Wintersemester 2013/14 PD Dr. Ralf Klausnitzer - Hu

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Wintersemester 2013/14 PD Dr. Ralf Klausnitzer - Hu
Master-Modul M2 (Literaturtheorie und Methodologie)
Lesen, Verstehen, Interpretieren.
Methodologische und praxeologische Aspekte der Bedeutungszuweisung
Wintersemester 2013/14
PD Dr. Ralf Klausnitzer
Dienstag 10-12 Uhr, HP 1.138
Ohne Zweifel: Lesen, Verstehen, Interpretieren von Texten sind zentrale Arbeitsfelder der Literaturwissenschaft. Was es aber heißt, einen
(literarischen) Text zu lesen und adäquat zu verstehen, wird bei einer detaillierten Rekonstruktion von Schrittfolgen der
Bedeutungszuweisung möglicherweise ebenso problematisch wie die Formulierung und Begründung von Interpretationshypothesen
angesichts des Kafka-Satzes „Ein Käfig ging einen Vogel suchen“. – Vor dem Hintergrund aktueller Forschungsbeiträge zur Geschichte
des Lesens und Verstehens sowie zu den Praktiken des Interpretierens sollen im Rahmen dieser LV grundlegende Konzepte und Verfahren
der text- und zeicheninterpretierenden Disziplinen diskutiert werden. Im Zentrum stehen dabei komplexe Aspekte der
Bedeutungszuweisung, die durch Verschränkung von theoretisch-methodologischen Überlegungen und Arbeit an Anwendungstexten
rekonstruiert werden sollen. Weitergehende Aufmerksamkeit gilt den Regeln und ihrer Anwendung bei Interpretationen sowie Konflikten,
die aus divergierenden Deutungen erwachsen. Lektüreanforderungen und eigene kognitive Investitionen sind hoch, denn hier werden nicht
nur Kenntnisse der Forschungsliteratur, sondern auch Beobachtungsprotokolle (über Lesevorgänge) und argumentative Begründungen (für
Deutungsangebote) gefordert. Dafür lässt sich hier alles lernen, was für den Umgang mit Texten und Zeichen notwendig ist. Und das lohnt
immer.
Dienstag,
15. Oktober
Dienstag,
22. Oktober
Einführung
Was heißt es, einen Text zu lesen? Theorien des Lesens
Klaus Weimar: Lesen: zu sich selbst sprechen in fremdem Namen. In: Heinrich Bosse (Hrsg.): Literaturwissenschaft.
Einführung in ein Sprachspiel. Freiburg 1999, S. 49-62
Alberto Mangual: Eine Geschichte des Lesens. Berlin 1998, Kapitel „Schatten lesen“, S. 39-53
Dienstag,
29. Oktober
Geschichte des Lesens I: Antike und Mittelalter
Platon: Phaidros, 274c-275b
Alberto Mangual: Eine Geschichte des Lesens. Berlin 1998, Kapitel „Die stillen Leser“, „Das Buch der Erinnerung“,
„Die Gestalt des Buches“, S. 55-82, 150-175
Hans-Joachim Griep: Geschichte des Lesens. Von den Anfängen bis Gutenberg. Darmstadt 2005, Kapitel „Literatur und
Lesekultur in Griechenland“; „Literatur und Lesekultur in Rom“, S. 68-97, 98-151
Dienstag,
5. November
Geschichte des Lesens II: Transformationen seit der Frühen Neuzeit
Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werthers. Leipzig 1774 – Auszüge
Matthias Bickenbach: Eine innere Geschichte des Lesens. Tübingen 1999, Kapitel III.2: „Lektüretechnik Selektion“;
III. 3 „Geschwindigkeit als Lektüretechnik“, S. 93-133, 134-173
Dienstag,
12. November
Geschichte des Lesens III: ~1800
Adam Bergk: Die Kunst, Bücher zu lesen. Jena 1799 – Auszüge
Georg Stanitzek: Brutale Lektüre, „um 1800“ (heute). In: Joseph Vogl (Hrsg.): Poetologien des Wissens um 1800.
München 1999, S. 249-265
Dienstag,
19. November
Geschichte des Lesens IV: Philologische Lektüren
Friedrich Nietzsche: Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile [1887], Vorrede
Nikolaus Wegmann: Was heißt einen ‚klassischen Text‘ lesen? Philologische Selbstreflexion zwischen Wissenschaft und
Bildung. In: J. Fohrmann, W. Voßkamp (Hrsg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert, Stuttgart,
Weimar 1994, S. 406-
Dienstag,
26. November
Geschichte des Lesens V: Medienkonkurrenzen
Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W. Rostock 1974 – Auszüge
Bernhard Schlink: Der Vorleser. Zürich 1995 – Auszüge
Marina Ziefle: Lesen an digitalen Medien. In: Christine Grond-Rigler, Wolfgang Straub (Hrsg.): Literatur und
Digitalisierung. Berlin, Boston 2013, S. S. 223—250; Simone C. Ehmig und Lukas Heymann: Die Zukunft des Lesens.
Ebenda, S. 251-265; Mirco Limpinsel: Volltextsuche und der philologische Habitus. In: Henning Lobin (Hrsg.): Lesen,
Schreiben, Erzählen. Kommunikative Kulturtechniken im digitalen Zeitalter. Frankfurt/M., New York 2013, 171–185
Dienstag,
3. Dezember
Verstehen
Heinrich Bosse: Verstehen. In: Heinrich Bosse, Ursula Renner (Hrsg.): Literaturwissenschaft. Einführung in ein
Sprachspiel. Freiburg 1999, S. 63–81
Dienstag,
10. Dezember
Geschichte des Verstehens I: Vorverständnis und Vorurteil
Martin Heidegger: Sein und Zeit (1927), § 31. Das Da-sein als Verstehen. Wieder in Hans-Georg Gadamer, Gottfried
Boehm (Hrsg.): Seminar: Philosophische Hermeneutik. Frankfurt/M. 1976, S. 267-285
Dienstag,
17. Dezember
Geschichte des Verstehens II: Besserverstehen
Peter Szondi: Über philologische Erkenntnis [Zur Erkenntnisproblematik in der Literaturwissenschaft, 1962].
In: P. Szondi: Hölderlin-Studien. Mit einem Traktat über philologische Erkenntnis. Frankfurt/M. 1967, S. 9–34; wieder
in: P. Szondi: Schriften. Hrsg. von Jean Bollack u.a. Band 1. Frankfurt/M. 1978, S. 263–286
Dienstag,
7. Januar 2014
Interpretieren
Klaus Weimar: Text, Interpretation, Methode. In: Lutz Danneberg, Friedrich Vollhardt (Hrsg.): Wie international ist die
Literaturwissenschaft? Stuttgart, Weimar 1995, S. 110-122
Dienstag,
14. Januar
Geschichte des Interpretierens I
Wilhelm Dilthey: Die Entstehung der Hermeneutik [1900] + Zusätze aus den Handschriften. In: W. Dilthey: Gesammelte
Schriften. Bd. 5 41964, S. 317-338
Dienstag,
21. Januar
Geschichte des Interpretierens II
Lutz Danneberg: Zur Historiographie des hermeneutischen Zirkels: fake and fiction eines Behauptungsdiskurses. In:
Zeitschrift für Germanistik N.F. 5 (1995), S. 611–624.
Dienstag,
28. Januar
Praktiken des Interpretierens + Interpretationskonflikte I
Eduard Mörike: Auf eine Lampe
Emil Staiger: Die Kunst der Interpretation [1951] + Ein Briefwechsel mit Martin Heidegger. In: E. Staiger: Die Kunst
der Interpretation. Zürich 1955, S. 7-28, 28-42
Markus Wild: „Schon unser Briefwechsel hat das Gedicht allzu schwer belastet.“ Staiger und Heidegger über Mörikes
„Auf eine Lampe“. In: R. Klausnitzer, C. Spoerhase (Hrsg.): Kontroversen in der Literaturtheorie. Bern 2007, S. 207-221
Dienstag,
4. Februar
Praktiken des Interpretierens + Interpretationskonflikte II
Johann Wolfgang Goethe: Wanderers Sturmlied.
Karl Eibl: Schmidts Sturmlied - Goethes Sturmlied; Jochen Schmidt: Jupiter Pluvius, Lord Chesterfield und Karl Eibl,
in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 24 (1985), S. 514-531
Karl Eibl: Sind Interpretationen falsifizierbar? In: L. Danneberg, F. Vollhardt (Hrsg.): Vom Umgang mit Literatur und
Literaturgeschichte. Positionen und Perspektiven nach der „Theoriedebatte“. Stuttgart 1991, S. 169-183
Dienstag,
11. Februar
Abschlussdiskussion
Elementare Verabredungen zum Seminarablauf
è Angestrebt wird die umfassende und genaue Kenntnis der wichtigsten Kulturtechniken überhaupt (die wir im Leben + in der
Wissenschaft ständig praktizieren und irgendwann auch einmal explizieren und reflektieren müssen). Deshalb sind alle angegebenen
Primärtexte von allen Seminarteilnehmern intensiv zu lesen und genau zu kennen.
è Texte können in der Institutsbibliothek oder in der UB oder in der Stabi gelesen werden; stehen auch auf moodle zum Download
bereit; Kennwort: Aufmerksamkeit.
è Eine kurze Einführungen durch Studierende soll die Basis für die nachfolgende Seminardiskussion bilden; günstig sind
Arbeitsgruppen sowie ein knappes, konzises Thesenpapier.
è Der Erwerb von benoteten Leistungsnachweisen („Schein“) erfolgt durch regelmäßige aktive Teilnahme am Seminar +
Einführungsauftritt + Hausarbeit; nähere Informationen dazu rechtzeitig
è Um Abwesenheit bei Seminarveranstaltungen zu minimieren: Einmaliges unentschuldigtes Fehlen erlaubt (wenn auch nicht gern
gesehen), zweite Absenz nur mit Entschuldigung. Dann vorbei.
Sprechstunde: Mittwoch, 12.30-14 Uhr im Institut für deutsche Literatur, DOR 24, Raum 3.528 sowie jederzeit nach Vereinbarung è
Tel. dienstl.: 20 939 697; Mail: [email protected]
Auswahlbibliographie:
Roger Chartier: Ist eine Geschichte des Lesens möglich? Vom Buch zum Lesen: einige Hypothesen. In: Zeitschrift für
Literaturwissenschaft und Linguistik 15 (1985), S. 250-273
Alfred Messerli, Roger Chartier (Hrsg.): Lesen und Schreiben in Europa 1500–1900. Vergleichende Perspektiven. Basel 2000
Jost Schneider: Sozialgeschichte des Lesens. Zur historischen Entwicklung und sozialen Differenzierung der literarischen Kommunikation
in Deutschland. Berlin, New York 2004
Erich Schön: Der Verlust der Sinnlichkeit oder Die Verwandlungen des Lesers. Mentalitätswandel um 1800. Stuttgart 1987
Erich Schön: Die Leser erzählen lassen. In: IASL 15 (1990), 2. Heft, S. 193-202
Verstehen:
Wolfgang Detel: Geist und Verstehen. Historische Grundlagen einer modernen Hermeneutik. Frankfurt/M. 2011
Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Simone Winko (Hrsg.): Regeln der Bedeutung. Zur Theorie der Bedeutung literarischer Texte. Berlin, New
York 2003
Joachim Wach: Das Verstehen. Grundzüge einer Geschichte der hermeneutischen Theorie im 19. Jahrhundert. 3 Bde. 1926-1933
Interpretieren:
Wilhelm Dilthey: Die Entstehung der Hermeneutik (1900) + Zusätze aus den Handschriften. In: W. Dilthey: Gesammelte Schriften. Bd. 5
41964, S. 317-338
Georg Misch: Vom Lebens- und Gedankenkreis Wilhelm Diltheys (1947).
Wilhelm Dilthey: Entwürfe zur Kritik der historischen Vernunft. In: Hans-Georg Gadamer, Gottfried Boehm (Hrsg.): Seminar:
Philosophische Hermeneutik. Frankfurt/M. 1976, S. 189-220
Erich Rothacker: Einleitung in die Geisteswissenschaften (1920), Vorwort
Erich Rothacker: Der Begriff der dogmatischen Denkform (1954). In: Hans-Georg Gadamer, Gottfried Boehm (Hrsg.): Seminar:
Philosophische Hermeneutik. Frankfurt/M. 1976, S. 221-238.
Martin Heidegger: „Andenken“ (1943), wieder in: M. Heidegger: Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung. Frankfurt/M. 1951, S. 75-143
Martin Heidegger: Hölderlin und das Wesen der Dichtung (1936), wieder in: M. Heidegger: Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung.
Frankfurt/M. 1951, S. 31-46
Rudolf Bultmann: Das Problem der Hermeneutik. In: R. Bultmann: Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze. Bd. 2 Tübingen 1952,
S. 211-235; wieder in Hans-Georg Gadamer, Gottfried Boehm (Hrsg.): Seminar: Philosophische Hermeneutik. Frankfurt/M. 1976, S. 239264.
Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik (1960). Ausschnitt: Das hermeneutische
Problem der Anwendung, S. 290-295; auch in Hans-Georg Gadamer, Gottfried Boehm (Hrsg.): Seminar: Philosophische Hermeneutik.
Frankfurt/M. 1976, S. 327-332
Hans-Georg Gadamer: Die philosophischen Grundlagen des 20. Jahrhunderts. In Hans-Georg Gadamer, Gottfried Boehm (Hrsg.): Seminar:
Philosophische Hermeneutik. Frankfurt/M. 1976, S. 316-326.
Jürgen Habermas: Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik. In: Dialektik und Hermeneutik. Festschrift H.-G. Gadamer (1970); auch in
R. Bubner (Hrsg.): Hermeneutik und Ideologiekritik (1971), S. 120–159
Hendrik Birus (Hrsg.): Hermeneutische Positionen. Göttingen 1983. Hermeneutik. Köln, Weimar 2013

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