7.8 Marktführer über Nacht

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7.8 Marktführer über Nacht
7.8 Marktführer über Nacht
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Wer eine Idee hat,
dem reicht auch der Küchentisch.
JERRY AUERSWALD,
deutscher Gitarrenbauer,
baut Einzelstücke für internationale Stars
7.8 Marktführer über Nacht
www.myphotobook.de. Jahrelang waren Fotoalben mit liebevoll eingeklebten Erinnerungen bei Alt und Jung sehr beliebt – schön handlich und stets im Regal zur Verfügung. Die
moderne digitale Fotowelt hingegen agiert mit USB-Sticks
und Foldern im Computer. Fotoalbum ade – oder doch nicht?
Zwei junge Berliner aus Kreuzberg finden, dass man die Fotoalbenidee in moderner Form wieder aufleben lassen kann.
Man nehme seine Digitalfotos, treffe eine Auswahl, maile sie
an myphotobook.de und zurück kommt ein gebundenes Heft,
ein Buch oder eine Fototapete in wesentlich höherer Qualität
als das alte Fotoalbum – direkt nach Hause an den angegebenen Empfänger.
Was war dazu notwendig? Haben die Gründer David
Diallo und Jan Christoph Gras irgendetwas neu erfunden
oder entwickelt? Dass man Bilder von digitalen Daten ausdrucken und binden kann, weiß jedes Kind. Braucht man
dazu einen Hochleistungsdrucker? Nicht unbedingt; jedenfalls nicht zum Start des Unternehmens. Das Gleiche gilt für
die Einrichtung zum Buchbinden.
Aber myphotobook hat noch einen ganz anderen Aspekt
von Entrepreneurial Design; es ist eine Art Super-Modell, das
einen extravaganten Start in den Markt ermöglicht. Weil es
vielen Unternehmen und ihren Kunden einen Zusatznutzen
bringt, ohne dass sie etwas tun müssen.
Die „normale“ Situation für Gründer lautet ungefähr so:
Du gründest, kein Mensch kennt dich, wahrscheinlich hat
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7 Im Konzert der Großen mitspielen
auch kein Mensch auf dich gewartet. Jetzt musst du auf dich
aufmerksam machen, du fängst also von null an und arbeitest
dich langsam in rentable Größenordnungen vor. Anders myphotobook.de. Statt ein Geschäft in Kreuzberg zu eröffnen
und später vielleicht nach Schöneberg zu expandieren, überlegten die Gründer, wer die meisten Kunden im Bereich Fotoentwicklung hatte. Sie stellten fest, dass nicht etwa eine Fotokette, sondern der Drogist Schlecker der Marktführer für
digitale Fotos ist. Die Gründer nahmen Kontakt zu Schlecker
auf und unterbreiteten folgenden Vorschlag: Bieten Sie Ihren
Kunden ein Schlecker-Fotobuch an. Wie das geht? Darum
müssen Sie sich nicht kümmern – wir machen alles im Hintergrund für Sie. Schlecker hatte also aus dem Stand ein neues
gutes Produkt für seine Kunden, war aber von aller Organisation hierfür befreit.
Der Vorteil für myphotobook.de: Die jungen Entrepreneure waren über Nacht Marktführer in Deutschland und
hatten ein White-Label-Modell, das sie auch anderen im
Fotogeschäft anbieten konnten. Aber nicht nur denen: Auch
alle anderen Unternehmen oder Websites können ihren Kunden Fotobücher anbieten. So entstand zum Beispiel das Pro7Fotobuch. Heute ist myphotobook.de europäischer Marktführer und wird in Fachkreisen hoch gehandelt.
Welche Komponenten sind dafür notwendig? Ein leistungsstarker Drucker sowie das Binden der losen Blätter. Die
für derlei Produktionen verwendeten Hochleistungsdrucker
sowie Bindemaschinen kann man mieten, selber kaufen lohnt
sich am Anfang eher nicht. Nicht nur dieses Beispiel zeigt,
dass man auch in der Anwendung vorhandener Technologie
virtuos Entrepreneurship betreiben kann. Das Besondere liegt
in der Koordination, in der aus vorhandenen Komponenten
ein hochinteressantes unternehmerisches Konzept entsteht.
Bereits Schumpeter konstatierte: Viele Neuerungen, die wir
früher oder später überrascht oder erstaunt als solche begreifen, existierten längst. Nur ein kleiner Bruchteil ist wirklich
neu. Das meiste ist eine Rekombination aus vorhandenen
Ideen und Produkten.
7.9 Ein Unternehmen zum Mitmachen – Die CO2-Kampagne
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Konzepte wie www.myphotobook.de haben einen TurboEffekt. Das Unternehmen www.spreadshirt.com verwaltet
über 1 000 Minishops, in der Mini-Entrepreneure ihre eigenen Sweatshirts entwerfen und verkaufen. Jeder kann einen
eigenen Shop eröffnen und wird dafür an den Verkaufserlösen von bedruckten T-Shirts beteiligt. Heute gibt es über
200 000 Shop-Partner. Das Schlagwort hierfür heißt Social
Commerce und beschreibt den Übergang vom Nischen- zum
Massenmarkt.
7.9 Ein Unternehmen zum Mitmachen –
Die CO2-Kampagne
Sie fühlen sich noch nicht in der Lage, ein eigenes Unternehmen aus Komponenten zusammenzusetzen? In Ordnung.
Gehen wir zusammen einen Schritt weiter und komponieren
ein Unternehmen, bei dem alle Komponenten schon fertig
zusammengesetzt sind. Ein Fertig-Unternehmen also.
Und so sieht es aus:
Die Projektwerkstatt hat sich eine CO2-Kampagne ausgedacht. Der einfachste und schnellste Weg, Energie zu sparen
und etwas für den Klimaschutz zu tun, sind Energiesparlampen. Energiesparlampen sind die zeitgemäße Alternative
zu den technisch überholten Glühlampen. Die klassische
Glühbirne wandelt nur maximal fünf Prozent der eingesetzten Energie in Licht um – der Rest verpufft als Wärme. Going
for a cause, also. Ziel ist es, qualitativ hochwertige Energiesparlampen preiswert zu machen. Mit den Prinzipien der
Teekampagne: nur ein Produkt, nur Großpackung, kein Zwischenhandel, Direkteinkauf.
Was haben Sie damit zu tun?
Sie können das „Gerüst“ der CO2-Kampagne für sich
nutzen. Den Bestellvorgang, das Rechnungswesen, die Versandlogistik. Sie geben also die gesamte Business Administration ab. Und in diesem Falle auch die Probleme von