. Diese Antwort wiederholt sich in der Abschlussrunde öfter. Gerlinde Geffers Kontakt Paritätisches Bildungswerk Bundesverband e. V. Sabine Kriechhammer-Yagmur Tel: 069/6706-220/-272 E-Mail: [email protected] „Man merkt, dass es etwas bringt“ Michael Ewen über die Ausbildung zum Qualitätsmanagement-Beauftragten Mütter,dievonihrerKrankenkasseeinenAufenthaltineinerEinrichtungderKur+RehaGmbH genehmigt bekommen, brauchen spezielle Angebote der gesundheitlichen Rehabilitation und Prävention. Diese müssen auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sein. In der Regel haben die Teams der Kur+Reha GmbH drei Wochen Zeit, um den Müttern – mitunter auch Vätern – und deren Kindern zu helfen, ihren angeschlagenen Gesundheitszustand zu verbessern oder Risikofaktoren zu erkennen und abbauen zu können. Diese höchst individualisierte Leistung in einem begrenzten Zeitraum unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erbringen zu können, setzt ein hervorragendes Management voraus. Ein Grund, warum Michael Ewen, Referent für Qualitätsmanagement und Pflege, sich bei der PQ GmbH, der Paritätischen Gesellschaft für Qualität und Management, gezielt in puncto Qualitätsmanagement fortbilde- Foto: privat te. Hier schildert der 45-jährige Krankenpfleger und Diplom-Pflegewirt seine Erfahrungen. D ie Kliniken der Kur + Reha GmbH haben alle einen Status als Rehabeziehungsweise Vorsorgeeinrichtung. Daher brauchen sie nach den Michael Ewen Vor s c h r i f t e n der Sozialgesetzbücher V und IX eine entsprechende Zertifizierung, die belegt, dass sie erfolgreich ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement etabliert haben und sich kontinuierlich um eine Qualitätsverbesserung, insbesondere der Ergebnisqualität der erbrachten Leistungen, bemühen. Sonst 18 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 droht ihnen der Entzug des Versorgungsvertrags. Die Einführung des Qualitätsmanagements bei der Kur + Reha GmbH hat also neben unserem eigenen Interesse auch gesetzliche Gründe. Wir haben vor Kurzem unser Zertifizierungsverfahren in der ersten Klinik, der MutterKind-Klinik Schwabenland, erfolgreich abgeschlossen. Was ist in der Praxis sinnvoll? Ich selbst habe mich schon länger mit Fragen des Qualitätsmanagements beschäftigt. 2008 habe ich dann bei der PQ GmbH einen Aufbaukurs zum Qualitätsmanagement-Beauftragten absolviert und anschließend an einer Projektreihe zum Thema Selbstbewertung teilgenommen sowie themenbezogene Veranstal- tungen zu speziellen Fragen des Qualitätsmanagements besucht – etwa zum Thema interne Audits. Dabei wird geschaut, wie weit eine Organisation bereits bei der Umsetzung von Anforderungen und Richtlinien ist und ob sie sich ihren gesteckten Zielen kontinuierlich annähert. Man muss immer wieder schauen: Was von dem, was wir uns vorgenommen haben, erweist sich in der Praxis als sinnvoll für die Qualität der Arbeit und die Entwicklung der Klinik. In unserem Fall heißt das: Die Mütter und Väter können darauf vertrauen, dass ihnen und ihren Kindern die vereinbarten Leistungen zum vereinbarten Zeitpunkt am richtigen Ort und in der richtigen Weise zur Verfügung stehen. Dafür ist es wichtig, die Abläufe optimal zu organisieren. Da Thema ist viel zu beachten. Die Menschen sollen beispielsweise nicht von einer Therapie oder Behandlung zur nächsten hetzen müssen, andererseits aber auch nicht unnötig warten. Das setzt exakte Planung voraus. Und dann sind ja noch viele andere Dinge zu berücksichtigen: das Küchenmanagement, die Personalund Belegungsplanung. Bei allem muss ganz eindeutig der Mensch im Mittelpunkt stehen. Und seine Zufriedenheit. Dass da Qualitätsmanagement hinter steckt, merken die Mütter und Väter im Idealfall gar nicht. Sollte aber doch einmal etwas nicht richtig laufen, zeigt sich das Qualitätsmanagement ganz konkret darin, dass die Patientinnen und Patienten bei einer Beschwerde unmittelbar eine Rückmeldung erhalten, wie damit umgegangen wird und später eine Mitteilung, welche Konsequenzen es hat. Denn natürlich schauen wir ganz genau hin: Woran hat es gelegen? Wie können wir verhindern, dass ein solcher Fehler erneut auftritt. Hat etwas im System nicht gestimmt? War eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter vielleicht überlastet? Unverzichtbares Know-how Die Fortbildung bei der PQ GmbH hat mir wichtiges Know-how vermittelt, das für meine Arbeit als Koordinator in der Einführung des Qualitätsmanagements in unseren Kliniken unverzichtbar ist. D ie PQ GmbH – Paritätische Gesellschaft für Qualität und Management GmbH – wurde 1998 mit dem Ziel gegründet, die bisherigen Beratungs- und Dienstleistungsangebote des Paritätischen um spezielle Angebote im Bereich Qualitätsentwicklung und Qualitätsmanagement für soziale Organisationen zu ergänzen. Dazu wurde eigens das Paritätische Qualitätssystem® (PQ-Sys®) entwickelt, unter dem die einzelnen Dienstleistungsprodukte im Bereich Schulung und Beratung angeboten werden. Die Schulungen orientieren sich an den europaweiten Vorgaben für das QM-Fachpersonal und ermöglichen qualifizierte Abschlüsse zum/zur QMBeauftragten, Qualitätsmanager/-in und externen Auditor/-in. „Das PQ- Aber natürlich muss man sich daneben noch eigenständig einiges anlesen und Praxiserfahrung sammeln. Wichtig ist auch der intensive Austausch mit anderen Beteiligten. Qualitätsmanagement ist eine Gemeinschaftsaufgabe, nichts, was von oben bloß verordnet werden kann. Es lebt ja ganz stark davon, dass im Unternehmen die Beschäftigten mit ins Boot genommen werden, dass sie entsprechende Fortbildungen erhalten, den Prozess aktiv mitgestalten können und auch Verantwortung übernehmen. Und es ist ganz wichtig, mehr Transparenz im Unternehmen zu schaffen, klare Verantwortlichkeiten zu definieren, Abläufe verbindlich festzulegen und die Kommunikationsstrukturen zu optimieren. Das führt auch zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit, die ebenfalls ein wichtiges Ziel des Qualitätsmanagements ist. Zeitlichen Aufwand berücksichtigen Natürlich müssen auch für das Qualitätsmanagement Arbeitszeitressourcen in den Kliniken zur Verfügung gestellt werden. Es ist nicht so leicht, den zeitlichen Aufwand zu bemessen. Das ist ja von Organisation zu Organisation unterschiedlich. Unsere QM-Beauftragen in den Kliniken hatten anfangs acht Stunden in der Woche zur Verfügung. In den meisten Kliniken hat sich der Arbeitsaufwand bis zur Zertifizierung mittler- Sys ermöglicht nicht nur eine ganzheitliche Sicht auf die teilnehmenden Organisationen, sondern setzt auch gezielt darauf, dass diese ihre Tätigkeit selbst bewerten, um so Stärken und Verbesserungspotenziale herauszuarbeiten“, betont Bogumila Szyja, Geschäftsführerin der PQ-GmbH. Neben den internen Prüfungen sind auch externe Zertifizierungen im PQ-Sys® möglich. Sie werden durch die Prüf- und Zertifizierungsgesellschaft SQ Cert GmbH oder durch andere kooperierende Zertifizierungsgesellschaften angeboten. Bei erfolgreicher Zertifizierung wird das Paritätische Qualitäts-Siegel® in vier Stufen verliehen. Nähere Informationen erhalten Interessierte bei: Qualitätsmanagement Qualitätsmanagement ist ein Teil des Managements einer Organsiation zur Steuerung der Qualitätssicherung und -entwicklung. Dabei stehen Kunden (in der sozialen Arbeit vor allem NutzerInnen, Kostenträger, und MitarbeiterInnen) im Mittelpunkt. Ziel ist, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen auf dem erreichten Niveau zu sichern und weiterzuentwickeln. Dabei werden systematisch organisationsbezogene Lernprozesse realisiert. In vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung und der medizinischen Rehabilitation ist die Anwendung des Qualitätsmanagements gesetzlich vorgeschrieben. weile auf eine Vollzeit-Tätigkeit hin entwickelt. Wöchentlich finden in unseren Kliniken Qualitätsmanagement-Zirkel statt, die zwei bis drei Stunden dauern, dann gibt es regelmäßige Gespräche zwischen der Klinikleitung und dem Qualitätsmanagementbeauftragten, Mitarbeiterschulungen und vieles mehr. Qualitätsmanagement klingt für Außenstehende ja trocken, aber es ist eine spannende, abwechslungsreiche Aufgabe. Und man merkt, dass es für das Unternehmen wirklich etwas bringt. PQ GmbH – Paritätische Gesellschaft für Qualität und Management, Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin, Tel.: 030/24636-360, E-Mail: [email protected], www.pq-sys.de. 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 19 Thema An dieser Schule bauen alle mit Einen neuen Weg in der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern geht das Paritätische Bildungswerk in SachsenAnhalt. Es hat in Aschersleben mit der Paritätischen Fachschule für Sozialpädagogik eine ganz besondere Bildungseinrichtung gegründet: An der Gestaltung des Schulkonzepts sind Schülerinnen und Schüler ebenso beteiligt wie Lehrkräfte und Mitgliedsorganisationen des Paritätischen. D ie im November 2010 eröffnete Paritätische Fachschule für Sozialpädagogik ist ein Haus, das alle mitgestalten können, die es nutzen. „Das Fundament und die Wände – also das grundsätzliche Konzept – stehen zwar nicht zur Debatte, aber die Innenraumgestaltung ist sehr flexibel“, sagt Silke Schröder, Geschäftsführerin des Paritätischen Bildungswerks SachsenAnhalt, das in Drübeck seit 1995 bereits die Fachschule für Sozialwesen betreibt, in der HeilerziehungspflegerInnen und HeilpädagogInnen ausgebildet werden. Integrierte Ausbildung „Der steigende Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern hat uns bewogen, unser Bildungsangebot entsprechend zu erweitern“, betont Silke Schröder. Dabei kooperiert das Bildungswerk mit zahlreichen Paritätischen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Hilfe für Menschen mit Behinderungen. Viele Mitgliedsorganisationen des Paritätischen in Sachsen-Anhalt hätten Schwierigkeiten, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, so die Geschäftsführerin des Bildungswerks. „Der Fachkräftemangel ist für sie schon Realität.“ Mit einem attraktiven Ausbildungsgang will das Paritätsche Bildungswerk helfen, diesem Mangel entgegenzuwirken. Eine solche Ausbildung, das war schnell klar, muss eine 20 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 Sie sind begeistert von der Ausbildung an der Paritätischen Fachschule für Sozialpädagogik in Aschersleben (von links) Andrea Klinger, Lorenz Schmidt, Anna Grothe und Susann Prichta vor ihrem Schulgebäude, einer sanierten Villa im Zentrum der beschaulichen Stadt im Salzlandkreis. Foto: Ulrike Bauer. praxisnahe sein. „Viele Träger haben uns berichtet, dass die Absolventinnen und Absolventen von anderen Erzieher-Fachschulen häufig nicht so für die praktische Arbeit qualifiziert sind, wie sie es für notwendig halten“, sagt Diplom-Sozialpädagogin Schröder. Die neue Schule in Aschersleben legt daher einen besonde- A ndrea Klinger (42): Ich war zu DDR-Zeiten Textil-Fachverkäuferin, wollte aber auf dem zweiten Bildungsweg Erzieherin werden. Doch dann kam die Wende und machte meine Pläne erstmal zunichte. Vor ein paar Jahren habe ich einen anderen Weg gefunden, mit Kindern zu arbeiten. Ich mache gerne Handarbeiten und bastle viel. Als Elternbeitrag konnte ich in freien Schulen Handarbeitsstunden geben. Dann habe ich von der Ausbildung hier erfahren und gedacht: Das mache ich. Jetzt fahre ich ren Schwerpunkt auf den Theorie-PraxisTransfer: Während der dreijährigen Ausbildung wechseln sich acht- bis zwölfwöchige Theorie- und Praxisblöcke ab. Das macht die Ausbildung auch interessanter für Quereinsteiger, die beispielsweise aus Handwerksberufen kommen. Die Praxisphasen verbringen die Auszubildenden morgens, bevor ich herkomme, meine neunjährige Tochter und meinen zwölfjährigen Sohn zur Schule und hole sie nach dem Unterricht wieder ab. Zum Glück gehen beide in Ganztagsschulen. Sehr gut finde ich, dass ich meine Praktikumsblöcke in der Schule meines Sohnes machen kann. Ich bin hier als Letzte in die Klasse gekommen und gehöre natürlich zu den Älteren. Den Einstieg habe ich mir viel schwerer vorgestellt als er war. Aber das Lernen ist wirklich sehr auf das Leben abgestimmt. Thema in Einrichtungen Paritätischer Mitgliedsorganisationen: unter anderem in Kindertagesstätten, Horten, Jugendwohnprojekten oder sonderpädgogischen Förderzentren. Deren Träger sind als Kooperationspartner des Paritätischen Bildungswerks in die Gestaltung des Schulkonzepts einbezogen, das immer wieder an neue Erfordernisse angepasst werden soll. „Wir sind eine lernende Organisation“, sagt Schulleiterin Susanne Fliege. In der Konzept-AG entwickeln Lehrkräfte sowie VertreterInnen der 31 kooperierenden Praxispartner gemeinsam mit SchülerInnen Ideen für die Gestaltung des Ausbildungskonzepts und stimmen im Rahmen der staatlich vorgegebenen Richtlinien Lerninhalte ab. Die Fachschule ist zwar eine freie Schule und muss in den ersten drei Jahren komplett S usann Prichta (22): „Ich erlebe die Ausbildung als sehr sinnstiftende Möglichkeit, eine Idee vom Sein des Erziehers zu entwickeln und die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Besonders förderlich ist dabei die Spezialisierung im Bereich der Abenteuer- und Erlebnispädagogik. Parallel dazu wird auf eigenverantwortliches Handeln, kollektives Lernen und die aktive Mitgestaltung der Lerninhalte Wert gelegt. Hier ist eine Schule von Freidenkern für Freidenker entstanden, deren Interaktion von Respekt und Ebenbürtigkeit geprägt ist. Ich bin froh, Teil dessen zu sein, und erlebe jede Theoriephase als Bereicherung meiner Erfahrungswelt.“ Daten & Fakten Die Paritätische Fachschule für Sozialpädagogik ist im November 2010 mit 40 Schülern in zwei Klassen im ersten Ausbildungsjahrgang an den Start gegangen. Seit dem Schuljahr 2011/2012 beginnt die dreijährige Ausbildung für staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher zum 1. Oktober eines Jahres. Das Schulgeld beträgt monatlich 89 Euro. BaFöG oder Meister-BaFöG können beantragt werden. www.fachschule-sozialwesen.de ohne staatliche Fördermittel auskommen. Sie muss aber die selben gesetzlichen Vorgaben wie öffentliche Schulen einhalten, damit der Abschluss staatlich anerkannt wird. Gleichwohl bleibt Spielraum, individuelle Akzente zu setzen, etwa auf Abenteuer- und Erlebnispädagogik, den Schwerpunkt mathematisches und technisches Verständnis in der Frühpädagogik oder bei der Unterrichtsgestaltung. Da wird viel Wert auf selbstverantwortliche Beteiligung der Schülerinnen und Schüler gelegt. Etwas, das für manche gewöhnungsbedürftig ist, wie Schulleiterin Susanne Fliege einräumt. „Wir haben viele Auszubildende, die völlig verschultes Lernen gewohnt sind und sich erst umstellen müssen.“ „Entwicklung auf beiden Seiten“ Auch in den Praxis-Einrichtungen, in denen die Schülerinnen und Schüler sich mit ihrem neu erworbenen Wissen einbringen, führt das Unterrichts-Repertoire der innovativen Schule mitunter zu Spannungen. „Unser pädagogisches Konzept ist sehr stark darauf ausgerichtet zu schauen, was das einzelne Kind kann, die Stärken groß zu machen und die Kinder dabei zu unterstützen, sich selbst zu bilden“, betont Jeannette Quaas, Lehrerin und Koordinatorin an der Fachschule. Diese Haltung sei in vielen Kitas noch nicht so verbreitet. „Hier verstehen wir uns auch als Partner für die Praxis, sich weiterzuentwickeln“, ergänzt Waltraud Kreutzer, ebenfalls Koordinatorin und Lehrerin für Sozialpädagogik und Kommunikation. Und umgekehrt brächten die Schülerinnen und Schüler aus der A nna Grothe (23): Ich habe über die Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (IJGD) von der Erzieherinnenausbildung in Aschersleben erfahren. Beim IJGD habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert und in einer Kindertagesstätte gearbeitet. Danach war ich während meines Soziologie- und Politikwissenschaftsstudiums ehrenamtlich beim IJGD aktiv. Das Studium war mir aber zu trocken. Ich möchte lieber praktisch mit Menschen arbeiten. Hier in der Fachschule fühle ich mich jetzt am richtigen Platz und engagiere mich auch in L orenz Schmidt (20): Ich habe während des Freiwilligen Sozialen Jahres in einer integrativen Grundschule gearbeitet. Es macht mir viel Spaß, Kinder mit Behinderung zu unterstützen. Nach der Ausbildung möchte ich gerne in der 1:1-Betreuung arbeiten. Ich bin einer von insgesamt neun Männern im ersten Jahrgang der Schule. Das ist ein Männeranteil von 20 Prozent. Man merkt schon, dass wir in manchen Dingen eine andere Sichtweise als die Frauen haben. Wir sehen einiges pragmatischer und weniger mütterlich. Daraus resultieren manchmal auch Konflikte, die aber zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Rollenbildern führen. Praxis Impulse für die Schule mit. „Unser Konzept basiert auf der Überzeugung, dass auf beiden Seiten Entwicklung passiert“, sagt BildungswerksGeschäftsführerin Silke Schröder. Zur Harmonisierung dieses Prozesses tragen die Mentorinnen und Mentoren bei, die in den Einrichtungen für die Auszubildenden da sind. Sie werden ebenfalls an der Schule fortgebildet und haben so an deren Ideen teil. Einen Haken gibt es aber: Im Personalschlüssel der Kitas sind für die Mentoren-Tätigkeit bislang keine Kapazitäten vorgesehen, so Silke Schröder. „Hier ist unsere Zusammenarbeit mit dem Paritätischen spannend. Wir hoffen, dass der Verband perspektivisch einen besseren Personalschlüssel ausUlrike Bauer handeln kann.“ der Konzept-AG. Meine Praxisblöcke absolviere ich in einer integrativen Kita. Da gefällt es mir auch sehr gut. Ich finde es toll, dass wir hier in der Schule nicht irgendetwas reingehämmert bekommen, sondern mitentscheiden können, wie der Unterricht gestaltet wird. Und dass wir auch ernst genommen werden, wenn wir Vorschläge machen, wie organisatorisch etwas verbessert werden kann. Hier wird viel Wert darauf gelegt, unterschiedliche Sichtweisen zu tolerieren und die eigene Haltung zu reflektieren. Ich habe das Gefühl: Man wächst hier über sich selbst hinaus. 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 21 Thema „Herausforderungen kreativ angehen“ Paritätische Bundesakademie kooperiert mit Hochschulen Gesellschaftlicher und ökonomischer Wandel stellen den Sozial- und Gesundheitssektor vor große Herausforderungen. Angesichts dessen ist die gezielte Qualifizierung der Führungskräfte sowie der Beschäftigten sozialer Einrichtungen von enormer Bedeutung. Besonders zugeschnitten auf die Anforderungen und Entwicklungen in der Freien Wohlfahrtspflege sind die Angebote der Paritätischen Bundesakademie. Dabei gewinnt die akademische Ausbildung zunehmend an Bedeutung, wie Akademie-Geschäftsführer Professor Dr. Stephan F. Wagner, im Interview erläutert. Herr Professor Wagner, die Paritätische Bundesakademie ist ja schon lange in der Qualifizierung von Führungskräften für die Freie Wohlfahrtspflege aktiv. In den 90erJahren gab es beispielsweise den Geschäftsführerkurs und den Kurs „Führen und leiten“. Anfang dieses Jahrzehnts sind Sie dann in die universitäre Ausbildung eingestiegen. Im Oktober 2000 startete der erste Durchgang des postgradualen Fernstudiengangs Sozialmanagement – ermöglicht durch eine Kooperation mit der Berliner AliceSalomon-Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Wie kam es dazu? Prof. Dr. Stephan Wagner: In sozialen Berufen gibt es seit etwa 30 Jahren einen generellen Zug zur Akademisierung. Das hat auch viel mit der hohen Bewertung akademischer Titel in unserem Kulturkreis zu tun. Ende der 1960er-, Anfang der 70er-Jahre wurden zunächst die Berufsakademien beziehungsweise Höheren Fachschulen für Sozialarbeit in Fachhochschulen umgewandelt. In den 90er Jahren gab es dann einen Schub bei der Akademisierung der Pflegeberufe. Stichwort ist hier das Pflegemanagement. Und dann folgte der Bereich der Erziehung. Bis zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes 1997 war Fort- und Weiterbildung für die Hochschulen eine KannAufgabe. Seitdem ist es eine Pflichtaufgabe. Das bedeutet zugleich: Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen an Hochschulen können auch für ein anschließendes Hochschulstudium anerkannt werden. Das war für viele potenzielle Teilnehmer unserer Kurse verlockend. Vor die Wahl gestellt, für den Rest ihres Lebens eines akademischen Titel zu erwer22 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 ben, oder bei uns eine mehr praxisbezogene Qualifizierung zu absolvieren, haben sich viele für den Titel entschieden. Dadurch ist die Paritätische Akademie unter Druck geraten? Wagner: Ein Stück weit schon. Bei der Ausbildung von Leitungskräften haben wir damals in der Tat Marktanteile verloren. Inzwischen haben wir aber wieder gut aufgeholt. Der von der AliceSalomon-Hochschule zusammen mit uns durchgeführte Masterstudiengang Sozialmanagement ist mit jährlich rund 80 bis 100 Absolventinnen und Absolventen der größte SozialmanagementStudiengang in Deutschland. Jetzt im November hat der zwölfte Master-Studiengang Sozialmanagement mit vier Studiengruppen à 23 Teilnehmenden begonnen. Dieser berufsbegleitende Fernstudiengang mit einer Kombination von Präsenz- und E-Learning-Einheiten sowie dem Gruppencoaching hat sich als Riesen-Erfolg erwiesen. Der Ab- schluss Master of Arts ist ja dem Universitätsabschluss gleichgestellt, ist also eine echte Aufstiegsqualifikation. Außerdem bieten wir in Kooperation mit der Fachhochschule Esslingen und der Paritätischen Akademie Süd in Heidelberg einen Studiengang Sozialwirtschaft für den süddeutschen Raum an. Da werden im Curriculum spezielle Aspekte abgebildet, die so in Norddeutschland keine Rolle spielen, zum Beispiel ein anderes Umfeld bei Wirtschaftsunternehmen. Wie groß ist denn die Konkurrenz der anderen Hochschulen? Wagner: Bundesweit gibt es rund 80 Studiengänge für Sozialmanagement an Hoch- und Fachhochschulen. Die sind alle mehr oder minder gut besetzt, aber weitaus weniger praxisorientiert als unser Studiengang. Obwohl die Fachhochschulen doch immer großen Wert auf den Praxisbezug gelegt haben ... Wagner: Inzwischen sind sie aber sehr bemüht, mit den Hochschulen zu konkurrieren. Viele Fachhochschulen nennen sich auch nur noch Hochschule. Dagegen ist ja auch nichts zu sagen. Was die Hochschulen lehren, ist aber in der Regel acht bis zehn Jahre hinter den aktuellen Praxisentwicklungen her. Das ist ein heftiger Vorwurf. Wagner: ... kein Vorwurf, sondern eine Professor Dr. Stephan F. Wagner Tatsache, die mit dem System zusammenhängt. Hochschulen sind ein System, das auf lange Zeit Wissen ansam- Thema meln soll und nicht ganz aktuell reagieren muss, kann und darf. Können Sie da ein Praxisbeispiel bringen? Wagner: Nehmen wir beispielsweise die Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht. Die meisten unserer Mitgliedsorganisationen sind eingetragene Vereine. Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht können für sie sogar existenzielle Bedeutung haben. Wenn sich da auf gesetzgeberischer Ebene etwas tut, geht das bei unserem Sozialmanagement-Studiengang sofort in die Ausbildung rein. An den anderen Hochschulen, würde ich sagen, ist das eher Glückssache. Es hängt davon ab, ob der oder die Kollegin, die dort den Rechtsbereich vertreten, Spezialisten im Gemeinnützigkeitsrecht sind oder nicht. Durch die Zusammenarbeit mit dem Verband bekommen wir immer sofort mit, was sich auf der Gesetzesebene neu entwickelt und können dies gleich in den Curricula berücksichtigen. Welchen Hintergrund haben denn die Studierenden? Wagner: Viele kommen aus Mitgliedsor- ganisationen des Paritätischen, aber auch aus dem öffentlichen Dienst und den Kollegialverbänden. Da sind sowohl Beschäftige aus Kindertagesstätten, Altenhilfeeinrichtungen und Krankenhäusern dabei als auch aus der Jugendhilfe und der Bundeswehr. Viele sind Leitungskräfte, die sich weiterqualifizieren wollen und diese Qualifikation mit einem akademischen Titel unterlegen möchten. Andere kommen aus der mittleren Leitungsebene und möchten sich auf eine Geschäftsführungstätigkeit vorbereiten. Rund zwei Drittel der Studierenden sind Frauen. Und wer sind die Dozenten? Wagner: Es sind einerseits Professorinnen und Professoren der Alice-SalomonHochschule und anderer Hochschulen im In- und Ausland, jedoch auch akademisch gebildete Praktiker, die eine Lehrbefähigung haben, die aber draußen in der Praxis aktuell in den Themengebieten arbeiten, in denen sie lehren. Zum Beispiel Juristen, die arbeitsrechtlich Mitglieder des Verbandes beraten. Daher haben wir ganz aktuelle Sachen, die eine Hochschule so nicht abgebildet bekommt, wie etwa gesetzliche Änderungen bei den 400-Euro-Jobs. Wir gucken insbesondere, dass die Teile des Curriculums, die zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gestaltet werden, von Referentinnen und Referenten des Verbandes gemacht werden, die aktuell in die Aushandlungsprozesse des Verbandes mit politischen Gremien auf Bundesebene involviert sind. So bekommen wir hier eine Aktualität hin, die mitunter noch vor dem liegt, was die Zeitungen melden. Diese Aktualität und Praxisbezogenheit kann nur in Zusammenarbeit zwischen einer Hochschule und einem Verband produziert werden. Zugleich unterliegen unsere Angebote aber auch der akademischen Kontrolle des Hochschulpartners und entsprechen den Hochschulstandards. Seit September ist die Paritätische Akademie auch Institut für Fort- und Weiterbildung an der Fachhochschule Ottersberg. Welches Ziel streben Sie damit an? Wagner: Die Fachhochschule Ottersberg ist eine Private FH mit einem Ausbildungsschwerpunkt im Bereich Kunst und Therapie. Und sie ist Mitdglied des Paritätischen. Wir haben hier also eine ganz besondere Kooperation zwischen uns, einer Tochter des Paritätischen Gesamtverbandes, und einem Mitglied des Paritätischen Niedersachsen. Das ist ein Meilenstein in der Verknüpfung der verschiedenen Qualifizierungsebenen. Dadurch ergeben sich völlig neue Möglichkeiten, bedarfsgerechte Qualifizierungsangebote aus den unterschiedlichen Erfahrungs- und Interessenlagen heraus zu entwickeln und Fach- und Führungskräfte für die Mitgliedsorganisationen des Verbandes aus- und fortzubilden. Wir können mit dieser Kooperation unser Angebot der Fort- und Weiterbildung unter der akademischen Kontrolle der Hochschule enorm erweitern. Beispielsweise im therapeutischen Bereich, aber auch im Sozialmanagement. Diese Fortbildungen gelten dann zugleich auch als Hochschulkurse, für die es entsprechende Creditpoints gibt, was den Teilnehmenden zusätzliche Perspektiven im akademischen Bereich eröffnet. ... mit welchem konkreten Nutzen für den Verband? Wagner: Ich bin überzeugt: Qualifiziertes Leitungspersonal wird maßgeblich über die Stellung der Sozialwirtschaft in der Zukunft mitentscheiden. Wir werden in den nächsten zehn Jahren im gesamten sozialen Bereich, aber insbesondere in der Erziehung und Kinderpflege Schwierigkeiten haben, ausreichend Fachkräfte zu finden. Umso wichtiger ist es, dass gerade in der Leitung der Einrichtungen in dieser kritischen Phase wirklich gut ausgebildete Leute sitzen, die den gesamten Umbau dieses Bereiches begleiten und gestalten. Diesen Prozess müssen wir als Paritätische Bundesakademie auch mit Fort- und Weiterbildung entsprechend fördern und immer wieder schauen, was wir an neuem Wissen entwickeln können. Das ist eine Aufgabe, der wir uns in Kooperation mit dem Gesamtverband und Universitäten gerne stellen – auch über Landesgrenzen hinweg, wie unsere Zusamenarbeit mit der Donau-Universität Krems im Bereich Kinder- und Jugendhilfe und der Universität Straßburg im Bereich Management zeigt. Unser Credo ist es, auf Herausforderungen nicht mit Angst zu reagieren, sondern sie mit Kreativität anzugehen. Dann macht es den Menschen auch Spaß mitzuziehen. Das Gespräch führte Ulrike Bauer Studienzentrum der Sozialwirtschaft Mit der Akademie der Arbeiterwohlfahrt, der Akademie Helene Simon, betreibt die Paritätische Akademie das Studienzentrum für Sozialwirtschaft. Es vernetzt über Verbands- und Organisationsgrenzen hinweg in Kooperation mit mehreren Universitäten und Fachhochschulen Angebote der Fortund Weiterbildung sowie akademische Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschluss. Dazu gehören Angebote folgender Hochschulen: Leuphana Universität Lüneburg, Alice-Salomon-Hochschule Berlin, Fachhochschule Coburg, Hochschule Esslingen, Fachhochschule Mannheim. 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 23 Sozialpolitik Pflegende Angehörige besser unterstützen Paritätischer Gesamtverband legt Konzept für ein Familienpflegegeld vor Ein Familienpflegegeld – ähnlich dem Elterngeld – könnte es Berufstätigen ermöglichen, die Pflege von Angehörigen besser mit ihrer Erwerbstätigkeit zu vereinbaren. Ein entsprechendes Konzept hat der Paritätische Gesamtverband vorgestellt. Verknüpft werden müsste ein solches Familienpflegegeld mit einem Rechtsanspruch auf eine bis zu drei Jahre dauernde Freistellung von der Erwerbsarbeit. Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, das im Januar 2012 in Kraft treten soll, geht aus Sicht des Verbandes nicht weit genug. D erzeit werden rund 1,6 Millionen pflegebedürftige Menschen ambulant zu Hause betreut. Rund eine Million von ihnen werden von Angehörigen gepflegt. Von diesen Angehörigen ist jede/r zweite berufstätig – ein kräfteraubender Spagat, der den Betroffenen häufig an die Substanz geht, dem Staat aber zugleich Milliarden Euro spart. Gut 2,4 Milliarden Euro würde nach einer Modellrechnung der Paritätischen Forschungsstelle die Einführung des Familienpflegegeldes pro Jahr kosten, wenn man von rund einer Million Angehöriger ausgehe, die Anspruch auf das Familienpflegegeld hätten. „Es ist eine gesamtgesell- 24 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 schaftliche Aufgabe, eine würdige Pflege für alle Menschen sicherzustellen“, betont Dr. Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes. Dementsprechend müsse die Leistung pflegender Angehöriger besser gewürdigt und das Familienpflegegeld aus Steuermitteln finanziert werden. Obergrenze bei 1.800 Euro „Es ist nicht einzusehen, dass pflegende Angehörige deutlich schlechter gestellt werden als Mütter und Väter, die einen Anspruch auf Elterngeld haben“, so Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. Ebenso wie junge Eltern sollen pflegende An- gehörige, die im Berufsleben aussetzen, um ihre alten Eltern oder andere nahe Angehörige zu pflegen, 65 bis 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens als Lohnersatzleistung erhalten. Die Obergrenze soll bei 1.800 Euro liegen. Auch ein Mindestfamilienpflegegeld hat der Verband in seinem Konzept festgelegt: Es soll sich am Pflegegeld orientieren. Das Mindestfamilienpflegegeld würde demnach für die Pflegestufe I 300 Euro betragen, bei Pflegestufe II 440 Euro und in Pflegestufe III 700 Euro. Pflegende Angehörige können neben dem Familienpflegegeld zur Unterstützung auch Leistungen ambulanter Pflegedienste in Anspruch nehmen. Die Sozialpolitik Leistungen der ambulanten Pflege liegen in diesen Fällen bei 50 Prozent des Sachleistungsbetrages bei ambulanter Pflege. Nicht vom guten Willen abhängig Eine Einwilligung des Arbeitgebers zur beruflichen Auszeit oder zur Reduzierung der Arbeitszeit soll nicht nötig sein. Pflegende Angehörige sollen darauf – anders als im Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin Schröder (CDU) vorgesehen – einen Rechtsanspruch haben. Der Entwurf sieht vor, dass pflegende Angehörige ihre Arbeitszeit bis zu zwei Jahre um 50 Prozent reduzieren können. Während dieser Zeit sollen sie 75 Prozent ihres letzten Gehalts beziehen. Nach zwei Jahren müssen sie wieder zur regulären Arbeitszeit zurückkehren, erhalten aber weiterhin drei Viertel ihres früheren Arbeitsentgelts – so lange, bis die Zeit wieder hereingearbeitet ist, die sie während der Pflegephase dem Unternehmen nicht zur Verfügung standen. „Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den nächsten Jahren enorm steigen. Pflege wird irgendwann so normal sein wie die Erziehung von Kindern“, betont Schneider. Pflegebedürftige Angehörige neben dem Beruf zu betreuen bringe viele Betroffene jedoch an den Rand ihrer Kräfte. „Nicht wenige werden so krank, dass sie ihre Stelle verlieren“, so der Hauptgeschäftsführer. „Es ist unfair und zynisch, die Menschen mit dieser Situation alleine zu lassen.“ Berufstätige, die ihre Angehörigen pflegen wollten oder müssten, bräuchten dringend bessere Unterstützung. Was die Ministerin plane, reiche nicht aus – weder vom zeitlichen Rahmen her noch im Hinblick auf die finanzielle Absicherung. Die im Paritätischen Konzept vorgesehene Begrenzung der Pflegezeit auf drei Jahre bezeichnete Schneider als Kompromiss angesichts der Tatsache, dass die durchschnittliche Pflegezeit von Familienmitgliedern acht Jahre betrage. Das detaillierte Papier des Paritätischen finden Interessierte auf www. paritaet.org unter Veröffentlichungen. Hartz-IV-Regelsatz: Zehn Euro mehr reichen nicht Der Paritätische Gesamtverband hält die von der Bundesregierung für Januar 2012 angekündigte Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes für völlig unzureichend. „Auch eine Anhebung um zehn Euro macht die Hartz-IV-Regelsätze nicht verfassungsfester“, sagte Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. Nach Berechnungen des Verbandes müsste der Regelsatz für Erwachsene mindestens 416 Euro statt 364 Euro betragen, um bedarfsgerecht zu sein und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu genügen. Die derzeitigen Regelsätze habe die Bundesregierung künstlich kleingerechnet, kritisierte Schneider. Insbesondere die Leistungen für Kinder und Jugendliche gingen an der Lebensrealität eklatant vorbei und müssten grundlegend neugestaltet werden. Anzeige Jetzt Rezept einsenden und Bonus sichern! 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D as parteiübergreifende Bündnis warnte vor einer Spaltung des Arbeitsmarktes durch die Instrumentenreform im SGB II. „Was wir aktuell erleben ist eine Zwei-KlassenArbeitsmarktpolitik, die den langfristigen Zusammenhalt dieser Gesellschaft zunehmend aus den Augen verliert“, sagte Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. Auf der Strecke blieben dabei Langzeitarbeitslose und schwer vermittelbare Personen, darunter viele Menschen ohne Ausbildung, Men- schen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen, ältere Arbeitslose oder benachteiligte Jugendliche. Mit dem neuen Gesetz besiegele die Bundesregierung den schleichenden Tod der Hilfen für Langzeitarbeitslose. Sinnloses Kürzungsprogramm Was als Instrumentenreform bezeichnet werde, sei in Wirklichkeit ein „Kürzungsprogramm ohne Sinn und Verstand“, kritisiert Annelie Buntenbach vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerk- „Bildungspaket ist gescheitert“ D as „Bildungs- und Teilhabepaket“ für Kinder aus HartzIV-Haushalten ist aus Sicht des Paritätischen Gesamtverbandes gescheitert. Wenn mehr als ein halbes Jahr nach Inkrafttreten erst für ein gutes Drittel der anspruchsberechtigten Kinder Anträge vorlägen, könne man nicht mehr von Anlaufschwierigkeiten reden, betonte Dr. Ulrich Schneider, HauptgeschäftsführerdesParitätischen. „Das Bildungs- und Teilhabepaket ist im Praxistest mit Bausch und Bogen durchgefallen. Es geht mit seinem Gutscheinsystem sowohl an den Notwendigkeiten einer effizienten Verwaltung als auch an den Lebensrealitäten der Menschen völlig vorbei“, kritisierte Schneider. „Die Ministerin sollte den Mut haben, endlich die Reißleine zu ziehen.“ Mit dem Versuch, an der Jugendhilfe und der Bildungskompetenz der Länder vorbei Bildung und Teilhabe zu 26 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 organisieren, habe sich Ursula von der Leyen verrannt, so der Verband. „Mit kleinkarierten Gutscheinsystemen, komplizierten Zuständigkeitsregelungen und verwaltungsaufwendigen Abrechnungsverfahren ist den Menschen nicht geholfen. Wir brauchen einfache und intelligente Lösungen.“ Bildung gehöre an die Schulen, Kultur, Sport und Geselligkeit sei Sache der örtlichen Jugendhilfe und die Sicherung des Existenzminimums liege in der Verantwortung des Bundes, so Schneider. Statt umständlicher Gutscheinsysteme und Abrechnungsmodalitäten fordert der Paritätische Familienpässe, die den kostenlosen Zugang für Kinder aus einkommensschwachen Familien zu Angeboten wie Sport oder Musik sicherstellen. Die Zuständigkeit für die Lernförderung sollte fest in den Aufgabenkatalog der Schulen aufgenommen werden. schaftsbundes. Dabei vergebe die Bundesregierung die Chancen, die die verbesserte Arbeitsmarktsituation für diejenigen bedeuten könnte, die draußen stehen. „Gerade jetzt brauchen wir eine Arbeitsmarktpolitik für alle, die ganz bewusst der Spaltung am Arbeitsmarkt entgegenwirkt. Die zurzeit günstige Entwicklung muss genutzt werden, um den Teufelskreis aus niedriger Qualifikation, prekärer Beschäftigung, geringer Bezahlung und erneuter Arbeitslosigkeit zu durchbrechen“, forderte Buntenbach. Sparbeschlüsse zurücknehmen Die Unterzeichner des Appells, der im September Bundesarbeitsministerin von der Leyen und dem Bundestagausschuss für Arbeit und Soziales übergeben wurde, fordern: die Rücknahme der Sparbeschlüsse in der Arbeitsmarktpolitik, den Ausbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsangebote für Langzeitarbeitslose sowie die rechtliche und finanzielle Absicherung von Beschäftigungsunternehmen, Fort- und Weiterbildungsträgern. Zu dem Bündnis gehören Fachleute aus Gewerkschaften, aus allen Wohlfahrtsverbänden, aus Sozialverbänden wie dem VdK und der Volkssolidarität, Behindertenverbänden wie der Lebenshilfe und dem Blindenverband. Hochschullehrer unterstützen es ebenso wie Praktiker aus Jobcentern und Beschäftigungsunternehmen, viele Kommunalpolitiker sowie zahlreiche Mitglieder des Bundestages oder Persönlichkeiten, die auf Länderebene Verantwortung tragen wie Hannelore Kraft oder Klaus Wowereit. Mehr zum Appell steht auf www.arbeitsmarktpolitik-fuer-alle.de. Sozialpolitik Reform der Pflegeversicherung verschoben A ls Offenbarungseid hat der Paritätische Gesamtverband die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bezeichnet, bis auf Weiteres kein eigenes Konzept zur Pflegereform vorzulegen. „Es wäre ein Skandal, wenn die Bundesregierung die Pflegereform ein weiteres Mal auf die lange Bank schiebt“, so Dr. Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes. „Zwei Millionen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen haben keine Zeit mehr zu verlieren. Die Menschen brauchen jetzt Unterstützung und Entlastung und können nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet werden.“ Insbesondere dürfe die grundlegende Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht länger verzögert werden. Dabei gehe es nicht nur um die aktuelle pflegerische Versorgung, sondern auch um die zukünftige Pflege in Würde für alle Menschen. Über den inhaltlichen Korrekturbedarf seien sich alle Experten seit Jahren einig. An der Frage der Finanzierung dürfe es jetzt nicht scheitern, mahnte Jüttner. Der Verband begrüßt das von CSU-Chef Seehofer vorgeschlagene Modell eines Bundespflegeleistungsgesetzes als zielführenden und einzigen sozialverträglichen Vorschlag zur Pflegefinanzierung aus Koalitionsreihen. Um die Pflegeversicherung langfristig auf eine solide finanzielle Basis zu stellen, plädiert der Paritätische zudem für einen Ausbau der Pflegeversicherung zu einer solidarischen Bürgerversicherung. Bemessungsgrundlage wären dabei nicht nur die Löhne, sondern auch andere Einkünfte, wie Kapital- oder Mieterträge. Bundesgesundheitsminister Bahr wollte die Eckepunkte zur Reform der Pflegeversicherung ursprünglich am 23. September vorstellen, kündigte jedoch laut Medienberichten wenige Tage zuvor an, derzeit sei ein Kompromiss zum Thema Pflege in der Koalition nicht möglich. Bahr selbst sprach sich für die Einführung einer verpflichtenden privaten Zu- satzvorsorge in der Pflegeversicherung aus. Dies ist jedoch weder für den Paritätischen noch für den Sozialverband VdK akzeptabel. „Das Recht auf gute Pflege darf nicht von den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen abhängen“, so VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Die Volkssolidarität setzt sich ebenfalls für eine Bürgerversicherung in der Pflege ein. Ihr Präsident, Professor Gunnar Winkler, betonte: „Die Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft für die Pflege können und müssen solidarisch bewältigt werden.“ Als erster Schritt stehe ein Risikostruktur- und Finanzausgleich zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung an. „Es kann nicht sein, dass die private Pflegeversicherung weiter Überschüsse in Milliardenhöhe ansammelt, während über die soziale Pflegeversicherung bei knappen Finanzen weit über 90 Prozent der Versorgungsaufgaben erbracht werden müssen.“ Anzeige Wir bringen Licht ins Dunkel. Zum Beispiel beim Fundraising. Das neue BFS-Net.Tool XXL für das InternetFundraising. Mehr brauchen Sie nicht. 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D ie Bildungsbeteiligung und das Bildungsniveau aller Jugendlichen in Deutschland seien zwar nach Zahlen des Statistischen Bundesamts insgesamt gestiegen, der Abstand zwischen den Schülern mit und ohne Migrationshintergrund sei jedoch in den vergangenen Jahren noch größer geworden, betonte Tshikudi Londji, der Sprecher des Forums. „Während jeder dritte deutsche Schüler das Abitur macht, ist es von den Jugendlichen mit Migrationshintergrund gerade einmal jeder Zehnte. Diese Kluft ist Ausdruck jahrzentelanger bildungspolitischer Versäumnisse und muss endlich überwunden werden.“ Die drastische Benachteiligung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen setze sich an den Hochschulen und auf dem Arbeitsmarkt verschärft fort. Gemeinsamer Einsatz für Bildungsgerechtigkeit Das Forum fordert die interkulturelle Öffnung der Schulen sowie eine weitreichende Vernetzung mit außerschu- lischen Partnern wie Migrantenorganisationen, Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit. „Politik, Schulen und Eltern sind gemeinsam gefordert, sich vor Ort für mehr Bildungsgerechtigkeit zu engagieren“, so Londji. Wichtig sei insbesondere, dass die Erfahrungen der Migrantinnen und Migranten selbst endlich stärker berücksichtigt werden. Für den individuellen Bildungserfolg der Kinder sei auch die Beteiligung von deren Eltern ganz wesentlich. Initiative „AB In die Zukunft“ Das Forum hat 2010 die Initiative „AB In die Zukunft“ gestartet. Ziel der Aktion unter Schirmherrschaft von Bundesbildungsministerin Annette Schavan ist es, den Anteil junger Menschen mit Migrationshintergrund, die das Abitur erwerben und studieren, zu erhöhen. Während der Interkulturellen Woche veranstaltete die Initiative eine Bildungswoche unter der Überschrift „Deine Stimme ist gefragt“. Sowohl Jugendliche als auch Eltern mit Migrationshintergrund waren bundesweit dazu aufgerufen, sich mit eigenen Aktionen zum The- ma Bildung zu Wort melden. Es gab Diskussionsrunden, Informationsveranstaltungen und Tage der offenen Tür. Preisträger des Videowettbewerbs Bei Jugendlichen kam besonders gut der Videowettbewerb zum Titelthema „Deine Stimme ist gefragt“ an. Den ersten Platz errang der Integrationsverein Leipzig, Brücke der Kulturen e. V. mit einem witzigen Beitrag zur Berufswahl, der dafür plädiert, die eigenen Neigungen und Interessen nicht aus dem Auge zu verlieren. In der Hauptrolle ist Diana Vachtchenko zu sehen (rechtes Foto). Infos zum Verein gibt es auf www.m-ost.eu. Auf Platz zwei kam die Ruhrwerkstatt, Kultur – Arbeit im Revier e.V. mit einem Musikvideo mit dem Titel „Blick in die Zukunft“ Mitwirkende: Marko Arnold, Tanja Akgündüz, Aziz Sausan, Kamein Senada, Ugur Artunc Kazan und Seiver Ajadari (linkes Foto). Internet-Präsenz: www.ruhrwerkstatt.de. Als Preise erhielten die Gewinner Geldprämien in Höhe von 900 beziehungsweise 600 Euro, eine Einladung zur Preisverleihung nach Berlin und einen besonderen Rundgang durch den Bezirk Neukölln. Die Spots sind zu sehen auf der Internetseite www.abindiezukunft.de. Dort finden Interessierte auch nähere Informationen zur Bildungsinitiative „AB In die Zukunft“. red 28 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 Anzeige Sozialpolitik Zahnbehandlung bei Menschen mit Behinderung liegt im Argen Aktionsbündnis fordert gesetzliche Regelung Als Unterstützer des Aktionsbündnisses „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ setzt sich der Paritätische Gesamtverband für eine bessere zahnmedizinische Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung ein. Der Verband hat Missstände bei der gesundheitlichen Versorgung behinderter Menschen zudem auch in seiner Stellungnahme zum geplanten Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung kritisiert. D ie zahnmedizinische Betreuung von Menschen mit Behinderung ist in unserem derzeitigen Versorgungssystem völlig unzureichend“, kritisiert Dr. Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes. Er ist Mitunterzeichner eines gemeinsamen Briefes, den führende Vertreter der Zahnmedizin und der Interessenvertretungen pflegebedürftiger und behinderter Menschen unter anderem an das Gesundheitsministerium sowie Mitglieder des Bundestagsausschusses für Gesundheit und den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen geschickt haben. Sie appellieren an die Politik, endlich gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die es ermöglichen, Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung die notwendige zahnmedizinische Versorgung zukommen zu lassen. Konzept vorgelegt „Eine steigende Zahl von Menschen kann aufgrund von Pflegebedürftigkeit oder Behinderung zahnärztliche Praxen entweder gar nicht oder nicht selbstständig aufsuchen“, erklärt Jüttner. „Diese Menschen benötigen für den Zahnarztbesuch entweder Begleitung und oft auch besondere Transportmöglichkeiten – oder der Arzt beziehungsweise die Ärztin muss zu ihnen kommen. Auch das erfordert jedoch einen zusätzlichen organisatorischen und apparativen Aufwand sowie personelle Kapazitäten, die derzeit im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht ausreichend berücksichtigt sind.“ Viele Betroffene blieben daher unversorgt. Auch die Prävention von Zahn- und Zahnfleischerkrankungen, so Humanmediziner Dr. Eberhard Jüttner, sei unbefriedigend geregelt. Die Zahnärzteschaft habe bereits im Juni 2010 gemeinsam mit der Wissenschaft unter dem Titel „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ ein Konzept zur vertragszahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen vorgelegt, heißt es in dem Schreiben des Aktionsbündnisses. Die Probleme der zahnärztlichen Versorgung dieser Menschen seien lange bekannt und durch zahlreiche Studien belegt. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen habe die unzureichende zahnmedizinische Versorgung dieser Patientengruppen thematisiert. Verbesserungen blieben jedoch aus. Anspruch im SGB V festschreiben Das Aktionsbündnis hält es für dringend erforderlich, im Sozialgesetzbuch V den Anspruch pflegebedürftiger und behinderter Menschen auf notwendige zahnmedizinische und präventive Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung zu verankern. Mit der weiteren Ausgestaltung dieses Anspruches könne der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt werden. Zum Aktionsbündnis gehören neben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, der Bundeszahnärztekammer und dem Paritätischen Gesamtverband unter anderem der Bundesverband für körperund mehrfachbehinderte Menschen, der Deutsche Pflegeverband und die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland. 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 29 Betriebswirtschaft • Interimsgeschäftsführung & Interimsmanagement • Machbarkeitsstudien • Krisenintervention Investive Projektentwicklung • Fördermittelberatung • Finanzierungskonzepte • Baukostencontrolling Personalentwicklung • Mitarbeiterbindung • Führungskräfteentwicklung • Personalsuche und Auswahl Standorte in Freiburg, Witten und Hannover. 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M 1U 1. 1. .SOJC ` des Verbandes erfüllt nur eine Minderheit der Rentnerinnen und Rent- 1U 1. 1. .SOJC ` ner alle Kriterien für die in Aussicht gestellte „Zuschuss-Rente“. 1, 1. 1. -.OJC ` 1, 1. 1. -.OJC ` 1. 1- 1- -QOJC ` 1, 1- 1- -QOJC ` 1, 1- 1- -QOJC ` 11 1- 1- -QOJC ` 1, 1- 1- ,,OJC ` /2 /2 /2 ,,OJC ` /,J- /.J- /.J- S/OJC ` /,J- /.J- /.J- S/OJC ` /, /, /, ,,OJC ` Leyen (CDU) zur Reform der Rente bezeichnet. Nach Einschätzung X*3K$H d)c)+* 1O22 # VEG'$ACA#I[$ 3)++&aPV!FPV&a eYD =EA' 72 Z$*!2\A"$*^$ MV* _VK$!+*3)++*3**)Kc BIIP : XI)K$ ]3R!* )K$ 93&RV!D)Kc BD"+*3PC7!VFJ X)KDV+! [I* I$!D _!*3PPV&J cYP*Vc eYD ;3)e(!D*Dgc! 5V+ /2L21L1O22 S$AN$@@$A+$ 7EG'[+[EG$G !WA 5$G@0\$G I[+ ]$\[G'$A*G^ *I /6E >D)K$P3c! V+* !VK b!aVK$!D*!K3)+'!V+J $!D !VK! b!aVK$!D)Kc cD6F!DNcP!V&a -O8 b!aVK$!D)Kc $IR)M!K*V!D*L @VK! ?3aDf!)cf)P3++)Kc 3)e _VK$!DTgaDVc! V+* M6cPV&aL =EA' 72 QE0\$G T N[@ -1H1/H/K11B =EA' 72 _IN[$G+$ I[+ 7L[I22GL2^$B 2J1P A)D3*!& -2 R7 \,Q ]XZ _*@@+2++*G^D ! /CWYD!D ! [3$VINBA ! 7L[I22GL2^$ ! 4!K*D3P(!DDV!c!P)Kc ! )L(LML XA$[@ !WA 5[+2AN$[+$AD 2N M XA$[@ !WA >[GA[0\+*G^$GD 2N ,HP/KF? F? dPP! 3Kc!c!5!K!K ]D!V+! +VK$ bD)**IGD!V+! VKRPL $!D c!+!*fPV&a!K _!aD'!D* dKeD3c!K DV&a*!K XV! 5V**! 3KH 2G!A2^$RC2A[+2$+82*+E\2*@?N2%$AH'$ _*+E\2*@ ]2%$A ;IN: 7!VKa!VM!D 93K$+*DL // --1/1 dPf!" W!P!eIK \O,U/2Z Q, 12CO W!P!e3% \O,U/2Z Q, 12CU- (((H!EA'?N2%$AH'$ ;$@0\W+"+$A YGL[G$ 3*^2G^ <QE\L!2\A+9 \++CDJJ!EA'?N2%$AH'$J(E\L!2\A+ b!3K*D3c!K XV! <aD!K C$A@4GL[0\$G 3*^2G^E A3MV* !Da3P*!K XV! D!c!PMgFVc <KeIDM3*VIK!K f) XIK$!DC MI$!PP!K )K$ 3R*)!PP!K ;IK$V*VIK!KL D ie Ministerin streue den Bürgerinnen und Bürgern mit ihren Plänen für eine Zuschuss-Rente Sand in die Augen, kritisierte Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. „Sie sind in keiner Weise geeignet, das gewaltige Problem der auf uns zurollenden Altersarmut auch nur im Ansatz zu lösen.“ Der Verband rechnet mit einem Anstieg der Altersarmut in den nächsten Jahren auf über zehn Prozent. 2025 werden seinen Schätzungen zufolge rund zwei Millionen RentnerInnen auf Grundsicherung im Alter angewiesen sein. Besonders bedroht seien die 6,5 Millionen Beschäftigten im Niedriglohnbereich und damit jeder fünfte Erwerbstätige. „Wer dauerhaft im Niedriglohnbereich arbeitet, wird selbst bei erwerbslebenslanger Vollzeitbeschäftigung keine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus erhalten“, so Schneider. „Altersarmut wird ein Massenproblem, wenn nicht jetzt politisch gegengesteuert wird.“ Zu hohe Hürden Die Vorschläge des Bundesarbeitsministeriums für eine weitgehend kostenneutrale MiniRenten-Reform seien vor diesem Hintergrund eine Farce. Die Voraussetzungen für den Bezug der geplanten „Zuschuss-Rente“ in 30 www.der-paritaetische.de Höhe von 850 Euro seien derart eng formuliert, dass diese im ersten Jahr (2013) nur 17.000 Menschen in Anspruch nehmen könnten. Voraussetzung soll sein, dass die Empfänger 45 Jahre lang gesetzlich versichert waren, 30 Beitragsjahre vorweisen können und mindestens fünf Jahre in eine Riester-Rente eingezahlt haben. Scharf kritisiert der Verband insbesondere die geplanten Bedarfsprüfungen. „Langjährig Versicherte müssen existenzsichernde Ansprüche erwerben und dürfen nicht auf Almosen verwiesen werden. Das ist auch eine Frage des Respekts vor der Lebensleistung eines Menschen. Alles andere würde die Rentenversicherung als Pflichtversicherung ad absurdum führen“, so Schneider. „Wir müssen über Mindestrentensysteme nachdenken und brauchen eine rigorose Reform der Grundsicherung im Alter, sodass man von den Regelsätzen tatsächlich leben kann.“ Auch der Sozialverband VdK hält das von Ursula von der Leyen vorgestellte Konzept für ungeeignet, um der Altersarmut wirksam zu begegnen. Er fordert unter anderem, wieder die „Rente nach Mindesteinkommen“ einzuführen, bei der niedrige Beiträge höher bewertet werden, und die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten aufzuheben. 5 | 2011 Verbandsrundschau Heilige Männer zieren die Weihnachtspost Z wei Heilige zieren dieses Jahr die Weihnachtsbriefmarken des Sozialwerks Wohlfahrtsmarken: St. Martin und St. Nikolaus. Beide symbolisieren die weihnachtlichen Tradition des Teilens und Schenkens und gelten als Vorboten des Christfestes. Die Darstellung von St. Martin zeigt den Ausschnitt eines Kirchenfensters der Pfarrkirche St. Martin in Nettersheim/Eifel. Diese Marke hat einen Wert von 45 Cent plus 20 Cent Zuschlag. St. Nikolaus ist in einem Ausschnitt eines Kirchenfensters der Pfarrkirche St. Nikolaus in Rheurdt/Niederrhein zu sehen (Wert: 55 + 25 Cent). Beide Marken – es gibt sie auch im 10erBogen – sind echte Hingucker für die Weihnachtspost und dienen darüber hinaus einem guten Zweck. Der Erlös der durch den Verkauf der Zuschlagsmarken erzielt wird, kommt der sozialen Arbeit zugute. Erhältlich sind die Weihnachtsmarken im Vertriebszentrum für Wohlfahrtsmarken des Paritätischen Gesamtverbandes, Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin, Kostenfreie Servicenummer: 0800/9645324, Fax: 030/24636-460, E-Mail: wohlfahrtsmarken@ paritaet.org. Die Zusendung erfolgt an Werktagen versandkostenfrei binnen 24 Stunden. www.sozialzentrale.de kommt an E in halbes Jahr nach dem Start ist klar: Mit seiner neuen Internetplattform www.sozialzentrale.de hat der Paritätische Gesamtverband einen Treffer gelandet. Der Kreis der Nutzerinnen und Nutzer, die das virtuelle Netzwerk mit Leben füllen, bewegt sich auf die Tausender-Marke zu. Fast 100 Gruppen wurden eingerichtet. Sie sind das zentrale Kommunikations-element der SozialZentrale. Denn dort steht nicht die Selbstdarstellung Einzelner im Mittelpunkt, sondern die Vernetzung und die Kommunikation in Gruppen. Bunte Vielfalt Die Themen, die hier diskutiert werden, sind so vielfältig wie der Verband, die Mitgliedsorganisationen und die Menschen, die diese tragen: Das Spektrum reicht von der Arbeitsmarktpolitik über den neuen Bundesfreiwilligendienst und die Fachkräftegewinnung bis zur Inklu- sion von Menschen mit Behinderungen. Es gibt die Gruppe der Juristinnen und Juristen im Paritätischen, aber auch die der begeisterten FotografInnen, die ihre Aufnahmen präsentieren. Jeder kann die SozialZentale mitgestalten und weitere thematische Gruppen gründen. Man kann Text, Bild, Audio- oder Videoinformationen einstellen, Termine veröffentlichen, aktuelle Fragen diskutieren oder einfach nur mitlesen. Neue Chat-Möglichkeit „Ganz neu ist die Möglichkeit für befreundete User, direkt miteinander zu chatten“, sagt Martin Wißkirchen, Leiter Information und Kommunikation beim Paritätischen Gesamtverband. Zudem wird in regelmäßigen Abständen eine Helpline aktiv geschaltet, in der im Rahmen eines Gruppenchats Fragen rund um die SozialZentrale und deren Nutzung diskutiert werden. „Wer Hilfe braucht, ist hier an der richtigen Stelle“, so Wißkirchen, der die SozialZentrale federführend betreut und für die Weiterentwicklung zuständig ist. (Fortsetzung auf der nächsten Seite) 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 31 Verbandsrundschau Einfacher Einstieg Der Einstieg in die SozialZentrale ist unkompliziert. Für die Registrierung ist nur eine gültige E-Mail-Adresse nötig. Man bekommt ein Passwort zugeschickt, kann sich einloggen – und los Anzeige geht‘s. Ergänzende Angaben zur eigenen Person sind freiwillig, lassen sich jederzeit bearbeiten oder aber restlos löschen. Im Unterschied zu anderen Netzwerken sind die Datenschutz-Voreinstellungen in der SozialZentrale strikt im Sinne der Nutzer getroffen. Das heißt, jeder und jede entscheidet selbst, wann und für wen er oder sie welche Details seines Profils überhaupt sichtbar macht. „Uns ist es wichtig, dass jeder Nutzer jederzeit die Kontrolle behält über das, was er schreibt und was er mitteilen will“, betont Martin Wißkirchen. „Wer die SozialZentrale zum Beispiel für den sensiblen Erfahrungsaustausch im Rahmen einer Selbsthilfegruppe nutzen will, kann eine ‚versteckte Gruppe‘ einrichten. Diese ist für Nicht-Gruppenmitglieder nicht sichtbar, sodass die Anonymität von Gruppe und Gruppenmitgliedern jederzeit gewahrt bleibt.“ Erst Bundeswehr, dann soziale Arbeit! Der Paritätische auf der Berufsmesse für Soldaten (%97;9#3<#71%9?A<& ?3<&%7C 3<& QA<&%7#%$69&%94%9 )<4%9<%"=%< %B (B 3 +!+2%, $&-,04,&2 '+/)# .&,/"&.4")#& *4,&/-(&/-1/$+2$ =!4 A?7'"Q377S;74%<$9%!%< *A9!$%< 2!9%S41%97!'"%93<# (5I) 2!% 7!<<1;QQ% O9#><K3<# K39 #%7%4KC Q!'"%< -%<4% "%!F4 (5I)B J"9% E3C 7A4K1%97;9#3<# ;"<% L%73<&"%!47C '"%'SD L%?0"9%< P /9;1!7!;<%<B O<4#%Q43=NA<&Q3<# != (5I) H%"9 (;97;9#%< 3<& &A?%! ,4%3C %9< 7:A9%<B G34K%< ,!% &!% H6#Q!'"C S%!4%< &%9 ?%49!%?Q!'"%< 8Q4%971%9C 7;9#3<#B (5I) -!%74%9-%<4% G34K%< ,!% $09 J"9% 8Q4%971%97;9C #3<# %!<% &%9 "6'"74%< 74AA4Q!'"%< M69&%9=6#Q!'"S%!4%< =!4 %!<%9 .3;4% 1;< ?!7 K3 T@ RB )<4%97404K3<#7SA77% (5I) 89?%!4#%?%9?%!49>#% 74%3%9C P 7;K!AQ1%97!'"%93<#7$9%! %!<KA"Q%<B 5%! &%9 O9N%!4%93<# J"9%9 E37A4KC 1%97;9#3<# "!Q$4 &%9 89?%!4#%?%9B NNNB1?Q3B&% 32 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 D er Fachkräftemangel macht erfinderisch: Einen zunächst ungewöhnlich wirkenden Weg der Personalakquise ging im September der Paritätische Gesamtverband. Gemeinsam mit Vertreterinnen der Paritätischen Bundesakademie und des Landesverbandes Berlin stellten die Fachreferate Pflege, Familie, Frauen und Kinder sowie das Paritätische Kompetenzzentrum Fachkräftegewinnung die Freie Wohlfahrtspflege als potenziellen Arbeitgeber vor – bei einer Berufsmesse in der Berliner Julius-Leber-Kaserne. „Wir haben erfahren, dass insbesondere die Frauen, die sich bei der Bundeswehr verpflichten, häufig eine Erstausbildung im medizinischen oder pflegerischen Bereich haben“, sagt Marlis Kawohl vom Kompetenzzentrum Fachkräftegewinnung. Viele hätten ihre Entscheidung, zur Bundeswehr zu gehen, damit begründet, dass sie ihren Erfahrungshorizont erweitern und Auslandserfahrung sammeln wollten. Bundeswehreigene Erzieherschulen Die Bundeswehr ermöglicht den Zeitsoldatinnen und -soldaten unter anderem, eine der bundeswehreigenen Erzieherschulen in Berlin, Hamburg oder Süddeutschland zu besuchen. Ein Angebot, das auch männliche Soldaten annehmen, die dabei häufig erlebnispädagogische Erfahrungen sammeln. „Sind diese gepaart mit anderen notwendigen Qualifikationen, könnten sie eine gute Zugangsvoraussetzung zum Beispiel für die Jugendarbeit sein“, so Marlis Kawohl. Die Bundeswehr beschäftige sich sehr konkret mit der Frage, was ZeitsoldatInnen beruflich nach ihrer Dienstzeit machen möchten und welche Qualifikationen sie dafür benötigen. Zuständig ist dafür der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr mit dem der Paritätische bereits ins Gespräch gekommen ist. Dabei erfuhr der Verband, dass sich die Soldatinnen und Soldaten zunehmend für Tätigkeiten in der sozialen Arbeit interessieren, wie etwa in der Altenpflege. Einige bringen dafür sogar bereits eine entsprechende Ausbildung beziehungsweise einen verwandten Berufsabschluss (beispielsweise als SanitäterInnen) mit, der noch um zusätzliche Qualifikationen ergänzt werden müsste. Perspektiven in sozialen Berufen Häufig äußerten die Soldaten den Wunsch, in ihre früheren Heimatorte zurückzukehren, die nicht selten in strukturschwachen Regionen liegen, in denen meist auch Fachkräfte fehlen. Marlis Kawohl: „Es gibt bei der Bundeswehr viele gut ausgebildete Kräfte, die mit ihren Kompetenzen in Berufen der sozialen Arbeit sehr gut einsetzbar sind.“ Forum Hunde erschnüffeln Krebs Klinik Schillerhöhe berichtet von erfolgreicher Studie Hunde können Krebs erschnüffeln. Das haben Wissenschaftler der Klinik Schillerhöhe, einem Standort des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhauses, nachgewiesen. Die F ür seine Studie sammelte das Forscher-Team der Schillerhöhe Atemproben von 220 Probanden, darunter Lungenkrebs-PatientInnen, gesunde Personen und Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Die vier Hunde, die für die Tests speziell trainiert wurden, erkannten mit einer Trefferquote von 72 Prozent die Proben der Lungenkrebskranken, heißt es in einer Mitteilung der Klinik. Das Ergebnis bestätige die Annahme, dass Lungenkrebs spezielle organische Verbindungen produziert, die in der Atemluft analysiert werden können. Durch zahlreiche Tests und Ausschlußverfahren sei sichergestellt worden, dass die Hunde tatsächlich diese organischen Verbindungen rochen und sich nicht von Zigarettenrauch, Essensgerüchen, Medikamenten oder anderen Erkrankungen beeinflussen ließen. Im Verlauf der Studie erkannten die Hunde gleichermaßen Proben von Patienten und Patientinnen, deren Tumore sich noch in einem früheren Stadium befanden, als auch solche von Personen, bei denen die Erkrankung bereits fortgeschritten war. „Dieses Ergebnis ist für uns besonders interessant, denn eine frühe Diagnose ist sehr wichtig für eine erfolgreiche Therapie des Lungenkarzinoms“, erklärt Professor Dr. Godehard Friedel, Chefarzt der Abteilung für Thoraxchirurgie an der Klinik Schillerhöhe. Im Anfangsstadium zeige die Erkrankung noch keine Symptome oder nur solche, die nicht immer direkt auf Lungenkrebs schließen ließen. Eine frühzeitige Identifizierung und Beim inklusiven Unterricht enormer Nachholbedarf B eim gemeinsamen Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung gibt es in Deutschland noch enormen Nachholbedarf. Nach Recherchen der Aktion Mensch besucht in Niedersachsen nur rund jedes zehnte Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Regelschule, in Nordrhein-Westfalen sind es 16,7 Prozent, in Schleswig-Holstein immerhin mehr als die Hälfte. Bundesweit betrug der Anteil im Schuljahr 2009/2010 nur 20,1 Prozent. Neuere Zahlen sollen noch vor Jahresende veröffentlicht werden. Laut Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die in Deutschland seit 2009 in Kraft ist, darf niemand aufgrund seiner Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem aus- Foto: Robert-Bosch-Krankenhaus Mediziner versprechen sich neue Erkenntnisse in der Frühdiagnose von Lungenkrebs. geschlossen werden. „Es ist aber immer noch weit verbreitete Ansicht, dass Kinder mit Behinderung nur in der Sonderoder Förderschule gut aufgehoben sind oder sie sogar das Fortkommen anderer auf der Regelschule bremsen“, kritisiert Martin Georgi, Vorstand der Aktion Mensch und Mitglied im Expertenkreis „Inklusive Bildung“ der deutschen UNESCO-Kommission. Damit gemeinsames Lernen gelingen kann, setzt Dr. Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes, auf strukturelle Veränderungen: „Schon in der Lehrerausbildung müssen die Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung berücksichtigt werden. Dazu brauchen wir in den Ländern klare Zuständigkeiten für die inklusive Schule.“ Behandlung habe jedoch meistens eine deutlich bessere Prognose zur Folge. „Trotz der guten Ergebnisse sind wir jedoch noch weit davon entfernt, Hunde in der klinischen Praxis zur Früherkennung einzusetzen“, erklärt Enole Boedeker, Fachärztin in der Abteilung für Thoraxchirurgie. Sie hat die Studie maßgeblich mitbetreut und darüber ihre Doktorarbeit verfasst. Eine Folgestudie, in der festgestellt werden soll, ob die Hunde auch auf andere Krebsarten reagieren, wird vorbereitet. wheelmap.org zeigt rollstuhlgerechte Orte Ein Treffen mit Freunden oder Kolleginnen – dafür den richtigen Ort zu finden, kann schwierig sein, wenn der Treffpunkt auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen geeignet sein soll. Die Internetseite http://wheelmap.org hilft weiter. Dort ist anhand eines Ampelsystems zu erkennen, ob beispielsweise Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer mit weniger oder mehr Problemen ins Café, die Gaststätte, das Kino oder Geschäft reinkommen. Die Seite ist eine Initiative von Sozialhelden e.V., die zum Mitmachen einlädt. Wer will, kann einen Ort bewerten und eintragen. Wheelmap gibt es auch als App. Die Sozialhelden entwickeln kreative Projekte, mit denen sie auf soziale Probleme aufmerksam machen und helfen wollen, diese zu beseitigen. http://sozialhelden.de. 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 33 Forum Erstes „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ ausgezeichnet Als erstes Krankenhaus in Deutschland hat das Klinikum Bielefeld die Auszeichnung „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ verliehen bekommen. Das bundesweite Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit im Gesundheitswesen bescheinigt der Klinik damit, dass sie ihr ärztliches und pflegerisches Handeln durch das Erfahrungswissen der Selbsthilfe erweitert, den Kontakt zwischen Patienten und Selbsthilfegruppen fördert und kooperationsbereite Selbsthilfegruppen aktiv unterstützt. D Der Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze e.V. zählt zu den Pionieren auf dem Gebiet der Arbeit mit Tieren in der Pädagogik. Er hat ein spannendes und informatives Praxishandbuch zur tiergestützten Pädagogik herausgegeben. Es bündelt leicht lesbar eine Menge wichtiger Fakten über die vielfältigen Möglichkeiten, Tiere in der pädagogischen Arbeit einzusetzen, spart aber auch die Geschichte der Mensch-Tier-Beziehung und wichtige Aspekte der artgerechten Haltung und Pflege von Pony, Schaf, Huhn und Co nicht aus. „Tierisch Pädagogisch“ von Kathrin Wiedemann (überarbeitet von Jana Erler und Astrid Sendke) kostet 19,50 (für Mitglieder 14,50) Euro. Es kann bestellt werden auf der Homepage www.bdja.org. 34 www.der-paritaetische.de gruppen. Sehr hilfreich sei, dass auch ein Verfahren erarbeitet wurde, „wie ich eine Rückmeldung zu dem geben kann, was ich am Krankenbett sehe und erfahre.“ Und diese Rückmeldungen sind für die Klinik ein wichtiger Beitrag zur Qualitätsentwicklung beziehungsweise Qualitätssicherung sowie zur Patientenzufriedenheit, wie Dr. Johannes Kramer, Geschäftsführer des Klinikums, hervorhob. Gemeinsam mit Mitgliedern von Selbsthilfegruppen und der Selbsthilfekontaktstelle Bielefeld setzte das Klinikum die Qualitätskriterien in einem zweijährigen Prozess um. Fachliche Unterstützung erhielt es von Christa Steinhoff-Kemper, Leiterin der Agentur Selbsthilfefreundlichkeit NRW, sowie Monika Bobzien (Projektentwicklung). Nähere Informationen über das Projekt, die Qualitätskriterien und das Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit, finden Interessierte auf der Website www.selbsthilfefreundlichkeit.de. Foto: Klinikum Bielefeld Das Gruppenfoto zeigt: Viele Akteurinnen und Akteure müssen mitziehen, damit ein Krankenhaus die Auszeichnung „selbsthilfefreundlich“ verdient. Dagmar Siewerts, Koordinatorin des Netzwerks Selbsthilfefreundlichkeit im Gesundheitswesen (Bildmitte mit blondem Haar), überreichte Dr. Johannes Kramer, Geschäftsführer des Klinikums Bielefeld, rechts neben ihr, die Urkunde. as Klinikum Bielefeld setzt die acht Qualitätskriterien für selbsthilfefreundliche Krankenhäuser konsequent um und hat bewiesen, dass es der Orientierung an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten einen hohen Stellenwert beimisst“, sagt Dr. Dagmar Siewerts, die als Koordinatorin des Netzwerks Selbsthilfefreundlichkeit bei einer Feierstunde in der Klinik die Urkunde überreichte. Sie folgte mit der Auszeichnung dem Votum der beteiligten Selbsthilfegruppen, die in einem Qualitätszirkel die Umsetzung der Maßnahmen zu den Qualitätskriterien bewertet hatten. Als einer der Vertreterinnen und Vertreter der Selbsthilfe betonte bei der Feier Herbert Heistermann vom Bezirksverein der Kehlkopflosen in Bielefeld: Seit das Krankenhaus das Konzept zur Selbsthilfefreundlichkeit umsetze, gebe im Klinikum endlich mit der Selbsthilfe-Beauftragten eine feste Ansprechpartnerin für die Selbsthilfe- 5 | 2011 Forum (Noch?) keine Krawalle Runder Tisch bei Gangway e. V. in Berlin W enn in den Banlieus von Paris oder in London Jugendkrawalle für mediales Aufsehen sorgen, laufen bei Gangway die Telefonleitungen heiß. „Dann wollen die Medien immer von uns wissen, ob wir so etwas auch hier für möglich halten“, sagt Elvira Berndt, Geschäftsführerin des Vereins Gangway e.V., der in Berlin seit mehr als 20 Jahren in der Straßensozialarbeit mit Jugendlichen aktiv ist. Zusammen mit einigen Streetworkern lud Berndt Mitte August Jugendliche, Medienvertreter und PolitikerInnen an den runden Tisch, um diese Frage gemeinsam zu erörtern. PolitikerInnen waren bei dem kurzfristig angesetzten Termin jedoch nicht zugegen. „Explosive Mischung“ Die Einschätzung der Streetworker und Jugendlichen: Es gibt in den „sozialen Brennpunkten“ der Bundeshauptstadt eine Vielzahl von Jugendlichen, deren Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und Frustration eine durchaus explosive Mischung bilden. Dass diese sich jedoch derart spektakulär wie zuletzt in London entlade, sei eher unwahrscheinlich. Einer der Jugendlichen, der 21-jährige Bex, betonte: „Manche Leute würden alles ma- chen, nur damit sie etwas unternehmen können.“ Doch die meisten seiner Altersgenossen seien sich bewusst, dass sie mit Gewalt nur sich selbst schaden und ohnehin nichts ändern würden. Falls jedoch ein Mitglied der Straßencliquen von der Polizei erschossen würde, könne es in der Tat zu Krawallen kommen. „Große Gruppe von Chancenlosen“ Gangway-Geschäftsführerin Elvira Berndt glaubt: „Es gibt eine Schallmauer, hinter der soziale Gruppen ihre eigenen Überlebensstrategien, ihre eigenen Gesetze des Zusammenlebens entwickeln – weil sie mit der Erfahrung leben, dass es nicht ihr individuelles Schicksal ist, das sie straucheln lässt, sondern dass sie zu einer großen Gruppe von Chancenlosen gehören.“ Die Schallmauer sei erreicht, wenn mindestens 20 Prozent einer Gruppe von Menschen aus dem eigentlich für alle geltenden System ausgegrenzt seien. Diese 20 Prozent seien an vielen Stellen Berlins überschritten, insbesondere bei der Jugendarbeitslosigkeit. Dennoch versuchten die meisten Jugendlichen immer noch, ihren individuellen Weg innerhalb der gesellschaftlich akzeptierten Regeln zu finden. Wenn der systematische Abbau des Sozialstaats „Toll“: Texte von Menschen mit geistiger Behinderung „Toll“ heißt ein neues Magazin, das laut Chefredakteurin Sylvia Heinlein zeigen soll: „Behinderung bedeutet nicht, dass etwas fehlt, sondern dass etwas anders ist.“ Die Journalistin und Kinderbuchautorin engagiert sich ehrenamtlich beim Verein „Leben mit Behinderung Hamburg“. Dort leitet sie gemeinsam mit dem Diplom-Pädagogen Frank Nestler eine Schreibwerkstatt für Menschen mit geistiger Behinderung. Das Potenzial und die Texte der dort schreibenden Autoren überzeugten Heinlein so sehr, dass sie die Idee für das neue Printprojekt entwickelte. Die Nullnum- mer ist jetzt erschienen. „Toll“ soll künftig alle drei Monate herauskommen und über Werbung, Spenden und Sponsoring finanziert werden. So sollen Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung geschaffen werden. Unterstützt wird „Toll“ auch durch die Mitarbeit einiger professioneller Medien-MacherInnen. Das „Magazin für Wundertage“ ist eine Lektüre für alle, die neugierig sind auf eine andere Sicht der Dinge, auf ungewöhnliche Texte und tolle Bilder. Es ist im Internet lesbar und auch als Printversion zu bestellen unter www.toll-magazin.de. Zu seinem 20jährigen Bestehen hat Gangway e.V. ein Buch mit dem Titel „Down Town Berlin“ herausgegracht. Darin geben StreetworkerInnen des Vereins einen Einblick in ihre Arbeit mit Jugendlichen. Sie erzählen skurrile, bewegende, lehrreiche Geschichten aus ihrem Alltag mit den jungen Menschen auf der Straße. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre! 351 Seiten, 12,80 Euro ISBN: 978-3940213-63-1. und der Rechtsstaatlichkeit weitergehe, könne es jedoch eine Kopie dessen geben, was im Sommer in Großbritannien geschehen sei. Streetworker Stefan Schützler hält eine gesellschaftliche Debatte über und konkrete Schritte gegen soziale Ausgrenzung benachteiliger Jugendlicher und die Entmoralisierung der Gesellschaft für überfällig. Allen Jugendlichen müsse die Teilhabe an den gesellschaftlichen Ressourcen ermöglicht werden. Man müsse ihnen Mut machen und Zukuntsperspektiven eröffnen. Wichtig sei es daher auch, die Sozialarbeit mit Jugendlichen als Hilfe zur Selbsthilfe finanziell besser abzusichern. (www.gangway.de) UB Fortbildung in den USA Die Arbeitsgemeinschaft für Kinderund Jugendhilfe – AGJ bietet in Kooperation mit dem Council of International Programs Fachkräften aus der sozialen Arbeit, die haupt- oder ehrenamtlich insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind, die Möglichkeit zur Teilnahme an zwei- bis dreimonatigen Fortbildungsprogrammen in den USA. Voraussetzung sind eine mindestens drei- bis sechsjährige Berufspraxis und gute englische Sprachkenntnisse. Bewerbungen sind bis 15. Januar 2012 möglich. Nähere Informationen gibt es auf www.agj.de unter „Fachkräfteprogramme CIP & ISP“. 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 35 Forum Neues von der Frauenhauskoordinierung: Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II beim Aufenthalt im Frauenhaus Die Frauenhauskoordinierung e.V. hat eine aktualisierte Rechtsinformation „Frauen in Frauenhäusern mit Anspruch auf ALG II nach dem SGB II“ herausgebracht. Darin geht sie auf die häufigsten Probleme ein, die Frauen im Frauenhaus haben, wenn sie für sich und ihre Kinder Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt und Unterkunft (ALG II) geltend machen. Eingegangen wird etwa auf Mehrbedarfe, Kosten der Unterkunft, Einkommensanrechnung, Umzugskosten sowie auf Leistungen aus dem neuen Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder und Jugendliche. Die Rechtsinformation „Frauen in Frauenhäusern mit Anspruch auf ALG II nach dem SGB II“ ist gegen einen Kostenbeitrag von fünf Euro (für Mitglieder des Vereins Frauenhauskoordinierung) oder zehn Euro (für Nichtmitglieder) bei der Frauenhauskoordinierung erhältlich. Bestellen können Interessierte sie per E-Mail an [email protected]. Fachforum dokumentiert Auf www.frauenhauskoordinierung.de. hat die Frauenhauskoordinierung die Dokumentation ihres 8. Fachforums eingestellt, das vom 29. Juni bis 1. Juli 2011 stattfand. Zum Download bereit stehen unter anderem Fachreferate zur Antigewaltarbeit, zum Konzept des Frauenhauses OranjeHuis in Amsterdam sowie über das geplante bundesweite Hilfetelefon für Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Beratungsstellen suchen Auf der Homepage der Frauenhauskoordinierung finden Interessierte jetzt zudem neben der bewährten Frauenhaus-Datenbank auch eine neue Suchfunktion für Beratungsstellen vor Ort. 200 Beratungsstellen sind registriert. 36 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 Das besondere Produkt: Espresso „Dark JackPott“ Schokoladig-kräftiger Genuss Von der modischen Designer-Tasche über schicke Wohn-Accessoires bis hin zum selbstgerösteten Espresso – immer mehr Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder Betriebe, in denen arbeitslose Frauen und Männer beruflich qualifiziert werden, setzen auf das Besondere: auf Produkte, die in relativ kleinen Mengen hergestellt werden und nicht nur durch Schönheit, sondern auch durch hohe Qualität bestechen. Eine Auswahl dieser Produkte stellen wir in der Rubrik „Sozialer Handel“ vor. Der „Dark JackPott“ ist ein Siegertyp. Er ist kräftig, würzig, hat einen vollen Körper, ausgewogene Säure und selbstverständlich auch eine samtige Crema. Das hat ihm 2010 eine Goldmedaille der Deutschen Röstergilde eingebracht. Fünf Bohnensorten werden für den „Dark JackPott“ gemischt. Welche, das weiß man nur im „Samocca“ in Quedlinburg. Seit 2006 betreibt die Lebenshilfe Harzkreis-Quedlinburg das Café samt Rösterei. Menschen mit Behinderung sorgen unweit des Schlossbergs für das leibliche Wohl und servieren Kaffeespezialitäten, die vor den Augen der Gäste hergestellt werden: Der Röster steht imGastraum. Wie er zu bedienen ist, darüber wusste Hausleiterin Steffi König vor fünf Jahren noch wenig. Bevor das Franchise-Café eröffnete, besuchte sie Seminare und entdeckte für sich die Sozialer Handel Welt des Kaffees. Aus 16 fair gehandelten Bohnensorten, in Säcken gelagert und nach Bedarf geröstet, kreiert sie immer neue Mischungen, neben diversen Espressi etwa eine (ebenfalls prämierte) Kombination namens „Excellent Silver“, die sich speziell als Filterkaffee eignet. Während der „Dark JackPott“ für drei Euro für 125 Gramm zu haben ist, kostet „Excellent Silver“ 2,90 Euro. Bei größeren Mengen wird es verhältnismäßig billiger. „Ich überlege immer, welche Sorten harmonieren könnten, und probiere es aus“, sagt Steffi König. Das Team des Cafés verkostet und stimmt darüber ab, wie die besten Mischungen heißen sollen. Nicht nur die Jury der Röstergilde ist von der Qualität angetan und hat Steffi König schon zwei Mal zur Deutschen Röstmeisterin gekürt. Auch bei Kaffeegenießern sind die Samocca-Produkte beliebt. Wer sie nicht im Café direkt kaufen und genießen kann, findet eine reichhaltige Auswahl im Onlineshop. Kaffeerösterei und Café Samocca, Lange Gasse 30, 06484 Quedlinburg, Tel.: 03946/919824, www.samoccaquedlinburg.de Text und Fotos: Bernd Schüler was · wann · wo Aktiv und selbstbestimmt mit Demenz Seit geraumer Zeit formieren sich in Deutschland Gruppen, in denen von einer Demenz Betroffene sich gegenseitig Hilfestellung bieten, um mit ihrer gesundheitlich, sozial und gesellschaftlich veränderten Lebenssituation besser zurecht zu kommen und eine positive Perspektive für das eigene Leben zu entwickeln. Das diesen zahlreicher werdenden Gruppen zugrunde liegende Konzept ist unter dem Begriff der „Unterstützten Selbsthilfe“ bekannt. Momentan wird es von Vertretern dieser Gruppen gemeinsam mit einem Unterstützerkreis weiter ausgearbeitet. Am 26. und 27. Januar 2012 findet nun in Stuttgart die bundesweite Veranstaltung „Vielstimmig! Aktiv und selbstbestimmt mit Demenz“ statt, Dabei soll das Konzept der „Unter- stützten Selbsthilfe“ vorgestellt und über Formen aktiver Teilhabe von Menschen mit Demenz anhand zahlreicher Praxisbeispiele informiert werden. Die Veranstalter – Demenz Support Stuttgart gGmbH und die Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg e. V. – wenden sich an Aktive in den Bereichen Unterstützung und Begleitung von Menschen mit Demenz, Soziale Arbeit, bürgerschaftliches Engagement, an Medienleute und die Politik. Ort der zweitägigen Veranstaltung ist das DGB-Haus in Stuttgart. Weitere Informationen gibt es im Internet auf www.demenz-support. de/vielstimmig sowie unter der Telefonnummer 0711/99787-24 oder per E-Mail an [email protected]. Fachtagung: „Gleich und doch verschieden“ „Gleich und doch verschieden“ lautet der Titel einer Fachtagung, die der Paritätische Gesamtverband und das Institut Mensch und Ethik in der Wissenschaft am 14. Dezember 2011 in der Katholischen Akademie in Berlin veranstalten. Im Mittelpunkt der Tagung steht die Inklusion von Menschen mit Behinderung im Spannungsfeld zwischen Disability Mainstreaming, also der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung als Querschnittsaufgabe, und der positiven Wertschätzung von Unterschiedlichkeit. Dabei geht es unter anderem um die Fra- Fachkongress Freie Straffälligenhilfe „Teilhabe ermöglichen, Ausgrenzung vermeiden“ – unter dieser Überschrift lotet die Bundesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe bei ihrem Fachkongress am 28. und 29. November 2011 die Chancen zur besseren sozialen Integration von Straffälligen und deren ihrer Angehörigen aus. Der Kongress findet statt im Arbeitnehmer-Zentrum in Königswinter bei Bonn. Nähere Informationen gibt es auf der Internetseite www.bag-straffaelligenhilfe.de. ge, wo es sinnvoll und notwendig ist, nicht auf Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen zu schauen, sondern auf gemeinsame Ansprüche – beispielsweise im Bezug auf barrierefreie Busse oder Technologien. Oder zu überlegen, inwieweit die Behindertenbewegung von der Frauenbewegung lernen kann. Nähere Informationen finde Interessierte auf www.paritaet.org unter Veranstaltungen. Anmeldungen sind möglicher per E-Mail an: behindertenhilfe@ paritaet.org. Bundesweiter Vorlesetag Lesen macht Spaß – machen Sie mit! Am 18. November 2011 ist bundesweiter Vorlesetag. Auch der Paritätische, viele seiner Mitgliedsorganisationen und Beschäftige unterstützen aktiv die Initiative der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung DIE ZEIT und der Deutschen Bahn. Ziel der Aktion ist es, Menschen, die gerne vorlesen, und interessierte Institutionen zusammenzubringen: von der Kindertagesstätte über die Schule bis zur Bibliothek. Wer sich am Vorlesetag beteiligen möchte, kann sich auf der Website www.wirlesenvor.de registrieren. Dort gibt es auch Organisationstipps, Buchhinweise und zwölf „Goldene Vorlese-Regeln“. Interessierte finden auch Anregungen, wie sie über den Vorlesetag hinaus längerfristige Projekte wie etwa Lesepartnerschaften organisieren können. Der Vorlesetag ist ein wichtiger Baustein im Bemühen der Stiftung Lesen, die Lese- und Sprachkultur zu stärken, gelten Lesekompetenz und Lesefreude doch als wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn, Berufstätigkeit und gesellschaftliche Teilhabe. Menschen mit Demenz im Krankenhaus Einen Fachtag zum Thema „Menschen mit Demenz im Krankenhaus – Neue Wege in der Versorgung“ veranstaltet am 22. November 2011 von 9.30 Uhr bis 16 Uhr die zum Paritätischen Landesverband NordrheinWestfalen gehörende Gesellschaft für Soziale Projekte. Der Fachtag findet im Haus der Ärzteschaft in Düsseldorf statt. Die Veranstaltung richtet sich insbesondere an verantwortliche Kranken- hausmitarbeiterInnen und an Kooperationspartner der Häuser, die sich über Konzepte und Maßnahmen zur besseren Versorgung von Patienten mit einer demenziellen Erkrankung informieren und austauschen wollen. Weitere Informationen zur Veranstaltung und zum Thema „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“ finden Interessierte auf der Homepage www. blickwechseldemenz.de. 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 37 hören & sehen Foto: Polymedia Betrachtungen wider den neoliberalen Zeitgeist D Michel Petrucciani mit Sohn Alexandre Michel Petrucciani „Leben gegen die Zeit“ Michel Petrucciani kam zur Welt mit der Glasknochenkrankheit und einer ganz besonderen Begabung: Schon mit 13 Jahren startete er seine Karriere als Jazz-Pianist, die ihn in die großen Konzertsäle der Welt führen sollte, bevor er im Dezember 1999 mit 36 Jahren an einer Lungenentzündung starb. Am 8. Dezember läuft im Kino unter dem Titel „Michel Petrucciani – Leben gegen die Zeit“ eine beeindruckende Dokumentation über diesen außergewöhnlichen Mann an, der nach dem Motto lebte: „Sorge dich nicht um die Zukunft, sondern lebe das Jetzt so gut wie möglich.“ Und das tat er sehr exzessiv. Den großen Schmerzen, die ihm seine Krankheit bereitete, setzte er einen ungeheuren Lebenshunger entgegen und faszinierte die Menschen, die das Leben mit ihm teilten, die ihn und seine Musik bewunderten. Weitere Infos gibt es unter www.polyband.de. er Mann hatte was zu sagen und er hat es immer noch. Dr. Bernd Niederland, langjähriger Geschäftsführer der Volkssolidarität, erst im Landesverband Brandenburg, dann 1997 bis 2010 Bundesgeschäftsführer. Wie der Titel seines Buches bereits deutlich macht, handelt es sich um eine Zusammenstellung wichtiger Vorträge und Veröffentlichungen von Bernd Niederland als Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität in Berlin. Von operativem Klein-Klein oder von den zwangsläufigen Rechenschaftsberichten, denen ein Geschäftsführer verpflichtet ist, sind diese Veröffentlichungen jedoch weit entfernt. Es sind gesellschaftlich-analytische Betrachtungen und programmatische Aussagen zur Rolle der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland und insbesondere zur Volkssolidarität. Es sind Appelle, von klaren politischen Standpunkten getragen. So macht dieser Mix auch das Rollenverständnis von Bernd Niederland an der hauptamtlichen Spitze der Volkssolidarität deutlich. Wohlfahrtspflege heißt, Dienstleistungen für Menschen zu erbringen, heißt aber immer auch, seine politische und gesellschaftliche Position zu reflektieren und anwaltschaftlich einzutreten für die Belange hilfebedürftiger Menschen und für vernünftige Rahmenbedingungen der Wohlfahrtsarbeit. Dabei wirkt Bernd Niederland niemals beliebig. Mit scharfem Blick demaskiert er in seinen Analysen Modetrends wie Deregulierung als ideologisches Vehikel des Sozialabbaus und entlarvt die vielzitierte Argumentationsfigur der Globalisierung als das, was sie auch häufig ist: Eine Ausrede für eine deutlich interessengeleitete Politik des sozialstaatlichen Rückzugs. Dass Bernd Niederland dabei in seiner Argumentation nüchtern und pragmatisch bleibt, aber durchaus einen linken Standpunkt gegen einen neoliberalistischen Zeitgeist einnimmt, durchzieht seine Aufsätze und Reden wie ein roter Faden. Die Zusammenschau der Veröffentlichungen von Bernd Niederland als Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität eröffnet nicht nur für die Mitglieder und Funktionsträger in diesem Verband wichtige Gedanken und Einsichten, auch für Menschen außerhalb der Volkssolidarität bietet sie viel Nachdenkliches und Anregendes zur Rolle der Freien Wohlfahrtspflege im vergangenen Jahrzehnt. Ulrich Schneider Bernd Niederland: „Soziales, Sozialpolitik, Solidarität, Volkssolidarität – Aufsätze, Vorträge, Interviews 2000 – 2010“,Rotation Tredition GmbH – Verlag, ISBN: 978-3-866850-878-9, 366 S., 22,90 Euro. Hartmut Mackowiaks Leben ist mächtig aus der Balance geraten. Nach 35 Ehejahren hat ihn seine Frau (Katja Rupé) verlassen. Der 65-jährige Taxifahrer (Elmar Wepper) – ein echter Grantlhuber – hofft immer noch auf ihre Rückkehr. Er will sein altes Leben zurück. Alles Neue und Fremde ist ihm höchst suspekt. Plötzlich aber sitzt genau das in Gestalt eines sechsjährigen türkischen Mädchens auf der Rückbank seiner Droschke. Während die Mutter der kleinen Hayat auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitet, soll die Oma auf sie aufpassen. Doch die ist plötzlich ins Koma gefallen und liegt auf 38 www.der-paritaetische.de 5 | 2011 der Intensivstation. Weil andere Angehörige nicht aufzutreiben sind, fühlt Hartmut sich genötigt, für die Kleine (wunderbar gespielt von der siebenjährigen Mercan Türkoglu) zu sorgen. Und plötzlich sieht sein Leben ganz anders aus... Regisseur Christian Zübert ist mit „Dreiviertelmond“ eine reizende deutsch-türkische Tragikomödie gelungen, die märchenhaft einen Mix aus abgedroschenen Klischees konstruktiv verwandelt. Die Co-Produktion mit Arte und dem Bayerischen Rundfunk läuft jetzt im Kino. Nähere Informationen gibt es auf www.dreiviertelmond.de. Foto: Majestic/Mathias Bothor Dreiviertelmond – eine deutsch-türkische Komödie Buchbesprechung Es mangelt an analytischer Kraft „Die Zeit heilt keine Wunden“ – Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren S o wichtig es ist, dass wir mehr und mehr Detailkenntnisse über die vielfältigen Facetten der Geschichte der Heimerziehung in den verschiedenen Regionen erhalten, das Buch „Die Zeit heilt keine Wunden – Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren in der Diözese Rottenburg-Stuttgart“ hat mehr Chancen vertan als ergriffen. Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel. Den Kern bilden das Kapitel 4: Zeitzeugenberichte ehemaliger Heimkinder (77 Seiten) und das Kapitel 5: Zeitzeugenberichte von Erziehungspersonen (47 Seiten). Diese Zeitzeugen lebten beziehungsweise arbeiteten in 15 bestehenden und 18 ehemaligen katholischen Heimen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Mit leitfadengestützten Interviews wurden 25 ehemalige Heimkinder und 15 ehemalige ErzieherInnen befragt. Im Kapitel 1 werden der Auftrag und das methodische Vorgehen erläutert. Kapitel 2 lautet: „Heimerziehung nach dem 2. Weltkrieg als Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse: Historische Einordnung“. Jenseits der Fragwürdigkeit der Verwendung der Metapher „als Spiegel“ ist es ein etwas sprunghafter knapper Überblick mit kleinen Ungenau- igkeiten. Zum Beispiel: Unterbringungen nach den Paragrafen 5 und 6 des Jugendwohlfahrtsgesetzes fallen durchs Raster. Der Überblick krankt vor allem daran, dass er nicht differenziert zwischen öffentlichen und privaten und darunter wiederum den kirchlichen Einrichtungen unterscheidet. Im dritten Kapitel werden dann 18 der angesprochenen Einrichtungen in Kurzportraits vorgestellt, die sich auf dem Niveau zusammenfassender Selbstdarstellungen bewegen. Manchmal erfährt man über die Zeit des Untersuchungszeitraums nur in vier Zeilen etwas. Nichts erfährt man über die Anzahl und auf welcher Rechtsgrundlage in dieser Zeit untergebrachten Kinder. Waren das Heime, die überwiegend vom örtlichen Jugendamt belegt waren? Waren das Fürsorgeheime? Auf diese Fragen gibt es keine Antworten. Hinzu kommt das Fehlen jeglicher Information darüber, im Kontext welcher Heimstruktur insgesamt in dieser Region die katholischen Heime verortet waren. In den Texten wird zwar immer wieder auch auf Abschiebepraxen und Hierarchien des Schreckens der Heime hingewiesen, aber wie die Bezugsheime hierin verortet sind, darüber erfährt man nichts. Vor diesem Hintergrund verschärft sich dann die Beliebigkeit, mit der in den Kernkapiteln Zitate aus den Interviews nach Themen strukturiert vorgestellt werden. Die Kapitel sind durchaus interessante Beschreibungen, aber ihre analytische Kraft bleibt doch angesichts der mangelnden Kontexteinbindungen schwach und blass. Das sechste Kapitel befasst sich mit „Heimerziehung in jüngerer Zeit: Reformen zeigen Wirkung“, bevor das 7. Kapitel „Über den schwierigen Umgang mit Vergangenem in der Gegenwart“ nachdenkt. Hier wird die Frage aufgeworfen „Doch wer soll diese Schuld bekennen?“ (S. 281) Und auch auf diese Frage gibt es keine genaue Analyse und Antwort, sondern wieder ein mit Zitaten geriertes Einerseits-Andererseits: unbefriedigend! Norbert Struck Susanne Schäfer-Walkmann, Constanze Störk-Biber, Hildegard Tries, Die Zeit heilt keine Wunden Heimerziehung in den 1950er und 1960er Jahren in der Diözese RottenburgStuttgart, ISBN 978-3-7841-2031-7, 300 Seiten, 29 Euro. Impressum Magazin des PARITÄTISCHEN ISSN-1866-1718 Telefon: 0 30/2 46 36-0 · Fax: -110 http://www.der-paritaetische.de E-Mail: [email protected] Verantwortlich: Dr. Ulrich Schneider Redaktion: Ulrike Bauer (UB), Tel.: 0172/6585424 Martin Wißkirchen, Tel.: 030/24636-311 Titelbilder: fotolia – Gina Sanders, fotolia – auremar, fotolia – endostock, fotolia – Markus Schieder Verantwortlich für die Landsseiten: Berlin: Rita Schmid, Tel.: 030/86 00 1-0. Brandenburg: Irene Dause, Tel.: 0331/28497-0. 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Zertifikatsnummer: 010-10047-1011-1035 www.climatepartner.com Anschrift von Herausgeber, Redaktion, Anzeigenverwaltung und Vertrieb: Der Paritätische – Gesamtverband, Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berlin Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft, Mainz, Kto-Nr. 70 39 500 (BLZ 550 205 00) 5 | 2011 www.der-paritaetische.de 39 – Anzeige – www.up.de Klein ist groß. Der neue up! Mit dem mobilen Navigationssystem maps + more*. Wer unterwegs ist, um zu helfen, stellt höchste Ansprüche an sein Auto. Der neue up! erfüllt sie alle: Auf nur 3,54 Metern Länge bietet er den größten Innenraum seiner Klasse. So finden nicht nur vier Personen bequem Platz, sondern auch eine umfangreiche Sicherheitsausstattung und clevere Technik. Wie das maps + more System, das Ihnen nicht nur den Weg weist, sondern auch hilft, den Verbrauch zu senken. Indem es Ihr Fahrverhalten analysiert und eine ökologische Fahrweise trainiert. Ein echter Helfer eben. Erleben Sie den neuen up! selbst. 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