eidesstattliche erklärung - Donau

Transcrição

eidesstattliche erklärung - Donau
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich, Helmut Oswald, geboren am 9. Mai 1972 in Wien erkläre,
1.
dass ich meine Master Thesis selbständig verfasst, andere als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst
keiner unerlaubten Hilfen bedient habe,
2.
dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in
irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe,
3.
dass ich, falls die Master Thesis mein Unternehmen oder eine/n externe/n
KooperationspartnerIn betrifft, meinen Arbeitgeber über Titel, Form und Inhalt
der Master Thesis unterrichtet und sein/ihr Einverständnis eingeholt habe.
Wien, 6. Oktober 2012
LEAN HUMAN RESOURCES
Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Business Administration (MBA)
der Donau-Universität Krems
Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften
Danube Business School
eingereicht von
Helmut Oswald
1. Begutachter(in): Dr. Liselotte Zvacek
2. Begutachter(in): Helga Wannerer, MA
Wien, 6. Oktober 2012
Abstract (Deutsch)
Diese Master Thesis beschäftigt sich mit dem Begriff Lean Human Resources und
den Auswirkungen, die eine Lean-Einführung in einem Unternehmen auf die Position
sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources sowie im
Besonderen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung und
Karrieremanagement haben kann.
Da der Lean-Begriff sich über die vielen Jahre seit seinem erstmaligen „Erscheinen“
sukzessive weiterentwickelt hat, dazu Unterschiede in der Definition bzw. dem
Verständnis
von
Lean
bestehen,
sowie
Unterschiede
in
Bezug
zu
Unternehmenskulturen, Ländern sowie weiteren Merkmalen existieren und ebenso
die Aufgaben und das Rollenbild von Human Resources einem ständigen Wandel
unterliegen, werden in dieser Arbeit die verschiedenen Ausprägungen von Lean
Human Resources in Theorie und Praxis herausgearbeitet.
Ziel dieser Master Thesis ist, über eine Literaturanalyse ein theoretisches Bild bzw.
eine theoretische Annäherung zu Lean Human Resources gemäß der formulierten
Forschungsfrage zu erarbeiten und mittels der Empirie der in Unternehmen praktisch
zur
Anwendung
gelangenden
Herangehensweise
gegenüberzustellen.
Ein
besonderes Augenmerk wird auf das Herausarbeiten von Lean bzw. Lean Human
Resources Attributen im Kontext der Forschungsfrage gelegt, um herauszufinden, in
welchen Formen und Ausprägungen Lean Human Resources auftreten kann, selbst
wenn dieser Begriff nicht ausdrücklich verwendet bzw. angewendet wird.
Lean – Human Resources – Lean Human Resources - Personalmanagement
i
Abstract (Englisch)
This Master‘s Thesis deals with the term Lean Human Resources as well as the
consequences relating to a Lean implementation with regard to the organisational
unit Human Resources in terms of its hierarchical position and its role within a
company as well as the consequences for the Human Resources development
activities of education, advanced training and career management.
Over the past years the term Lean has gradually developed since its first
appearance. Therefore a vast number of different definitions exist together with
different ways of comprehension. Lean has a different meaning in different cultures
and countries as well as towards other attributes. The tasks and roles of Human
Resources also undergo a continuous process of change. Based on these
statements the different specifications of Lean Human Resources in theory and
practice will be carved out in this Master‘s Thesis.
The objective of this Master‘s Thesis is to compile a theoretical picture respectively
establish a theoretical approach towards Lean Human Resources based on the
research question. Research will be conducted through a literature analysis followed
by empirical research, which shows the approaches applied in practice within
different companies. Particular focus is put on attributes relating to Lean and Lean
Human Resources in the context of the research question in order to find out, which
forms and specifications of Lean Human Resources can emerge, even if this term is
not explicitly used.
Lean – Human Resources – Lean Human Resources - Personalmanagement
ii
Vorwort
Die vorliegende Master Thesis LEAN HUMAN RESOURCES stellt nicht nur die
Abschlussarbeit meines MBA-Studiums an der Donau-Universität Krems dar,
sondern kennzeichnet auch das Ende einer 2jährigen Aus- und Weiterbildungsreise
in einem institutionellen Rahmen.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinen StudienkollegInnen bedanken, denen
ich auf dieser Reise begegnen durfte. Neues Wissen entsteht nicht nur durch
Vorträge, sondern auch in hohem Maße durch persönliche Begegnungen und daraus
resultierende Dialoge.
Diese Arbeit ist zu allererst Herrn Albert Gaubitzer, CEO der RSC Raiffeisen Service
Center GmbH gewidmet. Für ihn hat die persönliche und fachliche Weiterentwicklung
der MitarbeiterInnen der RSC oberste Priorität. Ich danke ihm sehr für die
Möglichkeit, diese Ausbildung durchführen zu können.
Meine weitere Widmung gilt Frau Mag. Martina Mader, Leiterin Personalmanagement
& Corporate Identity der RSC Raiffeisen Service Center GmbH. Ihre praxisbezogene
Fragestellung bildete die Grundlage für die Forschungsfrage dieser Master Thesis.
Ich bedanke mich bei ihr für ihre wertvollen Inputs und ihre Feedbacks im Rahmen
des Entstehungsprozesses dieser Master Thesis.
Danken möchte ich auch meiner Kollegin Frau Mag. Beate Wolf, die mir ihre Zeit als
Reflexionspartnerin für den Schreibprozess dieser Master Thesis geschenkt hat.
Bedanken möchte ich mich bei meiner Kollegin Frau Edith Hofka, die sich die Zeit für
eine Korrekturlesung dieser Master Thesis genommen hat.
Abschließend gilt mein besonderer Dank meinen InterviewpartnerInnen, die sich
wertvolle Zeit für die Beantwortung meiner Fragen genommen und mir interessante
Einblicke in ihre praktische Arbeit gewährt haben.
iii
Inhaltsverzeichnis
Abstract (Deutsch) .................................................................................................................. i
Abstract (Englisch) ................................................................................................................. ii
Vorwort .................................................................................................................................. iii
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. iv
Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................... viii
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................... x
Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... xi
Executive Summary ............................................................................................................. xiii
1
2
Einleitung ........................................................................................................................ 1
1.1
Hinführung zum Thema ............................................................................................ 1
1.2
Problemstellung und Relevanz des Themas ............................................................ 4
1.3
Ziel dieser Master Thesis und Forschungsfrage ....................................................... 9
1.4
Aufbau der Arbeit und Forschungsablauf ............................................................... 11
Theoretischer Teil ......................................................................................................... 12
2.1
Die englischen Begriffe Lean und Human Resources im deutschsprachigen Kontext
dieser Master Thesis .............................................................................................. 12
2.2
Grundlagen: Human Resources im Kontext der Forschungsfrage .......................... 14
2.2.1
Positionierung der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der
Organisationsstruktur eines Unternehmens ................................................ 14
2.2.2
Rollenbilder der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der
Organisationsstruktur eines Unternehmens ................................................ 15
2.2.3
Modelle zur Umsetzung der HR-Arbeit ........................................................ 19
2.2.4
Komparatives HRM und die HRM Organisation .......................................... 21
2.2.5
Personalentwicklung allgemein ................................................................... 24
2.2.6
Personalentwicklung am Beispiel der Aus- und Weiterbildung .................... 27
2.2.7
Personalentwicklung am Beispiel Karrieremanagement.............................. 28
2.3
Grundlagen: Die Lean-Historie vom Toyota Production System zu Lean Six Sigma
............................................................................................................................... 29
2.3.1
Die Anfänge des Toyota Production Systems als Basis für Lean ................ 29
2.3.2
Die Ziele des Toyota Production Systems................................................... 31
2.3.3
Kontinuierliche Verbesserung/Kaizen ......................................................... 33
2.3.4
Six Sigma und Lean Sigma ......................................................................... 34
iv
2.4
2.4.1
Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität........................................... 37
2.4.2
Dynamische Aspekte der Kosteneffizienz ................................................... 38
2.4.3
Corporate Governance ............................................................................... 38
2.4.4
New Public Management (NPM) ................................................................. 40
2.4.5
Neues St. Galler Managementmodell ......................................................... 41
2.4.6
EFQM Excellence Modell ............................................................................ 43
2.4.7
Steigerung von Effizienz und Effektivität durch Lean Human Resources .... 45
2.5
Lean Human Resources – eine theoretische Annäherung ...................................... 46
2.5.1
Die Rolle der MitarbeiterInnen bei Lean-Prozessen .................................... 46
2.5.2
Lean-orientiertes Führungsverhalten .......................................................... 48
2.5.3
Coaching von Kontinuierlicher Verbesserung ............................................. 49
2.5.4
Lean als Unternehmenskultur: Toyota Weg und Toyota Kultur .................. 51
2.5.5
Lean als Change-Management Prozess ..................................................... 54
2.5.6
Position der Organisationseinheit HR im Kontext von Lean ........................ 56
2.5.7
Die Restrukturierung der Personalabteilung bei Toyota, USA ..................... 56
2.5.8
Die Rolle von HR bei der Einführung von Lean ........................................... 58
2.5.9
Die Rolle von HR in einem Lean-Transformationsprozess .......................... 62
2.5.10
Die Rolle von HR in einem Lean-Unternehmen........................................... 63
2.5.11
Personalentwicklung durch Aus- und Weiterbildung im Kontext von Lean .. 70
2.5.12
Personalentwicklung durch Karrieremanagement im Kontext von Lean ...... 72
2.5.13
Lean Production als Form der Arbeitsorganisation ...................................... 75
2.6
3
Grundsätzliche Überlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von
Effizienz und Effektivität ......................................................................................... 36
Zusammenfassung der Theorie – Teilantwort der Forschungsfrage ....................... 79
2.6.1
Was versteht die Theorie unter Lean? ........................................................ 80
2.6.2
Was versteht die Theorie unter Lean Human Resources? .......................... 81
2.6.3
Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der
Organisationseinheit Human Resources? ................................................... 83
2.6.4
Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der
Organisationseinheit Human Resources? ................................................... 83
2.6.5
Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die
Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie
Karrieremanagement? ................................................................................ 85
2.6.6
Zusammenfassende theoretische Beantwortung der Forschungsfrage ....... 87
Empirischer Teil ............................................................................................................ 88
3.1
Konzeption und Ablauf der empirischen Untersuchung .......................................... 88
v
3.1.1
Auswahl der Forschungsmethode ............................................................... 88
3.1.2
Auswahl der InterviewpartnerInnen und Rahmenbedingungen für das
Interview ..................................................................................................... 92
3.1.3
Transkription der Interviews ........................................................................ 93
3.1.4
Angewendete Methode der qualitativen Inhaltsanalyse ............................... 94
3.1.5
Praktische Umsetzung der zusammenfassenden Inhaltsanalyse am
Textmaterial der empirischen Untersuchung ............................................... 96
3.2
4
Ergebnisse der empirischen Untersuchung ............................................................ 97
3.2.1
Einleitung .................................................................................................... 97
3.2.2
Was verstehen die InterviewpartnerInnen unter Lean? ............................... 97
3.2.3
Was verstehen die InterviewpartnerInnen unter Lean Human Resources?101
3.2.4
Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der
Organisationseinheit Human Resources? ................................................. 103
3.2.5
Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der
Organisationseinheit Human Resources? ................................................. 109
3.2.6
Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die
Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie
Karrieremanagement? .............................................................................. 110
3.2.7
Empirisch-analytische Zusammenfassung: Teilantwort der Forschungsfrage
................................................................................................................. 116
Zusammenfassung der Ergebnisse aus Theorie und Empirie ..................................... 117
4.1
Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfrage .................................... 117
4.2
Schlussfolgerungen und Auswirkungen auf die betriebliche Praxis ...................... 119
Literaturverzeichnis ............................................................................................................ 122
1. Selbständige Werke ................................................................................................... 122
2. Sonstige Quellen ........................................................................................................ 126
Anhang A - Scan des FT-Artikels „Lean cuts fat off GE’s production line“ .............................. 1
Anhang B - Interview-Leitfaden .............................................................................................. 2
Anhang C - Transkriptionen der Interviews ............................................................................ 3
Interview 1: 24. Juli 2012 / 08.30 Uhr ..................................................................................... 4
Interview 2: 26. Juli 2012 / 08.00 Uhr ................................................................................... 21
Interview 3: 26. Juli 2012 / 16.00 Uhr ................................................................................... 43
Interview 4: 22. August 2012 / 15.30 Uhr ............................................................................. 67
Interview 5: 24. August 2012 / 09.00 Uhr ............................................................................. 84
vi
Interview 6: 5. September 2012 / 11.00 Uhr ......................................................................... 94
Interview 7: 11. September 2012 / 12.00 Uhr ..................................................................... 106
Interview 8: 17. September 2012 / 08.30 Uhr ..................................................................... 123
Interview 9: 20. September 2012 / 11.00 Uhr ..................................................................... 130
Interview 10: 3. Oktober 2012 / 13.00 Uhr.......................................................................... 142
vii
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Lean Management wird in verschiedenen Wirtschaftszweigen
eingesetzt ............................................................................................. 5
Abbildung 2: HR Roles in Building a Competitive Organization .............................. 16
Abbildung 3: Definition of HR Roles ........................................................................ 16
Abbildung 4: Die Rollen von PersonalmanagerInnen .............................................. 17
Abbildung 5: HR Business PartnerIn Modell nach Dave Ulrich – eigene Darstellung
........................................................................................................... 17
Abbildung 6: Comparison of HR Roles in the Ulrich and Brockbank (2005b) model
and the Ulrich (1997) model ............................................................... 18
Abbildung 7: 3-Säulen-Modell/Three-legged HR structure – eigene Darstellung .... 20
Abbildung 8: HR Service Delivery-Modell – „Trias plus Technologie“ ..................... 20
Abbildung 9: Optionen für die HRM Organisation – nach Brandl et al. – eigene
Darstellung ......................................................................................... 23
Abbildung 10: Inhalte der Personalentwicklung ......................................................... 26
Abbildung 11: Konzepte der Personalentwicklung .................................................... 27
Abbildung 12: Die alternativen Karrieremodelle ........................................................ 29
Abbildung 13: Die Definition des Toyota Production Systems ................................... 31
Abbildung 14: Bedeutung des Begriffs KAIZEN in Japan und der Deutschen
Übertragung. (KAIZEN nach KAIZEN-Institut of Europe und Siemens
AG, Elektronikwerk Karlsruhe = EWK) ............................................... 34
Abbildung 15: Gegenüberstellung von Lean Management und Six Sigma – eigene
Darstellung basierend auf Dahm/Haindl ............................................. 35
Abbildung 16: Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von Effizienz und Effektivität
aus verschiedenen Perspektiven – eigene Darstellung...................... 37
Abbildung 17: Inhalte governance-orientierter Führungskräfteentwicklung ............... 39
Abbildung 18: Das neue St. Galler Management-Modell........................................... 42
Abbildung 19: EFQM-Modell ..................................................................................... 44
Abbildung 20: Toyotas Führungskräftemodell ........................................................... 48
Abbildung 21: Die Verbesserungs-Kata kurzgefasst ................................................ 49
Abbildung 22: Toyota Coaching-Kata ....................................................................... 49
Abbildung 23: Wie Toyota auf einen Zielzustand hinarbeitet .................................... 50
viii
Abbildung 24: Der PDCA-Zyklus .............................................................................. 50
Abbildung 25: Der „Toyota Way“ ............................................................................... 51
Abbildung 26: Ein „4P“-Modell des Toyota-Wegs ...................................................... 52
Abbildung 27: Einige Lektionen zum Thema Transformation .................................... 53
Abbildung 28: Der Toyota Way [In Anlehnung an Cho, Fujio: The Toyota Way 2001,
Toyota Motor Marketing Europe 2003 (interne Publikation)] .............. 54
Abbildung 29: Change-Management-Ansätze der letzten zwei Jahrzehnte .............. 54
Abbildung 30: Management by Objectives versus hoshin kanri ................................ 66
Abbildung 31: Education System – Toyota Motor Corporation Website .................... 71
Abbildung 32: Distribution of work organisation classes, by country (%) ................... 78
Abbildung 33: Auswahlweg zur Forschungsmethode ................................................ 89
Abbildung 34: Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse ............................. 95
ix
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Phasen der PE.......................................................................................... 26
Tabelle 2: HR-Beiträge in den unterschiedlichen Lean-Entscheidungsprozessen .... 61
Tabelle 3: Arbeitsorganisation in den EU-27 Ländern ............................................... 77
Tabelle 4: Forschungsfrage, Sub-Fragen, Fragen des Interview-Leitfadens ............. 91
Tabelle 5: Überblick InterviewpartnerInnen ............................................................... 92
Tabelle 6: Historie der Lean-Aktivitäten der befragten Unternehmen ........................ 97
x
Abkürzungsverzeichnis
BENELUX
Belgien, Niederlande, Luxemburg
BPR
Business Process Reengineering
bzw.
beziehungsweise
CEO
Chief Executive Officer
CI
Continuous Improvement
CoC
Centers of Competence
CoE
Centers of Expertise
COCS
Costs Of Goods Sold
CSO
Chief Sales Officer
CSR
Corporate Social Responsibility
CV
Curriculum Vitae
EFQM
European Foundation for Quality Management
ESS
Employee Self Service
EUROFUND
European Foundation for the Improvement of Living and Working
Conditions
FTE
Full Time Equivalent
GE
General Electric
HR
Human Resources
HRM
Human Resource Management
ISO
International Organisation for Standardization
IT
Information Technology
KPI
Key Performance Indicator
KVP
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
MIT
Massachusetts Institute of Technology
MSS
Managers Self Service
xi
NPM
New Public Management
OJT
On the Job-Training
PDCA
Plan-Do-Check-Act
PE
Personalentwicklung
SLA
Service Level Agreement
SSC
Shared Service Center
STP
Straight Through Processing
TPS
Toyota Production System
TQM
Total Quality Management
u.a.
unter anderem
UE
Unternehmensentwicklung
z.B.
zum Beispiel
xii
Executive Summary
Diese Master Thesis beschäftigt sich mit dem Begriff Lean Human Resources und
den Auswirkungen, die eine Lean-Einführung in einem Unternehmen auf die Position
sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources sowie im
Besonderen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung und
Karrieremanagement haben kann.
Ziel dieser Master Thesis ist, über eine Literaturanalyse ein theoretisches Bild bzw.
eine theoretische Annäherung zu Lean Human Resources gemäß der formulierten
Forschungsfrage zu erarbeiten und mittels der Empirie der in Unternehmen praktisch
zur Anwendung gelangenden Herangehensweise gegenüberzustellen.
Ein besonderes Augenmerk wird auf das Herausarbeiten von Lean bzw. Lean
Human Resources Attributen im Kontext der Forschungsfrage gelegt, um
herauszufinden, in welchen Formen und Ausprägungen Lean Human Resources
auftreten kann, selbst wenn dieser Begriff nicht ausdrücklich verwendet bzw.
angewendet wird.
Als empirische Forschungsmethode wird die Form des teilstrukturierten, nicht
standardisierten, mündlich geführten Interviews mit offenen Fragen angewendet.
Die Ergebnisse dieser Master Thesis sollen Einblick in das gegenwärtige Verständnis
von Lean Human Resources in der Theorie und in der betrieblichen Praxis
gewähren, die verschiedene Zugänge zu dieser Thematik beschreiben und einige
Handlungsempfehlungen für Unternehmen, welche im Kontext der Forschungsfrage
Aktivitäten setzen, aufzeigen.
Diese Master Thesis ist in 1. Linie als eine thematische Standortbestimmung im
Kontext der Forschungsfrage und als Orientierungsleitfaden für die betriebliche
Praxis zu sehen.
xiii
Lean Human Resources ist ein Begriff, der großen Interpretationsspielraum offen
lässt. Theorie und Empirie haben gezeigt, wie vielfältig der Zugang sein kann.
Gleichzeitig haben sich aber einige Charakteristiken herauskristallisiert, die eine sehr
gute thematische und inhaltliche Annäherung an Lean Human Resources erlauben.
Lean Human Resources kennzeichnet einen effizienten Personalressourceneinsatz,
der die MitarbeiterInnen als hochqualifizierte und motivierte Know-How-TrägerInnen
mit
hoher
Teamorientierung
und
als
unmittelbare
UmsetzerInnen
einer
Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung darstellt. Die Vermeidung
von Verschwendung in den täglichen Arbeitsprozessen und die Umsetzung
kontinuierlicher Verbesserungsmaßnahmen geschehen dabei vor dem Hintergrund
einer nach diesen Prinzipien ausgerichteten grundlegenden Geisteshaltung bei den
MitarbeiterInnen.
Lean Human Resources beschreibt weiters die Organisationseinheit HR, welche
selbst Lean organisiert ist und sich durch hoch-qualitative, effiziente HR-Prozesse
auszeichnet. Dabei sind verschiedene Modelle zur Umsetzung der HR-Arbeit zu
evaluieren und die Organisationseinheit HR entsprechend auszurichten.
Auf Basis dieser Grundlagen ist es der Organisationseinheit HR möglich,
Maßnahmen und Handlungsweisen bei der Einführung von Lean oder der
Aufrechterhaltung einer Lean-Unternehmenskultur zu setzen. Dabei hat sich HR zu
einer umfassenden und ausbalancierten Business PartnerIn-Rolle hinzuentwickeln.
Durch die Reduzierung von Hierarchieebenen und einer Verschlankung der
Organisationsstruktur innerhalb von Lean müssen neue motivierende Anreize in
Form alternativer Karrieremodelle und monetärer Incentivierungen geschaffen
werden.
Dabei
sind
verstärkt
verschiedenen
Formen
von
Projekt-
bzw.
ExpertInnenlaufbahnen zu etablieren.
Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind bei einer Lean-Einführung an die in dem
Unternehmen zur Anwendung gelangenden Lean-Prinzipien anzupassen bzw.
auszurichten.
xiv
Der gemeinsame Nenner, der letztlich alle in dieser Master Thesis angeführten
Maßnahmen und Handlungsweisen zusammenführt, ist die Zielsetzung der
Steigerung von Effizienz und Effektivität von Arbeitsprozessen, MitarbeiterInnen und
Unternehmen. Dies geschieht aber nicht in einmaliger Form, sondern als
kontinuierlicher Prozess der Verbesserung.
Dieser Aspekt der langfristigen Ausrichtung führt zu einem Automatismus in
lösungsorientiertem Denken und zu einer grundlegenden Geisteshaltung der
ständigen Verbesserung bei allen Beschäftigten eines Unternehmens. Dies stellt eine
Grundvoraussetzung für rasches, flexibles Handeln in einer dynamischen, global
vernetzten Wirtschaftswelt dar.
xv
1 Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema
„HR-Verantwortliche wissen bereits seit längerem wohin die HR-Reise geht: Ziel ist,
exzellente Services und Beiträge zum Unternehmenserfolg zu liefern. Die
Partnerschaft mit der Geschäftsführung bedeutet, als relevanter Akteur für die
Strategieumsetzung aufzutreten und entsprechende Verantwortung zu übernehmen.“
Diese Zeilen stammen aus dem Vorwort der Studie „HR-Benchmark 2011“1, welche
zum 3. Mal von der Deloitte Consulting GmbH in Wien unter 174 österreichischen
Unternehmen durchgeführt wurde und beschreiben ein anspruchsvolles und sich
veränderndes Rollenbild von Human Resources.
Holtbrügge2
beschreibt
in
diesem
Zusammenhang,
dass
sich
auch
die
Anforderungen an PersonalmanagerInnen im Wandel von eher harten zu eher
weichen Anforderungsmerkmalen befinden. Standen in der Vergangenheit vor allem
arbeits- und sozialrechtliche Aspekte im Vordergrund, sind z.B. nun viel stärker
Kenntnisse der Organisationssoziologie und –psychologie erforderlich.
Nachhaltigen,
langfristigen
Unternehmenserfolg
und
Wettbewerbsfähigkeit
sicherzustellen, ist in einer Zeit der globalisierten Wirtschaft mit immer kürzer
werdenden Produktlebenszyklen und fast ständigem Innovationsdruck gegenüber
den MitbewerberInnen und den mobilen, elektronisch immer stärker vernetzten
KonsumentInnen zunehmend herausfordernder geworden.
Dahm/Haindl3 weisen darauf hin, dass eine Differenzierung von der Konkurrenz für
Unternehmen zunehmend schwieriger wird, da sich durch die Globalisierung immer
mehr AkteurInnen in den verschiedenen Märkten gegenüberstehen. Sie betonen
auch, dass viele Rationalisierungspotenziale ausgeschöpft sind und große
Produktivitätssprünge durch technischen Fortschritt nicht zu erwarten sind. Qualität
1
Vgl. Schmidt et al. 2011: 3
Vgl. Holtbrügge 2010: 55
3
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 21 f.
2
1
allein reicht nicht, es ist vielmehr die genaue Kenntnis über die wahren
KundInnenbedürfnisse erforderlich.
Dahm/Haindl sprechen in diesem Zusammenhang gar von einer neuen Hochkultur
der
Effizienz,
in
welcher
die
Unternehmen
täglich
um
Marktanteile
und
Gewinnmaximierung kämpfen müssen.4
Vor diesem Hintergrund zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit eines
Unternehmens ergeben sich auch für Human Resources neue Herausforderungen,
ihren Anteil zu Effizienzsteigerungen zu leisten, um wie in der Aussage zu Beginn
dieses
Kapitels
beschrieben,
exzellente
Services
und
Beiträge
zum
Unternehmenserfolg zu liefern.
Der Einsatz von Ressourcen zur Positionierung eines Unternehmens und Schaffung
von Wettbewerbsfähigkeit ist auch ein Thema des strategischen Managements.
Das strategische Management stellt eine spezifische Denkweise dar, die sich mit der
Unternehmensentwicklung auseinandersetzt. Das strategische Management hat
seine Ursprünge in den US-amerikanischen Business Schools zu Beginn des 20.
Jahrhunderts. Die Grundvorstellung dabei bildet die Annahme einer geplanten
Unternehmensevolution
und
dabei
werden
alle
für
die
Entwicklung
des
Unternehmens als wichtig erachteten Themen aufgegriffen. Müller-Stewens und
Lechner betonen dabei das Aufgreifen von intendierten und emergenten Initiativen
und einen Ressourceneinsatz, welcher zu einer einzigartigen Positionierung und
nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen verhilft.5
Ein Managementansatz zur Steigerung der Effektivität und Effizienz wurde unter dem
Begriff „Lean“ bzw. „Lean Production“ bekannt. Dieser Ansatz der „schlanken
Produktion“, bei dem Toyota nach dem 2. Weltkrieg Pionierarbeit geleistet hat,
beschreibt immer mehr mit immer weniger zu produzieren.6
4
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 22
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 21
6
Vgl. Womack/Jones 2004: 15
5
2
Der Begriff „Lean Production“, der die Herangehensweise von Toyota beschreibt,
wurde vom amerikanischen Fabrikspezialisten John Krafcik geprägt. Krafcik war
Mitglied des Teams unter der Leitung von Daniel Roos, Daniel T. Jones und James
P. Womack, welche seit 1985 im Rahmen einer fünfjährigen weltweiten Studie mit
dem Titel „International Motor Vehicle Program“ des Massachusetts Institute of
Technology (MIT) forschten. Kern der Forschung innerhalb der Automobilindustrie
war der Vergleich zwischen neuen japanischen Techniken, welche als schlanke
Produktion („Lean Production“) bezeichnet wurden und den älteren, westlichen
Massenproduktionstechniken. Die Ergebnisse dieser Studie wurden 1990 in
Buchform unter dem Titel „The machine that changed the world“ (Titel der
deutschsprachigen Fassung: „Die zweite Revolution in der Autoindustrie –
Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of
Technology“) publiziert.7
Womack/Jones nennen in diesem Zusammenhang 5 Schlüsselprinzipien des Lean
Thinking:8

Genaue Spezifikation des Wertes durch das spezifische Produkt

Identifikation des Wertstroms für jedes Produkt

Flow des Wertes ohne Unterbrechungen

Pull des Wertes durch den Kunden beim Produzenten

Streben nach Perfektion
Die Autoren beschreiben in diesem Werk die Anfänge und die Ausbreitung der
schlanken
Produktion
sowie
die
Auswirkungen
auf
die
Arbeitsweise
der
MitarbeiterInnen. In Bezug zu Human Resources ist es das Hauptziel der schlanken
Produktion, die Verantwortung in der Hierarchie weit nach unten bis auf die
MitarbeiterInnenebene
zu
verlagern.
Dies
bedeutet
einerseits
die
Freiheit,
selbständig seine eigene Tätigkeit zu überwachen, aber gleichzeitig vergrößert es die
Angst bei den MitarbeiterInnen, teure Fehler zu machen. Ein weiteres Merkmal der
schlanken Produktion ist die Ausweitung von beruflichen Fähigkeiten zur kreativen
Anwendung innerhalb von Teams. Der hierarchische Aufstieg auf der Karriereleiter
7
8
Vgl. Womack et al. 1992: 10 ff.
Vgl. Womack/Jones 2004: 16
3
mit immer mehr Verantwortung innerhalb eines Spezialbereichs bei gleichzeitig
steigender Anzahl an Untergebenen steht dabei nicht im Mittelpunkt. Damit sich
MitarbeiterInnen in der schlanken Produktion weiterentwickeln, werden diese
kontinuierlich mit hohen Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert, damit sie das
Gefühl bekommen, ihre Fähigkeiten zu verbessern und für die Breite ihres Wissens
geschätzt zu werden.9
Eine
weitere
Definition
von
„Lean
Production“
findet
man
im
Gabler
Wirtschaftslexikon:
„Unter Lean Production versteht man den sowohl sparsamen als auch zeiteffizienten
Einsatz der Produktionsfaktoren Betriebsmittel, Personal, Werkstoffe, Planung und
Organisation im Rahmen aller Unternehmensaktivitäten.“10
Aus
dieser
Definition
und
den
von
Womack/Jones/Roos
beschriebenen
Auswirkungen auf die Arbeitsweisen innerhalb der schlanken Produktion lässt sich
ableiten, dass es Human Resources über den Produktionsfaktor Personal möglich
ist, Beiträge zur Steigerung der Effektivität und Effizienz im Kontext von LeanAktivitäten in einem Unternehmen zu liefern.
Diese Master Thesis behandelt durch theoretische Ausarbeitung und empirische
Befragungen, welche Zugänge es zu diesem Thema gibt und was unter Lean Human
Resources verstanden wird.
1.2 Problemstellung und Relevanz des Themas
In den 1980er und 1990er Jahren wurde Lean in der westlichen Automobilindustrie
fast
ausschließlich
als
Instrument
zur
Kostenreduktion
angewendet,
was
gleichbedeutend mit Personalabbau gesehen wurde. Ein gesamtunternehmerischer
Managementansatz, der auch die Bedeutung der MitarbeiterInnen und ihrer
Fähigkeiten berücksichtigt, blieb aus. Viele Lean-Initiativen scheiterten auch
frühzeitig, da diese als isolierte Projekte irgendwo innerhalb eines Unternehmens bei
gleichzeitig fehlender Top-Management Unterstützung durchgeführt wurden.11
9
Vgl. Womack et al.: 1992 20f.
Vgl. [Internet]: <http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/72970/lean-production-v6.html> 3. Oktober
2012
11
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 60 ff.
10
4
Die Jahrtausendwende markierte den Eintritt in die Wissensgesellschaft, in der die
MitarbeiterInnen als wichtige Faktoren gesehen werden.
Durch veränderte
wirtschaftliche Rahmenbedingungen (z.B. Stichwort „Platzen der New EconomyBlase“) und daraus resultierende negative konjunkturelle Aussichten - verbunden mit
einer neuen Sichtweise auf die handelnden Personen - kam es zu einer Art LeanRenaissance.12
Innerhalb von Lean gerieten die Mitverantwortung der MitarbeiterInnen sowie die
Personalentwicklung wieder stärker in den Fokus. Für den Erfolg einer LeanEinführung stand auch nicht mehr der Einsatz bestimmter Management-Tools,
sondern
die
Mittelpunkt,
Einführung eines umfassenden
welches
auf
die
jeweilige
Lean-Management-Systems im
Unternehmensphilosophie
und
Unternehmenskultur ausgerichtet wird.13
Womack/Jones nennen in diesem Zusammenhang ein Zeitminimum von rund
3 Jahren, um die Anfänge eines Lean organisierten Systems zu realisieren. Sie
rechnen in Folge mit 2 weiteren Jahren, um die MitarbeiterInnen zu schulen, damit
sich das Lean-System von selbst trägt.14
Darüber hinaus wird Lean mittlerweile in verschiedenen Wirtschaftszweigen
eingesetzt, wie in nachfolgender Grafik von Dahm/Haindl dargestellt wird:
Abbildung 1: Lean Management wird in verschiedenen Wirtschaftszweigen eingesetzt
15
12
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 64f.
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 65 ff.
14
Vgl. Womack/Jones 2004: 175
15
Dahm/Haindl 2011: 65
13
5
Lean und Lean Production sind auch rund 22 Jahre nach dem Erscheinen des
Buches von Womack, Jones und Roos wichtige Begriff in der Unternehmenswelt, wie
die beiden nachfolgenden Bespiele zeigen:
ŠKODA AUTO eröffnete am 24. Juli 2012 in Mladá Boleslav, Tschechien, ein „Lean
Center“,
welches
als
Trainingszentrum
für
„Lean
Production“
und
„Lean
Management“ dient. In diesem vierstöckigen Trainingskomplex liegt der Focus auf
die kontinuierliche Qualifikation der Beschäftigten zur Optimierung von Fertigungsund Verwaltungsprozessen.16
Die Financial Times berichtete am 2. April 2012, dass es General Electric in seiner
Haushaltsgeräte-Sparte am Produktionsstandort in Louisville, Kentucky, USA durch
Anwendung von Lean Manufacturing gelungen ist, Arbeitsplätze aus bisherigen
Produktionsstandorten in China und Mexico in die USA zurückzuholen.17
Jeffrey R. Immelt, CEO von General Electric, schreibt dazu im März 2012 in einem
Artikel in der „Harvard Business Review“, dass Lean Manufacturing ein Element der
„Human Innovation“ Strategie ist, die am Produktionsstandort in Louisville zur
Steigerung der Produktivität und Effizienz angewendet wird. Dadurch ist es General
Electric auch gelungen, den Produktionsstandort USA durch Schaffung neuer
Arbeitsplätze zu stärken. Die 2009 begonnen Lean-Initiativen beziffert Immelt am
Beispiel der Produktionslinien für Geschirrspülmaschinen: 30% Steigerung der
Arbeitseffizienz, mehr als 60% Senkung der Lagerbestände, Senkung der
Produktionszeit um 68% sowie Reduktion der Produktionsflächen um 80%.18
In einer Presseaussendung19 vom 6. August 2012 berichtet General Electric (GE)
ausführlich über die Implementierung von Lean Manufacturing Prinzipien in den
Produktionslinien für Geschirrspülmaschinen. Eine neue Kultur der kontinuierlichen
Verbesserung und eine gemeinschaftlich agierende Arbeitsumgebung stellten die
16
Vgl. [Internet]: <http://www.skoda-auto.de/index.php?mitteilung=1256&e=348-15-1> 3. Oktober
2012
17
Vgl. [Internet]: <http://www.ft.com/intl/cms/s/0/25ee1d1a-7994-11e1-8fad00144feab49a.html#axzz2408ovgX8> 3. Oktober 2012 (siehe auch Scan des FT-Internetartikel im
Anhang A) – übersetzt durch den Autor
18
Vgl. Immelt 2012: 43-46 – übersetzt durch den Autor
19
Vgl. [Internet]: < http://www.genewscenter.com/News/GE-s-Newest-Dishwasher-Production-LinesExemplify-Changing-Culture-and-Strategy-3aea.aspx> 3. Oktober 2012 – übersetzt durch den Autor
6
Grundlagen dar. In der Presseaussendung wird betont, dass Lean Manufacturing
jeden Aspekt der Prozesse verbessert hat. Lean wird zur Sicherstellung der
Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt, in dem Effizienz und Produktivität verbessert und
die Qualität gesteigert werden. Das Gesamtinvestitionsvolumen von General Electric
wird bis 2014 am Standort Louisville rund $ 800 Millionen betragen.
Auch in der Finanzdienstleistungsindustrie hat Lean Einzug gehalten. In einem
Interview mit Dr. Herbert Stepic, CEO der Raiffeisen Bank International AG in der
Zeitschrift FORMAT vom 27. Dezember 2010 berichtet dieser über einen in Gang
gesetzten Prozess der „Verschlankung“ („Lean Process“) mit dem Ziel der Reduktion
von Kosten.20
Lean wird ebenso mit der Reduzierung von Komplexitäten sowie Corporate Social
Responsibility (CSR) in Verbindung gebracht, wie in 2 „Schumpeter“-Kolumnen in der
Zeitschrift „The Economist“ nachzulesen ist.
In der Economist-Ausgabe21 (Schumpeter-Kolumne „Simplify and repeat“) vom 28.
April 2012 wird auf das Buch „Repeatability“ der Autoren Chris Zook und James Allen
(Consultants bei Bain & Company) Bezug genommen. Zook und Allen plädieren für
eine Simplifizierung von Geschäftsmodellen nach dem Motto „vereinfachen und
wiederholen“. Einen der Aspekte zur Anwendung des „Repeatability-Models“ sehen
die beiden Autoren in der Anwendung eines einzigen Managementmodells auf
verschiedene Geschäftszweige eines Unternehmens. Als Beispiel nennen sie die
amerikanische Holding-Firma Danaher (Spezialist im Produktionsbereich), welche ihr
Lean Management System, das Danaher Business System, innerhalb der letzten 10
Jahre auf alle ihre 85 Geschäftszweige angewendet hat.
In der Schumpeter-Kolumne „Good business; nice beaches“ des Economist22 vom
19. Mai 2012 wird die aktuelle Bedeutung von „Nachhaltigkeit“ im Rahmen von CSR
thematisiert. Bezuggenommen wird auf einen Bericht der MIT Sloan Management
20
Vgl. [Internet]: < http://www.format.at/articles/1052/525/285190_s1/herbert-stepic-chef-raiffeisenbank-international-format-interview> 3. Oktober 2012
21
Vgl. [Internet]: <http://www.economist.com/node/21553425> 3. Oktober 2012 – übersetzt durch den
Autor
22
Vgl. [Internet]: <http://www.economist.com/node/21555539> 3. Oktober 2012 – übersetzt durch den
Autor
7
Review in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group. Darin wird die
gegenwärtige Bedeutung von Nachhaltigkeit auf 2 Gründe zurückgeführt. Einer
dieser Gründe ist die Tatsache, dass ManagerInnen sich zunehmend bewusst sind,
aus begrenzten Ressourcen den größtmöglichen Output generieren zu müssen.
Lean Production und eine straffe Beschaffungskette passen daher sehr gut zu
diesem Grund. Unilever hat dabei Lean aus der Fabrik in den Haushalt übertragen.
Unilever produziert Waschmittel, die weniger Wasser beim Waschen der Wäsche
verbrauchen.
Sucht man in der Literatur konkret nach der Bezeichnung Lean Human Resources,
so finden sich explizit nur sehr wenige Quellen, welche diesen Begriff näher
charakterisieren bzw. thematisieren.
Der Begriff Lean Human Resources findet sich z.B. in einem englischsprachigen
Buch mit dem Titel „Lean Human Resources – Redesigning HR Processes for a
Culture of Continuous Improvement“23, in welchem sich die Autorin Cheryl M. Jekiel
u.a. mit nachfolgenden Themenblöcken beschäftigt:24

Verschwendung durch Nichterkennen der Fähigkeiten und Talente der
MitarbeiterInnen

Einbeziehung von Human Resources als Business PartnerIn

Bereitstellung besserer Services für das Unternehmen durch Verbesserung
der HR-Prozesse

Möglichkeiten seitens Human Resources, Arbeitskulturen zu beeinflussen und
zu verändern

Redesign der Rollen der MitarbeiterInnen, um bessere Resultate zu erzielen

Strategien zur Angleichung von Human Resources Prozessen an eine nach
Lean ausgerichtete Unternehmensstrategie
23
24
Vgl. Jekiel 2011: v ff. – übersetzt durch den Autor
Vgl. Jekiel 2011: v ff. – zusammengefasst und übersetzt durch den Autor
8
Einen weiteren Zugang findet man unter dem Titel „HR Lean Management –
Outsourcing als strategische Option für das HR Shared Service Center?“25, publiziert
im Dezember 2010 von Kienbaum Management Consultants, Berlin aus der Serie
„Kienbaum Diskussionsbeiträge zum Personalmanagement“. Darin beschäftigen sich
die Autoren mit dem Thema der Auslagerung von Personalprozessen am Beispiel
von Kooperationen mit externen Dienstleistungsunternehmen und internen Service
Centern.
Aus den vorangegangenen Absätzen ergibt sich auch zwangsläufig die Fragestellung
nach der Rolle von Human Resources in einem Unternehmen, die Art der
organisatorischen Einbettung in die Aufbauorganisation, sowie die konkrete
Organisation von HR selbst in Bezug zu Lean-Aktivitäten innerhalb eines
Unternehmens.
1.3 Ziel dieser Master Thesis und Forschungsfrage
Da der Lean-Begriff sich über die vielen Jahre seit seinem erstmaligen „Erscheinen“
sukzessive weiterentwickelt hat, dazu Unterschiede in der Definition bzw. dem
Verständnis
von
Lean
bestehen,
sowie
Unterschiede
in
Bezug
zu
Unternehmenskulturen, Ländern sowie weiteren Merkmalen existieren und ebenso
die Aufgaben und das Rollenbild von Human Resources einem ständigen Wandel
unterliegen, werden in dieser Arbeit die verschiedenen Ausprägungen von Lean
Human Resources in Theorie und Praxis herausgearbeitet. Die Ausführungen in
Kapitel 1.2 lassen ebenso den Schluss zu, dass einerseits Lean, im Speziellen aber
Lean Human Resources auch oftmals nicht explizit in diesen Begrifflichkeiten
auftreten, sondern als Prinzipien und Attribute beschrieben werden, die auf Lean
oder Lean Human Resources hinweisen.
Ziel dieser Master Thesis ist, über eine Literaturanalyse ein theoretisches Bild bzw.
eine theoretische Annäherung zu Lean Human Resources gemäß der formulierten
Forschungsfrage zu erarbeiten und mittels der Empirie der in Unternehmen praktisch
zur
25
Anwendung
gelangenden
Herangehensweise
gegenüberzustellen.
Ein
Vgl. Bruhn/Hölzle 2010: 1 ff.
9
besonderes Augenmerk wird auf das Herausarbeiten von Lean bzw. Lean Human
Resources Attributen im Kontext der Forschungsfrage gelegt, um herauszufinden, in
welchen Formen und Ausprägungen Lean Human Resources auftreten kann, selbst
wenn dieser Begriff nicht ausdrücklich verwendet bzw. angewendet wird.
Um in der Forschungsfrage einen Bezug zur betrieblichen Praxis herstellen und eine
entsprechende inhaltliche Einschränkung bei der Formulierung vornehmen zu
können, wurden 3 Top-Prioritäten aus dem Executive Summary der Studie „HRBenchmark 2011“ ausgewählt, die Human Resources in den untersuchten
österreichischen Unternehmen innerhalb der Studie beschäftigen:26



„Die strategische Einbindung von HR (Human Resources) in die Gestaltung des
Gesamtunternehmens ist auf der Prioritätenliste für PersonalistInnen weiterhin
ganz oben. In dieser neuen Rolle kann HR die Unternehmensplanung
mitgestalten, aber nun auch wesentlich besser verstehen. Die Ausrichtung der
HR-Leistungen an umzusetzenden Geschäftsaktivitäten wird erst möglich, wenn
die Stoßrichtungen bekannt sind.“
„Die Führungskräfteentwicklung und die Organisationsentwicklung sind – wie
schon die Jahre zuvor – jene HR-Themen, die von PersonalistInnen als höchste
Priorität eingestuft werden.“
„Die Arbeit an den HR-Prozessen steht ganz weit oben auf der Agenda von
Österreichs PersonalistInnen. Viele HR-LeiterInnen arbeiten bereits aktiv am
Management ihrer Prozesse, andere überlegen aktuelle diesbezügliche
Weiterentwicklungen. Die Bereitstellung stabiler und effizienter HR-Prozesse, die
aufeinander abgestimmt und im Idealfall IT-gestützt sind, wird zur unverzichtbaren
Basis jeder Personalabteilung.“
In Anlehnung an diese 3 Prioritäten wurde nachfolgende Forschungsfrage formuliert.
Zentrale Forschungsfrage:
Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean
Human Resources und welche Auswirkungen hat konkret die Einführung von Lean
auf die Position sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources
sowie
im
Besonderen
auf
die
Personalentwicklungsmaßnahmen
Aus- und
Weiterbildung sowie Karrieremanagement?
26
Schmidt et al. 2011: 4 f.
10
Die Operationalisierung der zentralen Forschungsfrage führt zu den folgenden
Subfragen, welche gleichzeitig die Basis für die offenen Fragen im LeitfadenInterview (siehe Anhang B) bilden:

Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter
Lean?

Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter
Lean Human Resources?

Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der
Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines
Unternehmens?

Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf das Rollenbild der
Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines
Unternehmens?

Welche
Auswirkungen
hat
Personalentwicklungsmaßnahmen
die
Einführung
Aus-
von
und
Lean
auf
Weiterbildung
die
sowie
Karrieremanagement?
Die Ergebnisse dieser Master Thesis sollen Einblick in das gegenwärtige Verständnis
von Lean Human Resources in der Theorie und in der betrieblichen Praxis
gewähren, die verschiedene Zugänge zu dieser Thematik beschreiben und einige
Handlungsempfehlungen für Unternehmen, welche im Kontext der Forschungsfrage
Aktivitäten setzen sind, aufzeigen.
1.4 Aufbau der Arbeit und Forschungsablauf
Der Aufbau dieser empirischen Arbeit erfolgt in Anlehnung an das Modell zum
Ablaufplan einer empirischen Arbeit nach Spindler, Steger.27
Im 1. Kapitel „Einleitung“ erfolgt eine Hinführung zum Thema, die Ausführung der
Problemstellung und Relevanz des Themas sowie das Ziel dieser Master Thesis und
die Angabe der Forschungsfrage und der operationalisierten Sub-Fragen. In weiterer
Folge werden der Aufbau dieser Arbeit und der Forschungsablauf beschrieben.
27
Spindler/Steger 2010: 44
11
Das 2. Kapitel „Theoretischer Teil“ beschäftigt sich mit der theoretischen Fundierung
der Forschungsfrage und Sub-Fragen. Durch die Gewinnung von Textmaterial
hauptsächlich aus der Lean- und Human Resources-Literatur erfolgt eine
theoretische Positionierung bzw. Annäherung an die Forschungsfrage. Zu Beginn
des Kapitels erfolgt die Erklärung der Begriffe Human Resources und Lean im
Kontext
dieser
Arbeit.
Danach
folgen
grundsätzliche
Überlegungen
zur
Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von Effizienz und Effektivität. Im Kapitel 2.5
erfolgt eine theoretische Annäherung zu Lean Human Resources durch eine
Literaturanalyse von relevanten Werken in Bezug zu Lean sowie eine Analyse von
HR-Literatur, um Bezüge sowie Hinweise zu Lean sowie Lean Human Resources zu
identifizieren. Zum Abschluss von Kapitel 2 erfolgen eine Zusammenfassung der
Theorie, die Teilbeantwortung der Forschungsfrage aus theoretischer Sicht sowie
eine Überleitung zum empirischen Teil.
Kapitel 3 „Empirischer Teil“ beschreibt zuerst die Vorgehensweise bei der
Methodenauswahl
Untersuchung
für
wurde
die
die
empirische
qualitative
Untersuchung.
Methode
des
Für
die
empirische
teilstrukturierten,
nicht
standardisierten Leitfadeninterviews mit offenen Fragen gewählt. Nach der
Auswertung und Darstellung der Ergebnisse erfolgt eine empirisch-analytische
Zusammenfassung und Teilbeantwortung der Forschungsfrage aus empirischer
Sicht.
Im Kapitel 4 „Zusammenfassung der Ergebnisse aus Theorie und Empirie“ erfolgt
zuerst die Zusammenführung von Theorie und Empirie und in weiterer Folge die
Beantwortung der Forschungsfrage. Abschließende Schlussfolgerungen leiten zu
den Auswirkungen auf die betriebliche Praxis über.
2
Theoretischer Teil
2.1 Die englischen Begriffe Lean und Human Resources im
deutschsprachigen Kontext dieser Master Thesis
Da diese Master Thesis einen englischsprachigen Titel trägt, soll zu Beginn dessen
englischsprachliche Herkunft in der deutschsprachigen Übersetzung dargelegt und
die konkrete Bedeutung in Bezug auf diese Arbeit hergestellt werden, bevor ab
12
Kapitel 2.2 die inhaltliche Definition von Lean und Human Resources im Kontext
dieser Arbeit eingehender erfolgt.
Schlägt man im Langenscheidt Studienwörterbuch Englisch unter „Lean“ nach,
finden sich mehrere Gruppen von Einträgen zur entsprechenden deutschsprachigen
Übersetzung. Die erste angegebene Übersetzung für das Adjektiv „lean“ lautet:
mager, schmal, hager sowie schlank. In Kombination mit einem Subjekt findet sich
dort u.a. die Bezeichnung „Lean Production“, welche mit schlanker Produktion
übersetzt wird.28
Im Kontext dieser Master Thesis steht die englische Bezeichnung „Lean“ sowohl in
seiner Verwendung als Adjektiv, als auch als Kombination mit einem Subjekt für den
Begriff „schlank“.
Unter
dem
Eintrag
„Human
Resources“
findet
sich
die
deutschsprachige
Übersetzung „Arbeitskräftepotenzial“.29
Der Begriff „Human Resources“ steht im Kontext dieser Master Thesis für die
Organisationseinheit Personalwesen, also die Personalabteilung selbst, sowie ihrer
Rolle, Aktivitäten und Aufgaben. Die englischsprachige Bezeichnung „Human
Resources“ kommt in dieser begrifflichen Bedeutung in der betrieblichen Praxis
immer häufiger zur Anwendung. Dies ist möglicherweise auf die zunehmende
Internationalisierung von Unternehmen und den in diesem Zusammenhang stärker
werdenden Gebrauch von angloamerikanisch geprägten Bezeichnungen in der
globalisierten Wirtschaft zurückzuführen (siehe zum Vergleich auch Kapitel 2.2.4, wo
der typische Weg von aus den USA kommenden
HRM-Trends bzw. HRM-
Innovationen und deren weltweiter Verbreitung beschrieben wird).
Die Wortkombination „Lean Human Resources“, welche den Titel dieser Arbeit
darstellt, ist Forschungsgegenstand dieser Master Thesis und wird theoretisch und
empirisch im Kontext der Forschungsfrage erarbeitet.
28
29
Vgl. Langenscheidt Redaktion 2005: 359
Vgl. Langenscheidt Redaktion 2005: 306
13
2.2 Grundlagen: Human Resources im Kontext der
Forschungsfrage
Nach Wunderer/Dick30 kann die Rolle von PersonalmanagerInnen in 2 Dimensionen
dargestellt werden:

Hierarchische Dimension

Funktionale Dimension (Beitrag zur Zielerreichung oder Aufgabenerfüllung)
2.2.1 Positionierung der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der
Organisationsstruktur eines Unternehmens
Holtbrügge beschreibt nachfolgende Möglichkeiten der hierarchischen Positionierung
der Personalabteilung in einem Unternehmen:31





„Der Leiter der Personalabteilung ist Mitglied der Unternehmensleitung
(Personalvorstand).
Die Personalleitung untersteht dem Vorsitzenden der Unternehmungsleitung.
Die Personalleitung untersteht einem Mitglied der Unternehmungsleitung.
Die Personalleitung untersteht der Unternehmungsleitung als Ganzes.
Die Personalleitung untersteht einer Instanz unterhalb der
Unternehmungsleitung.“
Als einen von mehreren Einflussfaktoren hinsichtlich der Positionierung nennt
Holtbrügge
die
Einstellung
des
Top-Managements
zum
Stellenwert
der
Humanressourcen und betont gleichzeitig, dass sich die zunehmende Bedeutung
von
Human
Resources
Personalleitung ausdrückt.
in
einer
höheren
hierarchischen
Einordnung
der
32
Jung33 weist in ähnlicher Form darauf hin, dass die organisatorische Einbettung
sowie die Stellung von Human Resources innerhalb eines Unternehmens davon
abhängig ist, welche Bedeutung dem Personalmanagement beigemessen wird. Auch
die Sichtweise, dass Personal (die MitarbeiterInnen) ein Erfolgsfaktor für das
Unternehmen darstellt, hat zu einer Veränderung der Aufgaben von rein
administrativen hin zu gestaltenden Funktionen für die Personalabteilung geführt mit
der Folge einer entsprechenden hierarchischen Positionierung.
30
Vgl. Wunderer/Dick 2006: 226 f.
Holtbrügge 2010: 58
32
Vgl. Holtbrügge 2010: 58
33
Vgl. Jung 2006: 29
31
14
Jung führt in weiterer Folge aus, dass die organisatorische Einordnung innerhalb der
Aufbauorganisation u.a. von der Größe und Struktur des Unternehmens abhängig ist.
Er betont, dass Human Resources aber in jedem Fall als zentralisierte
Funktionseinheit einen hierarchisch hohen Rang einnehmen sollte. Entsprechend der
jeweiligen Struktur kann Human Resources innerhalb einer Linien-, Sparten-, oder
Matrixorganisation eingebettet sein.34
Der von Kienbaum Consultants International publizierte HR-Klima Index 2012, für
den 418 Personalverantwortliche in Deutschland, Schweiz und Österreich (88
Personalverantwortliche)
Personalleitung
bei
befragt
26%
wurden,
der
zeigt,
österreichischen
dass
in
Österreich
Unternehmen
auf
die
Ebene
Vorstand/Geschäftsführung, bei 68% auf der 1. Ebene darunter und bei 6% auf der
2. Ebene darunter angesiedelt ist.35
2.2.2 Rollenbilder der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der
Organisationsstruktur eines Unternehmens
Die funktionale Dimension kann z.B. hinsichtlich des Rollenmodells nach Dave Ulrich
dargestellt werden.
Irion/Schmidt-Schröder36 beschreiben die mit einer HR-Strategie verbundenen
Rollenbilder des Personalmanagements als Ausgangspunkt für PerformanceMessung anhand der von Dave Ulrich entwickelten Rollen. Sie erläutern weiter, dass
Dave
Ulrich
Mitte
der
90er
Jahre
die
Rolle
des
Personalmanagements
umschrieb, indem er zwischen strategischem und operativem Fokus einerseits und
System- und Personenorientierung anderseits unterschied (siehe Abbildung 2).
Daraus leitete er allgemeine Rollen des Personalmanagements ab (siehe Spalte
„Metaphor“ in Abbildung 3):

Strategic Partner / Change Agent / Administrative Expert / Employee Champion
34
Vgl. Jung 2006: 30 ff.
Vgl. Kirch/Prinz 2012: 4
36
Vgl. Irion/Schmidt-Schröder 2006: 31
35
15
Die Nummerierung in Abbildung 2 stellt einen Bezug zu der Nummerierung in
Abbildung 3 her und wurde vom Autor ergänzt.
1
4
2
3
Abbildung 2: HR Roles in Building a Competitive Organization
37
1
2
3
4
Abbildung 3: Definition of HR Roles
38
In einer deutschsprachigen Übersetzung der 4 Rollen werden diese von
Wunderer/Dick wie folgt wiedergegeben:39




„Strategischer Partner der Geschäftsleitung
Administrativer Experte
Mitarbeiter-Helfer
Change Agent“
37
Ulrich 1997: 24
Ulrich 1997: 25
39
Wunderer/Dick 2006: 227
38
16
Wunderer/Dick charakterisieren auf Basis dieses Modells die 4 Rollen in
nachfolgender Abbildung:40
Abbildung 4: Die Rollen von PersonalmanagerInnen
41
Ulrich weist in seinem Buch 1997 darauf hin, dass HR ProfessionistInnen oftmals in
der Rolle „Business Partner“ beschrieben werden, diese Bezeichnung aber nicht
umfassend, sondern nur sehr eng mit der Charakterisierung als „Strategic Partner“
assoziiert wird. Ulrich schlägt daher ein dynamischeres und umfassenderes Konzept
zur Beschreibung des „Business Partners“ vor, welche sich durch die gleichzeitige
Ausübung aller 4 Rollen seines Modells kennzeichnet (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5: HR Business PartnerIn Modell nach Dave Ulrich
42
– eigene Darstellung
40
Wunderer/Dick 2006: 227
Wunderer/Dick 2006: 227
42
Vgl. Ulrich 1997: 37
41
17
Ulrich betont, dass jede einzelne der 4 Rollen wichtiger Bestandteil des umfassenden
Business PartnerIn Rollenbildes ist. Die Rollen sollen auch gleichberechtigt
betrachtet werden. Der/die HR Business PartnerIn leistet einen wichtigen
Unternehmensbeitrag durch die Strategieumsetzung, administrative Effizienz, einer
Verpflichtung
gegenüber
den
MitarbeiterInnen
sowie
durch
Wandel
der
Unternehmenskultur.43
Ulrich/Brockbank44 entwickelten 2005 den Ansatz auf 5 generelle Rollen weiter:

Employee Advocate / Functional Expert / Human Capital Developer / Strategic
Leader / HR Leader
Diese 5 Rollenbilder fokussieren auf den Wertschöpfungsbeitrag von HR. Sie lassen
sich auf die Rollen von 1997 zurückführen (siehe Abbildung 6).45
Abbildung 6: Comparison of HR Roles in the Ulrich and Brockbank (2005b) model and the Ulrich
(1997) model
46
43
Vgl. Ulrich 1997: 38 – teilweise übersetzt durch den Autor
Vgl. Irion/Schmidt-Schröder 2006: 31
45
Vgl. Torrington/Hall/Taylor 2008: 784 – übersetzt durch den Autor
46
Torrington/Hall/Taylor 2008: 784
44
18
Irion/Schmidt-Schröder47 weisen darauf hin, dass beide Modelle (aus 1997 und 2005)
die Rolle des Personalmanagements sowohl hinsichtlich ihrer Steuerungs- als auch
Supportfunktion hervorheben (= strategische vs. operative Ausrichtung). Das in der
Vergangenheit häufig negativ betrachtete Personalmanagement resultierte in einer
zu starken Systemorientierung mit operativem Fokus. Das moderne Bild des
Personalmanagements geht mittlerweile über die Personaladministration hinaus. Die
Gestaltung der Unternehmenskultur und die Personalentwicklung verbunden mit der
strategischen Ausrichtung des Unternehmens sind neue Themen, welche durch das
Personalmanagement u.a. durch Coaching- und Change-Management-Maßnahmen
begleitet werden.
Das Business PartnerIn-Modell wird auch in Umfragen eingebaut. Der von Kienbaum
Consultants
International
Personalverantwortliche
publizierte
in
HR-Klima
Deutschland,
Index
Schweiz
2012,
und
für
den
418
Österreich
(88
Personalverantwortliche) befragt wurden, zeigt, dass in Österreich Human Resources
von 51% der befragten Personen als „Business PartnerIn“ gesehen (stark bis sehr
stark) wird. 46% sehen diese Rolle als wenig bis weniger stark. Hinsichtlich der
Präsenz von Human Resources in strategischen Projekten bzw. Initiativen weisen die
österreichischen HR-Abteilungen einen etwas geringeren Mitwirkungsgrad auf (so
sind zum Vergleich die Schweizer Personalbereiche zu über einem Drittel stark
eingebunden).48
2.2.3 Modelle zur Umsetzung der HR-Arbeit
Ausgehend von den Arbeiten von Dave Ulrich hat sich ein 3-Säulen-Modell der HRFunktion für die Umsetzung von HR-Arbeit herausgebildet. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass vor allem in größeren Unternehmen dieses 3-Säulen-Modell
(siehe Abbildung 7) das integrierte HR-Modell abgelöst hat, wonach bisher alle
Rollen von HR selbst durchgeführt wurden.49
47
Vgl. Irion/Schmidt-Schröder 2006: 31
Vgl. Kirch/Prinz 2012: 4
49
Vgl. Torrington/Hall/Taylor 2008: 785 f. – übersetzt durch den Autor
48
19
Strategic/
business roles
•working with senior
managers and business
leaders on business
issues, strategic
organisational change
and design
Shared service centers,
outsourcing contractors,
and HR intranet support
• all focusing on
administrative and
routine issues
Centers of HR expertise
• providing specialist
support to the service
centres, providing expert
advice and being
involved in the design of
HR policy and activities
Abbildung 7: 3-Säulen-Modell/Three-legged HR structure – eigene Darstellung
50
Kienbaum Consulting51 gibt an, dass ihre Studien belegen, dass sich das 3-SäulenModell in der Praxis bereits weitgehend durchgesetzt hat. Sie beschreiben die
Aufgaben innerhalb der 3 Säulen nachfolgend:

HR Business PartnerIn: Beratung und Unterstützung der Führungskräfte

Center of Competence/Center of Expertise: Entwicklung und Steuerung
moderner Personalprozesse und –instrumente

Shared Service Centers: Effiziente Abwicklung von HR Basisprozessen (z.B.
Abrechnung) und Bearbeitung von Standard-MitarbeiterInnenfragen.
Capgemini skizziert dazu ein mögliches HR Service Modell für die Praxis:
Abbildung 8: HR Service Delivery-Modell – „Trias plus Technologie“
52
50
Torrington/Hall/Taylor 2008: 786
Vgl. [Internet]: <http://www.kienbaum.de/desktopdefault.aspx/tabid-409/550_read-1185/> 3. Oktober
2012
52
Kern/Köbele 2011: 14
51
20
Capgemini beschreibt in ihrer „Studie HR Business Partner“ die Rollen ihres Modells
wie folgt:53
Zu Abbildung 8/Nr.1:

„Kostenoptimierte und qualitätsgesicherte Bereitstellung von transaktionsorientierten HR-Dienstleistungen, am besten durch standardisierte, automatisierte
und zentralisierte Shared Service Center (SSC). Diese Dimension stellt derzeit
eine gewaltige Gestaltungsaufgabe für viele Unternehmen dar. Sie wird aber in
dieser Analyse nicht weiter vertieft, obwohl hier die Technologisierung von HR
übrigens oft einen richtigen Quantensprung bedeutet.“
Zu Abbildung 8/Nr. 2:

„Übersetzung von Business-Problemen in HR-Lösungen bzw. von HRHerausforderungen in Business-Ergebnisse durch ‚Kundenbetreuer’ oder – wie
inzwischen weithin geläufig – (Human Resources) Business Partner. Diese
Dimension steht im Zentrum dieser Studie und der folgenden Darstellungen.
Dabei geht das Konzept des Business Partner weit über das traditionelle des
Personalreferenten hinaus.“
Zu Abbildung 8/Nr. 3:

„Effiziente und kompetente Beantwortung von Spezialfragen und Lösung von
kaum skalierbaren Problemstellungen aus dem breiten Set von HR
Expertenthemen, oft mit Richtliniencharakter wie etwa Arbeitsrecht,
Compensation & Benefits oder Gesundheitsmanagement durch kleinformatige
Centers of Expertise (CoE) bzw. Centers of Competence (CoC). Hier werden
‚Strategies’ entwickelt, ‚Policies’ gestaltet und die Grenzziehung zu ‚Operations’
und ‚Politics’ in der tagtäglichen Mikropolitik des Unternehmens getestet. Dieses
spannende Themenfeld bleibt in dieser Studie ebenfalls außen vor.“
Zu Abbildung 8/Nr. 4:

„Zudem werden dem Mitarbeiter bzw. der Führungskraft – gewissermaßen als
Vorfilter für einfache Fragestellungen und vermeintliche Serviceangebote –
Employee Self Service (ESS), Managers Self Service (MSS) mit Intranet- und
Internet-Anwendungen sowie Kiosk-Lösungen bei fehlender flächendeckender ITVernetzung angeboten.“
2.2.4 Komparatives HRM und die HRM Organisation
Brewster/Mayrhofer weisen darauf hin, das Human Resource Management (als
Studienobjekt in den USA Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre entdeckt mit
der Betonung einer HR-Rolle, die über Personaladministration hinausgeht), wie es in
53
Claßen/Kern 2006: 9
21
der Praxis umgesetzt wird, von Kontext zu Kontext variiert. Kontexte sind z.B. das
jeweilige Land, in dem HRM durchgeführt wird und die Art und Weise, wie HRM in
seiner jeweiligen Bedeutung und seinem Zweck umgesetzt wird. HRM-Trends und
Innovationen haben meist folgende Weg: Von den USA ausgehend, über
Großbritannien, über die BENELUX-Länder nach Deutschland, Frankreich und
danach weiter nach Südeuropa; und danach zum Rest der Welt. Dabei wird aber
nicht berücksichtigt, dass HRM mit amerikanischer Prägung letztlich in jedem Land
unterschiedlich zur Anwendung gelangt. Komparatives HRM als Forschungsfeld
beschäftigt sich damit, die Unterschiede in den Kontexten in den verschiedenen
Ländern (inklusive dem Grad der Veränderung über die Zeit) zu verstehen und zu
erklären. Ein besonderer Fokus in der Forschung liegt vor dem Hintergrund der
Globalisierung auf der sich abzeichnenden weltweiten Harmonisierung von HRM und
in wie weit dabei die Länder ihre jeweilige unverwechselbare, nationale HRMPrägung beibehalten.54
Komparatives HRM beschäftigt sich mit HRM-Forschung vor dem Hintergrund
nationaler, kultureller und regionaler Unterschiede.55
Brewster/Mayrhofer betonen, dass es nur eine geringe Übereinstimmung hinsichtlich
der Wortbedeutung HRM gibt, sich aber 2 Kategorien unterscheiden lassen:56

HRM als Objekt: Diese Definition umfasst alle Prozesse einer Organisation zur
Sicherstellung des Einsatzes von Arbeitskräften für den Geschäftsablauf.
Dazu gehören die traditionellen Themen des Personalmanagements wie z.B.
Personalplanung, -training, -entwicklung, etc. sowie Untervergabe von
Arbeitsleistungen an Externe, weiters Outsourcing und alle Formen von HRArrangements, wenn MitarbeiterInnen nicht fix angestellt sind.

HRM als Beitrag zur Organisations-(Geschäfts-)Effizienz. Diese Definition wird
auch als strategisches HRM bezeichnet und beschäftigt sich hauptsächlich mit
den Aktivitäten des Managements und jenen Praktiken, die das Management
übernehmen kann, um Effektivität und Effizienz zu steigern.
54
Vgl. Brewster/Mayrhofer 2012: 1 f. – übersetzt durch den Autor
Vgl. Brewster/Mayrhofer 2012: 5 – übersetzt durch den Autor
56
Vgl. Brewster/Mayrhofer 2012: 3 f. – übersetzt durch den Autor
55
22
Die Autoren betonen, dass auch diese Definitionen von Forschern unterschiedlich
betrachtet werden können. Die Gründe dafür sind: Unterschiede in ihrem
institutionellen und kulturellen Kontext, unterschiedliche historische Vorgeschichten
in Bezug auf die Forschungsziele, unterschiedlicher Erklärungsbedarf hinsichtlich
praktischer Probleme.
Brandl et al. weisen darauf hin, dass HRM nicht eindeutig einer speziellen Person
oder Einheit innerhalb einer Organisation zugeordnet werden kann. Stattdessen
umfasst die HRM-Arbeit HRM-SpezialistInnen, Linienverantwortliche und das Top
Management.57
Brandl et al. differenzieren zwischen 3 Formen, wie HRM organisiert werden kann:
NeoKlassische
HRM
Organisation
Klassische
HRM
Organisation
Moderne
HRM
Organisation
Formen
von
HRM
Abbildung 9: Optionen für die HRM Organisation – nach Brandl et al. – eigene Darstellung
58
Brandl et al. charakterisieren diese Formen wie folgt:59

Klassische HRM Organisation: Hoher Standardisierungsgrad der HRMTätigkeiten; Hauptverantwortung ist die Administration der HRM-Prozesse. Die
HRM-Aufgaben
sind
„UmsetzerInnen“
zentralisiert
der
und
Vorgaben
die
der
Linienverantwortlichen
HRM-Abteilung.
sind
Die
Linienverantwortlichen benötigen in diesem Modell nur geringe HRMFähigkeiten.
Der
Austausch
von
HRM-MitarbeiterInnen
sowie
die
Externalisierung von HRM-Tätigkeiten sind sehr einfach. Dies reicht von der
Schaffung von „Centers of Expertise“ bis hin zum Outsourcing sämtlicher
57
Vgl. Brandl et al. 2012: 239 – übersetzt durch den Autor
Vgl. Brandl et al. 2012 : 240 ff. – übersetzt durch den Autor
59
Vgl. Brandl et al. 2012: 240 ff. – übersetzt durch den Autor
58
23
HRM-Tätigkeiten. Die Autoren weisen darauf hin, dass empirische Studien
belegen, dass dieses Modell das am häufigsten in der Praxis angewendete ist.

Neo-Klassische
HRM
Organisation:
Verhaltensorientierter
Zugang
zur
Organisation mit starkem Abhängigkeitsverhältnis zwischen HRM-Abteilung
und Linienverantwortlichen. HRM-Abteilung unterstützt Linienverantwortliche
bei der Umsetzung der HRM-Aufgaben und gleichzeitig benötigt HRMAbteilung Feedback seitens des Managements zur Entwicklung umsetzbarer
Lösungen.
Fähigkeiten
der
HRM-MitarbeiterInnen
werden
jenen
der
Linienverantwortlichen ähnlicher und umgekehrt. HRM-Abteilung entwickelt
Business-Kompetenz während gleichzeitig die Linienverantwortlichen HRMKompetenzen entwickeln. Durch diesen höheren Fähigkeiten-Level wird es
zunehmend
schwieriger,
HRM-Aufgaben
und
–MitarbeiterInnen
auszutauschen.

Moderne HRM Organisation: HRM-Arbeit ist eine Aufgabe von allen
ManagerInnen und sogar allen Organisations-Mitgliedern, da diese Form von
HRM mit hoch komplexen, dynamischen Umwelten mit unkontrollierbaren
Entwicklungen gekennzeichnet ist. Die HRM-Strukturen sind dezentral,
flexibel, informell, nicht linear und einem Prozess der ständigen Veränderung
unterworfen.
HRM-Spezialisten
und
Linienverantwortliche
teilen
ihre
Personalentwicklung
alle
Erfahrungen und haben ähnliche Fähigkeiten und Hintergründe.
2.2.5 Personalentwicklung allgemein
Nach
Holtbrügge60
bilden
den
Gegenstand
der
planmäßigen und zielgerichteten Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung sowie des
Karrieremanagements, welche der individuellen beruflichen Entwicklung und
Förderung der MitarbeiterInnen dienen und diesen unter Beachtung ihrer
persönlichen Interessen und Bedürfnisse die zur Wahrnehmung ihrer gegenwärtigen
und zukünftigen Aufgaben notwendige Qualifikation vermitteln. Bei der Anreizwirkung
der Personalentwicklung unterscheidt man zwischen der Finalfunktion (= der
Aktivierung
und
Entwicklung
latent
vorhandener
Fähigkeiten)
und
der
Instrumentalfunktion (für eine mögliche Beförderung).
60
Vgl. Holtbrügge 2010: 124
24
Personalentwicklung verfolgt die folgenden Ziele:61

Verbesserung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen

Anpassung der Qualifikation der MitarbeiterInnen an veränderte
Arbeitsanforderungen

Erhöhung der Flexibilität der MitarbeiterInnen

Steigerung der MitarbeiterInnenzufriedenheit und –loyalität

Verbesserung des Unternehmensimage

Sicherung eines qualifizierten MitarbeiterInnenstammes

Befriedigung individueller Bedürfnisse und bildungspolitischer Ansprüche
Mayerhofer/Michelitsch-Riedl62 weisen darauf hin, dass das Verständnis und die
gesetzten Aktivitäten, die unter dem Begriff Personalentwicklung verstanden werden,
ebenso der Veränderung unterliegen, wie die Rolle von Personalmanagement im
Unternehmen insgesamt. Demnach lassen sich nachfolgende Phasen darstellen:63
Phase 1
Ab ca. 1950
Steuerung des Sozialsystems
PE als AdministratorIn
Phase 2
Ab ca. 1965
Instandhaltungs- und
Reparaturbetrieb
Phase 3
Ab ca. 1975
PE als LückenfüllerIn
Anerkannte Servicefunktion durch
strukturierte Personalentwicklung
PE als DienstleisterIn
Phase 4
Ab ca. 1985
Strategische Personalentwicklung
PE als strategische/r MitspielerIn
Phase 5
Ab ca. 1995
Integrierte PE und UE
PE als InitiatorIn für soziale und
kulturelle Innovation
Phase 6
Ab ca. 2000
Diversität in der PE
PE als FördererIn von





De facto keine PE
Neue Führungsstilkonzepte
Psychologische Eignungstest
„Entertainment without Development“
Anpassungsqualifizierung (zukünftiger)
Führungskräfte
 Motivationsprogramme
 Maßgeschneiderte Serviceangebote für
Abteilungen
 PE-Programme für PotenzialträgerInnen
 Schwerpunkt Führungskräfteplanung und
-auswahl
 Personalbestandsanalysen und
strategische Einbindung
 Human-Ressourcen als Engpassfaktor
 Internationalisierung
 Begleitung von UE-Prozessen
 Strategie folgt Personal und Personal folgt
Strategie
 Qualifikationsmanagement/Wissenskapital einer Organisation als
Erfolgsfaktor
 Breitbandqualifizierung und Bindung der
Stammbelegschaft
 Individualisierte Karrierestrukturen und wege
 Zielgruppenspezifische Förderung
 Kompetenzmodelle und
Kompetenzmanagement
61
Vgl. Holtbrügge 2010: 124
Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 407
63
Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 407 f.
62
25
Internationalisierung und High
Potentials
Phase 7
Ab ca.
2008/2009
PE in der Krise –
Krisenbewältigung durch PE?
PE als Kostenfaktor und zur
Bindung von Talenten
 Internationalisierung großer
Belegschaftsgruppen
 Berücksichtigung der Diversität des
Personals: Alter,
Generationenunterschiede, Migration,
Work-Life-Balance
 Reaktion auf globale Finanz- und
Wirtschaftskrise:
o Einsparungen insbesondere im
Weiterbildungsbereich
o Intensiver Aufbau von Kompetenzen
 Identifizierung und Bindung von
qualifizierten Fach- und Führungskräften
mit Entwicklungspotenzial (Talent
Management)
Tabelle 1: Phasen der PE
64
Unabhängig von der zeitlichen Abfolge findet sich in der heutigen betrieblichen
Praxis
die
praktische
Ausgestaltung
von
PE
in
Unternehmen
mit
Schwerpunktsetzungen von Phase 1 bis 7.65
Mayerhofer/Michelitsch-Riedl66 betonen die Bedeutung von qualifiziertem und
motiviertem Personal als zentrale unternehmerische Ressource im dynamischen
Wettbewerb. Die Personalentwicklung übernimmt in diesem Zusammenhang
verschiedene Rollen: planerisch, gestalterisch, informierend, beratend.
Becker sieht den Begriff der Personalentwicklung weit gefasst, von der Bildung zur
Förderung bis hin zur Organisationentwicklung, wie Abbildung 9 zeigt:
Abbildung 10: Inhalte der Personalentwicklung
67
64
Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 407 f.
Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 410
66
Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 462
67
Becker 2009: 5
65
26
Becker weist darauf hin, dass aufgrund der Geschwindigkeit, wie sich Unternehmen
entwickeln, die Personalentwicklung durch eine entsprechende Dynamik betroffen
ist. Durch die Verschiedenartigkeit und Vielfalt der PE-Umwelten
muss die
Personalentwicklung eine entsprechende Komplexität bewältigen. Diese Faktoren
bewirkten, dass neue systematische Förderungsinstrumente (wie z.B. strukturierte
MitarbeiterInnen-Gespräche, Nachfolge- und Karriereplanung, etc.) hinzugekommen
sind. Diese Ausweitung basiert auf der Tatsache, dass durch Rationalisierungen und
Produktinnovationen hoch qualifizierte und motivierte MitarbeiterInnen erforderlich
sind,
die Schlüsselpositionen
einnehmen.
Durch
„Lean“ getrimmte
knappe
Personalressourcen wird jeder/jede MitarbeiterIn zum „Unikat“. Eine entsprechende
systematische Förderung sorgt für ein entsprechend zur Verfügung stehendes
Humanvermögen.68
2.2.6 Personalentwicklung am Beispiel der Aus- und Weiterbildung
Aus- und Weiterbildung ist dann erforderlich, wenn es gilt, Unterschiede zwischen
den
Arbeitsanforderungen
und
dem
Eignungsprofil
der
MitarbeiterInnen
auszugleichen. Inhaltlich wird dabei zwischen der Vermittlung von Fachwissen
(knowledge), Erweiterung von Fähigkeiten (skills) sowie der Bildung neuer
Einstellungen (attitudes) unterschieden. Dabei hat die Bildung von neuen
Einstellungen den langfristigen Horizont im Auge, da jene tief in der Persönlichkeit
der MitarbeiterInnen verankert sind.69
Für die Vermittlung bzw. Umsetzung entsprechender Maßnahmen stehen dafür
nachfolgende Möglichkeiten zur Verfügung:
Abbildung 11: Konzepte der Personalentwicklung
70
68
Vgl. Becker 2009: 14 f.
Vgl. Holtbrügge 2010: 126 f.
70
Thom/Zaugg 2007: 14
69
27
Thom/Zaugg71 sehen die Entwicklung weg von einer ressourcenorientierten hin zu
einer kompetenzorientierten Unternehmensführung mit primärer Ausrichtung auf das
intellektuelle Kapital. Daraus ergeben sich u.a. folgende Konsequenzen für die
Personalentwicklung:

Vorgesetzte werden zu Coaches der MitarbeiterInnen

Steigende Bedeutung von effektiven Lernformen und on the Job-Maßnahmen
Dies geschieht z.B. durch E-Learning, Counselling (Beratung von Vorgesetzten
durch MitarbeiterInnen), Coaching, Teamentwicklung, Projektarbeit, Job Rotation,
Bildung autonomer Arbeitsgruppen.72
2.2.7 Personalentwicklung am Beispiel Karrieremanagement
Nach Holtbrügge befasst sich das Karrieremanagement mit der effizienten Nutzung
von
Fachwissen,
Unternehmens-
Fähigkeiten
und
und
Einstellungen
MitarbeiterInnenziele.
zur
Dabei
unternehmungsorientiertem
Verwirklichung
kann
der
zwischen
individuumsorientiertem
und
Karrieremanagement
unterschieden werden.
Beim individuumsorientierten Karrieremanagement wird
zwischen einer statischen und dynamischen Perspektive unterschieden. Bei der
statischen Perspektive stehen die Ermittlung von Anforderungsprofilen einer Position
und der Abgleich mit den Eignungsprofilen der MitarbeiterInnen im Vordergrund,
welche in regelmäßigen Abständen überprüft werden. In der dynamischen
Perspektive steht die Festlegung von Positionsfolgen im Mittelpunkt, welche die
MitarbeiterInnen während der Unternehmenszugehörigkeit durchlaufen können.73
Thom/Zaugg weisen darauf hin, dass durch die verstärkte Globalisierung und den
zunehmenden
Zeitdruck,
vielfach
unternehmensinterne
Umstrukturierungen
durchgeführt werden, welche sich durch einen Abbau von Führungsebenen und einer
damit verbundenen Reduktion von Positionen bemerkbar machten. Vor diesem
Hintergrund bilden sich (vor allem in Großunternehmen) neue alternative
Karrieremodelle heraus:74
71
Vgl. Thom/Zaugg 2007: 35 f.
Vgl. Thom/Zaugg 2007: 36
73
Vgl. Holtbrügge 2010: 135 ff.
74
Vgl. Thom/Zaugg 2007: 11 f.
72
28
Abbildung 12: Die alternativen Karrieremodelle
75
2.3 Grundlagen: Die Lean-Historie vom Toyota Production System
zu Lean Six Sigma
Im Kapitel 1.1 wurde bereits die Namensherkunft von „Lean“ bzw. „Lean Production“
beschrieben. Aber wie kam es dazu, dass Toyota die zuvor erwähnte Pionierarbeit in
der „schlanken Produktion“ leistete?
2.3.1 Die Anfänge des Toyota Production Systems als Basis für Lean
Toyota war nach Ende des 2. Weltkrieges im Vergleich zur amerikanischen
Konkurrenz ein kleiner Autoproduzent, der aber im großen Stil mit der Produktion von
Personenkraftwagen und Lastkraftwagen beginnen wollte. Toyota stand in Japan vor
einer Vielzahl von Herausforderungen, darunter vor der Tatsache, dass sich ein
Massenproduktionssystem, wie es Ford in den USA betrieb, in Japan nicht umsetzen
ließ. Zu klein war der Markt, zu gering die zu produzierenden Stückzahlen bei
gleichzeitigem Erfordernis einer Produktvielfalt. Mitglieder der Toyoda-Familie reisten
wiederholt
in
die
USA,
genauer
nach
Detroit,
um
sich
dort
u.a.
die
Automobilproduktion bei Ford, welche auf Massenproduktion basierte, genauer
anzusehen und zu analysieren. Toyotas damaliger leitender Produktionsingenieur,
Taiichi Ohno wusste, dass er im Gegensatz zur Herangehensweise der
amerikanischen Automobilproduzenten einen neuen - „japanischen“ Ansatz entwickeln musste, der die Elemente von handwerklichen Produktionsmethoden und
Massenproduktion verband.76
75
76
Thom/Zaugg 2007: 13
Vgl. Womack et al. 1992: 53 ff.
29
Daraus entstand in den Folgejahren das „Toyota Production System“, welches den
Kern jener „Lean Production“ bildet, die Womack et al. in ihren Studien als
Erfolgsmodell identifiziert haben.
Die bedeutende Rolle der MitarbeiterInnen, welche diese innerhalb des TPS inne
haben,
wurzelt
aber
in
Unternehmensgeschichte
einem
Toyota‘s
einschneidenden
aus
den
Ereignis
1940er
Jahren,
in
der
welches
richtungsweisend für das Verhältnis zwischen Toyota-ArbeitnehmerInnen und Toyota
werden sollte.
Toyota befand sich 1940 in einer tiefen Krise, welche durch eine wirtschaftliche
Depression in Japan ausgelöst wurde. Toyotas damaliger Präsident, Kiichiro Toyoda
schlug als Lösung vor, ein Viertel der Arbeitskräfte zu entlassen. Die durch die
amerikanischen Besatzer eingeführten neuen Arbeitsgesetze stärkten aber die
Position der Betriebsgewerkschaften. Toyota fand sich plötzlich
in einem
Arbeiteraufstand wieder, der zur Besetzung der Fabrik führte. 1946 wurde zwischen
der Familie Toyoda und der Gewerkschaft ein Kompromiss ausgearbeitet, der heute
noch
die
Grundlage
für
das
Verhältnis
zwischen
ArbeitgeberInnen
und
ArbeitnehmerInnen in der japanischen Automobilindustrie bildet. Es wurde ein Viertel
der ArbeitnehmerInnen entlassen, Kiichiro Toyoda nahm dafür die Verantwortung auf
sich und trat zurück. Gleichzeitig erhielten die verbliebenen Beschäftigten die
Garantie auf lebenslange Beschäftigung sowie abgestufte Entlohnung nach Dauer
der
Betriebszugehörigkeit,
welche
über
Bonuszahlungen
an
die
Unternehmensgewinne gekoppelt waren. Die Beschäftigten waren somit Mitglieder
der Toyota-Gemeinschaft mit vielen Rechten. Im Gegenzug stimmten die
MitarbeiterInnen einer flexiblen Arbeitszuordnung zu. Weiters verpflichteten sie sich
zu einem aktiven Eintreten für das Unternehmensinteresse durch Einleiten von
Verbesserungsmaßnahmen, anstelle von bloßem Reagieren auf Probleme. Ohno
erkannte, dass die Arbeitskräfte plötzlich zu einem langfristig bedeutsamen
Fixkostenproduktionsfaktor geworden waren, aus denen es galt, das Maximum
während ihrer Betriebszugehörigkeit zu Toyota herauszuholen. Es war also sinnvoll,
30
die Fähigkeiten der MitarbeiterInnen kontinuierlich zu verbessern sowie ihr Wissen,
ihre Erfahrung und ihre Muskelkraft zu nutzen.77
Die Kenntnis der soeben beschriebenen Ereignisse ist eine wichtige Voraussetzung,
um die Ausgangsbasis für das Toyota Production System und dem Lean
Management vor allem hinsichtlich seiner Human Resources-Elemente besser zu
verstehen.
78
Abbildung 13: Die Definition des Toyota Production Systems
2.3.2 Die Ziele des Toyota Production Systems
Das Toyota Production System wird heute immer noch als Best Practice zitiert und
gilt als Quelle jeglichen Lean Gedankentums. Das Ziel von TPS sind schnelle und
schlanke Prozesse. Dabei werden all jene Prozessschritte, die einem Produkt oder
77
Vgl. Womack et al. 1992: 52 ff.
Vgl. [Internet]: <http://www.toyotaforklifts.at/SiteCollectionDocuments/Toyota%20brochures/TPS_Broschüre.pdf> 3. Oktober 2012: 5
78
31
einer Dienstleistung keinen Wert zufügen, beseitigt, da diese Verschwendung
(japanisch: Muda) darstellen.79
Im Geleitwort zur deutschen Ausgabe des Buches „Das Toyota Produktionssystem“
von Taiichi Ohno, welches 1993 publiziert wurde, findet sich nachfolgende
Feststellung von Eberhard C. Stotko:80
„Der Ausdruck „lean“ steht dabei symbolisch für Effizienz der Prozesse, weitgehende
Fehlerfreiheit der Produkte und Präzision bei Planung und Synchronisation parallel
auszuführender Aufgaben, kurz dafür, die richtigen Dinge von Anfang an richtig zu
tun, oder wie die Amerikaner sagen würden: Doing the right things right, first time
around.“
Ohno betont, dass das Ziel von Anfang an Kostensenkung bedeutete, um
wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben.81
Er nennt ausdrücklich, dass man beim TPS im Zusammenhang von Wirtschaftlichkeit
Personalabbau und Kostensenkung sieht (Personalreduzierungspolitik als Mittel zur
Kostensenkung).82
Die Schaffung von schlanker Produktion, also der Steigerung der Produktivität,
wurde u.a. dadurch erzielt, dass die Maschinen neu angeordnet wurden, damit ein
System „ein/e MitarbeiterIn, viele Maschinen“ eingeführt werden konnte. Das Ziel war
dabei, dass die MitarbeiterInnen ein breites Spektrum an Fähigkeit entwickeln
konnten und somit auch vielfältiger einsetzbar waren. Die MitarbeiterInnen nehmen
auch selbst beim Aufbau von Systemen in der Fabrik teil und Ohno verweist in
weiterer Folge auf eine gestiegene Arbeitsbefriedigung bei den MitarbeiterInnen.83
Verbesserungen
bei
Toyota
fanden
nach
seinen
Aussagen
immer
aus
Notwendigkeiten heraus, verbunden mit klaren Zielen, statt. Er sagt, dass die
Notwendigkeit die Mutter der Erfindung ist, und dass daraus auch das TPS
entstanden ist.84
79
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 7
Ohno 1993: 13
81
Vgl. Ohno 1993: 35
82
Vgl. Ohno 1993: 81
83
Vgl. Ohno 1993: 41
84
Vgl. Ohno 1993: 40 f.
80
32
Ohno sieht den Schlüssel für Verbesserungen (in der Produktion) darin, dass die
ArbeiterInnen in den Fabriken die Notwendigkeiten spüren müssen.85
2.3.3 Kontinuierliche Verbesserung/Kaizen
Wie aus den vorangegangenen Kapiteln ersichtlich ist, stellt das Thema der
Verbesserung bzw. kontinuierliche Verbesserung einen zentralen Punkt in der LeanThematik dar.
Der japanische Begriff des Kaizen wird in die deutsche Sprache mit „ständige
Verbesserung“ übersetzt (siehe Abbildung 14). Das Pendant im deutschsprachigen
Raum
ist KVP
(Kontinuierlicher
prozessorientierte
Denkart
und
Verbesserungsprozess).
grundlegende
Kaizen
Verhaltensweise
stellt
in
eine
einem
Unternehmen dar. Kaizen ist auch gleichzeitig eine Führungsphilosophie zur
ständigen Arbeitsprozessverbesserung durch die MitarbeiterInnen. Damit wird
ausgedrückt,
dass
Kaizen
nicht
im
Bedarfsfall,
sondern
permanent
im
Unternehmensalltag, jede Minute umgesetzt wird und somit zu einer permanenten
Haltung und Arbeitseinstellung wird. Kaizen steht für eine geordnete und
kontinuierliche Verbesserung in kleinen Schritten.86
Becker wiederum sieht KVP nicht als konkretes Führungsinstrument, sondern als
mentale Neuorientierung, die sich in kleinen Schritten vollzieht. Voraussetzung dafür
ist ein mitarbeiterInnenorientiertes Management.87
Kaizen bildet eine der beiden Säulen des Toyota Weges (siehe Kapitel 2.5.4 /
Abbildung 25) und ist ein wichtiges Element im Toyota Production System (siehe
Kapitel 2.3.1 / Abbildung 13). Mike Rother (siehe Kapitel 2.5.3) fand im Rahmen
seiner beruflichen Praxis heraus, dass kontinuierliche Verbesserung bei Toyota eine
verinnerlichte, automatisierte Verhaltensroutine im täglichen Arbeitsablauf darstellt.
Aus diesen genannten Gründen wird nachfolgend der Begriff Kaizen näher
beschrieben.
85
Vgl. Ohno 1993: 40 f.
Vgl. Koch 2011: 126 f.
87
Vgl. Becker 2009: 616 f.
86
33
Abbildung 14: Bedeutung des Begriffs KAIZEN in Japan und der Deutschen Übertragung. (KAIZEN
nach KAIZEN-Institut of Europe und Siemens AG, Elektronikwerk Karlsruhe = EWK)
88
Während in westlichen Unternehmen Verbesserungsaktivitäten eher an finanziellen
Kennzahlen, der Erzielung von kurzfristigen Ergebnissen sowie Rationalisierungen
ausgerichtet sind, verstehen japanische Unternehmen darunter einen langfristigen
Prozess, der konsequente Planung und Durchhaltevermögen erfordert. Ein wichtiges
Element stellen dabei die MitarbeiterInnen dar, die sich im Rahmen dieser Prozesse
aktiv engagieren und beteiligen. Dabei ist es Hauptaufgabe des Managements, eine
Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung zu etablieren. Dabei bildet
die Mentalität der JapanerInnen eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche
Umsetzung dieser Prozesse.89
2.3.4 Six Sigma und Lean Sigma
In den 1980er Jahren entstand mit Six Sigma ein Instrument, welches Motorola aus
Qualitätsproblemen heraus entwickelte. Motorola in den USA litt in den 1980er
Jahren unter schwerwiegenden Qualitätsproblemen, welche auch nicht durch
kostenintensive Qualitätssicherungsprogramme behoben werden konnten. Motorolas
Produktionsingenieur Bill Smith fand 1986 heraus, dass eine starke Korrelation
zwischen der Lebensdauer fertiger Produkte und der Häufigkeit von Reparaturen
währen deren Produktionsprozess bestand. Smith’s Prämisse bestand darin, dass
Qualitätsmanagement nur dann effektiv ist, wenn Fehler nicht während des
88
89
Koch 2011: 127
Vgl. Koch 2011: 134
34
Produktionsprozesses behoben werden, sondern erst gar nicht gemacht werden.
Daraus entstand der Six-Sigma Ansatz, der auf quantitativen Messungen der
Abweichungen von Prozessen beruht. Dabei konzentriert sich Six-Sigma auf
Prozesse, unabhängig von deren Inhalten und Ergebnissen. Sigma steht dabei für
das
mathematische
Symbol
der
Standardabweichung
einer
Gauß‘schen
Normalverteilung. Der Wert Six Sigma steht für 3,4 Fehler pro 1.000.000
Fehlermöglichkeiten. Dies entspricht einem Qualitätslevel von 99,99966%.90
Den konzeptionellen Rahmen bildet ein durch Six-Sigma Experten gesteuertes und
geführtes System, welches sich am „Gürtelsystem“ („Belt“-System) des asiatischen
Kampfsports Karate orientiert.91
Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Lean Management und Six Sigma
stellt nachfolgende Übersicht dar:
Abbildung 15: Gegenüberstellung von Lean Management und Six Sigma – eigene Darstellung
basierend auf Dahm/Haindl
92
90
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 73 f.
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 82 f.
92
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 7, 70, 74, 106 f., 109
91
35
Eine Weiterentwicklung von Lean Management und Six Sigma bildet die Kombination
von beiden unter dem Namen Lean Sigma.
Lean Sigma bildet sozusagen einen ganzheitlichen Ansatz, der das Beste aus den
beiden Welten von Lean Management und Six Sigma kombiniert.93
Lean Sigma wird auch immer mehr in produktionsfernen Unternehmenssektoren
angewendet. Beispiele sind: Finanzdienstleistungsunternehmen wie Bank of
America, Citibank, GE Capital, JP Morgan,
Xchanging Transaction Bank, Credit
Suisse Private Banking, Norddeutsche Retail Service AG; Unternehmen aus dem
Krankenhauswesen: Stanford Hospital and Clinics, Pocono Medial Center (beide
USA), Red Cross Hospital, Canisius Wilhelmina Hospital (beide Niederlande).94
2.4
Grundsätzliche Überlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit durch
Steigerung von Effizienz und Effektivität
Die in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigten Themen Wettbewerbsfähigkeit,
Effizienz und Effektivität werden in diesem Kapitel in einem umfassenderen Kontext
dargestellt. Dabei wird dieser Themenkomplex aus mehreren Perspektiven analysiert
um Analogien und Verbindungen zu Lean Human Resources aufzuzeigen.
Dabei
werden
in
diesem
Kapitel
grundsätzliche
Überlegungen
zur
Unternehmensführung, Referenzrahmen des Managements und Initiativen zur
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit mit Bezug zur Forschungsfrage analysiert.
Nachfolgende Übersicht dient dabei als Orientierung für die nachfolgenden Kapitel.
93
94
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 111
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 138 ff.
36
Abbildung 16: Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von Effizienz und Effektivität aus verschiedenen
Perspektiven – eigene Darstellung
2.4.1 Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität
Der Unterschied von Effektivität und Effizienz wird von Peter Drucker im Buch „The
definitive Drucker“ im Kontext des Wissensarbeiters wie folgt beschrieben:95
“Peter believed this new type of worker required a different type of management. He
articulated this difference as effectiveness versus efficiency. For manual work,
efficiency, that is, the ability to get things done is key to management. For knowledge
workers, effectiveness, or the ability to get the right thing done, is paramount. So
instead of just getting the job done, a knowledge worker has to decide which job to
do. Peter was the first writer to pick up on this critical distinction, understand it, and
translate it to management principles.”
Drucker stellt auch einen Bezug von Management, Menschen und Leistung her:96
“Management is about human beings. Its task is to make people capable of joint
performance, to make their strengths effective and their weaknesses irrelevant.”
Zusammengefasst werden im Deutschen Effektivität und Effizienz heute nachfolgend
verwendet:97

Effektivität: „Die richtigen Dinge tun.“ / Effizienz: „Die Dinge richtig tun.“
95
Edersheim 2007: 161
Edersheim 2007: 157
97
Vgl: [Internet]: < http://de.wikipedia.org/wiki/Effektivit%C3%A4t> 3. Oktober 2012
96
37
2.4.2 Dynamische Aspekte der Kosteneffizienz
Grant/Nippa
weisen
auf
die
Bedeutung
von
dynamischen
Effizienzsteigerungsansätzen hin. Dazu zählen sie den Focus auf kontinuierliche
Verbesserung (im Japanischen „Kaizen“ genannt) und die Elemente des TQM (Total
Quality Managements), welche große Auswirkungen auf das Kostenmanagement
eines Unternehmens haben. Die Betonung von Prozessvereinfachung, Ausbildung
und Weiterbildung sowie verstärkte Einbeziehung der MitarbeiterInnen auf der
Ausführungsebene stehen dabei im Mittelpunkt.98
Müller-Stewens und Lechner weisen gleichzeitig darauf hin, dass Lean-Werkzeuge,
ähnlich wie KVP, TQM, BPR oftmals Modeerscheinungen darstellen und die Gefahr
besteht, dass es diesen an „strategischer Unterfütterung“ sowie dem Bezug zum
lokalen Kontext fehlt.99
2.4.3 Corporate Governance
Die Corporate Governance spielt im Zusammenhang mit strategischem Management
eine wichtige Rolle, weil sie den organisatorischen sowie inhaltlichen Rahmen
ausgestaltet, der die Führung und Überwachung eines Unternehmens betrifft.100
Kernelement bei Corporate Governance ist der Grundgedanke der Trennung von
Eigentum und Management.101
Nach Welge/Eulerich versteht man unter Corporate Governance:102
„Unter Corporate Governance wird der faktische und rechtliche Ordnungsrahmen von
Unternehmen
verstanden,
der
eine
gute
und
ordnungsgemäße
Unternehmensführung, -kontrolle und -überwachung im Sinne aller Shareholder und
Stakeholder gewährleistet und unterstützt.“
Hilb103 weist auf die weltweit gestiegene Bedeutung von Corporate Governance hin,
welche
vor
allem
durch
die
in
den
letzten
Jahren
aufgetretenen
Unternehmensskandale sowie die weltweiten Finanzkrisen zurückzuführen sind. Als
Hauptursachen für eine Corporate Governance Krise werden u.a. genannt: die
98
Vgl. Grant/Nippa 2006: 340
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 560
100
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 97
101
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 98
102
Welge/Eulerich 2012: 6
103
Vgl. Hilb 2011: 3 f.
99
38
Dot.com
Krise
auf
technologischer
Ebene,
die
globalen
Finanzkrise
auf
wirtschaftlicher Ebene, die High Risk Strategien auf ökologischer Ebene, sowie das
Value Denken der Top Executives auf sozialer Ebene.
Becker104 weist auf die Bedeutung der Rolle der Führungskräfte eines Unternehmens
in Bezug zur alltäglichen Umsetzung der Corporate Governance hin. Konkret nennt
er Charaktereigenschaften, die als moralisch unzweifelhaft angesehen werden, wie
z.B. Ehrlichkeit, Empathie, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Strebsamkeit. Da
Führungskräfte auch nicht frei von Egoismus, Eigennutz und Fehlern sind, empfiehlt
er, die Auswahl und Entwicklung von Führungskräften an den unternehmenseigenen
Corporate-Governance Regeln auszurichten sowie eine governance-orientierte
Führungskräfteentwicklung zu etablieren.
Abbildung 17: Inhalte governance-orientierter Führungskräfteentwicklung
105
Becker106 betont, dass zwar die Führung eines Unternehmens durch die Qualität und
Professionalität
der
handelnden
Personen
im
Vorstand
und
Aufsichtsrat
entscheidend sind, aber entsprechende Corporate-Governance Standards auch das
Denken und Handeln der Führungskräfte und MitarbeiterInnen bestimmen müssen.
Die Personalentwicklung sei dementsprechend gefordert.
Wie in Kapitel 1.2 bereits beschrieben, scheint Lean auch im Kontext der Corporate
Social Responsibility im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und der optimalen
Nutzung begrenzter Ressourcen auf.
104
Vgl. Becker 2009: 355 ff.
Becker 2009: 356 f.
106
Vgl. Becker 2009: 357
105
39
2.4.4 New Public Management (NPM)
„New Public Management (NPM) ist der Oberbegriff der weltweit terminologisch
einheitlichen „Gesamtbewegung“ der Verwaltungsreformen, die auf einer
institutionellen Sichtweise basieren. Charakteristisch für NPM-Reformen ist der
Wechsel der Steuerung von der Input- zur Outputorientierung.“107
Im Kern geht es bei New Public Management um die Modernisierung öffentlicher
Einrichtungen und um neue Formen öffentlicher Verwaltungsführung. Das „Neue“ am
New Public Management ist die institutionelle Sichtweise der Verwaltung und deren
Kontaktpartnern, sowie die konzeptionelle Vorstellung zur Steuerung dieser
Institutionen.108
New Public Management hat sich Ende der 80er Jahre international und in den 90er
Jahren im deutschsprachigen als sprachlicher Begriff für ein Reformmodell mit dem
Ziel zur Etablierung moderner Verwaltungen, etabliert.109
Explizite Leistungsstandards und –messgrößen (also Ziele, Erfolgsindikatoren
hauptsächlich in quantitativer Form) sowie Betonung größerer Disziplin und
Sparsamkeit im Ressourceneinsatz wie z.B. mittels Kostenreduktion und Erhöhung
der Arbeitsdisziplin.110
Zu New Public Management gibt es einige Grundprämissen zu berücksichtigen. Eine
davon lautet, dass das zu lösende Problem der Verwaltung die mangelnde Effizienz
und Effektivität und nicht die Legalität und Legitimation sind.111
Zur Messung der daraus resultierenden Effizienz und Effektivität kommt ein
sogenanntes 3-E Modell zur Anwendung, welches auf die drei Elemente
Ressourcen,
Leistungen
und
Wirkungen
abzielt.
Dazu
wird
Efficiency
(Wirtschaftlichkeit)
von
3
E’s
ausgegangen:112

Economy
(Sparsamkeit)
/
/
Effectiveness
(Wirksamkeit)
107
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 5
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 5
109
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 40 f.
110
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 40 f.
111
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 57
112
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 81 f.
108
40
Ein weiteres strategisches Element bildet die Qualitätsorientierung, welche sich in
produktbezogene,
kundenbezogene,
prozessbezogene,
wertbezogene
sowie
politische Qualität unterscheiden lässt.113
Einen Schwerpunkt aus Sicht der Ressourcen bildet im New Public Management das
Humanpotential und das dazugehörende Personalmanagement, welches weg vom
beamtenhaften,
unflexiblen,
privatwirtschaftlichen
Privilegiensystem
Gesichtspunkten
management transformiert werden soll.
zu
einem
ausgerichteten
modernen
modernen
nach
Personal-
114
Dazu sollen z.B. Instrumente wie das Führen durch Zielvereinbarung, Assessment
Centers zur Identifikation und Selektion von Führungskräften und Instrumente zur
Personal- und Organisationsentwicklung zur Anwendung gelangen.115
Schedler/Proeller betonen die Bedeutung der Personalentwicklung im New Public
Management und die damit verbundene Umorientierung, dass Personal nicht mehr
als reiner Kostenfaktor, sondern als „strategisches Erfolgspotential“ für die
Verwaltung gesehen wird. Dazu gehören z.B. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
wie
Führungsfortbildung,
Nachwuchsförderung
sowie
der
Aufbau
von
Schlüsselqualifikationen und die Einführung von Methoden und Richtlinien im
Personalbereich
selbst
(wie
z.B.
Potentialbeurteilung,
Bedarfserhebung,
Fortbildungsplanung, etc.). Im Rahmen einer mitarbeiterInnenorientierten Verwaltung
stellt auch die Schaffung individualisierter Entwicklungspfade unter Berücksichtigung
individuenspezifischer
Muster
ein
weiteres
Element
im
Rahmen
der
Personalentwicklung dar.116
2.4.5 Neues St. Galler Managementmodell
Das neue St. Galler Managementmodell (aus dem Jahr 2003) stellt einen
systemorientierten Bezugsrahmen mit dem Verständnis von Management als
Gestalten, Lenken und Entwickeln zweckorientierter sozialer Institutionen dar (siehe
Abbildung 18).117
113
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 83 f.
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 245 f.
115
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 250 ff.
116
Vgl. Schedler/Proeller 2011: 260 f.
117
Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 6 f.
114
41
Die zur grafischen Darstellung des Modells erarbeiteten Texte zeigen die im Modell
betrachteten
Handlungsspähren
auf
und
beschreiben
bestimmte
Wirkungszusammenhänge.118
Abbildung 18: Das neue St. Galler Management-Modell
119
Die in Abbildung 18 genannten 6 Grundkategorien beziehen sich auf zentrale
Dimensionen des Managements.120
Rüegg-Stürm121 weist darauf hin, dass die Bedeutung von Ablaufstrukturen, also der
Gestaltung von Prozessen, im Vergleich zur Aufbauorganisation, stark gewachsen
ist. Der Grund darin besteht in den Veränderungen innerhalb der Umweltspähren in
den 10 Jahren vor 1993. Zu diesen Veränderungen zählen u.a. gestiegene
Kundenanforderungen,
Deregulierung
und
Globalisierung
vieler
Märkte,
die
wachsende Bedeutung des Kapitalmarkts und vor allem die rasante Entwicklung der
Informations- und Kommunikationstechnologie. Alle diese Faktoren haben zu einer
118
Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 15
Rüegg-Stürm 2003: 22
120
Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 21
121
Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 65
119
42
Intensivierung des Wettbewerbs geführt. Als Folge daraus ist der Faktor Zeit neben
den Faktoren Qualität und Preis zu einem wettbewerbsentscheidenden Kriterium
geworden.
Rüegg-Stürm122 nennt Prinzipien im Sinne des Lean-Managements als Antwort
darauf, um in diesem Zeitwettbewerb bestehen zu können. Die Abläufe sind durch
die Minimierung fehlerträchtiger Schnittstellen und durch eine systematische
Elimination
jeglicher „Blindleistungen“ (non
value-adding work),
die
keinen
Kundennutzen generieren, möglichst schlank zu gestalten und gleichzeitig auf eine
Verstärkung der eigenen Kernkompetenzen ausgerichtet werden. Dazu sind die
Wertschöpfungsprozesse - also die horizontale Perspektive der Organisation - als
zentrale Bezugsgröße zur Organisationsgestaltung heranzuziehen. Dabei wird die
traditionell vertikale Unternehmensgliederung nach Funktionen ergänzt oder komplett
substituiert durch die horizontale Ausrichtung auf kundenorientierte Prozesse.
Bei den Geschäfts- und Unterstützungsprozessen bedarf es eines aktiven
Prozessmanagements, welches sich in Prozessentwicklung und Prozessführung
gliedert. Die Prozessführung beschäftigt sich u.a. mit der Sicherstellung der Qualität
eines Prozesses. Dazu gehört auch die kontinuierliche Prozessoptimierung, welche
von Qualitätszirkeln oder bereichsübergreifenden KVP-Teams (KVP = Kontinuierliche
Verbesserung) durchgeführt wird.123
2.4.6 EFQM Excellence Modell
Das EFQM Excellence Modell bildet eine auf 9 Kriterien basierende unverbindliche
Rahmenstruktur
zur
Beurteilung
der
Unternehmensqualität,
welche
durch
unabhängige Assessoren durchgeführt wird. Dieses Modell dient als Werkzeug für
die Erarbeitung von Stärken und Verbesserungspotentialen eines Unternehmens zur
ganzheitlichen Weiterentwicklung.124
Es wird der Kategorie strategischer Performance-Messungs-Systeme zugeordnet
und soll in seinem Kern dem Unternehmen dienen, seine Leistung zu verbessern.125
122
Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 65
Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 76 ff.
124
Vgl: [Internet]: <http://www.qualityaustria.com/index.php?id=2196> 3. Oktober 2012
125
Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 603
123
43
Als
Steuerungsmodell
bietet
es
verschiedene
mit
einander
verknüpfte
Beobachtungskriterien zur kritischen Analyse des Unternehmens, welche zum Ziel
haben, Stärken und Verbesserungspotentiale zu identifizieren.126
Das EFQM Excellence Modell stellt gleichzeitig ein Management-Modell dar auf dem
Weg von Unternehmen auf dem Weg zu Spitzenleistungen, welches logische
Verbindungen und gewisse Wirkungszusammenhänge aufzeigt. Die zur Anwendung
gelangenden Beurteilungskriterien sind dabei unterschiedlich gewichtet.127
Abbildung 19: EFQM-Modell
128
Durch eine Teilnahme am European Quality Award-Programm können sich
Unternehmen durch externe Assessoren gemäß dem EFQM-Modell bewerten
lassen. Nagel/Wimmer weisen kritisch darauf hin, dass dabei zwar neue
Perspektiven entstehen, aber die Selbstverantwortung des Managements und der
MitarbeiterInnen für den permanenten Lernprozess jedoch nicht unbedingt gefördert
werden. Da diese Audits meist nur in größeren zeitlichen Abständen durchgeführt
werden, werden die definierten Regelkreise meist langsamer durchlaufen, wodurch
die rückkoppelnden Lernimpulse in der Praxis verlangsamt werden.129
126
Vgl. Nagel/Wimmer 2009: 338
Rüegg-Stürm 2003: 14
128
Rüegg-Stürm 2003: 14
129
Vgl. Nagel/Wimmer 2009: 342
127
44
Dahm/Haindl weisen darauf hin, dass das Problematische bei dieser Art von
Zertifizierung ist, dass Unternehmen zwar gewisse allgemeine Standards erfüllen,
diese aber keine Vorreiter in Sachen Qualität werden.130
2.4.7 Steigerung von Effizienz und Effektivität durch Lean Human Resources
Wie in Kapitel 2.3.2 bereits beschrieben, betonte Taiichi Ohno, dass das Ziel des
Toyota Production Systems von Anfang an Kostensenkung bedeutete, um
wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben.131
Ergänzt man diese Feststellung um die Aussage von Dahm/Haindl, dass das Toyota
Production System heute immer noch als Best Practice zitiert wird und als Quelle
jeglichen Lean Gedankentums gilt132, lässt sich daraus schließen, dass die
Leitgedanken, Ziele und Prinzipien des TPS gleichbedeutend mit Lean sind und dies
im Zusammenhang mit Human Resources im Kontext der Forschungsfrage in Form
von Lean Human Resources wiederum zu Steigerungen von Effizienz und Effektivität
in einem Unternehmen führt.
Meyer133 betont, dass Kostenargumente dem Konzept des Lean Management zum
Siegeszug verholfen haben. Dies führe in Verbindung mit der Konzentration auf
Kernkompetenzen zu einer Verschlankung der Hierarchien. Meyer merkt weiters an,
dass dadurch im Verwaltungsbereich ähnliche Rationalisierungsgewinne eingefahren
wurden wie dies zuvor mit Lean-Production in den Fabrikshallen gelungen war.
Damit verbunden war der Gedanke der Prozessorientierung, welcher sich vor allem
in den 90er Jahren im Konzept des Business Process Reengineering (BPR)
wiedergefunden hat. Meyer weist darauf hin, dass BPR allerdings seine radikale
Forderung, Organisationen entlang ihrer Kernprozesse vollkommen neu zu
strukturieren, so nicht einlösen konnte.
In den vorangegangenen Kapiteln wird auch deutlich, dass sich innerhalb der
verschiedenen Modelle und Herangehensweisen zur Steigerung von Effizienz und
Effektivität Elemente finden, die konkret den Begriff Lean verwenden, aber auch
Elemente, in denen sich Lean-Attribute wiederfinden, ohne den Begriff Lean
anzuwenden.
130
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 47
Vgl. Ohno 1993: 35
132
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 7
133
Vgl. Meyer 2009: 246 f.
131
45
2.5 Lean Human Resources – eine theoretische Annäherung
2.5.1 Die Rolle der MitarbeiterInnen bei Lean-Prozessen
Die zwei Säulen des TPS, welche die Vermeidung von Verschwendung unterstützen
sind „Just-in-Time“ und „Autonome Automation bzw. Automation mit menschlichen
Zügen“. „Just-in-Time“ im Kontext der Produktion bedeutet, dass bei jedem
Arbeitsgang genau jenes Teil vorliegt, das benötigt wird, genau im richtigen Moment
und exakt in der richtigen Menge, die man benötigt.134
Einfache Automation bedeutet, dass Maschinen während der Produktion von alleine
laufen und dabei die Gefahr durch Unregelmäßigkeiten (z.B. durch hineinfallende
Metallteile) besteht, welche dadurch eine Vielzahl defekter Teile produzieren, die sich
in weiterer Folge dann im Lager auftürmen. Autonome Automation bedeutet, dass
Maschinen, wenn Sie angeschaltet sind und die Produktion läuft, sich selbst (daher
autonom) durch einen eingebauten Sicherheitsmechanismus automatisch stoppen,
damit die Produktion von fehlerhaften Teilen verhindert wird. Es wird dabei ein Signal
ausgelöst, welches dem/r ArbeiterIn zu erkennen gibt, dass er/sie ein Problem zu
lösen hat. Durch die autonome Automation ist es den ArbeiterInnen daher möglich,
eine Vielzahl von Maschinen zu bedienen, ohne jede einzelne dabei permanent
beaufsichtigen zu müssen. In Fällen der einfachen Automation ist der/die ArbeiterIn
aufgefordert, das Band selbst anzuhalten und für eine Problemlösung zu sorgen. 135
Ohno vergleicht dabei das Zusammenspiel von Just-in-Time und autonomer
Automation mit Teamarbeit in der Analogie eines Baseballspiels. Autonome
Automation soll von den Managern und MeisterInnen eingeführt werden und die
MitarbeiterInnen mit den Fähigkeiten ausstatten, die es Ihnen ermöglicht, diese
Maschinen zu bedienen. Das Produktionsteam, das Just-in-Time beherrscht,
entspricht dabei dem Team und ManagerIn und MeisterIn als TeamchefIn bzw.
TrainerIn haben dafür zu sorgen, dass das Zusammenspiel der beiden Prinzipien
134
135
Vgl. Ohno 1993: 30 f.
Vgl. Ohno 1993: 32 f.
46
optimal
läuft
und
gegebenenfalls
die
ArbeiterInnen
trainieren,
Unregelmäßigkeiten im Produktionsfluss von ihnen behoben werden können.
damit
136
Ohno betont, dass es wichtig ist, keine isolierten Arbeitsinseln zu schaffen, sondern
die ArbeiterInnen in Teams zusammenzuführen, damit auch menschliche (soziale)
Bedürfnisse berücksichtigt werden. Dies ist für Ohno die Grundlage, damit die
MitarbeiterInnen durch ihre Anstrengungen, Kreativität und Kraft die Methoden des
TPS in der Praxis optimal umsetzen können.137
Im Kontext von HR lässt sich daraus zusammenfassen, dass Ohno die Wichtigkeit
von Teamarbeit sowie Selbstverantwortung und optimal eingesetzter Fähigkeiten der
MitarbeiterInnen betont.
Durch den steigenden Automatisierungsgrad der Produktion erwarten Womack et al.
eine Verlagerung hin zu hochqualifizierten ProblemlöserInnen, deren Hauptaufgabe
es ist, permanent über Verbesserungen nachzudenken.138
Ridder fasst die durchzuführenden Aufgaben der ArbeiterInnen innerhalb eines
Arbeitsteams in der schlanken Produktion wie folgt zusammen:139

Beherrschung aller in einem Arbeitsteam durchzuführenden Tätigkeiten, damit
eine kurzfristige Änderung der Arbeitsverteilung bzw. ein Einspringen bei einer
anderen Tätigkeit möglich ist

Erwerb zusätzlicher Fertigkeiten von vor- und nachgelagerten Arbeitsschritten
außerhalb des Arbeitsteams

Erarbeiten
von
Lösungen
im
Rahmen
des
kontinuierlichen
Verbesserungsprozesses zur Vereinfachung der Arbeitsabläufe
Nach Heimerl-Wagner sind MitarbeiterInnen in einem schlanken Unternehmen nicht
bloß Kostenfaktor, sondern Träger des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. 140
136
Vgl. Ohno 1993: 34 f.
Vgl. Ohno 1993: 97
138
Vgl. Womack et al. 1992: 105 f.
139
Vgl. Ridder 1993: 21
140
Vgl Heimerl-Wagner 1995: 18
137
47
2.5.2 Lean-orientiertes Führungsverhalten
Womack/Jones betonen bereits die Bedeutung von Führungsverhalten im Lean
Management.
Lean
Thinking
steigert
die
Arbeitszufriedenheit,
weil
die
MitarbeiterInnen im Rahmen ihrer Bemühungen nach der Umwandlung von
Verschwendung (japanisch: Muda) in Wert ein direktes, möglichst positives
Feedback
enthalten.
Dies
wiederum
ist
ein
Ansporn
für
kontinuierliche
Verbesserung.141
Ein Merkmal ist das Aufbrechen zentralisierter, vertikaler Unternehmensstrukturen
hin zu horizontalen Produktteams für jede Produktlinie.142
Durch
den
wertstromorientierten
Ansatz
ist
es
erforderlich,
traditionelle
Arbeitsorganisation in Bezug zu Jobs, Karrieren und Funktionen sowie die
Arbeitspraktiken selbst neu, nach Lean-Prinzipien, zu gestalten.143
Toyota-Führungskräfte
sind
überzeugte
Verfechter
der
Involvierung
MitarbeiterInnen, da diese durch kontinuierliche Prozessverbesserung
der
eine
wertschöpfende Arbeit leisten.144
Toyotas Führungskräftemodell besteht aus einer zweidimensionalen Führungsmatrix.
Eine Toyota Führungskraft vereinigt dabei die Eigenschaften aus allen 4 Feldern, um
diese dann situationsbezogen anzuwenden145:
Abbildung 20: Toyotas Führungskräftemodell
146
141
Vgl. Womack/Jones 2004: 23 und 36
Vgl. Womack/Jones 2004: 265
143
Vgl. Womack/Jones 2004: 68
144
Vgl. Liker 2011: 260
145
Vgl. Liker 2011: 261 f.
146
Liker 2011: 261
142
48
Der Führungsstil bei Toyota wird ganz im Sinne des „Toyota-Weges“ als „dienende
Führung“ bezeichnet und die Führungskräfte selbst werden als maßgebliche
GestalterInnen der Unternehmenskultur gesehen.147
2.5.3 Coaching von Kontinuierlicher Verbesserung
Im Rahmen seiner beruflichen Praxis hat Mike Rother versucht herauszufinden,
welche Methoden bzw. Handlungen Toyota langfristig so erfolgreich gegenüber
anderen Unternehmen machen. Dabei ist er auf nicht sichtbare, aber täglich bei
Toyota praktizierte
Managementmuster bzw. Verhaltensmuster gestoßen, die es
Toyota ermöglichen, kontinuierliche Verbesserung und Adaption unmittelbar allen
MitarbeiterInnen durch entsprechendes Führungsverhalten zu vermitteln. Diese
Routinen werden in Japan als Kata bezeichnet.148
Rother konnte 2 Verhaltensmuster identifizieren, die er als Verbesserungs-Kata und
Coaching-Kata
bezeichnet.
Die
Verbesserungs-Kata
beschreibt
die
Handlungsweisen der MitarbeiterInnen bei Toyota in Bezug zu kontinuierlicher
Verbesserung und Adaption. Die Coaching-Kata wiederum ist jene Routine, welche
den MitarbeiterInnen das Handeln bzw. Verhalten im Sinne der Verbesserungs-Kata
vermittelt.149
Abbildung 21: Die Verbesserungs-Kata kurzgefasst
Abbildung 22: Toyota Coaching-Kata
150
151
147
Vgl. Liker/Hoseus: 2009: 411
Vgl. Rother 2009: 14
149
Vgl. Rother 2009: 16
150
Vgl. Rother 2009: 86
151
Vgl. Rother 2009: 177
148
49
Eine
weitere
Darstellungsform
von
Toyotas
Vorgehen
in
Richtung
eines
Zielzustandes ist das Treppendiagramm in nachfolgender Darstellung.
Abbildung 23: Wie Toyota auf einen Zielzustand hinarbeitet
152
Dieses hypothesengeleitete Verfahren durch Experimentieren wird durch den PlanDo-Check-Act-Zyklus dargestellt.153
Abbildung 24: Der PDCA-Zyklus
154
PDCA geht auf W. Edwards Deming bzw. Walter A. Shewhart zurück.155
Die Coaching-Kata verdeutlicht, dass es bei Toyota primäre Aufgabe der
ManagerInnen
und
Führungskräfte
ist,
die
Verbesserungsfähigkeit
der
MitarbeiterInnen zu entwickeln.156
152
Vgl. Rother 2009: 140
Vgl. Rother 2009: 140 f.
154
Vgl. Rother 2009: 141
155
Vgl. Rother 2009: 142 f.
156
Vgl. Rother 2009: 188
153
50
2.5.4 Lean als Unternehmenskultur: Toyota Weg und Toyota Kultur
Um ein grundlegendes Verständnis für die Rolle der MitarbeiterInnen innerhalb des
TPS
zu
bekommen,
ist
es
zuvor
erforderlich,
die
dahinterliegende
Unternehmensphilosophie von Toyota, den „Toyota Way“ zu betrachten, in welche
das TPS eingebettet ist. Den „Toyota Way“ bilden dabei die beiden Säulen
„Kontinuierliche Verbesserung“ sowie „Achtung des Menschen“, wie nachfolgende
Darstellung veranschaulicht:
:
Abbildung 25: Der „Toyota Way“
157
Liker sieht im nachhaltigen Erfolg Toyotas neben den Lean-Instrumenten vor allem
eine Geschäftsphilosphie, welche auf dem Verständnis für Menschen und ihrer
Motivation aufbaut.158
157
Vgl. [Internet]: <http://www.toyotaforklifts.at/SiteCollectionDocuments/Toyota%20brochures/TPS_Broschüre.pdf> 3. Oktober 2012 - 5
158
Vgl. Liker 2011: 29
51
Auf Basis seines mehr als 20 Jahre dauernden Studiums von Toyota hat Liker ein
4stufiges Modell (4P-Modell) mit 14 Prinzipien erstellt, welches in nachfolgender
Abbildung dargestellt ist.159
160
Abbildung 26: Ein „4P“-Modell des Toyota-Wegs
Liker fügt zudem zu den von Taiichi Ohno genannten 7 Arten von Verschwendung
eine weitere, HR-relevante Verschwendung hinzu: Ungenützte Kreativitätspotentiale.
Liker meint damit, dass MitarbeiterInnen nicht gehört werden und somit auch ein
Verlust an Zeit, Ideen, Fähigkeiten, Verbesserungen und Lernmöglichkeiten
einhergeht.161
Liker/Hoseus162 weisen im Zusammenhang mit dem Toyota Weg und dem TPS auf
die Bedeutung und gleichzeitigen Herausforderung von Organisations- und
Kulturwandel hin und haben in ihren Toyota-Forschungen zur Umsetzung des
Toyota-Weges in die Praxis nachfolgende Punkte identifiziert:
159
Vgl. Liker 2011: 29
Liker 2011: 30
161
Vgl. Liker 2011: 60
162
Vgl. Liker/Hoseus 2009: 629 f.
160
52
Abbildung 27: Einige Lektionen zum Thema Transformation
163
Aufgrund der „Ausblendung“ der Ressource MitarbeiterInnen und dem oben
genannten
Focus
wurde
bzw.
wird
Lean
Management
oft
mit
Personalabbaumaßnahmen gleichgesetzt. Die Erkenntnisse aus der MIT-Studie
wurden oftmals als „Schlank muss die Fertigung sein – also weg mit allen unnötigen
MitarbeiterInnen“ beschrieben.164
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung über Toyota aus unternehmenskultureller Sicht
kommt zu dem Schluss, dass es Toyota verstanden hat, seine Unternehmenskultur
als Enabler für Motivation und Kreativität der MitarbeiterInnen sowie für Qualitätsund Leistungsverbesserung in Fertigung und Service zu nutzen. Für Toyota ist die
Unternehmenskultur der Wegbereiter für Fortschritt, Dynamik und Kontinuität.165
163
Liker/Hoseus 2009: 630
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 63
165
Vgl. Sackmann 2005: 4
164
53
Abbildung 28: Der Toyota Way [In Anlehnung an Cho, Fujio: The Toyota Way 2001, Toyota Motor
Marketing Europe 2003 (interne Publikation)]
166
2.5.5 Lean als Change-Management Prozess
Vahs skizziert Lean als einen von mehreren möglichen Change-ManagementAnsätzen und nimmt damit eine weitere Perspektive zur Betrachtung von Lean ein.
Abbildung 29: Change-Management-Ansätze der letzten zwei Jahrzehnte
167
Er weist gleichzeitig darauf hin, dass durch die Dynamik des Wandels eine Vielzahl
von Konzepten entstanden ist, die fast mit „Organisationsmoden“ gleichzusetzen sind
und Orientierungsprobleme bei der inhaltlichen Einschätzung der verschiedenen
Konzepte verursacht.168
166
Vgl. Sackmann 2005: 16
Vahs 2009: 282
168
Vgl. Vahs 2009: 282 ff.
167
54
Schlankes Management als Change-Prozess bedeutet für ihn das Übertragen eines
Prinzips auf das gesamte Unternehmen verbunden mit einer ganzheitlichen
Ausrichtung
der
Unternehmensführung
–organisation
und
auf
die
Wertschöpfungskette.169
Er verweist auch auf die geübte Kritik an den MIT-Forschern Womack, Jones und
Roos
bei
der
Untersuchungsmethodik
(z.B.
fehlende
Definition
eines
„Standardautomobils“, Vernachlässigung von Fertigungstiefen und unterschiedlichen
Automobiltypen) sowie an der Interpretation ihrer Ergebnisse, in denen rechtliche,
ökonomische
und
kulturelle
Unterschiede
in
den
Herstellerländern
nicht
berücksichtigt wurden.170
Diese Unterschiede werden auch im Kapitel 2.5.13 unter dem Aspekt des
komparativen HRM in Bezug zu den verschiedenen Formen der Arbeitsorganisation
deutlich.171
Dennoch haben eine Vielzahl von Unternehmen von der Automobilindustrie bis hin
zur öffentlichen Verwaltung begonnen, Lean-Prinzipien auf die jeweilige Organisation
zu
übertragen
und
Veränderungsprozess
damit
jeweils
ausgelöst.
einen
Damit
entsprechenden
wurde
die
grundlegenden
Bereitschaft
bei
den
EntscheidungsträgerInnen gefördert, sich überhaupt mit dem geplanten Wandel ihrer
Organisation auseinanderzusetzen. Verbunden mit Lean-Change Management ist
eine steigende Beunruhigung bei den Führungskräften hinsichtlich des Schwindens
von Karrieremöglichkeiten und dem möglichen Verlust bisheriger Statussicherheit.172
Becker wiederum stellt Lean Management mit Total Quality Management und
Change Management auf dieselbe Stufe, da alle 3 Ansätze das Ziel eines effizienten,
erträglichen Zustandes einer Organisation verfolgen.173
Für Heimerl-Wagner ist permanente Verbesserung der organisationalen Effektivität
und Effizienz ein zentrales Element im Rahmen von Lean Management. Fehler sind
dabei der Ausgangspunkt für Verbesserungen.174
169
Vgl. Vahs 2009: 287
Vgl. Vahs 2009: 288
171
Vgl. Kapitel 2.5.13
172
Vgl. Vahs 2009: 288
173
Vgl. Becker 2009: 643
174
Vgl. Heimerl-Wagner 1995: 17
170
55
Dem mittleren Management kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle
als Change-Manager zur Handhabung von Veränderungsprozessen zu. Dabei sind
neue Anforderungen wie Moderations- und Entscheidungsfindungstechniken sowie
Konfliktmanagement zu berücksichtigen.175
Womack/Jones betonen bei der Beschreibung eines Aktionsplans zur Einführung von
Lean den Einsatz von Change Agents, die den Veränderungsprozess antreibt.176
Sie nennen einen entscheidenden Punkt, um eine Organisation Lean werden zu
lassen,
wenn
ManagerInnen
zu
Coaches
anstatt
zu
Tyrannen
und
die
MitarbeiterInnen selbständig werden müssen.177
Womack/Jones geben nach ihrer Erfahrung an, dass es mindestens 5 Jahre dauert,
bis Lean in einem Unternehmen institutionalisiert ist und weitere 5 Jahre, um das
neue Lean-Denken im gesamten Unternehmen zu verankern.178
2.5.6 Position der Organisationseinheit HR im Kontext von Lean
Im Rahmen der Recherchen wurden diesbezüglich keine Informationen gefunden.
2.5.7 Die Restrukturierung der Personalabteilung bei Toyota, USA
Liker/Hoseus179 berichten von einer tiefgreifenden Restrukturierung der Personalabteilung im Toyota-Werk in Georgetown, Kentucky, USA, welche durch eine
schwerwiegende
Verfehlung durch
dortige
Vorgesetzte
und Mitglieder des
Managements gegenüber MitarbeiterInnen entstanden war. Dieser kritische Vorfall
resultierte in einem massiven Vertrauensverlust der MitarbeiterInnen gegenüber der
Personalabteilung, da diese nicht in ihrer Rolle als Anwalt der MitarbeiterInnen,
sondern als Teil des Managements, also als Teil des Problems, wahrgenommen
wurden. Ein umfassende Untersuchung und Problemanalyse durch externe Berater
führte zu einer Vielzahl von Verbesserungsmaßnahmen. Dazu gehörte die
Zielsetzung der Rückbesinnung auf die Werte des Toyota-Wegs und intensive
Kommunikation in Richtung Management und MitarbeiterInnen. In weiterer Folge
175
Vgl. Heimerl-Wagner 1995: 19
Vgl. Womack/Jones 2004: 290 f.
177
Vgl. Womack/Jones 2004: 316
178
Vgl. Womack/Jones 2004: 252
179
Vgl. Liker/Hoseus: 2009: 455 ff.
176
56
wurde für das Werk in Kentucky verstärkend eine eigene Vision sowie ein
Wertekatalog erarbeitet. Zur Kontrolle der Personalabteilung wurde zusätzlich eine
Corporate-Compliance-Hotline eingerichtet.
Die Personalabteilung unterzog sich einer kritischen Selbstanalyse, um erforderliche
Veränderungen vornehmen zu können. Eine Arbeitsgruppe identifizierte dabei
nachfolgende Problemstellungen:180

Personalabteilung lag inhaltlich und räumlich außerhalb der Fertigung

Zwiespältige Rolle der Personalabteilung: Zum einen fungierte man als
Anwalt/Anwältin der MitarbeiterInnen, andererseits nahm man gleichzeitig eine
gegnerische Position im Fall von Fehlverhalten und daraus resultierenden
Nachforschungen und Disziplinarverfahren ein (bedeutete Vertreter des
Managements zu sein).

Arbeitsschwerpunkte der Personalabteilungen lagen auf formalen und
administrativen Aufgaben
Die Arbeitsgruppe schlug erstens 4 neue Schlüsselrollen für die Personalabteilung
vor, welche auf der Basis des Modells von Dave Ulrich basierten:181

Strategische/r PartnerIn

VerwaltungsexpertIn

Vorkämpfer der MitarbeiterInnen

OrganisationsentwicklerIn (Change Agent)
Damit diese Rollen auch effektiv gelebt werden konnten, wurden auch strukturelle
Veränderungen des Personalmanagements durchgeführt:182

Einrichtung von „Mini-HR-Teams“ in allen Fertigungsabschnitten, um bessere
Partnerschaft mit Fertigung zu erreichen und besser die Rolle des
MitarbeiterInnenanwalts leben zu können.

Um eine bereichsübergreifende HR-Konsistenz sicherzustellen, wurde eine
zentrale HR-Gruppe geschaffen, die sich den HR-Themen auf Werksebene
widmen.
180
Vgl. Liker/Hoseus: 2009: 458 ff.
Vgl. Liker/Hoseus 2009: 460 f.
182
Vgl. Liker/Hoseus 2009: 461 ff.
181
57

Die administrativen Agenden wurden in einem HR-Call-Center gebündelt und
zusätzlich wurde für gewisse Prozesse (z.B. Versetzungsinformationen)
selbstbedienungsfreundliche
Computerkioske
für
die
MitarbeiterInnen
installiert.

Zur Wiederherstellung des Vertrauens zur Personalabteilung wurde die
Verantwortung von Ermittlungs- und Disziplinierungsverfahren aus den MiniHR-Teams bzw. HR-Repräsentanten herausgenommen und als eigenes
Ermittlungsteam in den zentralen HR-Gruppen etabliert.

Die zentral HR-Gruppe wurde schließlich auch zu einem Projekt- und
Planungsteam umfunktioniert, welches als „Change Agent“ der Organisationsentwicklung arbeitete.
Die dargestellte Restrukturierung der Personalabteilung resultierte zwar nicht aus
einer Lean-Initiative heraus, weist aber hinsichtlich der eingeleiteten Änderungen und
Neuausrichtungen einige wesentliche Lean-Prinzipien auf. Im Zentrum steht die
Rückbesinnung auf die Unternehmenskultur (Toyota Kultur), von der aus die
Lösungen eingeleitet wurden (siehe dazu Kapitel 2.5.4).183
Toyota orientierte sich bei der Neugestaltung des Rollenbildes von HR am bereits in
Kapitel 2.2.2 beschriebenen Ansatz von Dave Ulrich.184
2.5.8 Die Rolle von HR bei der Einführung von Lean
Cheryl M. Jekiel hebt in ihrem Buch hervor, dass die Nutzung der Fähigkeiten der
MitarbeiterInnen bei Prozessverbesserungen, bei kontinuierlicher Verbesserung
sowie bei Lean Einführungen die Schlüsselkomponenten darstellen, dass aber durch
die
„Nichtnutzung“
bzw.
die
„Verschwendung“
der
Fähigkeiten/Talente
der
MitarbeiterInnen viele der Verbesserungs-/Lean-Initiativen fehlschlagen (siehe auch
die Ausführungen von Liker/Hoseus in Kapitel 2.5.4). Jekiel sieht die Ursache dafür
in der mangelnden Nutzung und Einbindung von HR und den HR-Systemen und
Programmen.185
183
Vgl. Kapitel 2.5.4
Vgl. Kapitel 2.2.2
185
Vgl. Jekiel 2011: xv – übersetzt durch den Autor
184
58
Jekiel schreibt HR wichtige Beiträge bei einer Lean-Implementierung zu:186

HR-Einbindung bei Lean-Kultur Einführung
Die Lean-Kultur Einführung bedingt das Einbetten von Lean-Prinzipien in das
tägliche Arbeitsverhalten und die Arbeitseinstellung. HR kann diesen Prozess
unterstützen, indem es diese in Kommunikation, Aktivitäten, Jobinhalte und
HR-Programme einbaut. Wenn zum Beispiel kontinuierliche Verbesserung in
tägliche Meetings eingebaut werden soll, kann HR diesen Prozess unterstützen,
in dem es Trainings durchführt, welche die Aspekte Kommunikation und
Behandlung von MitarbeiterInnenvorschlägen berücksichtigt und im Kontext
dieser Meetings behandelt.

HR-Unterstützung beim Design neuer MitarbeiterInnenführungsprozesse
HR soll neue Prozesse im Umgang mit dem Vorschlagswesen und den sich
verändernden Rollen von Führung begleiten. HR soll als PartnerIn der
Führungskräfte beim Entwickeln und Implementieren von Prozessen agieren, die
das
MitarbeiterInnen-Engagement,
das
Lösen
von
Problemen,
Visuelles
Management und Team-Work unterstützen.

HR-Unterstützung beim Umgang mit Widerständen aus den Änderungen beim
Führungsverhalten
Dies
geschieht
durch
Unterstützung
von
Führungskräften
bei
der
Neustrukturierung ihrer Arbeitsinhalte, durch Koordination der Evaluierung der
aktuellen MitarbeiterInnenfähigkeitenprofile, durch Ausarbeitung von Trainingsplänen für Managern zur Entwicklung von erforderlichen Fähigkeiten und durch
die Formulierung einer Leadership-Vision, welche es den MitarbeiterInnen
ermöglicht,
ihre
Ziele
zu
erreichen,
Probleme
zu
lösen
und
bessere
Entscheidungen zu treffen.
Im Rahmen einer Lean-Einführung ist es auch wichtig, dass HR selbst Fähigkeiten
zur Anwendung von Lean-Methoden erlernt. Dazu gehört das Erkennen von
Verschwendung und Möglichkeiten zu Verbesserungen durch spezifische „LeanWerkzeuge“ wie z.B. durch Wertstromanalysen. HR MitarbeiterInnen werden bei
Lean-Trainings oftmals nicht berücksichtigt, da es nicht offenkundig ist, wie HR zur
Reduktion von Verschwendung oder Prozessverbesserungen beitragen kann. Da HR
186
Vgl. Jekiel 2011: 23 – übersetzt durch den Autor
59
bei den Erstellungen von Jobbeschreibungen eingebunden ist, sollte es die
entsprechenden Prozessveränderungen kennen, welche sich auf die Arbeit und die
Arbeitsaspekte auswirken. HR MitarbeiterInnen mit sehr guten Trainingsfähigkeiten
können in weiterer Folge Lean-Prinzipien den MitarbeiterInnen auf allen Ebenen des
Unternehmens lehren.187
Tracey/Flinchbaugh berichten in einem Artikel mit dem Titel „HR’s Role in the Lean
Organizational Journey“ (erschienen im WorldatWorkJournal, fourth quarter 2006)
über die Ergebnisse einer von ihnen durchgeführten Umfrage unter 220
ManagerInnen und MitarbeiterInnen in Bezug zu Wirkungsvariablen für eine
erfolgreiche Lean-Implementierung. Dabei identifizierten sie 5 Wirkungsvariablen:188
1) Die Entwicklung von Teams als unterstützende Struktur von Lean
2) Die Kalkulation und Kommunikation von Kennzahlen
3) Kommunikation zwischen Organisationsmitgliedern untereinander, speziell über
Organisationsgrenzen (Abteilungen und Funktionen) hinaus
4) Aufklärung der Mitarbeiterrolle bei der Lean-Einführung durch die ManagerInnen
5) Die Anerkennung und das Feiern von Erfolgen am Weg zur Lean-Einführung
In Bezug zur Rolle von HR bei einer Lean-Einführung weisen sie darauf hin, dass HR
strategisch platziert ist, um diesen Prozess anzuführen. HR ist in der Praxis aber
entweder gar nicht beteiligt und wenn doch, dann nicht in dem Ausmaß und
Potential, welches HR für diesen Prozess beitragen kann.189
Tracey/Flinchbaugh gehen in ihrem Artikel auch der Frage nach, wie sich HR in den
Lean-Einführungsprozess einbringen kann. Grundvoraussetzung dafür ist die
Kenntnis darüber, wie der Entscheidungsprozess für eine Lean-Initiative etabliert
wird, bevor HR eine entsprechende Rolle einnimmt oder entsprechende Beiträge
leisten kann:190
187
Vgl. Jekiel 2011: 53 – übersetzt durch den Autor
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 50 ff. – übersetzt durch den Autor
189
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 51 – übersetzt durch den Autor
190
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 57 f. – übersetzt durch den Autor
188
60
„Gremium“-
Lean Steering Committee
Formales Lean Office (Lean
Variante
(häufigste Variante)
Promotion Office)
Direct Leadership Model
Auslöser: „Lokale“ LeanInitiative einer Organisation
bzw. Organisationseinheit
sowie wenn die
MitarbeiterInnenbeteiligung als
vorher festgelegtes Ergebnis
definiert wurde
Gremium-
Change-Agents aus allen Teilen
MitarbeiterInnen mit hohem Lean-
Meist eine Person (CEO, Line
Teilnehmer
der Organisation, die sich Lean
Verständnis aus Teilen des
Manager,
verpflichtet fühlen, mit dem Ziel
Managements,
ProduktionsstättenleiterInnen)
den Lean-Prozess zur Realität
ProzessingenieurInnen,
mit einer klaren Vision, was
werden zu lassen (Vorteil: breite
ProduktionsmitarbeiterInnen, aber
Lean für ihn/sie selbst
Reichweite und Repräsentation;
mit mangelnden Change-
bedeutet. Diese Vision basiert
Nachteil: Fehlen klarer
Management Fähigkeiten (Gefahr
auf einer Sichtweise, wie die
Entscheidungsprozesse und
der Frustration durch
Organisation arbeitet und
„Ownership“)
aussichtsloses Unterfangen bei
performt. Herausforderung
Lean-Initiative)
dabei: Diese Person hat
Schwierigkeiten, diese Vision
den anderen so zu vermitteln,
dass sie jeder versteht. Diese
Person ist hoch aktiv und die
anderen versuchen laufend zu
folgen und zu verstehen, in
welche Richtung sie gehen.
HR-Beitrag in
HR Fähigkeiten, wie z.B.
Lean-Botschaft erstellen und unter
Unterstützung bei der
Gremium
Personalbeschaffung und –
die MitarbeiterInnen bringen,
Zusammenstellung eines
auswahl, Leistungsbeurteilung,
Teamorganisation, Leadership
Planes, die Vision in greifbare
Team Building,
Know-How, Verwendung von
Handlungen zu übersetzen,
Kommunikationsprozesse und
bestehenden Systemen zur
damit die MitarbeiterInnen
Training um dem Gremium als
Bereitstellung von Anreizen und
verstehen, was diese Vision
solches zu helfen, über seine
Motivation
genau ist und welchen Beitrag
Grenzen hinauszuwachsen und
sie diesbezüglich leisten
die Erfolgsrate zu erhöhen
können.
Wie nimmt HR in
Gremium wird HR-Teilnahme
Gremium wartet nicht auf HR-
Gremium teil?
nicht ablehnen, da „jede Hilfe
Teilnahme, da diese nicht wissen,
benötigt wird“
mit den zur Verfügung stehenden
HR-Fähigkeiten umzugehen.
HR muss aktiv aufzeigen, um
mitzumachen.
Tabelle 2: HR-Beiträge in den unterschiedlichen Lean-Entscheidungsprozessen
191
191
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 57 f. – übersetzt durch den Autor
61
Sobald HR einen Platz in einem dieser Gremien (bzw. Entscheidungsprozesse)
eingenommen hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die zuvor genannten
Wirkungsvariablen eine gesteigerte Aufmerksamkeit erhalten. Tracey/Flinchbaugh
empfehlen HR daher:192
A) Sich zuerst einen Platz in einem der Gremien sichern
B) Dann einen Weg finden, umgehend wertvolle Beiträge jenen zu liefern, die Lean
möglich machen.
2.5.9 Die Rolle von HR in einem Lean-Transformationsprozess
In ihrem Artikel „How Human Resource Departments Can Help Lean Transformation“
im TARGET Magazine (Vol 22, No 3, Third Issue 2006) der AME – Association for
Manufacturing Excellence ergänzen Tracey/Flinchbaugh die Ergebnisse ihrer Studie
um einige konkrete Handlungsempfehlungen für HR in Bezug zu den identifizierten
Wirkungsvariablen im Rahmen einer Lean-Transformation.193
Die beiden AutorInnen betonen nochmals, das Lean mehr als Lean-Tools und LeanWerkzeuge ist. Es geht vor allem um über Menschen, Kultur, Leadership. Sie merken
an, dass HR aber selten eine aktive Rolle im Lean-Transformationsprozess einnimmt
und dass das Beitragspotential, sobald HR eine Rolle übernimmt, bei weitem noch
nicht ausgeschöpft ist.194
Sie erläutern 4 Handlungsgebiete, in denen sich HR im Lean-Transformationsprozess positionieren und mitarbeiten soll:195
Kultur:
Unterstützung bei der Schaffung einer Lean-Kultur, die eine Arbeitsumgebung
schafft, die vor allem die Wirkungsvariablen 1) bis 4) unterstützt (siehe Seite 60).
Recruiting von MitarbeiterInnen mit Lean-Charaktereigenschaften:
Berücksichtigung
von
Lean-typischen
Charaktereigenschaften
wie
z.B.
Kommunikationsstärke, Teamarbeitsfähigkeit, Flexibilität in Bezug zum Arbeitsgebiet
bei der Rekrutierung und Anstellung von MitarbeiterInnen. Tracey/Flinchbaugh
192
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 58 – übersetzt durch den Autor
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 5 ff. – übersetzt durch den Autor
194
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 5 – übersetzt durch den Autor
195
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 9 – übersetzt durch den Autor
193
62
führen an, dass Grundzüge dieser Lean-Charaktereigenschaften in den Menschen
bereits vorhanden sein müssen, dass diese weiterentwickelt werden können.
Entlohnungs-/Vergütungssystem:
Schaffung eines fairen und passenden Entlohnungs-/Vergütungssystem im Rahmen
einer Lean-Implementierung in Bezug zur Stärkung von Wirkungsvariable 5 (siehe
Seite 60).
Entwicklung, Auswahl und Bindung von Lean Leaders:
Unterstützung bei der Entwicklung, Auswahl und Bindung von Lean-Führungskräften
unter der Berücksichtigung von langfristigen, evolutionären Entwicklungsschritten.
Die beiden Autoren weisen darauf hin, dass die 5 genannten Wirkungsvariablen
allesamt hauptsächlich HR-relevante Themen sind und daher eine Domäne von HR
sein sollte.196
Sie unterscheiden auch 2 Betrachtungsweisen in Bezug zu Lean und HR:197

Lean in Human Resources: Meint im Kontext von Lean das Vermeiden und
Reduzieren von Verschwendung innerhalb der HR-Prozesse selbst.

HR-enabled Lean: Meint, wie HR durch seine HR-Prozesse und HRFunktionen eine erfolgreiche Lean-Einführung in der gesamten Organisation
unterstützt.
2.5.10 Die Rolle von HR in einem Lean-Unternehmen
Jung weist auf die Diskussion um den zentralen Stellenwert von Organisation und
Personalarbeit als Resultat der in Kapitel 1.1. genannten MIT-Studie hin, deren
Erkenntnisse und leitende Prinzipien auch für eine systematische Personalarbeit in
der gesamten Wertschöpfungskette auch außerhalb der
Automobilindustrie in
anderen Industrie- und Dienstleistungsbereichen bedeutsam sind.198
196
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 9 – übersetzt durch den Autor
Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 9 – übersetzt durch den Autor
198
Vgl. Jung 2006: 907
197
63
Jung nennt dabei 3 Ebenen des Lean-Managements:199

Lean Management Techniken (z.B. Just in Time, Total Quality Control, etc.)

Lean Management Grundsätze (z.B. Gruppenorientierung,
Eigenverantwortung, permanentes Feedback, etc.)

Lean Management Kultur (z.B. Permanente Lernorientierung,
Wertschöpfungsorientierung, Kooperation, Humankapitalorientierung, etc.)
Jung bezieht sich auf ExpertInnenprognosen und verweist auf eine stärkere
Betonung
der
Selbstverwirklichung
in
der
Arbeit,
ausgelöst
durch
einen
Wertewandel. Dabei wird die Identifikation unabhängig vom Ausbildungsniveau und
der Hierarchiestufe bedeutungsvoller.200
Er betont weiters, dass die Ansätze zum Lean Management umfangreiche
Konsequenzen für das betriebliche Personalmanagement mit sich bringen und
benennt die innere Organisation als den Schlüssel für den Markterfolg eines
Unternehmens.201
Jung hebt dabei u.a. nachfolgende Einflussbereiche des Personalwesens auf
betriebliche Gestaltungsfelder im Lean Management hervor:202

MitarbeiterInnenorientierung
o V.a. durch MitarbeiterInnenorientiertes Führungsverhalten und
planvolle Organisations- und Personalentwicklung

Einbeziehung der MitarbeiterInnen in Entscheidungen
o Selbstkontrolle durch verantwortungsvolle MitarbeiterInnen und
Freiraum durch die Führungskräfte führt zu gesteigerter
Selbstmotivation
o Förderlich dazu ist eine Organisation mit wenigen Hierarchiestufen

Personalentwicklung durch Qualifizierung
o Mit Focus auf das Anforderungsprofil der MitarbeiterInnen in Bezug zu
Lean-Schlüsselqualifikationen wie z.B. Teamfähigkeit,
Selbstorganisationsfähigkeit, Innovationsfähigkeit, etc.
199
Vgl. Jung 2006: 907
Vgl. Jung 2006: 907
201
Vgl. Jung 2006: 910
202
Vgl. Jung 2006: 910 f.
200
64
o Permanente Qualifizierung ist Grundlage für „lebenslanges Lernen“
o Qualifizierung durch Jobrotation

Team-Bildung
o Gruppenarbeit mit dem Ziel der Effektivitäts- und Effizienzsteigerung
o Steigert Arbeitszufriedenheit und Motivation
o Teambildung mit dem Ziel zur Etablierung von Prozessverantwortung
o Sukzessiver Change-Prozess von Individual- zu Gruppenarbeit durch
Intensivierung der Qualifizierung und Entwicklung neuer Perspektiven
für SpezialistInnen und bisherige Leistungsträger

Schnittstellengestaltung
o Transformation von Schnittstellen zu Verbindungsstellen durch klare
Stellenbeschreibungen und Organisationsbeschreibungen

Das Feindbild „Arbeit“ abbauen
o Durch gegenseitige Wertschätzung, welche zu Wohlbefinden am
Arbeitsplatz führt
o Schaffung einer Kultur, die Fehler erlaubt

Entlohnungskonzepte
o Einführung flexibler Entlohnungsformen, welche an der gesteigerten
Arbeitsflexibilität innerhalb von Lean ausgerichtet wird
Auch im Kontext von Lean für die Organisation der Personalentwicklungsarbeit nennt
Gogoll einige Grundsätze bzw. Kernanforderungen:203

Integration der operativen Personalentwicklungsarbeit in die operative Linie
(über Division und Vorgesetzte zu den einzelnen MitarbeiterInnen)

Schaffung von „Kompetenz-Zentren“ wie z.B. für: zentrale Rekrutierung von
Führungskräften, Entwicklungssteuerung von High-Potentials, etc.

Dezentrale Personalentwicklungsarbeit wird durch föderalistisch entwickelte
und dann „gesetzte“ Standards gesteuert

Ablauforganisation
der
PE-Arbeit
wird
wie
ein
Produktionsprozess
kontinuierlich verbessert (Kaizen).

203
Nachfolgeplanung als dauernde Aufgabe ist zu erhalten
Vgl. Gogoll 1995: 177
65

„Make-or-Buy“-Überlegungen
bei
Personalentwicklungsmaßnahmen
sind
durchzuführen
Die Personalabteilung nimmt bei Toyota eine einflussreiche Stellung ein. Das
Aufgaben- und Tätigkeitsgebiet geht weit über die administrativen Personalaufgaben
hinaus. Die Personalabteilung ist PartnerIn der Herstellung und eng mit der
Produktionsleitung verflochten und damit auch in die täglichen Belange der
Fertigungsteammitglieder involviert. Zu den Aufgaben der Toyota-Personalabteilung
gehören u.a. die Karriereplanung der MitarbeiterInnen sowie die Ressourcen/Personalbedarfsplanung, welche auch eine stabile Beschäftigung sicherstellen soll.
Die MitarbeiterInnen der Personalabteilung praktizieren selbst Genchi Genbutsu und
verbringen Zeit in den Abteilungen selbst, um sich über die Entwicklungen im
Unternehmen am Laufenden zu halten. Bei der Entwicklung von Führungskräften
wird auf eine langfristige Perspektive Wert gelegt.204
Zur Ausrichtung und Messbarkeit von Zielen auf allen Unternehmensebenen ist bei
Toyota das sogenannte Hoshin Kanri-System (engl. Policy Deployment) etabliert. Die
Unternehmensziele werden Top-Down über alle Führungsebenen bis zu den
einzelnen MitarbeiterInnen formuliert.205
Hoshin Kanri ist mit dem westlichen Management-by-Objectives vergleichbar, weist
aber dennoch einige Unterschiede zu diesem auf:206
207
Abbildung 30: Management by Objectives versus hoshin kanri
204
Vgl. Liker/Hoseus 2009: 82 ff.
Vgl. Liker/Hoseus 2009: 84
206
Vgl. Liker/Hoseus 2009: 545
207
Liker/Hoseus 2009: 546
205
66
Hoshin steht im Japanischen für „Kompass“ und Kanri für „Kontrolle“, was in Summe
mit „Steuerung der Richtung und der Mittel“ übersetzt werden kann.208
Die Personalabteilung koordiniert Schulungen, welche ab dem Zeitpunkt des Eintritts
der MitarbeiterInnen beginnen und in weiterer Folge in systematischer Form auf allen
Organisationsebenen durchgeführt. Mitarbeiterschulungen und on-the-job Trainings
finden aber zu Großteil von den ManagerInnen und Vorgesetzten in den jeweiligen
Bereichen statt (diese Verhaltensweisen finden sich auch in den Beobachtungen von
Mike Rother in Kapitel 2.5.3, welche er als Kata bezeichnet209). Die Jobrotation zur
Ausweitung der Fertigkeiten außerhalb des angestammten Aufgabengebietes gehört
ebenso zur Personalentwicklung der MitarbeiterInnen.210
Die zuvor genannte Studie der Bertelsmann-Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass bei
Toyota die jeweilige Führungskraft den Kern der Aus- und Weiterbildung “on the job“
bildet. Die Grundsätze des Toyota Personalmanagements sind der Rahmen für
Kompetenzentwicklung „on the job“, dem Leben und Lernen der Toyota-Kultur
verbunden mit der jeweiligen Rolle der MitarbeiterInnen und der Schaffung eines
vertrauensbildenden Arbeitsumfeldes.211
Liker/Hoseus beschreiben in einem Artikel für den Industry Month Guide 2008 der
Economic Development for Central Oregon 3 Möglichkeiten, wie sich die Rolle von
HR durch Einführung von Lean Production verändern kann:212
1) Unterstützende Rolle bei der Identifikation und Reduzierung von Verschwendung
durch Bereitstellung von Auswertungen aus Daten zu indirekter und direkter
Lohnkosten, um festzustellen, ob z.B. der Overhead „Lean“ ist.
2) HR ist selbst das Lean-Subjekt, wo gefragt wird, wie Verschwendung aus HRProzessen
eliminiert
Einstellungsprozess
werden
oder
kann
durch
das
(z.B.
durch
Eliminieren
Wertstromanalysen
nicht
im
wertschöpfender
Arbeitsschritte z.B. durch Outsourcing an einen günstigeren externen Partner).
3) Jene Rolle, die dem Toyota-Weg von Lean aber am meisten entspricht, wäre:
Was trägt HR zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer Toyota-Kultur (im Sinne
von Lean) bei?
208
Vgl. Liker/Hoseus 2009: 518
Vgl. Kapitel 2.5.3
210
Vgl. Liker/Hoseus 2009: 194 ff.
211
Vgl. Sackmann 2005: 29
212
Vgl. Liker/Hoseus 2008: 26
209
67
Laut Jekiel soll HR hinsichtlich des HR-Rollenbildes ein/e strategische/r PartnerIn
werden, die/der das Unternehmen dabei unterstützt, Erträge zu steigern und Kosten
zu senken. Dafür sind ein klares Verständnis der Unternehmensstrategie und die
Fähigkeiten innerhalb von HR zur Mitarbeit bei der strategischen Planung
erforderlich.213
Hinsichtlich eines weiteren Rollenbildes soll sich HR zu einem „Champion für
Verbesserung“ entwickeln. HR ist deswegen dafür prädestiniert, da vieles, was zu
einer Veränderung hin zu einer Lean Organisationskultur erforderlich ist, sich in den
Schulungsprogrammen von HR befindet. HR soll in diesem Zusammenhang eine
aktive und bedeutende Führungsrolle einnehmen, da es eine Unternehmenskultur
schafft, die sich in besseren Unternehmensergebnissen niederschlägt. 214
Durch das Schaffen von HR-Prozesslandkarten soll auch innerhalb von HR selbst
evaluiert werden, welche Prozesse verbessert werden können. Dabei werden
Prozessbeginn, Inhalt des Prozessschrittes sowie Prozessende dokumentiert.215
Folgende HR-Prozesse sollen dabei analysiert werden:216

Auswahl, Beschaffung und Orientierung von Personal

Durchführung von Trainings- und Entwicklungsprogrammen

Überwachung der MitarbeiterInnenleistung

Behandlung von Anerkennung und Entlohnung

Administration von Sozialleistungen

Gehaltsabrechnung

Durchführung von MitarbeiterInnenumfragen
Jekiel spricht in ihrem Buch in Bezug zu Lean hauptsächlich im Kontext der
„kontinuierlichen Verbesserung“. In diesem Zusammenhang nennt sie einige
Konzepte zur Schaffung einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung: 217

Kundenfocus

Kontinuierliche Verbesserung
213
Vgl. Jekiel 2011: 54 – übersetzt durch den Autor
Vgl. Jekiel 2011: 54 – übersetzt durch den Autor
215
Vgl. Jekiel 2011: 73 f. – übersetzt durch den Autor
216
Vgl. Jekiel 2011: 68 – übersetzt durch den Autor
217
Vgl. Jekiel 2011: 98 f. – übersetzt durch den Autor
214
68

Breite MitarbeiterInnenbeteiligung

Prozessmanagement

Sachbezogenes, team-basiertes Lösen von Problemen

Visuelle Messung

Visionäres Leadership
HR kann in allen diesen genannten Punkten mitarbeiten. Am Beispiel der
kontinuierlichen Verbesserung kann dies so erfolgen:218

Verbesserung
als
Grundeinstellung
und
somit
Voraussetzung
beim
Rekrutierungsprozess von Führungskräften

Entwicklung von Fähigkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung im Rahmen
von HR-Schulungsprogrammen
Zur
Schaffung
MitarbeiterInnen
einer
ist
Kultur
es
der
kontinuierlichen
erforderlich,
Verbesserung
entsprechende
bei
allen
Verhaltensweisen
und
Fähigkeiten in die Jobbeschreibungen einzubauen. Diese Aspekte sind auch bei den
Jobanforderungen zur Rekrutierung von neuen Führungskräften zu berücksichtigen.
Fähigkeiten
der
kontinuierlichen
Verbesserung
werden
auch
in
HR
Schulungsprogramme eingebaut, damit die MitarbeiterInnen lernen, wie man
Ergebnissteigerungen erzielt.219
Dies geschieht durch die Schaffung eines Kompetenzmodells, welches wiederum die
Basis für die meisten HR-Schulungsprogramme bildet. In Bezug zu den Jobinhalten
können 4 Kompetenzgruppen innerhalb dieses Modells unterschieden werden:220

Gesamte Organisation

Jeder/jede in einer Führungs- bzw. Management-Rolle

Funktionsbezogen

Positionsbezogen bzw. Job-spezifisch
218
Vgl. Jekiel 2011: 100 – übersetzt durch den Autor
Vgl. Jekiel 2011: 100 – übersetzt durch den Autor
220
Vgl. Jekiel 2011: 143 f. – übersetzt durch den Autor
219
69
2.5.11 Personalentwicklung durch Aus- und Weiterbildung im Kontext von Lean
Im
Jänner
2002
wurde
das
Toyota
Institute
als
interne
HR-
Personalentwicklungseinheit gegründet, um den Toyota Weg innerhalb der
Organisation zu promoten. Seit 2003 haben Toyota Tochtergesellschaften in den
USA, Europa (Belgien), Asien (Thailand, China), Afrika (Südafrika) und Ozeanien
(Australien) ihre eigenen HR Trainingsorganisationen nach dem Modell des Toyota
Instituts gegründet.221
Personalentwicklung
Zusammenspiels
ist
vom
ein
Toyota
Teil
des
Weg
Toyota
mit
Gesamtverständnisses
verschiedenen
und
personalrelevanten
Themenblöcken. Im Rahmen der PE wird OJT („on the job Training“) explizit als
wesentliches Element genannt.
Den Ausgangspunkt für die Personalentwicklung bei Toyota bildet das Ziel der
Vermittlung des Toyota Weges in die Praxis (= „Mission“ des Toyota Instituts).
Verschiedene Ausbildungsprogramme auf Basis der jeweiligen Jobbeschreibungen
und Qualifikationsstufe dienen zur Erweiterung von Expertise und Fähigkeiten der
MitarbeiterInnen,
um
„gutes
Verbesserungsaktivitäten
Denken“,
„gute
(Kaizen-Aktivitäten)
Produkte“
zu
voranzutreiben.
verfolgen
Die
und
praktischen
Fähigkeiten werden durch Vorträge vermittelt und dann durch die Praxis erprobt und
umgesetzt. Die MitarbeiterInnen-Ausbildung wird bei Toyota dabei immer unter der
„Genchi Genbutsu“-Philosophie (bei Toyota bedeutet Genchi Genbutsu, sich an den
Ort des Geschehens zu begeben, um die eigentliche Situation zu sehen und zu
verstehen222) adressiert.223
221
Vgl. [Internet]: <http://www.toyotaglobal.com/company/vision_philosophy/globalizing_and_localizing_manufacturing/> 3. Oktober 2012 –
übersetzt durch den Autor
222
Vgl. Liker 2011: 316
223
Vgl. [Internet]: <http://www.toyota-global.com/sustainability/stakeholders/employees/> 3. Oktober
2012 – übersetzt durch den Autor
70
Abbildung 31: Education System – Toyota Motor Corporation Website
224
Gogoll weist darauf hin, dass Personalentwicklung sich ebenso nach Lean-Prinzipien
auszurichten hat. Dies geschieht durch nachfolgende Maßnahmen:225

Organisationsstruktur und organisatorische Abläufe der Personalentwicklung
sind Lean zu gestalten

Inhalte sind komplett auf die Lean-Organisation ausgerichtet

Einsatz von Methoden, die den Anforderungen von Lean entsprechen
Dabei ist zu beachten, dass für diese Maßnahmen und die PE selbst das Prinzip der
kontinuierlichen Verbesserung (wie in der Produktion) anzuwenden ist.226
Gogoll zählt weiters einige PE-Maßnahmen auf, welche den Lean-Prinzipien
Rechnung tragen, u.a.:227

Förderung von Lernen am Arbeitsplatz selbst

Rekrutierung der richtigen Talente

Unterstützung der MentorInnen und Ausbildung von Führungskräften zu
„Coaches“ und PersonalentwicklerInnen

Lernen durch Projekttätigkeit

Schulungen und Trainings werden den Lean-Prinzipien des Unternehmens
nach ausgerichtet
224
Vgl. [Internet]: <http://www.toyota-global.com/sustainability/stakeholders/employees/> 3. Oktober
2012
225
Vgl. Gogoll 1995: 177
226
Vgl. Gogoll 1995: 177
227
Vgl. Gogoll 1995: 178 ff.
71

Berücksichtigung,
dass
Personalentwicklung
auch
gleichzeitig
Organisationsentwicklung bedeutet
Die Bedeutung der Ressource MitarbeiterIn betonen auch Dahm/Haindl. Viele
Unternehmen fokussierten bei der Umsetzung der Lean-Ansätze zu sehr auf
Kostensenkungen und Rationalisierungen und ließen gleichzeitig aber den
Grundsatz der Personalentwicklung außer Acht. Dies bedeutete erhebliche
Komplikationen bei der Umsetzung, denn „wer nicht das Wissen der MitarbeiterInnen
und deren Motivation ins Zentrum der Verbesserungen bringt, wird immer scheitern“
(Aussage eines Toyota-Managers eines Werkes in den USA).228
Bösenberg/Mentzen betonen, dass die Qualifikation und permanente Weiterbildung
der MitarbeiterInnen eine wesentliche Rolle spielen, damit diese ihre eigenen Ideen
zur Verbesserung des Arbeitsbereichs entsprechend aufzeigen und einbringen
können. In der Breite findet dies durch Job-Rotation statt, welches sich in einer
Flexibilität der Einsetzbarkeit bemerkbar macht. In der Tiefe durch verschiedene
Methoden der Problemlösung und Qualitätskontrolle.229
In Bezug zur Personalentwicklung in schlanken Unternehmen weist Heimerl-Wagner
auf nachfolgende Erfordernisse hin:230

Vermittlung
von
entsprechenden
Fähigkeiten
zur
Durchführung
von
kontinuierlicher Verbesserung

Mehrfachqualifizierung und Mehrfachspezialisierung sowie Prozesskompetenz
der MitarbeiterInnen

Förderung
von
Mehrfachqualifikationen
auf
fachlicher,
sozialer
und
konzeptueller Ebene aufgrund der teamorientierten Strukturen
2.5.12 Personalentwicklung durch Karrieremanagement im Kontext von Lean
In Bezug zu Karrieren verweisen Womack/Jones/Roos darauf, dass man im Westen
gewohnt ist, Karriere als kontinuierlichen Aufstieg zu immer höheren Ebenen des
228
Vgl. Dahm/Haindl 2011: 58 f.
Vgl. Bösenberg/Metzen 1992: 13
230
Vgl. Heimerl-Wagner 1995: 40 f.
229
72
fachlichen Wissens und Könnens in immer engeren Spezialbereichen bei
gleichzeitiger Ausweitung der Anzahl an untergebenen MitarbeiterInnen zu
verstehen. Im Gegenzug dazu steht in der schlanken Produktion die Ausweitung der
Fähigkeiten im Rahmen von Teams im Vordergrund, was bedeutet, dass weniger
fundiertes
Spezialwissen
erlangt
wird,
welches
auch
die
Möglichkeit
für
Firmenwechsel einschränkt. Um MitarbeiterInnen in dieser Arbeitsumgebung zu
entwickeln ist es erforderlich, immer neue hohe Aufgaben zu geben, damit bei diesen
das Gefühl der Wertschätzung in Bezug zu ihrem Wissen und ihren Fertigkeiten
entstehen kann. Diese ständigen Herausforderungen sind wichtig, damit die
MitarbeiterInnen nicht das Gefühl bekommen, bereits einen Karriereendpunkt
erreicht zu haben. Dies würde somit bedeuten, dass sie ihr Engagement und ihr
Wissen zurückhalten würden, womit dabei der Hauptvorteil in der schlanken
Produktion verloren gehen würde.231
In Bezug zu den Karrieremöglichkeiten erwähnen Womack et al., dass es in Bezug
zur Produktion wichtig ist, den MitarbeiterInnen durch immer anspruchsvollere
Problemlösungen die Möglichkeit zur Erweiterung der eigenen Fähigkeiten zu geben.
Die Problemlösung ist der wichtigste Teil der Arbeit. Dies ist insofern bedeutsam, da
in der schlanken Produktion nicht immer eine hierarchische Beförderung zu
Abteilungs- oder Werksleitern möglich ist. In japanischen Unternehmen ist die
Entlohnung zudem von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig. Es gibt aber
auch Leistungszuschläge. Die schlanken Unternehmen mit flacher Hierarchie
kommunizieren
ihren
MitarbeiterInnen,
dass
ihre
stetig
steigende
Problemlösungskompetenz ein wichtiger Beitrag für Lean und das Unternehmen
darstellt, auch wenn sich ihre Titel nicht ändern. MitarbeiterInnen mit diesen
erweiterten Fähigkeiten wechseln in andere Teams, um dort mitzuarbeiten und ihr
Wissen einzubringen, sowie sich neues Wissen im neuen Team anzueignen. 232
Womack et. al. betonen weiters, dass in japanischen Unternehmen vor allem
BerufsanfängerInnen eingestellt werden und diese dann das Unternehmen nicht
mehr
verlassen,
da
wie
bereits
vorher
erwähnt
die
Entlohnung
an
die
Betriebszugehörigkeit geknüpft ist. Das westliche Karriereverständnis ist dazu ein
231
232
Vgl. Womack et al. 1992: 20
Vgl. Womack et al. 1992: 209 f.
73
ganz anderes, außerdem betont es die Entwicklung von „portablen“ Fähigkeiten.
Diese können bei einem Jobwechsel ihre erworbenen Fachkenntnisse in ein anderes
Unternehmen mitnehmen. Dafür sei auch das westliche Bildungssystem, welches
nach Fachkompetenzen gegliedert ist, und den Absolventen eine entsprechende
Befähigung attestiert, verantwortlich. Für die schlanke Produktion sind jedoch
teamorientierte, lernwillige, GeneralistInnen erforderlich, die vor allem in ihren
jeweiligen Teams erfolgreich sind. Daraus resultiert die Gefahr des Gefühls von
Gefangensein
und
würde
bedeuten,
dass
Kenntnisse
und
Engagement
zurückgehalten werden. Die Autoren regen daher bei der Einführung von Lean in
westlichen
Unternehmen
an,
ihre
Personalsysteme
und
Karrierewege
zu
überdenken.233
Aufgrund flacher Hierarchien in einem schlanken Unternehmen weist HeimerlWagner auf das Erfordernis der Trennung von beruflichem Aufstieg und Hierarchie
hin. Dies bedingt die Etablierung von integrierten Karriereplanungskonzepten für
Fach-
und
Führungskräfte,
Orientierungsgesprächen
welche
basieren.
auf
strukturierten
Personalentwicklung
in
MitarbeiterInneneinem
schlanken
Unternehmen ist viel stärker in der „Linie“ zu verankern.234
Da in einem schlanken Unternehmen Ebenen und Positionen wegfallen, die mit der
Organisation von Arbeit zu tun hatten und der immer größere Anteil der
MitarbeiterInnen direkt mit wertschöpfenden Tätigkeiten beschäftigt ist, ist es auch
erforderlich, neue Karrieremöglichkeiten auszuarbeiten. Womack/Jones nennen dies
„alternierende Karriere“, bei dem MitarbeiterInnen sich hin und her bewegen
zwischen der Anwendung von erworbenem Wissen in einem Team und dem
Erwerben neuer Fähigkeiten auf der Basis von Funktionen. Ein Beispiel ist die
temporäre Mitarbeit bei einem Projekt und eine darauffolgende Rückkehr in die
angestammte Tätigkeit, wo wiederum die neuen Fertigkeiten gelernt werden oder in
fortgeschrittenen Projekten mitgearbeitet wird.235
233
Vgl. Womack et al. 1992: 262 f.
Vgl. Heimerl-Wagner 1995: 42
235
Vgl. Womack/Jones 2004: 327 f.
234
74
Das bisherige Karrieremodell des Aufstiegs in leitende Positionen mit immer mehr
Untergebenen muss aufgegeben werden, da dies für den Wertstrom eines Produktes
nicht von Nutzen ist. Ein neues Karrierekonzept ist erforderlich, welches die
Erwerbung immer neuer Fähigkeiten verbunden mit der Lösungsorientierung von
immer schwierigeren Problemen berücksichtigt.236
2.5.13 Lean Production als Form der Arbeitsorganisation
Gonzalez/Almond analysieren vor dem Hintergrund des komparativen HRM die
Forschung und Ergebnisse aus dem Bereich „Flexible Arbeitspraktiken“, da die
Suche nach „Flexibilität“ ein beständiges Hauptmotiv für HRM darstellt.237
Das gestiegene Interesse zur Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitssystemen
resultierte aus der Forschungsarbeit der 1980er Jahre, in dem die Unterschiede
zwischen westlichen und japanischen Managementmethoden eingehend analysiert
wurden (siehe auch Kapitel 2.3.1).
Aus der Analyse von amerikanischer HRM-Literatur zu diesem Thema lässt sich
schließen, dass jene innovativen HRM-Praktiken die Produktivität erhöht haben, die
nachfolgende Merkmale aufwiesen:238

Verwendung von Systemen entsprechender Arbeitspraktiken, welche so
ausgelegt sind, die Partizipation und Flexibilität der MitarbeiterInnen einerseits
durch die Arbeitsausgestaltung sowie andererseits die Dezentralisierung von
Führungsaufgaben und Führungsverantwortung zu steigern
Nach Gonzalez/Almond239 hat die Forschung der Arbeitsflexibilität die Phase der
„Post Lean Produktion“ erreicht. Diese basiert auf den vorherrschenden „bestpractice“ HRM- und Arbeitsorganisation-Modellen, welche aus einer Mischung von
japanischen
Arbeitsorganisationspraktiken
(oder
vielmehr
einer
„westlichen“
Interpretation davon – siehe Kapitel 1.1 / „Lean Production“) und neo-liberalen
amerikanischen HRM-Ideen besteht. Durch die internationale Verbreitung dieser
Modelle durch amerikanische und japanische multinationale Unternehmen und in
236
Vgl. Womack/Jones 2004: 328
Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 322 – übersetzt durch den Autor
238
Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 324 f. – übersetzt durch den Autor
239
Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 326 f. – übersetzt durch den Autor
237
75
weiterer Folge Nachahmung in anderen Firmen ergibt sich eine Vielfalt von
Ausprägungen, welche bereits 1994 durch Appelbaum und Batt identifiziert wurden
und hier beispielhaft angeführt werden:

Schwedische sozio-technische Systeme

Japanische Lean Produktion

Amerikanische Lean Produktion

Amerikanische Team Produktion
Gonzalez/Almond240 verweisen in Bezug zu quantitativer Forschung auch auf die
Ergebnisse einer Sekundäranalyse mit dem Titel „Working Conditions in the
European
Union:
Work
organisation“241
(Zusammenfassung
publiziert
am
19. September 2008242) auf Basis der vierten Europäischen Erhebung243 über
Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (EUROFUND - European Foundation
for the Improvement of Living and Working Conditions), welche 2005 von der
Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen
(EUROFUND) durchgeführt und ein entsprechender Bericht 2007 publiziert wurde.
In dieser Sekundäranalyse wurden Untersuchungen zu den unterschiedlichen
Formen der Arbeitsorganisation in Europa auf Basis unterschiedlicher Merkmale
(strukturelle, demografische, länderübergreifende) durchgeführt. Auf Basis dieser
Merkmale wurden die verschiedenen Formen bestimmt und Zusammenhänge
zwischen Arbeitsorganisation und den unterschiedlichen Dimensionen der Qualität
von Arbeit und Beschäftigung eingehender betrachtet. Weiters enthält die Studie eine
Analyse hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen der Arbeitsorganisation und der
Praxis des Personalmanagements.244
Dabei
wurden
nachfolgende
4
Hauptformen
der
Arbeitsorganisation
herausgearbeitet.
240
Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 335 – übersetzt durch den Autor
Vgl. Valeyre et al. 2009
242
Vgl. EUROFUND 2008
243
Vgl. Parent-Thirion et al. 2007
244
Vgl. EUROFUND 2008: 1
241
76
Merkmale bzw. Ausprägungen
Hauptform der
%-Anteil
basierend auf
Arbeitsorganisation
aller EU-27
Analysen und Variablen
Selbstbestimmtes Lernen
 Hohes Maß am Autonomie am Arbeitsplatz
(Discretionary Learning)
 Lernen und Problemlösungstechniken
 Komplexität der Aufgaben
38%
 Selbstbewertung der Arbeitsqualität
 Autonome Teamarbeit (in geringerem
Maße)
Schlanke Produktion (Lean
Production)
 Höheres Maß an Teamarbeit und
Jobrotation
 Selbstbewertung von Arbeitsqualität
26%
 Qualitätsnormen
 Faktoren, die das Arbeitstempo hemmen
 Geringe Autonomie bei der Arbeit (vor
Tayloristische
Arbeitsorganisation
allem hinsichtlich der Arbeitsmethoden)
 Geringe Lerndynamik
 Geringe Komplexität
 Überrepräsentation der Variablen, die das
20%
Arbeitstempo hemmende Faktoren, den
repetitiven Charakter und die Monotonie
der verrichteten Aufgaben sowie die
Qualitätsnormen messen
Traditionelle bzw. einfach
strukturierte Formen der
 Sämtliche Variablen der
Arbeitsorganisation sind unterrepräsentiert
 Methoden sind weitgehend informeller
Arbeitsorganisation
16%
Natur und nicht in kodifizierter Form
festgelegt.
Tabelle 3: Arbeitsorganisation in den EU-27 Ländern
245
Die in den EU-27 Ländern vorherrschenden Formen der Arbeitsorganisation variieren
hinsichtlich verschiedener Dimensionen, wie z.B. in Bezug zu Land (siehe Abbildung
49), Wirtschaftszweig, Erwerbstätigkeit.246
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Formen, deren Merkmale bzw. Ausprägungen
sowie die Verteilung der 4 Formen innerhalb der 27 EU-Mitgliedsstaaten.
245
246
Vgl. EUROFUND 2008: 1
Vgl. EUROFUND 2008: 1 f.
77
Abbildung 32: Distribution of work organisation classes, by country (%)
247
Ein weiteres Merkmal zur Unterscheidung der verschiedenen Formen der
Arbeitsorganisation
bilden
die
Maßnahmen
des
Personalmanagements.
Entscheidende Rollen spielen dabei:248

Strategien im Bereich der Weiterbildung

Art des Arbeitsvertrags

Art des Entlohnungssystems

Konsultations- und Diskussionsmechanismen in Arbeitsfragen
So sind zum Beispiel in den Arbeitsorganisationsformen des „selbstbestimmten
Lernens“ sowie der „schlanken Fertigung“ nachfolgende Merkmale tendenziell
vorhanden:249

Höherwertiges Weiterbildungsangebot des/der ArbeitsgeberIn
247
Valeyre et al. 2009: 22
Vgl. EUROFUND 2008: 2
249
Vgl. EUROFUND 2008: 2
248
78

Verstärkter Einsatz variabler oder auf Anreizmodellen basierende
Entlohnungssysteme

Sicherere Arbeitsverhältnisse mit einem größeren Anteil an unbefristeten
Arbeitsverträgen

Stärkere Einbindung der ArbeiternehmerInnen in Konsultations- und
Diskussionsprozessen in Arbeitsfragen
Vor allem aus den Ergebnissen dieser Sekundäranalyse schließen Gonzalez/Almond
in Bezug zu ihren Forschungen zur funktionalen Flexibilität auf hohe Unterschiede in
den verschiedenen Ländern (in diesem Fall lag der Focus auf die EU-27) ungeachtet
der verschiedenen Kräfte der Annäherung zueinander (Konvergenz). 250
2.6 Zusammenfassung der Theorie – Teilantwort der
Forschungsfrage
Forschungsfrage:
Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter
Lean Human Resources und welche Auswirkungen hat konkret die Einführung
von Lean auf die Position sowie das Rollenbild der Organisationseinheit
Human
Resources
sowie
Personalentwicklungsmaßnahmen
im
Aus-
Besonderen
und
auf
Weiterbildung
die
sowie
Karrieremanagement?
Diese Frage kann aus Theorie bzw. den Literaturanalysen heraus nicht vollständig
beantwortet werden, da die zur Verfügung stehenden Informationen und Daten
hauptsächlich auf Toyota und US-amerikanische Unternehmen Bezug nehmen. Eine
entsprechende Beantwortung in Bezug zu österreichischen Unternehmen wird durch
die empirische Analyse erwartet.
Nachfolgend erfolgt insofern eine Teilbeantwortung der Forschungsfrage, als dass
die gewonnen Erkenntnisse in Bezug zur Forschungsfrage gestellt werden, um damit
einen theoretischen Rahmen für eine Überleitung zum empirischen Teil zu bilden.
250
Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 338 – übersetzt durch den Autor
79
2.6.1 Was versteht die Theorie unter Lean?251
In Kapitel 2.4.7 wurde bereits darauf verwiesen, dass das Toyota Production System
heute immer noch als Best Practice zitiert wird und als Quelle jeglichen Lean
Gedankentums gilt.252
Die Ausgangsbasis zur Beantwortung dieser Frage bildet daher die Definition des
TPS gemäß Abbildung 13 in Kapitel 2.3.1:253
„Das Toyota Production System versetzt Mitarbeiter in die Lage, die Qualität durch
ständige Verbesserung von Prozessen und Vermeidung der Verschwendung von
natürlichen, menschlichen und unternehmerischen Ressourcen zu optimieren. Das
TPS wirkt sich auf jeden Aspekt unserer Organisation aus und beinhaltet eine
gemeinsame Basis an Werten, Wissen und Verfahren. Die Mitarbeiter werden mit gut
definierten Verantwortlichkeiten in jedem Produktionsschritt betraut und jedes
Teammitglied wird ermutigt, nach Verbesserungen zu streben.“
Die Verbesserung von Prozessen und die Vermeidung von Verschwendung führen
dabei
nicht
nur
auf
der
Ebene
der
Prozesse,
sondern
auch
in
der
Organisationstruktur eines Unternehmens zu einer „Verschlankung“. „Verschlankung“
im Sinne von Verbesserung und Vermeidung von Verschwendung ist keine einmalige
Aktivität, sondern ein kontinuierlicher, ständig andauernder Prozess.
Diese eine gesamte Organisation betreffende „Verschlankung“ führt gleichzeitig zu
höherer Effizienz und Effektivität eines Unternehmens und letztlich zu einer
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Maßnahmen zur „Verschlankung“ werden einerseits im Rahmen umfassender
begrifflicher Konzepte wie z.B. Lean, Lean Six Sigma, Lean Sigma, als auch im
Rahmen aller Unternehmensaktivitäten, die zur Steigerung der Effizienz und
Effektivität führen (und dabei gleichzeitig nicht explizit Lean genannt werden),
umgesetzt.
Bei der Einführung von Lean sind unterschiedliche rechtliche, ökonomische und
kulturelle Unterschiede (je nach Land) zu berücksichtigen.
251
Vgl. Kapitel 2
Vgl. Kapitel 2.4.7
253
Kapitel 2.3.1
252
80
2.6.2 Was versteht die Theorie unter Lean Human Resources?254
Der Begriff Lean Human Resources wird in der Theorie äußerst selten genannt und
tritt dabei in Bezug zur Forschungsfrage in zweifacher Form in Erscheinung:
1. Lean Human Resources im Kontext der Rolle von Human Resources als
Organisationeinheit  diese Form wird auch als „HR-enabled Lean“ bezeichnet
und beschreibt, wie HR durch seine HR-Prozesse und HR-Funktionen Lean in der
gesamten Organisation unterstützt.
Punkt 1. wird im Kapitel 2.6.4 näher erläutert.
2. Lean Human Resources im Kontext der Prozesse von Human Resources (als
Organisationeinheit)  Damit ist die Vermeidung und die Reduzierung von
Verschwendung innerhalb der HR-Prozesse selbst gemeint.
Mittels Erstellung von HR-Prozesslandkarten sollen die eigenen HR-Prozesse
verbessert werden. Dabei ist Verschwendung innerhalb von HR-Prozessen selbst
zu
eliminieren.
Verschwendung
HR muss daher auch Lean-Fähigkeiten erwerben,
zu
identifizieren
(z.B.
durch
Wertstromanalysen
um
im
Einstellungsprozess oder das Eliminieren nicht wertschöpfender Arbeitsschritte
z.B. durch Outsourcing an einen günstigeren externen Partner).
Die Verbesserung der HR-Prozesse führt dabei zu besseren Services für die
„internen
HR-Kunden“
im
Unternehmen
(Management,
Führungskräfte,
MitarbeiterInnen).
Innerhalb der Literatur lässt sich noch eine 3. Erscheinungsform identifizieren, die
zwar nicht konkret dem Begriff Lean Human Resources zugeordnet ist, aber genauso
auf diesen Begriff anzuwenden ist. Gemeint sind die Arbeitsorganisation sowie die
Handlungsweisen - die den Attributen von Lean entsprechen - und von den
MitarbeiterInnen (Human Resources in diesem Fall für den Produktionsfaktor
MitarbeiterIn) im täglichen Arbeitsablauf umgesetzt werden.
254
Vgl. Kapitel 1 und 2
81
Diese Erscheinungsform könnte analog der Punkte 1. und 2. so beschrieben werden.
3. Lean Human Resources im Kontext der Lean-Arbeitsabläufe, welchen von den
MitarbeiterInnen (= Human Resources als Produktionsfaktor) angewendet und
umgesetzt werden.
Dazu finden sich in der Literatur nachfolgende Charakteristiken:
Das Wissen der MitarbeiterInnen und deren Motivation sind das Zentrum der
Verbesserungen. MitarbeiterInnen stellen nicht bloß einen Kostenfaktor dar,
sondern sind TrägerInnen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Dabei
sind Fehler der Ausgangspunkt für Verbesserungen. MitarbeiterInnen werden zu
hochqualifizierten ProblemlöserInnen, die permanent über Verbesserungen
nachdenken.
Im täglichen Arbeitsablauf wird die Teamarbeit immer wichtiger und die
Selbstverantwortung der MitarbeiterInnen wird im Rahmen ihrer Arbeitsprozesse
gefördert. Dabei sollen die MitarbeiterInnen entsprechend ihrer Fähigkeiten
optimal eingesetzt werden.
Den Rahmen bildet dabei die Etablierung einer Unternehmenskultur der
kontinuierlichen Verbesserung verbunden mit einem Verständnis für Menschen
und deren Motivation (z.B. bei Toyota, das seine MitarbeiterInnen als eigene
Gruppe von Stakeholdern im Rahmen der CSR betrachtet. An 1. Stelle der
Zielsetzungen steht dabei die Personalentwicklung). In diesem Zusammenhang
sind auch die Durchführung von Stimmungs- und Meinungsumfragen bei
MitarbeiterInnen von Bedeutung.
82
2.6.3 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der
Organisationseinheit Human Resources?
In der analysierten Literatur fand sich dazu kein Hinweis. Eine theoretische
Beantwortung dieser Frage ist somit nicht möglich.
2.6.4 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der
Organisationseinheit Human Resources?255
HR soll „strategische/r PartnerIn“ werden, um das Unternehmen zu unterstützen,
Erträge zu steigern und Kosten zu senken. Die HR-MitarbeiterInnen benötigen dabei
Fähigkeiten zur Mitarbeit bei strategischer Planung und ein Verständnis der
Unternehmensstrategie.
HR
ist
aktiv
in
Bezug
zu
Karriereplanung
und
Ressourcenplanung. Gleichzeitig sollen HR-Kompetenzzentren für Rekrutierung und
Personalentwicklung geschaffen werden.
HR soll selbst zum Champion (Vorbild) der Verbesserung werden. Die damit
gemeinte Verbesserung der HR-Prozesse wurde im Kapitel 2.6.2 bereits behandelt.
Dabei sind Strategien zur Angleichung von Human Resources Prozessen an eine
nach Lean ausgerichtete Unternehmensstrategie zu entwickeln.
Der Change-Prozess zur Lean-Organisationskultur ist durch HR-Schulungsprogramme beeinflussbar. HR soll daher eine aktive Führungsrolle einnehmen. Des
weiteren unterstützt HR im Umgang mit Widerständen aus den Änderungen des
Führungsverhaltens auf dem Weg zu einer Lean-Organisation. HR sollte sich gleich
zu Beginn bei der Einführung einer Lean-Kultur aktiv einbringen bzw. engagieren, um
in
Gremien,
welche
im
Rahmen
einer
Lean-Einführung
etabliert
werden,
mitzuarbeiten. Wird Lean als Change-Management-Ansatz betrachtet, ist zu
berücksichtigen, dass Wandel Grund und Vision benötigt. Im Rahmen dieser
Veränderungsprozesse kommt dabei den Mitgliedern des mittleren Managements als
Change-ManagerInnen eine tragende Rolle zu. Auch in diesem Kontext hat HR eine
begleitende und unterstützende Rolle inne, da seitens HR die Möglichkeiten besteht,
255
Vgl. Kapitel 2
83
Arbeitskulturen zu beeinflussen und zu verändern (z.B. durch Aufklärung der
Mitarbeiterrolle bei einer Lean-Einführung). Die wichtigste Frage in diesem
Zusammen ist: Was trägt HR zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer LeanUnternehmenskultur bei?
Durch
die
Bereitstellung
Verschwendung
im
und
Auswertung
Unternehmen
in
Bezug
von
zur
Daten
seitens
HR
kann
MitarbeiterInnenressourcen
identifiziert werden (u.a. in Form von Daten der indirekten und direkten Lohnkosten,
um festzustellen, ob z.B. der Overhead „Lean“ ist).
Die soeben genannten Rollen weisen auf das Erfordernis einer umfassenden
HR Business PartnerIn-Rolle hin.
Bei der Einführung von Lean ist das Entlohnungs-/Vergütungssystems zu überprüfen
und gegebenenfalls entsprechend der Lean-Arbeitsprinzipien neu aufzustellen.
In Bezug zur Arbeitsorganisation hat HR die Aufgabe, die Kommunikation zwischen
Organisationsmitgliedern
untereinander,
speziell
über
Organisationsgrenzen
(Abteilungen und Funktionen) hinaus zu fördern. Weiters sind die Job- bzw.
Rollenprofile der MitarbeiterInnen zu evaluieren und entsprechend dem Lean-Zugang
des Unternehmens anzupassen bzw. zu aktualisieren. Die Mitarbeit bei der
Entwicklung und Etablierung von Teams als unterstützende Struktur von Lean ist ein
weiterer wichtiger Faktor.
Lean-Know-How ist innerhalb der Organisationseinheit HR zu etablieren. Durch die
Lean-Fähigkeiten bzw. Lean-Kenntnisse innerhalb von HR ist es HR dadurch
möglich, selbst Trainings durchzuführen (neben der Koordination von LeanSchulungen). Die MitarbeiterInnen der Personalabteilung praktizieren selbst Genchi
Genbutsu und verbringen Zeit in den Abteilungen selbst, um sich über die
Entwicklungen im Unternehmen am Laufenden zu halten (bei Toyota bedeutet
84
Genchi Genbutsu, sich an den Ort des Geschehens zu begeben, um die eigentliche
Situation zu sehen und zu verstehen256).
Lean ist bereits beim Recruiting von MitarbeiterInnen zu berücksichtigen, in dem
beim
Rekrutierungsprozess
besonders
auf
die
entsprechenden
Lean–
Charaktereigenschaften geachtet wird.
HR unterstützt beim Design neuer MitarbeiterInnenführungsprozesse nach LeanPrinzipien. Dies ist vor allem für die Rolle und das Verhalten der Führungskräfte
innerhalb von Lean von großer Bedeutung. Führungskräfte stellen eine wichtige
Säule innerhalb von Lean dar. Diese sind vor allem durch interne Rekrutierung
auszuwählen,
langfristig
zu
entwickeln
und
durch
geeignete
Führungskräfteprogramme an das Unternehmen zu binden. Führungskräfte sollen zu
Vorbildern, Lean-Leaders entwickelt werden. Führungskräfte sind GestalterInnen der
Unternehmenskultur mit dem Ziel des Erschaffens einer lernenden Organisation. Der
Führungsstil wird als „dienende Führung“ bezeichnet. Dabei nehmen Führungskräfte
auch
MentorInnenrollen
ein und
coachen
die
MitarbeiterInnen, um deren
Verbesserungsfähigkeit zu entwickeln. Verbesserung ist eine Grundeinstellung und
muss beim Rekrutierungsprozess von Führungskräften berücksichtigt werden.
2.6.5 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die
Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie
Karrieremanagement? 257
Die Inhalte der Personalentwicklung sind auf Lean auszurichten. Dabei sind unter
anderem Personalentwicklungsmethoden einzusetzen, die Lean entsprechen. Die
Ausgangsbasis
für
Personalentwicklung
bildet
die
Vermittlung
der
Unternehmenskultur und des Leitbilds. Als mögliche „Verschwendung“ ist dabei das
Nichterkennen der Fähigkeiten und Talente der MitarbeiterInnen zu berücksichtigen.
256
257
Vgl. Liker 2011: 316
Vgl. Kapitel 2
85
Kaizen/Kontinuierliche
Verbesserung
ist
auch
bei
den
Personalentwicklungsprozessen selbst anzuwenden. PE-Organisation und PEAbläufe sind Lean zu gestalten. Die Ablauforganisation der PE-Arbeit wird dabei wie
ein
Produktionsprozess
Zusammenhang
sind
kontinuierlich
verbessert
(Kaizen).
„Make-or-Buy“-Überlegungen
bei
In
diesem
Personalent-
wicklungsmaßnahmen durchzuführen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der
Schaffung von „Kompetenz-Zentren“ wie z.B. für zentrale Rekrutierung von
Führungskräften, Entwicklungssteuerung von High-Potentials, etc.
Durch die wertstromorientierte Ansätze innerhalb von Lean müssen Jobs, Karrieren,
Funktionen sowie Arbeitspraktiken nach Lean-Prinzipien ausgerichtet werden. Des
Weiteren sind Lean-Prinzipien in die Job- und Rollenbeschreibungen (z.B. Schaffung
von Kompetenzmodellen) einzubauen.
Personalentwicklung in Lean ist viel stärker in der operativen „Linie“ bei den
Führungskräften zu verankern. Diese Integration von PE in die operative Linie wird
dabei durch vorgegebene HR-Standards unterstützt. HR-Grundsätze bilden den
Rahmen für Kompetenzentwicklung „on the job“, „on the job“-Training und KVP.
Dezentrale Personalentwicklungsarbeit wird durch föderalistisch entwickelte und
dann „gesetzte“ Standards gesteuert.
Job-Rotation ist Teil der Personalentwicklung. Das Ziel ist dabei der Erwerb
zusätzlicher Fähigkeiten innerhalb (einspringen in andere Tätigkeiten) und außerhalb
des Teams. Mehrfachqualifizierung, Mehrfachspezialisierung und Erlangen von
Prozesskompetenz bei MitarbeiterInnen stehen dabei im Vordergrund. Qualifikation
und
permanente
Weiterbildung
spielen
dabei
eine
wesentliche
Rolle
für
Verbesserungen im Arbeitsbereich  durch Job-Rotation in der Breite und Methoden
der Problemlösung und Qualitätskontrolle in der Tiefe.
HR unterstützt durch HR-Schulungsprogramme die Fähigkeiten zur kontinuierlichen
Verbesserung. Anspruchsvollere Problemlösungen dienen dabei der Erweiterung der
Fähigkeiten der MitarbeiterInnen (in Lean-Organisation ist oftmals durch den Wegfall
von Hierarchien keine vertikale Aufstiegsmöglichkeit gegeben).
86
Karrieren
innerhalb
von
Lean
sind
nicht
durch
kontinuierliche
Aufstiege
gekennzeichnet, sondern bei Lean erfolgt eine Ausweitung der Fähigkeiten im
Rahmen der Teams. Dabei werden immer neue, höhere Aufgaben gestellt, um ein
Gefühl der Wertschätzung bei MitarbeiterInnen zu erzeugen. Diese ständig neuen
Herausforderungen sind für die längerfristige Karriereperspektive wichtig. Wichtig bei
Lean ist auch die Trennung von beruflichem Aufstieg und Hierarchie durch die
Etablierung
von
integrierten
Karriereplanungskonzepten
für
Fach-
und
Führungskräfte basierend auf strukturierten MitarbeiterInnen-Gesprächen.
Durch den Wegfall von Ebenen und Positionen in einer Lean Organisation ist die
Schaffung von „alternierender Karrieren“ (z.B. durch temporäre Projektmitarbeit und
dann Rückkehr in angestammte Tätigkeit, um dort wiederum neue Fertigkeiten zu
lernen oder in fortgeschrittenen Projekten mitzuarbeiten) zu berücksichtigen. Neue
Karrierekonzepte beinhalten den Erwerb neuer Fähigkeiten verbunden mit
Lösungsorientierung von immer schwierigeren Problemen.
In Lean sind teamorientierte, lernwillige GeneralistInnenn erforderlich. Dabei besteht
die Gefahr des Gefühls des Gefangenseins. Auch aus dieser Perspektive sind neue
Personalsysteme und Karrierewege zu überdenken. Die Nachfolgeplanung ist dabei
ein stetig andauernder Prozess.
2.6.6 Zusammenfassende theoretische Beantwortung der Forschungsfrage
Lässt man die geografische Bezugskomponente in der Forschungsfrage weg, lässt
sich nachfolgend zusammenfassen:
Unter dem Begriff Lean Human Resources versteht man einerseits, dass sich die
Organisationseinheit Human Resources selbst Lean aufstellt, Lean organisiert und
Lean agiert und andererseits alle Maßnahmen und Handlungsweisen seitens der
Organisationseinheit Human Resources in Bezug zu den Lean-Aktivitäten innerhalb
eines Unternehmens (in zeitlicher Dimension von der Einführung bis zur
Unterstützung/Aufrechterhaltung von Lean).
87
Eine weitere Perspektive zu Lean Human Resources betrachtet das Verhalten und
die Arbeitsweisen innerhalb von Lean in Bezug zu den MitarbeiterInnen eines
Unternehmens, die in diesem Kontext den Produktionsfaktor Personal darstellen.
Durch eine Lean-Einführung kann es zu Auswirkungen auf das Rollenbild der
Organisationseinheit Human Resources kommen. Können die neuen LeanAnforderungen nicht mehr durch ein bestehendes Rollenbild seitens HR abgedeckt
werden, ist eine entsprechende Neuausrichtung bzw. Adaptierung hin zum Rollenbild
Business PartnerIn – vor allem in den Ausprägungen Strategic Partner,
Administrative Expert sowie Change Agent – erforderlich.
Bei einer Lean-Einführung sind die bestehenden Personalentwicklungsmaßnahmen
Aus- und Weiterbildung hinsichtlich der neuen Lean-Anforderungen zu überprüfen
und
gegebenenfalls
an
die
zur
Anwendung
gelangenden
Lean-Prinzipien
auszurichten. Diese Lean-Prinzipien müssen in die Job- und Rollenbeschreibungen
der MitarbeiterInnen sowie in die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen eingebaut
bzw.
berücksichtigt
werden.
Führungskräfteentwicklung
gelegt,
Ein
besonderes
da
die
Augenmerk
Führungskräfte
zu
wird
auf
die
Lean-Leaders
entwickeln werden sollen.
Durch den Wegfall von Ebenen und Positionen in einer Lean-Organisation sind
neben der klassischen Führungslaufbahn alternative Karrieremodelle mit starkem
Fokus auf die Etablierung von Expertenkarrieren zu etablieren.
3 Empirischer Teil
3.1 Konzeption und Ablauf der empirischen Untersuchung
3.1.1 Auswahl der Forschungsmethode
Ausgehend von der Forschungsfrage wird basierend auf Atteslander und seinem
Vorschlag zur systematischen Analyse der sozialen Wirklichkeit nachfolgender
88
Auswahlweg eingeschlagen, um festzustellen, welche Methode der empirischen
Sozialforschung
1
für
die
empirische
Untersuchung
angewendet
wird:
• Aktuelles menschliches
Verhalten
2
• Verhalten in "natürlichen"
Situationen - "Feld"
3
• Lösung von Zeit und Raum
des Besprochenen möglich
4
• Anzuwendende
Forschungsmethode:
Befragung
Abbildung 33: Auswahlweg zur Forschungsmethode
258
Hinsichtlich des Strukturierungsgrades der Befragung wird die teilstrukturiere Form
gewählt, da der zu untersuchende Gegenstand in der Theorie nur sehr eingeschränkt
behandelt wird und gleichzeitig aufgrund der vorgegebenen Inhalte aus der
Forschungsfrage eine konkrete Befragungsabfolge möglich ist. Teilstrukturierung
bedeutet, aus der Forschungsfrage abgeleitet werden Fragen vorbereitet und
vorformuliert, wobei die Abfolge der Fragen offen ist. Dies erlaubt neben der
konkreten Beantwortung der vorbereiteten Fragen eine Flexibilität und die
Möglichkeit, sich aus dem Gespräch ergebene Themen aufzunehmen und vom
Interviewer weiter zu verfolgen.259
Für die Kommunikationsform im Rahmen der Befragung wird die Form einer
mündlichen Befragung gewählt, da die qualitativen (inhaltlichen) Dimensionen zur
Beantwortung der Forschungsfrage von Bedeutung sind.260
Wendet man nun die teilstrukturierte, mündlich Befragungsform an der Matrix „Typen
der Befragung“ nach Atteslander an, ergeben sich daraus einige Möglichkeiten der
Befragung.261
258
Vgl. Atteslander 2010: 54
Vgl. Atteslander 2010: 134 f.
260
Vgl. Atteslander 2010: 135 f.
261
Vgl. Atteslander 2010: 133
259
89
Für die gegenständliche empirische Untersuchung wird die Leitfaden-Befragung in
Form von persönlich geführten Interviews ausgewählt, da nach Atteslander
Leitfadengespräche das einzig sinnvolle Forschungsinstrument darstellen, wenn
Gruppen von Menschen, die auch in großen Stichproben oft in zu kleiner Zahl
angetroffen werden, erforscht werden sollen.262
Hinsichtlich des Standardisierungsgrades des Instruments wird für den InterviewLeitfaden die nicht-standardisierte Form gewählt, da Häufigkeitsverteilungen der
Antworten nicht Untersuchungsziel sind. Eine Kategorisierung wird – in Bezug zur
Forschungsfrage – später vollzogen (nach Auswertung der Interviews).263
Zur Kategorisierung werden die operationalisierten Sub-Fragen der Forschungsfrage
herangezogen.264
Die Fragen selbst werden in offener Form gestellt, da ausgehend von der
Forschungsfrage diese helfen, Unwissenheit, Missverständnisse und unerwartete
Bezugssysteme zu entdecken. Offene Fragen können weiters den Gesprächskontakt
sowie
das
Interesse
am
Interview
fördern,
weil
sie
einer
alltäglichen
Gesprächssituation ähnlich sind.265
Zusammenfassend
wird
somit
nachfolgende
empirische
Forschungsmethode
angewendet:  Teilstrukturiertes, nicht standardisiertes, mündlich geführtes
Interview mit offenen Fragen.
Ausgehend von der Forschungsfrage und den operationalisierten Sub-Fragen
wurden auf den Sub-Fragen basierende offene Fragen für den Interview-Leitfaden
formuliert. Die Sub-Fragen wurden gewissermaßen ein weiteres Mal operationalisiert.
Die Zusammenhänge zwischen den Fragen sind in Tabelle 4 dargestellt.
262
Vgl. Atteslander 2010: 142
Vgl. Atteslander 2010: 144 f.
264
Vgl. Kapitel 3.2
265
Vgl. Atteslander 2010: 148
263
90
Zentrale Forschungsfrage:
Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean Human Resources und welche
Auswirkungen hat konkret die Einführung von Lean auf die Position sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human
Resources sowie im Besonderen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie
Karrieremanagement?
Operationalisierung der Forschungsfrage
Fragen des Interview-Leitfadens
 Sub-Fragen

Was
verstehen
Unternehmen
mit
Hauptsitz
oder
Standort in Österreich unter Lean?

Was
verstehen
Unternehmen
mit
Hauptsitz
oder
Standort in Österreich unter Lean Human Resources?

Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf
die Position der Organisationseinheit Human Resources
innerhalb der Organisationsstruktur eines

Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?

Wie wird Lean im Unternehmen angewendet?

Wann wurde mit der Einführung von Lean begonnen?

Was war der Grund/was waren die Gründe für die
Einführung von Lean?

Wie wurde Lean im Unternehmen eingeführt?

Was waren die größten Herausforderungen bei der
Einführung von Lean?

Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean Human
Resources?
Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean
und Human Resources?



Unternehmens?


Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf
die Rolle der Organisationseinheit Human Resources


innerhalb der Organisationsstruktur eines
Unternehmens?


Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf
die
Personalentwicklungsmaßnahmen
Aus-
Wo ist der/die LeiterIn Human Resources in der
Betriebshierarchie angesiedelt?
Welcher Zusammenhang besteht zwischen der
organisatorischen Position von Human Resources
innerhalb der Betriebshierarchie und der Einführung von
Lean?
Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf
diese Position?
Wie würden Sie das Rollenbild von Human Resources
im Unternehmen beschreiben?
Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen dem
Rollenbild von Human Resources und der Einführung
von Lean im Unternehmen?
Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf
dieses Rollenbild?

Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean
und den Maßnahmen zur Personalentwicklung im
Unternehmen?

Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf
die Personalentwicklung, speziell auf die Maßnahmen im
Rahmen der Aus- und Weiterbildung und des
Karrieremanagements?
und
Weiterbildung sowie Karrieremanagement?
Tabelle 4: Forschungsfrage, Sub-Fragen, Fragen des Interview-Leitfadens
91
3.1.2 Auswahl der InterviewpartnerInnen und Rahmenbedingungen für das
Interview
Die Bandbreite der befragten Unternehmen reicht von einem Familienunternehmen
bis hin zu global agierenden Konzernen. Die befragten Unternehmen haben
entweder Ihren Hauptsitz oder eine Niederlassung (Standort) in Österreich. Die
Anzahl der MitarbeiterInnen in diesen Unternehmen reicht von rund 150 bis rund
135.000 (weltweit). Lean als Thema in der öffentlichen Verwaltung ist nicht
Gegenstand dieser Master Thesis.
Mit Focus auf den Inhalt der Forschungsfrage wurden die Interviews 1 bis 7 sowie 10
mit PersonalmanagerInnen in leitender Position sowie einem Geschäftsführer (mit
Verantwortung für HR) durchgeführt. Die diesbezüglichen Unternehmen haben Lean
entweder bereits eingeführt und verwenden dabei auch den Begriff Lean explizit oder
haben Maßnahmen durchgeführt, welche nicht explizit den Begriff Lean dabei
verwenden, aber Attribute im Sinne einer „Verschlankung“ im Sinne von Lean
aufweisen. Um eine Perspektive von außerhalb der Unternehmen zu gewinnen,
wurden
in
den
Interviews
8
und
9
zwei
Consultants
befragt.
Die
Funktionsbezeichnungen in Tabelle 5 wurden vom Autor in einer generalisierten
Form angegeben, um der Anonymität Rechnung zu tragen.
Unternehmen
Funktion
Datum
Interview 1
LeiterIn Group HR
24. Juli 2012
Interview 2
LeiterIn Regional HR Supply Chain
26. Juli 2012
Interview 3
LeiterIn HR
26. Juli 2012
Interview 4
LeiterIn Group HR
Interview 5
Geschäftsführer
Interview 6
LeiterIn HR
5. September 2012
Interview 7
LeiterIn PE
11. September 2012
Interview 8
Consultant
17. September 2012
Interview 9
Consultant
20. September 2012
Interview 10
LeiterIn Regional HR
22. August 2012
24. August 2012
3. Oktober 2012
Tabelle 5: Überblick InterviewpartnerInnen
Nicht berücksichtigt wurden InterviewpartnerInnen von Unternehmen, welche zwar
Lean-Aktivitäten eingeführt haben, dabei HR jedoch keine Rolle in Sinne von Lean
Human Resources einnimmt. Das bedeutet, dass in dieser Arbeit die Gründe, warum
HR bei Lean-Aktivitäten nicht eingebunden wird bzw. keine Rolle diesbezüglich hat,
nicht betrachtet werden.
92
Der Erstkontakt zu den InterviewpartnerInnen erfolgte sowohl telefonisch, als auch
per E-Mail. Dabei wurde im Vorfeld auf die Erfordernis der digitalen Aufzeichnung
des Interviews und die spätere Anonymisierung im Rahmen der InterviewTranskription hingewiesen. Zur Vorbereitung auf die Interviews wurde den
InterviewpartnerInnen der Interview-Leitfaden vorab elektronisch übermittelt. Die mit
den InterviewpartnerInnen durchgeführten persönlichen Interviews fanden im
Zeitraum von 24. Juli bis 2. Oktober 2012 statt.
3.1.3 Transkription der Interviews
Die digital aufgezeichneten Interviews wurden in einem 1. Schritt mittels
Transkription verschriftet und anonymisiert und bilden die Ausgangsbasis für die
qualitative Inhaltsanalyse.
Flick266 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich hinsichtlich der
Transkription
bislang
kein
Standard
durchgesetzt
hat.
Zur
Erfassung
sprachanalytischer Zusammenhänge ist ein Höchstmaß an erzielbarer Genauigkeit
bei der Klassifikation von Äußerungen, Pausen und in ihrer Darstellung zu erzielen.
Gleichzeitig weist Flick darauf hin, dass die Formulierung von Transkriptionsregeln
häufig zu einem Fetischismus führen, der in keinem begründeten Verhältnis mehr zur
Fragestellung und dem Ertrag der Forschung stehen. In jenen Fällen, bei denen
sprachlicher Austausch das Medium zur Untersuchung bestimmter Inhalte bei
soziologischen Fragestellungen ist, sind übertriebene Genauigkeitsstandards nur in
Sonderfällen gerechtfertigt. Nach Flick ist es sinnvoller, nur so viel und so genau zu
transkribieren, wie die Fragestellung erfordert, da bei zu genauer Transkription von
Daten häufig Zeit und Energie gebunden werden, welche sich sinnvoller in die
Interpretation stecken lassen. Flick weist auf klare Regeln bei der Transkription von
Äußerungen, Sprecherwechseln, Pausen, Satzabbrüchen, etc. hin und betont die
nochmalige
Kontrolle
der
Transkription
mit
der
Aufzeichnung
sowie
eine
Anonymisierung der Daten.
Basierend auf Flick267 wurde bei der Transkription der im Rahmen dieser Arbeit
durchgeführten Interviews auf ein hohes Maß an Genauigkeit in Bezug zur
266
267
Vgl. Flick 2000: 192 f.
Vgl. Flick 2000: 192 f.
93
inhaltlichen Wiedergabe der Gespräche Wert gelegt (im Gegensatz zu übertriebenen
Genauigkeitsstandards, welcher bei sprachanalytischen Zusammenhängen angeregt
wird). Um die Bedeutung der inhaltlichen Wiedergabe aus den Interviews zu
betonen, wurde auf eine Transkription von nonverbalen Äußerungen, Pausen sowie
aussprachlicher Besonderheiten verzichtet.
3.1.4 Angewendete Methode der qualitativen Inhaltsanalyse
Nach Mayring268 lassen sich aus dem Umgang mit sprachlichem Material und den
Charakteristiken des Interpretationsvorganges von Texten 3 Grundformen des
Interpretierens unterscheiden:

Zusammenfassung: Ziel ist eine Reduktion des Materials, wobei die wesentlichen
Inhalte erhalten bleiben. Dabei wird durch Abstraktion ein überschaubarer Corpus
geschaffen, der ein Abbild des Grundmaterials darstellt.

Explikation: Zu einzelnen fraglichen Texteilen wird zusätzliches Material
herangetragen, welches das Verständnis erweitert und die betreffende Textstelle
erläutert, erklärt, ausdeutet.

Strukturierung:
Dabei
werden
bestimmte
Aspekte
aus
dem
Material
herausgefiltert, wobei ein Querschnitt durch das Material mittels vorher
festgelegter
Ordnungskriterien
gelegt
wird,
oder
das
Material
aufgrund
bestimmter Kriterien eingeschätzt wird
Um aus dem umfangreichen Textmaterial der Interviews eine Beantwortung der
Forschungsfrage zu ermöglichen, wird als Methode der qualitativen Inhaltsanalyse
die Zusammenfassung gewählt.
Die Zusammenfassung der textlichen Bedeutungseinheiten (Propositionen) erfolgt
aufsteigend
(textgeleitet)
durch
den
Einsatz
von
6
reduktiven
Prozessen
269
(Makrooperatoren).

Auslassen: Weglassen von Propositionen, wenn sie zum Verständnis anderer
Propositionen nicht erforderlich sind bzw. für die nächsthöhere Reduktion (zur
Makro-Propositionen) nicht von Bedeutung sind.
268
269
Vgl. Mayring 2010: 64 f.
Vgl. Mayring 2010: 43 ff.
94

Generalisation: Zusammengehörende Propositionen werden zur begrifflich
übergeordnete, abstraktere (Makro-Propositionen) zusammengefasst.

Konstruktion:
Zusammenhängende
Propositionen
werden
in
einem
umfassenderen, globaleren Sachverhalt als Makro-Proposition ausgedrückt,
welche so nicht im Text vorzufinden ist.

Integration: Verwendung von im Text enthaltenen Propositionen, die
zusammenhängende Propositionen als Ganzes vertreten.

Selektion: Zentrale Propositionen aus der Textbasis werden in die
nächsthöhere Reduktion überführt, da sie so inhaltstragend sind, dass sie
nicht weggelassen werden können oder als Generalisation oder Konstruktion
überführt werde können.

Bündelung:
Im
Text
verstreut
liegende
Propositionen
werden
zusammengetragen und zusammenfassend als Ganzes wiedergegeben.
Für die zusammenfassende Inhaltsanalyse gilt daher nachfolgendes Ablaufmodell:
Abbildung 34: Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse
270
270
Mayring 2010: 68
95
3.1.5
Praktische Umsetzung der zusammenfassenden Inhaltsanalyse am
Textmaterial der empirischen Untersuchung
Zu Beginn wurden nachfolgende Analyseeinheiten festgelegt:271

Kodiereinheit: Jede vollständige Aussage der InterviewpartnerInnen

Auswertungs-/Kontexteinheit: Im 1. Durchgang jedes einzelne Interview, im 2.
Durchgang alle Interviewtexte
Die nachfolgenden Interpretationsregeln der zusammenfassenden qualitativen
Inhaltsanalyse basierend auf Mayring: 272
1. Schritt - Paraphrasierung
Als übergeordnetes Kategoriensystem zur Zuordnung von Propositionen dienen die
offenen Fragen des Leitfaden-Interviews. Im 1. Schritt werden alle nicht oder wenig
inhaltstragenden Textbestandteile gestrichen.
Parallel dazu werden einzelne vom Autor dieser Master Thesis als inhaltstragende
Propositionen identifizierten Aussagen der InterviewpartnerInnen selektiert und als
Ankerbeispiele in die empirisch-analytische Zusammenfassung in Kapitel 3.2.
übergeführt.
2. Schritt – Generalisierung
Das Abstraktionsniveau wurde so festgelegt, dass alle relevanten Propositionen die
zur Beantwortung der Fragen des Leitfaden-Interviews dienen, herangezogen
werden. Können Propositionen keiner Frage des Leitfaden-Interviews zugeordnet
werden, wird eine neue Kategorie geschaffen.
3. Schritt – Erste Reduktion
Innerhalb
dieses Durchgangs werden
die
generalisierten Paraphrasen pro
InterviewpartnerIn zu neuen Äußerungen gebündelt, integriert oder konstruiert.
4. Schritt – Zweite Reduktion
Innerhalb dieses Durchgangs werden die bei der ersten Reduktion geschaffenen
Paraphrasen erforderlichenfalls in einer weiteren Reduktion gebündelt, integriert oder
konstruiert.
271
272
Vgl. Mayring 2010: 59
Mayring 2010: 70
96
3.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
3.2.1 Einleitung
Die
befragten
Unternehmen
haben
zu
unterschiedlichen
Zeitpunkten,
mit
unterschiedlicher Intensität und aus den verschiedensten Gründen mit LeanAktivitäten begonnen. Nachfolgende Übersicht gibt einen zeitlichen und inhaltlichen
Überblick dazu (die Interviews 8 und 9 mit den Consultants werden hier nicht
berücksichtigt):
Unternehmen Beginn
Interview 1
2002
Interview 2
2012
2008
Interview 3
~ 2010
Interview 4
Interview 5
2009
~ 2004
~2010
<2000
~2000
Interview 6
~2009
Interview 7
Interview 10
~2006
~2007
Form der Einführung
Lean Six Sigma - konzernweit (in Österreich Focus auf administrative
Prozesse)
Integrated Lean Six Sigma - Focus auf Produktionsprozesse,
regionsweit
Lean-Aktivitäten unter Begriffen Toyota Production Management und
Total Quality System - Focus auf Produktionsprozesse
Lean-Aktivitäten unter Begriff Business Excellence - flächendeckend im
Unternehmen
Lean-Aktivitäten im Rahmen von Projekten für
Effizienzsteigerungsmaßnahmen
Lean Einzelinitiativen von interessierten MitarbeiterInnen (Bottom-Up
Effekt) - in einigen Unternehmensbereichen (Fokus
Produktionsprozesse)
Lean flächendeckend im Unternehmen
Vor ~2000 aus KVP-Ansätzen zu Lean Management im Sinne von
abschlanken, Hierarchien vereinfachen und reduzieren
Ab ~2000 mit dem Ansatz, dezentrale Strukturen zu schaffen
(verbunden mit Prozessorientierung und Prozesse durchgängig
gestalten)
Lean Management Gesamtkonzept: Als Projekt mit Einsparungs- und
Restrukturierungsansatz mit Lean Methoden und Lean Werkzeugen
(Schwerpunkte: neues operatives Geschäftsmodell zu implementieren
und Beibehaltung der Vorteile dezentraler Strukturen in Verbindung mit
Einheiten zur zentralen Steuerung)
Lean Manufacturing, Lean Management im Produktionsbereich
Verwirklichung des Lean-Gedankens in der Personalentwicklung
Keine Lean-Einführung und keine begriffliche Verwendung des Wortes
"Lean", sondern Durchführung eines Projektes zur Vereinfachung sowie
2005 Kanalisierung von Reporting- und Informationsstrukturen, gleichzeitige
Reduktion bzw. Eliminierung diesbezüglicher Parallelstrukturen und
Schaffung standardisierter, vereinheitlicher Prozesse und Policies.
Gründe bzw. Auslöser
Unternehmen knapp am Konkurs
vorbeigeschrammt
Finanzieren des Wachstums durch
Erzielen von Kosteneinsparungen
Erhalt und Ausbau der
Wettbewerbsfähigkeit
Kostendruck
Lean Einzelinitiativen von interessierten
MitarbeiterInnen
KVP, Prozessoptimierung, Einsparungsund Restrukturierungsansätze
Kostendruck
Projekt: Zentralisierung von
Servicefunktionen wie HR, IT, Finanzen,
Procurement in Verbindung mit
Standardisierung sowie
Vereinheitlichung diesbezüglicher
Prozesse und Schaffung kanalisierter
Informations- und Reportingwege
Tabelle 6: Historie der Lean-Aktivitäten der befragten Unternehmen
3.2.2 Was verstehen die InterviewpartnerInnen unter Lean?
Auf
die
konkrete
Frage,
was
unter
Lean
verstanden
wird,
lassen
sich
zusammenfassend nachfolgende Aussagen treffen.
97
Lean verfolgt eine ganzheitliche, gesamthafte Organisationsveränderung hin zu einer
schlanken,
effizienten
Organisation,
u.a.
durch
das
Reduzieren
von
Hierarchieebenen. Dabei steht wendiges, agiles, schnelles Agieren im Vordergrund
möglichst ohne Verschwendung mit optimalem Ressourceneinsatz. Optimaler
Ressourceneinsatz bedeutet dabei, mit einem geringer Ressourceneinsatz einen
möglichst hohen Output zu erzielen.
Ein weiteres Ziel ist die Schaffung von effizienten Wertschöpfungsketten und von
operativen Prozessen, die zu akzeptablen Kosten führen. Diese werden durch ein
entsprechendes Verständnis für die Bedürfnisse der KundInnen erreicht.
Das Ziel auf der Ebene der Arbeitsabläufe ist die Schaffung von hoch qualitativen,
möglichst
fehlerfreien,
schlanken
Prozessen
durch
das
Weglassen
von
überflüssigen, nicht-wertschöpfenden Schritten bzw. deren Eliminierung. Während
der Durchführung der Prozesse ist auf das Vermeiden von Verschwendung zu
achten. Die Schaffung von schlanken Prozessen geschieht durch schrittweises
Umsetzen entsprechender Verbesserungsmaßnahmen unter Einbeziehung des
MitarbeiterInnen-Know-Hows und laufender Information/Kommunikation
(Feed-
Backs) zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn. Dabei ist auf die Schaffung einer
Fehlerkultur zu achten, in der möglichst wenige Fehler gemacht werden, aber
gleichzeitig auch Fehler zugelassen werden.
„Lean heißt eben in erster Linie Effizienz für mich und an dieser Effizienz gilt es halt
in vielen kleinen Schritten zu arbeiten und es ist eigentlich ein mühsames
Tagesgeschäft. Also es ist einerseits ein Konzept, aber die Umsetzung mündet dann
sozusagen in einem operativen Tagesgeschäft, wo ich Schritt für Schritt, klein und
klein, um klein, Maßnahmen setzen muss, um dann zu so einer effizienten
Organisation und Abläufe zu kommen.“273
Six Sigma wird z.B. in 6 der befragten Unternehmen in unterschiedlichen
Ausprägungen angewendet, entweder in expliziter Verbindung mit Lean als Lean Six
Sigma oder in komplementärer Form zu Lean. Six Sigma wird dabei flächendeckend
im Unternehmen oder in einzelnen Bereichen (wie z.B. im Qualitätsmanagement)
umgesetzt.
273
Interview 4: 67, Z 14
98
InterviewpartnerIn
4
Einsparungsprinzip
betont,
reduziert
dass
Lean
werden
darf,
nicht
bei
auf
ein
dem
reduktionistisches
Initiativen
(z.B.
im
Zusammenhang mit Produktinnovationen oder Stärkung der Marke), die als
langfristige Investitionen im Hinblick auf das Wachstum des Unternehmens ausgelegt
sind, unter dem Titel Lean nicht durchgeführt oder abgewürgt werden.
„Also wenn ich Lean auf so ein rein reduktionistisches Prinzip der Einsparung
reduziere, dann mag das in bestimmten Situationen des Unternehmens ganz, ganz
wichtig sein und ist vielleicht auch permanent wichtig, aber davon alleine kann eine
Firma nicht überleben oder auch sich nicht am Markt möglicherweise innovativ
entfalten, um ein Beispiel zu sagen. Da muss man aufpassen, dass man nicht unter
dem Titel Lean Initiativen abwürgt, die vielleicht für die spätere Zukunft des
Unternehmens wichtig sind, aber am Anfang aber Geld und eben Initiative
erfordern.“274
Die InterviewpartnerInnen heben dabei die bedeutende Rolle der Führungskräfte und
der erforderlichen Leadership-Fähigkeiten hervor. Leadership im Kontext von Lean
bedeutet dabei, dass Führungskräfte ihre MitarbeiterInnen mit Eigenverantwortung,
Eigeninitiative, Befugnissen ausstatten und sie dadurch zu proaktivem Handeln
ermuntern. Schlankes, effizientes Handeln ist dabei gekennzeichnet durch das
Erkennen von Verschwendung, dem Voraussehen von Problemen, dem Verhindern
von Problemen sowie lösungsorientiertes Denken bei auftretenden Problemen.
Dieses
Agieren
soll
letztlich
zu
einer
Geisteshaltung
und
permanenten
Grundeinstellung im Sinne einer automatisierten Handlungsweise werden. Um ein
Lean-Verständnis bei den MitarbeiterInnen zu erzielen, ist dabei nicht nur mit
systematisierten Begriffen zu arbeiten. Die MitarbeiterInenn sind auch mit Analogien
aus dem Alltag und Privatleben abzuholen.
„Also Lean ist das Empowerment von Leuten, die tatsächlich den Werksprozess
machen und die nicht die Hände in den Schoss legen und warten, was ihnen der
Chef anschafft.“275
Der Weg zu einer Lean-Organisation bedeutet für die MitarbeiterInnen eine
bedeutende Veränderung in der Denkweise und im Verhalten im Rahmen der
274
275
Interview 4: 76, Z 304
Interview 2: 21, Z 23
99
täglichen Arbeitsabläufe. Diesem Change-Prozess ist dabei seitens HR große
Aufmerksamkeit zu schenken.
„Also Lean als solches ist natürlich auch ein riesiges Einstellungsthema. Also Lean
ist auch eine Sache, die in Fleisch und Blut übergehen muss und nach der auch so
gelebt werden muss, letztendlich.“276
Im Interview 3 werden praktische Beispiele beschrieben, an denen HR beteiligt ist:
„Wir haben gerade heute eine go-and-see Session gehabt, wo wir vom ManagementKreis einmal im Monat ausströmen ins ganze Unternehmen und diese Whiteboards,
wo diese Vorschläge alle aufgeschrieben sind, eines hängt draußen im Vorzimmer
bei mir, auch einmal dort anschauen, mit den Leuten dort sprechen, wie geht’s euch?
Wir lösen nicht Probleme vor Ort, das sollen die Leute tun, aber gibt’s irgendwelche
Hindernisse, wo ihr glaubt, wir können euch vom Management helfen und die Dinge
mehr.“277
„Und auch dieser Practice-Ground-Lauf bei mir jeden Donnerstag in der Früh, alle
Mitarbeiter, die aus meinem Bereich da sind, da zerreißt es fast das Büro, weil da
hängt dann die Tafel bei mir im Raum. Da sehen Sie eine 2. Aufhängung hinten, da
kommt das Flipchart runter und dann hängt das dann dort auf den orange
eingefärbten Dingen und dann wird raufgeschrieben, die ganz trivialen Dinge: Wer,
wann, was?“278
3 InterviewpartnerInnen betonen die Wichtigkeit der laufenden Kommunikation bei
einer Lean-Einführung:
„Und da sage ich, es reicht halt nicht, wenn man das alle 2 Jahre einmal erwähnt, es
ist Teil der Werkszeitung, genauso wie in Intranet-Einträgen, wie
Mitarbeiterinformationstage, wie Führungskräftedialoge.“279
„…d.h. wir haben einzelne Bereiche mit recht prestigeträchtigen Projekten vergeben
und haben die dann auch dementsprechend zu feiern gewusst. D.h. wir haben auch
dementsprechend in der Mitarbeiterzeitung, internen Informationsaussendungen,
usw., immer wieder propagiert, damit dann auch die anderen letztendlich sich an den
guten Beispielen orientieren und auch die Schritte mitmachen.“280
„…ob das jetzt in der Mitarbeiterzeitung, bei Mitarbeiterveranstaltungen, bei
Mitarbeiterevents dieses Thema Lean führen, Lean produzieren, dass das Hand in
Hand gehen muss.“281
276
Interview 5: 92, Z 286
Interview 3: 48, Z 167
278
Interview 3: 48, Z 196
279
Interview 3: 50, Z 241
280
Interview 5: 85, Z 57
281
Interview 7: 118, Z 414
277
100
Lean zu agieren bedeutet aber auch konkret am Beispiel von Interview 10, dass
Maßnahmen zur Reduktion und Eliminierung von Verschwendung nicht zwangsläufig
unter dem Begriff „Lean“ bzw. als „Lean-Konzept“ durchgeführt werden müssen.
Innerhalb der in Interview 10 dargestellten Zielsetzungen wurde der Begriff „Lean“
nicht verwendet, gleichzeitig weisen die durchgeführten Maßnahmen aber deutlich
entsprechende Lean-Attribute auf. Die in diesem Unternehmen skizzierten Ebenen
und Rollen zur Umsetzung der HR-Arbeit weisen einen hohen Deckungsgrad mit
dem in Kapitel 2.2.3 beschriebenen 3-Säulen-Modell nach Dave Ulrich und dem HR
Service Modell von Capgemini auf.
3.2.3 Was verstehen die InterviewpartnerInnen unter Lean Human Resources?
Auf die konkrete Frage, was unter Lean Human Resources verstanden wird, lassen
sich zusammenfassend nachfolgende Aussagen treffen.
Lean Human Resources steht für einen optimalen Personalressourceneinsatz durch
Einsatz
motivierter
MitarbeiterInnen
gemäß
ihren
Potentialen,
Fähigkeiten,
Kompetenzen, damit zielorientiert, produktionsorientiert und nachhaltig gearbeitet
wird. Dabei stellt der/die MitarbeiterIn ein wichtiges Rädchen als Teil des Ganzen
dar.
In Unternehmen mit etablierten Lean Prozessen agiert HR als PartnerIn der
Führungskraft bei ihrer Personalarbeit. HR nimmt hier eine stimulierende Rolle ein
und ist auch VermittlerIn zwischen Führungskräften und MitarbeiterInnen.
HR hat die Aufgabe Zahlen, Daten, Fakten für die Gesamtorganisation zu liefern, um
in der Lage zu sein, die richtigen Verbesserungsansätze zu finden (z.B. das
Verhältnis Personalkapazitäten vs. Prozesse in Zahlen ausgedrückt).
Lean bedeutet Change in HR und in der Organisation. In diesem Zusammenhang
muss HR die Führungskräfte sensibilisieren und entsprechende Informations- und
Trainingsmechanismen bereitstellen. HR soll dabei bewusstmachen und den
Change-Prozess begleiten.
101
HR hat eine tragende Rolle zur Schaffung einer Lean Unternehmenskultur durch die
Etablierung
HR-naher
Prozesse
wie
z.B.
regelmäßige
Reviewprozesse,
Assessmentfeedbackprozesse, Teamwork.
HR als eigene Organisationseinheit ist deswegen erforderlich, um personalpolitische
und strategische Dinge bewegen zu können. HR arbeitet auch in verschiedenen
Projekten
mit:
Coaching
oder
Projektleitung,
als
MitgestalterIn
der
Unternehmenskultur, bei der Analyse von HR-Prozessen (Verknüpfung Lean und
Best Practice).
Die HR-Abteilung ist selbst Lean aufzustellen. Dies geschieht durch die Schaffung
durchgängiger, hocheffizienter Prozesse z.B. in Bezug zu Rekrutierung, Schulungen,
Personaladministration oder durch Outsourcing von Aufgaben. Um eine effiziente
Gestaltung der HR-Aufgaben zu gewährleisten, ist auch innerhalb von HR mit
Kennzahlen zu arbeiten. Ziel ist es, HR kundenorientiert aufzustellen, dabei
administrative Prozesse in guter Qualität, mitarbeiterorientiert, einfach abzuwickeln
und dies mit geringem, absolut notwendigem Aufwand.
In
der
HR-Abteilung
selbst
kann
es
zur
Zergliederung,
genauer
zur
Prozesszergliederung, z.B. durch Teil-Outsourcing zu externen Partnern und
durch den Einsatz IT-gestützer Self-Services, kommen. Es ist wichtig, innerhalb HR
eher administrative und planerisch-strategische Aufgaben zu trennen, diese sollten
aber weiterhin organisatorisch beisammen liegen. Durch diese Zergliederung kann
es zur Abschaffung bzw. Teilabschaffung der HR-Rolle kommen. Es ist wichtig, wie
HR als Abteilung die Fachabteilungen unterstützt und wie Lean in der HR-Abteilung
selbst aussehen kann. Wenn systemgetrieben zergliedert wird, besteht die Gefahr
der Zerstörung der Ownership-Philosphie für HR.
Es ist erforderlich, Lean Know-How in HR selbst aufzubauen, damit HR als
BegleiterIn auf dem Weg zu Lean und im Rahmen der daraus resultierenden
Veränderungsprozesse als Change ManagerIn auftreten kann.
102
Lean
Human
Reources
erfordert
die
Entwicklung
von
Mehrfachqualifizierungskonzepten, die zur Erhöhung der Mobilität und Flexibilität der
MitarbeiterInnen innerhalb des Unternehmens dienen. Dabei sind regelmäßige
Fähigkeiten-Checks bei MitarbeiterInnen zur Erhebung des Trainingsbedarfs
durchzuführen.
Recruiting ist einer der wichtigsten HR-Prozesse überhaupt. Durch Recruiting ist es
möglich, die richtigen MitarbeiterInnen für eine Lean orientierte Firma zu finden, sie
für die Firma zu begeistern und dann entsprechend zu entwickeln. Die Aufgabe von
HR dabei ist es, Wege zur Förderung der intrinsische Motivation der MitarbeiterInnen
zu suchen und zu finden. Dies beginnt eben schon beim Recruiting, weil intrinsische
Motivation nicht erlernbar ist.
„Lean und Human Resources, Personal, ist das Zusammenspiel in schlanken
Strukturen, meine Aufgabe optimal auszufüllen und dabei mich nicht als Mensch zu
vernachlässigen.“282
3.2.4 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der
Organisationseinheit Human Resources?
Bevor die Auswirkungen eine Lean-Einführung auf die Rolle von Human Resources
beschrieben
werden,
ist
zuvor
ein
zusammenfassendes
Bild
der
Rollenausprägungen aus Sicht der InterviewpartnerInnen zum besseren Verständnis
hilfreich. Dabei zeigt sich ein sehr aktives Rollenbild in vielfältigen Ausprägungen.

HR als Deployment ManagerIn für Lean Six Sigma: Verantwortung für
Trainingsprogramme, Controlling und Berichtswesen über laufende Lean Six
Sigma Projekte.

HR
als
PartnerIn,
UnterstützerIn,
Coach
des
Managements
und
der
MitarbeiterInnen durch eine aktive, proaktive Partnerschaftsrolle:
o In
Bezug
zum
Personalentwicklung,
Management
sind
Personalfreisetzung,
es
Personalauswahl,
Sicherstellung
der
Personalressourcen.
282
Interview 9: 269, Z 131
103
o In Bezug zu den MitarbeiterInnen sind es Bedürfnisse, Notwendigkeiten,
Entwicklungsmöglichkeiten, Qualifizierung und Empowerment, Etablierung
von Teamarbeit.
o In Bezug zu Führungskräften, wie man mögliche Umsetzungen in Richtung
Lean-Führung weiter verbessern kann und damit die Führungskräfte
Personalentwicklung im Rahmen ihrer Verantwortung betreiben.

HR als MediatorIn im Kommunikationsprozess zwischen Führungskraft und
MitarbeiterIn

HR als UmsetzerIn und GestalterIn von Workshops und Trainings mit
Führungskräften verbunden mit dem Ziel, dass die Führungskräfte das Vermittelte
dann auch leben.

HR als ModeratorIn, GestalterIn, BegleiterIn, OrdnungshüterIn im Rahmen der
Change
Management
Prozesse
(vor
allem
im
Umgang
mit
den
Reaktionen/Bedenken der MitarbeiterInnen); bei sichtbaren „schmerzhaften“
Veränderungen ist es Aufgabe von HR, die Entwicklung dieser Veränderungen
genau zu beobachten, zu antizipieren, zu intervenieren und zu begleiten, damit
nicht zu viel Widerstand entsteht und Verbesserungsansätze steckenbleiben (Der
Begriff „Change“ wurde von 5 InterviewpartnerInnen aufgegriffen).

HR als TreiberIn des kulturellen Wandels; HR nimmt dabei zentrale Rollen in
entsprechenden Gremien ein und behandelt Fragen der Unternehmenskultur.

HR als ImplementiererIn und UmsetzerIn von zentraler Stelle vorgegebenen HRPolicies und HR-Prozessen.

Etablierung von HR-Rollen basierend auf dem 3-Säulen-Modell nach Dave Ulrich
bzw. dem HR Service Modell von Capgemini: diese Rollenmodelle werden vor
allem in international agierenden, in ihrem Organisationsaufbau komplexen
Unternehmen etabliert: u.a. durch Schaffung von lokalen („vor Ort“) HR-Business
PartnerIn-Rollen z.B. an Produktionsstandorten.
Innerhalb einer Konzernstruktur ist das Rollenbild von HR von der organisatorischen
Einbettung innerhalb der Organisation abhängig. So hat HR auf Konzernebene (z.B.
in einer Holding) vor allem strategisch-planerische Aufgaben umzusetzen, wie z.B.:
Entwicklung und Umsetzung von Personalstrategien und Erarbeitung entsprechender
Richtlinien (Policies); Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Organisation im
104
Top-Management
oder
auch
im
Bereich
von
Talentmanagement,
Nachwuchsförderung und Führungskräfteentwicklung.
Von Seiten der interviewten Consulter wird betont, dass HR keine Sonderrolle
einnehmen und eigene Unternehmensziele verfolgen darf, damit sich HR nicht zum
Selbstläufer entwickelt. In Bezug zu Lean und anderen Aufgaben hat HR die
Funktion, das Unternehmen durch optimalen MitarbeiterInnen-Ressourceneinsatz zu
unterstützen. HR muss im Unternehmen verankert sein und mit einem klarem
Bewusstsein für Unternehmenszweck und Ziel der Arbeitsergebnisse agieren.
Nachfolgend werden nun die Auswirkungen auf die Rolle HR anhand der Interviews
mit den Personalverantwortlichen zusammengefasst skizziert:
Interview 1:
Veränderung des Rollenbildes in Richtung Business PartnerIn:
„Das Rollenbild geht wahrscheinlich, ich meine grundsätzlich geht das Rollenbild bei
uns in Richtung Business Partner. Ich glaube schon, dass das auch begleitet wurde,
durch das Six Sigma, das man einfach sagt, man hat ein Verständnis für die
gesamten Prozesse und wendet die Lean-Tools sozusagen dann auch dort an.“283
Interview 2:
Integrated Lean Six Sigma Konzept ist programmatisches Mittel und Verstärker für
die Rolle von HR als PartnerIn von Management und MitarbeiterInnen; speziell für
das Schulen der Führungskräfte bei der Einführung von Lean Six Sigma:
„Also insoweit ist das eine Verstärkung oder ein zusätzliches Mittel, das wir in die
Hand bekommen haben, programmatische Mittel, um die Rolle als HR zu leben, als
Partner für die Leute, die dann eigentlich einerseits weniger Ebenen haben, die
hoffentlich natürlich auch mehr Output haben, weil wenn ich proaktiv bin, habe ich
weniger downtime usw., senke die Kosten, aber in einer Art Win-Win-Situation
hoffentlich, diese erhöhte Arbeitszufriedenheit habe, oder besser gesagt diese
erhöhte Arbeitszufriedenheit bedingt mehr Interesse, mehr Proaktivität und bedingt
einen finanziellen Output“.284
283
284
Interview 1: 10, Z 225
Interview 2: 32, Z 372
105
Interview 3:
Keine Veränderung im HR-Rollenbild, aber in Bezug auf das Image der HRAbteilung:
„Das Rollenbild vielleicht nicht unbedingt, aber das Image hat sich verändert. Das
glaube ich sehr wohl, nämlich das Image, auch unserer Abteilung. Weil ich sage
einmal, machen wir uns nichts vor, für manche ist auch die HR-Abteilung ja eine
limitierende Abteilung, eine reglementierende und vielleicht ein Bürokraten-Job und
außer den Lohn- und Gehaltsabrechnungen tun sie eh nicht viel und hin und her.
D.h. es war für uns eine gute Gelegenheit, darum habe ich so geschaut, dass massiv
meine Leute auch vertreten sind, neben meiner Steuerungsfunktion in diesem
Programm und da glaube ich, dass es uns gelungen ist, auch vom Image her, ich
glaube eine Verbesserung herbeizuführen, das traue ich mir zu behaupten. Weil ich
sage immer einen schönen Spruch: Qualität liegt vor, wenn der Kunde zurückkommt
und nicht das Produkt.“285
Interview 4:
Aus
den
Projekten
der
Effizienzsteigerungsmaßnahmen
ergaben
sich
Veränderungen im HR-Rollenbild hin zu einem 3-Säulen-Modell zur Umsetzung der
HR-Arbeit nach Dave Ullrich bzw. dem HR Service Modell von Capgemini:
„Wir haben für Österreich, in Österreich ein HR Shared Service Center implementiert,
welches in erster Linie für Payroll und Administration zuständig ist. Wir haben im
Corporate HR-Bereich ein Center of Expertise eingerichtet, sprich Experten, die zu
verschiedenen Themen, wie Development, Recruiting, Training, Compensation und
Benefits, Arbeitsrecht, um da jetzt ein paar wichtige Themen zu nennen,
Talentmanagement, dass wir dort Leute haben, die wissen, wie man solche
Prozesse gestaltet und die auch als Mentor diese Prozesse initiativ vorantreiben und
ausrollen und auch sozusagen dann in der Personalcommunity das dann
entsprechend weiterbringen und der 3. Bereich ist dann halt die verbliebene
Personalfläche, Businesspartner, Local HR Manager, die dann vor Ort sind und
entweder ein oder mehrere Werke oder Standorte betreuen oder eine ganze Division
betreuen und hier eben in erster Linien einmal Ansprechpartner für das lokale
Management sind in Beratungsthemen, in Entwicklungsthemen, in Fragen mit dem
Betriebsrat, was sozusagen alles an lokalen Themen auftaucht.“286
285
286
Interview 3: 51, Z 270
Interview 4: 72, Z 186
106
Interview 5:
Veränderung von der reinen AdministratorInnenrolle hin zu einer zielorientierten,
prozessorientierten,
kundenorientierten,
unternehmerisch
denkenden
internen
UnterstützerInnen- und DienstleisterInnenrolle:
„… aber ich würde es im Gesamtkontext so beschreiben, die Abteilung war davor
eher rein administrativ, also die ganze Lohnbuchhaltung und jetzt gibst mir eine
Personalanforderung, okay, dann schreib mir kurz eine Stellenbeschreibung und ich
suche dir jemanden. Hin zu einer Rolle, die sehr unternehmerisch jetzt, sehr, sehr
unternehmerischer denkt, wesentlich unternehmerisch, unternehmerisch im Sinne
von, es ist, ein Angestellter würde niemals ein Unternehmer sein, aber er denkt
unternehmerisch, fürs Unternehmen in Sinne von, ich sag einmal, wenn es um
Gehälter geht, wenn es um Konditionen geht, wenn es um das schnelle Besorgen
geht, er ist ein deutlich besserer Dienstleister, interner Dienstleister, Supporter
geworden, als er davor reiner Administrator war. Er versteht ganz klar, wer ist sein
interner Kunde? Wer ist eigentlich mein Kunde? Natürlich zahlt letztendlich alle
unsere Gehälter der Endkunde am Markt draußen, aber sein unmittelbarer, ist eben
die Organisation und da muss er eben mit all seinen Künsten und Kräften
unterstützen und das Rollenbild ist deutlich zielorientierter, prozessorientierter und
kundenorientierter geworden.“287
Interview 6:
Ausüben einer balancierten Rolle zwischen TreiberIn bzw. SensibilisiererIn im
Change-Prozess und der gleichzeitigen Controlling-Funktion in Bezug zu den
Personalkapazitäten:
„Ob man es will, oder nicht, HR hat die nicht immer dankbare Rolle, auf jeden Fall als
Treiber bzw. Sensibilisierer im Change-Prozess und HR hat mit Sicherheit dort, wo
es ein stabiles, fundiertes Personal-Controlling gibt, auch die Rolle – vor allem in
größeren Unternehmen – sicherzustellen, dass alles rund um Personalkapazitäten
annähernd gleich beschrieben und bemessen wird. Also ein durchaus
herausfordernder Balanceakt. Ich muss auf der einen Seite erstens einmal
sicherstellen, dass - wenn ich jetzt sage, ich starte so einen Prozess, so ein Projekt die Absprungbasis klar beschrieben ist, man sich einig ist, um nämlich
nachvollziehen zu können, welche Verbesserungen haben wir denn im Vergleich zu
den Zielen, die wir uns gesetzt haben, tatsächlich geschafft. Klären der
Ausgangsbasis, klären der Spielregeln, was gilt jetzt als Einsparung, was gilt nicht,
bis hin zum Controlling der einschlägigen Zahlen. Man muss auf der anderen Seite,
das was wahrscheinlich als erstes einfällt, die Change-Management Seite von A bis
Z bedienen.“288
287
288
Interview 5: 92, Z 267
Interview 6: 99, Z 166
107
Interview 7:
Stärkeres Bewusstmachen des Lean Gedankens in die Führungsarbeit:
„Ich glaube, dass, obwohl wir den Lean Gedanken über die Produktion im Hause
eigentlich begonnen haben, bewusster zu machen, auch wenn ich schon von Haus
aus schon gesagt habe, ich bin nicht der Personalentwickler, ich bin einer der hilft,
Personal zu entwickeln hat sich das Bild vielleicht ein bisschen gewendet, wenn ich
diesen Lean Führungsgedanken Ernst nehme und tue, dann kann dies
wahrscheinlich auch helfen, in den ganzen Produktionsprozessen diesen Lean
Gedanken, versuchen zu nutzen, umzusetzen, weil wir halt dann damit effizienter,
mit weniger Fehlern, also alles was dazu gehört, produzieren. Also von der Vorreiter
Lean Production, jetzt Lean Führungsgedanken, dass man da jetzt so ein bisschen,
wie soll man es am besten formulieren, das es eine Kulturführungsfrage bei uns im
Haus ist. Lean führen heißt, auch Lean produzieren zu können.“289
„Einfach dieses Bewusstmachen, Bewusstmachen, um das noch einmal zu
unterstreichen. Bewusstmachen, dass schlankes Führen Effizienz automatisch in
sich hat. Nicht nur ermöglicht, sondern schlankes Führen heißt, wirklich vor Ort, faceto-face in überschaubaren Größen.“290
Interview 10:
Etablierung eines vertikalen 4-Ebenen-Modells innerhalb der HR-Organisation in
Anlehnung zu einem 3-Säulen-Modell zur Umsetzung der HR-Arbeit nach Dave
Ullrich bzw. dem HR Service Modell von Capgemini und Etablierung von
Implementierungsrollen und lokalen HR-Business PartnerIn-Rollen:
„Also ehrlich gesagt, wir sind im Unternehmen sehr hoch zentralisiert. Auch unsere
Strategie
und
Richtung
ist
eine
abgeleitete
Strategie
und
unser
Personalentwicklungssystem, Performancemanagementsystem kommt alles von
diesem Center of Expertise auf Europa-Ebene und wir haben zu 70% von allen HRThemen eine Implementierungsrolle, das heißt wir haben ein zentrales europaweit
gültiges Compensation & Benefits-System und der Rest ist unsere Freiraum, von
daher bringt das natürlich mehr Zentralisierung und eine einheitlichere europaweite
Umsetzung der globalen HR-Strategie.“291
„Und wir haben dann auf der lokalen Ebene HR-Personen, die sitzen am Standort,
die haben eigentlich nur Scope für einen Standort (zeichnet unterhalb von
Ländergruppen HR noch Legal Entities). Das ist die Struktur.“292
289
Interview 7: 117, Z 374
Interview 7: 119, Z 398
291
Interview 10: 149, Z 230
292
Interview 10: 145, Z 122
290
108
3.2.5 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der
Organisationseinheit Human Resources?
Zur Beantwortung dieser Frage ist eine Differenzierung zwischen der Leitung HR und
der Organisationseinheit HR erforderlich. 7 der 8 befragten InterviewpartnerInnen
(Consultant-Interviews wurden nicht berücksichtigt) berichteten von keinerlei
Veränderungen hinsichtlich der Leitung HR also Folge einer Lean Einführung. Im
Unternehmen
aus
Interview
5
wurde
im
Zuge
eines
Wechsels
in
der
Geschäftsführung vor 2 Jahren daraus resultierend die Personalleitung direkt der
Geschäftsführung unterstellt. Diese Entscheidung resultierte aus einer gesteigerten
Bedeutung in Bezug zu HR aus Sicht der Geschäftsführung und fiel zeitgleich mit der
flächendeckenden Einführung von Lean im Unternehmen zusammen.
Betrachtet man die Organisationeinheit HR an sich, fanden ebenso in 6 von 8
Unternehmen (Consultant-Interviews wurden nicht berücksichtigt) keine Änderungen
statt. Dafür fanden im Unternehmen aus Interview 4 gravierende Veränderungen in
der Ausführung der HR-Arbeit durch Schaffung eines Shared-Service-Centers, von
Centers of Expertise und lokalen Business PartnerInnen statt. Im Unternehmen in
Interview 10 wurde 2005 durch die vertikale Neuausrichtung der HR-Organisation
zusätzlich eine hoch angesiedelte HR-Implementierungsrolle geschaffen.
Die diesbezüglichen Ausführungen in Kapitel 3.2.4/Interview 4 in Bezug zu den
Rollenveränderungen können auch zur Beantwortung dieser Frage herangezogen
werden.
Die InterviewpartnerInnen betonen in ihren Ausführungen, dass HR in der
Aufbauorganisation
handlungswirksam
sehr
zu
hoch
sein.
angesiedelt
Diese
sein
muss,
Funktionsautorität
um
entsprechend
ist wichtig,
da
sonst
möglicherweise Lean-Initiativen zum Scheitern verurteilt sind.
Dabei ist aber gleichzeitig die Unternehmensstruktur zu berücksichtigen. Strategischplanerische HR-Aufgaben sind dabei meist im Konzern-HR in einer Holding
angesiedelt, wodurch eine entsprechende Handlungskraft gewährleistet ist. In
Unternehmen, wo diese Einbettung nicht existiert, ist auf eine entsprechende
109
inhaltliche Ausstattung von HR zu achten, die über eine rein Zahlen aufbereitende
Stabstellenfunktion weit darüber hinaus zu gehen hat.
Nach diesen Ausführungen ist zu schließen, dass eine ausschließlich hierarchische
Zuordnungsbetrachtung von HR und ihres Handlungsvermögens nicht ausreicht. Es
ist vielmehr die inhaltliche Funktionsausstattung (Vgl. Rollenbild HR) dabei mit zu
berücksichtigen.
Aus
Consulter-Sicht
wird
betont,
dass
der
CEO
als
oberste/r
Personalverantwortliche/r für eine entsprechende HR Einordnung zu sorgen hat und
dass vor allem strategisches HR (Recruiting, MA-Entwicklung) hoch angesiedelt sein
muss (unter dem CEO), um die Themen dann in die operativen Prozesse,
wertschöpfenden Prozesse hineinzutragen und etablieren zu können. Dies hängt
aber auch von der Branche ab (z.B. Produktionsbereich vs. Servicebereich). Vor
allem im Bereich der (Financial-)Services gehört die HR Rolle entsprechend
berücksichtigt.
3.2.6 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die
Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie
Karrieremanagement?
Der nachfolgende Querschnitt durch die Interviews zeigt, dass die Lean-Einführung
in einem Unternehmen Auswirkungen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen
Aus- und Weiterbildung sowie in erheblichem Maße auf das Karrieremanagement
hat.
„…als wir in einem großen professionell agierenden Unternehmen nicht so sehr den
Werkzeugkoffer jetzt völlig neu sortieren müssen. Das eine oder andere Werkzeug
kommt neu dazu, sondern es geht darum, die Mannschaft, das beginnt bei der
Führung, in einem möglicherweise anderen Gebrauch der Werkzeuge fit zu
machen.“293
Die befragten Unternehmen kombinieren theoretische Schulungen in Form von
Präsenztrainings oder e-Learning mit einer unmittelbar danach praktischen
293
Interview 6: 98, Z 143
110
Anwendung des gelernten bzw. in Form von Projekten (z.B. bei Lean Six Sigma)
oder einer direkten Umsetzung „on the job“. Gibt es in einem Konzern oder
Unternehmen bereits etablierte Lean-Aktivitäten, werden an diesen Standorten BestPractice
Trainings
durchgeführt.
Führungskräfte
erhalten
auch
zusätzliche
Schulungen zu den Themen Leadership und Organisationsentwicklung. Weiters
werden auch die Themen Effizienz und Effizienzsteigerungen in die Schulungen
integriert.
Im Interview 5 sind die Auswirkungen für HR an einem Beispiel eindrücklich
beschrieben:
„Die Herausforderung, die es für ihn gegeben hat, ist natürlich ganz klar, wir sind
stark in Trainingsprogramme eingestiegen, wir haben Mitarbeiterumfragen
großflächig angelegt, also nicht nur wie geht’s euch, sondern Mitarbeiterumfragen,
die hat ihn jetzt sehr herausgefordert haben. Mitarbeiterumfrage, wo wir gesagt
haben, wir machen alles und schauen dann darunter in den einzelnen Bereichen mit
Workshops ohne den Vorgesetzten, wie interpretiert ihr die Mitarbeiterumfrage, die
Ergebnisse und was wäre denn jetzt das Optimierungspotential, was liegt euch
wirklich am Herzen, ohne noch dazu, das möchte ich noch erwähnen, ohne jeweils
den einzelnen Bereichs-/Abteilungsleitern, damit die Leute wirklich komplett frei von
der Leber auch, das Ganze zu erinnern und interpretieren können.“294
„Also diese Orientierung hin zur Person, hin zur Organisation, die Person steht im
Mittelpunkt des Unternehmens, das war eigentlich eines der wichtigsten Changes für
ihn selbst. Also das ganze Trainingsprogramm inklusive die Orientierung hin, die
Person steht im Mittelpunkt. Nicht nur der Rekrutierungsprozess, sondern also auch
die Requalifizierung und Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter, das hat ihn ganz
speziell herausgefordert und fordert ihn nach wie vor heraus.“295
Betrachtet man Lean auch als Change-Prozess, so werden seminarartige
Bildungsmaßnahmen bis hin zu Trainings der Team- und Organisationsentwicklung
durchgeführt.
Wichtig
ist
dabei
auch
die
Schaffung
eines
gemeinsamen
Verständnisses und einer gemeinsamen Zielrichtung zwischen Management und
MitarbeiterInnen. In diesem Zusammenhang kommt HR eine wesentliche Rolle zu:
Organisation und Durchführung von Veranstaltungen in sozialem angenehmen
Rahmen zur Findung der gemeinsamen Zielrichtung und Verständnisschaffung.
294
295
Interview 5: 88, Z 151
Interview 5: 88, Z 162
111
In Zusammenhang mit den Change-Prozessen weisen 3 InterviewpartnerInnen auf
die richtige Geschwindigkeit hin. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein
Unternehmen im Verhältnis seiner Führungskräfte zu deren MitarbeiterInnen
gleichartig und gleichzeitig bewegen sollte. Weiters ist das richtige Maß in Bezug
zum Arbeitseinsatz zu wahren, um die Führungkräfte und MItarbeiterInnen weder zu
über- noch zu unterfordern. Da eine Lean-Einführung mit großen Veränderungen
verbunden
ist,
benötigt
dieser
Prozess
Zeit.
Dabei
ist
die
richtige
Veränderungsgeschwindigkeit - nicht zu schnell, nicht zu langsam - zu finden.
Aufgrund des Change-Prozesses hin zu einer Lean-Organisation in Verbindung mit
dem Ziel der langfristigen Verankerung von Lean in einem Unternehmen kommt der
Weiterbildung und Entwicklung von Führungskräften eine entscheidende Bedeutung
zu. Wichtig ist dabei vor allem die Vorbildwirkung der Führungskräfte. Bei der
Bewertung einer Führungskraft sind Leadership-Fähigkeiten und der Umgang mit
Change Management von Bedeutung. Dabei sind nachfolgende Attribute von
Führungskräften kennzeichnend: unternehmerisches Denken und Handeln, fachliche
Kompetenz, soziale Kompetenz, Wirkung der Persönlichkeit. Dienende Führung
(„Servant Leadership“), dies bedeutet das Arbeiten als Führungskraft für die
MitarbeiterInnen, bildet ebenso eine wichtige Umsetzungssäule. Bereits in der
Nachwuchsführungskräfteausbildung werden Rotationsprogramme im Unternehmen
durchgeführt, um breite fachliche Tragfähigkeit und Akzeptanz der Leute zu erzielen.
Hinzu kommt auch das Einbetten von Lean im Zielvereinbarungsprozess bei
Führungskräften.
Die
Bedeutung
von
Leadership
bzw.
Führungsarbeit
wird
von
4 InterviewpartnerInnen behandelt:
„Ganz richtig, das ist haargenau der Punkt, der Angelpunkt ist die Leadership und wir
können es uns dann auch noch anschauen und es ist zwingend nicht: Ich habe 200
Leute, die für mich arbeiten, sondern ich arbeite für 200 Leute. Also dieses Servant
Leadership ist ja auch eine Leadership-Schule, …“296
296
Interview 2: 25, Z 158
112
„Wenn die Führungsqualität gut ist und die Führungskultur, dann haben wir viele
Probleme von Haus aus nicht. Und da brauche ich soziale Kompetenz und Wirkung
der Persönlichkeit.“297
„Das müssen Sie den Führungskräften massiv mitgeben, dass in ihrer Verantwortung
neben dem kostenmäßigen Ergebnis aber auch liegt, dass die Mitarbeiter, die da
drinnen arbeiten, weder von der Führungskraft überfordert werden, noch sich selbst
überfordern, …“298
„Und da ist eine wichtige Aufgabe, wenn ich eingangs gesagt habe, ich mache nicht
Personalentwicklung, ich bin Coach der Führungskräfte und ein wesentlicher
Zusammenhang ist hier aus meiner Sicht, dass ich also Führungskräfte berate,
trainiere, coache, wie man mögliche Umsetzungen in Richtung Lean Führung weiter
verbessern kann.“299
Die
Verschlankungsmaßnahmen
haben
erhebliche
Auswirkungen
auf
das
Karrieremanagement eines Unternehmens. Durch das Kappen von Hierarchien, den
Wegfall klassischer Karrierewege und somit Wegfall des Motivationsfaktors
Karriereweg muss HR kompensierende Alternativen entwickeln und vorstellen, z.B.
Neugestaltung des Entgelt-Systems, Etablierung von Expertenkarrieren
und
sichtbarmachen der alternativen Entwicklungsmöglichkeiten. Ein weiterer Weg ist die
Entwicklung weg von einer klassischen, hierarchischen Linienorganisation hin zu
einer rollenorientierter Organisation (z.B. Chief Experts), welche dadurch neue,
flexible Karrierepfade für MitarbeiterInnen bieten kann.
3 InterviewpartnerInnen weisen auf die Bedeutung und den Einsatz der
Visualisierung in Bezug zu Zielen und der Messung von Zielerreichungen hin.
„Das muss jedem klar sein. Sprich, und die gehen dann auch durch, also auch der
oberste Chef, der geht da durch, der fragt die Leute auch an der Linie, soweit die
Englisch können, oder lasst sich es halt übersetzen, und fragt sie, ob denen diese
Ziele bewusst sind. D.h. das Entscheidende ist, dass ich die Teams an der Linie, wie
ich das jetzt visualisiere oder in welchen Schulungen, Informationsveranstaltungen,
die müssen wissen, was sind unsere Measurements?“300
„Dann haben sie gesagt beim nächsten Durchgang, aber gescheit wäre es, wenn wir
die Kabel auf der linke Seite grün machen, weil die haben eine bestimmte Länge, die
anderen sind rot. D.h. visualisieren von Dingen und ich sage es Ihnen, der Output
297
Interview 3: 55, Z 397
Interview 6: 105, Z 369
299
Interview 7: 112, Z 203
300
Interview 2: 26, Z 192
298
113
wurde um ungefähr, ich sage einmal, das 2 bis 2,5fache gesteigert, innerhalb
weniger Stunden.“301
„Zweiter, wichtiger Punkt ist, ich kann meine Dinge beeinflussen, aus dem kommt
auch Lean-Management inklusive Visualisierung, ganz wichtig. Nur LeanManagement einzuführen, ohne Visualisierungskonzepten, ohne dementsprechenden Plan-Do-Check-Act Zyklen, wo ich sehe, ich tue was und habe dahinter
auch eine Reaktion und ich habe auch Ergebnisse, die sich noch dazu idealerweise
irgendwann am Ende des Jahres oder Monats auch irgendwo monetär auswirkt, das
motiviert die Leute und dazu gehört natürlich auch der 3. Punkt, wieder der
Brückenschlag zum Karrieremanagement, die Leute brauchen irgendwo einen
Horizont. Wo kann ich mich hin entwickeln, wo geht die Reise hin?“302
Eine hierarchische Karriereentwicklung wird durch flachere Organisation schwieriger.
Daher ist es wichtig, den MitarbeiterInnen Freiraum für eigenes Agieren im Rahmen
der Tätigkeit zu geben, da dies motivationssteigernd wirkt und sich auch positiv auf
die Arbeitszufriedenheit auswirkt. Da durch die Lean-Maßnahmen eher keine neuen
Karriererollen entstehen, ist es möglich, dass durch eine stetige Lean-Geisteshaltung
von
Ownership,
Karrieremöglichkeiten
Selbstverantwortung,
entstehen,
da
proaktivem
Denken
die MitarbeiterInnen durch
neue
Ihre Lean-
Grundeinstellung Commitment zeigen. In Unternehmen, die Six Sigma Ausbildungen
anbieten, kommt noch ergänzend die Entwicklungsmöglichkeit über die BeltTrainings hinzu, welche eine Qualifikationsausweitung der MitarbeiterInnen bedeuten
und dadurch auch die Karrierechancen erhöhen. Gehaltssteigerungsmöglichkeit sind
(ergänzend zu den Führungskarrieren) auch bei Fachkarrieren zu etablieren.
Personalentwicklung, Qualifizierung, Training sind zur Schaffung von LeanKompetenzen auszurichten. Diese Aktivitäten sind mit einer Incentivierung in
monetärer Form und über Karrierepfade zu verbinden. Dem Einsatz von
MitarbeiterInnen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Schaffung eines
Verständnisses von end-to-end Prozessen kommt dabei eine wesentliche Bedeutung
zu.
Der Wegfall von Hierarchien bedeutet auch einen Wegfall entsprechender
Entwicklungsmaßnahmen. Es ist daher ein Kompetenz- und Wissensmanagement
301
302
Interview 3: 46, Z 122
Interview 5: 90, Z 221
114
erforderlich, um das Niveau der Organisation zu halten. Durch Wegfall von
Hierarchien erhöht sich auch die Führungsspanne. HR ist dabei aufgefordert,
Kompetenzmanagement-Modelle zu entwickeln, welche von den Führungskräften
genutzt werden können.
Programme zur Analyse von MitarbeiterInnen bzgl. der Eignung für eine Führungsoder ExpertInnenlaufbahn sind vor allem unter dem Gesichtspunkt zu etablieren, wer
als Führungskraft eine Lean-Organisation leiten und vorantreiben kann. Dies ist
bereits
bei
entsprechenden
internen
oder
externen
Rekrutierungen
zu
berücksichtigen und auch die Aus-/Weiterbildung darauf auszurichten.
Der Durchführung von Qualifikationsmaßnahmen in wirtschaftlichen Krisenzeiten
kommt eine erhöhte Bedeutung zu, um nach einer Krise auf einem höherem
Qualifikationsniveau agieren zu können.
HR hat auch die Aufgabe, neu eintretenden MitarbeiterInnen („onboarding“) Lean im
Unternehmenskontext zu vermitteln, damit eine entsprechende Geisteshaltung und
Handlungsweise von Beginn an am Arbeitsplatz umgesetzt werden kann.
Auffrischungstrainings
sollten
durchgeführt
werden,
wenn
gewisse
Handlungsroutinen noch nicht umgesetzt werden.
Um einen Blick über den Tellerrand anzubieten, soll HR die MItarbeiterInnen und
Führungskräfte
beim
Vernetzen
mit
KollegInnen
in–
und
ausserhalb
des
Unternehmens unterstützen.
Maßnahmen zur Verschlankung können auch zu einer Vereinheitlichung und
Standardisierung
von
Aus-
und
Weiterbildungsmaßnahmen
(z.B.
von
Personalentwicklungssystemen, Performancemanagementsystemen) sowie zu einer
effizienten, kanalisierten Form von Karrieremanagement innerhalb von komplexen
Unternehmensorganisationsstrukturen führen.
115
3.2.7 Empirisch-analytische Zusammenfassung: Teilantwort der
Forschungsfrage
Die InterviewpartnerInnen sehen in Lean Human Resources einen effizienten
Personalressourceneinsatz mit ihren
Fähigkeiten
entsprechend
eingesetzten,
motivierten MitarbeiterInnen.
Der Organisationeinheit Human Resources kommt dabei eine bedeutende Rolle in
vielfältiger Form zu, die alle Ausprägungen des Business PartnerIn-Modells
beinhaltet.
HR
kommt
dabei
als
Change
Agent
im
Rahmen
der
Veränderungsprozesse eine wichtige Bedeutung zu.
Eine Lean-Einführung hat nur sehr geringe bis gar keine Auswirkungen auf eine
bestehende hierarchische Einordnung der Leitung HR bzw. der Organisationseinheit
HR. Die InterviewpartnerInnen betonen aber die Erfordernis einer in der
Betriebshierarchie hoch angesiedelte Positionierung, um eine entsprechende
Handlungs- und Umsetzungsautorität zu bekommen.
Innerhalb von HR selbst ist Lean-Know-How aufzubauen, um die Rollen des
Business PartnerIn-Modells einerseits erfolgreich ausführen zu können und
andererseits Verschwendung in den eigenen HR-Prozessen zu identifizieren.
HR ist gefordert, sich selbst Lean aufzustellen. Dies geschieht durch Verbesserung
der HR-Prozesse (u.a. mit dem Ziel der Standardisierung und Vereinheitlichung) und
durch eine Neuorganisation im Sinne des 3-Säulen Modells basierend auf Dave
Ulrich bzw. des HR Service Modells von Capgemini. Eine entsprechende
Neuorganisation hat möglicherweise auch Auswirkungen auf die hierarchische
Einbettung
der
HR-Leitung
bzw
der
Organisationseinheit
HR
sowie
der
diesbezüglichen Rollen.
Die Bedeutung der Führungskräfte und ihrer Leadership-Fähigkeiten werden als
zentraler Erfolgsfaktor im Zusammenhang mit Lean-Aktivitäten gesehen. Die
Visualisierung von Zielen und Zielerreichungen bilden in diesem Zusammenhang
einen wichtigen Bestandteil im Rahmen der Führungsarbeit.
116
Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen werden im Anschluss von theoretischen
Bildungsveranstaltungen unmittelbar mit on the job-Umsetzungen trainiert und
umgesetzt. Spezielle Führungskräfte Trainings zu den Themen Leadership und
Organisationentwicklung haben vor dem Hintergrund der Change-Prozesse an
Bedeutung gewonnen.
Durch den Wegfall von Hierarchieebenen kommt der Schaffung alternativer
Karrieremanagementmodell mit einem verstärkten Focus auf die Etablierung von
Projekt- bzw. ExpertInnenlaufbahnen eine große Bedeutung zu. Lean zu denken und
Lean
zu
handeln
kennzeichnet
dabei
wichtige
Charakterzüge
bei
den
MitarbeiterInnen aus.
Maßnahmen zur Reduktion und Eliminierung von Verschwendung im Sinne von Lean
werden aber auch umgesetzt, ohne dass der Begriff oder das Konzept „Lean“ explizit
verwendet wird. Die gesetzten Handlungen weisen dabei aber die Attribute von Lean
auf. Dies lässt darauf schließen, dass in der betrieblichen Praxis viele Unternehmen
Lean-Aktivitäten mit dem Ziel der Steigerung von Effizienz durchführen, ohne
ausdrücklich das Wort „Lean“ dabei zu verwenden.
4 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Theorie und
Empirie
4.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfrage
Lean Human Resources kennzeichnet einen effizienten Personalressourceneinsatz,
der die MitarbeiterInnen als hochqualifizierte und motivierte Know-How-TrägerInnen
mit
hoher
Teamorientierung
und
als
unmittelbare
UmsetzerInnen
einer
Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung darstellt. Die Vermeidung
von Verschwendung in den täglichen Arbeitsprozessen und die Umsetzung
kontinuierlicher Verbesserungsmaßnahmen geschehen dabei vor dem Hintergrund
einer nach diesen Prinzipien ausgerichteten grundlegenden Geisteshaltung bei den
MitarbeiterInnen.
117
Die Führungskräfte haben in diesem Zusammenhang eine starke Vorbildwirkung und
die Aufgabe, die MitarbeiterInnen entsprechend ihrer Fähigkeiten im Sinne einer
Lean-Organisation zu führen, zu coachen, zu entwickeln und weiterzubilden. Ein
gegenseitiger permanenter Feedback-Prozess in Verbindung mit transparenten
Zielvereinbarungsprozessen
sowie
Zielerreichungskontrollen
mit
visueller
Unterstützung bildet dabei eine wesentliche Grundlage.
Lean Human Resources beschreibt weiters die Organisationseinheit HR, welche
selbst Lean organisiert ist und sich durch hoch-qualitative, effiziente HR-Prozesse
auszeichnet. Dabei sind verschiedene Modelle zur Umsetzung der HR-Arbeit zu
evaluieren und die Organisationseinheit HR entsprechend auszurichten.
Auf Basis dieser Grundlagen ist es der Organisationseinheit HR möglich,
Maßnahmen und Handlungsweisen bei der Einführung von Lean oder der
Aufrechterhaltung einer Lean-Unternehmenskultur zu setzen. Dabei hat sich HR zu
einer umfassenden und ausbalancierten Business PartnerIn-Rolle hinzuentwickeln.
Zur Umsetzung dieser Maßnahmen und Handlungsweisen ist es erforderlich, dass
die Organisationseinheit HR innerhalb der hierarchischen Aufbauorganisation sehr
hoch angesiedelt ist, um eine entsprechende Handlungsautorität für das Agieren
innerhalb der Business PartnerIn-Rolle zu erhalten. Der Leitung HR kommt als
Strategic Partner von Management bzw. Geschäftsführung bei der Einführung bzw.
Aufrechterhaltung einer Lean-Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle zu.
Durch die aus einer Lean-Einführung resultierenden Veränderungen hinsichtlich der
Arbeitsprozesse und der Organisation selbst kommt in dieser Phase vor allem der
Ausprägung des Change Agents innerhalb der Business PartnerIn-Rolle eine hohe
Bedeutung zu.
Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind bei einer Lean-Einführung an die in dem
Unternehmen zur Anwendung gelangenden Lean-Prinzipien anzupassen bzw.
auszurichten. Die Basis bildet dabei die Berücksichtigung dieser Lean-Prinzipien
innerhalb der Job- bzw. Rollenbeschreibungen, welche die Grundlage für das
118
Performancemanagement und die Personalentwicklungsmaßnahmen bilden. Neben
den fachlichen Trainings mit hoher on-the-job-Orientierung für die MitarbeiterInnen
kommt
dem
Training
der
Führungskräfte
in
Bezug
zu
Leadership
und
Organisationsentwicklung eine wichtige Bedeutung zu. Innerhalb der Trainings sollte
der
Fokus
auf
die
Entwicklung
der
Problemlösungskompetenz
und
der
Verbesserungskompetenz gelegt werden. Lean erfordert auch die stärkere
Ausrichtung
auf
eine
Mehrfachqualifizierung
der
MitarbeiterInnen
und
Führungskräfte, welche durch Projektmitarbeit und Job-Rotations erzielt wird.
Durch die Reduzierung von Hierarchieebenen und einer Verschlankung der
Organisationsstruktur innerhalb von Lean müssen neue motivierende Anreize in
Form alternativer Karrieremodelle und monetärer Incentivierungen geschaffen
werden.
Dabei
sind
verstärkt
verschiedenen
Formen
von
Projekt-
bzw.
ExpertInnenlaufbahnen zu etablieren.
4.2 Schlussfolgerungen und Auswirkungen auf die betriebliche
Praxis
Diese Master Thesis ist in 1. Linie als eine thematische Standortbestimmung im
Kontext der Forschungsfrage und als Orientierungsleitfaden für die betriebliche
Praxis zu sehen.
Lean Human Resources ist ein Begriff, der großen Interpretationsspielraum offen
lässt. Die Interviews haben gezeigt, wie vielfältig der Zugang sein kann. Gleichzeitig
haben sich aber einige Charakteristiken herauskristallisiert, die eine sehr gute
thematische und inhaltliche Annäherung an Lean Human Resources erlauben.
Der gemeinsame Nenner, der letztlich alle in dieser Master Thesis angeführten
Maßnahmen und Handlungsweisen zusammenführt, ist die Zielsetzung der
Steigerung von Effizienz und Effektivität von Arbeitsprozessen, MitarbeiterInnen und
Unternehmen. Dies geschieht aber nicht in einmaliger Form, sondern als
kontinuierlicher Prozess der Verbesserung. Dieser Aspekt der langfristigen
119
Ausrichtung führt zu einem Automatismus in lösungsorientiertem Denken und zu
einer grundlegenden Geisteshaltung der ständigen Verbesserung bei allen
Beschäftigten eines Unternehmens. Dies stellt eine Grundvoraussetzung für rasches,
flexibles Handeln in einer dynamischen, global vernetzten Wirtschaftswelt dar.
Lean Human Resources in seinen Ausprägungen, eine Lean-Einführung mit allen
daraus resultierenden Auswirkungen auf die Organisationseinheit HR sowie auf die
Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung und Karrieremanagement
sind genauso in diesem Kontext zu sehen.
Wichtig ist auch, nicht ausschließlich an - meist vordefinierten - Begriffen und
Konzepten (Lean, Lean Human Resources, TQM, BPM, etc.) hängenzubleiben,
sondern vielmehr auf Basis der Attribute, die Aktivitäten und Handlungen im Zeichen
der Steigerung von Effizienz und Effektivität kennzeichnen, entsprechende
Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Dabei ist zuvor ein Status-Quo zu erheben,
der aufzeigt, auf welche Maßnahmen der Vergangenheit und auf welche
bestehenden Handlungsweisen der Gegenwart möglicherweise bereits aufgebaut
werden kann. Für die Umsetzungsarbeit ist dabei das Unternehmen gesamthaft zu
betrachten. Einen wesentlichen Referenzrahmen bilden dabei die jeweilige
Unternehmenskultur und die Formen der vorhandenen Arbeitsorganisationen in der
jeweiligen Organisation.
Diese Maßnahmen, vor allem jene der Verschlankung im Sinne von Reduktion und
Einsparungen, sollten immer nur eine Seite der Medaille darstellen. Kreativität und
Innovationsfähigkeit eines Unternehmens stellen gleichberechtige Gegenpole zu
Lean dar. Beide Seiten gemeinsam dienen der langfristigen Absicherung der
Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.
Die Organisationseinheit Human Resources ist in Bezug zu diesen Aktivitäten
aufgerufen,
eine
aktive,
strategisch
orientierte
Business
PartnerIn-Rolle
einzunehmen, um durch ihre eigenen HR-Prozesse und durch einen optimalen
Einsatz von hochqualifizierten MitarbeiterInnenressourcen nachhaltige Beiträge zur
Steigerung von Effizienz und Effektivität innerhalb eines Unternehmens zu leisten.
120
Im Mittelpunkt des Handelns stehen dabei die Menschen als MitarbeiterInnen und
TrägerInnen einer Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung.
Abschließend möchte ich daher eine Antwort aus Interview 9 zitieren, die aus meiner
Frage, welche Assoziationen zum Begriff Lean Human Resources bestehen,
resultierte:
„Im ersten Moment klingt das für mich wie ein Widerspruch. Lean bedeutet
verschlanken, Mitarbeiter bedeutet immer, sich Zeit für Menschen nehmen.
Assoziation zunächst ein Widerspruch. Der löst sich dann auf, wenn man sich mit
dem, was hinter Lean steckt, beschäftigt. Menschen sind auf der einen Seite da,
dass man mit ihnen Zeit verbringt, auf der anderen Seite, wenn man es in den
Kontext des Arbeitslebens stellt, dann steht jeder an seinem Platz und hat eine
Aufgabe zu erfüllen. Und die ist so zu erfüllen, dass sie im Gesamtkontext eines
Unternehmens optimal abgewickelt wird, das bedeutet manches Mal, in schlanken
Strukturen zu agieren.“303
303
Interview 9: 133, Z 119
121
Literaturverzeichnis
1. Selbständige Werke
a. Bücher
Atteslander, P. (2010): Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: Erich
Schmidt Verlag, 13., neu bearbeitete und erweiterte Auflage
Becker, M. (2009): Personalentwicklung – Bildung, Förderung und
Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel
Verlag, 5. aktualisierte und erweiterte Auflage
Bösenberg, D., Metzen, H. (1992): Lean Management – Vorsprung durch schlanke
Konzepte. Landsberg/Lech: Verlag moderne industrie
Dahm, M.H., Haindl, C. (2011): Lean Management und Six Sigma – Qualität und
Wirtschaftlichkeit in der Wettbewerbsstrategie. Berlin: Erich Schmidt Verlag,
2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage
Edersheim, E.H. (2007): The Definitive Drucker. New York: McGraw-Hill
Flick, U. (2000): Qualitative Forschung – Theorie, Methoden, Anwendung in
Psychologie und Sozialwissenschaften. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag
GmbH, 5. Auflage
Grant, R.M., Nippa, R. (2006): Strategisches Management – Analyse, Entwicklung
und Implementierung von Unternehmensstrategien. München: Pearson Studium,
5. Auflage.
Hilb, M. (2011): Integrierte Corporate Governance. Berlin/Heidelberg; Springer
Verlag, 4. Auflage.
122
Holtbrügge, D. (2010): Personalmanagement. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag,
4. Auflage.
Jekiel, C.M. (2011): Lean Human Resources – Redesigning HR Processes for a
Culture of Continuous Improvement. New York: CRS Press, Productivity Press,
Taylor & Francis Group
Jung, H. (2006): Personalwirtschaft. München: Oldenburg Wissenschaftsverlag,
7. Auflage
Koch, S. (2011): Einführung in das Management von Geschäftsprozessen – Six
Sigma, Kaizen und TQM. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag
Liker, J.K., Hoseus, M. (2009): Die Toyota Kultur. München: FinanzBuch Verlag,
1. Auflage.
Liker, J.K. (2011): Der Toyota Weg. München: FinanzBuch Verlag, 7. Auflage.
Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltanalyse – Grundlagen und Techniken.
Weinheim und Basel, Beltz Verlag, 11., aktualisierte und überarbeitete Auflage
Müller-Stewens, G., Lechner, C. (2011): Strategisches Management. Stuttgart:
Schäffer-Poeschel Verlag, 4. Auflage.
Nagel, R., Wimmer, R. (2009): Systemische Strategieentwicklung. Stuttgart:
Schäffer-Poeschel Verlag, 5. Auflage.
Ohno, T. (1993): Das Toyota-Produktionssystem. Frankfurt/Main, New York: Campus
Verlag
Rother, M. (2009): Die Kata des Weltmarktführers – Toyotas Erfolgsmethoden.
Frankfurt/New York: Campus Verlag
123
Rüegg-Stürm, J. (2003): Das neue St. Galler Management-Modell – Grundkategorien
einer integrierten Managementlehre – Der HSG-Ansatz. Bern: Haupt Verlag,
2. Durchgesehene Auflage
Schedler, K., Proeller, I. (2011): New Public Management. Bern: Haupt Verlag,
5., korrigierte Auflage.
Spindler, M., Steger, M. (2010): Zwischen Universität und Unternehmen – Kultur-,
sozial- und wirtschaftsorientierte Forschung im Spannungsfeld von theoretischen
Ansprüchen und praktischen Interessen. Wien: Verlagshaus Hernals.
Thom, N., Zaugg, R.J. (Hg.) (2007): Moderne Personalentwicklung –
Mitarbeiterpotenziale erkennen und fördern. Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher
Verlag Dr. Th. Gabler, 2. Auflage
Torrington, D., Hall, L., Taylor, S. (2008): Human Resource Management. Essex:
Pearson Education Limited/Prentice Hall Financial Times, 7th Edition
Ulrich, D. (1997): Human resource champions: the next agenda for adding value and
delivering results. Boston: Harvard Business School Press
Vahs, D. (2009): Organisation – Ein Lehr- und Managementbuch. Stuttgart, SchäfferPoeschel Verlag, 7., überarbeitete Auflage
Welge, M.K., Eulerich, M. (2012): Corporate-Governance-Management – Theorie
und Praxis der guten Unternehmensführung. Wiesbaden: Gabler Verlag, 1.
Auflage
Womack, J.P., Jones, D.T. (2004): Lean Thinking – Ballast abwerfen,
Unternehmensgewinne steigern. Frankfurt: Campus Verlag
124
Womack, J.P., Jones, D.T., Roos, D. (1992): Die zweite Revolution in der
Autoindustrie – Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem
Massachusetts Institute of Technology. Frankfurt/New York: Campus Verlag,
6. Auflage
Wunderer, R., Dick, P. (2006): Personalmanagement – Quo Vadis? Analysen und
Prognosen zu Entwicklungstrends bis 2010. München: Luchterhand, 4. Auflage
b. Beiträge in Sammelbänden (Herausgeberwerke)
Brewster, C., Mayrhofer, W. (2012): Comparative human resource management: an
introduction. In: Brewster, C., Mayrhofer, W. (Hg.), Handbook of Research on
Comparative Human Resource Management. Cheltenham, UK; Northampton,
MA, USA: Edward Elgar Publishing Limited, 1-23
Brandl, J., Ehnert, I., Bos-Nehles, A. (2012): Organising HRM: the HRM department
and line management roles in a comparative aspect. In: Brewster, C., Mayrhofer,
W. (Hg.), Handbook of Research on Comparative Human Resource
Management. Cheltenham, UK; Northampton, MA, USA: Edward Elgar
Publishing Limited, 239-267
Gogoll, W.D. (1995): Personalentwicklung in einer schlanker werdenden
Organisation. In: Geißler, H., Behrmann, D., Petersen, J. (Hg.), Lean
Management und Personalentwicklung. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag,
175-182
Gonzalez, M.C., Almond, P. (2012): Flexible work practices. In: Brewster, C.,
Mayrhofer, W. (Hg.), Handbook of Research on Comparative Human Resource
Management. Cheltenham, UK; Northampton, MA, USA: Edward Elgar
Publishing Limited, 322-344
125
Heimerl-Wagner, P. (1995): Strukturen, Prozesse und Personal in schlanken
lernenden Organisationen. In: Geißler, H., Behrmann, D., Petersen, J. (Hg.),
Lean Management und Personalentwicklung. Frankfurt am Main: Peter Lang
Verlag, 15-49
Irion, R., Schmidt-Schröder, F. (2006): HR Business Process Strategy –
Personalmanagement neu ausrichten. In: Kruppke, H., Otto,. M., Gontard, M.
(Hg.), Human Capital Management – Personalprozesse erfolgreich managen.
Berlin/Heidelberg: Springer Verlag, 29-45
Mayerhofer, H., Michelitsch-Riedl, G. (2009): Personalentwicklung. In: Kasper, H.,
Mayrhofer, W. (Hg.), Personalarbeit Führung Organisation. Wien: Linde Verlag,
4. Auflage, 405-462
Meyer, M. (2009): Organisation. In: Kasper, H., Mayrhofer, W. (Hg.), Personalarbeit
Führung Organisation. Wien: Linde Verlag, 4. Auflage, 213-266
Ridder, H-G. (1993): Arbeitsorganisation, Qualifikation, Entlohnung. In: Ridder, H-G.,
Janisch, R., Bruns, H-J. (Hg.), Arbeitsorganisation und Qualifikation – Zur Praxis
der Arbeitsgestaltung in der schlanken Produktion. München und Mering: Rainer
Hampp Verlag, 11-26
2. Sonstige Quellen
Studienergebnisse:
EUROFUND - Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und
Arbeitsbedingungen, Dublin/Brüssel (2008): Arbeitsbedingungen in der
Europäischen Union: Die Arbeitsorganisation (Einleitung) [Internet]:
http://www.eurofound.europa.eu/pubdocs/2008/68/de/1/EF0868DE.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
126
Wörterbücher:
Langenscheidt-Redaktion (2005): Langenscheidt Studienwörterbuch Englisch.
München: Langenscheidt Verlag.
Zeitschriften, Zeitungen:
Immelt, J.K. (2012): The CEO of General Electric – On Sparking an American
Manufacturing Renewal. Harvard Business Review, März 2012, 43-46
Internet:
Bruhn, H.-D., Hölzle, P. (2010): HR Lean Management - Outsourcing als strategische
Option für das HR Shared Service Center?. Wien, Zürich: Kienbaum
Management Consultants Berlin:
http://www.kienbaum.de/Portaldata/3/Resources/documents/pdf/diskussionsbeitr
aege_personalmanagement/Kienbaum_Diskussionsbeitraege_HR_Lean_Manag
ement.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
Claßen, M., Kern, D. (2006): Studie HR Business Partner. Berlin: Capgemini
Deutschland :
http://www.de.capgemini.com/m/de/tl/HR_Business_Partner.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
Kern, D., Köbele, K. (2011): HR-Barometer 2011. München: Capgemini Consulting:
http://www.de.capgemini.com/m/de/tl/HR-Barometer_2011.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
Kirch, J., Prinz, M-R. L. (2012): HR-Klima Index 2012 – Die Konjunktur für
Personalarbeit. Berlin: Kienbaum Management Consultants:
http://www.kienbaum.de/Portaldata/3/Resources/documents/downloadcenter/stu
dien/human_resource_management/Kienbaum_HR_KlimaIndex_2012_Ergebnisbericht.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
127
Liker, J.K., Hoseus, M. (2008): Human Resource Development in the Toyota Culture.
Economic Development for Central Oregon (EDCO) Industry Month Guide 2008:
http://www.edcoinfo.com/CEDocuments/Downloads_GetFile.aspx?id=316006&fd
=0
Abfrage: 3. Oktober 2012
Parent-Thirion, A., Fernández Macías, E., Hurley, J., Vermeylen, G. (2007): Fourth
European Working Conditions Survey. Luxembourg: EUROFUND - European
Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions, Luxembourg:
http://www.eurofound.europa.eu/pubdocs/2006/98/en/2/ef0698en.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
Sackmann, S.A. (2005): Toyota Motor Corporation – Eine Fallstudie aus
unternehmenskultureller Sicht. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung:
http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_13047__2.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
Schmidt, N. Mizerski, N., Mauhart, J. (2011): HR-Benchmark 2011. Wien: Deloitte
Consulting GmbH:
http://www.deloitte.com/assets/DcomAustria/Local%20Assets/Documents/Studien/HC/HR_Benchmark_2011.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
Tracey, M.W., Flinchbaugh, J. (2006a): HR’s Role in the Lean Organizational
Journey. WorldatWorkJournal, fourth quarter 2006:
http://www.performancebehaviour.nl/wp-content/uploads/2009/07/Lean-enHR.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
128
Tracey, M.W., Flinchbaugh, J. (2006b): How Human Resources Departments Can
Help Lean Transformation. TARGET Magazine (Vol 22, No 3, Third Issue 2006)
der AME – Association for Manufacturing Excellence:
http://www.ame.org/sites/default/files/target_articles/06-22-3Human_Resource.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
Valeyre, A., Lorenz, E., Cartron, D., Csizmadia, P., Gollac, M., Illéssy, M., Makó, C.
(2009): Working conditions in the European Union: Work organization.
Luxembourg: EUROFUND - European Foundation for the Improvement of Living
and Working Conditions, Luxembourg:
http://www.eurofound.europa.eu/pubdocs/2008/62/en/1/EF0862EN.pdf
Abfrage: 3. Oktober 2012
129
Anhang A - Scan des FT-Artikels „Lean cuts fat off GE’s
production line“
<http://www.ft.com/intl/cms/s/0/25ee1d1a-7994-11e1-8fad00144feab49a.html#axzz2408ovgX8> 3. Oktober 2012
Da der Artikel im Internet aufgrund von Zugriffsbeschränkungen manchmal nicht
abrufbar ist, wurde der Artikel in eingescannter Form hier ergänzt.
1
Anhang B - Interview-Leitfaden
INTERVIEW-LEITFADEN

Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?

Wie wird Lean im Unternehmen angewendet?

Wann wurde mit der Einführung von Lean begonnen?

Was war der Grund/was waren die Gründe für die Einführung von Lean?

Wie wurde Lean im Unternehmen eingeführt?

Was waren die größten Herausforderungen bei der Einführung von Lean?

Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean Human Resources?

Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean und Human Resources?

Wo ist der/die LeiterIn Human Resources in der Betriebshierarchie angesiedelt?

Welcher Zusammenhang besteht zwischen der organisatorischen Position von Human Resources
innerhalb der Betriebshierarchie und der Einführung von Lean?

Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf diese Position?

Wie würden Sie das Rollenbild von Human Resources im Unternehmen beschreiben?

Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen dem Rollenbild von Human Resources und der
Einführung von Lean im Unternehmen?

Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf dieses Rollenbild?

Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean und den Maßnahmen zur
Personalentwicklung im Unternehmen?

Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf die Personalentwicklung, speziell auf die
Maßnahmen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung und des Karrieremanagements?

Welche weiteren Anmerkungen bzw. Ergänzungen gibt es Ihrerseits zu den vorher gestellten
Fragen?
2
Anhang C - Transkriptionen der Interviews
Anmerkung
des
Autors:
Da
die
Aussagen
der
InterviewpartnerInnen
im
Originalwortlaut wiedergegeben sind, wird die geschlechtergerechte Formulierung in
den transkribierten Interviews nicht angewendet.
3
1
Interview 1: 24. Juli 2012 / 08.30 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Herzlichen Dank nochmals für das Gespräch. Ich würde gerne mit der
5
Einstiegsfrage beginnen. Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?
6
7
IP: Für mich ist ganz allgemein der Begriff Lean ein Prozess, oder Prozesse, die
8
auskommen ohne unnötige Kontakte, also ohne Non-Value-Add steps, das ist
9
letztendlich der Hauptzweck von Lean, sozusagen. Hat den Zweck, dass man eben,
10
so aus der Erfahrung heraus sagt, die Prozesse laufen letztendlich rascher durch,
11
man hat weniger Prozesse, oder Arbeitspakete, die im Prozess drinnen sind, die oft
12
gefährlich sind. Das ist auch so ein bisschen, eine Katze, die sich nachher in den
13
Schwanz beißt. Je mehr Prozesse oder Aktivitäten im Prozess drinnen sind, desto
14
eher kommt der Prozess zum Stillstand. Und das ist letztendlich für mich die
15
Hauptaussage. Also Lean heißt für mich alles Eliminierung, wirklich von allen
16
Schritten, so weit wie möglich, die jetzt Non-Value-Add steps sind, um in der
17
amerikanischen Diktion zu bleiben.
18
19
I: Zum Ursprung zurück. Und wie ist Lean im Unternehmen eingeführt worden und
20
was waren die Gründe, Auslöser?
21
22
IP: Der Auslöser war relativ, also wir haben jetzt 10 Jahre, bei uns ist Lean immer
23
verknüpft mit Six Sigma, also bei uns ist es Lean Six Sigma und wurde im
24
Unternehmen implementiert so vor rund 10 Jahren. Das war so eine Zeit, in der es
25
dem Unternehmen nicht besonders gut gegangen ist. Das Unternehmen war knapp
26
am Konkurs vorbeigeschrammt. Die damalige CEO hat sich das von anderen großen
27
amerikanischen
28
Unternehmen, die recht erfolgreich Six Sigma implementiert hatten, hauptsächlich in
29
der Produktion. Und die Idee von ihr war, es über die gesamte Unternehmung
30
auszurollen. Und im Zuge dessen hat es dann auch spezielle Ausbildungen
31
gegeben, die übrigens heute noch laufen, so eine dreistufige, es gibt Yellow Belts,
Unternehmen
abgeschaut,
wie
Caterpillar
und
ähnliche
4
32
das ist bei uns ein Online-Training, ein zweitägiges, wo einem so die Grundbegriffe
33
von Six Sigma und Lean beigebracht werden. Da streben wir danach, dass eigentlich
34
jeder Mitarbeiter dieses e-Learning, diesen Kurs absolviert. Das ist so, sagen wir, in
35
unseren Eintrittsroutinen drinnen, dass sich der Mitarbeiter mehr oder minder
36
verpflichtet, wenn es auch keine Sanktionen gibt, innerhalb eines Jahres diesen Kurs
37
zu machen. Aber man übt, wenn man drauf kommt, man übt ein bisschen positiven
38
Druck aus. Für die, die es mehr interessiert, gibt es dann den Green Belt, das ist so
39
die nächste Stufe, das ist eine einwöchige Ausbildung. Das ist auch im Zuge eines
40
Classroom-Trainings. Da geht man dann schon tiefer in die Schritte hinein. Ist auch
41
dazu gedacht, größere Projekte traden zu können und auch Verantwortung
42
übernehmen für größere Projekte und die 3. Stufe sind die Black Belts, das ist dann
43
schon ein fünfwöchiges Classroom-Training, also recht intensiv, mit der Zielsetzung,
44
wirklich große Projekte im Unternehmen zu übernehmen. Und darüber hinaus gibt es
45
dann noch die Master Black Belts. Es gibt also defacto eine richtige Organisation, die
46
sich mit Lean und Six Sigma beschäftigt, die auch auf Corporate Ebene rapportieren
47
müssen, welche Aktivitäten sind im Gang, welche Projekte sind im Gang, was haben
48
uns die Projekte gebracht, etc., etc.
49
50
I: Würden Sie das bereits als Karrieremanagement charakterisieren innerhalb des
51
Hauses, wie Sie den Weg beschrieben haben innerhalb dieser Black Belt-
52
Hierarchie?
53
54
IP: Na ja, es ist jetzt nicht notwendigerweise, also ich bin z.B. Black Belt. Ich habe
55
aber keinen Green Belt-Kurs gemacht, sondern es war damals die Gelegenheit
56
günstig im Jahr 2004, 2005, um dort einzusteigen. Setzt eine gewisse Flexibilität
57
voraus, weil es ist so im Unternehmen, d.h. wenn man die Black Belt-Ausbildung
58
macht, da legt man seine ganzen Aktivitäten zurück, macht diese Ausbildung und ist
59
dann in Europa unterwegs, diverseste Projekte zu übernehmen. Also das muss man
60
auch wollen, und da muss man auch die Bereitschaft dazu zu haben. Ist aber im
61
Unternehmen schon so integriert, dass man sagt, man macht diese Ausbildung, dann
62
ist man so 2, 3 Jahre unterwegs, und dann ist die Zielsetzung, wenn man nicht sagt,
63
man will im Six Sigma drinnenbleiben und in Lean drinnenbleiben, das man wieder
64
zurückgeht ins Unternehmen und eine entsprechende Funktion bekommt.
5
65
66
I: Darf ich daraus entnehmen, dass wäre also die Frage, in welchem Bereich es zum
67
Einsatz kommt, ich verstehe einerseits aus Ihren Aussagen, Lean ist jetzt nicht
68
isoliert von Six Sigma, es ist in dieser Kombination, in dem Kontext bei Ihnen im
69
Haus zu verstehen?
70
71
IP: Richtig.
72
73
I: Ich höre da so heraus, dass es sehr stark in Richtung Projekt oder Projektlastigkeit
74
geht.
75
76
IP: Richtig, ja.
77
78
I: Dass es also in diesem Segment angewendet wird, also z.B. als Gegenfrage, jetzt
79
nicht unmittelbar in einem streng administrativen Bereich, oder im Vertriebsbereich,
80
im
81
Wertschöpfungskette durch?
Einkaufsbereich,
oder
setzt
sich
das
dann
doch
über
die
gesamte
82
83
IP: Das setzt sich eigentlich über die gesamte Wertschöpfungskette durch, wenn wir
84
einen Blick auf Österreich werfen, also wir haben keine Produktion, wir kaufen ein
85
und wir verkaufen und dann haben wir doch jede Menge administrative Prozesse
86
dahinter. Und gerade in diesen administrativen Prozessen führen wir auch solche
87
Projekte durch. Und da geht’s eher so in Richtung Lean, was wir eingangs gesagt
88
haben, wenn man sich den Bereich Billing anschaut. Also ein Projekt war z.B., wir
89
kriegen zu viele Rechnungen zurück und dann ist man da so in dem Prozess drin,
90
die Rechnung geht raus, kommt zurück. Es gibt telefonische Kontakte mit dem
91
Kunden, etc., und dies sind alles diese Steps, die man versucht, auszuschalten. Und
92
um diesen Prozess eben Lean zu gestalten, Rechnungen ausstellen, Kunde
93
bekommt diese Rechnung und zahlt sie und ideal, und fertig. Was aber ganz wichtig
94
ist, dahingehend, ist dann schon, immer das Herausfinden der Gründe, warum
95
kommt denn die Rechnung überhaupt retour? Und dann ist man schon wieder bei
96
dem, sagen wir Six Sigma, den mehr statistischen Methoden. Da komme ich nicht
97
drum herum, wenn ich diesen Schritt nicht mache, wird es nicht funktionieren, wenn
6
98
ich nicht wirklich weiß, warum die Rechnungen zurückkommen und das kann ich de
99
facto meist nur mathematisch bzw. statistisch belegen. Dann setzte ich nicht am
100
richtigen Punkt an.
101
102
I: Das ist auch dabei dieser starke Kontext von Lean in Kombination mit der Six
103
Sigma Methode.
104
105
IP: Genau.
106
107
I: Ok, verstehe.
108
109
IP: Was waren dabei die größten Herausforderungen bei der Einführung von Lean
110
aus Ihrer Sicht, oder von Lean Six Sigma. Gab es überhaupt Herausforderungen?
111
112
IP: Also, grundsätzlich, die Einführung von Lean und Six Sigma war kein großes
113
Problem. Das war von der Corporation sehr gut vorbereitet. Da war auch glaube ich
114
ein gutes Marketing dahinter, da haben sich viele Leute beworben, dass sie in dieses
115
Programm hineinkommen und das ist also sehr geschätzt worden. Wo ich eher die
116
Probleme sehe, sind dann in der praktischen Umsetzung. Man sagt, man leitet jetzt
117
ein Projekt, und zwar diesen kulturellen Wandel, das ist eines der größten Themen.
118
Und
119
Zusammensetzung der Teams. Das habe ich selber auch am Leib gespürt
120
sozusagen, die Zusammensetzung der Teams auf der einen Seite ist ein
121
Erfolgskriterium und die zweite ist, man hat auch immer einen Projektsponsor. Der
122
Projektsponsor ist der, der sozusagen am meisten leidet unter dem Prozess. Das ist
123
jetzt von der Verantwortlichkeit eines Projektsponsors ist es der, der hat ein Problem,
124
der will es gelöst haben, sucht sich ein Team über den Black Belt im Unternehmen.
125
Dem seine Aufgabe ist es, dem Team es so leicht wie möglich zu machen, also wenn
126
z.B. im Zuge eines Projektes man irgendwo ansteht und man nicht weiterkommt,
127
wegen politischer Barrieren oder sonstigen Dingen, dann ist es die Aufgabe des
128
Projektsponsors sozusagen, diese Steine aus dem Weg zu räumen. Meistens von
129
der Seniorität her muss ein Projektsponsor ziemlich weit oben angesiedelt sein.
weil
man
ja
auch
immer
in
Teams
zusammenarbeitet,
auch
die
130
7
131
I: Und hatte Human Resources oder hatten Sie bei dieser Einführung eine konkrete
132
Rolle als HR-Verantwortlicher, in welcher Form?
133
134
IP: Also bei uns hat es sich so ergeben, dass ich auch für Österreich der sogenannte
135
Deployment-Manager für Lean Six Sigma bin. Ich mache HR und gleichzeitig
136
berichte ich in eine andere Organisation hinein über die Aktivitäten, die wir im Zuge
137
des Lean Six Sigma hier machen, d.h. meine Verantwortung ist es, auch zu schauen,
138
dass alle Leute trainiert sind, dass sie entsprechende Projekte laufen haben und es
139
fügt sich auch gut, weil jetzt im Moment ist ja das wirtschaftliche Umfeld ja relativ, ein
140
bisschen angespannt und da gilt es sehr viele Aktivitäten, wo wir sagen, wir müssen
141
mit den Kosten ein bisschen runterzukommen. Haben wir gesagt, da macht es aber
142
doch Sinn, dass man diese beiden Dinge zusammenspannt und wirklich versucht,
143
vernünftige Kostenziele auch mit vernünftigen Prozessmethoden zu begleiten.
144
145
I: Meine Master Thesis ist mit dem Titel Lean Human Resources betitelt und ich
146
möchte Sie einfach fragen, ob Sie mit diesem Begriff etwas anfangen können oder
147
wie Sie ihn charakterisieren würden, wenn Sie das hören?
148
149
IP: Also, für mich hat ja Human Resources letztendlich neben all den technischen
150
Dingen, die dazugehören, wenn man die einmal ein bisschen auf der Seite lasst, mit
151
der Bereitstellung von den richtigen Ressourcen, also menschliches Kapital im
152
Unternehmen zu tun. Und auch aus diesem Grund ist es, machen wir es so, dass wir
153
also permanent auch die Teams durchleuchten und auch die Arbeitspakete in den
154
Teams durchleuchten. Man hat oft so ein Bauchgefühl, das Ding ist zu groß, ist zu
155
klein und da haben wir nicht die nötigen Skills, da braucht man ein Training, und was
156
weiß ich. Aber das sind oft so Anforderungen, die kommen so ad hoc und was ich
157
immer versuche, ist so diese Anlassgesetzgebung ein bisschen zu vermeiden und
158
dann sage, ok ich höre das, also schauen wir uns das an. Vertragsabteilung,
159
Vertragsprüfung, und so. Die haben so viel zu tun, und dann, wenn man sich aber so
160
im 1. Schritt, die haben viel zu tun, ist so und so unser Geschäft, wir machen so und
161
so viele Geschäftsfälle pro Monat, ergibt, würde man annehmen, brauche ich 3
162
Heads, in Wahrheit haben wir 5 Heads, die sind alle 5 ausgelastet, warum? Und
163
dann geht das so hinein und schaut sich an, was machen denn die Leute wirklich?
8
164
Und auch dort wieder, ist das unnötig, kann ich das rausnehmen, kann ich die Leute
165
woanders besser platzieren im Unternehmen? Also in diese Richtung geht das.
166
167
I: Höre ich da auch so ein bisschen diesen Bedarf an einer Kontinuität, das es eben
168
nicht anlassbezogen ist, sondern durchaus dass es ein kontinuierlicher Prozess ist,
169
der so Teil der Organisation wird?
170
171
IP: Auch, richtig, ja.
172
173
I: So quasi, kontinuierlich am Laufen gehalten.
174
175
IP: Eine Unternehmung ist ja wie ein lebender Organismus. Der schaut ja auch alle 2
176
Monate fast bisschen anders aus, es wird permanent ein bisschen geschraubt und
177
gedreht und dann gibt’s andere Anforderungen, und da muss man auch am Ball
178
bleiben. Dazu lassen sich, lässt sich Lean oder diese Prozesse gut anwenden.
179
180
I: Hat es da bei der Einführung von Lean oder Lean Six Sigma jetzt in diesem Fall
181
Änderungen oder Veränderungen im Rahmen der Personalentwicklung gegeben
182
oder im Human Resources im Rollenbild?
183
184
IP: Also für das, rein für das Team Human Resources als solches sag ich einmal jetzt
185
nicht, außer dass es in Österreich halt in meiner Person vereint ist und in anderen
186
Ländern ist immer eine sehr enge Zusammenarbeit. Das hat sich irgendwie so
187
herauskristallisiert, dass Lean und Six Sigma eng oder in HR berichtet sind oder
188
verankert sind.
189
190
I: Interessant.
191
192
IP: Das ist vielleicht auch, vielleicht muss das auch so sein, weil die anderen
193
Bereiche, die großen anderen Bereiche, also der Vertrieb und Service und dann gibt
194
es noch Finanz, Finanz vielleicht noch am ehesten sich um aber diese Dinge nicht so
195
kümmern. Weil Sales muss verkaufen und Service hat einen SLA zu erfüllen,
196
letztendlich. Wobei auch dort man sagt, hat eine große Servicemannschaft, auch
9
197
dort müssen die Prozesse Lean sein. Also auch ein einfaches Beispiel. Ich kann
198
einen Techniker, kommt immer darauf an, das Arbeitspensum, dass er die Route
199
vernünftig macht. Die Route A, B, C, vielleicht dass es gescheiter ist, das er A, C, B,
200
D oder so fährt. Also da auch entsprechende Instrumente dazu einsetzen, dass er
201
effizienter fährt.
202
203
I: Sie haben auch erwähnt, dass es generell sehr nahe an, also Lean Six Sigma nahe
204
an HR ist. Sehen sie da einen Zusammenhang zwischen der Rolle Human
205
Resources und einer erfolgreichen Lean-Einführung?
206
207
IP: Finde ich schon. Also für mich HR, HR trägt ja die Verantwortung meistens für
208
den fast größten Kostenblock einer Unternehmung. Personal ist teuer und auch dort
209
ist aus strategisch langfristiger Sicht, fahre ich billiger, wenn ich die Ressourcen
210
wirklich richtig einsetze. Das hängt schon damit zusammen. Finanz macht es ein
211
bisschen anders. Finanz würde sagen, nein das gebe ich jetzt nicht aus oder das
212
verschiebe ich auf ein Jahr, etc. Das kann ich in HR nur bedingt tun, wenn ich
213
anfange, Personalentwicklung oder Ressourceneinteilungen zu stoppen, dann kriege
214
ich mittelfristig schon ein Problem, eher kurzfristig. Also wir haben es gesehen, also
215
die Krise war, usw. wie alle Unternehmen blitzartig auf null zurückgefahren sind. Ich
216
kann natürlich sagen, ich stelle jetzt 3 Monate niemanden ein, ich kann das von mir
217
aus auch noch 6 Monate sagen, aber dann irgendwann wird’s kritisch. Natürliche
218
Fluktuation, es wandern ein paar ab, dann fängt man an, im Unternehmen hin- und
219
herzuschieben, ist alles suboptimal. Und darum ist es da umso wichtiger, dass man
220
eher auch langfristige Perspektiven hat.
221
222
I: Hat sich durch diese Einführung von Lean das Rollenbild HR verändert, so wie Sie
223
HR charakterisieren würden, heute?
224
225
IP: Das Rollenbild geht wahrscheinlich, ich meine grundsätzlich geht das Rollenbild
226
bei uns in Richtung Business Partner. Ich glaube schon, dass das auch begleitet
227
wurde, durch das Six Sigma, das man einfach sagt, man hat ein Verständnis für die
228
gesamten Prozesse und wendet die Lean-Tools sozusagen dann auch dort an.
229
10
230
I: Also es ist auch durchaus ein evolutionärer Prozess hin zu dieser Rolle, hin zu
231
dieser Rolle, die eigentlich durchaus als Treiber/Trigger kann man sagen, diese Lean
232
Six Sigma Entwicklung dazu beigetragen hat. Könnte man so charakterisieren?
233
234
IP: Bin ich sicher, das kann man so sagen.
235
236
I: Von den klassischen Instrumenten der Personalentwicklung, also jetzt von den
237
Lean Six Sigma Trainings abgesehen, hat es da Veränderungen gegeben, als Lean
238
Six Sigma eingeführt wurde? Also, etwas wo sie sagen, das ist im Rahmen der
239
normalen Personalarbeit, Personalentwicklungsarbeit…
240
241
IP: Naja, es ist schon, wir haben, also was wirklich letztes Jahr z.B. auch gemacht
242
wurde, im Zuge des Lean Six Sigma Programms, das ist ein Programm, benennt sich
243
bei uns Quick Solver. Das ist so ein Mittelding zwischen was ich eingangs gesagt
244
habe, dem Yellow Belt und dem Green Belt irgendwo in der Mitte angesiedelt, haben
245
wir relativ viel Geld in die Hand genommen, das haben wir auch als Classroom-
246
Training abgehalten, das dauert so einen halben Tag in etwa. Aber da haben wir alle
247
Leute, also wir sind jetzt bei 90% durchtrainiert, und da ist dann auch die
248
Verpflichtung gewesen, innerhalb von 1 bis 2 Monaten auch ein kleines Projekt
249
hinten dran zu setzen und zwar jeder wurde trainiert und dann hat er, um diese Lean
250
Instrumente auch anzuwenden, ich mach jetzt ein kleines Projekt, um einfach auch
251
dafür ein Gespür zu kriegen und dass man auch ein bisschen mehr diese ganzen
252
Instrumente und Techniken intus hat und es bringt letztendlich auch der
253
Unternehmung etwas. Also jeder hat in seinem täglichen Arbeitsablauf immer wieder
254
Dinge, über die man drüber fliegt und sagt jetzt, es lauft jetzt nicht gut, da könnte
255
man besser machen, aber man macht‘s nie. Also es sind so kleinere Sachen, da sind
256
die Leute eben aufgefordert, jetzt wirklich sich etwas zu überlegen.
257
258
I: D.h. das ist für Sie auch sehr wichtig, eben eine Verbindung zwischen einerseits
259
dem theoretischen Training, aber dann relativ rasch nachher die unmittelbare
260
Umsetzung, um zu sehen, wie die Theorie an der Praxis angewendet wird?
261
11
262
IP: Genau, genau, so ist es. Also ein Beispiel aus dem Personal. Also wenn wir im
263
Monat die Payroll fertig machen, nachdem ein großer Teil Vertrieb ist und Vertrieb
264
40% variabel hat im üblichen Fall, war es ein mühsamer Prozess, die Daten zu
265
bekommen. Was ist jetzt verprovisionierungswürdig? Dann ging das an die Stelle, die
266
das gemäß dem Provisionsschema berechnet hat, dann ging‘s an die Payroll und
267
dann meistens 2, 3 Mal hin und her, manchmal zu spät auch noch, usw. Da haben
268
wir von HR gesagt, das läuft jetzt nicht gut. Und haben wir gesagt, dann machen wir
269
als HR-Team ein Quick Solver Projekt, wie wir versuchen, diesen Prozess zu
270
streamlinen, das wir auf jeden Fall, Payroll macht bei uns ein externer Partner, das
271
die zum wirklichen, zu der Deadline auch wirklich alle Daten haben, weil wenn wir
272
einen Tag später geliefert haben, dann haben wir ein paar Euro Strafe gezahlt,
273
Pönale, damit die das noch machen. Um das einfach zu verhindern und da konnte
274
man relativ klar sagen, schau, und jetzt ist dieser Prozess Lean, er kostet uns, was
275
weiß ich, 500 Euro oder 1.000 Euro im Monat weniger. Das ist keine Gehexerei, aber
276
man beschäftigt sich mit den Instrumenten und halt auch mit dem gesamten Prozess.
277
Weil oft weiß man ja gar nicht, da gibt es Anfangspunkt und Endpunkt und irgendwo
278
werkeln 4, 5, 6 Leute mit und dann institutionalisiert sich das und das macht dann oft
279
keinen Sinn mehr.
280
281
I: D.h. Sie benennen jetzt auch wieder die eher instrument- sagen wir so – den Lean
282
Six Sigma Instrumenten Einsatz.
283
284
IP: Ja.
285
286
I: Wie sehen Sie dies im Bezug zu Lean Unternehmenskultur versus Lean
287
Werkzeuge?
288
289
IP: Also, ich meine rein technisch, nicht, das ist wahrscheinlich in meiner Natur drin,
290
das ich schon ein sehr zahlenaffiner Mensch bin und gerne mit unterstützenden
291
Fakten und Daten operiere, aber nach wie vor ohne diese Information, ja, werde ich
292
irgendein ein Bauchgefühl treffen, das mag dann richtig sein, oder nicht richtig ein.
293
Und das ist meine feste Überzeugung, man kommt, man muss es jetzt nicht
294
übertreiben und ganz wilde Statistiken und irgendwelche Rechnungen machen, aber
12
295
Tatsache ist schon, es hilft nichts, wenn man vorher den Prozess anschaut und
296
durchleuchtet und misst, dann kann man auch die richtigen Entscheidungen treffen.
297
298
I: Glauben Sie, ist es auch wichtig, im Sinne dieses eben Sichtbarmachen, durch
299
dieses eben Hard Facts analysieren, zu zeigen, da ist wirklich etwas, also das man
300
nicht sagt, ich habe ein Bauchgefühl.
301
302
IP: Ja, das ist schon so, das ist auch, wird auch besser akzeptiert, ja, also wenn ich
303
dann sage, ich möchte dieses Projekt machen, es hat aber einen Impact in der
304
Organisation von ich weiß nicht, 3 Leuten weniger in der Abteilung, dann wird der
305
derjenige, der die Abteilung leitet, aufschreien und wird sagen, er kann es nicht
306
machen und wenn man das nicht dann begleitend wirklich mit Fakten basiert,
307
supporten kann, wird man da in Schwierigkeiten kommen.
308
309
I: Gibt es bei Ihnen im Haus auch ein Coach- oder Mentoring-System aus HR heraus
310
oder innerhalb der Organisation, die diese Prozesse oder dieses Lean Six Sigma
311
begleiten?
312
313
IP: Also, das ist, wir arbeiten daran, wir haben keines jetzt. Wir sind dabei, ein
314
Mentoring Programm ins Leben zu rufen. Coaching insofern gibt es schon, weil es
315
ein paar Leute gibt, die eben diese Coaching-Skills haben, auf die man auch auf
316
Bedarf zurückgreifen kann.
317
318
I: Vielleicht noch auf die organisatorische Position würde ich gerne noch einmal
319
zurückkommen. Sie sagen eben, haben schon eh vorher erwähnt auch im Sinne des
320
Rollenbildes. Ist es ähnlich, würden Sie es ähnlich charakterisieren? Die Zuordnung
321
der Leitung HR in der Betriebshierarchie in Bezug zu Lean oder einer Lean-
322
Einführung. Wie würden Sie es charakterisieren, ist es glauben Sie ein sehr
323
wesentlicher Faktor?
324
325
IP: Also bei uns ist es schon so platziert, dass die Lean oder Six Sigma
326
Verantwortlichen, also in Amerika berichtet der Verantwortliche für Global direkt an
327
das Board und auch in Europa gehört er zum Senior Leadership Team. Er ist
13
328
entweder meistens jetzt auf der Organisationebene entweder im Leitungsteam
329
drinnen oder berichtet direkt an den Geschäftsführer oder Verantwortlichen für die
330
Organisation. Es ist relativ hoch aufgehängt.
331
332
I: Hat es auf dieser Ebene, gut es ist wahrscheinlich auch aufgrund der
333
Unternehmensgeschichte schon von der Tradition her eher oben, auf diesem Level
334
wird sich eher weniger verändert haben hinsichtlich der organisatorischen Zuordnung
335
auf diesem Level?
336
337
IP: Nein, nein. Es war aber auch so, das ist aber auch darin begründet, weil das
338
Projekt eben von der damaligen CEO wirklich ins Leben gerufen und es ihr Baby
339
war, sozusagen. Das Unternehmen hat dann auch den Turnaround geschafft und
340
seit 10 Jahren geht’s relativ gut. Ich meine, jetzt geht’s wieder ein bisschen
341
schwieriger, aber es geht allen Unternehmen schwieriger. Ich glaube schon, dass
342
also dieses Lean und Six Sigma wesentlich dazu beigetragen hat, diesen
343
Turnaround mitzugestalten.
344
345
I: Also ich versuche noch so ein bisschen im Sinne meiner Forschungsfrage,
346
versuche ich dies jetzt einmal zusammenzufassen, ganz, d.h. in diesem Kontext hat
347
die Lean oder in diesem die Lean Six Sigma Einführung eine Änderung im Rollenbild
348
Human Resources durchaus eingeleitet?
349
350
IP: Ja.
351
352
I: Also da findet eine Veränderung statt und es ist schon wichtig, in welcher
353
hierarchischen Ebene, also je höher hierarchisch angesiedelt auch, in Lean, oder in
354
Lean Six Sigma Kultur?
355
356
IP: Ich glaube, dass das ganz wichtig ist, dass es schon entsprechend sichtbar ist im
357
Unternehmen, weil sonst, ist es möglicherweise zum Scheitern verurteilt. Ich meine,
358
vielleicht noch als Hintergrund, warum unsere CEO es damals eingeführt hat, wie es
359
dem Unternehmen so um die Jahrtausendwende relativ schlecht gegangen ist, war
360
auch der Grund, die Firma hat damals von 90.000 auf 60.000 Mitarbeiter reduziert
14
361
hat, innerhalb relativ kurzer Zeit und die Folge war, ja es waren natürlich gewisse
362
Kostenblöcke weg, aber es waren wahnsinnig viele broken processes, wie es so
363
schön heißt. Wissensträger sind weggegangen und, und, und, und. Und auch aus
364
dem Grund hat man das dann eben eingeführt, weil eben sehr viele, eben sehr viel
365
Know-How abgegangen ist, so dann hat man, damit man das Geschäft irgendwie
366
weiterbringt hat man es halt gemacht, wie man glaubt, und dann sind so diese
367
ganzen Prozesse entstanden, die wie ein Ping-Pong Ball hin- und hergegangen sind,
368
wo man sagt, und das ist jetzt wirklich nicht Lean. Weil dann habe ich 25
369
Berührungspunkte, wo ich vielleicht nur 3 oder 4 brauche sozusagen. Und das hat in
370
meinen Augen aber heute teilweise immer noch Gültigkeit, weil es liegt in der Natur
371
einer Unternehmung, sich da selber Arbeit zu erfinden, und dann irgendwo Prozesse
372
auf einmal ins Leben zu rufen, oder aufrecht zu erhalten, die gar nicht mehr
373
notwendig sind. Darum meine ich auch, dass ist jetzt nicht eine Erscheinung, weil es
374
gerade hip ist, es zu machen, sondern wenn man es konsequent betreibt, dass es
375
nachhaltig durchaus positive Effekte hat fürs Unternehmen.
376
377
I: Es ist ein Zugang, um genau diese Entwicklung, diese natürliche Entwicklung, die
378
Sie so charakterisieren, unter Anführungszeichen, einzufangen oder wieder quasi zu
379
glätten oder zu normalisieren. Kann man das so sagen, beschreiben?
380
381
IP: Genau, kann man durchaus so sagen.
382
383
I: Es gibt halt verschiedene Zugänge, und es ist halt der Zugang, der hier gewählt
384
wurde und der eben in dieser Form eben im Haus umgesetzt wird.
385
386
IP: Mhm.
387
388
I: Auch vielleicht noch für mich zusammenfassend, ob ich es auch richtig verstanden
389
habe. D.h. die klassischen Personalentwicklungsmaßnahmen, ich habe es in
390
meinem Beispiel der Aus- und Weiterbildung und des Karrieremanagements, wurde
391
mit Lean und Six Sigma etwas Zusätzliches heraus-, hereingeführt oder würden Sie
392
auch sagen, dass das eben bestehende Maßnahmen durchdringt?
393
15
394
IP: Naja, ich sage, ich glaube, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt und
395
gewisse Ausbildungen hat, dann ist es im CV, wenn man sich intern weiterbildet,
396
durchaus förderlich. Es ist auch so, wenn man sich anschaut, sagen wir mal, die
397
Mitarbeiter, die wirklich weiterkommen oder die auch wirkliche Spitzenjobs erreichen,
398
die haben zu meistens Black Belts oder haben zumindest diverseste Six Sigma
399
Ausbildungen, jedenfalls Green Belt, ein Green Belt-Training, ein Sponsor-Training.
400
Es ist erstens das Commitment da und zweitens zeigt sich schon auch, dass die
401
Leute, so viele Black Belts wurden nicht trainiert, aber doch, man verliert kaum
402
welche, das ist auch, was man beobachten kann. Und die meisten haben durchaus
403
wirklich ordentliche Jobs in der Unternehmung, also auch das ist, muss, da muss halt
404
dann auch die Unternehmung mitspielen, weil das hat so wie das Programm ins
405
Leben gerufen, ja Du machst jetzt diese Ausbildung und das und irgendwann, Du
406
hast also das Recht wirklich, einen adäquaten Job wieder, wir haben es damals
407
genannt, ins Business zurückkehren, sozusagen. Das hat auch funktioniert. Da muss
408
aber die Unternehmung mitspielen. Da muss man, da braucht man ein bisschen
409
Flexibilität, weil da kann man nicht sagen, ich will jetzt am 1. Oktober wieder zurück
410
ins Business, sondern ich sage, ich habe jetzt, was weiß ich 3, 4, 5 Projekte
411
gemacht, ich war jetzt 2 Jahre unterwegs, bei der nächsten Gelegenheit, es
412
interessiert mich, dann funktioniert das ganz gut.
413
414
I: Ich wollte nur nachfragen, aus dem Projektkontext wieder heraus zurück ins
415
Regular Business.
416
417
IP: Ins Regular Business, ja, wobei schon die Idee ist, trotzdem im eigenen
418
Arbeitsbereich die Instrumente weiter anzuwenden.
419
420
I: Das wollte ich noch fragen. Nicht nur zu sagen, ich bin jetzt im Projekt gewesen
421
und habe dort Lean Six Sigma gelebt und gemacht, aber jetzt bin ich ja wieder im
422
Daily Business, in der regulären Organisation zurück und bin ja immer noch
423
ausgebildet und somit bringe ich ja auch dort…
424
425
IP: Genauso ist es.
426
16
427
I: … dieses Thinking, Lean Six Sigma Thinking ins daily business rein.
428
429
IP: Der Unterschied ist, wenn Sie sozusagen, aus dem Geschäft draußen sind und
430
sie kommen sagen wir aus dem Finanzbereich, heißt dies aber nicht, dass Sie nur im
431
Finanzbereich jetzt Projekte machen, sondern auch für den Servicebereich, für den
432
Salesbereich und für die Logistik und was auch immer. Wenn Sie im Business wieder
433
zurück sind, werden Sie kaum Projekte machen, die crossfunctional sind, da werden
434
Sie eher im eigenen Bereich treiben.
435
436
I: Da schaut man im Projekt ja über den Tellerrand, kehrt dann aber wieder in den
437
angestammten…
438
439
IP: Was für die betreffenden natürlich einen sehr guten Nebeneffekt hat, wenn man
440
das Unternehmen unheimlich gut kennenlernt. Man hat sonst kaum die Chance,
441
wirklich so tief, ich weiß nicht, in Logistikprozesse hineinzuschauen, oder überhaupt
442
zu begreifen, was für Probleme haben überhaupt die in Europa, jetzt verantwortlich
443
sind, außer dass die Maschinen aus Japan kommen, rechtzeitig dann nach
444
Frankreich, dann nach Österreich, nach Deutschland und Irland und wo sie überall
445
hingehen, das abzuwickeln. Also das sind so, die Chance hat man normal nicht.
446
447
I: Darf ich noch fragen, wie finden Sie die Leute, die dann Kandidaten für die Black
448
Belt-Programme
449
Personalmanagementprozessen heraus oder wird da auch durchaus recruitet, um zu
450
sagen, hier ist Bedarf?
sind,
ergeben
sich
die
aus
laufenden
451
452
IP: Nein, recruitet wird nicht, aber wir, es gibt natürlich viele begleitenden
453
Personalentwicklungsmaßnahmen, die jetzt mit Lean und Six Sigma sagen wir
454
einmal nichts zu tun haben. Also, ich weiß nicht, ob Ihnen der Lominger-Prozess
455
etwas sagt, aber das sind so, da werden alle Mitarbeiter der Unternehmung, aber
456
Schwerpunkt First und Second Line beurteilt nach Potential und Performance, da gibt
457
es so eine schöne 9-Punkt-Matrix, daraus ergeben sich gewisse Vorstellungen, wo
458
man sich vorstellt, was der Mitarbeiter machen könnte, und begleitend daher gibt es
459
dann auch immer was sind meine Schlüsselposition, wer hat die jetzt, wer kann dem
17
460
nachfolgen, etc., etc. und wer ist jetzt drin, wie muss ich den weiterbilden, brauche
461
ich retention Maßnahmen, und, und, und. Da gibt es ein ganzes Set. Das ist mehr so
462
ein one-way, das wird selten zurückgespielt an den Mitarbeiter, aber damit arbeiten,
463
arbeitet Europa und auch wir in den Ländern, schon recht intensiv. Dass wir es nicht
464
zurückspielen an den Mitarbeiter, hat meistens einen Sinn, wenn Du auf der Liste
465
stehst, wir hätten die Phantasie, Du wirst in 3 Jahren CSO-Director, wenn er in
466
Pension geht, dass er sich nicht schon erstens, wenn es nichts wird, dass sie nicht
467
enttäuscht sind, und zweitens, dass sie nicht anfangen, die Bodenhaftung zu
468
verlieren, etc.
469
470
I: Also eine Form des Assessments?
471
472
IP: Richtig.
473
474
I: Kann ich das so zuordnen?
475
476
IP: So ist es. Und aus dem kann sich dann auch heraus entwickeln, ja also der hat,
477
wäre eine Potential, um einmal in die Six Sigma Ausbildung hineinzugehen.
478
479
I: Und wo sehen sie, wenn Sie die nächsten Jahre vielleicht, vorausblicken, wo
480
würden sie einschätzen, wo das Haus, wo sehen Sie die Entwicklung, wenn man
481
doch immer wieder denkt, es sind eben Trends, also wenn man rein in die Medien
482
geht, zu sagen, ja jetzt ist es einmal Lean, dann ist es einmal nicht Lean, dann ist es
483
plötzlich Six Sigma, dann ist es vielleicht Business Process Reengineering.
484
485
IP: Ja. Für mich irgendwie ist alles ziemlich dasselbe, also, nur für mich also Lean
486
gibt es nicht ohne Six Sigma. Ohne dass ich nicht ein bisschen was messe, oder so
487
irgendwas, kann ich keine Lean Maßnahmen machen, oder natürlich kann ich sie
488
tun, aber ob ich dann erfolgreich bin? Ich nehme an, der Erfolg is more predictable,
489
wenn man ein bisschen statistische Maßnahmen dahinter setzt.
490
491
I: Ich würde sagen, das war sehr umfassend.
492
18
493
IP: Und es gibt also, das Unternehmen denke ich hat das, andere Unternehmen auch
494
haben, es gibt da so, ich habe mir das jetzt runtergeladen von Morststream das ist
495
ein Add-In in ein Excel, da hat man alle Instrumente drinnen, die man braucht dafür
496
und es ist ganz simpel zu bedienen, da ist alles drin, wenn man so ein Projekt macht,
497
da hat man die ganzen unterschiedlichen Tools drinnen und auch die Formate, man
498
braucht sich mit den ganzen Sachen gar nicht mehr spielen. Es gibt schon sehr viele
499
begleitende Dinge, die kosten defacto gar nichts, und unterstützen die Prozesse, das
500
würde ich Ihnen sehr ans Herz legen, da sie da ein bisschen, „Moresteam“ heißen
501
die, glaube ich, die das anbieten. Allerdings muss da das Microsoft Office auf
502
Englisch eingestellt sein, sonst funktioniert es nicht. Und was noch wichtig ist, in
503
meinen Augen, womit wir auch relativ stark viel arbeiten, das sind so auch, wie ich
504
am Anfang gesagt habe, wenn man so sagt, ob ein Team erfolgreich sein kann, das
505
ist so diese Zusammensetzung des Teams und da gibt es ein Assessment-Tool oder
506
ein Analysetool, die die charakterlichen Grundhaltung des Mitarbeiters, da gibt es
507
auch 9 unterschiedliche Profile zuordnet, Belbin heißt es. Dann gibt’s die Kreativen,
508
dann gibt’s die, die es implementieren können und dann gibt’s die Netzwerker usw.
509
und da ist es immer wichtig. Ok man muss halt eine gute Diversität drinnen haben,
510
sonst wird es nicht funktionieren. Also wenn man nur die hat, die Implementer, die
511
haben dann keine Idee, wie man‘s macht, aber sie implementieren es, und wenn sie
512
nur die Kreativen haben, dann viele Ideen, aber kommt auch zu nichts. Also dies sind
513
so die begleitenden Maßnahmen, die wir auch im Unternehmen haben und das
514
kostet nicht viel, das kostet glaube ich, 15 Dollar für eine Analyse.
515
516
I: Also das Wesen Mensch steht hier wieder sehr, sehr im Mittelpunkt…
517
518
IP: Natürlich, ja absolut.
519
520
I: … also um nicht nur eben diese Werkzeug-, Statistik-Seite, sondern einfach zu
521
sagen, es braucht ja jemanden, der mit diesen Werkzeugen umgehen muss. Und da
522
setzen sie auch an, zu sagen…
523
524
IP: Das passiert de facto schon meistens im Vorfeld, oder ich sage, schau, ich habe
525
da meine 5 Leute und ich möchte wissen, was haben die jetzt für einen Schwerpunkt,
19
526
so ein Assessment geht ja immer so von Kollegen, Mitarbeitern, und Chefs, es ist
527
irgendwie so ein 360 Grad, es ist relativ rasch erledigt, innerhalb von 5 Minuten, ist
528
also kein großer Zeitaufwand und es ist, an kann man sich jetzt aus dem, was
529
gefragt wird, überhaupt nichts vorstellen, was auch immer für Methoden dahinter
530
liegen. Man kann‘s nicht, das ist recht clever gemacht, was auch gut so ist, weil sonst
531
gibt es diese sozial erwünschten Antworten, möglicherweise.
532
533
I: Jetzt ist mir noch etwas eingefallen, was ich Sie fragen wollte, nämlich jetzt speziell
534
in Ihrem Kontext, d.h. schon wenn ich es richtig verstanden habe, dass vor allem
535
Projekt, Projektarbeit, diese Projektkultur ein sehr wesentlicher Treiber für eben, für
536
Lean Six Sigma ist, als Träger, als sehr wichtiges Element.
537
538
IP: Genau.
539
540
I. Weil es ja außerhalb der Linienorganisation, es ist in der Projektorganisation, die
541
aber dann eine Rückkoppelung hat, wieder auf das Tagesgeschäft.
542
543
IP: Natürlich, ja.
544
545
I: Das ist also ein ganz wesentlicher…
546
547
IP:
Und
es
ist
bei
uns
in
den
Geschäftsleitungsmeetings
ein
fixer
548
Tagesordnungspunkt. D.h. wir schauen einmal im Monat genau an, welche Projekte
549
gibt es, wie ist der Status, gibt’s Ideen zu neuen, sind irgendwelche fertig geworden?
550
Da werden dann auch die Projektleiter sozusagen eingeladen, kurz einen Review zu
551
machen, kurz eine Präsentation zu machen, das ist auch immer so in Milestones
552
eingeteilt.
553
554
I: Ich glaube, es war sehr umfassend.
555
556
IP: Vielleicht habe ich ein bisschen Geschmack darauf gemacht, also das Thema ist
557
hoch interessant, ich hab‘s nie bereut, diese Ausbildung zu machen.
558
20
1
Interview 2: 26. Juli 2012 / 08.00 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?
5
6
IP: Lean ist in unserem Unternehmen ein Teil eines Bündels. Bei uns wird es
7
eingeführt unter IL6S (Integrated Lean Six Sigma). Wir können dann auch näher auf
8
die Details eingehen, so dass es ein Teil eines Bündels ist. Und Lean, verstehe ich
9
im Sinne, dass wir die traditionelle Organisation aufbrechen, dass wir weniger
10
Ebenen im Unternehmen haben, dass wir die Basis, die eigentlich den
11
Hauptwerksprozess betreut, näher an das Unternehmensziel heranbringen. Dass ein
12
engerer Bezug besteht auch zwischen den Führungskräften und das Thema
13
Leadership ist ja ein Kernbereich in Lean, und den Leuten, die es tatsächlich
14
ausführen. Da ich Personalleiter im Bereich Manufacturing, Logistik, Procurement bin
15
und bei uns Lean jetzt vornehmlich im Manufacturing, sprich in den Werken
16
eingeführt wird, ist das Kernstück von der Lean-Implementierung der Line-Operator,
17
der der für eine Linie, sprich für eine Produktionslinie A oder Produktionslinie B oder
18
C verantwortlich ist. Den versucht man, und ein großes Thema von Lean ist dieser
19
Ownership-Begriff, den versucht man, wirklich entsprechend auszustatten und
20
auszustatten meine ich im Sinne von Schulung, im Sinne von Befugnisse, im Sinne
21
von Ermunterung für Eigeninitiative und wir werden dann auch noch auf die 5 E‘s
22
noch kommen, usw., dass er diese Linie wie ein Eigenunternehmen führen kann.
23
Also Lean ist das Empowerment von Leuten, die tatsächlich den Werksprozess
24
machen und die nicht die Hände in den Schoss legen und warten, was ihnen der
25
Chef anschafft.
26
27
I: D.h. auch in dem Fall ist es ja eigentlich einen Schritt voraus, man muss ja erst
28
nicht diese Lines schaffen, diese Linien sind schon gegeben, daher lässt sich Lean
29
auch viel besser ansetzen, also man muss jetzt nicht irgendwelche großen
30
prozessualen Umorganisationen in dem Kontext machen?
31
21
32
IP: Na ja, schon, schon. Also, im Prinzip, ich habe so den idealen Endzustand
33
beschrieben, der unterschiedlich vorhanden ist. Wir haben ja 2 große Akquisitionen
34
und dadurch auch verschiedene Traditionen. In einem traditionellen Unternehmen
35
hast Du einen Werksdirektor, hast Du vielleicht einen Produktionsleiter, der hat
36
wieder einen Abteilungsleiter, der hat einen technischen, einen Maintenance-Leiter
37
und dann gibt’s einen Schichtleiter und dann gibt’s den an der Linie. Und das
38
versuchen wir aufzubrechen, dass wir eigentlich schon z.B. sagen, es gibt keine
39
Maintenance mehr, also Instandhaltung, dass wir direkt, wir nennen es Section-
40
Manager in die Produktion eingegliedert und das Arbeitsbild des Operators haben wir
41
auch schon in den letzten 2 Jahren, wir nannten das Technical Operator, gesagt,
42
dass wir Arbeitsschritte, wie Preventive Maintenance, First-Line Maintenance, also
43
dass das Zeug geschmiert ist und in Ordnung ist, aber auch gewisse Quality-Schritte
44
in das Arbeitsbild des Line-Operators eingegliedert haben. Das war früher, der hat
45
gesagt: Die Linie steht, ich ruf‘ den Maintenance-Menschen und warte, bis der
46
kommt und wir haben halt versucht, das Gedankliche schon rüberzubringen, dass
47
der sagt: Du musst schon voraussehen, was muss ich instand halten, was muss ich
48
schmieren, was muss ich sehen, „oh“ – da könnte was passieren, also diesen
49
Preventive-Gedanken, bzw. wenn Stoppages waren, Stillstände an der Linie, dass
50
der sofort einmal schaut, kann ich das reparieren und nur bei schwierigeren
51
Problemen den Fachmann, es gibt ja noch die „Gurus“ von Maintenance, rufen
52
konnte. D.h. das ist ein Prozess, der bei uns gelaufen ist und der jetzt einfach
53
programmatisch verstärkt wird, also plötzlich kommt jemand, der sagt, Lean Six
54
Sigma ist die Weisheit und wir sagen, wir haben eigentlich etliches schon und
55
können auf das aufbauen.
56
57
I: Also das ist dann doch von dem klassischen hierarchischen Zugang, eine
58
Transformation hin zu einer, eben, eher horizontaleren, integrativen…
59
60
IP: Ja , richtig.
61
62
I: …Transformation eben, ich gehe jetzt nicht von top-down. Ich sage Dir das, Du
63
sagst es dann weiter und dann irgendwann kommt es dann dort an, sondern eben
64
dieses schon Integrieren in diese Linie.
22
65
66
IP: Es ist die Geisteshaltung. Für mich ist es also, das kenne ich von einer meiner
67
früheren Firmen, da hatten wir einen Leadership-Ownership-Prozess und diese
68
Ownership zu kreieren, was heißt Ownership? Es ist ein Schlagwort, aber dass ich
69
nicht ein Problem melde, sondern dass ich idealerweise ein Problem voraussehe und
70
gar nicht eintreten lasse, oder wenn es eintritt, dass ich sofort in Lösungen denke
71
und das in einem Fabriksumfeld, mit dem klassischen „Hakler“, der sagt, ich gehe um
72
6 Uhr rein und um 2 Uhr heim und dann schaue ich mir mein Fußballmatch an. Das
73
ist eine ganz spannende Aufgabe, die aber gelingen kann, aber da geht’s darum,
74
einfach diese Geisteshaltung zu ermuntern, zu kreieren bzw. die entsprechenden
75
Spieler einzusetzen, die das machen können.
76
77
I: Der Grund für die Einführung dieses Integrated Lean Six Sigma war welcher, oder
78
was waren die Gründe?
79
80
IP: Der Grund ist der stetige Wachstumswahn der Großkonzerne, also man hat ja
81
teilweise Wachstumszahlen, Umsatzwachstum, Profitwachstum, und, und, und. Die
82
sind gewaltig und da hat einfach die Supply Chain die Aufgabe, sogenannte
83
Productivities zu schaffen, also Kosteneinsparungen. Wir haben jedes Jahr massive
84
Kosteneinsparungsziele, obwohl wir ja natürlich Inflationssteigerungen, usw. zu
85
verdauen haben, um die COGS, Cost Of Goods Sold, möglichst niedrig zu halten,
86
dass quasi der Profi dazwischen größer wird, ich das wieder reinvestieren kann in
87
Werbung und in Sales-Maßnahmen, usw., also im Prinzip man nennt das bei uns
88
„Virtuous Cycle“. Ich nehme die Kosten raus in der Produktion und in anderen
89
klassischen Kostentreiber Overhead-Costs, usw., investiere das, es geht nicht alles
90
in die Taschen der Aktionäre, sondern investiere das und finanziere so mein
91
Wachstum. Und das ist halt ein Mittel, wo ich generell, es ist ja nichts Neues, wo jetzt
92
gesagt wurde, mit dem kann man das steigern, einfach, und strukturierter steigern.
93
Wobei es ja eine Grundsatzphilosophiefrage ist. Will ich die Mitarbeiter gedanklich
94
und emotional am Unternehmen beteiligen, von einem, zu einem Wir-Gefühl führen,
95
oder nicht? Es ist sehr eine Einstellungssache und eine spannende ist, wie erreiche
96
ich diese Einstellung, weil die plakativen Charts, wie es sein sollte, die sind klar. Aber
97
wie erreiche ich es?
23
98
99
I: Wird Lean oder ist geplant Lean, auch in anderen Bereichen einzuführen? Oder ist
100
es schwerpunktmäßig in dieser Supply Chain, dieser Integrated Supply Chain, oder
101
ist es auch geplant, im Bereich Finanzen, Marketing, Sales?
102
103
IP: Ja, also gesagt wird es. Gesagt wird es, es sind aber keine konkreten Schritte
104
noch gemacht worden, wobei auch hier wieder. Ich glaube, es wird in vielen
105
Bereichen gelebt, weil der klassische Marketing Brandmanager hat heute schon eine
106
hohe Identifikation mit seinen Marken oder mit den Marken halt des Unternehmens
107
und ist ja vom Jobbild her schon dauernd gefordert, innovative Ideen zu kreieren und
108
idealerweise auch, es geht ja auch um die Zusammenarbeit zwischen den
109
Abteilungen, na dass da kein Abteilungsdenken herrscht, das heißt, diese
110
übergreifenden Abteilungen, das ist schon der Arbeitsalltag bis zu einem gewissen
111
Grad, d.h. auch hier glaube ich, es kann vielleicht eine Beschleunigung geben, aber
112
dieser Ownership-Gedanke sowohl in der Logistik, als auch im Marketing, als auch in
113
Sales ist in einem hohen Bereich da und ich würde auch sagen, vor allem in den
114
kleineren Organisationen, auch in HR, in einem hohen Bereich da.
115
116
I: D.h. verstehe ich das richtig, dass es nicht unwesentlich, sondern sogar sehr
117
wichtig ist, bevor jetzt eben eine Methodik, in diesem Fall jetzt IL6S, sich
118
anzuschauen, was darunter verstanden wird und was haben wir eben in den
119
Bereichen, die es betrifft schon und baue eben auf dem auf, weil es ja einfach eine
120
Welt von Definitionen und Begriffen ist, die sehr viel aber im Grundkern sehr, sehr
121
ähnlich sind und man jetzt nicht so quasi gleich außen andockt.
122
123
IP: Ja, wobei ich glaube, wenn schon einiges da ist, dann tut man sich leichter, es
124
einzuführen, also insoweit ja, der Aufbau. Also wenn wir sagen, wir versuchen uns
125
hinzuführen, wo wird Wert kreiert und man sagt, die Linie ist der einzige Platz, wo der
126
Wert kreiert wird und der einzige wahre Leader adds Value, dass er die Leute, die
127
richtigen Leute hinsetzt, die Leute entsprechend schult und ihnen auch die
128
Möglichkeit gibt, von ihrem Handlungsspielraum an der Linie entsprechend zu
129
arbeiten. Also möglichst wenig Layers. Und wenn das schon vorhanden ist, bin ich
130
schneller dort, weil was dann auch in dieser Präsentation vorkommt, ist das geht
24
131
nicht einfach so zack und jetzt machen wir‘s, weil Leute, die über lange Zeit gewöhnt
132
waren, Befehlsempfänger zu sein und entscheiden tut der Chef, da kann ich jetzt
133
nicht sagen, und so ab morgen entscheidest Du selber. Ich glaube, dieses Enabling,
134
in dem steckt sehr viel drinnen und das ist, wir haben irgendwo diese 5 E‘s (zeigt
135
Schulungspräsentation am Laptop) also das ist jetzt eine Schulungspräsentation,
136
dass wir sagen, wenn wir mit den Leuten arbeiten, so quasi, die Envision, wo wollen
137
wir hin, warum machen wir das Ganze, damit einfach der Zweck gesehen wird, der ja
138
ein unheimlich intrinsischer Motivator ist und eigentlich bedingt, wenn das gut
139
funktioniert, wenn das auf fruchtbaren Boden fällt, komme ich in Richtung Engage
140
und Energize, das ist eigentlich so eine Stufen-Geschichte und dann in Enable steckt
141
relativ viel drinnen. Und wie das halt hier aufgebaut wurde, da haben sie immer
142
irgendwelche Sprecher und dann haben sie es immer so. What is it? How do you do
143
it? What signals a need for more, also wenn man also, Korrektivmaßnahmen. Also
144
deswegen, glaube ich, ja vollkommen richtig, sobald schon was da ist, bin ich
145
schneller dort, weil die Leute in ihrem Denken und in dieser Eigenverantwortung
146
vielleicht schon weiter sind, als in einem sehr traditionellen, verknöcherten
147
Unternehmen.
148
149
I: D.h. wenn ich das auch richtig verstehe, oder ich höre da raus, dass der Zugang
150
hier auch sehr stark über, sehr hoch bei den Führungskräften, sozusagen über
151
Leadership, ich muss über Leadership diese Transformation beginnen, die sich dann
152
durchdringt bis an die Quelle, wo es dann exekutiert wird. D.h. ich sage jetzt nicht,
153
ILS und da gibt es die und die Tools und das erwarten wir uns und dann gibt es halt
154
irgendwelche Coaches oder Mentoren, sondern man sagt, es ist Teil eines
155
Leadership-Styles, der wesentliche Voraussetzung ist, dass eine durchgängige,
156
nachhaltige Entwicklung dorthin möglich ist?
157
158
IP: Ganz richtig, das ist haargenau der Punkt, der Angelpunkt ist die Leadership und
159
wir können es uns dann auch noch anschauen und es ist zwingend nicht: Ich habe
160
200 Leute, die für mich arbeiten, sondern ich arbeite für 200 Leute. Also dieses
161
Servant Leadership ist ja auch eine Leadership-Schule, finde ich ja ganz interessant,
162
wo steht „Humility is a Core Factor“, also wenn man, ich glaube, dass man da einige
163
Diskussionen führen kann mit etlichen Führungskräfte, dass ich sage, Demut, mir
25
164
persönlich gefällt das gut, aber dieses Erkennen, wie bringe ich das Gefüge dieser
165
Leute, wenn ich sage, ich habe ein Werk mit 200, 300, 400 Leuten, wie bringe ich
166
dieses Gefüge zum Arbeiten, dass die nicht nur Arbeiten, wenn ich da stehe mit der
167
Peitsche oder mit Anordnungen, sondern wenn ich weg bin, arbeiten die genauso.
168
Das ist eigentlich der höchste Erfolgsbeweis, dann wenn das funktioniert. Also
169
genau, Leadership ist der Angelpunkt, dass ich den Leuten sage, warum machen wir
170
was, wo wollen wir hin, dass ich sie qualifiziere und dass ich ihnen die Freiheit gebe,
171
dass ich sie Fehler machen lasse, ist ja alles Leadership.
172
173
I: Ich denke, dass kommt in der Form auch mit Toyota Production System als einer
174
dieser beiden Säulen vor, wo auch „Respekt vor den Menschen“…
175
176
IP: Ja, ist auch dieses Servant Leadership.
177
178
I: … diese Servant Leadership-Analogie, die da in TPS bei den Japanern so
179
charakteristisch ist.
180
181
IP: Das wird auch hier verwiesen, also Toyota ist ja eine dieser Urstunden von Lean
182
Six Sigma und also, das Six Sigma ist ja nur der statistische Teil, dass wir z.B.
183
sagen, wir wollen jetzt einmal mit so und so viel Linien auf 3 Sigma kommen und
184
dann das Ziel, auf 4,5 Sigma zu kommen.
185
186
I: Um das auch nachzuweisen.
187
188
IP: Richtig, das ist ja auch wichtig bei dem Ganzen, also wo wollen wir hin, dass wir
189
ein paar angreifbare Ziele haben. Dass wir sagen, die Linie soll auf 3 Sigma
190
kommen, oder wir wollen eine Global Efficiency Rate von 85% haben, wir wollen eine
191
Unplanned Downtime von kleiner 5% haben. Also, da ist so ein Set of Goals von ca.
192
10. Das muss jedem klar sein. Sprich, und die gehen dann auch durch, also auch der
193
oberste Chef, der geht da durch, der fragt die Leute auch an der Linie, soweit die
194
Englisch können, oder lasst sich es halt übersetzen, und fragt sie, ob denen diese
195
Ziele bewusst sind. D.h. das Entscheidende ist, dass ich die Teams an der Linie, wie
196
ich das jetzt visualisiere oder in welchen Schulungen, Informationsveranstaltungen,
26
197
die müssen wissen, was sind unsere Measurements? Weil klar, in der Fabrik haben
198
wir die Möglichkeit, gut, die Measurements zu sagen, da kannst nicht rütteln dran,
199
wie lange ist die Maschine gelaufen, was ist die Mean-Time between Stoppages,
200
also da gibt es so Parameter, die muss jeder wissen und das ist dann schon mit der
201
Envision hängt das zusammen.
202
203
I: Schätzen Sie das so ein, oder erwarten Sie Änderungen oder Neuerungen,
204
Adaptierungen in Bezug zu Personalentwicklungsmaßnahmen in diesem Kontext?
205
206
IP: Ja, also da sind wir jetzt dran, es wurden sogenannte Lead Sites kreiert, das ist
207
bei uns nur Sankt Petersburg, in Middle East haben wir 2 Werke und in Westeuropa
208
haben wir auch ein paar Werke und in diesen Lead Sites werden diese
209
Grundprinzipien jetzt einmal ausgeführt. Da gibt es Schulungen in Punkto Leadership
210
für die Führungskräfte, da gibt es Organisation für die Führungskräfte auch, weil der
211
1. Punkt ist Leadership, der 2. Punkt ist Organisation, weil die Organisation muss so
212
gesetzt sein, dass sie das zulässt. Das fällt schon wieder ein bissl in Richtung
213
Enable, das heißt das Spannende, und das ist der Themenbereich, wo wir als HR
214
gefordert sind, von Regional-HR jetzt, das wird jetzt eben beginnen bzw. wir haben in
215
jedem Werk einen HR-Manager. Dass wir hier mit den Führungskräften in
216
Workshops das angehen, also es geht, das ist im Prinzip ein Training, wenn wir
217
einen Tag lang gestalten mit diesen 80 Slides haben wir eben, haben Sie ja
218
gesehen, dass da verschiedene Beispiele von Persönlichkeiten drin sind, es ist ja
219
auch so aufgebaut, etwas breiter im Sinne, dass man es auch als Workshop
220
verwenden kann und das ist die Aufgabe von HR jetzt auch, unter anderen, von den
221
11 Pillars sind also die 2 also auf jeden Fall HR; die dann aber gelebt werden
222
müssen von den Führungskräften, klarerweise.
223
224
I: D.h. kann man es auch so beschreiben, es gibt so ein bisschen vielleicht diese
225
werkzeug- oder kulturorientierten Zugänge zu dieser Thematik? D.h. kann man das
226
so beschreiben, dass es eher fast ein durch dieses Leadership ein Denk- oder
227
Kultur-Ansatz ist, ich setze jetzt nicht gleich bei den Tools an, so quasi an diesen
228
klassischen Lean Six Sigma Tools, sondern versuche eben über dieses
229
Grundverständnis, über die Kultur dieses Hineinzubringen in die Organisation, also
27
230
nicht zu sagen, ich plugge jetzt vorne die Werkzeuge an und alles andere ergibt sich
231
von selbst, sondern ich schaffe eben durch diesen Leadership-Zugang ein
232
Grundverständnis?
233
234
IP: Ja.
235
236
I: Irgendwie ohne Tools wahrscheinlich, letztlich geht’s ja ohne konkrete Werkzeuge,
237
ja die braucht man ja auch, weil sonst würde man ja sonst diese konkreten Ziele, so
238
wie es das jetzt verstehe, auch nicht exekutieren können?
239
240
IP: Ja, da ist Six Sigma z.B. ein Werkzeug. Nein, nein, es ist haargenau so,
241
haargenau so. Wenn ich jetzt so zugehört habe, fällt mir dieser altbekannte Satz von
242
Saint-Exupéry ein, wenn Du willst, das die Männer ein Schiff bauen, dann sage ihnen
243
nicht, sie sollen Bauholz holen, Nägel und Hämmer, sondern lehre sie die Sehnsucht
244
vom großen, weiten Meer. Also, ich muss versuchen, mit den Führungskräften zuerst
245
und die müssen dann aber relativ tief unten ansetzen, im Endeffekt ist es
246
wahrscheinlich der Line-Operator, dieser Owner der Linie, mit dem das kreiert
247
werden muss, wo ich ein zukünftiges Bild, wo das „what does good look like?“ wie
248
eine Linie laufen soll, d.h. da muss, und diese Leute müssen als Problemlöser, als
249
Mitplaner gewonnen werden, dass plötzlich ein Ehrgeiz entsteht, ich will, dass meine
250
Linie, was weiß ich, eine Efficiency von 85% erreicht, oder mehr, ich will sogar mehr,
251
es geht sogar 90%. Dieser Ehrgeiz muss entstehen, und sobald der Ehrgeiz entsteht,
252
bedienen sich ja dann die Leute automatisch dieser Measurements und dieser
253
Methoden und dieser Tools und sagen z.B. hier können wir noch direkter sein, hier
254
brauchen wir eine Linie, also hier brauchen wir irgendeine Organisationeinheit nicht
255
mehr, weil wir machen das mit, also werde ich noch leaner. Wenn die Einstellung, die
256
natürlich durch die Führungskräfte wie Plant-Director, usw. Plant-Management-Team
257
gelebt werden muss, erklärt werden muss, aber gelebt werden muss, teile, dass sie
258
auch präsent sind, am Shop-Floor unten und da sind und mitreden, aber nicht sagen,
259
Du hast versagt, das ist nicht richtig, sondern, aha, schau, Du, da können wir doch
260
das und das machen, dass wir doch besser, also dieses Miteinbringen, damit eine
261
Geisteshaltung kreieren, ganz richtig, so wie Sie gesagt haben. Und sobald das
262
funktioniert, werden die Tools als Tools genommen, um das zu erreichen.
28
263
264
I: Zum Aspekt des Karrieremanagements würde ich gerne noch anknüpfen. Hat es,
265
da würde ich die Frage analog mit der Personalentwicklung stellen, hat das auch
266
eine Auswirkung, oder wird es eine Auswirkung haben auf Karriererollenbilder
267
innerhalb der Organisation, jetzt mit dieser Einführung, sprich gibt es dann neue
268
Rollen, Six Sigma-Verantwortliche, Lean-Verantwortliche?
269
270
IP: Na ja, ich glaube nicht, dass es neue Rollen gibt. Es hat aber sehr wohl einen
271
großen Einfluss in die Karrieremöglichkeiten, denn die Leute werden Karriere
272
machen,
273
Selbstverantwortung, proaktiven Denken usw., die das zeigen im Alltag. Die werden
274
in der Organisation eines Werkes wachsen und ja, natürlich schauen wir, dass gute
275
Ausbildung da ist, usw. Wir werden dann wahrscheinlich auch vermehrter versuchen,
276
Leute mit universitärer, Technikerausbildung als Line-Operator zumindest einmal
277
beginnen zu lassen, und dann wird man sehen, wie leben sie das? Spannender
278
Grundsatz ist ja auch, wir haben ja schon vorher CI – Continuous Improvement. Also
279
das ist so ein bisschen, wo ich gesagt habe, wir haben es ja schon gelebt, es heißt
280
jetzt nur ein bisschen anders, gehabt und als einen Hauptworkstream in der
281
Produktion mit dem interessanten Gedanken, wenn die erfolgreich sind, sprich wenn
282
Continuous Improvement, und wir haben in jedem Werk einen Continuous
283
Improvement Manager, wenn die erfolgreich sind, machen sie sich selbst obsolet.
284
Sprich, wenn über Jahre das Continuous Improvement so einsickert in das Personal,
285
in die Art des Arbeitens in einem Werk, kann ich nach einiger Zeit den Continuous
286
Improvement Manager auflassen, weil ja vom Werksleiter angefangen bis zum Line
287
Operator und sogar bis zum Transportarbeiter jeder das Continuous Improvement
288
lebt, sprich das proakive Sehen, oh, da ist was nicht optimal, da tropft was von der
289
Linie runter, irgendeine Masse, oder was. Viele Arbeiter gehen einfach vorbei, ist
290
ihnen egal, da tropft was runter, ist nicht mein Bier, ich bin da. Ein anderer, um
291
Gottes Willen, was ist da, ich schau da, die Ursache zu finden, das in Ordnung zu
292
bringen.
die
werden
wachsen,
die
diese
Geisteshaltung
von
Ownership,
293
294
I: Und wohin entwickeln Sie jetzt dann im Sinne dieser freiwerdenden Ressourcen
295
oder dieses Ressourcenmanagements? Ist das dann, würde das dann bedeuten,
29
296
dass neue Aufgaben für die Betroffenen dazukommen, die sich dann eben
297
weiterentwickeln?
298
299
IP: Na ja, je flacher die Organisation ist, umso enger ist der Bottle-Neck nach oben.
300
Angenommen, es gelingt uns jetzt Ebenen drunter, im Moment haben wir den Plant-
301
Director, haben wir den Section-Manager, was weiß ich, einen für Processing, einen
302
für Packaging, dann haben wir darunter entweder Shift-Leader oder Team-Leader,
303
dann haben wir die Line-Operators, sagen wir einmal also klassischerweise auf 4
304
Ebenen. Wenn es jetzt gelingt, eine Ebene rauszunehmen, weil man sagt, die Line-
305
Operators sind derartig im Autonomous Maintenance und in diesem Gedankengut
306
soweit, können direkt 14 Leute, oder 12 Leute an den Section-Manager berichten,
307
dann fallt eine Ebene raus. Dann steht man vor der Aufgabe, möglicherweise die
308
Section-Manager wieder als Line-Operator so quasi zu integrieren, dass teilweise
309
natürlich als Demotion empfunden werden kann. Auf der anderen Seite ist das Bild
310
des Line-Operators aufgewertet, oder dann natürlich kann er in Richtung Section-
311
Manager oder in Richtung Safety-Environment, man hat ja ein paar nicht jetzt
312
extrem, deswegen sage ich, Bottle-Neck wird enger, weil Du hast ein Plant-
313
Management Team, das wird sich nicht vergrößern und wenn eine Ebene
314
rauskommt, wenn ich eine flachere Hierarchie habe, habe ich eine größere Gruppe
315
von denen drunter, d.h. die Chance, von denen einer dieser 2 Section-Manager
316
Posten zu bekommen, ist geringer, als sie bisher konnten sie dazwischen noch einen
317
Team-Leader erreichen. Auf der anderen Seite bauen wir natürlich darauf, dass
318
durch das Engagement und Enablement und den Freiraum die Motivation des Line-
319
Leaders so hoch ist, das der nicht sagt, na wenn ich jetzt nicht in einem halben Jahr
320
Section
321
Arbeitszufriedenheit relativ hoch ist. Aber richtigerweise verändert das natürlich, da
322
es ein Prozess ist, kann man dann meistens schon vorausschauend bei Job
323
Besetzungen manche Rollen nicht besetzen, um dann nicht irgendwann vor der
324
Situation zu stehen, jemand wieder einzugliedern, oder in Extremfällen sogar sich zu
325
trennen. Wenn man irgendjemand hat, ja, macht zwar gute Arbeit, aber die Rolle ist
326
unnötig, kommt manchmal in die Situation, das man manchmal sagt, tut uns Leid, wir
327
müssen eine einvernehmliche Trennung machen, die Rolle gibt es nicht mehr, weil
328
die anderen sind schon so weit.
Manager
werde,
gehe
ich
wieder,
sondern
dass
einfach
die
30
329
330
I: Ich würde noch gerne kurz auf diese Metaebene gehen. Wie würden Sie das
331
Rollenbild Human Resources charakterisieren? Jetzt in Ihrer Verantwortung.
332
333
IP: Das Rollenbild Human Resources ist Gegenstand von verschiedenen
334
Diskussionen. Ich sehe es als integrierten Partner des Managements und der
335
Mitarbeiter, also ich habe mich eigentlich immer gesehen als Partner der Mitarbeiter
336
selber, vom niedrigen Salary Grade angefangen, und deren Bedürfnissen,
337
Notwendigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch des Management in der,
338
von
339
Personalentwicklung natürlich auch idealerweise habe ich den Draht zu den anderen
340
Leuten und weiß, wo wollen die hin und kann vielleicht dem Manager ergänzend
341
hoffentlich auch zur Hand gehen und sagen, das und das könnten wir noch machen.
342
Teilweise wird ein aggressives wirtschaftliches HR-Bild vertreten, wo dann plötzlich
343
ist our purpose is the shareholder value growth, wo ich sage, kann ich als Personaler
344
wenig damit anfangen, natürlich ist das Gesamtziel eines Unternehmens, das der
345
Shareholder Value wächst, das ist aber nichts, was mich persönlich motiviert in
346
meiner täglichen HR-Arbeit und was das Rollenbild, ich will damit nur andeuten, da
347
gibt es Diskussionen, wie also auch unsere oberste HR-Führung versucht, HR zu
348
definieren, was ist unser Zweck, warum sind wir da? Ich definiere es eben so, ich
349
definier‘s auch hier wieder, in dieser aktiv, proaktiven Partnerschaftsrolle, thinking out
350
of the box, outside thinking, also ich glaube, wo wir alle mehr tun können, wir sind
351
viel zu sehr inside focused, wir sollten viel mehr nach außen schauen, mit Kollegen
352
reden, mit anderen Leuten reden, wie kann man es sonst noch machen, und die
353
Gedanken einbringen in diese Partnerschaftsrolle für Management und auch für
354
Mitarbeiter.
der
Personalauswahl
angefangen,
Personalentwicklung,
usw.
355
356
I: Gibt es da ein Zusammenhang zwischen dem Rollenbild und einer Einführung von
357
hier jetzt am konkreten Beispiel des IL6S?
358
359
IP: Ja, ich finde schon, also ich persönlich bin sehr froh, weil das für mich eine
360
Verstärkung meiner Grundphilosophie gibt, weil dieser Ownership-Gedanke und
361
diese Motivation, diese echte Motivation ohne plakative Vision-Sätze, usw., an die
31
362
glaube ich sehr, weil es einfach die Mitarbeiter in ihre Rolle bringt, in der Rolle, das
363
nötige Verständnis, die nötige Orientierung im Sinne wo wollen wir hin, welche
364
Qualität müssen wir halten, warum wollen wir dort hin, was machen die anderen
365
Abteilungen, es ist ja auch dieses interne über die Grenzen schauen, dass das eine
366
höhere Zufriedenheit schafft für die Mitarbeiter und dass wir als HR, um zu der Frage
367
zurückzukommen, daran beitragen können, sprich ob wir bei solchen Schulungen
368
mitmachen, ob wir versuchen, die Leute zusammenzubringen, die Führungskräfte,
369
die sollen ja auch diese Schulungen teilweise machen, dann aber auch vor allem
370
leben, weil wenn wir diese Schulungen machen und der Chef macht ganz was
371
anderes, spielt den Autokraten nachher, dann können wir das gleich wieder
372
vergessen, da haben wir einen massiven Rückschlag. Also insoweit ist das eine
373
Verstärkung oder ein zusätzliches Mittel, das wir in die Hand bekommen haben,
374
programmatische Mittel, um die Rolle als HR zu leben, als Partner für die Leute, die
375
dann eigentlich einerseits weniger Ebenen haben, die hoffentlich natürlich auch mehr
376
Output haben, weil wenn ich proaktiv bin, habe ich weniger downtime usw., senke
377
die Kosten, aber in einer Art Win-Win-Situation hoffentlich, diese erhöhte
378
Arbeitszufriedenheit habe, oder besser gesagt diese erhöhte Arbeitszufriedenheit
379
bedingt mehr Interesse, mehr Proaktivität und bedingt einen finanziellen Output. Ich
380
persönlich in meiner jetzt eher kapitalismuskritischen Denkweise wehre mich
381
dagegen, gegen, nur diesen Profit in den Vordergrund stellen. Ich finde, man muss
382
die Leute woanders abholen und ich bin ehrlich überzeugt, dass das auch der Zweck
383
ist. Nicht nur ich hole sie dort ab, damit ich das erreiche. Es ist ein schönes
384
Abfallprodukt, dass der Profit im Werk sich steigert, weil die Leute zufriedener sind,
385
weil die Leute aktiver sind. Und da ist die Rolle von HR mitten drinnen, weil ich dann
386
ja auch einer Führungskraft das Feedback geben muss. Idealerweise sollte sich
387
dann der Mitarbeiter, der Line-Operator auch trauen, das Feedback zu geben und
388
dem zu sagen, also bitte wir haben dies und das gesagt, Dein Verhalten war aber
389
nicht so, traut sich nicht jeder. Wir sind alle gewachsen in einem sozialen Umfeld,
390
und da hat vielleicht HR die Rolle, wenn das gemerkt wird, dass man hier wieder
391
mehr Mediator ist und mit Feedback zurückkommt an den Vorgesetzten und sagt, Du
392
das könnte so und so aufgefasst werden und ich habe schon gehört, wie könnten wir
393
das machen, also uns gibt dieser Rahmen eigentlich wieder ein Spielfeld, wo wir
394
mehr in der Hand haben und uns auf Sachen berufen können, die programmatorisch
32
395
ausgerufen wurden. Es ist immer hilfreich, dass wir uns auf etwas berufen, was ein
396
Programm des Konzerns ist.
397
398
I: Und noch die 2. Dimension aus dem Rollenbild HR, nämlich im Sinne der
399
organisatorischen Eingliederung. Es wäre noch meine Frage, wie sind Sie hier
400
konkret zugeordnet in der Betriebshierarchie und gibt es, das war die 1. Teilfrage,
401
und die 2. Teilfrage, gibt es einen Zusammenhang zwischen der Zuordnung Leitung
402
oder Management Human Resources in Bezug zu einer, jetzt an diesem Beispiel,
403
IL6S Einführung?
404
405
IP: Naja, ich bin so eingeordnet, die klassische Matrix. Ich berichte funktional an den
406
Vice-President Personal CEE, aber arbeite dotted-line an die Vice-Presidentin
407
Integrated Supply Chain Central & Eastern Europe, und für die arbeite ich eigentlich
408
auch, also die ist sozusagen meine funktionale Chefin in der Integrated Supply
409
Chain, mit der arbeite ich, aber direct report ist in die HR-Funktion. Ich erwarte keine
410
direkte Umänderung, also es ist ja, es wird manchmal über solid-line, dotted-lines
411
diskutiert. Ich hatte vor einiger Zeit einmal einen Chef, der hat gesagt, die lines
412
interessieren mich einmal überhaupt nicht, weil man arbeitet je nach dem in
413
verschiedenen Business-Situationen mit verschiedenen Leuten zusammen, z.B.
414
arbeite ich auch mit den Plant-HR-Managern zusammen und habe keinerlei Linie zu
415
denen, weil die berichten wiederum direkt an den Werksleiter und im Land dotted-line
416
an den Landespersonaldirektor, was auch einen Sinn hat, weil man ja, sagen wir in
417
Polen gewisse Rahmenbedingungen in HR für das Land sicherstellen will, die
418
genauso gelten für Commercial-Leute wie für Produktions-Leute und andererseits
419
aber in der täglichen Arbeit berichtet man an den Werksleiter. Also nein, ich erwarte
420
jetzt nicht eine Änderung der organisatorischen Eingliederung.
421
422
I: Dann würde ich gerne auf die Pillars zurückkommen.
423
424
IP: Da es sehr viele Seiten sind (zeigt Präsentation am Laptop) will ich, ich finde es
425
aber trotzdem interessant einmal durchzugehen, auch wenn wir jetzt sehr schnell
426
durchflippen, damit man einmal sieht, wie geht unser Konzern heran an die … so …
427
also das ist auch ganz interessant, dieser Learn-Do-Teach approach. Also, wenn wir,
33
428
ich sehe das jetzt immer als Material, wenn wir mit den Leuten im Werk reden, also
429
wir lernen was, wichtig ist, dass Du es auch tust, nicht nur dass Du es auch weißt,
430
dass Du es tust, und wenn Du es tust, das ist so in diesen Phasen, von Phase 0, wo
431
dann das Lead Site dann auch soweit sein soll, das sie dann schon lehren können,
432
dieser Learn-Do-Teach approach. Da hat man diese verschiedenen Rollen. Der CI-
433
Director, der VP, Driving the Change, Development Expert, schaut dass die Experts
434
da sind, dann der Lead-Plant-Manager, der ist eben in dieser Phase 0, der schaut
435
dass die Leute dieses Knowledge erwerben, und der macht den Rollout im Lead
436
Plant zum Beispiel. Also ich habe jetzt vor, wir haben im großen Werk in der Nähe
437
von Hannover, das ist auch ein Lead Site und ich habe immer einmal im Jahr ein
438
Plant-HR-Meeting, von allen Plant-HR-Managern, da bin ich gerade dabei, das zu
439
planen, dass wir vielleicht dorthin gehen können, als Plant-HR-Manager, um dort uns
440
genau das anschauen können, was ist dort passiert, was haben die Leute gelehrt,
441
gelernt, welche Veranstaltungen haben die gemacht, was hat funktioniert, was hat
442
nicht funktioniert?
443
444
I: Noch eine Frage dazu. Es gibt ja in dieser Six Sigma-Philosophie diese Belt-
445
Hierarchie. Kommt die zur Anwendung?
446
447
IP: Die haben wir auch. Ja, ja, also wir haben gewisse Vorgaben, wir sollen so und
448
so viele Green Belts und so viele Black Belts haben und so viele Master Black Belts
449
haben. Wir haben auch in der Organisation in der neuen, wir haben jetzt eine
450
Integrated Supply Chain Director Produkt A, einen für Produkt B und einen für
451
Produkt C und Produkt D und da haben wir die Werksleiter und einen CI-Manager
452
und der CI-Manager, Continuous Improvement Manager, der sollte idealerweise ein
453
Master Black Belt sein, der sollte diese ganze Belt-Gruppe immer wieder auch leiten
454
und refreshen. Also, ja, richtig. Human Resources to lead the culturale change,
455
eigentlich genau die Frage auch beantwortet, die vorher gestellt wurde. Dann gibt es
456
Coaches dort und dann gibt es auch Global Supply Chain Excellence, die, das meine
457
ich, es ist global aufgehängt, wenn man merkt, es gibt Schwierigkeiten, kann man
458
sich auf etwas berufen, damit man durchkommt und das sind jetzt dann
459
verschiedene Stories halt (zeigt Präsentation) und da kommt so das business-
460
mäßige,
wir
wollen
cost-savings,
revenue
growth,
cash-flows
haben
wir,
34
461
verschiedene Ziele, dieses one-by-one, power of one, das finde ich jetzt interessant,
462
weil vorher erwähnt. Es gibt gewisse Metrics, wir wollen on-time, wir wollen ein case-
463
fill-rate von 98,5% als Liefertreue, oder eben diese global efficiency soll mehr als
464
85% sein, unplanned down-time kleiner als 5% und dann gibt es also verschiedene,
465
diese Linien zu 4, 5 Sigma zu kommen. Saftey 0,5, incident rate, also Unfälle usw.
466
Also das sollte jeder wissen, also im Prinzip sollte jeder Line-Operator nach diesen
467
Workshops das wissen.
468
469
I: Ist das dann auch Teil der Zielvereinbarung und der Ergebnismessung?
470
471
IP: Ja, es ist jedes Werk, also auch wenn wir jetzt, wir haben jetzt gestern gerade ein
472
Budget Meeting gehabt, man hat im Budget Meeting, wird diese Scorecard dann
473
danach besprochen und dann auch das Werk wird dann danach beurteilt und dann
474
natürlich in der Folge auch der Line-Operator. Es wird nicht jeder Line-Operator über
475
all die Parameter, aber soll in der Gruppe drin sein, dieses Zero Defects, Zero
476
Losses. Ich meine, ist auch ganz interessant, courages, inspiring, collaborative, also
477
nicht, es wird dem Autokraten schon die Absage erteilt, learn continuously, und dann
478
natürlich wieder das Kaufmännische, ultimately delivers breakthrough results. Dann
479
ist eine Beschreibung.
480
481
I: Es kommt immer wieder durch diese Kombination, einerseits der softere kulturelle
482
Human-Anteil und dann in Verbindung mit dem für das Business erforderliche.
483
484
IP: Die Ergebnisse müssen da sein. Ich mache es nicht nur aus Spaß.
485
486
I: Da sein, messbar.
487
488
IP: Genau, ganz richtig. Aber wie Sie vorher gesagt haben, ich setze an in der
489
Leadership, to have a high level of personal competency, the best today is not good
490
enough for tomorrow, dieses ständige Wachsen.
491
492
I: Das ist das Prerequisite, das ist die Voraussetzung.
493
35
494
IP: Aber das muss von den Leuten akzeptiert werden und das wird nicht akzeptiert
495
durch eine Präsentation und das ist das Spannende, wie mach ich‘s? Und in dem
496
sind wir jetzt, wir habe jetzt unsere Values mit einer Kurzbeschreibung, unsere
497
Leadership-Werte, dann hat man hier, das ist auch ganz gut, so, was ist eine high
498
performing organisation, was ist traditional, was ist high-performing? Das hat man
499
auf 3 Seiten beschrieben. Es ist wirklich, deswegen gehe ich schneller durch, aber
500
Sie können es sich ja dann nachher anschauen. Hier, Servant Leadership, haben wir
501
gesprochen, Jim Collins, das ist eh so ein Guru, den haben wir einmal bei einem
502
Meeting sogar eingeladen gehabt. Dann der Gandhi, das gefällt mir, happiness does
503
not come from money, it can come from taking pride in one’s work and recognising
504
it’s contribution. Nun, er sagt natürlich zur Society. Aber ich glaube, dieser Kernsatz,
505
taking pride from ones work, den muss ich irgendwie einbauen in die Arbeit, auch
506
jetzt, bleiben wir jetzt beim Line-Operator, Toyota, wie besprochen. Dann das haben
507
wir uns schon vorher angeschaut, das sind finde ich sind auch ganz wichtige Sätze:
508
Was ist die Rolle des Leaders? Und der Line. Auf der Linie passiert’s, das ist der
509
Teammember, das ist der Teamleader, wenn die alle empowered sind, brauche ich
510
die nimmer, um es jetzt einmal salopp zu sagen. Confidence. Und dann sind so eine
511
Art Gruppenarbeiten, welche Effective Leaders hat man, welche Problem Leaders
512
hat man erlebt, und dann ist dieses 5E-Modell, wo immer irgend so einer drüber
513
redet und dann immer what is it, how do you do it, what signals you need more, wann
514
muss ich reagieren, entweder es kommen neue Leute, muss ich die wieder an Bord
515
holen oder, people not in touch with reality, also ich muss dauernd monitoren, bin ich
516
on track und das nächste wieder, wieder der Walton von Walmart sagt hier etwas,
517
und hier irgendeine Trainerin.
518
519
I: Da dringt auch durch: Es ist jetzt nicht ein Einmalprozess, sondern ein
520
langfristiger…
521
522
IP: Culture, culture, what is it, how do you do it, es sind jetzt alle Energize, Enable,
523
da ist auch ganz wichtig, das Enable und dann ganz wichtig, Execute, ich muss
524
Enablen, aber die Leute müssen es ausführen. Wieder noch einmal, das sind die 5
525
Rollen von Leadership. Da war irgendein Werk, der Everest-Mensch, Learn-Do-
526
Teach approach, das haben wir schon vorher gehabt. Was ist der Rahmen, dann
36
527
eine Bibliographie wird erwähnt. Wir haben auch ein dickes Buch bekommen, TPM,
528
das habe ich auch noch nicht gelesen, das haben wir jetzt vor kurzem bekommen.
529
Das war einmal die Präsentation. Und dann haben wir diese Pillars, weil das,
530
vielleicht nur, damit man auch hier sieht, das ist so eine allgemeine Engagement-
531
Präsentation, becoming a world-class site. Dann hat man ein Base Assessment, d.h.
532
wir können uns assessen, wie sind wir jetzt, dann ist dieses Training, das haben wir
533
uns gerade angeschaut, dann eines über Fundamentals, dann eins was sind die
534
Pillars, dann welche Phasen haben wir? Wir haben Phase 0 bis 4 in dem ganzen
535
Prozess und dann die Leadership Pillars und Organisational Pillars und Eduaction
536
and Training. Also das ist eigentlich, und dann ist noch ein Assessment, das ist so
537
das Package, was wir jetzt haben, um damit in den Werken arbeiten zu können. Und
538
wenn wir uns die Pillars anschauen wollen, haben wir die Pillars Orientation. Dann
539
what is a Pillar, und das ist auch ganz interessant, das ist eigentlich eher systemisch,
540
ein set of activities, es ist nicht irgendein Programm, welches ich kaufe und ausrolle.
541
Und es ist nicht eine Funktion oder ein Department.
542
543
I: Also eine Kombination Aktivitäten, Systeme und Tools und Methoden. Das wäre so
544
quasi Schritt-für-Schritt.
545
546
IP: Oder parallel, ich glaube es ist überlappend. Weil ich, ich muss mir die
547
Organisation anschauen, muss Leadership parallel machen, muss dann Autonomous
548
Maintenance, auch diese Ownership einführen, hab parallel education and training,
549
um in diese Richtung zu gehen. Durch education and training kann ich dann schon
550
am work process improvement, da sind auch Strukturen, oft sind es ja ganz einfache
551
Strukturen, die angewendet werden, aber es muss die Geisteshaltung, der Wille
552
muss da sein und eine gewisse Qualifikation, dass ich mit diesen Strukturen arbeite.
553
554
I: D.h. man könnte das vielleicht als leitende Handlungsschritte oder Dimensionen…
555
556
IP: Ja, oder Arbeitsbereiche. Alles, der Focus. Bei allen den Dingen kommt man ja
557
sehr oft in so eine diffuse, oh, das ist zwar richtig, aber es ist so diffus, und wenn ich
558
mich dann fokussiere und sag, auf 11 Workstreams, oder Tenants. Aber so
559
Zielrichtungen halt, Pillar-Standards, ich kann dann Standards definieren. Create
37
560
common work processes. Es ist oft eine Mischung aus so praktikableren und so
561
reinen future programmatischen Aussagen. Und dann haben sie es so gemacht,
562
auch hier für jeden Pillar, purpose, typical losses, also wo geht’s schief, typisches
563
Schiefgehen. Wer führt das, ja Leadership muss beim Plantmanager sein. Da sind
564
wir wieder bei der Leadership und dann work processes und natürlich direction
565
setting, organisation pipeline und succession planning. Ich muss schauen, dass
566
entsprechende nachrücken, das ich Talent im Unternehmen hab. Kaizen ist dabei.
567
Hab gewisse Standards, die ich vielleicht festlege.
568
569
I: Also wenn ich mir das so anschaue, sehe ich ja eben auch diese HR-Elemente
570
direkt drinnen, hier wirklich als Teil, hier wird’s als work process definiert, weil es als
571
Teil dieser Leadership-Verantwortung gesehen wird.
572
573
IP: Genau, genau, das vor allem in den ersten beiden, das ist Leadership, da wird
574
Leadership noch ein bisschen erklärt und dann kommt schon der nächste Pillar
575
Organisation nach dem gleichen System. Was ist es? Was ist typical losses? Der
576
Plant-HR-Manager, wobei gemeinsam mit dem Werksleiter natürlich. Und da hat man
577
Dinge,
578
onboarding, workplan, team development, auch das recognition system ist drinnen,
579
wobei das könnte man genauso unter Leadership stellen. Dann hat man wieder
580
Untergruppen erwähnt. Autonomous Maintenance, also es geht jetzt durch alle 11
581
Pillars. Also so schaut das aus und da könnten wir uns noch den…
wie
organisation
assessment,
communication,
information
system,
582
583
I: Sehr strukturierter, durchdachter Zugang…
584
585
IP: Phases… sehr gutes Grundgerüst gibt, damit man sich nicht verliert in dem
586
Ganzen. Das finde ich auch.
587
588
I: Wo setzte ich an oder wo …
589
590
IP: Es sind jetzt die Phases. What is a Phase? Well-defined set of activities across
591
Pillars, über alle 11, when rigorously completed achieves the stated intent in support
592
of defined business needs, every Phase has a business objectives, work processes
38
593
executed, right capabilities sind dann da, completion criteria und ein assessment
594
process danach. Why Phases?
595
596
I: Jetzt kommt quasi die zeitliche Komponente.
597
598
IP: Jetzt kommt die zeitliche Komponente rein. Also Leadership preparation of
599
learning, building capabilities, dann focus on equipment variability. In den Prozessen
600
schauen, gehen natürlich auch ins Technische. Equipment, expand time between
601
failures. Das ist diese meantime between failures. Da haben Sie ein Procter-Werk in
602
Mexiko gezeigt, das hat ich weiß nicht, 7 Stunden, zwischen, ist die durchschnittliche
603
Zeit, zwischen unplanned stoppages, rennt eigentlich ziemlich wie ein Uhrwerk. Und
604
da hat man eben equipment, materials, process variability, elimination, ja das die
605
Prozesse alle wirklich durchlaufen wie ein Uhrwerk.
606
607
I: Ist dies eher linear zu sehen, ich meine, es wird sicherlich auch überlappend sein,
608
aber man sieht hier schon, es ist ein auf mehrere Jahre ausgelegter Prozess. Was
609
vorher gesagt wurde, weil es etwas Kulturelles ist, das kann man nicht von heute auf
610
morgen…
611
612
IP: Es muss bei den Leuten wachsen, die müssen ja dann sehen, wenn sie langsam
613
diese Geisteshaltung haben, dann arbeiten Sie bei den Prozessen mit, dann sagen
614
sie, naja, das müsste aber verbessert werden, dann hat das vielleicht einen
615
technischen Schritt zur Folge, der kann nicht sofort gemacht werden, wird aber
616
gemacht, dann verstärkt das wieder das Vertrauen der Leute, ihr Input hat was
617
bewirkt, nämlich es ist eine technische Veränderung gemacht worden, die den
618
Prozess verbessert hat. Und das geht eigentlich über die Jahre. Das sind die
619
Phasen, der intent, der expected outcome und der culture shift. Every, z.B. Phase 2,
620
everyone passionately persuing zero losses. Priorities getting to and solving the root
621
cause. Irgendwas lauft nicht. Was ist der root cause, immer diese, was kann ich tun?
622
Reapplication or innovation appropriately applied to get zero losses. Ist dann immer
623
hier finde ich recht schön, culture auch beschrieben. Also so ein paar, einfach um ein
624
praktisches Bild, woran wir jetzt arbeiten, wo in den Lead Sites wird jetzt dran
625
gearbeitet und jetzt geht’s darum, wie können wir das auf alle Werke ausdehnen?
39
626
627
I: D.h. auch hier ist es jetzt eben kein, es dürfte jetzt nicht so sein, das es wie ein
628
Projekt, an sich ist es ein Projekt, aber es jetzt nicht portioniert in ein Projekt dort, ein
629
Projekt dort oder ein Projekt hier, es ist jetzt wirklich eine….
630
631
IP: Eine Arbeitskultur im Werk zu schaffen. Ein Projekt, um eine Arbeitskultur über 2,
632
3, 4 Jahre in den Werken zu schaffen und damit gewisse Qualitätsstandards, weil
633
immer das Beispiel bei Six Sigma mit der Flugzeugindustrie, da darf eben kein Fehler
634
passieren, sonst stürzt das Flugzeug ab. Und das will man halt auch bei der
635
Fertigung.
636
637
I: Abschließend noch die Frage: Wenn ich sage, Lean Human Resources. Was
638
würden Sie darunter verstehen?
639
640
IP: Naja, das ist das was wir vorher besprochen haben. Ich glaube, dass man es in 2
641
Seiten sehen muss. Das eine ist die Rolle von HR in dem Lean-Prozess, z.B. in
642
Manufacturing, wo, ich bin ja immer ein Anhänger davon, dass sozusagen die
643
Personalarbeit macht der Line-Manager und wir Personaler sind Partner vom Line-
644
Manager, damit der die Personalarbeit machen kann. Der lebt jeden Tag die Art und
645
Weise, wie mit den Leuten umgegangen wird, der lebt den Respekt oder Nicht-
646
Respekt, der lebt die Information oder Desinformation, der lebt ein faires Verhalten,
647
der lebt einen breiten Blickwinkel, und, und, und. Wir können nur als Partner
648
versuchen, das auch zu stimulieren bzw. als Mittler zwischen der Führungskraft und
649
den Mitarbeitern sein, weil wir idealerweise auch einen Kontakt zu den Mitarbeitern
650
haben und nicht die Schergen des Unternehmens sind, die nur die Leute rauswerfen.
651
Also ist die eine Rolle, wie wir in der Abteilung, also in der Fachabteilung leben. Da
652
könnte man jetzt lang darüber philosophieren. Das andere ist in der HR-Abteilung
653
selber. Und hier erlebe ich bei uns eine Zergliederung, eine Prozesszergliederung,
654
es wird immer technischer, man hat Teil-Outsourcing gemacht, zu einem externen
655
Partner. Man hat dann gesagt, HR-Transformation usw., hat dann aggressive
656
Versuche gestartet, auch Manager-Self-Service usw., es hat ein Portal gegeben,
657
MyHROnline, es gibt es noch immer, wo man gesagt hat, da stellt man jetzt das
658
ganze Wissen drauf, die Knowledge Base und da ist Employee-Self-Service, und da
40
659
müssen die Leute einsteigen und halt ihre Adresse ändern und weiteres. Bank
660
account ändern und dann ist Manager-Self-Service und Manager-Self-Service
661
müssen die Manager einsteigen, wenn es um Gehaltserhöhungen geht, wenn es um
662
Beförderungen geht, wenn es um Recruitment geht, muss man einsteigen, muss das
663
dort eingeben entsprechend und dann kreiert man im System, dann geht das zu
664
irgendeinem Recruiter, der sitzt im Land irgendwo und ich habe mir gedacht, dass
665
sehe ich extrem problematisch, weil damit zerstöre ich eigentlich die direkte Mitarbeit
666
und das umfassende Wissen in HR. Ich glaube, dass es gut ist, in einer
667
Personalabteilung schon zwischen eher administrativ erledigenden Aufgaben zu
668
trennen und planerisch-strategischen Aufgaben zu trennen. Trotzdem müssten die
669
eng beieinander sein, aber hier ist es zu einer für mich eigentlich fast, Abschaffung
670
oder Teilabschaffung der HR-Rolle gekommen, weil die Kollegen dann dort gesessen
671
sind und dann gesagt haben: Ich könnte Dir schon sagen, wie es jetzt ausschaut
672
punkto Urlaubstage, aber ich darf‘s Dir nicht sagen, denn Du musst in der Knowledge
673
base nachschauen, musst in das System einsteigen. Oder, natürlich könnten wir eine
674
Beförderung machen, aber ich darf nicht, Du musst in MyHROnline die Beförderung
675
machen. Das war aber wie viele dieser Systeme leider sind, so kompliziert, ich habe
676
einmal, bei einer Beförderung von Salary Grade 11 auf 12 mit dem Manager als HR-
677
PL eine Stunde gebraucht, am Telefon 2 andere Kollegen, um diese Beförderung
678
durchzuführen, weil die Masken so kompliziert waren. D.h. das ist nach 9 Monaten
679
mit Bomben und Granaten gescheitert und der Konzern hat das Manager-Self-
680
Service wieder widerrufen und hat gesagt, die HR-Abteilung macht das und macht
681
diese Dinge wieder. D.h. ich finde, dass vor allem in kleineren Personalabteilungen
682
und mir hat das damals in der österreichischen Organisation eigentlich ohne jetzt
683
irgendwelchen theoretischen Background, für mich war‘s immer wichtig, dass mein
684
Mitarbeiter alles weiß. Wir haben alles besprochen und wenn ich jetzt nicht da war,
685
oder sonst wer hat der genau gewusst, aha, da ist was, bzw. wie handeln wir auch.
686
Da wir dauernd über die Sachen gesprochen haben, diese 1, 2 Kollegen, die in
687
meiner kleinen Abteilung in der Österreich-Organisation waren, unsere Philosophie
688
gekannt. Die haben einen Background gekannt, die haben genau gewusst, sie dürfen
689
nicht darüber reden über manche Dinge, aber sie haben den Background gekannt,
690
sie haben die Philosophie gekannt und hoffentlich dadurch auch die Motivation des
691
breiten Background-Wissens, der Beweggründe und der Zielrichtung gehabt. Was
41
692
eigentlich schon relativ weit in Richtung Ownership ist. Das was mir immer sehr viel
693
Freude bereitet hat, dass sehr viele dieser Kollegen, die über die Jahre dann in der
694
kleinen Abteilung waren, auch recht gut Karriere im Unternehmen gemacht haben.
695
Insoweit, wie arbeite ich in der Abteilung als Beitrag HR in der Fachabteilung und wie
696
kann Lean in der Abteilung selber ausschauen und ich glaube, wenn wir
697
systemgetrieben zergliedern, zerstören wir die Ownership-Philosophie.
698
699
I: Vielen Dank für die Einblicke und für das Gespräch.
700
701
IP: Sehr gerne.
42
1
Interview 3: 26. Juli 2012 / 16.00 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Dann darf ich mit der einleitenden Frage Sie einfach fragen: Was verstehen Sie
5
unter dem Begriff Lean?
6
7
IP: Lean ist für mich so eine Mischung, natürlich einmal, Lean wörtlich übersetzt ist
8
schlank, schlank allein ist aber noch nicht unbedingt Qualität. Schlank, mit schlank
9
verbinde ich agil, d.h. ich muss eigentlich relativ schnell auf Dinge reagieren können.
10
Wir kennen ja alle den wüsten Begriff, oder die wüste Definition: Wie lange braucht
11
ein Öltanker, bis er sozusagen seine Fahrtrichtung ändern kann? Das können bis zu
12
10, 12 km anscheinend sein und das ist genau das Gegenteil von Lean. Lean ist der
13
kleine Hafenmeister mit seinem Schlauchboot, der im Hafen die ganzen Schiffe
14
einweist und dort virtuos herumkurft. Er ist mit seinem kleinen Boot furchtbar wendig
15
und
16
ressourcenoptimiert, wenn ich das kurz noch einmal weiter ausführe, dann meine ich
17
einfach möglichst viel Vermeidung von – wir haben auch den Begriff „Waste“ bei uns
18
im Haus als solchen laufen, auch in der Produktion – das man einfach sagt,
19
möglichst ohne großartige Verschwendungen zu agieren, aber es ist für mich
20
wendig, agil und natürlich auch dementsprechend schnell und halt mit einem
21
optimalen Ressourceneinsatz. Das nenne ich jetzt eigentlich einmal Lean.
schnell
und
Lean.
Lean
heißt
aber
auch
ressourcenoptimiert.
Und
22
23
I: Was war der Auslöser, der Grund oder die Gründe, dass es eingeführt wurde?
24
25
IP: Ich sage so, wir haben, wenn man so ein paar Schritte in diese Richtung, die wir
26
gegangen sind, einmal so wirklich ein paar Hauptelemente oder Programme
27
hernehmen, dann würde ich einmal sagen, da war sicher auch dieses Thema mit
28
TPS – Toyota Production System – das einmal vom Grundgedanken her schon,
29
glaube ich 60, oder 70 Jahre existiert. Dann ging es einmal von der Namensgebung
30
her in das Thema „Total Quality Management“ und jetzt kann ich sagen, die letzten
31
4 Jahre, die habe ich massiv begleiten können, war das Thema Manufacturing und in
32
neuester Zeit, so in den letzten eineinhalb Jahren Business Excellence. Und der
43
33
Unterschied, jetzt von den beiden letztgenannten, ist schlicht und ergreifend, das
34
Business Excellence jede Organisation im Unternehmen einschließt. Wir haben mit
35
Manufacturing begonnen, weil da draußen in der Produktion lässt sich viel messen.
36
Die Durchlaufzeit, die Rüstzeit, die Produktionszeit und all die Dinge mehr, und so in
37
den administrativen Bereichen kommen ja sofort die ersten Dinge: „Ja wie wollen Sie
38
denn meine Personalarbeit, wie wollen Sie die messen? Das geht ja überhaupt
39
nicht.“ Dann sage ich nur als ganz kleines Beispiel. Wir haben eine klare Zielsetzung,
40
wie schnell wir z.B. Anfragen nach Beschäftigung, also Bewerbungen, wie lange wir
41
brauchen für die Antwort. Wir haben uns ganz klar vorgenommen einen gewissen
42
Wert. Wir haben diesen 2 Mal erreicht in den letzten 3 Jahren, einmal nicht, gebe ich
43
auch zu. Und es ist z.B. auch dort eine Zielgröße, dass jeder, der bei uns anfragt,
44
eine Antwort bekommt. Wenn ich vorher gesagt habe, ich habe schon mit so vielen
45
Leuten zu tun gehabt und dann erzählen mir Leute, die sich ich weiß nicht wie oft
46
beworben haben, dass nicht einmal dort, wo sie persönlich vorsprechen konnten,
47
eine Rückmeldung kommt. Das ist für mich unfassbar. Daher sage ich, das sind
48
Dinge, die sind auch hier messbar. Wir kennen es aus der Allgemeinheit. Ja wie
49
sollen wir denn einen Lehrer bewerten, das geht ja gar nicht. Da fallen mir am Schlag
50
10, 15 Kriterien ein, wie man auch eine Lehrkraft messen könnte. Wir tun immer so,
51
als ob man nur die Umdrehungszahl einer Maschine messen könnte. Das ist ja nicht
52
wahr. Also der Auslöser, weil das war ja eigentlich der Kern Ihrer Frage, kann ich nur
53
sagen,
54
Wettbewerbsfähigkeit, ganz klar. Wir sind einfach weltweit konfrontiert mit allen
55
namhaften Mitbewerbern, die sitzen in Japan, in Amerika, in Deutschland und auch
56
in Schweden, aber dem Wettbewerb müssen wir uns einfach stellen. Und alles was
57
hier schnell passiert und ressourcenschonend und optimiert passiert, ist das, was
58
uns eigentlich gerade am Standort in Österreich, der nicht gerade zu den billigsten
59
gehört, einfach irgendwo noch gewisse Vorteile verschafft. Weil das ist auch unser
60
Status im Konzern, ich sage immer, damit man das auch relativiert, der Konzern hat
61
46.000 Mitarbeiter und wir haben 900 Stammmitarbeiter und so um die 100
62
Leasingkräfte im Moment. Wir sind ungefähr 1/50, nicht mehr und nicht weniger, von
63
der Mitarbeiterzahl, aber vom Stellenwert nehmen wir eine ganz andere Position ein.
64
Und da haben wir viele Dinge, die mit Flexibilität zu tun haben und vor allen Dingen,
65
weil wir es irgendwie geschafft haben, ich nenne es so ein bisschen den „sense of
war
der
Erhalt
oder
vielleicht
auch
der
weitere
Ausbau
der
44
66
urgency“ in die Mannschaft zu bringen. Wenn das gelingt, dann glaube ich, wird die
67
Geschichte gehen und wenn es uns nicht gelänge, oder gelungen wäre, dann hätten
68
wir wahrscheinlich immer noch ein Problem. Wenn jemand selbst erkennt, dass dies
69
notwendig ist, dann habe ich an und für sich die große Ernte schon eingefahren, weil
70
jedem nur in den Hintern zu treten, dass er etwas mitmacht, am Tisch ins Gesicht
71
lacht und eigentlich unterm Tisch in die Gegenrichtung fährt, da geht es auf Block.
72
73
I: Weil Sie diese „sense of urgency“ erwähnt haben, da würde ich gerne einhaken.
74
Wie haben Sie das im Unternehmen begonnen einzuführen?
75
76
IP: Ganz interessanter Punkt und da kann ich jetzt wirklich aus dem Nähkästchen
77
plaudern.
78
informationsveranstaltung und wie diese ausschaut, sage ich Ihnen jetzt ganz genau:
79
Unser Vorstand und ich treten dort auf, beginnen an einem Sonntagabend um 22.00
80
Uhr mit der Nachtschicht, weil diese dauert von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr Früh und
81
haben dort von 22.00 Uhr bis halb zwölf in der Nacht den ersten Teil. Am nächsten
82
Tag haben wir noch weitere 5 Durchgänge zu eineinhalb Stunden und am nächsten
83
Tag haben wir das ganze Unternehmen flächendeckend erreicht. Bei diesen
84
Informationsveranstaltungen geht es um die Lage der Nation, Hinweise auf
85
irgendwelche weltwirtschaftlichen Integrationen, wie schaut es aus im Konzern, wie
86
schaut es aus bei uns am Standort, welche Programme werden wir starten, starten
87
müssen, aus wirtschaftlichen Gründen, weil der Konzern oder die Gruppe etwas
88
vorgibt. Und dort haben wir erstmalig auch über das Thema Manufacturing
89
Excellence und zum Beispiel über Business Excellence berichtet, haben die Leute
90
ganz klar darüber informiert, dass wir massivst interessiert sind an der Mitwirkung
91
jedes Einzelnen, haben dort auch ein paar so Fragen gestellt, ein bisschen als
92
Säuretest, und da sage ich etwas dazu, weil es ganz, ganz wichtig ist. Es gibt, wenn
93
man so Programme startet, oder vielleicht auch Projekte in der Regel irgendwo 3
94
Gruppen. Es gibt welche, denen sieht über das ganz Gesicht an, dass sie ehrlich
95
dafür sind, die fangen schon mit den Fingern zu schnippen an. Es gibt immer welche,
96
und bei 900 Leuten wird das nicht anders möglich sein, die dann sagen, na ja, schon
97
wieder irgendetwas, haben wir eh schon gehabt und die sind auch nicht gefährlich.
98
Mit denen kann ich ganz gezielt umgehen. Die Frage ist, wie groß ist die Meute, die
Wir
haben
im
Jahr
3
Mal
eine
sogenannte
Mitarbeiter-
45
99
sehr nickend im Raum sitzt und eigentlich bei der Tür draußen schon sagt, ja was
100
fällt ihnen denn da wieder ein, unsere Vorstände und unsere Manager und das ist
101
eigentlich immer etwas, da muss man die Dinge ein bisschen nach oben kippen, den
102
Eisberg, damit wir ein bisschen sehen, ob unter der Oberfläche etwas gärt. Und da
103
glaube ich, da haben wir es geschickt begonnen durch diese Mitarbeiterinformation
104
und der wirkliche Knackpunkt war eine völlig gleichartige Schulung für alle Mitarbeiter
105
über 2 Tage. Innerhalb von ein dreiviertel Jahren, nicht ganz 2 Jahre, weil wir haben
106
es sogar ein bisschen schneller geschafft, sind alle 900 Mitarbeiter und alle
107
Leasingkräfte
108
Schulungsprogramm hat ein ganz wesentliches Element beinhaltet: Wir nennen es
109
Principlay und dort haben die Mitarbeiter erlebt, was es bedeutet, nach gewissen
110
Standards zu arbeiten. Zuerst kommen jede Menge theoretischer Vorträge und dann
111
kommt es zu diesem Principlay-Spiel. Es besteht in der Regel aus 8 bis 10
112
Mitarbeitern und einer bereitgestellten Arbeitsorganisation. Die Aufgabe war, eine
113
Leiterplatte, eine elektrische, so zu konfigurieren nach einem Plan, dass, wenn das
114
ganz richtig gemacht wurde, am Ende ein grünes Licht leuchtet, bei der Lampe da
115
hinten. Am Anfang wurde das Material wüst auf den Tisch geschüttet. Es war alles
116
da, die Pläne usw. und dann haben sich die Mitarbeiter dafür interessiert, wie wäre
117
das Ganze in der Standardisierung der Arbeit, dann z.B. was wir da oben haben, bei
118
mir hängt es an der Wand oben, da gibt es diese 5 Prinzipien dieser Brücke of
119
Excellence. Und dann haben sie folgendes gemacht, dann war eine Pause von
120
ungefähr 1 Stunde mit der Aufgabe, die Arbeit besser zu organisieren. Und dann
121
haben sie gesagt, wir machen das anders, als es am Anfang vorgegeben war, wir
122
schauen, dass der eine da vorne die Kabel zuschneidet. Dann haben sie gesagt
123
beim nächsten Durchgang, aber gescheit wäre es, wenn wir die Kabel auf der linken
124
Seite grün machen, weil die haben eine bestimmte Länge, die anderen sind rot. D.h.
125
visualisieren von Dingen und ich sage es Ihnen, der Output wurde um ungefähr, ich
126
sage einmal, das 2 bis 2,5fache gesteigert, innerhalb weniger Stunden. Und jetzt
127
kommt die ganz große Erkenntnis, das Ganze hat nicht nur der Arbeitsverdichtung
128
gedient, wie zuerst die Betriebsräte auch angenommen haben, sondern die Leute
129
haben auch gemerkt, wenn wir uns die Arbeit super organisieren, dann geht sie uns
130
leichter von der Hand. Und da glaube ich, da war irgendwo ein springender Punkt
131
dabei. Dass es gute Nebeneffekte gab, weil wir haben es ja über die ganzen
durch
dieses
Schulungsprogramm
gegangen.
Und
dieses
46
132
Hierarchien
völlig
durchgemischt,
über
die
unterschiedlichen
Funktionen
133
durchgemischt, es gab so viele positive Nebeneffekte, ja jetzt habe ich den
134
kennengelernt, und den, von dem habe ich gar nicht viel gewusst, und, und, und.
135
Aber ich sage einmal, das wirklich, wir nennen es Dalli Klick, hat es im Gehirn
136
gemacht. Eine organisierte, standardisierte Arbeit und ich sage einmal das
137
permanente Optimieren, das bringt’s, Continuous Improvement.
138
139
I: War das eigentliche das erste Mal in dieser Form, dass die Mitarbeiter so
140
ermächtigt wurden, aufgefordert wurden, aktiv an diesen Prozessen teilzunehmen?
141
142
IP: Es war sicher in dieser Intensität, kann man sagen, einmalig. Vor vielen, vielen
143
Jahren ist bereits das Thema Innovations- und Ideenmanagement eingeführt worden
144
und immer wieder hat man natürlich über die Vorgesetzten, muss man auch dazu
145
sagen, die Sache ein bisschen getriggert, nach dem Motto, Freunde macht‘s
146
Vorschläge, eure Vorschläge sind willkommen, wir werten sie nicht gleich ab, als
147
übliche Brainstorming-Regel, und solche Dinge mehr. Aber ich sage, diese Sache
148
hat echt einen Schub ergeben und da merkt man halt ein bisschen auch den
149
Unterschied, ich sage einmal gehört, oder gesagt und getan. Das Bild, das hat
150
nachhaltig Spuren hinterlassen. Und was so wichtig ist, auf das lege ich immer Wert,
151
ich habe mir das auch ein bisschen notiert auf meinem Vorbereitungszettel, gibt es
152
noch Ideen oder Bemerkungen dazu? Ich sage, ein Unternehmen muss sich
153
gleichartig und gleichzeitig bewegen und was ich damit meine: Ich habe das Jahre
154
erlebt, Top-Management fährt nach St. Gallen, nächster Level bekommt ein Inhouse-
155
Seminar oder nur ein externes Seminar irgendwo an einem schönen Ort in
156
Österreich und die ganzen Player werden gerade mal im Haus 3 Stunden geschult –
157
nur und alles zum gleichen Thema, so wie das Projektmanagement. Und ich hab’s
158
erlebt, weil ich habe Jahre lang darüber referiert, was mir gesagt wurde. Das Top-
159
Management hat mir gesagt: Super haben Sie das vorgetragen, das sollten unsere
160
Mitarbeiter hören. Habe ich es mit den Mitarbeitern gemacht, haben diese gesagt:
161
ein Wahnsinn, klasse, das sollen meine Chefs einmal hören. Und daher sage ich, ein
162
Unternehmen muss sich gleichzeitig bewegen, sonst bewegen sie sich ja
163
auseinander und sie verstehen einander überhaupt nicht mehr. Und das ist, ich sage
164
einmal, für uns, ich sag es ganz ehrlich, ein riesen Schlüssel für uns gewesen in den
47
165
letzten Jahren, dass wir solche Programme wirklich gemeinsam gemacht haben,
166
jeder Mitarbeiter mitbeteiligt ist und heute noch beteiligt ist, weil wir diese Themen
167
fortgesetzt haben. Ich kann es ein bisschen erklären. Wir haben gerade heute eine
168
go-and-see Session gehabt, wo wir vom Management-Kreis einmal im Monat
169
ausströmen ins ganze Unternehmen und diese Whiteboards, wo diese Vorschläge
170
alle aufgeschrieben sind, eines hängt draußen im Vorzimmer bei mir, auch einmal
171
dort anschauen, mit den Leuten dort sprechen, wie geht’s euch? Wir lösen nicht
172
Probleme vor Ort, das sollen die Leute tun, aber gibt’s irgendwelche Hindernisse, wo
173
ihr glaubt, wir können euch vom Management helfen und die Dinge mehr. Und ich
174
sage einmal, es kommen dermaßen viele Besucher auch zu uns und jeder sagt, wie
175
habt ihr das gemacht? Und jetzt sage ich ganz hart etwas. Ich kenne renommierteste
176
Firmen, die machen es ungefähr, jetzt bin ich einmal ketzerisch, Management by
177
sage ich einmal Nilpferd – Maul aufreißen und untertauchen. Da gibt es irgendeine
178
Ansage von einem Vorstandsvorsitzenden oder sonst irgendeinem Guru und dann ist
179
er verschwunden und da sage ich, das ist genau unser Geheimnis, das bis zum
180
Vorstand die ganze Geschichte ganz gleichartig im Haus behandelt wird und ich
181
sage es nach wie vor, für mich ein Schlüssel. Sonst geht es nämlich los:
182
Hauptsache, wir müssen uns in der Produktion wieder anstrengen, damit die anderen
183
in den Büros ein schöneres Leben haben, und, und, und. Das ist weg, das Thema,
184
ab dem Zeitpunkt, wo auf allen, ich sage jetzt einmal, die gleiche Aufgabe und
185
gleiche Zielsetzung lastet.
186
187
I: D.h. da höre ich fast heraus, obwohl natürlich eine gewisse Hierarchie in der
188
Organisation besteht, wird sie aber durch diese, kollektive, ich nenne es jetzt einmal,
189
kollektive Anteilnahme, wird sie fast versinnbildlicht, verflacht.
190
191
IP: Ganz genau, finde ich exzellent, was Sie jetzt dazu gesagt haben, das gefällt mir,
192
das Wort. Weil ich sage immer wieder. Ich bin auch nicht der der sagt, wir brauchen
193
keine Hierarchie, wir brauchen ein Ordnungsprinzip. Es können 950 Leute nicht ohne
194
Ordnungsprinzip zusammenarbeiten, aber es wird genau durch die Dinge extrem
195
aufgeweicht, ob jemand als Hierarch erlebt wird, oder als einer, der genauso in dem
196
Programm darin steckt. Und auch dieser Practice-Ground-Lauf bei mir jeden
197
Donnerstag in der Früh, alle Mitarbeiter, die aus meinem Bereich da sind, da zerreißt
48
198
es fast das Büro, weil da hängt dann die Tafel bei mir im Raum. Da sehen Sie eine
199
2. Aufhängung hinten, da kommt das Flipchart runter und dann hängt das dann dort
200
auf den orange eingefärbten Dingen und dann wird raufgeschrieben, die ganz
201
trivialen Dinge: Wer, wann, was? Und wie oft scheitern wir an so banalen Dingen?
202
Wir haben jetzt eine Feedbackrunde gehabt nach einem Jahr ungefähr, weil ich bin
203
1 Jahr in etwa mit dem Ding jetzt konfrontiert und die Feedbackrunde hat ergeben, ja
204
wir haben früher auch viel gesprochen, und alles Mögliche vorgenommen, aber
205
irgendwie sind wir dann auseinander gegangen und keiner mehr hat so recht
206
gewusst, wer macht denn jetzt was und wann? Das haben wir jetzt nicht mehr. Und
207
daher sage ich, in diesen kleinen Schritten verbessern wir uns immer wieder und ich
208
sage immer, weil es kommt auch so bei den Fragestellungen vor, ich bin ein Freund
209
und ein Fan von den kleinstmöglichen Regelkreisen und sie kennen den schönen
210
Spruch: Ich liebe die gesamte Menschheit, aber nur meinen Nachbarn nicht oder wir
211
können nichts entscheiden, weil Brüssel, die Bundesregierung, die Landesregierung,
212
die Gemeinde und alle können miteinander nichts tun. Nur dass ich auch einen
213
Wirkungskreis habe, jetzt muss ich diesen zuerst einmal bedienen, unmittelbar. Aber
214
wie oft verstecken wir uns hinter diesen Plattitüden, wir konnten ja nicht, weil. Und
215
das haben wir einigermaßen geschafft, ich kann es nur ein bisschen an den
216
Reaktionen feststellen. Es waren sehr, sehr anerkannte Unternehmen bei uns auch
217
da, weil wir es da und dort natürlich ein bisschen publiziert haben und ein jeder sagt,
218
nein, es ist wirklich bei euch spürbar, dass es wirklich ein Ruck ist, in der ganzen
219
Mannschaft und nicht die Sache von irgendeinem Guru oder sonst wen.
220
221
I: Da würde ich gerne einhaken, auch weil es mich interessieren würde. Wie würden
222
Sie das Rollenbild Human Resources im Haus charakterisieren?
223
224
IP: Ich glaube, das kann ich charakterisieren. Wir haben irgendwo sagen wir ein
225
Mischbild aus mehreren Elementen. Ein Element und auch das leugne ich nicht, ich
226
habe gerade heute ein ganz dramatisches Gespräch mit einem Mitarbeiter gehabt,
227
der sich gewissen Substanzen hingegeben hat. Es ist auch niemand ganz gefeit von
228
diesen Dingen, aber wir haben ihm ganz klar, Betriebsrat, Betriebsarzt und ich,
229
aufgezeigt, wie die Eskalations-Maschinerie jetzt läuft. Und dort darf man keinen
230
Millimeter Spielraum geben, sonst ohne Konsequenz ist die Chance sowieso vorbei,
49
231
dass er aus der Schiene aussteigt. Ich bin auch Ordnungshüter als HR, ich bin
232
Gestalter, wenn ich sage, wir haben die ganzen Programme massiv mitgestaltet. Ich
233
habe alleine 3 Leute aus meinem Bereich, die als Moderatoren für dieses Change
234
Management ausgebildet und tätig sind und wir sind da und dort, würde ich einmal
235
sagen, Gestalter, Ordnungshüter und starke Mitbegleitung dieser ganzen Change
236
Management Prozesse. Ich bin auch Mitglied im Steuerkreis dieser Change
237
Management Prozesse und damit schon da drinnen eine starke Rolle, was aber nun
238
einen anderen Grund auch hat, ist vielleicht ein besonderer, weil nicht nur HR in
239
meinen Verantwortungsbereich gehört, sondern auch das Thema interne und externe
240
Kommunikation und da komme ich schon automatisch zu einem Punkt, weil es
241
einfach ein ganz massives Element ist, wie werden die Dinge kommuniziert? Und da
242
sage ich, es reicht halt nicht, wenn man das alle 2 Jahre einmal erwähnt, es ist Teil
243
der
244
Mitarbeiterinformationstage,
245
6
246
Personalführung hat, mit dabei ist. Und auch dort, sagen wir z.B., genau diese
247
Themen, wo ich immer ganz stark auf das Thema einwirke - „sense of urgency“. Ich
248
sage immer, es gibt nichts Eleganteres, als in jemanden irgendwo die Idee zu
249
wecken, es soll so sein, sonst laufe ich permanent hinten nach, wenn nicht jemand
250
selber zur Überzeugung kommt. Und dort liegt auch die Professionalität.
Werkszeitung,
Führungskräftedialoge
genauso
wie
im
Jahr,
wie
in
Intranet-Einträgen,
Führungskräftedialoge.
wo
jede
Führungskraft
Wir
im
wie
haben
Haus,
die
251
252
I: Würden Sie das dann auch als Treiber für diese Kontinuität sehen, weil ich glaube,
253
dass es die Tendenz wahrscheinlich als Mensch, als System hat, wie man es nennt,
254
ich glaube, in einen Normalzustand zurückkehrt.
255
256
IP: Genau. Ich suche gerade einen Begriff, den ich aufgeschrieben habe. Genau,
257
nämlich eine konkrete Frage von Ihnen: Wie würden Sie das Rollenbild von Human
258
Resources beschreiben? Ich habe geschrieben: Gestalter, Moderator, Spielmacher,
259
Ordnungshüter. Dies sind genau die 4 Begriffe. Und da glaube ich, dass HR eine
260
ganz große Rolle zukommt, weil ja wir einfach auch mit diesen Reaktionen auf der
261
einen Seite der Leute umgehen müssen und da sage ich auch etwas: wenn Leute
262
irgendwo Bedenken gegen irgendetwas haben, dann kann ich nur eines empfehlen,
263
Bedenken ernst nehmen, weil zu sagen, was bist Du denn für ein Zauderer, hast
50
264
leicht Angst um Deinen Arbeitsplatz, und all diese Killerphrasen, die helfen überhaupt
265
nichts. Und dies nenne ich ein bisschen Professionalität.
266
267
I: Hat sich dieses Rollenbild verändert, als Sie mit diesen Initiativen begonnen
268
haben?
269
270
IP: Das Rollenbild vielleicht nicht unbedingt, aber das Image hat sich verändert. Das
271
glaube ich sehr wohl, nämlich das Image, auch unserer Abteilung. Weil ich sage
272
einmal, machen wir uns nichts vor, für manche ist auch die HR-Abteilung ja eine
273
limitierende Abteilung, eine reglementierende und vielleicht ein Bürokraten-Job und
274
außer den Lohn- und Gehaltsabrechnungen tun sie eh nicht viel und hin und her.
275
D.h. es war für uns eine gute Gelegenheit, darum habe ich so geschaut, dass massiv
276
meine Leute auch vertreten sind, neben meiner Steuerungsfunktion in diesem
277
Programm und da glaube ich, dass es uns gelungen ist, auch vom Image her, ich
278
glaube eine Verbesserung herbeizuführen, das traue ich mir zu behaupten. Weil ich
279
sage immer einen schönen Spruch: Qualität liegt vor, wenn der Kunde zurückkommt
280
und nicht das Produkt. Ich habe so viele Anfragen bekommen: Könnten nicht Deine
281
Leute noch den einen oder anderen Practice-Ground, so nennen wir diese
282
Veransammlungen und Veranstaltungen, wo wir an diesen Whiteboards stehen,
283
flächendeckend im Betrieb in der Zwischenzeit, und es werden meine Leute sehr,
284
sehr nachgefragt. Das ist das schönste Zeichen, das mir passieren kann. Wenn ich
285
jetzt kurz einen Schwenk mache, z.B. in eine klassische Aufgabe, nämlich Rollenbild.
286
Sie werden mir Recht geben, dass es z.B. Controller gibt, die man fürchtet. Da zuckt
287
man schon einmal vor und man plant sowieso einmal 10% dazu, weil 5 fallen dann
288
eh weg, aber es bleiben mir immerhin dann 5 übrig, die vielleicht zu viel sind, aber es
289
gibt ja Controller, die in erster Linie vielleicht einmal fragen, was bringt das und dann
290
sagen, naja, und die Konsequenz ist, das man so und so viel investieren muss,
291
Kosten bereit in irgendwas. Und das sage ich jedem Controller, bitte fragt nicht
292
zuerst, was kostet denn das schon wieder, sondern kalkuliert einmal etwas durch, zu
293
dem seit ihr ja berufen und geschult und schaut einmal, was da rauskommt und dann
294
fragen wir als Konsequenz, was müsste investiert werden, was wären Kosten, die
295
anfallen, und, und, und. Es ergibt ein völliges anderes Bild bei euch, weil dann gehe
296
ich gern zu euch, und sage, wisst ihr was, ich habe eine Idee, machen wir das so
51
297
oder so, was sagt denn ihr dazu, ist das wirtschaftlich sinnvoll? Es ist etwas anderes,
298
als der Cost-Cutter der Nation, oder?
299
300
I: Da wäre das von Ihnen beschriebene Rollenbild in diesen Ausformungen aber
301
genauso anwendbar.
302
303
IP: Hundertprozentig, ja ganz klar. Wenn ich gerne zum Controller geh… und
304
dasselbe ist, wenn ich sage, jetzt muss halt jemand, der zu HR kommt, einen
305
Kanossagang machen, sondern er kann hier Unterstützung erfahren. Dann sage ich,
306
dann haben wir gewonnen, und wenn nicht, dann haben wir etwas falsch gemacht,
307
ich sage es ganz eindeutig. Und es gibt ja einen schönen Spruch: Wer keinen
308
Kunden mehr hat im Unternehmen, ist überflüssig. Das ist eine knüppelharte
309
Geschichte.
310
311
I: Diese 2. Dimension, wie ich das Rollenbild auch beschreiben möchte, ist doch ein
312
bisschen: Wie ist die hierarchische Zuordnung von HR innerhalb des Unternehmens
313
zugeordnet und die Teilfrage daraus, ob das relevant ist für diese Prozesse, wie HR
314
in der Betriebshierarchie zugeordnet ist im Sinne der Leitung, in ihrer Rolle?
315
316
IP: Ja, es ist so – HR ist in der 1. Berichtsebene, d.h. direkt berichtend an den
317
Vorstand. Wir sind eine AG und damit sage ich aber auch etwas dazu, das ist
318
natürlich schon eine Voraussetzung, um auch irgendwo natürlich, ich sage, gewisse,
319
sagen wir Funktionsautorität auch zu haben. Weil wenn ich heute im 3. Glied
320
irgendwo tätig bin, dann sage ich mir, der 7. Zwerg von hinten hat an und für sich
321
nicht ein großes Mandat. Daher ist da die organisatorische Aufhängung auch richtig
322
und was mich freut, ist auch das, weil ich sage, ich merke einfach auch, wie ein
323
Vorstand immer wieder zu mir kommt und sagt, du pass einmal auf, was könnten wir
324
denn da und da, was hältst Du davon, sollen wir dort international einsteigen oder
325
nicht, halten wir uns da eher aus der Geschichte, hätten wir die richtigen Leute? Da
326
sage ich, wenn er mich als Berater sieht für die Dinge, dann bin ich dabei, nicht nur
327
dass ich zum Vorstand rennen muss und sage, bitte darf ich mein Budget nächstes
328
Jahr zumindest halten, oder muss ich es um 10% kürzen? Das ist schon ein Punkt
329
und ich kann auch ein bisschen ein Beispiel dazu erzählen, weil es viele Jahre aus
52
330
ist, es war in meiner vormaligen Zeit in einem anderen Unternehmen, haben wir ein
331
Seminar gehabt und irgendwo hat uns dann der Seminarleiter ein bisschen hinters
332
Licht geführt und zwar hat er gesagt: Was bedeutet Macht für Sie? Und er hat es
333
aber so geschickt formuliert, so dramatisch, dass wir alle ein bisschen
334
eingeschüchtert waren und wollten das Thema Macht einfach nicht besonders
335
betonen, sagt er, gehen Sie ans Flipchart und tragen Sie auf dieser Achse ein, wo
336
Ihre Macht sozusagen zuhause ist. Wir haben uns überlegt, lang, bescheiden, und
337
dann hat er gesagt, wie wir fertig waren: Und was wollen Sie bewirken im
338
Unternehmen? Bumm, sind wir alle da gesessen mit langem Gesicht, waren wir alle
339
nicht ehrlich. Es stimmt einfach ganz eindeutig, Macht ist ja nicht nur etwas
340
Schlimmes, wenn man es einmal genau nimmt. Ich sage ja genau wie Kritik nicht
341
immer nur etwas Negatives ist. Manchmal muss ich sagen, sind wir froh, dass wir
342
Kritik bekommen, egal wie, aber es gibt da Begriffe, die sind besetzt. Hat dich
343
jemand kritisiert, meint er sicher nicht im Positiven, oder? Und mit Macht ist es
344
genauso, du brauchst schon Power, wobei ich immer sage, es genügt eine reine
345
Anordnungsautorität auf Dauer nicht.
346
347
I: Sie haben auch schon ein bisschen ausgeführt die Veranstaltungen, die Events,
348
die dazu im jährlichen Zyklus, in verschiedenen Zyklen diesen Prozess am Laufen
349
halten oder auslösen, um ein bisschen auf diese Personalentwicklungsthematik
350
überzuschwenken. Haben sich, auch wieder mit dieser Lean Einführung, die
351
Personalentwicklungsmaßnahmen, haben sich die verändert, oder wurde etwas
352
adaptiert oder ist etwas Neues hinzugekommen oder hat es einen Einfluss gehabt?
353
354
IP: Diese Frage ist nicht nur gut, sondern diese Frage ist für mich eminent wichtig.
355
Weil würden wir darauf nicht reagieren, oder hätten wir nicht reagiert, dann würde ich
356
sagen, möglicherweise Rekrutierungen betreiben, die nicht ganz zielgerichtet sind,
357
würden interne Weiter- und Ausbildungsprogramme betreiben. Wir müssen genau
358
unter diesen Gesichtspunkten, wer kann diese Lean-Organisation fahren, die Leute
359
natürlich, ich sage jetzt einmal ausbilden, auch in Stellung bringen und da sind nicht
360
alle gleich. Es gibt Leute, wo ich sage, die sind nicht unbedingt für die 1. Reihe
361
geschaffen, sind wir froh, dass wir so viele haben, die eine gedeihliche Arbeit
362
machen und nicht den ganzen Tag in den Löchern scharren, aber sind wir jetzt dabei
53
363
und bei uns gibt es ganz klares Element in der Führungskräftebewertung. Wie geht
364
diese Führungskraft mit Change Management um? Ist das eine Lead-Figur? Und
365
jetzt gibt es den schönen Begriff, ich weiß nicht, wer ihn geprägt hat, vielleicht kommt
366
er aus dem anglikanischen, „Leaders have someone, who have followers“. Das heißt,
367
das sind die Fahnenträger und denen geht man nach und sagt, mit dem marschiere
368
ich, ich habe Vertrauen, das berühmte Analogiebeispiel vom Bergsteigen, der
369
Bergführer, der kann nicht hinten gehen und jeden in den Hintern treten, er muss
370
einfach dort signalisieren, dass er den Weg kennt, das er die Leute einfach
371
begeistern und motivieren kann und daher hat sich bei uns, ich sage sogar,
372
massives, geändert. Ich sage Ihnen ein ganz konkretes Beispiel. Es waren 4
373
Besetzungen in den letzten 3 Jahren für unsere ganzen Channel-Manager,
374
Strukturen
375
unternehmenseigen ist, nachdem das Unternehmen Teil eines internationalen
376
Konzerns ist, haben wir Englisch als Konzernsprache. Und damit diese Funktionen
377
einigermaßen vergleichbar sind, weltweit, haben wir uns auf diese Nomenklatur
378
geeinigt.
379
Linienverantwortlicher in einer Fertigung und dort haben wir ganz genau, ich sage,
380
auf diese Attribute geschaut, soziale Kompetenz und Wirkung der Persönlichkeit. Wir
381
haben im Mitarbeiterhaus so 4 Grundelemente, das eine ist, wo wir sagen:
382
Signalisiert
383
unternehmerisches Denken und Handeln, oder ist er jemand, der sagt, naja, bis
384
daher, aber dann ist Schluss und nicht mehr mit mir. Dann haben wir als
385
2. Hauptelement das Thema fachliche Kompetenz. Die hat so in etwa 2
386
Unterteilungen: Das ich sage, es gibt eine allgemeine Fachkompetenz, jetzt könnte
387
man als Beispiel sagen, guter Finanzer, guter Controller, guter Techniker, guter IT-
388
Mitarbeiter, aber es gibt auch eine spezifische, und zwar konkret auf eine Stelle
389
bezogen. Könnte ich sagen guter Techniker, aber auf die Stelle Konstruktion würde
390
ich ihn nicht setzen, weil Konstrukteur ist er keiner. Dann haben wir das 3. Element,
391
wo wir sagen, das ist die soziale Kompetenz und da kann man sagen, wie zeigt sich
392
die als Führungskraft, jetzt ist aber nicht jeder Führungskraft, als Kollege, als
393
Teammitglied, Projektmitglied, usw. Und dass sind Dinge, wo ich sage, genaue
394
dieses Element und die Wirkung der Persönlichkeit, die haben wir ganz massiv
395
stärker betont, weil wir sagen, wenn wir diese Multiplikatoren haben, dann kommen
in
In
der
Produktion.
anderen
jemand
Channel-Manager
Betrieben
oder
weiß
würde
man
man
auch
da
ist
ja
sagen,
der
Begriff,
Meisterei
Bescheid,
das
der
oder
Thema
54
396
wir dann dorthin, was ich mir hier unten aufgeschrieben habe, als wirklich ganz
397
massive Empfehlung. Wenn die Führungsqualität gut ist und die Führungskultur,
398
dann haben wir viele Probleme von Haus aus nicht. Und da brauche ich soziale
399
Kompetenz und Wirkung der Persönlichkeit.
400
401
I: Also dieser Leadership-Aspekt ist ein ganz ein wichtiger Punkt.
402
403
IP: Ganz ein wichtiger Punkt, absolut. Sie können sonst die Dinge, so wie wir so
404
gesehen Multiplikatorverfahren im Unternehmen nicht durchsetzen, wenn sie lauterer
405
Zauderer irgendwo haben, oder ich weiß nicht, ob Sie den Reinhard Sprenger
406
kennen von der Literatur. Ich hatte das Glück, weil ich seine Literatur exzellent
407
wirklich kenne und ihn auch schätze, natürlich überzeichnet er genauso wie alle
408
anderen, ihn kennenzulernen. Und der Sprenger hat es gesagt: der beste
409
Schraubendreher der Abteilung wird Leiter der Abteilung, 2 Effekte, in der Regel sagt
410
er, ein guter Schraubendreher weniger und eine schlechte Führungskraft mehr.
411
Wenn er nicht Führungskraft ist. Und wir machen jetzt sehr, sehr viele Programme,
412
die den Mitarbeitern auch zur Orientierung dienen, ob die Expertenlaufbahn oder die
413
Führungslaufbahn geeignet ist. Das passiert bei uns in diesem Radar-Screen
414
Programm, Radar-Screen ist jetzt eine Symbolik, da geht der Radarstrahl durchs
415
Unternehmen und mit der Bitte an alle Führungskräfte, nennt uns Leute, die
416
irgendwie auffallen, vielleicht in die oder die andere Richtung. Dann gedeihen wir
417
ihnen auch die Orientierung an, dieses HDI-Profil und dann ist, glaube ich vielen
418
Fällen, auch schon ein bisschen der Groschen gefallen, na ja, es ist zwar recht und
419
schön, Führungskraft vielleicht anzustreben, aber bin ich es wirklich. Und umgekehrt,
420
wir von der Organisationsentwicklung müssen massiv darauf schauen, und wir sind
421
am besten Weg dazu, dass wir von einem Beispiel wegkommen: dass man bei uns
422
nur in hohe Gehaltsklassen kommen kann oder in die hohe Hierarchie, wenn man
423
Führungsaufgaben hat. Ich sag Ihnen ein Beispiel von einem anderen Unternehmen.
424
Dort war auch das Thema Abteilungsleiter und Referent, so. Der Referent war so
425
deutlich
426
Dienstfahrzeuge und die Dinge, angesiedelt, dass einige Leute, Spitzenleute, die es
427
paar Mal in Europa gegeben hat, vielleicht zum Thema Abgastechnologie, das
428
Unternehmen verlassen haben, weil sie einfach gesehen haben, dass sie als
unter
dem
Abteilungsleiter,
gehaltlich,
oder
andere
Zutaten
wie
55
429
Referenten, als Fachspezialisten keine Chance auf eine Top-Hierarchie, oder auch
430
Top-Einkommen haben und da passieren massivste Fehler. Und dies machen wir
431
begleitend heute anders.
432
433
I: Da haben Sie nun schon hinübergeleitet, was Sie unter diesem Begriff
434
Karrieremanagement oder Laufbahn verstehen. D.h. das hat sowohl auch in diesem
435
Kontext eine Auswirkung gehabt?
436
437
IP: Absolut, ganz eindeutig.
438
439
I: Wie sich das jetzt entwickelt oder wie Sie die Laufbahn innerhalb des Hauses in
440
ihren verschiedenen Bereichen gestalten.
441
442
IP: Genau, vielleicht ein Punkt, dem wir sicher eine Veränderung gebracht haben. Ich
443
habe es einmal bezeichnet, ich möchte, wenn wir Leute, sage ich jetzt von der
444
Organisation her, sage ich, in hochwertige Positionen nehmen, möchte ich eine
445
breite
446
Kaminaufstiege im jeweiligen Fachbereich. Und das hat einen Sinn, weil ich sage
447
einmal erstens ist dadurch ein gewisses Rotationsprinzip überhaupt möglich, wenn
448
Leute akzeptiert sind. Weil, wenn einer sagt, den Mitarbeiter kannst Du Dir behalten,
449
der interessiert mich überhaupt nicht, mit dem kannst Du gut, aber sonst niemand,
450
dann werde ich wahrscheinlich auch nie irgendeine andere Aufgabe übernehmen,
451
um damit auch Verständnis über andere Bereiche zu gewinnen und das hat für
452
meine Begriffe jetzt ganz gut funktioniert in den letzten Jahren und wir haben
453
dadurch auch Leute schon jetzt kreisen lassen, nicht negativ, sondern die sich
454
wirklich eine breite Akzeptanz schaffen konnten und dann haben wir gewonnen, weil
455
dann haben wir genau die Leute, die jetzt einmal a) diesem Bild entsprechen, das
456
sind Fahnenträger, das sind Change-Manager und, und, und das sind aber dann
457
auch wirkliche Führungskräfte, wie man sie für solche Programme braucht. Wann Sie
458
da Führungskräfte haben, die aus falscher Loyalität agieren und dann folgendes tun:
459
Irgendwo im Management sitzen, dort werden Dinge, sage ich jetzt einmal
460
aufgesetzt, halt aus Wettbewerbsgründen, welche wichtig sind, allerdings Schmerzen
461
verursachen und der kommt dann zum Bereich zurück und sagt: Wisst ihr eh, ich
Tragfähigkeit
dieser
Leute
erreichen
und
nicht
diese
berühmten
56
462
muss euch jetzt ganz etwas Trauriges sagen, ich würde es ja eh nicht tun, aber. Da
463
ist bei mir der Ofen so was von aus, ich sag’s Ihnen Herr Oswald, das glauben Sie
464
nicht. Ich bin ein recht netter Mensch sagt man immer, aber irgendwann, wenn der
465
Punkt eintritt, dass sich Führungskräfte hinter diesen Dingen verstecken, hinter
466
anderen und es nicht so kommunizieren. Wir haben eine Spielregel bei uns im Haus,
467
wir haben Vetorecht während der Sitzung, während des Meetings, wenn wir dann
468
hinausgehen, dann haben wir einen Schulterschluss, dass kein Blatt Papier zwischen
469
uns reinpasst. Wo das nicht passiert, da können unser Vorstand und ich sehr, sehr
470
unangenehm werden. Und das halte ich für eminent wichtig, sage ich Ihnen, weil das
471
sind so ein bisschen die Durchlavierer, ich würde ja nicht, aber ihr wisst es eh, der
472
Chef und die Konzernleitung und Gott und die Welt, nur ich nicht. Das sind keine
473
Führungskräfte.
474
475
I: Da betonen Sie, höre ich da so heraus, diesen Aspekt, dieses, man schließt ja fast
476
eine Vereinbarung, wenn man hier in einem Meeting, in einer Sitzung, auch wenn
477
man den Mitarbeiter anspricht, im Prinzip ist es eine Art Pakt oder Vereinbarung, die
478
man ja dann trifft?
479
480
IP: Genau das ist es. Was glauben Sie, was passiert, wenn heute die Führungskraft,
481
ich sage jetzt z.B. dieses Thema Practice-Ground, das wir im ganzen Haus etabliert
482
haben, wie gesagt, inklusive aller administrativen Bereiche, wo die Mitarbeiter
483
beieinander stehen und jetzt sage ich etwas dazu. Natürlich gibt es dazu am Beginn
484
Stimmen, die dazu sagen: verstehe ich nicht, das ist doch eh Tagesaufgabe, das
485
haben wir immer schon gemacht, was ist denn da neu? Und dann sagt die
486
Führungskraft nichts, weil es halt unangenehm ist, jemanden dagegenzureden, oder
487
ob der dann sagt, he Freunde passt auf, so wie es jetzt bei mir passiert ist, wir haben
488
ziemlich genau eine Feedback-Runde, die ist keine 14 Tage her und dann sind wir
489
hier im Büro gestanden und ich habe es vorher schon gesagt, da haben viele aus
490
meinem Bereich gesagt, nein, wir haben oft darüber gesprochen, aber jetzt haben wir
491
es wirklich systematisch in der Verbesserung und heute trauen wir uns sagen,
492
kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Oder wenn er dort steht und sagt, na ja, ihr
493
wisst eh, mein Gott, wir habe es eh schon früher genauso gemacht. Man darf das
494
bisherige würdigen, aber man muss das neue schon vertreten, oder? Wann ich dann
57
495
sage, ihr wisst eh, seid gescheit, weil sonst kommt einmal der Vorstand vorbei und
496
dann hat es euch, da ziehe ich mich völlig aus der Verantwortung und das kann nicht
497
passieren. Und das sind lauter Dinge, ich habe jetzt ein bisschen ausgeholt, eine
498
große Rolle, wenn sie sagen, hat das Auswirkungen gehabt, dann sage ich, massive,
499
weil wir haben uns früher, ich gebe es wirklich zu, ich meine, ich bin nicht so lange im
500
Haus, jetzt werden es 5 Jahre im Oktober, aber es ist schon so ein bisschen, über
501
diese wie man sagt, die Kaminentwicklung gewesen, innerhalb der Produktion und
502
da und dort und man hat vom anderen nicht besonders viel gewusst und irgendwann
503
sind auch wir dem Peter-Prinzip zum Opfer zu gefallen, Beförderung bis zur
504
Inkompetenz. Das ist schlimm, weil in der Rolle und in der Haut möchte ich nicht
505
stecken, die sich nicht mehr wohl fühlen, aber nie sagen getraut haben oder vielleicht
506
die methodische Unterstützung nicht bekommen haben, dass sie am Irrweg sind und
507
ich sage immer wieder, Führungskraft zu sein, ist ein bisschen mehr, als vielleicht ein
508
Zertifikat, wie es dort hinten an der Wand steht, zu überreichen. Es ist etwas
509
anderes, ich habe mir das heute in der Früh gedacht, weil ich sage, so eine Rolle, die
510
muss man einmal irgendwo natürlich erstens vorbereiten, aber auch glaubwürdig
511
durchziehen, weil wenn nicht mit höchster Konsequenz und schon fast ein bisschen
512
brutal im Ausdruck die Dinge passieren, passiert nämlich gar nichts.
513
514
I: Was Sie auch jetzt öfter angesprochen haben, wenn ich dies richtig verstehe,
515
betonen Sie auch sehr wichtig dieses Thema Verständnis für Veränderung?
516
517
IP: Ja, absolut.
518
519
I: Veränderung begleiten und Bewusstsein für Veränderung zu entwickeln und das
520
höre ich so heraus, sehr, sehr stark präsent zu haben.
521
522
IP: Absolut. An dem führt kein Weg vorbei. Ich sage es immer wieder, wenn die
523
Sinnstiftung nicht passiert! Dasselbe könnte ich jetzt schon in der Analogie sagen,
524
vielleicht ist das schon 1. Aufgabe im Elternhaus einmal, den Kindern irgendeine
525
Sinnvermittlung gibt, weil ich höre immer mehr, also der hat irgendwo die
526
Orientierung verloren, und der hat in jungen Jahren schon keinen Sinn mehr fürs
527
Leben entdeckt und, und, und. Da haben wir aber ein Problem und ich sage einmal
58
528
genau für Veränderungen ist es noch wichtiger, Sinn zu stiften, weil der Mensch
529
natürlich gewisses Beharrungsvermögen hat und dort, wo seine Komfortzone bisher
530
war, lebt es sich sehr angenehm. Die Komfortzone zu erweitern, vielleicht sogar zu
531
verlassen, na dies liegt dem Menschen, aber nicht jedem. Es gibt ja auch
532
Abenteurer, die es sowieso keine 2 Tage irgendwo aushalten, aber in der Regel
533
behaupte ich, das kann kein Selbstläufer sein. Da braucht es garantiert ein paar
534
solche Leuchttürme, das ist so. Und die müssen aber dann schon quer übers
535
Unternehmen präsent sein, weil sonst kommen die Programme raus, die wir zur
536
Genüge kennen, irgendein Vorstand sich was eingebildet hat, aber die 6.000
537
dahinter nicht.
538
539
I: Weil Sie die Leuchttürme jetzt ansprechen. Sie haben das Leadership betont, die
540
Führungskraft, dieses Verständnis für Change.
541
542
IP: Ja.
543
544
I: Gibt es darüber hinaus auch so eine Art Coaching oder Mentoring, eben weil Sie
545
sagen, nicht nur jetzt vielleicht die Leuchttürme der Führungskraft, aber um diese
546
Durchdringung zu gewinnen?
547
548
IP: Ja, wir haben Mentoring-Programme im Haus und die haben wir schon, sagen wir
549
einmal, bis zu den Lehrlingen. Wir haben für die Lehrlinge Mentoren, wir haben z.B.
550
auch Führungskräfte im Haus als Mentoren eingesetzt, in der Zusammenarbeit mit
551
einer, ich nenne es, zusammen mit einer Produktionsschule. Dies ist eine Anstalt, die
552
Leute so zwischen 16 und 24 Jahren in das normale Berufsleben integrieren möchte.
553
Das sind Leute aus zerrütteten Familienverhältnissen und, und, und. Und sogar dort
554
haben wir Führungskräfte, um deren soziale Kompetenz zu erweitern, dort im
555
Einsatz. Wir nennen das Programm Social-Exchange. War übrigens auch ein Punkt,
556
warum wir eine Auszeichnung in der Richtung bekommen haben, weil es ein völlig
557
ungewöhnlicher Weg ist. Jetzt sage ich Ihnen nur ein Ergebnis. Wir haben 3, 4 aber
558
wirklich von unsere toughen Channel-Managern dort hingeschickt. Nach 3 Tagen, die
559
haben gesagt, also was wir hier im Unternehmen als Problem bezeichnen, da hat
560
kein Mensch eine Ahnung, wann Du mit Leuten zu tun hast, die nicht wissen, oder
59
561
überhaupt keine Idee haben, dass man irgendwann einen Arbeitsbeginn um 8.00 Uhr
562
vereinbaren kann, der heimgeht, wenn es ihn nicht mehr freut, der durch gewisse
563
andere Substanzen illuminiert durch die Gegend läuft, diese Ohnmacht, die dort
564
einsetzt, hat er gesagt, ist ja da hier im Unternehmen ein Kinderspiel. Nur als ein
565
Beispiel dazu, was da durchaus lehrreich war, würde ich auch einmal sagen. Und
566
Mentoren stellen wir immer auch bei, wir haben 3, 4 ganz exzellente Leute, 2 davon,
567
die habe ich ins Unternehmen „eingeschleppt“ aus meinen frühen Tätigkeiten, wo ich
568
sage, die verdienen den Namen. Es gibt ja auch genug Gaukler und sonstige, die
569
halt sagen, ich mache mich schnell einmal selbständig. Meine Mitarbeiter sind in der
570
Lage, Dinge wirklich so aufzuarbeiten, dass für die Leute einfach eine massive
571
Stütze und ein Gewinn rauskommt. Und da geht’s um 2 Dinge: Irgendwo auch die
572
Konsequenz, die Dinge, den Dingen auf den Grund zu gehen und wir sagen immer,
573
die Ursachenforschung hat 2 Elemente: sie braucht Methodik und sie braucht
574
Konsequenz und Zeit. Das kennen wir aus vielen Lebensbereichen, dass es
575
manchmal sehr mühsam ist, die Ursache zu finden. Mit den Symptomen sind wir sehr
576
schnell konfrontiert und haben auch gleich eine Therapie bei der Hand, aber die
577
passt halt nur dann, wenn die Ursache wirklich die ist und nicht eine andere.
578
579
I: Ich habe, wo habe ich das geschrieben, dieser Aspekt, ist es eher eine kultur- oder
580
eine werkzeugorientiert, habe ich mir gerade überlegt, weil wir ja möglicherweise mit
581
Lean als allererstes immer an die ganzen Lean-Tools denken?
582
583
IP: Genau.
584
585
I: Aber Sie haben doch sehr ausführlich diesen, ich nenne es jetzt mal so, kulturellen
586
Teil, diesen grundlegenden Teil…
587
588
IP: Ja.
589
590
I: … diesen nicht sichtbaren Teil, der aber möglicherweise sehr wichtig ist, betont. Es
591
gibt dann schon diese Umsetzungstools an sich, aber wenn ich jetzt das Gespräch
592
so ein bisschen zurückblicke, ist das einfach, höre ich diesen sehr, sehr großen
593
Anteil…
60
594
595
IP: Ich sage Kultur vor Tool. Tool brauchen wir hundertprozentig. Da bin ich ganz fest
596
dabei, aber ich sage, wenn die Kultur nicht passt und genau dieses Verständnis nicht
597
da ist, der Umgang mit Veränderungen, mit Einsprüchen, mit irgendwelchen, ich
598
sage jetzt einmal Dingen, ja, die halt Mitarbeiter betreffen, weil man darf nie
599
vergessen, es gibt so viele Dinge, die machen für die Allgemeinheit und im großen
600
Stil Sinn, aber vielleicht für den Einzelnen nicht, oder erzeugen beim Einzelnen
601
irgendeine Befangenheit, eine Angst, eine Irritation, da ist der professionelle Umgang
602
wichtig und da sage ich, das ist mehr kultureller Teil, als sage ich jetzt einmal,
603
irgendein Werkzeugteil. Dass ich heute Six Sigma nach einer knüppelharten
604
Methodik abfahre, ist ganz klar. Ein Projektmanagement ist ein Tool, aber ich habe
605
seinerzeit immer wieder gesagt, und ich würde mich heute korrigieren, wenn ich über
606
Projektmanagement referiert habe, habe ich auf die Tafel geschrieben als allererstes:
607
Projektmanagement ist 50% Werkzeug, 50% konsequentes Handeln und 50% ist es
608
auch kulturelle Sache, Psychologie. Dann haben die Ersten gesagt, aber das sind ja
609
150%, sage ich, genau, d.h. schon einmal, das ist etwas Besonderes. Heute würde
610
ich sagen, dass die Psychologie mindestens 70, 80% ist, weil genau an diesen
611
Dingen so viele Sachen scheitern und ich sage Ihnen nur ein Beispiel und ich habe
612
so oft recht bekommen: Was glauben Sie, was passiert, wenn heute ein, ich sage
613
jetzt einmal, ein sehr unnahbarer Vorstandsvorsitzender einen Mitarbeiter holt. Herr
614
Sowieso, ein Projekt, ich habe Sie da vorgesehen, Sie haben das locker im Kreuz,
615
und, und, und, gibt ihm irgendeine halblustige Projektdefinition. Was passiert, wenn
616
die Distanz zwischen den 2 zu groß ist. Traut sich der nachfragen, um einen Auftrag
617
zu präzisieren? Der geht von dannen, fängt dann irgendwie zum herumschustern an,
618
irgendwann kommt die 1. Präsentation, dann sagt der, aber so ist das eigentlich
619
nicht. Da fragt er noch nicht, wie es eigentlich sein sollte, das meine ich mit Kultur
620
und ich sage Ihnen, was ich jetzt gesagt habe, das ist nicht aus der Luft gezogen.
621
Solche Dinge gibt es. Es gibt heute noch so viele Chefitäten, wo die Leute schon
622
vorzucken, bevor sie überhaupt bei der Tür hereinkommen. Wissen Sie, was mir
623
einer gesagt hat, vor nicht allzu langer Zeit in Deutschland. Er hat einmal gesagt bei
624
einem Kongress: Kennen Sie einige der deutschen Vorstandsvorsitzenden der DAX-
625
geführten Unternehmen? Dann hat er gesagt: Wenn Sie jemanden kennen, der noch
626
herzhaft lachen kann, schicken Sie mir ein Foto von ihm. Bis heute habe ich keines
61
627
bekommen und das drückt was aus, was der sagt. Und da sind wir. Pfff, die
628
Ellbogen, sage ich einmal, in den Fingerspitzen und, und, und. Und das sind Dinge,
629
die haben so massiv mit Kultur zu tun, wie nur etwas. Und daher sage ich, wenn ich
630
mir überlege, welche Projekte da und dort gescheitert sind und immer wieder
631
scheitern, weil nicht einmal der Auftrag klar ist, aber weil man sich nicht einmal traut,
632
dass man irgendjemand anspricht. Die so auf Hierarchie spielen, die sind so
633
unnahbar, dass nicht nachgefragt werden kann, was überhaupt los ist.
634
635
I: Ich wollte gerade ergänzen, das ist genau diese Hierarchieachse, die hier so in
636
einer ganz starken Form… Positionsautorität.
637
638
IP: Das ist nur die Positionsautorität, und wenn nur die da ist, dann sage ich, ist es
639
schlecht, dann ist man zu wenig dran. Daher sage ich, Sie haben es blendend
640
formuliert vorher mit dem Thema Kultur und Werkzeug. Ich streite nicht ab, dass wir
641
Werkzeuge brauchen, aber ich sage, die Werkzeuge können eine fehlende Kultur
642
schon überhaupt nicht ersetzen. Ich behaupte sogar umgekehrt, dass vielleicht, ich
643
sage einmal, eine taugliche Kultur einige Werkzeuge vielleicht gar nicht notwendig
644
erscheinen lasst. Das ist schon eher der Fall, aber ich bin schon dafür und wir haben
645
es ja auch in unserem Standardisierungsprogramm auch, dass wir einfach, ich sage,
646
Dinge, sage einmal, konsequent einfach durcharbeiten, und wir sind, wie unser
647
Konzern-CEO sagt, wir sind auch eine Six Sigma-Company. Und das ist ja etwas,
648
dass man nach außen mit verkaufen kann.
649
650
I: Ich würde Sie noch gerne, nachdem der Begriff so in dieser Zusammensetzung, ich
651
habe ihn in der Literatur nicht gefunden, bis auf ein einziges Buch einer
652
Amerikanerin, die zufälligerweise aus Michigan stammt und die den Begriff Lean
653
Human Resources auf ihr Buch getitelt hat. Und ich würde Sie einfach gerne fragen,
654
was Sie unter dem Begriff Lean Human Resources verstehen?
655
656
IP: Na ja, unter Lean Human Resources würde ich jetzt einmal folgendes verstehen,
657
dass die Human Resources-Abteilung oder die Vertreter dieser Abteilung die Dinge
658
mitbegleiten können, die heute ein Lean-Unternehmen ausmachen, weil ich kann
659
nicht sagen, ich habe ein Lean-Abteilung, aber eigentlich bin ich eh in einem Umfeld
62
660
tätig, das alles andere als Lean ist, könnte theoretisch schon möglich sein, glaube ich
661
aber nicht. Das heißt im Klartext, ich brauche Leute, die genau das alles verstehen,
662
was zu Lean notwendig ist, weil würde ich Leute haben, die sagen, aber das haben
663
wir noch nie so gemacht und ich weiß nicht, warum machen wir da überhaupt mit und
664
das ist ja Sache der Produktion, von irgendwem aber nur von uns nicht. Dann bringe
665
ich sicher nicht diese Begleiter auf den Weg, die ich heute habe, die im Haus hoch
666
anerkannt sind, und die gewünscht werden als Begleiter, als Change Manager und,
667
und. Das ist mein Verständnis, dass ich in der Lage bin, weil machen wir uns nichts
668
vor, es gibt auch HR-Abteilungen, die als reine Administration betrachtet werden. Die
669
sagen eigentlich, aha, und wenn Du einen Krankenstand brauchst, dann gehst Du
670
dort hin und wenn Du einen Pflegefreistellung brauchst und spätestens dann, wenn
671
Du in Altersteilzeit und in Pension gehst, aber sonst sind sie irgendwelche
672
verstaubten Typen, die vielleicht auch noch ein Schild drauf haben, Mittwoch 11.00
673
bis 12.00 keine Amtsstunden, gibt’s alles, habe ich auch schon erlebt. Das sind
674
Dinge, da sage ich, da geht es mir eher darum, dass ein Lean-Verständnis in meiner
675
Mannschaft ist und das ich nicht selber auch das Gegenteil repräsentiere, indem ich
676
vielleicht eine üppige Abteilung habe, oder sonst was. Ich brauche dynamische,
677
pfiffige, wendige Leute. Dann sind wir dabei, Lean begleiten zu können, sonst kann
678
ich nicht. Weil sonst haben wir wieder den Zustand, es ist alles andere dynamisch,
679
nur wir nicht. Ähnliche, ähnliche, würde ich einmal sagen, Stati, haben ja oft auch
680
Finanzabteilungen, die Zahlenklamüserer, die Bohnen- und die Erbsenzähler und,
681
und, und. Und sage ich, da muss sich das Bild auch ändern, weil sonst haben wir
682
irgendwann ein Problem, dass wir uns auseinanderentwickeln.
683
684
I: D.h. da fällt mir jetzt auch das Wort dazu ein, d.h. es ist ja eigentlich nicht nur
685
relevant, zu sagen, es ist über die Hierarchie im gesamten Haus, wie wir gesagt
686
haben, an einem Strang ziehen, durchgehend, dann ist es ja auch in der
687
horizontalen, also in den Geschäftsbereichen bis hin zu den Stäben, genau auch auf
688
dieser Ebene?
689
690
IP: Was mir z.B. noch einfällt, jetzt als Beispiel für Lean Human Resources. Wir
691
haben ein Qualifizierungskonzept in der Produktion. Das sieht so aus: Im Maximum
692
kann jemand, der dann in der Top-Lohngruppe ist, 9 unterschiedliche Maschinen
63
693
bedienen, das ist fast zufällig so eine 9er Matrix. Beginnen wird jemand, der z.B. bei
694
uns als Lehrling ausgelernt hat und die Facharbeiterprüfung macht, natürlich einmal
695
mit 1, 2. Und dann kann er sich über die Dinge hochqualifizieren und jetzt haben wir
696
folgendes festgestellt. 2009 hatten wir über 30% Produktionseinbußen wegen der
697
Wirtschaftskrise, haben das Ganze natürlich einerseits mit Hilfe der Leasingkräfte,
698
aber andererseits durch eine interne Mobilität und Flexibilität kompensieren können,
699
weil wir genau die Leute, die hochqualifiziert waren, in der Mehrmaschinenbedienung
700
kreuz und quer in der Produktion einsetzen konnten. Da sage ich z.B. das ist ein
701
Beispiel für Lean Human Resources. Nicht dass ich sage, die einen haben jetzt
702
zufällig keine Arbeit und die anderen haben zu viel, ja, aber wir können uns leider
703
nicht gegenseitig helfen oder austauschen, weil jeder für sich die Ressourcen
704
irgendwo definiert hat. Wir haben 127 Leute, ich weiß es auswendig, weil ich es in
705
einen Bericht hineingeschrieben habe, an die Gruppe damals, für den Jahresbericht,
706
umgesetzt in der Zeit, das heißt auf einen anderen Arbeitsplatz gebracht, weil sie
707
durch die Ausbildung, Qualifikation dazu fähig waren. Das nenne ich Lean Human
708
Resources. Irgendwo jeder für sich, dann schauen wir halt einmal, wie es dem
709
nächsten geht, wir tun schon mal vorsichtshalber nix für den, da sind wir aber wieder
710
bei der Kultur. Ist das etwas, wo man dann sagt, die Leute werden brutal versetzt,
711
oder kann ich den Leuten erklären, dass man durch diese Maßnahmen die
712
Stammmannschaft halten konnte und keine Stammmitarbeiter kündigen mussten. Ich
713
sage Ihnen noch ein Beispiel. Wir hatten eine gewisse Jahresprämie aus dem Jahr
714
2008 pro Mitarbeiter zur Verfügung. Wir haben ein Drittel ausbezahlt und haben den
715
verbliebenen Anteil in Zeitguthaben gewandelt. D.h. wir haben einfach Zeit aus der
716
Produktion nehmen müssen und der Betriebsrat und ich haben gleichartig dies den
717
Leuten kommuniziert, es dient ja eigentlich dem Erhalt der Arbeitsplätze hier, und da
718
waren einige dabei, ganz wenige muss ich sagen, wo der Betriebsrat denen über den
719
Mund gefahren ist. Da hat einer wortwörtlich gesagt, zum Betriebsratsvorsitzenden:
720
Herr Sowieso, wissen Sie, ich habe jetzt schon ein Problem, mit den freien Tagen
721
kann ich leider nicht einkaufen gehen. Hat er gesagt, ok, Dir schauen ohnehin die
722
Euros aus den Augen, hat er gesagt und denke einmal ein bisschen nach, was es
723
bedeuten würde, wenn man auch nur 20, 30, 40, 50 Leute freisetzt – ist Dir das egal?
724
Und da sage ich, dann haben wir beim „sense of urgency“ glaube ich, das richtig
725
gemacht.
64
726
727
I: Es ist diese Hinterlegung, die Sie ansprechen, auch die Dinge zu artikulieren,
728
transparent zu machen, zu hinterlegen, begründen will ich es gar nicht nennen,
729
begründen ist so der Begriff, einen Grund finden. Aber einfach, nicht einfach nur als
730
Aktion im Raum stehen zu lassen.
731
732
IP: Genau, dann hätte jeder gesagt, sie haben es natürlich von der Analogie herleiten
733
können, wir haben die Jahre zuvor ja auch gut verdient, und dann haben sie gesagt,
734
naja, wenn es voriges Jahr so viel gegeben hat, wird es heuer so viel geben. Wenn
735
wir
736
Betriebsversammlungen gemacht, was hätten sie dann gesagt? Na heuer hat es nur
737
so und so viel Euro gegeben, voriges Jahr das dreifache, sind die wahnsinnig, wo wir
738
so ein Ergebnis gehabt haben, damit haben wir das 9er Jahr gesichert, nämlich um
739
nicht in Kündigungen zu gehen. Und so funktioniert es im Endeffekt ja, ich sage, das
740
was wir Arbeitsplatzsicherung nennen, weil ich sage ganz klar, eine logische
741
Konsequenz, wann ich immer höre, wer alles Arbeitsplätze sichert in Österreich,
742
sage ich, da schaue ich gerne zu, wie macht ihr das? Habe ich gesagt, es gibt eine
743
Logik, Arbeitsplätze sind die Folge von Arbeit und Arbeit ist die Folge von
744
Wettbewerbsfähigkeit,
745
Wettbewerbsfähigkeit uns orientieren, und sonst gar nichts. Das hat es einmal in der
746
Verstaatlichen, da hat es 20 Jahre funktioniert und dann hat es die Betriebe ohnehin
747
zerrissen, oder sagen wir, sie sind dann implodiert, statt explodiert.
nichts
mitkommuniziert
d.h.
hätten,
im
sage
Endeffekt,
ich
wir
jetzt,
das
müssen
haben
immer
wir
an
in
der
748
749
I: Ich bin mit meinen Fragen wunderbar durch, ich habe so ein umfassendes Bild von
750
Ihnen mitbekommen, ich würde jetzt… wenn Sie noch Anmerkungen, Ergänzungen
751
haben?
752
753
IP: Ich habe noch Ergänzungen, die gebe ich Ihnen gern, aber ein paar Dinge habe
754
ich schon vorweggenommen. Ich habe geschrieben: Unternehmen muss sich
755
gleichzeitig, gleichartig entwickeln und verändern, sonst kommen wir irgendwo außer
756
Balance, ist einmal ein Punkt. Dann habe ich es übrigens auch schon erwähnt:
757
Führungsqualität ist von eminenter Bedeutung und durch nichts zu ersetzen. Dann:
758
Erfolgsstories a) in den jeweiligen Meetings einmal sagen, nicht nur jammern, weil
65
759
derzeit hätten wir auf der großen Bühne den ganzen Tag Zeit, zu jammern, und Stoff
760
bis Ende nie. Wir müssen trotzdem schauen, dass wir auch da und dort wieder
761
einmal einen Kick nach vorne zusammenbringen und dann habe ich gesagt:
762
Laufende Information an alle, ich habe da hergeschrieben, Führungskräftedialoge,
763
Mitarbeiterinformationen, und authentische Führung und nicht instrumentelle
764
Führung, weil die instrumentelle Führung ist die Stempeluhr und ist die anonyme
765
Mitarbeiterbefragung, das interessiert mich nicht. Ich möchte authentisch führen und
766
authentisch führen heißt direkt, zeitnah und nicht irgendwann vor 6 Monaten haben
767
sie einmal, glaube ich, einmal eine Zeitüberschreitung gehabt, ich weiß zwar nicht
768
mehr ganz genau, wann, aber irgendwo ist es evident, so kann man nicht arbeiten.
769
Oder ich habe über Sie gehört, wenn es dann ans Eingemachte gehen, wissen wir
770
eh nicht mehr, wer es gesagt hat. Ich bin für die Führungsarbeit, ich sage es Ihnen,
771
Herr Oswald, da geht mir mein Herzblut über. Die ist nicht ersetzbar. Führung ist
772
nicht ersetzbar, eine gute. Ich wüsste nicht, mit welchen Dingen man eine gute
773
Führung kompensieren könnte, ist mir bis heute nicht untergekommen und ich stehe
774
schon einige Zeit im Berufsleben.
66
1
Interview 4: 22. August 2012 / 15.30 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean, schlank, schlankes Unternehmen?
5
6
IP: Für mich ist der Begriff Lean, er umfasst alle Maßnahmen, die zu einer effizienten
7
Produktion bis hin, also vom Einkauf über die Produktion bis hin zum Vertrieb von
8
Industriegütern ermöglicht, in einer möglichst schlanken Organisation und aber auch
9
in möglichst schlanken Abläufen, Prozessen, die halt alles Überflüssige – unter
10
Anführungszeichen - weglassen. D.h. aber auch, dass eine Lean-Organisation
11
versuchen muss, möglichst wenig Abfälle zu erzeugen, möglichst wenige Fehler zu
12
machen, was auch eine besondere Herausforderung darstellt, weil man gewisse
13
Fehler ja auch zulassen muss. Das ist ein speziell schwieriger Punkt, aber natürlich
14
Lean heißt eben in erster Linie Effizienz für mich und an dieser Effizienz gilt es halt in
15
vielen kleinen Schritten zu arbeiten und es ist eigentlich ein mühsames
16
Tagesgeschäft. Also es ist einerseits ein Konzept, aber die Umsetzung mündet dann
17
sozusagen in einem operativen Tagesgeschäft, wo ich Schritt für Schritt, klein und
18
klein, um klein, Maßnahmen setzen muss, um dann zu so einer effizienten
19
Organisation und Abläufe zu kommen.
20
21
I: Wann sind diese Initiativen das erste Mal gestartet worden, die Sie hier gesetzt
22
haben?
23
24
IP: Es war eigentlich, ja es war so, dass wir 2009 in einem Geschäftsbereich das
25
erste Mal darüber gesprochen haben, wobei man muss sagen, Effizienzsteigerungen
26
haben immer schon stattgefunden und waren nicht eine Erfindung von Lean und ich
27
glaube,
28
Tagesordnung, sich zu überlegen, wie kann ich effizienter werden. Aber unter dem
29
Begriff Lean haben wir 2009 erstmalig operiert. Und da ging es darum einerseits um
30
ein Projekt in einem Geschäftsbereich, also in dem Fall im Geschäftsbereich, wo wir
31
verschiedene Prozesse in diesem Segment untersucht haben und dann eben
jedes
vernünftige
Unternehmen
hat
dies
ja
sowieso
auf
seiner
67
32
verschiedene Einsparszenarien und Verbesserungsschritte definiert wurden und die
33
dann auch Schritt um Schritt implementiert wurden. Ein 2. Projekt war dann auch im
34
Bereich der diversen Prozesse konzernübergreifend, da ging es also um ein Projekt,
35
das auch mit externer Unterstützung eben begleitet wurde, wo es eben in
36
verschiedenen Streams darum ging, Effizienzsteigerungen zu bekommen.
37
38
I: Ein sehr umfassender Ansatz.
39
40
IP: Ein sehr umfassender Ansatz mit einem riesen Volumen. Das hat also den
41
Einkauf, die Logistik, den Verkauf, Personal, Finanzen, also da hat es sehr viele
42
Bereiche gegeben, wo wir gesagt haben, da schauen wir uns jetzt die einzelnen
43
Kunden an, Forderungen an, da analysieren wir, wie die Prozesse im Augenblick
44
laufen, wo es über die Geschäftsbereiche hinweg Synergien möglicherweise gibt, wo
45
Prozesse doppelgleisig sind oder optimiert werden können und das wurde in einem
46
großen Firmenprojekt durchgeführt, weil das dann doch 2009 bis 2011 alles gedauert
47
hat, also es hat über 2 Jahre gedauert, bis man dann gesagt hat, dass man jetzt das
48
Projekt dann auch wieder beendet. Aber meiner Meinung nach gibt es immer wieder
49
noch Nachfolgeprojekte unter anderen Titeln und Ausflüsse aus diesem Projekt gibt
50
es auch heute noch.
51
52
I: Ich glaube, was Sie eingangs auch gesagt haben, dass man das am Laufen hält,
53
eine Nachhaltigkeit, das der Prozess ja eigentlich nie zu Ende ist, sondern in kleinen
54
Schritten immer wieder in Effizienz, in Effektivitätsgenerierung geschaut wird.
55
56
IP: Auf der anderen Seite ist es so, dass man ein Projekt auch einmal abschließen
57
sollte, wenn man es als Projekt betitelt und beginnt, sollte man es auch einmal
58
abschließen
59
Verbesserungsprozess einfließen lassen.
oder
halt
dann,
wie
Sie
sagen,
in
einen
permanenten
60
61
I: Haben Sie da auch Six Sigma eigentlich angewandt?
62
63
IP: Nein, nein. Im Qualitätsmanagement wird Six Sigma zum Teil verwendet, aber für
64
Lean haben wir es nicht verwendet.
68
65
66
I: Ich würde da gerne überleiten und einhaken, weil ich glaube es passt vielleicht
67
ganz gut. Wie würden Sie das Rollenbild HR charakterisieren im Unternehmen und
68
welche Rolle hatten Sie, hatte HR in diesen von Ihnen vorher geschilderten
69
Prozessen dieser Maßnahmen?
70
71
IP: Da muss man jetzt differenzieren, weil das Unternehmen natürlich, wir sind hier
72
jetzt in der Holding der Gruppe mit über 50 Produktionsstandorten und in 22 Ländern
73
tätig. Wir sind auch nicht jetzt im jeden Geschäftsbereich global tätig sondern eben
74
global im Segment A, im Segment B ist eher ein österreichisch zentral
75
osteuropäisches Geschäft und insofern hat auch jeder Geschäftsbereich andere
76
Bedürfnisse und andere Zielsetzungen und wir können auch von HR-Seite nicht über
77
alle Geschäftsbereiche quasi mit einem Kamm drüberfahren, d.h. wir sind hier im
78
Corporate HR dazu da, Personalstrategien zu entwickeln, vorzugeben, umzusetzen
79
und dann gilt es Policies z.B. aufzustellen in verschiedenen Bereichen, die für die
80
das Unternehmen insgesamt wichtig sind, Schritte zu setzten, also vor allem im
81
Bereich der Organisation im Seniormanagement oder auch im Bereich von Talente,
82
Nachwuchs, Nachwuchsförderung, Führungskräfteentwicklung, also dort wo es
83
sozusagen über den einzelnen Geschäftsbereich hinausgeht und es Sinn macht,
84
eine Gemeinsamkeit zu kreieren und auch z.B. in Fragen der Unternehmenskultur,
85
dort sind wir als Corporate HR im Einsatz. Wenn es natürlich darum geht, operatives
86
Personalmanagement in den Ländern oder in den Geschäftsbereichen umzusetzen,
87
dort sind dann die Kollegen vor Ort gefordert, das entsprechend auf die Reihe zu
88
bringen und entsprechend auch eben weiterzuentwickeln, aber da sind wir, glaube
89
ich, jetzt auch nach diesem Projekt gut aufgestellt. In dem HR-Projekt waren wir
90
natürlich als HR-Stream sowieso nicht nur die, die das planen und umgesetzt haben,
91
sondern da waren wir ja quasi auch selber das Objekt der Studie, wenn man so
92
möchte und gleichzeitig der Gestalter dieses Veränderungsprozesses. Bei
93
Prozessen, wenn es jetzt darum geht, das Beispiel im Geschäftsbereich, wo wir eine
94
Zentralisierung in Deutschland durchgeführt haben mittels eines IT-Systems, im
95
Salesbereich, da hat HR und da auch sag ich jetzt einmal der Businesspartner für
96
den Geschäftsbereich eher eine begleitende Rolle nur gehabt und nicht federführend
97
im Sinne der Umsetzung des kompletten Projektes. Also es hängt sehr stark
69
98
sozusagen von den Schwerpunkten ab, ob es sehr fachspezifisch ist oder ob es eher
99
z.B. ein Changeprozess ist.
100
101
I: Die Veränderung zu begleiten?
102
103
IP: Ja.
104
105
I: Weil Sie das vorher gesagt haben, dieses Effizienzsteigerungsprojekt und die
106
Analyse der Wertströme, wo Sie selbst als HR ein Teil waren. Wäre das schon
107
etwas wo Sie auch sagen würden, das könnte man unter Lean Human Resources
108
skizzieren, weil so habe ich auch meine Master Thesis betitelt und da könnte ich jetzt
109
anknüpfen und Sie fragen, was assoziieren Sie oder wie würden Sie Lean HR
110
skizzieren oder charakterisieren?
111
112
IP: Es kommt meiner Meinung nach darauf an, welche Prozesse einem
113
Unternehmen wesentlich sind und da gibt es in der Praxis sehr große Unterschiede,
114
wie Unternehmen das gestalten wollen und das beginnt damit, dass manche Firmen
115
meinen, die Personaladministration ist sozusagen der wichtigste Punkt für mich und
116
alle personalpolitischen Themen machen bei mir sowieso die Führungskräfte, d.h. ich
117
brauche eigentlich nur eine möglichst leane administrative Abteilung, die mir die
118
ganze Administration sehr effizient erledigt. Möglicherweise kann ich das auch noch
119
outsourcen, dann brauch ich fast überhaupt keinen HR-Bereich mehr und das
120
komplette qualitative Personalgeschäft wird ausschließlich von Führungskräften
121
gemacht, das ist in der Linie, das ist ein Extrem, das es aber in Österreich durchaus
122
in verschiedenen Branchen gibt. Das birgt meiner Meinung nach eine große Gefahr
123
in sich und ist aus meiner Erfahrung unbefriedigend, weil sich da sehr rasch
124
meistens herausstellt, dass die verschiedenen Führungskräfte eher unterschiedlich
125
agieren, es schwer ist, eine gemeinsame Linie zu finden und zum anderen ist es
126
auch so, dass die Linienvorgesetzen halt schon in erster Linie ihr tagtägliches
127
Geschäft im Auge haben und sich nicht noch zusätzlich um alle möglichen
128
Personalthemen gerne kümmern. D.h. Personalaufgaben oder HR-Aufgaben
129
nebenbei von wem immer mitzumachen, halte ich für unbefriedigend. Manchmal
130
lässt sich das aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht nicht anders machen, also z.B.
70
131
es gibt ja sehr viele Firmen, kleinere vor allem, wenn ich sage ein HR-Manager
132
rechnet sich erst vielleicht ab einer Größenordnung von 100 Mitarbeitern, kann es
133
natürlich sein, dass wenn ich eine kleine Firma mit 50 Personen habe, dann muss
134
der Finanzmanager noch IT mitmachen und Controlling und Treasury und HR hat er
135
dann auch noch. Oder es liegt beim Geschäftsführer ganz einfach in Personalunion,
136
das sind Lösungen, die aus wirtschaftlichen Gründen entstehen. Allerdings beraubt
137
man sich damit halt auch einer wichtigen strategischen Möglichkeit, weil ich glaube,
138
dass ganz einfach, wie es im Leben überall halt Rollen und Experten gibt, ist es auch
139
für die HR-Rolle besser, ich habe eine eigene Person, die sich nur um diese Dinge
140
kümmert und darum sind in der Regel größere Firmen auch besser aufgestellt und
141
haben mehr Möglichkeiten, hier personalpolitisch und strategisch Dinge zu bewegen,
142
wo es klar ist auf Grund der größeren Zahl ist es dann auch leichter umsetzbar. Es ist
143
aber auch, muss man dazu sagen, eine philosophische Frage oder eine Frage des
144
Herangehens. US-Amerikanische Firmen sind da in der Regel sehr strikt, legen
145
größeren Wert, Stellenwert, auf das HR-Business, dort sind Personalisten auch sehr
146
häufig in der Geschäftsführung anzutreffen, was in traditionellen österreichischen
147
Unternehmen nicht immer der Fall ist, gibt es natürlich auch, aber nicht so häufig wie
148
z.B. im angloamerikanischen Raum. Bei uns im Unternehmen ist, glaube ich, ist
149
diese Wertschätzung für Personalarbeit da und man muss, glaube ich einen Weg
150
finden, dass man nicht sagt, nur weil ich alles möglichst Lean haben möchte, schaffe
151
ich jetzt alle jene Dinge, die ich über eine Personaladministration dringend brauche,
152
ab. Also Dinge eben wie Personalentwicklung, um die komme ich nicht herum, um
153
ein qualitatives Recruiting komme ich nicht herum, um Themen eben wie Change
154
Management, Organisationsüberlegungen, etc. Also da bin ich als, kann ich als
155
Personalist auch Themen wie Gehaltspolitik, Gehaltsmanagement, auch Fragen der
156
Firmenkultur, also da gibt es eine Menge Punkte glaube ich, wo wir jetzt nicht sagen
157
können, das ist ein Luxus und das ist etwas, was sozusagen das Business, was ein
158
Lean-Management nicht benötigt, sondern ich glaube, es ist nicht nur im Personal
159
so, ich muss mir in allen Bereichen die Frage stellen, was brauche ich, um hier
160
sozusagen nicht nur eine möglichst effiziente Organisation zu haben, aber auch
161
einen möglichst hohen Output zu haben und grad bei Mitarbeitern ist der Output vor
162
allem dann sehr hoch, wenn nicht nur die Organisation gut aufgestellt ist und jeder
163
weiß, was er zu tun hat, was seine Aufgaben sind, wenn da ein klares Verständnis
71
164
über die Rollen herrscht, sondern eben auch, wenn die Leute motiviert sind. Das ist
165
eine ganz wichtige Aufgabe meines Erachtens für HR, immer wieder Wege zu
166
suchen und zu finden, wie man Mitarbeiter entsprechend motiviert und zu Leistungen
167
anspornt und zu Leistungen anspornt nicht nur dadurch, dass ich mit einer Prämie
168
winke, sondern dass es hier wirklich eine intrinsische Motivation gibt, was aber auch
169
schon damit anfängt, dass ich ganz einfach die richtigen Mitarbeiter am Arbeitsmarkt
170
finde, weil intrinsische Motivation zu lernen, bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich
171
geht.
172
173
I: Es beginnt mit dem Recruitingprozess entsprechend.
174
175
IP: Recruiting ist überhaupt meines Erachtens einer der wichtigsten HR-Prozesse
176
überhaupt, weil da entscheide ich schon einmal primär, ob ich die richtigen Leute an
177
Bord hole oder nicht. Wenn ich mich da jedes zweite Mal irre, dann bin ich als
178
Recruiter nicht am richtigen Platz.
179
180
I: Dieses Projekt hat bei Ihnen dann eher, wenn ich das so richtig verstehe, HR-
181
Prozesse optimiert. Hat es dann eine Veränderung gegeben im Rollenverständnis
182
oder in dieser Palette der HR Dienstleistungen oder dieser Felder, die Sie vorher
183
erwähnt haben oder war doch eher der Focus auf administrative Prozesse, oder hat
184
es da irgendwelche Verschiebungen, Veränderungen gegeben, damals?
185
186
IP: Wir haben für Österreich, in Österreich ein HR Shared Service Center
187
implementiert, welches in erster Linie für Payroll und Administration zuständig ist. Wir
188
haben im Corporate HR-Bereich ein Center of Expertise eingerichtet, sprich
189
Experten, die zu verschiedenen Themen, wie Development, Recruiting, Training,
190
Compensation und Benefits, Arbeitsrecht, um da jetzt ein paar wichtige Themen zu
191
nennen, Talentmanagement, dass wir dort Leute haben, die wissen, wie man solche
192
Prozesse gestaltet und die auch als Mentor diese Prozesse initiativ vorantreiben und
193
ausrollen und auch sozusagen dann in der Personalcommunity das dann
194
entsprechend weiterbringen und der 3. Bereich ist dann halt die verbliebene
195
Personalfläche, Businesspartner, Local HR Manager, die dann vor Ort sind und
196
entweder ein oder mehrere Werke oder Standorte betreuen oder eine ganze Division
72
197
betreuen und hier eben in erster Linien einmal Ansprechpartner für das lokale
198
Management sind in Beratungsthemen, in Entwicklungsthemen, in Fragen mit dem
199
Betriebsrat, was sozusagen alles an lokalen Themen auftaucht.
200
201
I: Also Multilayer kann man sagen und eben auch durch diese Regions..., durch
202
diese Vielfalt in den Ländern entsprechend vor Ort die Kombination…
203
204
IP: Also diese Businesspartnerrolle ist dann eher eine Generallistenrolle, die Rollen,
205
die wir hier in der Holding haben, sind eher sozusagen Experten oder
206
Speziallistenrollen oder auch Senior Expert Rollen und im Shared Service Center
207
geht es einerseits eben um die Payroll, wo wir ein Payroll Team haben, das ist
208
allerdings ausschließlich für Österreich tätig und auch für administrative Aufgaben,
209
mit unterteilt in einen Help-Desk, oder Front Office und einen Back-Office Bereich.
210
211
I: Das kann man dann, diese Entwicklung auf jeden Fall als Ergebnis der Effizienz
212
und Effektivität und einer …
213
214
IP: Also wir haben dadurch, dass muss ich schon sagen, grad im HR-Bereich haben
215
wir dadurch, durch diese Organisationsänderung keine personellen Einsparungen
216
gehabt. Es war also nicht so, dass ich von den rund 20 Personalisten, die in
217
Österreich für das Unternehmen tätig waren, jetzt FTE’s oder Köpfe einsparen
218
konnte. Es sind einige Rollen eben weggefallen und wir konnten qualifiziertere Rollen
219
aufbauen. Also diese Businesspartner hat es in dieser Form vorher nicht gegeben
220
und das war durchaus, aus meiner Sicht durchaus ein Upgrade der Personalarbeit
221
vor allem in den Werken und an den Standorten, weil dort war zuvor eigentlich eine
222
reine Personaladministration, die Payroll und Administration bewerkstelligt hat, aber
223
für
224
Stellenbewertungen, Compensation-Management, etc., eigentlich weder Zeit noch
225
Qualifikation hatten, oder auch für qualifiziertes Recruiting nicht geeignet waren und
226
diese Stellen sind ja in das Shared Service Center gewandert und wurden vor Ort
227
durch einen, sag ich jetzt einmal, qualifizierten Businesspartner ersetzt oder durch
228
einen Local HR-Manager. Und das ist schon ein starker Schritt nach vorne in einer
229
qualitativen Personalarbeit.
alle
anderen
Themen,
Entwicklung,
Training,
Stellenbeschreibungen,
73
230
231
I:
Das
wollte
ich Sie fragen,
232
Qualifikationsausweitung erfahren?
die
Stelle,
die
Person hat
einfach
eine
233
234
IP: Genau, ja. Das war also der Ansatz, der eine Punkt, diese qualitative Aufwertung
235
verschiedener Position im HR-Bereich, das war ein Schritt und der zweite Schritt, wo
236
wir gesagt haben, warum tun wir das, ist ganz einfach durch die Zusammenlegung in
237
einem Shared Service Center, wird man ganz einfach gezwungen, Dinge zu
238
harmonisieren, Prozesse gleich zu standardisieren, Abläufe zu vereinheitlichen. Also
239
alle diese Themen konnten wir damit zumindest einmal angehen, dass ist noch lange
240
nicht abgeschlossen, weil man muss sich vorstellen, über Jahrzehnte hat sich das
241
alles in unterschiedlichen Gesellschaften anders entwickelt und das kann man auch
242
nicht in 1, 2 Jahren alles vereinheitlichen. Das wird aus meiner Sicht noch Jahre
243
dauern, bis alles einmal wieder auf einem gemeinsamen gleichen Niveau und Level
244
sein wird. Ohne diese Zentralisierung in einem Shared Service Center würde das nie
245
stattfinden.
246
247
I: Das war durchaus ein Auslöser oder Trigger.
248
249
IP: Ja, weil eine Einsparung konnten wir dadurch nicht erzielen, die kommt
250
hoffentlich in der Folge dann einmal, wenn die IT-Prozesse entsprechend, wenn die
251
Prozesse gestaltet sind, das in der IT auch entsprechend abgebildet ist und auch
252
Prozesse mehr und mehr automatisiert sind. Wir haben z.B. die elektronische
253
Personalakte eingeführt im Zuge des Projekts, wir haben jetzt ein E-Recruiting-Tool,
254
das jetzt gerade eingeführt wird. Wir werden auch im Bereich der IT mit dem Org-
255
Management einen nächsten Schritt setzten, dass dann auch die Organisation
256
besser abgebildet werden kann und auch Prozesse, Genehmigungs-Prozesse
257
leichter verfolgt werden können, also Urlaubsgenehmigungen, Meldewesen usw.
258
Technologie ist natürlich ein starker Treiber in solchen Projekten, weil ohne diese
259
technischen Möglichkeiten wären auch die organisatorischen Veränderungen in
260
dieser Form nicht möglich, also die IT ist eigentlich Grundvoraussetzung und kostet
261
aber auch viel Geld, muss man auch dazu sagen, vor allem in der Anfangsphase.
262
74
263
I: Das ist dieses Upfront-Investment, dass man dann in späteren…
264
265
IP: Das ist ein Investment am Anfang, welches ich halt brauche, weil ohne dieses
266
Investment kann ich die Organisation nicht umstellen.
267
268
I: Es ist jetzt nicht so eine Frage eben des Begriffes, sondern des Grundzugangs.
269
Wenn man jetzt sagt, Lean ist jetzt eine Methodik, Six Sigma ist eine Methodik, aber
270
dahinterliegend ist ja quasi Effizienzen, Effizienzsteigerungen. Es muss nicht jetzt
271
unbedingt unter einem expliziten Titel laufen, sondern eine Geschäftsgrundtendenz
272
oder man folgt dem Ziel, was halt dann in den verschiedenen Benennungen
273
auftaucht, nicht? Würden Sie das auch so sehen?
274
275
IP: Ja, also man muss eines sagen, Lean ist nur eine Seite der Medaille für mich,
276
weil beim Begriff Lean konzentriert man sich sehr stark darauf, wie kann ich
277
effizienter, rascher, schneller, auch sozusagen, genauer und auch wie kann ich es
278
auch billiger machen? Also genau diese Fragen, die ja für eine Wertsteigerung des
279
Unternehmens von der Produktionsseite her und von den Abläufen her sehr wichtig
280
sind. Auf der anderen Seite gibt es ja einen Faktor, den man nicht unterschätzen
281
darf, also wenn ich nur in dieser Kategorie denke, dann tut man, glaube ich, einem
282
Unternehmen auch nicht wirklich gutes, weil ich glaube z.B. nicht, dass ein Apple das
283
reichste Unternehmen der Welt geworden wäre, wenn Sie nur in Lean denken
284
verhaftet wären. Also wenn die sich nur konzentriert hätten, wie mache ich
285
sozusagen mein iPad noch effizienter, dann glaube ich nicht… Das hat sich Apple
286
sicher auch überlegt, wo kaufe ich meine Rohstoffe ein, woher bekomme ich das
287
Aluminium, wo lasse ich es zusammen bauen und wo kann ich das möglichst billig
288
produzieren lassen, um hier dann die größtmögliche Wertschöpfung herauszuholen.
289
Aber sie haben sich auf der anderen Seite sehr stark natürlich den Kopf zerbrochen,
290
wie komme ich zu Produktinnovationen, wie setze ich meine Kreativität ein, um ein
291
Produkt zu schaffen, das mir die Leute dann aus der Hand reißen. Wie schaffe ich
292
ein Image, dass jeder sagt, das ist genau die „Brand“, die ich brauche, das ist
293
mittlerweile so, der angebissene Apple, wer den nicht hat, dem fehlt etwas, also es
294
ist auch gelungen hier eine „Brand“ zu erzeugen und das sind alles Themen, die mit
295
Lean Management meiner Meinung nach, wenig bis gar nichts zu tun haben, wo ich
75
296
auch viel Geld in die Hand nehmen muss, für Entwicklung, für alle möglichen
297
kreativen Prozesse und die kosten am Anfang einmal eine Menge Geld. Wenn ich
298
also jetzt sage, Moment, das passt nicht in mein Lean Konzept, weil da muss ich
299
zuerst einmal daran denken, wie ich noch die dritte Schraube von links einspare,
300
dann kann ich so einen Erfolg wahrscheinlich nicht landen.
301
302
I: Das wäre dann fast ein reduktionistisches Prinzip.
303
304
IP: Also wenn ich Lean auf so ein rein reduktionistisches Prinzip der Einsparung
305
reduziere, dann mag das in bestimmten Situationen des Unternehmens ganz, ganz
306
wichtig sein und ist vielleicht auch permanent wichtig, aber davon alleine kann eine
307
Firma nicht überleben oder auch sich nicht am Markt möglicherweise innovativ
308
entfalten, um ein Beispiel zu sagen. Da muss man aufpassen, dass man nicht unter
309
dem Titel Lean Initiativen abwürgt, die vielleicht für die spätere Zukunft des
310
Unternehmens wichtig sind, aber am Anfang aber Geld und eben Initiative erfordern.
311
312
I: Also eben, spezielle Lean Personalentwicklungsmaßnahmen seitens der Firma hat
313
es nicht gegeben, in diesem Sinne?
314
315
IP: Personalentwicklung?
316
317
I: Ja, so dass man sagt, ich schule jetzt hier Leute genau nach diesen Prinzipien
318
oder einfach, weil es jetzt einen Projektcharakter im Sinne der Effizienzsteigerung
319
hatte. Jetzt nicht so sehr diese …
320
321
IP: Nein, es hat keine Lean-Schulung im dem Sinne gegeben und es wurde auch
322
nicht Lean in irgendeiner Form als Konzept implementiert, es ist aber glaube ich in
323
allen Köpfen, in Mitarbeitern und des Managements drinnen, das wir effizient
324
arbeiten müssen und Effizienz auch kontinuierlich steigern müssen.
325
326
I: Da fällt mir ein Begriff ein, ich glaube den kann man gut mit Attribute nennen, das
327
sind Attribute, die ja quasi in den Köpfen verankert sind.
328
76
329
IP: Genau.
330
331
I: Eigenschaften, ich such noch so ein bisschen …
332
333
IP: Ja das sind fast, muss man sagen, es sollten aus meiner Sicht so eine Art
334
Automatismen sein, so wie ich weiß beim Autofahren, wenn ich jetzt eine rote Ampel
335
sehe, dass ich stehenbleiben muss oder wenn es grün wird, steige ich halt auf das
336
Gas und fahre wieder an, falls grad nicht noch jemand anderer bei Rot über die
337
Kreuzung fährt, aber solche… dass ich es noch verinnerliche, eine Verinnerlichung
338
dieses Themas, das ich also sage, ok, ich schaffe eben keine überflüssigen
339
Positionen an oder ich lass Dinge nicht doppelt bearbeiten oder weite Abteilungen
340
nur deshalb aus, weil ich dann vielleicht mehr Einfluss in der Organisation habe. Also
341
da gibt es ja alle möglichen Spielwiesen und da ist es ganz einfach wichtig, im Sinne
342
des Unternehmens zu denken und zu sagen ja, was passiert denn wirklich, wenn ich
343
da jetzt meine Organisation z.B. aufblähe, von der Kostenseite her, von der
344
Zufriedenheit der Mitarbeiter her, dass die dann plötzlich unzufrieden sind, wenn sie
345
die Hälfte der Zeit Däumchen drehen würden, usw. Das ist etwas, was ganz einfach,
346
wie Sie sagen, verinnerlicht werden muss. Ich kann Ihnen da in dieser Präsentation
347
kurz nur Folien zeigen, das war das Projekt in dem Geschäftsbereich, wir hatten hier
348
sozusagen einen Focus auf Kosten und Organisation, Optimierung der Kosten und
349
Organisationsstruktur. Deshalb, weil wir dort unter sehr starken Kostendruck
350
gestanden sind. Produkte A sind ein Commodity-Produkt und klarerweise ist das mit
351
Importen von China, China ist Marktführer im Produkt A und auch mit einer
352
schwierigen Rohstoffpreissituation, war damals grad ein Jahr, 2008, wo man gesagt
353
hat, so, wir müssen uns Kosten und die Organisation anschauen und versuchen,
354
Verbesserungsschritte zu setzen, um die Profitabilität wieder zu steigern. Ein Punkt
355
„we used to do“ also „never say, we used to do”, was kann man anders tun und was
356
kann man anders tun als bisher.
357
358
I: Das wäre entsprechend dem Wienerischen „es war immer schon so“. Kann man
359
das so sagen? Ich glaube, das geht in diese Richtung?
360
77
361
IP: Das haben wir schon immer so gemacht. Ja, ich glaube, das geht in diese
362
Richtung. Es wurde der komplette Produktionsablauf in den Ländern untersucht, z.B.
363
also für Ungarn hier, dieser Produktionsablauf dann in verschiedene Schritte
364
unterteilt, die man dann in so Mikroprojekte, wie z.B. eben Automatisierung,
365
Instandhaltung, die Reduzierung von der Anzahl von Start-Ups, die Schichtplanung,
366
ob man dort etwas verbessern kann, die Reduktion von Produktionsverlusten, usw.,
367
wie die KPI’s ausschauen sollen, wie man die Prozessoptimierung gestalten kann,
368
auch logistisch, also alle diese Themen, wie Rohmaterialen bewegt werden, usw.
369
Das waren alles verschiedene Projektthemen und man hat dann halt dann
370
Bewertungen
371
identifiziert. Das ist in Kleingruppen dann mit den Personen durchgeführt worden und
372
darüber hat es eine Steeringgruppe gegeben, dasselbe ist dann z.B. in Polen
373
passiert. Dann hat es gegeben, auch organisatorische Maßnahmen, man hat also für
374
Europa die komplette Sales, Back-Office, Logistik und Quality Management-
375
Organisation zentralisiert, vor allem Sales wurde an einem Standort in Deutschland
376
zentralisiert und es gab dann nach der Änderung eigentlich nur mehr einen zentralen
377
Verkauf von diesem Standort in Deutschland aus, was auch zu einer Einsparung
378
vom Personal geführt hat. Das Zweite war, dass das Accounting und Controlling zur
379
Gänze nach Österreich verlagert wurde, d.h. die ganze Finanzbuchhaltung wurde
380
dann nicht mehr in den einzelnen Ländern durchgeführt, sondern von Österreich aus.
381
Im Personalbereich, wie gesagt dieses Outsourcing der Payroll in das Shared
382
Service Center, das war parallel dann auch unser Projekt, was wir im HR-Bereich
383
gehabt haben. Die dänische Niederlassung und die deutsche Niederlassung wurden
384
personell von Wien aus auch mitbetreut, ebenso wie auch die österreichische, also
385
wir haben eine komplette Zentralisierung der Personalbetreuung in diesem Bereich
386
gehabt, wobei man sagen muss, der Geschäftsbereich hat insgesamt weltweit so
387
500 Mitarbeiter nur, also wir reden da nicht von einer so großen, oder hatte zu
388
diesem Zeitpunkt 500 Mitarbeiter. In der Zwischenzeit sind wir ja in einem Joint
389
Venture in diesem Bereich eingetreten und haben diese Aktivitäten in einem Joint
390
Venture zusammengelegt, also dadurch ist das jetzt wieder größer geworden und
391
gewachsen, aber damals war das eben in diesem Bereich und auch hier wieder eine
392
IT-Lösung, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, das Sales Back-Office
393
einerseits in Deutschland zu installieren mit Möglichkeit der Abfrage dezentral auch
durchgeführt und
ein
entsprechendes Einsparpotential
einmal
78
394
an allen Standorten und für die Sales-Leute auch, dass jeder Zugang zu den Daten
395
hat und das Finanzwesen in Österreich zu etablieren, also das war nur durch
396
integrierte IT-Lösungen möglich. Dieses Projekt mag jetzt vielleicht nicht Millionen
397
eingespart haben, aber man sieht schon die Einsparungen wurden ja beziffert und es
398
ist doch insgesamt rund 1 Million Euro dabei herausgekommen und was aber noch
399
viel wichtiger war, war sozusagen die Ausrichtung dann für die Zukunft und die
400
Harmonisierung, wieder auch hier der Prozesse und Abläufe.
401
402
I: Es ist einmal so ein Punkt, dass man es so verpackt und ab da ist man gefordert
403
über welche Maßnahmen auch immer, ob das jetzt eben, einerseits verinnerlicht ist
404
oder über die Führungsebenen, Management Board.
405
406
IP: Ja, das geht nur mit den Mitarbeitern selber, auch wenn dann möglicherweise der
407
eigene Arbeitsplatz gefährdet ist und mit den Führungskräften gemeinsam, also von
408
außen etwas da aufzuoktroyieren, bringt eigentlich nichts, weil dann die Leute in
409
Konfrontation gehen und sich eigentlich nicht beteiligt fühlen und nicht mitwirken,
410
also das Engagement der betroffenen Personen ist essentiell.
411
412
I: War das auch eine Herausforderung bei diesen… die Reaktion oder eine
413
Herausforderung …
414
415
IP: Das ist immer bei solchen Themen, meistens mit einem de facto, immer mit
416
einem externen Berater verbunden, der das auch entsprechend treibt und verkauft,
417
allerdings natürlich mit Unterstützung vom Top-Management, die das auch
418
vorantreiben und dann ist es wie in allen Change-Projekten so, dass man halt einige
419
initiative Leute dabei hat, die das vorantreiben und einige, die halt mitmachen, weil
420
es halt grad am Arbeitsplan stehen und einige die, die dem eher reserviert
421
gegenüberstehen. Aber das ist die klassische Geschichte wie in jedem Change-
422
Prozess.
423
424
I: Glauben Sie, kann man das auch so sagen, das ist ja auch eine Frage der
425
Wettbewerbsfähigkeit, was hier gemacht wurde, einerseits ein Kostenthema und
426
Effizienzthema, aber ich glaube schon durch diese Vielfalt der Aktivitäten, die Sie
79
427
hier erläutert haben, ist es ja so eine Art subsummieren des Ganzen, auf mehr oder
428
weniger unternehmensstrategischen Ebenen zu legen. Es ist ein Teil, den auch Sie
429
im Rahmen Ihrer Funktion, Ihres Team beitragen, gemeinsam mit den operativen
430
Einheiten, aber dann doch auch auf Grund, wie Sie auch sagen, sehr, sehr starken
431
Konkurrenz aus Fernost, die einen enormen Druck eben, wo man auch sagt,
432
einerseits geht es in die Richtung, man muss schauen wo wir effizienter sind,
433
andererseits darf man nicht vernachlässigen Innovation, Vision, in die Zukunft
434
schauen und das zusammen im Prinzip die Position...
435
436
IP: Stimmt, wir haben nicht nur das getan, sondern parallel dazu auch auf der
437
Produktseite Veränderungen getroffen und 1, 2 Produkte lanciert, die uns auch
438
wieder umsatzmäßig und auch ergebnismäßig entsprechend noch mitgeholfen
439
haben, nach oben zu bringen, also das war die 2. Seite und das hat wesentlich mehr
440
Ergebnis gebracht, als hier die Einsparung, also das neue Produkt hat mehr für das
441
Ergebnis beitragen als das, aber man sollte sich nicht nur auf eines eben
442
konzentrieren, sondern immer beides im Auge behalten, ankurbeln des Geschäfts
443
und Entwicklung neuer Geschäftsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle und auf der
444
anderen Seite aber auch, wie kann ich die möglichst effizient anbieten. Natürlich da
445
gebe ich Ihnen recht, die Frage die Sie gestellt haben, ist das eine Frage der
446
Wettbewerbsfähigkeit, klar das ist so, ohne dem werden viele Geschäftsbereiche
447
oder Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig, wenn sie das vernachlässigen und
448
darum ist jeder gut beraten, sich mit dem Thema Lean auch auseinanderzusetzen.
449
450
I: Aber als Teil eines größeren Bildes, glaube ich.
451
452
IP: Als Teil eines gesamten Konzeptes, also ich muss das Gesamtbild sehen.
453
454
I: Eine abschließende Frage hätte ich noch, gibt es, weil Sie gesagt haben, das
455
Verinnerlichen, gibt es in diese Richtung so eine Art Coaching oder Mentoring-
456
Programm eigentlich, für Führungskräfte oder Mitarbeiter oder von HR in Richtung
457
Führungskräfte, um diesen Prozess hier zu begleiten, zu steuern? Weil auch bei
458
dieser Thematik, in dieser Unmittelbarkeit ist mir das schon einmal begegnet und
459
jetzt wollt ich einmal fragen, ob dies in der Praxis auch ein Thema ist, oder ob das
80
460
eher jetzt, man sagt, das ist der neue Mitarbeiter und der bekommt jetzt mal einen
461
Mentor für diese Einführungsphase, so etwa im Sinne eines kontinuierlichen
462
Coaching oder Mentorings?
463
464
IP: Nun ja, ein kontinuierliches Mentoringkonzept gibt es derzeit nicht, wir arbeiten
465
aber natürlich sehr viel in Projekten und projektbezogenen Themen zusammen. Es
466
gibt schon eine Einführungsveranstaltung, da wird aber jetzt nicht speziell, dort wird
467
schon, ja muss man schon sagen, das Thema Effizienz ist schon dort ein Thema,
468
aber eines von vielen und wird jetzt nicht, es ist keine intensive Schulung was Lean
469
betrifft, aber es wird doch von meiner Seite, also ich mach dort immer den
470
Einführungsvortrag zu Beginn und da ist es ein Thema, oder ein Punkt die Effizienz
471
und wie wir uns das vorstellen, das in unserem Unternehmen produktiv und effizient
472
und Lean gearbeitet wird, diese Botschaft gebe ich schon zu Beginn, das stimmt.
473
474
I: Das passt hier aber auch sehr gut wieder zu dem Ansatz, den Sie gesagt haben,
475
es ist jetzt nicht reaktiv, sondern das Ganze ist ja schon der Denkprozess, beginnt ja
476
schon zu Beginn, im Sinne welche Konsequenzen. Das ist natürlich das Optimalbild,
477
glaube ich, aber das versuchen Sie ja auch gleich so, ich komm nicht ein halbes Jahr
478
später und erzähle euch die Geschichte, sondern die Rahmenvoraussetzungen, wie
479
die Denke ist, gebe ich am Anfang auch wenn es jetzt, mal ganz frisch ist.
480
481
IP: Möglichst am Anfang, weil es kann natürlich sein, dass diese Veranstaltung für
482
den einen oder anderen erst nach 6 Monaten ist, weil wir werden das natürlich nicht
483
jede Woche wiederholen können, aber wir haben es 2 Mal im Jahr, also spätestens
484
dann nach 6 Monaten oder früher kommen die Leute dazu und da kommt das vor.
485
486
I: Also ich hätte keine weiteren Fragen. Ich habe einen sehr guten Zugang ihrerseits
487
bekommen.
488
489
IP: Ja ich hoffe, Sie können was damit anfangen, weil …
490
491
I: Ich glaube auch, das habe ich so gesehen, das hat zwei Zugänge, wenn ich das
492
jetzt Lean HR nenne. Das eine ist so glaube ich der Zugang, wie Sie es auch selbst
81
493
erlebt haben. Wie optimiere ich meine eigenen HR-Prozesse, oder wie werde ich
494
schlanker, als Organisationseinheit HR, also bin ich Teil dieses Effizienzdenkens,
495
des Optimierens. Auf der anderen Seite, wie bin ich als HR in Bezug zu diesen
496
Initiativen im Haus. Das sind so, für mich habe ich das jetzt so herausgefunden zwei
497
Betrachtungsdimensionen, wenn ich mich jetzt zu diesem Thema nähere, sehe ich
498
es aus dieser Sicht oder sehe ich es aus der Sicht „begleite ich und unterstütze ich“
499
diese Prozesse aus der Rolle HR, aus dieser Funktion heraus. Es ist spannend, weil
500
der Zugang unterschiedlich natürlich ist, je nach Initiativen, die gesetzt werden und
501
eben je nach Konzepten, die zur Anwendung gelangen.
502
503
IP: Das kann sein, eben von einer Projektleitung bis zu einem Coaching, einer
504
Projektbegleitung oder auch nur einfach als Teilnahme in Projekten. Also da gibt es
505
keine Struktur, die für alle Fälle gleich vorgegeben ist, aber wir sind doch in sehr
506
vielen diesen Bereichen einbezogen, z.B. wie wir das Thema hatten, die ganzen
507
Akquisitionen im Geschäftsbereich, das hat also 2003 begonnen, war dann 2006
508
abgeschlossen, da haben wir einige Unternehmen gekauft, also da ist ein ganzes
509
Konglomerat zusammengekauft worden, ein weiteres Unternehmen mit rund 4.000
510
Mitarbeitern, dieses Unternehmen war Weltmarktführer im Geschäftsbereich, was wir
511
auch heute noch sind. Wir haben, man kann also sagen, 30 % oder jedes 3. Produkt,
512
das weltweit erzeugt wird, hat Produktbestandteile unseres Unternehmens drinnen,
513
was also schon eine ganze Menge darstellt. Wir haben das einmal ausgerechnet, ich
514
glaube, es geht da so 2 Mal um den Globus herum, wenn man die Produkte
515
hintereinander anreihen würde und da war natürlich schon die Frage, wie wir die
516
Unternehmenskultur, die bestehende Unternehmenskultur, die aus dem traditionellen
517
österreichischen Unternehmen kommt, mit einem global denkenden Unternehmen
518
verbinden und das war auch eine ganz spannendes, jetzt nicht vielleicht im Sinne,
519
aber auch, es ist immer eine Verknüpfung von Lean und auch Best-Practice, weil wir
520
gesagt haben, das Unternehmen, das bisherige Unternehmen hat Personalprozesse
521
gehabt, die neue Firmengruppe hat auch Personalprozesse gehabt, schauen wir uns
522
an, wie funktionierten diese bis dato und wo können wir sozusagen Synergien holen,
523
welcher der beiden, wenn ich jetzt sage ein Recruiting-Prozess, wie wird der hier
524
gestaltet, wie wird er dort gestaltet und haben dann versucht, aus den einzelnen
525
Themen heraus wieder eine neue Struktur zu schaffen und natürlich muss man
82
526
sagen, man muss sich ja dann überlegen, wie setze ich das dann organisatorisch
527
um? Weil es gibt da jede Menge neue zusätzliche Mitarbeiter, Kollegen und wie
528
passt das dann zusammen und wie, aber das wichtigste ist, zunächst die Aufgaben
529
und welche Aufgaben soll HR überhaupt erfüllen, in welcher Tiefe in welchem
530
Ausmaß und wie organisiere ich es dann am Ende des Tages und das kann immer
531
nur unter dem Blickwinkel auch einer möglichst effizienten Gestaltung erfolgen. Also
532
sprich, mit geringsten oder mit dem absolut notwendigsten Aufwand den
533
größtmöglichen Erfolg zu erzielen.
534
535
I: Super, vielen herzlichen Dank, es war sehr umfassend.
536
537
IP: Bitte, gerne.
83
1
Interview 5: 24. August 2012 / 09.00 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Meine erste Frage an Sie: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?
5
6
IP: Der Begriff Lean für mich ist, mit möglichst effizienten, geringen Ressourcen
7
einen möglichst hohen Output zu erwirtschaften.
8
9
I: Wie wird Lean konkret in Ihrem Unternehmen angewendet?
10
11
IP: Lean als solches ist ja eine Einstellung, d.h. so wie ich es anfangs gesagt habe,
12
bis es tatsächlich auch als Output rauskommt, bedarf es sehr viel Training für die
13
Leute, damit sie auch verstehen, was wir unter Lean verstehen. Lean gibt es im
14
privaten Bereich, da denkt man sehr oft Lean und für uns ist es ganz wichtig, dass
15
man Lean, die Einstellung und die Denke auch in das Unternehmen mit hinein
16
nimmt.
17
18
I: Wann wurde Lean bei Ihnen hier begonnen und was waren die Gründe für die
19
Einführung von Lean?
20
21
IP: Lean hat man aufgrund von Einzelinitiativen begonnen, d.h. es haben sich einige
22
Leute dafür interessiert, also ein Bottom-up Effekt. Sie haben sich
23
interessieren begonnen und es haben sich leider eben nur einzelne Inseln entwickelt,
24
die das betrieben haben und das war ca. vor 7, 8 Jahren.
dafür zu
25
26
I: Der konkrete Auslöser für das war eben diese …?
27
28
IP: Das waren die Leute, die sich dafür selbst interessiert haben, sprich, sie haben
29
das mitbekommen über Kollegen aus anderen Betrieben, sie haben es durch die
30
Presse, durch andere Institutionen mitbekommen und haben sich dafür interessiert
84
31
und dachten sich, dass ist jetzt wichtig. Leider damals eben noch kein Top-down
32
Prozess, eben ein Bottom-up Prozess.
33
34
I: Was war dabei die größte Herausforderung wenn Sie so zurückblicken, bei diesem
35
Einführungsprozess?
36
37
IP: Dass die Leute damals begonnen haben, die damalige Geschäftsleitung zu
38
überzeugen. Das war einmal so der erste Schritt, dass sie gesagt haben „Darf ich
39
das?“ „Wir wollen das!“ Sie haben dann auch gedurft, also sie durften da praktisch
40
rausgehen und durften die Schulungen machen und durften es umsetzen. Ist aber
41
leider eben, war auch nicht anders zu erwarten, auch dort stecken geblieben, sprich
42
es gibt Bereiche die sich damit beschäftigt haben und dann hat es natürlich etliche
43
Bereiche gegeben, die sich dafür überhaupt noch nicht interessiert haben und die
44
sind auch letztendlich hinten geblieben. Das war das Thema der letzten eineinhalb
45
Jahre, wo wir begonnen haben, das systematisch flächendeckend auszurollen.
46
47
I: Wie wurde das eingeführt, durch Trainings oder durch …?
48
49
IP: Ja, also Qualifizierung ist also einmal ganz, ganz essentiell. Wir haben begonnen
50
einmal grundsätzlich unseren Fahrplan aufzulegen, d.h. damit die Leute mal wissen,
51
wo geht die Reise hin. Ganz wichtig ist, damit Leute auch in die richtige Richtung
52
sich weiter entwickeln, ist ganz klar zu wissen, wo wollen wir hin. Das 2. Thema war,
53
dass wir dann einen Schulungsplan dementsprechend entwickelt haben, sprich
54
Qualifizierung ist eines der wichtigsten Themen für Lean. Wenn wir wollen, dass sich
55
Leute anders verhalten, eben in einer schlanken Gesellschaft, effizient bewegen,
56
dann müssen sie ganz klar auch die Qualifizierung dazu bekommen. Und der
57
3. wichtige Schritt war, wir haben es modulweise aufgebaut, d.h. wir haben einzelne
58
Bereiche mit recht prestigeträchtigen Projekten vergeben und haben die dann auch
59
dementsprechend zu feiern gewusst. D.h. wir haben auch dementsprechend in der
60
Mitarbeiterzeitung,
61
propagiert, damit dann auch die anderen letztendlich sich an den guten Beispielen
62
orientieren und auch die Schritte mitmachen. Wir wollen, dass die Leute aus dem
63
eigenen Antrieb die Initiativen auch mitbetreiben. Natürlich gibt es einen gewissen
internen
Informationsaussendungen,
usw.,
immer
wieder
85
64
fordernden Druck, möchte ich sagen, aber wenn man sieht, dass es eben
65
Erfolgserlebnisse von anderen Abteilungen, anderen Bereichen gibt, dann folgen
66
dahinter natürlich die anderen wesentlich leichter.
67
68
I: Ist Six Sigma auch da in dem Kontext ein Thema, in dieser Kombination?
69
70
IP: Ja, also Six Sigma ist aus unserer Sicht eine hervorragende Ergänzung. Es gibt
71
eben diese traditionell alte Welt, wenn man so 20 - 30 Jahre zurückgeht und sagt,
72
okay das eine war eben das Toyota Produktionssystem, das Taiichi Ohno, der da
73
eben als Hauptbegründer von Lean gilt, war die eine Schiene und die zweite ist eben
74
dort, wo Motorola, aus der Notwendigkeit heraus - die über den vielstufigen Prozess
75
derartig viele Fehlerquoten zu haben - Six Sigma zu entwickeln. Ich finde es ist auch
76
- es ist unsere Meinung auch in der Organisation - eine super Ergänzung. Weil Lean
77
eben eine Einstellung ist, die man so und so benötigt. Die braucht man auch bei Six
78
Sigma. Lean als solches mit den Methoden die es gibt, setzt sehr stark auf das
79
Know-how der Leute und auf Information/Kommunikation und auf den Blick für
80
Verschwendung. Auf jeden Fall erreicht man den Plafond und sagen wir so, der
81
Spruch, der ist absolut treffend aus meiner Sicht: Wenn du mit Brainstorming nicht
82
mehr weiterkommst, dann brauchst Du Methode und das ist dann Six Sigma. Also
83
wenn man einen Optimierungsprozess laufen hat, irgendwann hat man einmal dann
84
dementsprechend den Plafond erreicht und wenn man so sagt, bei 95, 97%, da wird
85
die Luft dann dünn, dann komme ich nicht mehr weiter, da ist unser Ansatz, dass
86
man wirkliche statistische Methoden, wie Six Sigma verwendet.
87
88
I: O.k., da beginnt das dann quasi, zuerst Lean und dann Six Sigma.
89
90
IP: Ja, als komplementäre Methode, das ist aber so, dass wir eben im Lean-Bereich
91
noch so viel zu tun haben, dass eben Six Sigma noch einige Jahre für uns weg ist,
92
wirklich einzuführen. Wir haben schon in Summe jetzt 3 Green-Belts, die es eben
93
von sich aus interessiert und wir verwenden Six Sima dort, wo es partiell
94
Qualitätsprobleme gibt und wo man eben nicht weiß, wo kommt es her, da
95
verwenden wir es wirklich partiell als Methode, aber da gibt es zur Zeit nur 3 Leute,
96
die sich dafür interessieren. Wir haben es eben auch noch nicht so richtig gefördert,
86
97
weil eben der Weg, Lean-Management einmal ordentlich einzuführen, noch vor uns
98
liegt.
99
100
IP: Meine Master Thesis hat ja den Überbegriff und Titel „Lean Human Resources”.
101
Was würden Sie damit assoziieren, wenn ich sage: „Was verstehen, was würden Sie
102
unter „Lean Human Resources“ verstehen? Welche Assoziation hätten Sie da?
103
104
I: Für mich gibt es jetzt 2 Möglichkeiten, entweder den Prozess „Human Resources“
105
in einer Organisation. Da würde mir jetzt dazu einfallen, wenn es ein Prozess ist,
106
wenn es eine Abteilung gibt, verantwortliche Leute gibt, Human Resources und darin
107
den Prozess Lean abzudecken. Dann hätte man natürlich auch traditionell interne
108
Kunden, eben andere Abteilungen, andere Mitarbeiter, die eben Support von Human
109
Resources bekommen, um Mitarbeiter zu rekrutieren, Mitarbeiter zu schulen und so
110
weiter, diese Geschäftsprozesse, mit dieser verantwortlichen Abteilung Human
111
Resources „HR“, könnte man dann dementsprechend Lean aufstellen. Lean heißt
112
dann in dem Fall wirklich kundenorientiert, was will mein Kunde wirklich und den
113
internen Kunden, spricht der Restorganisation, dementsprechend auch durchgängig
114
Effizienz und was genau der Kunde will, auch so aufzustellen. Das ist das Eine, was
115
ich damit assoziieren würde. Anderseits Human Resources, wenn ich sage, als
116
solches, wenn ich also sage, nicht Prozess, sondern Human Resources, Lean, dann
117
würde ich damit verbinden, dass es da Personen gibt, die Human Resources, also
118
rein als Wort, die dementsprechend ausgebildet sind, um Lean zu denken und Lean
119
zu arbeiten. Wie es gemeint ist, weiß ich jetzt nicht, ob es eben als eine
120
Organisationseinheit in einer Firma wäre, oder eben als Person? Wenn ich also
121
sage, die Ressourcen als solche, würde ich assoziieren, das sind Leute die
122
dementsprechend Erfahrung haben, ausgebildet sind und fit sind auf dem Gebiet von
123
Lean.
124
125
I: Diesen nächsten 3er Block werde ich jetzt so kombinieren, die Frage ist auch in
126
diesem Kontext: Wo ist bei Ihnen der Leiter Human Resources angesiedelt? Besteht
127
ein Zusammenhang zwischen dieser Position und der Einführung von Lean und hat
128
sich nach der Lean-Einführung daran etwas verändert?
129
87
130
IP: Der Abteilungsleiter für Human Resources war bis vor meinem Eintreten in das
131
Unternehmen eben in der Finanzabteilung angesiedelt, sprich eine Stufe zwischen
132
der Geschäftsleitung und der ist eben, was für mich ganz wichtig ist, direkt an mich
133
berichtend, abgebildet in der Organisation, mit seinen Leuten. Das zum Einem, also
134
er berichtet direkt an mich, für mich persönlich natürlich neben den ganzen
135
Leistungsprozessen, ja von Logistik, Produktion, etc., die Unterstützungsprozesse
136
und Unterstützungsabteilungen neben Finanzbereich und Human Resources sind für
137
mich eigentlich auf gleicher Höhe. Für mich ist Finanz und IT genauso wichtig, wie
138
Human Resources. Es ist für mich einfach nicht unwichtiger, meiner Meinung nach
139
gehört Human Resources ganz prominent in der Organisation aufgehängt. Das war
140
die eine Antwort, die 2. Frage war, was sich da geändert hat. In dem Bereich von
141
Ausbildung und Ausbildungsprogrammen hat er natürlich dementsprechend mehr
142
Herausforderung auch gehabt, das für die Leute zu organisieren. Seinen eigenen
143
Prozess hat er schon relativ -
144
Abteilung bekleidet - schon recht gut eigentlich im Griff, der ist schon von Haus aus
145
sehr Lean. Obwohl er vielleicht unter Lean das noch gar nicht so verstanden hat. Es
146
gibt da viele andere deutschsprachige Begriffe dafür, manche sagen eben
147
Hausverstand dazu, aber er ist schon von Haus aus sehr, sehr Lean. Er versucht,
148
alle möglichen Dinge zu automatisieren, auch möglichst vieles zu rationalisieren, im
149
IT-System abzubilden und möglichst Routinetätigkeiten sauber abzuarbeiten und
150
sehr effizient abzuarbeiten. Aber da habe ich Gott sei Dank einen tollen Mitstreiter,
151
der dies auch so vertritt. Die Herausforderung, die es für ihn gegeben hat, ist
152
natürlich ganz klar, wir sind stark in Trainingsprogramme eingestiegen, wir haben
153
Mitarbeiterumfragen großflächig angelegt, also nicht nur wie geht’s euch, sondern
154
Mitarbeiterumfragen,
155
Mitarbeiterumfrage, wo wir gesagt haben, wir machen alles und schauen dann
156
darunter in den einzelnen Bereichen mit Workshops ohne den Vorgesetzten, wie
157
interpretiert ihr die Mitarbeiterumfrage, die Ergebnisse und was wäre denn jetzt das
158
Optimierungspotential, was liegt euch wirklich am Herzen, ohne noch dazu, das
159
möchte ich noch erwähnen, ohne jeweils den einzelnen Bereichs-/Abteilungsleitern,
160
damit die Leute wirklich komplett frei von der Leber auch, das Ganze zu erinnern und
161
interpretieren können. Da haben wir in Summe fast 20 Beratertage jetzt investiert.
162
Das war wirklich jede Menge und das fordert ihn natürlich. Also diese Orientierung
die
hat
also ich spreche jetzt von dem Herrn, der diese
ihn
jetzt
sehr
herausgefordert
haben.
88
163
hin zur Person, hin zur Organisation, die Person steht im Mittelpunkt des
164
Unternehmens, das war eigentlich eines der wichtigsten Changes für ihn selbst. Also
165
das ganze Trainingsprogramm inklusive die Orientierung hin, die Person steht im
166
Mittelpunkt.
167
Requalifizierung und Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter, das hat ihn ganz speziell
168
herausgefordert und fordert ihn nach wie vor heraus.
Nicht
nur
der
Rekrutierungsprozess,
sondern
also
auch
die
169
170
I: Das leitet mich zu der Frage, die auch habe, der Zusammenhang: Welchen
171
Zusammenhang sehen Sie zwischen Lean und eben den Maßnahmen der
172
Personalentwicklung im Unternehmen und welche Auswirkungen hat eben diese
173
Lean-Einführung auf diese Maßnahmen der Personalentwicklung? Ich habe es
174
konkret auf meine Fragestellung auf Aus- und Weiterbildung und Karriere-
175
management bezogen.
176
177
IP: Karrieremanagement gehört natürlich auch dazu, ganz klar. Da sind wir, wir
178
haben es auf der Roadmap darauf für HR, aber das werden wir erst, erstens einmal
179
ist der ganze Konzern in einer riesigen Umstrukturierungsphase. Ich möchte aber
180
jetzt nicht so sehr darauf eingehen, da könnten wir lange darüber diskutieren. Wäre
181
ein interessantes Gespräch, weil das ist momentan eine riesen Veränderung, die bei
182
uns in der Organisation gerade stattfindet, hin von einer - sage ich vielleicht kurz
183
dazu, damit sie es auch verstehen - von einer regionalen Organisation hin zu einer
184
Matrixorganisation, europaweit. Teilweise sogar bis nach Asien und in den
185
pazifischen Raum hinein. Da ist es natürlich eine Sache, da kann man, wenn man da
186
zwar den ersten Schritt macht mit Lean, ja, da sind wir zweifelsohne einer der
187
Protagonisten in der Gruppe, man muss trotzdem auch schauen, dass die anderen
188
auch ein Stück harmonisiert mitgehen, weil wenn man zu weit weg ist, wollen die
189
anderen natürlich hinten dann andere Dinge oder wenn sie die aus dem Horizont
190
verlieren, dann biegen sie woanders ab, sage ich jetzt so plakativ. Und aus diesem
191
Grund, dieses ganze Karriereplanungsthema ist auch am Konzern ganz weit oben
192
angesiedelt und es wird gerade momentan gemeinsam entwickelt. Ja, dass man
193
sagt, was macht man mit Talentmanagement, wie macht man so eine Bewertung,
194
gibt es ABC-Ratings, wer sind meine A-Player, meine B-Player, also diese ganze
89
195
Systematik, die wird jetzt gerade erstellt. Aber es ist ganz klar auch mit auf der
196
Roadmap drauf, gehört mit dazu.
197
198
I: Ist jetzt aber nicht ursprünglich der Driver aus Lean heraus, …
199
200
IP: Nein, nein, nein….
201
202
I: ….sondern generelles Thema im Sinne der Umorganisation, dass man sagt, …
203
204
IP: … genau.
205
206
I: …diese HR-Aufgabe oder dieses Karrieremanagement als Thema an sich.
207
208
IP: Aber letztendlich, kurz der Brückenschlag, hin zu der Einstellung der Leute, was
209
motiviert Leute? Leute motiviert erstens, ich sag jetzt das krasse Beispiel. Was
210
motiviert sie nicht? Sie gehen jeden Tag da rein und sie wissen, dass sie in 5, 10, 20
211
Jahren noch das gleiche machen werden. Warum sollen sie sich dann Gedanken
212
machen, dass vielleicht gestern, vorgestern oder vor 2, 3 Jahren oder vor 10 Jahren,
213
vielleicht etwas gemacht haben, was sie heute besser machen könnten. Sie tun
214
einfach das, was sie bisher gemacht haben und sie werden es auch, weil sie keinen
215
Horizont haben, dementsprechend das gleiche in den nächsten Jahren tun. Ganz im
216
Gegenteil muss man dann eben, wenn ich sage, jetzt denke ich Lean, dann muss
217
klar sein, dass die Veränderung das wirklich einzig stetige im Leben ist. Das kann
218
man an Beispielen heranführen, von der Postkutsche, der Eisenbahn, bis hin zur
219
Telefonie, etc., es verändert sich einfach. Und wenn die Leute das verstehen und
220
auch akzeptieren, ich fühle mich sicher im Unternehmen, ich fühle mich gut
221
aufgehoben, auch das ist wichtig, damit die Leute motiviert sind. Zweiter. wichtiger
222
Punkt ist, ich kann meine Dinge beeinflussen, aus dem kommt auch Lean-
223
Management
224
einzuführen, ohne Visualisierungskonzepten, ohne dementsprechenden Plan-Do-
225
Check-Act Zyklen, wo ich sehe, ich tue was und habe dahinter auch eine Reaktion
226
und ich habe auch Ergebnisse, die sich noch dazu idealerweise irgendwann am
227
Ende des Jahres oder Monats auch irgendwo monetär auswirkt, das motiviert die
inklusive
Visualisierung,
ganz
wichtig.
Nur
Lean-Management
90
228
Leute und dazu gehört natürlich auch der 3. Punkt, wieder der Brückenschlag zum
229
Karrieremanagement, die Leute brauchen irgendwo einen Horizont. Wo kann ich
230
mich hin entwickeln, wo geht die Reise hin?
231
232
I: Diese Sichtbarkeit ist aber wichtig in diesem Element, höre ich da so heraus.
233
234
IP: Ja, ganz wichtig.
235
236
I: Sichtbar machen, nicht irgendwo in der Wolke, sondern, das ist ein Ziel, das ist ein
237
Erreichungsgrad, wo wollen wir hin, wo willst du hin.
238
239
IP: Deswegen war das Thema, nachdem eben diese Insellösungen entstanden sind,
240
in unterschiedlichsten Standards und Lean heißt natürlich auch, nach Standards zu
241
arbeiten, es sind unterschiedliche Standards entstanden. Eines der Themen, wie
242
man jetzt die Initiative, dies flächendeckend einzuführen begonnen hat, war mit dazu
243
ein großes Projekt, ganz kurz erwähnt, Teamboard. Also Teamboards, jedes Team,
244
jeder Bereich, oder ob man es Abteilung nennt, hat eben sein Teamboard von
245
Kennzahlen bis hin zu der Verwaltung von Ressourcen, Maschinen, etc., Layouts.
246
Heute kann ein Abteilungsleiter wirklich zu seinem Teamboard gehen und hat da
247
sofort alles parat und es ist ein lebendes Instrument. Inklusive des ganzen KVP-
248
Prozesses, wird genauso dort abgearbeitet. Also das haben wir mitbegleitend
249
mitentwickelt, damit eben das Sichtbarmachen auch echt gelebt wird.
250
251
I: Letzte Frage, noch einmal zurück zu HR. Das Human Resources hat ja auch, es
252
gibt unterschiedliche Rollenbilder, wie man HR sieht und wie sie selbst gesehen
253
werden. Wie würden Sie das Rollenbild Human Resources bei Ihnen im Haus
254
charakterisieren und auch hier wieder die Frage, welchem Zusammenhang
255
zwischen dem Rollenbild und der Lean-Einführung gibt es da und hat sich da etwas
256
verändert und wenn ja, was?
257
258
IP: Der bisherige HR-Bereich ist jetzt unter dem Lean-Aspekt, es hat natürlich zwei
259
Einflüsse, wenn ich sage, HR vor 2 Jahren und HR heute, hat natürlich zwei
260
Einflussgrößen. Das Eine ist einmal, dass die Abteilung eben jetzt direkt der
91
261
Geschäftsleitung unterstellt ist und den 2. Einfluss Lean, ob man das wirklich so
262
scharf trennen kann, ist jetzt vielleicht schwer genau zu differenzieren. Also dieses
263
Ergebnis, diese neuen Rollen, Wahrnehmung ist jetzt aufgrund von prominenter oder
264
prominenterer
265
zurückzuführen, da würde ich mir jetzt schwer tun, dies zu differenzieren, noch dazu
266
wo ich eben selbst als Geschäftsführer dann auch stark Lean orientiert bin, also das
267
ist schwer, aber ich würde es im Gesamtkontext so beschreiben, die Abteilung war
268
davor eher rein administrativ, also die ganze Lohnbuchhaltung und jetzt gibst mir
269
eine Personalanforderung, okay, dann schreib mir kurz eine Stellenbeschreibung und
270
ich suche dir jemanden. Hin zu einer Rolle, die sehr unternehmerisch jetzt, sehr, sehr
271
unternehmerischer denkt, wesentlich unternehmerisch, unternehmerisch im Sinne
272
von, es ist, ein Angestellter würde niemals ein Unternehmer sein, aber er denkt
273
unternehmerisch, fürs Unternehmen in Sinne von, ich sag einmal, wenn es um
274
Gehälter geht, wenn es um Konditionen geht, wenn es um das schnelle Besorgen
275
geht, er ist ein deutlich besserer Dienstleister, interner Dienstleister, Supporter
276
geworden, als er davor reiner Administrator war. Er versteht ganz klar, wer ist sein
277
interner Kunde? Wer ist eigentlich mein Kunde? Natürlich zahlt letztendlich alle
278
unsere Gehälter der Endkunde am Markt draußen, aber sein unmittelbarer, ist eben
279
die Organisation und da muss er eben mit all seinen Künsten und Kräften
280
unterstützen und das Rollenbild ist deutlich zielorientierter, prozessorientierter und
281
kundenorientierter geworden.
Position
im
Unternehmen
oder
aufgrund
von
Lean
jetzt
282
283
I: Wenn Sie keinen weiteren Anmerkungen haben, also ad hoc, haben wir es gut in
284
time geschafft.
285
286
IP: Ja, also gerade zur ersten Frage. Also Lean als solches ist natürlich auch ein
287
riesiges Einstellungsthema. Also Lean ist auch eine Sache, die in Fleisch und Blut
288
übergehen muss und nach der auch so gelebt werden muss, letztendlich.
289
290
I: Also nicht nur Methodik, sondern Einstellung …
291
292
IP: Nicht nur Methodik, ganz klar. Also Lean geht über die Einstellung. Six Sigma
293
dagegen ist natürlich schön, wenn’s Voraussetzungen gibt, ein Nährboden dafür da
92
294
ist, dass ich sage, okay, ich kann das Six Sigma Projekt bewältigen. Aber es ist
295
eigentlich ein sehr starkes Methoden getriebenes Ding. Da kommt jemand, der
296
seinen Werkzeugkoffer hat, wo die ganzen Six Sigma Dinge drinnen stecken und
297
fährt das nach Schema F, sag ich jetzt mal, ab, hat natürlich auch seine Workshops,
298
wo er Infos abholt, aber er ist eher strukturiert und nach Methode vorgegangen. Lean
299
ist
300
Riesenunterschied. Das tägliche Handeln und Tun, dann muss ich sagen, ist wirklich,
301
wie ich zuerst gesagt habe, mit Hausverstand, andere sagen XHV dazu, g’sunder
302
Hausverstand. Es gibt so viele Parallelen, was man zu Hause tut und in den privaten
303
Bereichen tut, was man in der Firma nicht tut. Ich sag einmal, da muss halt jemand
304
kommen und 5S als System einführen, bitte fragen sie einmal eine Hausfrau, was sie
305
im Frühjahr macht, das ist nichts anderes als Frühjahrsputz. Meine Kleindung, die ich
306
nicht länger als eineinhalb Jahre angezogen hab, weg damit. Bestandsminimierung,
307
Saubermachen, also das sind so Dinge…
eine
Sache,
die
das
Verhalten
von
Leuten
verändert,
das
ist
der
308
309
I: Analogien gibt es ja genug.
310
311
IP: Absolut ja, aber es gibt halt unterschiedlichste Firmen, Unternehmer,
312
Persönlichkeiten, die das Ganze begonnen haben, zu systematisieren, für
313
Organisationen einzuführen, deswegen hat es einen anderen Namen. Aber an
314
solchen Beispielen, muss man, denke ich, die Leute immer wieder abholen, dass
315
man sagt, Leute, ihr macht es eigentlich im privaten Bereich auch.
316
317
I: Es geht eher in Richtung, dass man sagt, eben, es ist zwar nett, dass es diesen
318
Begriff gibt, aber es geht um die Handlungsweisen, die Prinzipien, die dahinter
319
stehen. Zurück zur Quelle, was ist eigentlich, was ist die Urbedeutung und dann
320
321
kommt man möglicherweise drauf, dass es im täglichen Alltag ja eigentlich…
322
IP: Es ist immer nur wichtig und es ist auch unser Zugang, dass man den Leuten ein
323
bisschen die Scheu davor nimmt. Weil da kommt was Neues, um Gottes Willen,
324
schon wieder etwas Neues und tatsächlich ist es ja nichts anderes als wenn man
325
sagt, es ist Eure kleine Firma, was ihr so und so auch tun würdet.
326
I: Vielen herzlichen Dank!
93
1
Interview 6: 5. September 2012 / 11.00 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Meine einleitende Frage: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?
5
6
IP: Wenn Sie mich sozusagen Word-Rap-artig antworten lassen: Toyota, 1990er,
7
Automobilindustrie, der 1. Begriff Lean-Production, und jetzt reden wir in der Regel
8
über Lean-Management. Und für mich zusammengefasst: Lean in wenigen Worten
9
soll dazu führen, dass wir unter Vermeidung von Fehlern, Verschwendung, hoch
10
effizient Qualität produzieren. Das ist es sozusagen im pragmatischen Überblick.
11
12
I: Wann wurde Lean bzw. Lean-Management hier eingeführt und was war der
13
Auslöser?
14
15
IP: Lean Management als solches ist nicht schlagartig eingeführt worden, sondern
16
Lean Management ist in unterschiedlichen Ausprägungen zu unterschiedlichen
17
Zeitpunkten fühlbar, spürbar geworden. Da gibt es sozusagen durchaus klassische
18
Ansätze im Verbesserungsprozess, der letztendlich bei uns zu einem recht
19
professionellen KVP-Ansatz geführt hat. Da gibt es als solche bezeichnete Lean
20
Aktivitäten,
21
Produktionsbereich hineinfragen, da werden Sie zur Antwort bekommen: So etwas
22
machen wir gerade, wir schauen gerade unsere Wertschöpfungskette an und
23
versuchen, unsere Organisation darauf einzustellen. Wenn Sie in die Vergangenheit
24
bei uns schauen, dann ist Lean in dem Sinn abschlanken, Hierarchien vereinfachen
25
und reduzieren. Vor 11, 12 Jahren mit dem Ansatz, aus einer sehr zentral
26
strukturierten Firma eine dezentrale Struktur zu machen, damals Schlagwort aus
27
einem großen unbeweglichen Tanker die kleinen Schnellboote machen, wo also die
28
Ansätze drinnen waren, in Bereichen, die bei uns durchaus große Bereiche
29
darstellen. Nur damit man sich in der Division ein kurzes Bild machen kann. Ein
30
großer Unternehmensbereich hat bei uns durchaus Personalkapazität von bis zu
31
2.000 Personen. Es ist für sich schon ein sehr großer Bereich und im damaligen
wenn
Sie
heute
z.B.
in
eine
Tochtergesellschaft
in
einen
94
32
Ansatz hat man mit dem dezentrale Strukturen schaffen begonnen, auch verbunden
33
hohe Prozessorientierung und Prozesse durchgängig zu gestalten. Also durchaus ein
34
Lean Ansatz innerhalb von Business-Units und vor zweieinhalb, drei Jahren ist dann
35
– wenn man so will – ein Gesamtkonzept daraus geworden. Eigentlich aus dem
36
Ansatz, dass wir sozusagen das Pendel, das immer mehr in Richtung dezentrale
37
Strukturen ausgeschlagen hat, wieder ein bisschen zurückführen in Richtung
38
Steuerung. Wenn man sich die Begleitmusik dazu gibt, dann kommt man darauf, da
39
war schon wieder ein Lean-Ansatz drinnen, weil man gesagt hat, ein ganz ein
40
wesentlicher Punkt ist, dass wir jetzt über die Business-Units hinaus durchgängige
41
Prozesse schaffen. Also Lean eine Ebene höher noch. Sie werden bei uns, wenn Sie
42
so generell z.B. in den Führungsbereich hineinfragen und fragen: Lean, was soll ich
43
damit? Wenn Sie sagen: Da war doch ein großes Projekt? Ja, ein Projekt, das war
44
ein
45
Anführungszeichen hohen Anteil an Elementen, die man, wenn man jetzt das
46
Lehrbuch anschaut, sagt, ja genau, wenn ich Lean-Management einführe, dann habe
47
ich genau diese Methoden und Werkzeuge, die ich einsetze. Eckpunkte,
48
vorgenommen haben wir uns, über die Division 10% der Kosten einzusparen und ein
49
neues operatives Geschäftsmodell einzuführen, da stehen wir bei, zwischen 370,
50
380 Millionen Euro p.a. Einsparung, nachweislicher Einsparung und einem
51
implementierten operativen Geschäftsmodell, das ganz wesentlich auf 3 Eckpunkten
52
steht, auf neu implementierten Steuerungsstrukturen, auf Shared Services, das ist
53
wieder ein klassischer Lean-Ansatz im Sinne von Effizienz. Und als Versuch, die
54
Vorteile der dezentralen Strukturen beizubehalten, dezentralen Einheiten.
Einsparungs-
und
Restrukturierungsansatz
und
natürlich
mit
unter
55
56
I: Würden Sie dies so charakterisieren, ich hätte da so herausgehört, es war
57
durchaus am Anfang so ein werkzeug- oder toolorientierter Zugang, der sich in so
58
einer unternehmenskulturellen Sache entwickelt hat. Es ist einerseits natürlich auf
59
diese Ebene drüber gelegt worden, aber würden Sie es mittlerweile so als – eben als
60
Kultur, weil der Begriff das war ein Projekt – ein abgeschlossenes, ist aber jetzt so
61
quasi eine Art Automatismus im täglichen Arbeitsablauf.
62
63
IP: Wenn ich gleich ein Stück nach vor springe und mich auf HR-Anforderungen
64
beziehe: Kultur ja, insofern als es einen riesen Change-Prozess bedeutet hat.
95
65
66
I: Was assoziieren Sie, wenn ich sage, Lean Human Resources, das ist ja auch der
67
Titel meiner Master Thesis, wie würden Sie dies charakterisieren und was
68
assoziieren Sie, wenn ich sage, Lean Human Resources?
69
70
IP: Auf der einen Seite ganz klar Lean jetzt auch auf die Unit HR umgelegt, d.h. auch
71
da Effizienz, da heißt auch dort durchgängige Prozesse, die hocheffizient sind. D.h.
72
ein Arbeiten, nicht nur für das gesamte Unternehmen, sondern auch im eigenen
73
Bereich mit Kennzahlen. Das ist sozusagen der Blick auf HR im engeren Sinn und
74
die
75
Gesamtorganisation entsprechende Zahlen, Daten, Fakten liefern zu können. Man
76
braucht immer angreifbares, messbares, zählbares. HR muss in der Lage sein, für
77
sich und für die Organisation abzubilden, wie schaut die Personalkapazität in den
78
einzelnen Berichtseinheiten aus, also ein wichtiger Schritt, nämlich, für HR selbst
79
genau zu wissen, für den Prozess brauche ich die Kapazität ausgedrückt in
80
Personenjahren und nicht in Köpfen, um überhaupt in der Lage zu sein, die richtigen
81
Verbesserungsansätze zu finden. Lean ist in der Regel mit Veränderung verbunden,
82
d.h. jetzt wieder intern, HR-intern, aber natürlich auch für die gesamte Organisation,
83
heißt Anforderung an HR in Richtung Sensibilisierung Führungskräfte, zur Verfügung
84
stellen geeigneter Informations- und Trainingsmechanismen und heißt letztendlich
85
Bewusstmachen und Begleiten des für mich unweigerlich damit verbundenen
86
Change-Prozesses. Das sind die gar nicht so kleinen Aufgaben, die mit dem
87
schlanken Wörtchen Lean verbunden sind.
Anforderung,
Lean
HR
heißt
auch,
in
der
Lage
zu
sein,
für
die
88
89
I: Darf ich da anknüpfen, weil ich habe das auch später als Frage hier stehen,
90
welcher
91
Personalentwicklung
92
Karrieremanagement und Aus-/Weiterbildung und ob sich dann durch diesen
93
Change-Prozess oder durch Lean etwas verändert hat, dadurch?
Zusammenhang
zwischen
besteht?
Ich
Lean
habe
das
und
den
konkrete
Maßnahmen
Beispiel
jetzt
zur
eben
94
95
IP: Lean heißt z.B. Kappen von Hierarchien, d.h. dass Sie dem einzelnen Mitarbeiter,
96
der Mannschaft insgesamt, klassische Karrierewege nehmen. HR ist aufgefordert, da
97
irgendetwas vorzustellen, wo man diesen Wegfall an Karriere, der in der Regel
96
98
Motivation bedeutet, kompensieren kann. Das beginnt natürlich mit sensibilisieren,
99
bewusst machen, was passiert da gerade. D.h. eine Bedarfserhebung, was braucht
100
es jetzt und das heißt dann im konkreten von Review Entgelt-Systeme bis hin zu –
101
um etwas konkretes zu nennen – Expertenkarrieren, der Organisation zur Verfügung
102
zu stellen, damit der Mangel an sichtbaren Entwicklungsmöglichkeiten - aus der Sicht
103
des Mitarbeiters ist Karriere für ihn Entwicklungsmöglichkeit - gewahrt wird. Es ist
104
auch notwendig, sich mit dem Kompetenz- und Wissensmanagement in dem
105
Zusammenhang auseinanderzusetzen, weil bei diesen klassischen Karriereschritten
106
in der Regel auch Entwicklungsmaßnahmen in einem größeren Unternehmen
107
verbunden sind, die jetzt, wenn Du diesen Karriereschnitt rausnimmst, durch
108
irgendetwas sinnvollerweise ersetzt werden müssen, wenn Du die Organisation auf
109
einem gleichen Niveau halten willst. Das ist für mich auch insbesondere
110
Herausforderung, Kompetenzmanagement einzuführen, auch jetzt wieder das
111
einfache Beispiel: je mehr Vorgesetzte ich habe, desto sicherer ist in einzelnen
112
Köpfen und vielleicht auf einem Blatt Papier vorhanden, was denn die Mitarbeiter an
113
Kompetenzen brauchen. Je flacher ich dies gestalte, desto mehr muss dann eine
114
Person als Führungskraft überblicken können und desto schwieriger ist es jetzt,
115
durch eine vergrößerte Führungsspanne jeweils die benötigten Kompetenzen im
116
Kopf zu haben. Auch da ist HR gefordert, sich damit auseinanderzusetzen. Wie stelle
117
ich trotzdem sicher, dass ich idealerweise für jede Stelle, für jeden Mitarbeiter auch
118
weiß, was braucht denn der, damit ich einen vernünftigen Einsatz der Mittel für Aus-
119
und Weiterbildung gewährleisten kann, indem ich das Richtige, und das effizient,
120
schule.
121
122
I: Auf der konkreten Seite, Lean-Schulungsmaßnahmen?
123
124
IP: Lean ist selbstverständlich, wenn man sagt, Change-Prozess, etwas, was in den
125
Köpfen verankert werden muss. Ganz grundsätzlich darf man ja nicht davon
126
ausgehen, dass es naturgegeben Spaß macht, ständig nachzudenken, wie kann ich
127
einsparen, wie kann ich den eigenen Verantwortungsbereich aus manchen
128
Blickwinkeln heraus verkleinern und vereinfachen. Daher muss ich klarerweise
129
intervenieren und muss über geeignete Maßnahmen, das beginnt bei klassischen
130
Bildungsmaßnahmen, seminarartig,
und hört bei Team- und
Organisation97
131
entwicklung auf, wo ich dann sage, ich möchte durchgehend vom Top-Management
132
angefangen nach unten ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame
133
Zielrichtung haben. Auch da ist wieder HR gefordert, den ganzen Blumenstrauß zu
134
versuchen, anzubieten, von den eher weichen, gemeinsamen Veranstaltungen, um
135
in einem sozial angenehmen Rahmen Gemeinsamkeit zu finden, über Teambuilding
136
im engeren Sinn, klassisch verstanden bis hin zu Zielvorgaben, Zielvereinbarungen
137
und das Instrumentarium dazu, der Organisation zur Verfügung zu stellen.
138
139
I: D.h. da hat es ja gar nicht so große Änderungen im Sinne des Instrumentariums
140
eigentlich gegeben, sondern es fließt eben diese neue Situation, diese veränderte, ja
141
in das HR-Instrumentarium hinein.
142
143
IP: Ich gebe Ihnen insofern Recht, als wir in einem großen professionell agierenden
144
Unternehmen nicht so sehr den Werkzeugkoffer jetzt völlig neu sortieren müssen.
145
Das eine oder andere Werkzeug kommt neu dazu, sondern es geht darum, die
146
Mannschaft, das beginnt bei der Führung, in einem möglicherweise anderen
147
Gebrauch der Werkzeuge fit zu machen. In Wahrheit ist immer Knackpunkt, dort zu
148
suchen, wie schaffe ich es, was ich als Management für richtig, notwendig erachte
149
ins Mindset der Schlüsselpersonen und idealerweise möglichst vieler zugeordneter
150
rein zu bekommen. Da ist wieder die Aufgabenstellung vielfältig, von A)
151
Sicherstellen, dass im Top-Management ein gleiches Verständnis ist, B) Identifikation
152
der
153
sicherstellen, dass das Verständnis ein gemeinsames ist und die dann ausrüsten,
154
dass sie das, was sie jetzt als gemeinsames Verständnis haben, an die Mitarbeiter
155
weitergeben können. Noch einmal, so gesehen, die Instrumente als solche, hat ein
156
großes Unternehmen eigentlich immer griffbereit. Wenn ich eine, angefangen von
157
einem Personal-Controlling über Personalentwicklungs-, Organisationsentwicklungs-
158
abteilung habe, dann sind die Werkzeuge in der Regel gut sortiert da, es geht immer
159
darum, sei Dir bewusst, welches Werkzeug Du jetzt brauchst und gleichen wir ab, ob
160
Du es auch gut anwenden kannst.
Schlüsselfunktionen
und
Schlüsselpersonen
als
Multiplikatoren.
Dort
161
98
162
I: Das passt glaube ich auch zu meiner nächsten Frage sehr gut, nämlich, wie
163
würden Sie das Rollenbild von HR charakterisieren und welcher Zusammenhang
164
besteht hier zu Lean und dem Rollenbild, oder wie HR agiert?
165
166
IP: Ob man es will, oder nicht, HR hat die nicht immer dankbare Rolle, auf jeden Fall
167
als Treiber bzw. Sensibilisierer im Change-Prozess und HR hat mit Sicherheit dort,
168
wo es ein stabiles, fundiertes Personal-Controlling gibt, auch die Rolle – vor allem in
169
größeren Unternehmen – sicherzustellen, dass alles rund um Personalkapazitäten
170
annähernd
171
herausfordernder Balanceakt. Ich muss auf der einen Seite erstens einmal
172
sicherstellen, dass - wenn ich jetzt sage, ich starte so einen Prozess, so ein Projekt -
173
die Absprungbasis klar beschrieben ist, man sich einig ist, um nämlich
174
nachvollziehen zu können, welche Verbesserungen haben wir denn im Vergleich zu
175
den Zielen, die wir uns gesetzt haben, tatsächlich geschafft. Klären der
176
Ausgangsbasis, klären der Spielregeln, was gilt jetzt als Einsparung, was gilt nicht,
177
bis hin zum Controlling der einschlägigen Zahlen. Man muss auf der anderen Seite,
178
das was wahrscheinlich als erstes einfällt, die Change-Management Seite von A bis
179
Z bedienen.
gleich
beschrieben
und
bemessen
wird.
Also
ein
durchaus
180
181
I: Hätten Sie den Eindruck, dass dieses Change, dieses Managen von Change-
182
Prozessen generell, tendenziell, überhaupt stärker zugenommen hat, oder war das
183
Lean jetzt ein besonderer Verstärker, oder würden Sie es generell sehen, einfach
184
aufgrund dieser Dynamik, dieser globalisierten Welt, das dieses Veränderung,
185
Veränderungsprozesse, einfach viel bedeutender geworden sind, auch jetzt in Bezug
186
zur Rolle für HR. Das scheint mir jetzt doch ein markanter Punkt mittlerweile
187
geworden zu sein.
188
189
IP:
Lean-Aktivitäten
forcieren
die
Notwendigkeit
von
Change-Prozessen,
190
insbesondere, man muss es so sagen. Wenn ich Lean eher in die KVP-Ecke gebe,
191
also ich bin schon schlank und versuche jetzt ständig, besser zu werden, da ist
192
natürlich Change, das Managen der Veränderung, nicht so wesentlich, als wenn ich
193
sage, ich nehme mir jetzt einen sichtbaren Schritt vor. Da ist es unumgänglich, es ist
194
ganz, ganz wichtig, weil Lean unter Anführungszeichen, ich kenne kein Beispiel, wo
99
195
nicht, ich beschreibe es ein bisschen plastisch, schmerzhafte Veränderungen damit
196
verbunden sind und gerade in so einem Falle ist es unbedingt notwendig,
197
draufzuschauen, zu antizipieren, wo müssen wir denn möglicherweise rechtzeitig
198
begleiten und intervenieren, dass nicht so viel Widerstand entsteht, dass man letzten
199
Endes stecken bleibt, mit seinen Verbesserungsansätzen.
200
201
I: Es gibt ja auch noch für mich diese 2. Dimension in Bezug zu HR, nämlich diese
202
hierarchische Zuordnung. Sie sind ja in leitender Position. Sehen Sie da auch einen
203
Zusammenhang im Sinne eines Wirksamkeitszusammenhangs oder hat sich dadurch
204
etwas verändert, oder ist auch diese hierarchische Zuordnung der Positionierung im
205
Sinne der Personalverantwortung oder Organisationeinheit – hat sich da etwas
206
verändert, oder ist dies quasi – besteht da ein Zusammenhang, ob das wichtig ist,
207
wie diese hierarchische Zuordnung ist in diesem Bezug, zu diesen Aktivitäten?
208
209
IP: Auf der einen Seite ganz generell wird sich in allen Bereichen und auch in HR im
210
Lean-Zusammenhang eine verstärkte Teamorientierung ergeben. Wenn Hierarchien
211
rausfallen, hat man mehr Player auf einer Ebene, das gemeinsame Arbeiten ist dann
212
zwangsläufig eher im Team. Auf der anderen Ecke, Hierarchie, Positionierung,
213
Change-Prozesse bewusst zu machen, ist im Wirtschaftsleben per sé nicht wirklich
214
leicht und durchzusetzen, dass man dies professionell begleitet, was letzten Endes
215
auch heißt, dass Aufwand damit verbunden ist, ist noch einmal schwierig. Daher die
216
Positionierung von HR als solches ist gerade in solchen Ansätzen schon wichtig.
217
Jetzt kann man natürlich sagen, na ja, entscheidend wird wohl das informelle
218
Standing sein, letztlich drückt es sich aber immer ein bisschen aus, in welcher
219
hierarchischen Rangordnung wird HR wahrgenommen. Bin ich irgendwo eine
220
Stabstelle, die Zahlen aufbereitet, dann bin ich darauf angewiesen, dass sich
221
Führungskräfte überzeugen lassen oder von sich aus die Notwendigkeit einsehen,
222
dass man hier mit Personal – wirtschaftlichen – Werkzeugen, interveniert, wenn man
223
aber sichergehen möchte, dann braucht HR einen Steuerungshebel auch in der
224
Hand. Sonst wird es gerade in großen, heterogen aufgestellten Unternehmen kaum
225
möglich sein, das Du sichtbar, durchgängig Aktivitäten entfaltest.
226
100
227
I: Mir ist jetzt auch noch eingefallen, und zwar Lean hat sich ja auch in dieser
228
Kombination mit Six Sigma, Lean Six Sigma, und dieses einerseits Lean,
229
verschlanken, Six Sigma, Reduzierung der Streuung, Stabilisierung der Prozesse.
230
Ist das, wird das bei Ihnen auch angewendet, tritt dies in einer Kombination auf, oder
231
ist einfach Lean so der Hauptfaktor, weil da gibt es ja auch eine riesen Bandbreite,
232
wie es eingesetzt wird und die Begriffe werden vermischt?
233
234
IP: Also wir versuchen, ganz bewusst auf der einen Seite Experten zu schulen bzw.
235
zu haben, die auch theoretisch firm sind. Six Sigma genauso, wir schauen also, dass
236
wir diese Expertise im Unternehmen vorhalten, wir versuchen aber in der Umsetzung
237
nicht mit derartigen Schablonen zu agieren. Auf der einen Seite wollen wir ganz
238
bewusst weder verschrecken, wenn ich zu sehr theoriebeladen wohin gehen, jetzt
239
muss ich Dir zuerst einmal erklären, Lean Management, Six Sigma, 5S, wie auch
240
immer und dann reden wir weiter, dann habe ich möglicherweise eine Hürde, die
241
schwer zu umschiffen ist. Auf der anderen Seite haben wir immer ein Stück Sorge,
242
wenn man mit definierten Begrifflichkeiten arbeitet, dass wir Randbereiche nicht
243
beleuchten oder verlieren. Ok, ich habe verstanden, ich soll ¾ von der Seite
244
entweder neu gestalten oder irgendwas besser machen, da oben hast Du mir ja
245
nichts gesagt, da passt der Ansatz. Daher versuchen wir, bei solchen Aktivitäten
246
eher vergleichsweise einfach zu umschreiben. Wichtig ist, wie immer, Lokomotiven
247
zu gewinnen, die zwar wissen, ja, jetzt geht’s darum, das Unternehmen effizienter,
248
schlanker zu gestalten, aber wir verstehen den Auftrag gesamthaft. Dass es jetzt da
249
in dem Kästchen unterschiedliche Hilfsmittel dazu gibt, da kann ich jetzt schon
250
nachfragen, wie hat es ein anderer gemacht? Ja, wir haben eine Affinität
251
selbstverständlich zur Automobilindustrie und schauen dann natürlich dorthin und
252
sagen, aha, der hat es so gemacht, der hat es so gemacht, werden wir für uns nicht
253
unberücksichtigt lassen. Aber wir versuchen, wenn es irgendwie geht, den
254
gesamthafteren Ansatz zu finden. Wichtig ist natürlich auch darauf zu schauen, dass
255
ich irgendwo die Balance habe zwischen gesamthaft und trotzdem genau genug
256
umschrieben. Also in der Regel, wenn wir sagen, wir haben so einen Begriff geprägt,
257
Flughöhe. Will heißen, wir schauen darauf, dass wir in einem Projektfortschritt die
258
Flughöhe richtig absenken, dass man ja nicht am Anfang zu tief gleich in
259
irgendwelchen Details drinnen hängen, sondern hohe Flughöhe, mutig Hypothesen
101
260
aufstellen, was man alles verändern kann, was man alles erreichen will, aber
261
selbstverständlich dann irgendwann hinten muss eine Umsetzung stehen. Bei der
262
Umsetzung muss ich es genau wissen, da muss dann so rauskommen, im Bereich
263
XY heißt es minus 10,5 Personenjahre. Also Zeitablauf ist ein Thema und in den
264
Projektstrukturen versuchen wir es auch so einzubringen, das wir unterschiedliche
265
Ebenen haben, wo eine Auftraggeberprojektaufsicht angehalten ist, hohe Flughöhe
266
und, wenn es größere Projekte sind, in den Strukturen dann auch die Flughöhe
267
entsprechend abzusenken.
268
269
I: Ein spannender Vergleich. Also ich habe für mich so den Kreis jetzt auch
270
geschlossen, weil Sie jetzt gesagt haben, da kommt auch für mich so was Sie sagen
271
heraus, einfach diese ganz klare, konkrete Zieldefinition, ergebnisorientiert, wo
272
wollen wir hin und dann auch zu sagen, nicht jetzt schon, da ist jetzt der
273
Werkzeugkoffer und gehen wir los, sondern quasi über welche Prinzipien und
274
Handlungsweisen wollen wir diesem Ziel, das so konkret formuliert ist, näherkommen
275
und wenn wir dabei auf diesem Weg gute Werkzeuge haben und sie passend
276
einsetzen, dann werden wir das tun, aber wir haben eine klare Vorstellung, wo wir
277
hinwollen und wissen, wir gehen jetzt nicht, wir fliegen jetzt nicht, oder wir
278
schwimmen nicht, sondern, ich habe es so herausgehört, dieses Schaubild…
279
280
IP: Ja, wir haben das letzte große Projekt so losgestartet, dass wir gesagt haben,
281
Vordenker entwickeln einmal einfach Hypothesen, damit einmal ein Bild da ist. Dann
282
werden Experten beauftragt, diese Hypothesen mit Umsetzungsrealität zu erfüllen
283
mit dem klaren Auftrag, nicht zu erklären, warum es nicht geht, sondern alles zu
284
überlegen, wie komme ich möglichst nahe an diese Hypothese und sogar wenn es
285
geht, darüber hinaus. Wir versuchen, wenn so ein Prozessschritt erledigt ist, das ist
286
meistens Knochenarbeit, mühsam, da müssen sich Experten unterschiedlichster
287
Couleurs zusammenstreiten, wenn wir dann ein Ergebnis haben, praktisch, dann
288
gehen wir wieder ein Stück rauf und sagen, so, jetzt wird eine Steuerungsfunktion,
289
eine Führungskraft damit konfrontiert und Du lieferst mir jetzt Dein Commitment, dass
290
Du das umsetzen wirst, als Verantwortlicher, in Deinem Bereich. Es ist uns ganz klar,
291
Du selbst kannst nicht im Detail die Expertise für jeden Einzelschritt haben, aber wir
292
geben Dir jede Chance, schau Dir das Ergebnis dieser Expertenarbeiten an, gehe A)
102
293
mit Hausverstand, B) mit Deiner Erfahrung drüber und sag dann und unterschreibe
294
auch, ok, ich akzeptiere diese Vorgabe. Klar, es wäre realitätsfern, wenn man sagt,
295
dass nicht durchaus Druck dahinter ist und jetzt erwarten wir nicht, dass Du, wenn da
296
100 steht, gleich einmal sagst, na 50 werde ich bringen, sondern wenn 100 steht,
297
sollst 100 bringen, oder wirklich gut begründen, warum Du nur 95 erbringen kannst.
298
299
I: Das ist halt die Basis für die Vereinbarung, die ja getroffen wird.
300
301
IP: Genau, genau.
302
303
I: Dieses Commitment.
304
305
IP: Da haben wir beim letzten Mal in Härtegraden gearbeitet. Wir haben gesagt: so
306
eine Hypothese ist einmal Härtegrad 1, das ist dann, wenn ich konkrete Maßnahmen
307
entweder kenne oder entwickelt habe, wie ich dies erreichen kann, Härtegrad 2, das
308
Commitment ist Härtegrad 3, die folgenden Umsetzungsschritte sind 4 und 5, also 4
309
heißt, ich habe es committed, der 3er ist, ich stehe dazu, ich weiß aber noch nicht,
310
wie ich es mache. 4 ist, jetzt weiß ich auch, wie ich es mache, 5 ist, abgehakt. 6 ist
311
halt, gibt es auch, schaffe ich nicht, abgemeldet. Geländer, Orientierung und wichtig,
312
dass die Vorgehensweise möglichst gleich und standardisiert im Unternehmen ist.
313
314
I: Das führt wieder dann auch zu einem routinierteren Verhalten, eigentlich dann
315
auch dabei, also nicht dass es Routine wird, im Sinne von…
316
317
IP: Auf der einen Seite ist das, wenn Du ein riesiges, das ganze Unternehmen
318
umfassendes Projekt hast, der einzige Weg, wie Du zu bestimmten Zeitpunkten
319
einen vergleichbaren Stand kriegen kannst, wie ist denn jemand unterwegs, sonst
320
kriegst immer irgendwo Blitzlichter oder qualitative Aussagen, ja, mir geht es gut,
321
oder weniger gut und siehst erst irgendwann am Projektende, was ist denn
322
herausgekommen und wenn Du solche - wie natürlich bei einem großen Projekt
323
notwendig ist - Rahmen für Controllingschritte setzt, dann ist da relativ gut möglich zu
324
sagen, mhm, dort scheint es gut zu laufen, da passen die Zahlen und nämlich, etwas
325
Angreifbares, und dort mhm, dort muss ich unterstützen, da hängt jemand.
103
326
327
I: Was ja eben diese Messbarkeit, dieses Ergebnis messbar und sichtbar zu machen
328
einfach auch eine Grundlage ist eben für diese nächsten Schritte, wo bin ich, wo
329
muss ich hin, was muss ich noch tun?
330
331
IP: Klar.
332
333
I: Weil sonst, wie Sie sagen, bin ich bei einem Gefühl, weiß nicht, und am Schluss
334
kommen wir darauf, ich bin irgendwo abgebogen.
335
336
IP: Nächste Schritte, wie bei großen Projekten üblich, müssen immer von einer
337
quantifizierbaren Basis aus erfolgen, so wie ich zuerst gesagt habe. HR muss
338
sicherstellen, die Ausgangsbasis, im Bereich sowieso haben wir 83,5 Personenjahre,
339
das ist dann unstrittig. Irgendwo muss ich dann zusammenzählen und sagen, aha, ja,
340
das stimmt genau zusammen mit meiner Gesamtkapazität, sonst werde ich immer
341
ein Stück Überraschung erleben, was kommt denn da heraus und ich kann nicht
342
steuern, kann jetzt sagen, ich nehme mir vor, 10%, 5% und das heruntergebrochen
343
auf die und die Bereiche.
344
345
I: Ich habe jetzt gerade überlegt, ich bin alle meine Fragen durch. Wenn Sie noch
346
etwas hätten, was Sie mir mitgeben wollten, was ich jetzt nicht auf meiner
347
Fragenliste…
348
349
IP: Ja, da gibt es natürlich schon noch wesentliches, was ich gerade aus HR-Sicht
350
dazu sagen muss. Erfolgsfaktoren sind volles Commitment des Top-Managements,
351
das Bewusstsein, dass derartige Prozesse Zeit brauchen, wie gesagt, ganz wichtig,
352
da gibt es in jedem Projekt die Phase der Anfangseuphorie, dann geht‘s in die
353
Umsetzung hinein, dann kommt so eine Ernüchterung, zum Teil eine Enttäuschung,
354
weil es halt manchen nicht schnell genug geht. Und ganz wichtig, aus HR-Sicht ist
355
auch mitzuwirken, dass man so etwas wie 80/20-Regeln nicht aus dem Auge verliert.
356
Nicht in diesem Projektfortschritt sich aufreiben, die letzten 10% auch noch jetzt
357
unbedingt heben zu müssen, sondern immer im Auge zu haben, wie sichere ich auf
358
jeden Fall 80% ab, 90% ist natürlich noch besser. Und auch ein das richtige Maß zu
104
359
finden, wie fordere und vermeide ich aber Überforderung. Das ist wahrscheinlich
360
ganz alleine HR-Obsorge, bei den Führungskräften sicherzustellen, darauf zu
361
achten, dass die Mitarbeiter in solchen Prozessen auch hie und da wieder Luft
362
bekommen, dass nicht Leute verbrennen.
363
364
I: Das erfordert aber entsprechend – ich würde es einmal so beschreiben – durchaus
365
eine erhöhte Sensibilität und Einfühlungsvermögen für diese Prozesse auch
366
gegenüber den… dass ja auch dann die Führungskräfte auf die nächste Ebenen
367
weitertragen müssen.
368
369
IP: Das müssen Sie den Führungskräften massiv mitgeben, dass in ihrer
370
Verantwortung neben dem kostenmäßigen Ergebnis aber auch liegt, dass die
371
Mitarbeiter, die da drinnen arbeiten, weder von der Führungskraft überfordert
372
werden, noch sich selbst überfordern, der die Mitarbeiter, die sich so mit der Aufgabe
373
identifizieren, dass er übersieht, was er mit sich selbst anstellt. Das ist etwas, wo HR,
374
das ist diese, da durchaus zulässige softe Ecke, wo HR aber wesentlich ist, also
375
nicht so sehr hie und da belächelten Aktivitäten im Soft-Bereich, sondern da bist
376
wirklich auch durchaus kriegsentscheidend. Mit einer ausgelaugten Mannschaft
377
kannst nichts auf Dauer gewinnen. Das muss im Bereich des immer im Training
378
stehenden, aber nicht, rauskippenden bleiben.
379
380
I: Vielen Dank für den Einblick.
381
382
IP: Soweit aus der Praxis.
383
384
I: Herzlichen Dank, wirklich ganz toll, vielen Dank fürs Zeitnehmen.
385
386
IP: Gern.
105
1
Interview 7: 11. September 2012 / 12.00 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Meine 1. Frage: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?
5
6
IP: Lean heißt für mich schlankes, effizientes Handeln, um es kurz auf den Punkt zu
7
bringen.
8
9
I: Wie wird Lean im Unternehmen bei Ihnen konkret angewendet?
10
11
IP: Wir sind ein Produktionsbetrieb, da geht es einfach darum, vor allem im ganzen
12
Produktionsbereich diesen Grundsatz zu verwirklichen, wenn wir - da möchte ich
13
noch 2 Sätze ausholen - als ein in Österreich ansässiger Familienbetrieb, der am
14
Weltmarkt agiert, wettbewerbsfähig bleiben wollen, heißt es, bei steigenden
15
Rohstoffpreisen, bei sinkenden Produktpreisen - ich sage immer scherzhaft, von der
16
Differenz leben wir -
17
organisieren und das heißt, wird im Produktionsbereich angewendet und natürlich
18
auch – das ja das Thema Ihrer Arbeit ist – im Personalmanagement, wenn ich das
19
einmal so pauschal sagen darf. Ich nehme jetzt vielleicht eine Antwort vorweg, die
20
dann nachher noch kommt, aber weil es hier gerade passt. Als ich vor 11 Jahren in
21
dieser Firma begonnen habe - mein Hauptaufgabenbereich ist HR-Management mit
22
Focus Personalentwicklung - hat es damals geheißen, jetzt haben wir ihn, der macht
23
jetzt die Personalentwicklung für uns und ich habe gesagt, nein, ich werde euch
24
helfen und unterstützen, dass ihr als Führungskräfte Personalentwicklung macht,
25
aber nicht die Personalentwicklung macht Personalentwicklung.
optimal die Organisation, die Produktionsorganisation zu
26
27
I: In die Linie…
28
29
IP: In die Linie hinein, ganz richtig.
30
106
31
I: Wann wurde mit der Einführung von Lean begonnen und waren eben die
32
genannten Gründe schon die Gründe, oder gab’s noch andere?
33
34
IP: Das Thema ist sicher älter, wenn ich so zurückdenke im Produktionsbereich, wo
35
wir Lean Production, Lean Management angefangen haben, ist es sicher 4, 5, 6
36
Jahre zurück. Wenn ich sage, ich habe damals auf jedem Fall mit dem Grundsatz
37
schon begonnen, aber der Focus, der darauf gelegt wird, ist sicher auch 4, 5 Jahre
38
jung, diesen Focus im Personalmanagement, in der Personalentwicklung auch
39
diesen Lean Gedanken zu verwirklichen.
40
41
I:
Die
Wettbewerbsfähigkeit
42
produktionsgetrieben?
war
der
Auslöser
oder
war
es
eher
43
44
IP:
Es
kommt
sicher,
oder
es
ist
leichter
verständlich
zu
machen
im
45
Produktionsbereich, das auch Personalmanagement, Personalentwicklung diesen
46
Gedanken huldigt und versucht in ihrer Umsetzung zu verwirklichen. Mein Job ist,
47
Personalressourcen sicherzustellen und das bedeutet, mit den vorhandenen
48
Personalressourcen extern, intern mit den Qualifikationsmöglichkeiten, die wir vor Ort
49
haben, war das sicher ein Schwerpunkt in den letzten 5 Jahren, mit zunehmender
50
Wichtigkeit.
51
52
I: Wie wurde Lean eingeführt? War das eher ein werkzeugorientierter oder ein
53
kulturorientierter Einführungsprozess und was waren die Herausforderungen?
54
55
IP: Ist es richtig, wenn ich es ein bisschen auf den Produktionsbereich repliziere, weil
56
es dort der Vorläufer war? Das ist zwar jetzt nicht der Focus ihrer Arbeit, aber von
57
dieser Seite kommt sehr vieles. Es war sicher ein werkzeugorientierter Zugang. Wir
58
haben also da mit entsprechenden externen Partnern unsere Führungskräfte
59
trainiert, nachhaltig trainiert, wenn man weiß, dass man gewachsene, reifere,
60
Bäume, sprich Führungskräfte kaum bis nicht verändern kann, damit sie weiter
61
wirksam sind, kann man sich vorstellen, wie schwierig das ist und dieser
62
werkzeugorientierte, instrumentenorientierte Zugang heißt aber dann, Verhalten zu
63
ändern, nachhaltig, nachhaltig Verhalten zu ändern. Nur wenn man nachhaltig
107
64
Verhalten
ändert,
dann
sind
wir
schon
mitten
im
Personalmanagement,
65
Personalentwicklung, Lean Management Thematik drinnen, dann ist das ein sehr
66
kulturelles Thema, wie wohl, wir sind ein Familienunternehmen. Wir haben nächstes
67
Jahr ein Jubiläum und da ist noch immer sehr stark in vielen, vor allem in älteren
68
Führungskräften verankert, das muss der Chef entscheiden, und der Chef sind nicht
69
beiden Junioreigentümer, die schon 20 Jahre in der Firma sind, das ist immer noch
70
der Seniorchef, und halt, das muss der Chef entscheiden. Also, mit einem Beispiel,
71
das Bild der langen Leine bei der Personalführung, Leine ja, aber lange Leine, wird
72
noch viel zu wenig von den alt eingefleischten Führungskräften, die als gewachsene
73
Meister halt dann Führungsrolle übernommen haben, dass es ihr Job, ihre Aufgabe
74
ist, zu führen in der umfassenden Bedeutung des Wortes, an dem arbeite ich
75
nachhaltig, das das so sein soll. Ganz anderes bei den jungen Führungskräften, die
76
auch wissen, dass es Chefs dahinter gibt, aber schon sehr stark diesen
77
Kompetenzbereich, den man ihnen gibt, auch nutzen.
78
79
I: Die haben das Bewusstsein eigentlich schon. Dann leite ich direkt über auf die
80
Frage. Herausforderungen…
81
82
IP: Da würde ich noch gerne ergänzen. Eben Herausforderungen, zentrales,
83
patriarchalisches Familienunternehmen, diese Denke in die Umsetzung zu bringen,
84
doch sehr viele ältere Führungskräfte, dass man das dort hinbekommt und einfach
85
Herausforderung, gleichzeitig Chance, das Kostenargument, Kosten im Sinne von
86
Geld, Kosten im Sinne von Ressourcen, wie viele Ressourcen bin ich bereit, zu
87
investieren, in Veränderungen, in neue Abläufe. Wir sind ein prozessorientiertes
88
Industrieunternehmen und das sind einerseits Hürden, Prozesse, die man
89
theoretisch denkt und für gut befindet, umzusetzen. Aber auch wenn das
90
Kostenargument auf der Geldseite, als auch der Zeitressourcen, war das auch eine
91
Chance, diese Denke in einen Betriebsablauf, sei es Lean Production, sei es Lean
92
Personalmanagement, weiterzubringen.
93
94
I: Kotter sagt, „sense of urgency“, so quasi hin, dass sich etwas verändert, ein
95
auslösendes Moment zu schaffen, war das da auch dabei?
96
108
97
IP: Auslösendes Moment war und jetzt gehe ich auf 2008/09 zurück, 2009, Krise. Wir
98
waren von der Krise sehr intensiv betroffen. Diese Krise war aber auch wieder die
99
Chance, und das steckt ja schon im Wort Krise drinnen. Wir waren von Kurzarbeit
100
betroffen und haben Gott sei Dank diese Kurzarbeit auch für Qualifizierung genutzt,
101
gerade für Führungstrainings, Verhaltenstrainings der Kernmannschaft, mit der wir
102
weiterarbeiten wollen und da war das mit ein Auslöser, eben weil uns die Kosten
103
getrieben haben, wie können wir Geld sparen, damit wir die Krise durchtauchen und
104
uns entsprechend aufstellen. Ein Fakt dazu, wir haben damals 25% Auftragseinbruch
105
gehabt, hat geheißen 15% minus Personal, wir sind runtergefahren auf 365
106
Mitarbeiter und haben heute – und insofern hat diese Aufstellung glaube ich im
107
Großen und Ganzen funktioniert – mit 500 Mitarbeitern oder mehr den Stand wie nie
108
zuvor. D.h. es ist dieses Kostenargument, das uns gedrängt hat, jetzt uns schlank
109
aufzustellen, damit wir diesen Konkurrenzwettbewerb, den wir uns stellen müssen,
110
und unsere Mitbewerber sitzen nicht in Österreich und in den Bundesländern, auch
111
nicht in Europa, sondern sitzen weltweit und da ist einfach Erfordernis, im
112
Personalthema, aber auch im Produktionsbereich, das Lean so als Grundsatz sieht,
113
nicht nur wollen, sondern auch zu tun.
114
115
I: Da war eben die Zeit, so wie auch die Literatur auch so sagt, sie haben die Chance
116
genützt,
117
Mitarbeiterentwicklung genau da anzusetzen.
diesen
kontinuierlichen
Verbesserungsprozess
im
Sinne
der
118
119
IP: Es war mit ein wesentlicher Grund.
120
121
I: Ich entwickle hier die Mitarbeiter, kann jetzt zwar nicht auf der Produktionsseite,
122
aber ich schaue, dass ich diese Zeit nutze…
123
124
IP: Wie kann ich also durch Qualifikationsmaßnahmen in Zeiten der Krise die
125
Kompetenzen der Mitarbeiter in die Richtung hinzuentwickeln, dass ich also dann für
126
die Zeiten, wo es wieder vollen Betrieb gibt und wir haben momentan volle
127
Auftragsbücher, das wir mit diesen Lean Gedanken effizienter produzieren und
128
führen, also gedankenhaft auf diese 2 Schienen zu legen.
129
109
130
I: Aber eigentlich ja auch gleichzeitig auf einem höheren Niveau, auf einem höheren
131
Qualifikationsniveau. Das ist ja eigentlich der Gewinn der Situation.
132
133
IP: Genau, auf einem höheren Qualifikationsniveau, was aber heißt und da gehe ich
134
einen Schritt zurück, dass es mit älteren, eingefleischten Führungskräften, wo halt
135
Meister dann Abteilungsleiter sind und geworden sind, halt da der Fortschritt, der
136
Umsetzungsfortschritt sich in Grenzen hält. Ich will nicht sagen, dass wir nicht einen
137
Fortschritt auch dort erreicht haben. Hier muss man auf die nächste Generation des
138
Abteilungsleiters setzen, weil der Baum lässt sich nicht wirklich ändern. Die sagen ja,
139
meinen auch ja, tun aber nur sehr in kleinen Schritten ja.
140
141
I: Ja, dann würde ich die nächste Frage stellen: Was verstehen Sie unter dem Begriff
142
Lean Human Resources in dieser Kombination.
143
144
IP: Die Personalkosten machen in unserem Bereich an die 50% der Kosten aus,
145
nicht ganz. D.h. wir müssen ja schauen, dass wir die Personalressourcen optimal in
146
den Entwicklungs- und Produktionsprozess auf Schiene bringen, d.h. motivierte
147
Mitarbeiter, dass die also ihren Potentialen, ihren Fähigkeiten, ihren Kompetenzen
148
entsprechend, zielorientiert, produktionsorientiert, nachhaltig arbeiten. Dass also z.B.
149
das Thema Krankenstände, dass in einem Produktionsbetrieb immer wieder ein
150
Thema ist, so gering als möglich gehalten wird, jetzt nicht über das Ziel
151
hinausgeschossen wird, weil wenn ich jetzt sage, er schleppt sich noch mit jeder
152
Grippe noch ins Büro oder in die Produktion, dann hat das ja wieder Folgewirkungen.
153
Aber hier also, optimaler Ressourceneinsatz in den unterschiedlichsten Bereichen,
154
wo unser Arbeitgeber Mitarbeiterressourcen braucht, Thema 1. auch entsprechend
155
motiviert, als wichtiges Rädchen, als Teil des Ganzen gesehen zu werden, als
156
Mitarbeiter und auch wenn ich also sehr viel dezentralisierte Verantwortungen vor Ort
157
habe, heißt das, dass man auch nicht nur das eigene Rädchen sieht, sondern das
158
Netzwerk, als Teil des Ganzen, um es vielleicht sehr pauschal zu formulieren. Um es
159
vielleicht in einem Satz zu sagen. Unser Unternehmen hat den Grundsatz „on-stop-
160
shop“. Alles aus einer Hand. Wenn ein Kunde z.B. ein neues Produktteil für sein
161
neues Produkt benötigt, dann sind unsere Entwickler draußen vor Ort und entwickeln
162
gemeinsam mit deren Technikern ein neues Produktteil. Dann bauen wir einen
110
163
Prototyp und hoffen, dass der Prototyp in Serie geht, mit eigenem Anlagenbau, mit
164
eigenem Maschinenbau bis hin zur Serienreife. Und damit dieses Lean im „one-stop-
165
shop“ quer durch alle Bereiche verstanden werden kann, braucht es das Verständnis
166
des Mitarbeiters, seiner Führungskraft, auch des einzelnen Mitarbeiters, was ist seine
167
Aufgabe, aber in Zusammenhang mit anderen. Und damit hier nicht über 4, 5 Stellen
168
kommuniziert, gefragt werden muss, soll es sehr viele dezentrale Verantwortungen
169
geben und das ist eine riesen Herausforderung, an der wir nach wie vor arbeiten.
170
171
I: Könnte man so als Schnittstellenkommunikation…
172
173
IP: Schnittstellenkommunikation ist ein gutes Stichwort, ja…
174
175
I: Wertschöpfungskette…
176
177
IP: Also Schnittstelle, wir sagen auch gerne, wir versuchen das Wort Schnittstelle zu
178
vermeiden…
179
180
I: Nahtstelle…
181
182
IP: Nahtstelle.
183
184
I: Nahtstellenkommunikation…
185
186
IP: Ja, genau, Nahtstelle hat ein positiveren Touch. Ja genau, darum geht’s. Und da
187
ist halt mein Job als Personalentwickler, HR-Manager, dieses Bewusstsein
188
nachhaltigst - mit drei Rufzeichen - bei Führungskräften, bei Mitarbeitern zu fördern.
189
190
I: Gibt es zur Frage noch einen Zusatzgedanken von Ihnen? Der Zusammenhang
191
zwischen Lean und…
192
193
IP: Ja, einfach die Rolle der ganzen, des Mitarbeiterklimas, Kulturfrage, z.B. macht
194
man Mitarbeiterbefragungen, die man nicht dem Grundsatz folgend zumindest alle 2-
195
3 Jahre macht, aber zumindest alle 3, 4 Jahre oder 5 Jahre macht. Wir haben leider
111
196
im Krisenjahr ausgelassen. Die letzte war jetzt 2010, die nächste steht hoffentlich 13,
197
oder spätestens 14 an. Dass man einfach diese rückgemeldeten Befindlichkeiten der
198
Mitarbeiter nach Gruppen aufbereitet, Gehör schenkt und durch Maßnahmen
199
motivierend wirkt. Ich will sagen, dass also hier Personal das rückspiegelt an die
200
Führungskräfte top-down und auch wieder von unten hinauf, was heißt motivierte
201
Mitarbeiter, die zielorientiert arbeiten? Und da ist eine wichtige Aufgabe, wenn ich
202
eingangs gesagt habe, ich mache nicht Personalentwicklung, ich bin Coach der
203
Führungskräfte und ein wesentlicher Zusammenhang ist hier aus meiner Sicht, dass
204
ich also Führungskräfte berate, trainiere, coache, wie man mögliche Umsetzungen in
205
Richtung Lean Führung weiter verbessern kann. Es ist ein steter Prozess, das ist
206
nicht erledigt, wenn ich sage, jetzt habe ich Maßnahme 1 erledigt, und das war’s,
207
sondern es ist ein stetes Mühen und Tun der Führungskräfte und da sehe ich die
208
wesentliche Aufgabe von Personal und Lean Production jetzt z.B.
209
210
I: Das heißt, da höre ich auch so raus, dieses viel stärker eben HR-Themen, HR-
211
Rollen, Personalentwicklung in die Linie, in dem Fall in die Produktionslinie,
212
Führungskräfte in der Produktionslinie bis dann runter auf die Mitarbeiterebene
213
hinein zu transportieren.
214
215
IP: 100% Zustimmung. Die Personalabteilung führt nicht Mitarbeiter. Ich führe meine
216
Mitarbeiterin, aber alles andere ist Unterstützung, Beratung, Coaching, wirklich in
217
diesen 3 Begriffen gesprochen. Die 1. Führungskraft vom Gruppenleiter, Schichtleiter
218
angefangen, hinauf bis zu den Bereichsleitern, bis zu den Geschäftsführern, dass sie
219
ihre Führungsaufgabe wahrnehmen, besser wahrnehmen können und auch ein
220
bisschen so eine Controlling-Rolle, also Schiedsrichter, wer Mitarbeitergespräche
221
führt, auch so rein mathematische Kennzahlen. Ich habe also in meinem HR-
222
Management, führe ich diverse Kennzahlen und da ist das Thema Führen von
223
Mitarbeitergesprächen ein Thema, wobei ich schon weiß, geführt sagt ja nicht, wie
224
geführt, aber da ist wieder die Coaching- und Beratungsrolle gefragt.
225
226
I: Quantitative und qualitative Dimension.
227
112
228
IP: Das Quantitative braucht’s, wobei ich schon weiß, dass das Quantitative noch
229
nicht eine gute Durchführung ist, aber als eine Voraussetzung, dass das Qualitative
230
eine Chance hat.
231
232
I: Da muss ich einhaken, das fällt mir etwas ein, weil sie quantitativ sagen. Ist auch
233
Six Sigma, auch immer wieder in Kombination und derzeit anscheinend en vogue,
234
diese Kombination von Lean und Six Sigma, eben Lean Sigma oder Lean Six Sigma.
235
236
IP: Ja, also Six Sigma ist bei uns einer der Grundsätze primär in den
237
Produktionsbereichen, war Teil des Trainings, das wir, vor 2, 3 Jahren beginnende
238
Krise bis 2, 3 Jahre nachher unsere Leute Six Sigma trainiert haben, auch mit diesen
239
Gürtelinhabern usw. mit allen, nicht in der 100% Konsequenz, aber doch in der 80%
240
Konsequenz bei uns im Haus Standard und Thema ist.
241
242
I: Die nächste Frage: Wo ist der Leiter HR in der Organisation angesiedelt?
243
244
IP: Wir haben die Eigentümer, da gibt es dann die 2 Geschäftsführer und dann gibt
245
es eine sogenannte 1. Führungsebene und ich bin also da einer in der
246
1. Führungsebene, einer aus 9, bin also dem Finanzgeschäftsführer, der für
247
Finanzen und Administration zuständig ist, zugeteilt, es gibt dann auch den
248
kaufmännischen
249
Finanzgeschäftsführer,
250
mindestens ähnlich coachend, betreuend, beratend auch den Geschäftsführer, der
251
für Verkauf und Technik zuständig ist, unterstütze. Also 1. Führungsebene, einer von
252
9.
und
technischen
Geschäftsführer.
Administrationsgeschäftsführer
Wobei
ich
formal
dem
bin,
aber
zugeordnet
253
254
I: Und welcher Zusammenhang besteht aus dieser organisatorischen Position in der
255
Aufbauorganisation, in der Betriebshierarchie und einer Lean-Einführung?
256
257
IP: Ja, ein wichtiger Zusammenhang. Es braucht, ist ein bisschen auch ein
258
Widerspruch, ich glaube, es muss also sehr hochrangig derjenige, der da jetzt der
259
Motor, der Mentor und der Coach ist, dass der auch hochrangig angesiedelt ist. Das
260
es wirklich die Geschäftsführung will und einfordert. Umgekehrt mein Anspruch, dass
113
261
ich also einer von den Führungskräfte auch nur bin, dieses Spannungsfeld doch
262
relativ hochrangig positioniert, umgekehrt aber nicht oben, sondern einer von uns.
263
Dass ich halt versuche, halt, wirklich jetzt bei Besprechungen, wenn ich jetzt in die
264
Abteilungen gehe, und es dort eine geeignete Möglichkeit gibt, vor Ort bin. Und nicht,
265
man geht jetzt zum Personalchef, zum HR-Manager, zum Personalentwickler, auch,
266
aber dass man halt wirklich die Anforderungen, die Themen, die man transportiert,
267
möglichst vor Ort, um dieses Bild zu stärken, ich bin ja auch nur eine Führungskraft,
268
ein Teil, der halt versucht, das ist halt so eine Gratwanderung, und damit man es
269
einfordern kann, muss man schon klar sagen, das wollen wir. Da braucht es wieder
270
die doch hochrangige Positionierung.
271
272
I: Dieses Wechselspiel eigentlich…
273
274
IP: Ich kann es ja nicht anordnen. Das ist ja nicht meine Position, wie wohl ich
275
natürlich schon, dadurch dass halt die Personalkompetenz da ist, kommt ein
276
bisschen Anordnungscharakter, aber letzten Endes kann ich nur durch Überzeugung
277
gewinnen.
278
nachgeordneten Vorgesetzten, die das halt dann tun müssen, tun sollten und das ist
279
auch ein stetes Mühen.
Weil
einfordern
müssen
das
die
Chefs,
deren
Vorgesetzten,
280
281
I: Darauf aufbauend, welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf diese
282
Position? Hatte es überhaupt eine? Auch wieder auf diese hierarchische…
283
284
IP: Hatte Auswirkungen. Ich glaube schon, dass wir am Weg sind. Da kommt jetzt
285
wieder der Einwand, dass wir bei manchen alt eingesessenen Führungskräften das
286
verbale Ja und das quantitative Ja bekommt, aber das qualitative zu wenig. Also,
287
Auswirkung und das wir schon jetzt - eine sehr finanztechnische nachvollziehbare
288
Auswirkung -, dass wir mit einem, zwar wieder wachsenden Personalstand, auch von
289
der Führungsstruktur her, einen weit höheren Output an Ergebnissen produzieren,
290
als wir es schon vorher hatten. D.h. da war jetzt sicher auch die Krise der Auslöser,
291
aber wir sind personalmäßig zurückgefahren, sind also mit der Produktion rascher
292
gewachsen, als das Personal dazu, die Personalressourcen als gesamtes, auch im
293
Führungsbereich. Wir haben uns also hier nicht durch mehr Führungskräfte, sondern
114
294
durch mehr Führungskräfte in nachgelagerten Bereichen, aber nicht in der
295
Hierarchie, sondern in der Breite, sprich diese kleinere Einheit. Wir haben jetzt da
296
geschaffen z.B. im Produktionsbereich sogenannte Unit-Verantwortliche, die also für
297
gewisse Teilproduktionsbereiche doch sehr hohe Personalverantwortung und
298
Ressourcenverantwortung haben, aber nicht als Ebene dahinter, sondern z.B. in
299
einem Produktionsbereich, ist die größte Abteilung mit 130 Mitarbeitern, ist eine
300
Abteilung. Und die haben wir jetzt einfach in Units, Produktionsunits zerlegt und das
301
hilft, dass Entscheidungen näher bei den Betroffenen, aber doch im Wollen der
302
Gesamtlinie getroffen werden. Auswirkung war auch, letzte vielleicht, dass wir – das
303
wird jetzt die nächste Mitarbeiterbefragung zeigen, die wie gesagt für 13 ansteht –
304
aber so würde ich schon beurteilen, dass wir bessere Mitarbeiterwerte, ich verspüre,
305
ich hoffe, das ist nicht nur meine Wahrnehmung, sondern die wird durch die
306
Mitarbeiterbefragung bestätigt, aber so ein bisschen das Bild, das ich wahrnehme
307
und auch in Gesprächen zurückbekommen. Ich mache einmal im Jahr, daraus ziehe
308
ich diese Schlussfolgerung der Auswirkung, sogenannte ALPE-Gespräche, ALPE
309
steht für Abteilungsleiter, Personalentwicklung. Das ist immer so ein Sommerthema,
310
wo ich mir länger mit jedem Abteilungsleiter Zeit nehme und hier signalisiert man mir
311
mehr Wertschätzung, mehr Entscheidungen im eigenen Verantwortungsbereich, jetzt
312
im Gespräch. Ob dem so ist, wird uns die nächste Mitarbeiterbefragung zeigen.
313
314
I: Wie würden Sie Ihr Rollenbild von HR in Ihrem Unternehmen beschreiben?
315
316
IP: Zweifaches Rollenbild. Wie gesagt, die Rolle, die ich in der Stellbeschreibung zu
317
erfüllen habe, sind Personalressourcen sicherstellen, d.h. Personal suchen, Personal
318
ausbilden, Personal heimschicken, in dieser Bandbreite. Rollenbild 1, dass ich also in
319
Richtung Geschäftsführung denen die Notwendigkeit, die sie verbal immer wieder
320
bekennen, aber in Maßnahmen bewusst mache, was es heißt, in die Ressource
321
Personal zu investieren. Ausbildungen, mehr Qualifikation, wir haben z.B. jetzt
322
Strategieklausur, Strategieprozess gehabt über ein halbes Jahr, top-down und
323
wieder dann von unten hinauf und da ist ein Punkt herausgekommen, verstärkt
324
Potentiale der Mitarbeiter heben. Und das heißt, ich muss in die Ressource der
325
Mitarbeiter, in deren Qualifikation, der Führungskräfte investieren, dass da also das
326
auch wirklich auf Schiene gebracht werden kann. Das heißt also Rollenbild 1, die mir
115
327
übergeordneten Geschäftsführer im Konkreten so lästig zu sein, so nachhaltig zu
328
sein, dass das Thema Personal - es gibt ja diesen schönen Sager, der Mitarbeiter
329
steht im Mittelpunkt -, dass es nicht nur ein Sonntags Sager ist, also dass es - es
330
wird ja gerade bei Chefs gerne gesagt wird - bleibt. Rolle 1 und Rolle 2, dass ich halt
331
wirklich als positiv, lästiger Coach, Personalentwickler von den Führungskräften
332
akzeptiert werde. Und nicht, jetzt kommt er schon wieder, was will er denn schon
333
wieder. Also dieses Rollenbild und das ist ein stetes Mühen, aber ich nehme die
334
Rolle gerne war, ist ein lästiger, lässiger, nachhaltiger Coach von Führungskräften zu
335
sein. Das sind so die beiden Spannungsbilder zur Frage Rollenbild.
336
337
I: Auch in der Literatur habe ich das so gesehen, wird immer wieder gefordert, diese
338
aktive Rolle HR einzunehmen und die höre ich da auch einfach heraus, einfach diese
339
aktive Rolle nach oben hin, Richtung .. aber auch quasi in Richtung der
340
Führungskräfte
341
einzubringen…
in
die
Organisation
hinein,
also
diese
aktive
Rolle,
sich
342
343
IP: Genau.
344
345
I: … und nicht zu warten auf etwas, das höre ich da auch sehr stark.
346
347
IP: Da muss ich dann immer auch gleich unterstreichen, weil Personal ist ja immer
348
eigentlich nur ein Nebenthema, oft, aber nicht immer, oft ein Nebenthema. Daher
349
nach oben und da gibt’s ein Instrument, wir arbeiten mit Zielvereinbarungen und da
350
habe
351
Zielvereinbarungen, die bei uns auch mit Prämien verbunden sind, auch verstärkt
352
gewisse Soft-Skills, gewisse Mitarbeitergesprächsziele in die Zielvereinbarungen
353
einfließen. Prämiensystem heißt, Unternehmenserfolg Konzern, Unternehmenserfolg
354
Standort und persönliche Ziele und diese Mitarbeiterführungsaufgaben als Ziel in den
355
persönlichen Zielen drinnen sein müssen, umso leichter werden die dann auch dann
356
Ernst genommen von den nachgelagerten Führungskräften, weil wenn er nur sagt,
357
wir brauchen das, ist es zu wenig. Es muss messbar, spürbar werden.
ich
jetzt
verstärkt
meine
Chefs
dafür
gewonnen,
dass
bei
den
358
116
359
I: Konkret sichtbar im Rahmen dieser Vereinbarung zwischen Führungskraft und
360
Mitarbeiter.
361
362
IP: Genau, da wird es auch formalisiert, standardisiert und wenn es dann heißt, 20
363
bis 30% sind also persönliche Ziele und wenn da ein Ziel Mitarbeiterführung ist,
364
passiert das nicht, ich habe so viele Sachaufgaben, ich komme zum Führen gar
365
nicht. Und das ist ein steter Kampf und dass Zielvereinbarungen mit Prämien
366
verbunden sind, hilft Führungskräfte nachgelagert zu motivieren, dass sie neben den
367
Fach- und Sachaufgaben auch die Führungsaufgaben mehr wahrnehmen. Das ist da
368
der Punkt.
369
370
I: Auch hier so wie vorher die Frage: Welcher Zusammenhang besteht für Sie
371
zwischen dem Rollenbild, das sie grad beschrieben haben und einer Lean
372
Einführung?
373
374
IP: Ich glaube, dass, obwohl wir den Lean Gedanken über die Produktion im Hause
375
eigentlich begonnen haben, bewusster zu machen, auch wenn ich schon von Haus
376
aus schon gesagt habe, ich bin nicht der Personalentwickler, ich bin einer der hilft,
377
Personal zu entwickeln hat sich das Bild vielleicht ein bisschen gewendet, wenn ich
378
diesen
379
wahrscheinlich auch helfen, in den ganzen Produktionsprozessen diesen Lean
380
Gedanken, versuchen zu nutzen, umzusetzen, weil wir halt dann damit effizienter,
381
mit weniger Fehlern, also alles was dazu gehört, produzieren. Also von der Vorreiter
382
Lean Production, jetzt Lean Führungsgedanken, dass man da jetzt so ein bisschen,
383
wie soll man es am besten formulieren, das es eine Kulturführungsfrage bei uns im
384
Haus ist. Lean führen heißt, auch Lean produzieren zu können.
Lean
Führungsgedanken
Ernst
nehme
und
tue,
dann
kann
dies
385
386
I: Als Voraussetzung.
387
388
IP: Als Voraussetzung.
389
390
I: Als Handlungsweise.
391
117
392
IP: Als grundsätzliche Handlungsweise, dass es auch im Leitbild nicht nur steht,
393
sondern auch rüberkommt, genutzt, gesehen wird und gemacht wird.
394
395
I: Das wäre glaube ich schon die Überleitung zur nächsten Frage. Welche
396
Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf dieses Rollenbild?
397
398
IP: Einfach dieses Bewusstmachen, Bewusstmachen, um das noch einmal zu
399
unterstreichen. Bewusstmachen, dass schlankes Führen Effizienz automatisch in
400
sich hat. Nicht nur ermöglicht, sondern schlankes Führen heißt, wirklich vor Ort, face-
401
to-face in überschaubaren Größen.
402
403
I: Dann, welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean und den
404
Maßnahmen zur Personalentwicklung im Unternehmen?
405
406
IP: Vielleicht 2, 3 Aspekte auf diese Frage. Die Qualifikation, die nachhaltige
407
Qualifikation der Führungskräfte zum Ersten, zum Zweiten das Einfordern im
408
Führungssystem durch Zielvereinbarungen, dass man das auch als Ziel laufend
409
sieht. Und der 3. Gedanke, dass es einen im Betrieb geben muss, der halt dieses,
410
mir fällt jetzt kein besserer Begriff als das schlechte Gewissen ein, der dieser
411
Controller, wenn man das jetzt finanztechnisch sieht, schlechte Gewissen, der dieser
412
gute Geist, der da das Thema am Leben hält, nachhaltig am Leben hält, sagen wir
413
so. Dass es eine Person gibt und das würde ich in meinem Rollenbild verankert
414
sehen, der auf dem Thema… ob das jetzt in der Mitarbeiterzeitung, bei
415
Mitarbeiterveranstaltungen, bei Mitarbeiterevents dieses Thema Lean führen, Lean
416
produzieren, dass das Hand in Hand gehen muss.
417
418
I:
Und
welche
Auswirkungen
hat
die
Einführung
von
Lean
auf
die
419
Personalentwicklung? Ich habe es jetzt speziell auf Maßnahmen der Aus-
420
/Weiterbildung und das Karrieremanagements bei Ihnen im Haus genannt?
421
422
IP: Auf die Personalentwicklung und auf die Personalabteilung, wenn ich das ein
423
bisschen breiter formulieren darf, dass wir eine kleine Abteilung sind, die
424
Personalmanagement im Hause führt, es gibt mich als Personal-/HR-Manager, es
118
425
gibt eine Assistentin, die mich in der Personalentwicklung administrativ, in der
426
Schulungsadministration unterstützt. Es gibt eine Personalverrechnerin und es gibt
427
eine Personaladministratorin, die auch Arbeitszeitadministration macht, d.h. wir
428
kämpfen mit diesen sehr engen Ressourcen, ich sage jetzt 5 Leute im
429
Personalbereich für 500 Mitarbeiter, diese Kenngröße, 1 Personalist für 100
430
Mitarbeiter, die es irgendwo gibt in der Lehre und auch in der Wissenschaft und in
431
der Praxis. Wir versuchen da wirklich, dadurch dass wir sagen, ihr müsst es tun,
432
auch uns als Support-Abteilung klein zu halten.
433
434
I: Selbst schlank aufzustellen.
435
436
IP: Selbst schlank beispielhaft aufzustellen, wiewohl ich schon gerne manchmal eine
437
Assistentin hätte, die mich also bei den Maßnahmen unterstützt, indirekt hole ich mir
438
dann Trainer, Referenten herein und trainiere irgendwelche Sachen, aber selbst
439
klein, schlank und fit zu sein. Das ist also ein Beispiel. Weil eigentlich gäbe es auch
440
Argumente, da auszuweiten, umgekehrt versuchen wir halt da, uns da klein zu
441
halten, um ja nicht… so werden sie auch breit. Und auch ein Punkt, der noch dazu
442
gehört, weil ich zuerst gesagt habe, qualifizieren von Mitarbeitern effizient zu
443
machen, was wir intern mit eigenen Leuten nur zum Teil kann, weil gewisse Sachen,
444
obwohl ich die Experten im Hause hätte, ja nicht kann, in der Organisation - ist jetzt
445
nur ein Sidestep - von Qualifizierungsverbünden, wo wir Trainings in der Region, wo
446
wir Leitbetrieb sind, einkaufen, um primär unsere Führungskräfte, Mitarbeiter zu
447
qualifizieren, in dieser fitten, schlanken Art, schlagkräftig zu sein.
448
449
I: Ich würde noch gerne beim Karrieremanagement … ob es da Veränderungen im
450
Sinne der Karrierearten gegeben hat durch Veränderungen in der Organisation,
451
Aufbauorganisation?
452
453
IP: Ganz ein wichtiger Punkt. In der Form, dass wir Trainees ausbilden, dass also
454
wir, da kommt auch jetzt die internationale Seite bei uns dazu, dass wir bei uns in der
455
der Ausbildung von Trainees, Trainees heißt bei uns, gut qualifizierte Leute, HTL-
456
Leute, FH-Absolventen durch 3 bis 5 Ausbildungsblöcke in 9 bis 15 Monaten
457
durchqualifizieren, wo sich erst am Schluss des Programms herausstellt, wo die
119
458
landen, die in dieser Denke, flexibel, gut ausgebildet, bereichsübergreifend
459
einsetzbar, handeln. Das ist das große Traineeprogramm und dass wir es durch
460
diese Trainees, die wir haben, schaffen, Fachexperten wie auch Führungskräfte für
461
Job-Rotation-Geschichten freizuspielen, um auch eine andere Welt, als die der
462
eigenen Abteilung nur zu sehen. D.h. dass was wir eingangs einmal erwähnt haben,
463
damit ich effizient, schlank arbeiten kann, muss ich auch andere Bereiche verstehen,
464
also dass man hier wirklich Qualifikationsprogramme, Traineeprogramme, große Job-
465
Rotation, im kleinen, bis hin der Grundsatz, wenn wir Fachexperten suchen, oder
466
auch Führungsnachwuchs suchen, immer zuerst im Haus schauen, d.h. nach Loch
467
auf, Loch zu, das ist schon richtig, aber am Beispiel einer Abteilung, also hätte diese
468
Karrieremöglichkeiten junge, fitte Leute, gut ausgebildet im Betrieb breit erfahren,
469
fördern.
470
471
I: … von innen heraus.
472
473
IP: Interne Stellenausschreibungen, und alles, was damit auch dazu gehört.
474
475
I: Wir sind mehr oder weniger durch. Meine abschließende Frage, was ich jetzt
476
vielleicht nicht habe, aber Sie vielleicht noch gerne anmerken würden oder ergänzen
477
würden, was wir vorher vielleicht nicht, was ich nicht konkret abgefragt habe, das
478
wäre meine abschließende Frage.
479
480
IP: Wenn man es jetzt noch einmal schnell Revue passieren lässt. Vielleicht als eine
481
Antwort, um dieser Modewelle, das jetzt angeblich wesentlich mehr Mitarbeiter burn-
482
out gefährdet sein, als früher, entgegenzuwirken, ich halte es für eine Modewelle, die
483
Sensibilisierung ist heute eine ganz andere, ich behaupte, dass sich dieses Bild nicht
484
dramatisch verändert hat, sondern es wird einfach sensibler wahrgenommen, aber
485
damit wir also Mitarbeiter nicht über Gebühr ausbeutet oder über Gebühr nutzt,
486
einfach diese Humanressourcen-Geschichte mit dem richtigen Umfeld, das ist
487
wichtig, damit ich volle Kraft auf Schiene von Mitarbeitern und Führungskräften
488
bekommen kann, muss auch das Umfeld passen. Dieses soziale Wohlfühlen, wie
489
wohl natürlich das Nutzen der Mitarbeiter – und da kommt den Führungskräften –
490
was heißt führen - führen heißt, Mitarbeiter zu deren Vorteil befähigen, dass man da
120
491
dieses volle Kraft auf die Schiene bringen, aber nicht ausbeuten oder ausnutzen, weil
492
dann geht es auf Krankheit, Burn-Out und was so kommt, also dieses Thema, wenn
493
ich Lean führe, Lean im Betrieb betreiben will, brauche ich diese Ausgewogenheit,
494
sich über die eigenen Fähigkeit auf Schiene bringen, dass ich auch das Umfeld
495
mitbeachte. Das ist glaube ich ein ganz wichtiges Thema, das ist die ganze
496
Unternehmenskultur, es ist auch das ganze auch klare trennen, das ist Job, das ist
497
privat. Wo ja die neuen Medien, das Handy und Internet nehme, ich bin rund um die
498
Uhr, 7 Tage die Woche erreichbar, dass man dort auch klar sagt, was erwarte ich,
499
dass man da – da sehe ich – da sind wir jetzt wahrscheinlich nicht beim Lean
500
Management, aber das ist ein wichtiges Thema, muss ja nicht gleich soweit gehen,
501
wie es andere Unternehmen machen, dass sie sagen, sie sind netzmäßig ab 17.00
502
Uhr nicht mehr zu erreichen, also dass man da diese Trennung Job und privat nicht
503
zu sehr unterstützt, oder gefördert, oder gefordert von den neuen Medien, zu sehr
504
aufweicht. Da droht etwas, was man mit Lean Management – denkst halt zuhause
505
weiter, mach das bis morgen und ich bin jetzt nicht der, der sagt, Arbeitsleistung
506
muss genau Arbeitszeit sein, da bin ich schon für eine breites Verständnis von
507
Arbeitszeit, aber dieses doch Job ist Job, Freizeit ist Freizeit und da gibt es eine
508
Grauzone, aber die Grauzone kann nicht 24 Stunden, 7 Tage die Woche sein. Das
509
wollte ich vielleicht noch so als Aspekt sagen.
510
511
I: Da nehme ich dann auch so mit, ich würde das Bild dann so beschreiben. Ich habe
512
einerseits als Unternehmer also die Verantwortung, eben diese Umgebung in Form
513
der Kultur, der konkreten Arbeitsorganisation zu schaffen und habe dann von allem,
514
ich glaube das zieht sich auch durch das, was Sie sagen, eine ganz, ganz besondere
515
Verantwortung liegt bei den Führungskräften, dass dieses Einschätzen, fördern,
516
qualifizieren, aber gleichzeitig nicht überfordert sein, ja dieses Leadership oder
517
Führungsaspekt, weil…
518
519
IP: Genau, die Führungskraft muss befähigt sein, den Mitarbeiter als Person, nicht
520
nur als Mitarbeiter, damit meine, der Mitarbeiter hat eine Firmenrolle und hat auch
521
eine private Rolle, ohne dass ich jetzt sage, das Privatleben ist zu sehr das Thema,
522
aber den Mitarbeiter als Person, als Gesamtperson zu sehen, der ein Privatleben
523
hat, mit Kindern, Familie und drum herum und diese Ausgewogenheit, diese
121
524
Qualifikation. Und das ist eine riesen Herausforderung für die Führungsgeschichte
525
und man lernt ja nicht wirklich führen, nicht in der Schule, nicht auf der Uni, auch
526
nicht in den FH‘s.
527
528
I: Das ist on-the-job par excellence. Man sagt es zwar nie in dem Kontext, aber …
529
530
IP: Es ist on-the-job und das sind die Leute, die also in der Jugend irgendwo in
531
Jugendorganisationen Funktionen haben, in der Jungschar fängt das an, oder bei
532
den Pfadfindern, um jetzt ein paar Beispiele zu nennen, dass man lernt, mit Leuten
533
umzugehen, zu führen. Und das ist glaube ich, ist ein riesen Thema.
534
535
I: Vielen herzlichen Dank.
122
1
Interview 8: 17. September 2012 / 08.30 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Meine 1. Frage an Sie. Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?
5
6
IP: Also Lean wäre für mich bezogen auf die Wertschöpfungskette, dass diese
7
möglichst effizient gestaltet wird und Richtung Kunde ausgerichtet wird, d.h. alle
8
Aktivitäten aufeinander abstimmen und dann Richtung Kunde auszurichten. Da geht
9
es jetzt weniger um Automatisierung oder STP-Rate, sondern da geht es mehr um
10
Organisation, um ganzheitliche, gesamthafte Organisation.
11
12
I: Aus Ihrer Wahrnehmung, wie wird Lean in Österreich in Unternehmen angewendet
13
wird, in welchen Branchen?
14
15
IP: Also wenig bisher, es gibt Lean z.B. im Financial Services-Bereich aus meiner
16
Wahrnehmung, wenn dann hauptsächlich in den Bereichen Back-Office und jetzt
17
weniger so in diesen klassischen Vertriebsbereichen. Es ist jetzt weniger auch in
18
Österreich, eher mehr in Deutschland. Ich glaube, dass dieses Thema Lean sehr
19
stark verbreitet ist in der Industrie, wo man da sehr viel weiter ist. Es wird auch
20
übernommen in alle möglichen anderen Industrien und es findet natürlich auch
21
Eingang im Financial Services-Bereich, aber so, dass es methodisch, umfassend,
22
richtig angewendet wird, das habe so noch nicht wahrgenommen. Eine Zeit lang war
23
dabei auch Six Sigma aktuell. Da hat es Projekte gegeben, so im Six Sigma-Umfeld
24
im österreichischen Financial Services-Bereich. Aber selbst da sind die Projekte,
25
entweder weil es falsch angewendet wurde, dann quasi gescheitert, oder es ist dann
26
gar nicht zu den Projekten gekommen.
27
28
I: Da würde ich gerne einhaken mit dem Scheitern. Was waren da die
29
Herausforderungen, woran ist das gescheitert respektive gibt es da auch
30
unterschiedliche Zugänge im Sinne werkzeugorientierter Zugang oder eher ein
31
kulturorientierter Zugang. Wie sehen Sie das?
123
32
33
IP: Es scheitert in dem Fall, das einfach der Anwendungsbereich, wofür man es
34
angewendet hat, der falsche war. Man hatte hier konkret versucht, das Thema
35
Datenqualität damit zu optimieren und das zu sehr methodisch, zu sehr
36
werkzeughaften Form und weniger versucht, dass hier gesamthaft, so wie es auch
37
vorgesehen ist, gesamthaft, umfassend dann auch dieses Thema dort dann auch zu
38
etablieren.
39
40
I: Wie schätzen Sie das ein, was sind die häufigsten Gründe, dass Lean in einem
41
Unternehmen eingeführt wird?
42
43
IP: Einfach der Effizienzdruck, der Kostendruck, weniger jetzt das ganze mehr
44
Richtung, weniger jetzt, mehr Richtung Flexibilität, sondern Richtung Kunde, sondern
45
es ist einfach Kostensenkung.
46
47
I: Der Titel meiner Master Thesis lautet ja Lean Human Resources. Was wäre eine
48
Assoziation, was würden Sie darunter verstehen, wenn ich sage Lean HR?
49
50
IP: Also man muss jetzt unterscheiden in HR zwischen den mehr administrativen
51
Prozessen, also die Lohnabrechnung, oder beispielsweise Spesenabrechnung und
52
den
53
Mitarbeiterentwicklung, usw. Also grundsätzlich, das Thema Lean hat sich, ist
54
mittlerweile auch verbreitet auch auf diese klassischen Supportprozesse, wie z.B.
55
auch HR und die während es bei diesen administrativen Prozesse geht, das Ganze
56
in guter Qualität, mitarbeiterorientiert, einfach abzuwickeln, geht es bei diesen eher
57
strategischen Themen, wie Recruiting beispielsweise, die richtigen Mitarbeiter am
58
Markt für die Firma dann zu finden, die auch für die Firma zu begeistern und damit
59
quasi in die Firma aufzunehmen, Punkt 1, oder Punkt 2, sie dann auch zu entwickeln.
60
Das
61
Mitarbeiterentwicklung auch das Thema Teamwork, also gewisse Prozesse da, zu
62
etablieren, auch HR-nahe Prozesse dann zu etablieren, die für die Anwendung von
63
Lean
64
Assessmentfeedbackprozesse, ein gewisses Teamwork dann auch zu etablieren.
mehr
ist
so
das
diesen
eine
essentiell
strategischen
Thema.
notwendig
Das
sind,
Aufgaben,
Zweite
z.B.
ist,
wie
z.B.
darüber
regelmäßige
das
hinaus,
Recruiting,
über
die
Reviewprozesse,
124
65
Also da geht dann sehr stark darum, dass Lean dann Teil einer Unternehmenskultur
66
wird, oder die Unternehmenskultur dann auch wesentlich prägt und da hat HR dann
67
sicherlich eine sehr tragende Rolle.
68
69
I: Besteht ein Zusammenhang aus Ihrer Sicht zwischen der organisatorischen
70
Einbettung in der Betriebshierarchie von HR oder der Leitung HR und einer Lean-
71
Einführung? Sehen Sie da einen Zusammenhang?
72
73
IP: Also HR ist jetzt in der Regel jetzt zumindest in Unternehmen, wo ich bin, ist so
74
zweigeteilt, eben diese rein administrativen Funktionen und dann dieses andere
75
Thema, wo es darum geht, die richtigen Mitarbeiter zu finden und zu entwickeln und
76
da auch gewisse HR-Prozesse dann auch zu prägen. Also das letztere ist sicherlich
77
das, es ist wichtig, dass es irgendwo, dass es irgendwo an zentraler Stelle dann
78
auch etabliert ist, organisatorisch, dass man sagt, unter dem CEO, dann ist es, gibt
79
es dann dieses HR, dieses strategic HR, wo man dann auch in der Position ist, um
80
dann diese Themen dann auch in diese operativen Prozesse, wertschöpfenden
81
Prozesse dann reinzutragen und dann zu etablieren. Also ich glaube schon, dass
82
das auch organisatorisch an der richtigen Stelle HR, zumindest diese strategischen
83
Themen dann auch verankert werden müssen. Ich meine, es hängt auch ein
84
bisschen davon ab, ob es dann eher Manufacturing ist oder eher im Services-
85
Bereich, wie z.B. Financial Services, im letzteren ist es sicherlich dann nochmal
86
wichtiger, dass da HR diese Rolle auch irgendwo in der Organisation dann auch
87
berücksichtigt ist.
88
89
I: Das leitet auch schon über zu meiner nächsten Frage, es ist da schon
90
durchgeklungen, nämlich das Rollenbild von HR, dass es anscheinend auch wichtig
91
ist, nicht nur eben eine sehr prominente Positionierung in der Hierarchie zu haben,
92
sondern auch so eine Rolle strategischer Business Partner im Sinne eines
93
Rollenbildes. Sehen Sie das auch so?
94
95
IP: Sehr wohl. Also die HR steht hier beratend, unterstützend und auch gestaltend
96
mit den Kern-Business-Bereichen in Kontakt, um eben diese Themen wie z.B.
97
Qualifizierung
der
Mitarbeiter,
Empowerment
der
Mitarbeiter,
Team,
diese
125
98
Etablierung von Teamarbeit, usw., um das auch in diese operativen wertschöpfenden
99
Prozesse dann auch reinzutragen.
100
101
I: Die Auswirkungen auf Personalentwicklung sind auch schon vorher ein bisschen
102
durchgedrungen und meine Frage noch konkret wäre noch. Welche Auswirkungen,
103
glauben Sie, hat die Einführung von Lean auf Personalentwicklung, wenn man Aus-
104
und Weiterbildung und Karrieremanagement ansieht.
105
106
IP: Welche Auswirkungen Lean auf die Karriereentwicklung hat… Man sollte
107
wegkommen von diesen klassischen Linie, hierarchischen Linien-Organisationen und
108
hin einfach zu Rollen, die man jetzt innerhalb des Unternehmens hat, um einfach
109
auch eine Perspektive für die Menschen zu schaffen, zu gewissen Karrierepfaden.
110
D.h. dass man jetzt nicht einen Abteilungsleiter hat, sondern dass man hier z.B.
111
einen Chief Expert hat, dass man einen Koordinator hat für das „Geschäft“, also das
112
man einfach jetzt nicht mehr diese starren Linienorganisationen hier weiterhin hier
113
etabliert, sondern hin einfach zu Rollen und hin zu flexiblen Karrierepfaden dann
114
kommt.
115
116
I: Welcher Zusammenhang besteht zwischen Lean und den Maßnahmen zur
117
Personalentwicklung in einem Unternehmen
118
119
IP: Also die Personalentwicklung, die Qualifizierung, das Training muss natürlich
120
dann darauf ausgerichtet sein, um dieses Lean-Kompetenz dann auch den Leuten
121
dann auch weiterzugeben und es muss dann auch ein Anreiz, eine Incentivierung
122
sein, dass man dann auch Lean, wo man gewisse Kennzahlen dann auch messbar
123
macht, dass man abhängig davon, dass das in irgendeiner Form incentiviert ist, also
124
Incentivierung von monetär und zum Zweiten Incentivierung von Weiterkommen im
125
Karrierepfad. Dass man relativ flexibel die Leute, die Lean lebt ja auch davon, dass
126
man die Wertschöpfungskette ganzheitlich optimiert, dass man die Leute auch
127
flexibel einsetzt in anderen Bereichen der Wertschöpfung, wo sie dann einfach
128
dieses Wissen aus ihrer früheren Tätigkeit dann auch sehr gut einbringen können,
129
um einfach dieses end-to-end Verständnis, für die Wertschöpfung für das was das
130
Unternehmen macht, dann auch zu schaffen.
126
131
132
I: Also Lean ist ja auch, um es ein bisschen zusammenzufassen, einerseits ein
133
methodischer Begriff, aber gleichzeitig geht es ja auch um Prinzipien im Sinne von
134
Effizienz- und Effektivitätssteigerungen.
135
136
IP: Mhm, zweifellos. Also Effizienz alleine ist zu wenig, es geht darum, den Kunden
137
zu verstehen und dann diese Aktivitäten, eigentlich geht es dann auch um Prozesse,
138
um operative Prozesse, es geht nicht um Aufbauorganisationen, genau darauf
139
auszurichten, damit man hier diese Kundenbedürfnisse entsprechend zu akzeptablen
140
Kosten und vor allem dann auch sehr zielorientiert dann auch bedient.
141
142
I: Gibt es noch etwas, was ich jetzt hier nicht bei meinen Fragen berücksichtigt habe,
143
was Sie mir noch mitgeben wollen zu dieser Thematik?
144
145
IP: Nicht viel mehr, außer das HR da sicherlich eine zentrale Rolle im Rahmen von
146
solchen Lean-Konzepten dann auch zukommt, wo HR einfach als Partner für die
147
wertschöpfenden Einheiten hier unterstützt, weil dies letztendlich lebt es davon, wie
148
stark – es ist eine Veränderung – und wie stark sind die Mitarbeiter bereit, diesen
149
Weg zu gehen, wie stark sind die Mitarbeiter bereit, sich dafür zu engagieren. Es lebt
150
auch davon, dass sich die Mitarbeiter sehr stark für diese jetzt im Sinne dieses Lean-
151
Gedankens dann auch einbringen und das HR hier die Rahmenbedingungen schafft
152
im Sinne von Qualifizierung, im Sinne von Incentivierung, im Sinne von Teamarbeit,
153
Kooperation, damit dieses Lean dann auch wirklich gelebt wird. Also ich glaube, so
154
ganz eine zentrale Rolle eigentlich eine Voraussetzung, damit das Lean auch
155
erfolgreich in einem Unternehmen werden kann und auch im Sinne der
156
Veränderungsgeschwindigkeit, ich meine, man muss auch darauf Rücksicht nehmen,
157
dass Lean, dass es eine große Veränderung ist und solche Veränderungen brauchen
158
Zeit und dass man das auch mit der richtigen Geschwindigkeit, nicht zu langsam,
159
auch nicht zu schnell, dann auch in einem Unternehmen dann etabliert.
160
161
I: Also dieser Aspekt des Change-Prozesses im Rahmen von Lean ist ein ganz, ganz
162
bedeutender?
163
127
164
IP: Ja, mhm. Also man sollte Lean keinesfalls dogmatisch anwenden, daran habe ich
165
gesehen, sind die Dinge dann auch gescheitert, wo dann die Mitarbeiter in einer
166
Abteilung gemeint haben, denen geht es ja nur darum, dass man dann irgendwelche
167
Prinzipien umsetzt, sondern es geht wirklich darum, dass man einfach diesen
168
Ergebnisbeitrag, den man damit schafft im Rahmen der Wertschöpfung, dass der
169
auch für die Mitarbeiter sichtbar ist und für jeden Einzelnen dann auch sichtbar ist,
170
weil nur dann wird man die Akzeptanz dafür haben. Effizient will jeder sein, die Frage
171
ist, wie kommt man dorthin, mit welchen Instrumenten und vor allem auch mit wie
172
bringt man die Mitarbeiter dazu, dass sie sich entsprechend diesem Gedanken dann
173
auch im Unternehmen dann auch danach arbeiten.
174
175
I: Jetzt ist mir doch noch eine Frage eingefallen, und zwar. Ursprüngliche Lean-
176
Konzepte stammen aus der Autoindustrie, Fertigungsindustrie. Ist das glauben Sie
177
eine große Herausforderungen, auch deswegen, dass vielleicht bei administrativen,
178
Nicht-Fertigungsprozesse, weil es einfach ein großer Unterschied ist, oder dass man
179
sagt, man kann jetzt nicht 1:1 eine Fertigungsstraße auf einen administrativen
180
Prozess anlegen…
181
182
IP: Man muss es halt anpassen, man muss sagen, was ist der Kunde, was will der
183
Kunde. Wenn das jetzt rein administrative Aufgaben sind, z.B. die Lohnabrechnung.
184
Der Kunde ist dann der Mitarbeiter, der will dass zu einem bestimmten Zeitpunkt der
185
richtige Betrag auf seinem Konto ankommt, eine gewisse Flexibilität, im Sinne der
186
Spesenabrechnung, oder wenn er irgendwie im Voraus irgendwas bezahlt werden
187
soll. Also man muss es einfach anpassen auf die Situation, es ist halt ein anderer,
188
ein interner Kunde und man muss die Wertschöpfung als Ganzes sehen, man muss
189
sich klar sein, was ist der Beitrag, wenn ich jetzt, wenn der Mitarbeiter jetzt mit dieser
190
Qualität, also mit dieser Präzisierung, mit dieser Flexibilität jetzt im HR jetzt bei den
191
administrativen Prozessen dann auch dann damit von HR aus unterstützt wird oder
192
bedient wird, also es ist schon, ich glaube schon, notwendig, überall dort, wo ich…
193
natürlich gibt es auch Grenzen bei Lean. Die Grenzen sind bspw. Bei sehr
194
individuellen, bei sehr individuellen Prozessen dann sicherlich auch, es muss
195
irgendetwas widerholbares, es muss irgendwie ein Prozess sein, der wiederholbar
196
ist. Es gibt sicherlich Grenzen, aber ich glaube schon, dass man auch bei diesen
128
197
Support-Prozessen das Ganze entsprechend dann so aufsetzen kann, das es auch
198
Sinn macht und etwas bringt.
199
200
I: Noch eine allerletzte Frage. D.h. auch – noch einmal einen Sprung
201
zurückzumachen – d.h. auch der Aspekt, weil Sie gesagt haben, dogmatischer
202
Zugang, auch die Unternehmenskultur ist durchaus entscheidend. Also man kann,
203
also im Umgang mit so einer Lean-Implementierung gibt es jetzt kein Schema F,
204
sondern man muss wahrscheinlich schauen, wie das Unternehmen als solches
205
aufgestellt ist, nicht nur im Sinne der Prozesse, aber auch als gesamtes vom
206
organisatorischen Framework her oder auch von der Unternehmenskultur. Würden
207
Sie das auch so sehen?
208
209
IP: Durchaus. Es muss irgendwo dieser Drang Richtung Effizienz, dieser Drang, den
210
Kunden auch flexibel und sehr effektiv dann auch zu bedienen, das muss irgendwo
211
in der Unternehmenskultur dann auch verankert sein. Das reicht nicht, wenn das nur
212
in der Unternehmensführung der Fall ist. Es reicht auch nicht, wenn das nur bei
213
gewissen Schlüsselmitarbeitern der Fall ist. Es muss wirklich quer durch das
214
Unternehmen, die Unternehmenskultur auch prägen, dass dort, wo man irgendwo
215
sieht, dass es Ineffizienzen gibt, dass jeder sich dazu berufen fühlt, das auch
216
aufzuzeigen und da auch irgendetwas dagegen zu tun.
217
218
I: Stichwort tolerante Fehlerkultur und Fehler ist Chance für Verbesserung.
219
220
IP: Genau, ja.
221
222
I: Vielen herzlichen Dank.
223
224
IP: Gerne.
129
1
Interview 9: 20. September 2012 / 11.00 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
I: Meine 1. Frage, was verstehen Sie unter dem Begriff Lean?
5
6
IP: Der Begriff Lean spiegelt für mich wider, dass Dinge, die nicht erforderlich sind, -
7
um einen Prozess zu gestalten, ein Ergebnis zu erzielen - weggelassen werden.
8
Lean heißt für mich wörtlich übersetzt, schlank, d.h. alles was an zusätzlichen
9
Dingen, an Speck angesetzt werden kann, wird weggelassen. Das ist einerseits im
10
Beratungsprozess, dass man eben keine Sonderlocken strickt, dass man bestimmte
11
Sonderwünsche weglässt und dass man sich auf den wesentlichen Inhalt fokussiert.
12
13
I: In Ihrer Wahrnehmung, wie wird Lean einerseits in Ihrem Unternehmen aber
14
andererseits auch in Ihrer Beraterfunktion in Österreich angewendet?
15
16
IP: Ich möchte auf eine Ausprägung von Lean eingehen. Für mich ist es unter dem
17
Stichwort „Scrum“ eine Art von Lean im Softwareentwicklungsprozess anzuwenden,
18
wobei man sagen muss, Softwareentwicklung ist in unserem Beratungskontext nicht
19
nur, wir erstellen ein Produkt, implementieren das und ziehen von dannen.
20
Softwareentwicklung heißt bei uns, dass wir zuvor die Prozesse beim Kunden
21
analysieren und dass wir die Lösung prozessentsprechend kreieren. Demzufolge
22
werden
23
Anforderungsmanagement und Entwicklung koppelt, um schnell zu Ergebnissen zu
24
kommen und nicht nach dem alten Wasserfallmodell riesige Konzepte zu schreiben,
25
die man dann in die Softwareentwicklung bringt. D.h. wir verwenden das dort, wo es
26
der Kunde bereits einsetzt und wir gehen mehr und mehr dazu über, in komplexen
27
Integrationsprojekten diese Idee von „Scrum“, nämlich iterativ zu entwickeln, zu
28
integrieren. Das ist ein Feld, wo das Thema Lean eine Rolle spielt, für mich selbst in
29
der täglichen Arbeit bedeutet Lean, sich auf Dinge zu fokussieren, wie eingangs
30
erwähnt, die wichtig sind und Dinge, die eine Art von Speck und Overhead bedeuten,
Scrum-Elemente
eingesetzt
in
der
Form,
dass
man
130
31
dort zu machen, wo ich es für sinnvoll erachte, aber auch wegzulassen, wo sie nicht
32
zielführend sind.
33
34
I: Was würden Sie als Gründe oder als Grund nennen, warum mit Lean überhaupt
35
begonnen wird, oder mit Verschlankungsmaßnahmen?
36
37
IP: Es beginnt immer dort, wo ein Unternehmen begrenzte Ressourcen hat, d.h.
38
einerseits finanzieller Art, andererseits aber auch personeller Art, was natürlich
39
irgendwann in finanziellen Dimensionen mündet. Es beginnt dort, wo ich steigende
40
Anforderungen habe, hierzulande, und besonders auch bei meinen Klienten die
41
regulatorischen Anforderungen und das einer begrenzten, oder sogar rückläufigen
42
Ressourcenverfügbarkeit gegenüber steht. Dort beginne ich, Lean einzuführen, in
43
dem ich mir überlege, was muss ich wirklich tun, was ist notwendig und wie kann ich
44
es so schneidern, dass ich möglichst mehrere Anforderungen auf einmal abdecke.
45
Wo muss ich darüber nachdenken, schnell zu reagieren. Also Lean beginnt immer
46
dort, wo ich knappe Ressourcen habe, wo ich schnell reagieren muss und wo ich
47
erkenne, das nur durch das Fokussieren auf das Wesentliche ich überhaupt noch
48
überleben kann. Also Lean ist eigentlich für mich eine Überlebensfunktion.
49
50
I: Geht also auch in Richtung Thematik der Wettbewerbsfähigkeit?
51
52
IP: Beim Kunden, oder bei uns bei den Beratern? Beim Kunden geht es darum, wie
53
schaffe ich es, diese Anforderungen zu erfüllen. Ich bin in der Finanzdienstleistungs-
54
Branche tätig, d.h. wenn ich dem Regulator nicht gerecht werde, ja, dann ist meine
55
Existenz gefährdet, kriege ich im extremsten Fall die Lizenz entzogen, das ist auf der
56
Klientenseite, bei uns als Beratungshaus geht es natürlich auch ums Überleben, aber
57
es geht insbesondere darum, dass ich in dem Marktsegment, in der Branche, in der
58
ich tätig bin, auch glaubhaft bin. Wenn ich heute noch Projekte anbiete, bei denen ich
59
eine ausführliche Ist-Analyse mache, bevor ich dann dem Kunden eine Lösung
60
empfehle, dann hat der Kunde das Gefühl, dass ich sein Umfeld nicht verstanden
61
habe und dann wird er mit mir über kurz oder lang keine Aufträge mehr abwickeln
62
wollen. Also von daher im Endeffekt geht es immer ums Überleben.
63
131
64
I: Wie sind die Zugänge, auch aus Ihrer Praxis, aus Ihrer Wahrnehmung heraus, wie
65
diese Verschlankungsmaßnahmen, oder Lean Maßnahmen, welche Zugänge gibt es
66
da? Wie wird so etwas begonnen?
67
68
IP: Es gibt den schmerzhaften Zugang, nämlich dort, wo man schon kurz vor der
69
Wand steht. Da hilft es nur, diese Methodik oder diesen Gedanken von oben zu
70
verordnen und ihn anhand von Projekten, die für das Unternehmen richtungsweisend
71
sind, zu exekutieren. Dort, wo man noch einen gewissen Spielraum hat, kann man
72
durch das, wie auch in der Erziehung, durch Vorleben erzielen. D.h. das
73
Management verinnerlicht diese Denkweise, die Lean beinhaltet und lebt das den
74
Mitarbeitern vor. Das ist aber etwas, was nur dort einsetzbar ist, wo ich nicht ums
75
nackte Überleben kämpfen muss. Optimal ist natürlich eine kombinierte Form, d.h. in
76
einem Bereich, dem es vielleicht schlecht geht, die brachiale Tour anzuwenden, zu
77
sagen, ihr macht das jetzt nach diesen Prinzipien und lasst euch auch daran messen
78
und dort wo es noch gut läuft, zu sagen, vom Management her werden gewisse
79
Prinzipien vorgelebt und man geht mit den Mitarbeitern in einem längeren
80
Phasenplan langsam in diese Denkstruktur über.
81
82
I: Also auch einen sense of urgency zu schaffen, wenn auch jetzt noch nicht die
83
Bedrohung da ist…
84
85
IP: Ja…
86
87
I: … sondern eben diese Maßnahmen zu ergreifen, wenn es noch eine gute Zeit ist,
88
im Sinne, wo kann ich mich besser aufstellen…
89
90
IP: Ja…
91
92
I: … um eben genau nicht in diese Negativphase abzudriften, um das abzusichern.
93
94
IP: Ja, also nicht getreu dem Motto zu leben, uns geht’s eh noch gut und wir haben
95
noch lange Zeit.
96
132
97
I: Stichwort Schmerzen, schmerzhaft. Was würden Sie sagen, sind da die größten
98
Herausforderungen, weil das geht auch schon ein bisschen schon so in diese
99
Richtung, die Herausforderungen bei so einer Lean-Einführung.
100
101
IP: Die größten Herausforderungen sind, das Vertrauen, das das Management in
102
seine Mitarbeiter haben muss. Dass auf der einen Seite das Management das
103
vorlebt, dass aber auch das Management sicher sein muss, dass die Mitarbeiter
104
genügend Vertrauen dem Management entgegenbringen, damit sie wirklich glauben,
105
dass das eine Methode ist, die dem Unternehmen hilft. Wenn man so in unsere
106
derzeitige Wirtschaft hineinschaut, dann kann man erkennen, dass überall Vertrauen
107
verloren gegangen ist, nicht nur in der Politik, in allen Bereichen, in allen
108
Lebensbereichen und dass man dort, wo man Dinge verändern will, auch Dinge, die
109
vielleicht einschneidend sind, wo man Dinge weglassen muss, die man sich bequem
110
angefuttert hat, dass tut weh, das verursacht Schmerzen. Und das mache ich nur
111
dort, wo ich das Vertrauen habe, dass ich damit weiterleben kann und dass es damit
112
langfristig mir wiederum gut tut. D.h. für mich ist das Thema Vertrauen im
113
Zusammenhang
114
Schlüsselgröße.
mit
solchen
einschneidenden
Maßnahmen
die
absolute
115
116
I: Der Titel meiner Master Thesis hat den Überbegriff Lean Human Resources. Wenn
117
ich das so nenne, welche Assoziationen haben Sie dazu?
118
119
IP: Im ersten Moment klingt das für mich wie ein Widerspruch. Lean bedeutet
120
verschlanken, Mitarbeiter bedeutet immer, sich Zeit für Menschen nehmen.
121
Assoziation zunächst ein Widerspruch. Der löst sich dann auf, wenn man sich mit
122
dem, was hinter Lean steckt, beschäftigt. Menschen sind auf der einen Seite da,
123
dass man mit ihnen Zeit verbringt, auf der anderen Seite, wenn man es in den
124
Kontext des Arbeitslebens stellt, dann steht jeder an seinem Platz und hat eine
125
Aufgabe zu erfüllen. Und die ist so zu erfüllen, dass sie im Gesamtkontext eines
126
Unternehmens optimal abgewickelt wird, das bedeutet manches Mal, in schlanken
127
Strukturen zu agieren. Wenn ich auf der Bühne stehe, am Theater, muss ich nicht
128
schlank auftreten, dann kann ich meine Rolle ausfüllen, aber das ist nicht das
129
Arbeitsleben. Das ist für den Schauspieler das Arbeitsleben, aber nicht für die, über
133
130
die wir jetzt hier sprechen. D.h. ich würde in der 2. Assoziationsstufe sagen, Lean
131
und Human Resources, Personal, ist das Zusammenspiel in schlanken Strukturen,
132
meine Aufgabe optimal auszufüllen und dabei mich nicht als Mensch zu
133
vernachlässigen.
134
135
I: Das glaube ich beantwortet schon die nächste Frage. Welcher Zusammenhang
136
besteht zwischen Lean und Human Resources? Oder gibt es da noch einen
137
Gedanken, das war ja eigentlich schon fast die Antwort?
138
139
IP: Nein, es ist genau das.
140
141
I:
Sehen
Sie
einen
Zusammenhang
zwischen
der
Positionierung,
der
142
organisatorischen Positionierung in der Betriebshierarchie von Human Resources
143
bzw. der Leitung HR und einer Lean-Einführung?
144
145
IP: Muss ich ein bisschen ausholen, für mich bedeutet ein gelebtes Human
146
Resources, dass ich nicht nur einen Personalleiter habe, der eine Stabsfunktion zu
147
irgendeinem Vorstand darstellt, sondern für mich ist der oberste Human Resources
148
Chef der CEO eines Unternehmens. Von daher ist die Einordnung über diesen CEO
149
herzustellen, ob das dann noch separat als Stabsfunktion in HR positioniert wird, das
150
hängt davon ab, inwieweit die Organisation schon Lean kann und Lean integriert hat,
151
in die Struktur. Wenn ich am Anfang stehe, dann macht es Sinn, für eine gewisse
152
Zeit eine Lean-Funktion in HR anzusiedeln, wenn ich diese Idee schon verinnerlicht
153
habe, dann ist das die Persönlichkeit des CEO, wie er oder sie Prozesse gestaltet,
154
wo ich Lean ansiedeln muss. Und dann ist der CEO, wie eingangs erwähnt, der
155
oberste Personaler und hat damit diese Funktion. Die hat er schon als Person, als
156
Aufgabe in sich zu erfüllen.
157
158
I: Das geht auch schon so ein bisschen in dieses Rollenbild von HR, wo ich gerne
159
nachhaken würde. Wenn man sagt, welche Rollenbilder HR begegnen Ihnen oder
160
sind Ihnen begegnet, jetzt eben in dieser inhaltlichen Ausprägung und gibt es da
161
einen Zusammenhang zu einer Lean-Einführung in einem Unternehmen? Also
162
Stichwort Business Partner und diese verschiedenen Rollenbilder.
134
163
164
IP: Personal kann in diesem Zusammenhang die Aufgabe übernehmen, dass die
165
Mitarbeiter das Verständnis für Lean lernen, das heißt eine Trainingseinheit, eine
166
Einheit, bei der ich Fragen platzieren kann, bei der ich Rückfragen kann, für mich ein
167
Ressourcen- oder ein Know-How-Pool für Lean kann HR sein. Wenn das mal zu
168
einem späteren Zeitpunkt verinnerlicht ist, dann ist HR eigentlich, hat eigentlich keine
169
Sonderfunktion mehr im Zusammenhang mit Lean, sonst würde ich es ja außerhalb
170
des Unternehmens stellen. Es ist nur für die Einführung aus meiner Sicht
171
erforderlich, wenn ich Lean leben möchte im Unternehmen, die Prozesse Lean sein
172
sollen, dann muss ich das in jeder Abteilung, in jedem Bereich haben und zwar nicht
173
als Stabsfunktion, als Teil der Arbeit, als Teil der Prozesse. Und dann kann Lean im
174
HR-Bereich nur noch eine Restfunktion haben, also so nach dem Motto es kommen
175
neue Mitarbeiter, die kommen aus einem Unternehmen, die das nicht praktiziert
176
haben, schicken wir sie auf einen Kurs, den HR organisiert, aber holen wir sie dann
177
wieder ab und integrieren sie in der Abteilung und erläutern ihnen, was das für die
178
tägliche Arbeit bedeutet. Also kein Theoretisieren, das ist auch das, was ich aus der
179
täglichen Praxis und auch aus dem, wie es bei uns im Unternehmen gelebt wird. Wer
180
zu lange schult und zu lange die Verantwortung dem Personalbereich überträgt, der
181
schießt am Ziel vorbei, der hat dann eine weitere theoretische Ausbildung, hat aber
182
das Prinzip nicht verstanden und nicht ins Arbeitsleben integriert.
183
184
I: Das wäre so in Richtung gehend, es ist wirklich on-the-job, teilweise dann so quasi
185
ein Automatismus, den man jede Minute lebt, ohne darüber nachzudenken?
186
187
IP: Ja, genau. Es ist im Prinzip wie im täglichen Leben, wenn ich Trennkost lebe als
188
Ernährungsprinzip, dann mache ich vielleicht einen Kochkurs am Anfang und lese
189
ein Buch, um die Prinzipien zu verstehen, aber ich werde dann nicht im täglichen
190
Leben ein Buch neben dran legen und immer schauen, habe ich die richtige
191
Nährstoffgruppe erwischt. Ich verinnerliche das. Ich weiß, wenn ich Nudeln und
192
Kartoffeln esse, das ist dann die Kohlehydratgruppe und das kombiniere ich eben mit
193
was anderem. Nur ganz, aus dem anderen Lebensbereich, aber so als Vergleich,
194
glaube ich, ganz passend.
195
135
196
I: Da würde ich auch so raushören, sich eben nicht so sehr an Wörtern an sich, die
197
mögen bis zu einem gewissen Grad, für ein Grundverständnis zu schaffen, gut sein,
198
aber dann geht’s doch um ein Verinnerlichen von Handlungsweisen?
199
200
IP: Ja, eindeutig.
201
202
I: Auch schon vorher durchgeklungen, die Thematik des Trainings, wie Trainings HR
203
organisiert, in der Organisationsrolle. Meine Frage darauf aufbauen. Besteht für Sie
204
ein Zusammenhang zwischen Lean und Maßnahmen zur Personalentwicklung?
205
206
IP: Das besteht grundsätzlich, das würde ich noch nicht mal so sehr auf das Thema
207
Lean beschränken. Jedes Prinzip, was ich im Unternehmen anwenden möchte, jede
208
Grundidee, jede Grundhandlungsweise, die meine Mitarbeiter bei ihrer täglichen
209
Arbeit beachten sollten, spielt HR eine Rolle. Also bei jedem, nämlich dann, wenn ich
210
jemanden, der da vielleicht nicht mehr weiter kommt, der braucht vielleicht nochmal
211
einen Refresher und muss sich dann an jemand wenden können und das ist, wenn
212
es um so ein wichtiges Prinzip geht, zwangsläufig der Personalbereich. Bzw. wenn
213
dann ein Mitarbeiter nach diesem Prinzip nicht mehr leben kann, nicht mehr leben
214
will, muss er auch die Möglichkeit haben, mit Personal, und nicht mit seinem direkten
215
Chef sprechen zu können, sondern, und getreulich dem Motto, ich muss mir jetzt erst
216
mal darüber klar werden, wo ich hin will, einen Reflexionspartner zu haben, der nicht
217
sofort sagt, ja gut, dann kannst Du die Abteilung verlassen. Sondern dass man dann
218
über Personal einen Spiegel, gespiegelt kriegt, was denn jetzt die eigene
219
Einschätzung zu dem Thema bedeutet und was das für das Unternehmen bedeutet.
220
221
I: Das geht so ein bisschen fast in Coaching, Mentoring, Funktion, die HR in diesem
222
Kontext da ausübt?
223
224
IP: Ja, eindeutig. Aus diesem Grund ist es auch erforderlich, dass HR natürlich
225
einerseits außerhalb der normalen Hierarchie steht, aber andererseits im
226
Unternehmen verankert ist, und weiß, was das Unternehmen, welchen Zweck das
227
Unternehmen hat und was das Arbeitsergebnis sein muss. D.h. auf der einen Seite
228
theoretisch gebildet, außerhalb, um eine Möglichkeit zur Reflexion, zur neutralen
136
229
Reflexion zu geben, für den Mitarbeiter. Auf der anderen Seite aber so down-to-
230
earth, dass nicht theoretische Gebilde entstehen. D.h. HR hat für mich nach wie vor,
231
- ob das in Bezug auf Lean ist, oder auf andere Aufgaben, die Funktion, das
232
Unternehmen dahingehend zu unterstützen, dass die wichtigste Ressource,
233
Mitarbeiter, den Unternehmenszweck optimal erfüllen können - keine Sonderrolle.
234
Ganz, ganz wichtig. Ist leider bei vielen HR-Abteilungen, die haben sich zu
235
Selbstläufern entwickelt, ihre eigenen Unternehmensziele verfolgen, ganz schwierig,
236
dort wo Sie Mitarbeiter, wie im Beratungsumfeld, die einzige wichtige Ressource ist.
237
Denn damit kann man Mitarbeiter aus dem Unternehmen wegsteuern, indem man
238
ihnen Ideen einpflanzt, die im Unternehmen nicht realisierbar sind, ganz gefährliche
239
Sache. Aber geht jetzt, führt jetzt von Lean auch weg, weil das betrifft auch andere
240
Themen.
241
242
I: Aber es wäre in dem Kontext ein Thema, das halt das auch berühren würde, aus
243
dem heraus.
244
245
IP: Ja.
246
247
I: Eine Frage zum Thema, konkreter jetzt aus der Personalentwicklung heraus.
248
Welche Auswirkungen hat aus Ihrer Sicht Lean, einerseits auf Aus- und
249
Weiterbildungsthematik und andererseits auf Karrieremanagement, Karrieren.
250
251
IP: Zum ersten Teil der Frage, auf die Personalentwicklung hat es insofern
252
Auswirkungen, als ich verschiedene Kategorien von Mitarbeitern habe. Ich habe das
253
schon einmal erwähnt, einerseits das onboarding, ein Mitarbeiter kommt neu ins
254
Unternehmen, muss erst mal lernen, was bedeutet Lean im kulturellen Kontext
255
dieses speziellen Unternehmens. Dann weiter, wenn ein Mitarbeiter über Jahre im
256
Unternehmen ist, haben sich gewisse Dinge eingeschliffen, dann braucht man
257
vielleicht noch einmal einen Refresh auf die eigentlichen Ideen, die dahinterliegen.
258
Es ist so eine Art Innovationsanschub, dass man so etwas tut und auf der anderen
259
Seite Richtung Karrieremanagement. Das ist ein Thema, was sehr weit führend ist.
260
Auf der einen Seite, wenn man es für die fachliche Karriere betrachtet, dann heißt es,
261
ich muss Lean in meinem speziellen Aufgabengebiet weiterentwickeln. Ich muss
137
262
mich möglicherweise vernetzen mit gleichartigen Mitarbeitern aus anderen
263
Unternehmen, um zu verstehen, wie tun die das denn. Wenn man jetzt Karriere sieht,
264
als sich nach oben an die Unternehmensspitze entwickeln, dann muss ich die
265
Möglichkeit haben, und das ist erfahrungsgemäß schwer, das durch eine interne
266
Personalabteilung herzustellen, muss ich die Möglichkeit haben, zu sagen, was
267
bedeutet denn Lean, wenn ich den nächsten Karriereschritt mache? Denn Lean in
268
einer Stufe, wo ich noch Prozesse ausführe, hat eine andere Dimension, wie wenn
269
ich diese Prozesse nicht mehr ausführe, sondern Mitarbeiter steuere, die die
270
ausführen sollen. D.h. ganz wichtig ist es da, noch weitaus wichtiger, als bei dem
271
anfangs erwähnten Austauschen auf gleicher Ebene, dass man sich mit anderen
272
Unternehmen austauscht und einen Blick über den Tellerrand macht. Dass man
273
sieht, was es bedeutet, Menschen zu steuern, die dieses Prinzip, dieses Lean-
274
Prinzip anwenden sollen. Da kann ich nur empfehlen, oder da kann ich einfach nur
275
aus eigener Erfahrung und aus der Erfahrung, die ich mit den Kollegen teilen darf,
276
sagen, da heißt es, sich nach außen wenden und mit anderen Mitarbeitern außerhalb
277
des Unternehmens, mit anderen Menschen, die auch vielleicht in einer anderen
278
Branche tätig sind, auszutauschen. Also, es gibt ja genug Summer-Schools und
279
solche Einrichtungen würde ich dann nutzen. Das würde ich weniger im
280
Unternehmen selbst anbieten. Also einerseits auf der gleichen Ebenen, andererseits
281
auch außerhalb des Unternehmens, mich auszutauschen. Das halte ich für ganz
282
wichtig, dass man nicht zu lange im eigenen Saft schmort.
283
284
I: Ein Wort ist da gefallen, da würde ich noch gerne anknüpfen, weil es auch gerade
285
passt. Wie sehen Sie da die Rolle der Führungskraft in Lean-Prozessen oder am
286
Weg zu Lean? Jetzt eben, ich bin jetzt nicht mehr auf der Prozessebene, sondern bin
287
für die Prozesse verantwortlich und führe Mitarbeiter nach Lean-Prinzipien.
288
289
IP: Das hat 2 Dimensionen. Einerseits eine persönliche Dimension, das ist das
290
Vorleben, ich muss Dinge vorleben, wenn ich als Führungskraft nur 1. Klasse fliege
291
und nur in den teuersten Haubenlokalen speisen gehe, dann kann ich nicht von
292
meinen Mitarbeitern erwarten, dass sie sich Lean verhalten im Sinne von
293
kostenbewusst agieren, das ist die eine Dimension. Die andere Dimension, als
294
Führungskraft Prozesse zu steuern heißt nicht über Ahnungslosigkeit die Mitarbeiter
138
295
im Trüben fischen lassen, sondern über ein Wissen, was welchen Beitrag leistet
296
mein Bereich zum Erfolg des Unternehmens und sich auch mit den Dingen
297
auseinandersetzen und dann gemeinsam mit den Mitarbeitern eine Roadmap zu
298
entwickeln, wie kann ich die jetzigen Prozesse verschlanken, Lean machen, um den
299
Beitrag zum Unternehmen weiter zu sichern oder sogar zu optimieren. Also nicht
300
durch Ahnungslosigkeit glänzen, sondern sich mit den Inhalten auseinandersetzen.
301
302
I: Aktives Auseinandersetzen, aktives Einbringen, aktives Aufzeigen.
303
304
IP: Ja, und wenn ich es als Führungskraft nicht kann, weil ich da nicht ausgebildet
305
bin, dann hole ich mir jemanden, der das kann und versuche über denjenigen dieses
306
Know-How selbst zu gewinnen, selbst involvieren, nicht delegieren. So was kann
307
man nur erreichen durch vorleben und durch aktives Miteinbinden. Das ist es
308
eigentlich.
309
310
I: Noch vielleicht einen Gedanken, der mir jetzt gerade eingefallen ist, weil es auch
311
schon einmal gefallen ist, Begriff der Unternehmenskultur. Wie sehen Sie das im
312
Sinne des Zugangs zu dieser Thematik. Wir haben ja schon darüber gesprochen
313
über Handlungsweisen, über andererseits Prinzipien, dass man sagt, aus Ihrer
314
Wahrnehmung, welche Zugänge gibt es auch im Sinne, ist es eher ein
315
werkzeugorientierter Zugang, also Lean-Tools, oder ist es etwas, was über eine
316
unternehmenskulturelle Seite einzubringen ist, zu lancieren ist. Wie ist da so Ihre
317
Einschätzung im Sinne von konkreten Handlungs-Lean-Tools, Lean Six Sigma, also
318
dieser ganz Werkzeugkoffer, den es einerseits, diese konkretes Ausüben und
319
andererseits Handlungsweisen verinnerlichen, Prinzipien dann leben, also ein
320
bisschen diese subtilere, nicht sichtbare Dimension des Eisbergs, und auf der
321
anderen Seite aber dann quasi die konkrete Ausprägung im Sinne des
322
Werkzeugkoffers, den ich habe.
323
324
IP: Es ist kurzfristig, beginnen Sie mit dem Werkzeugkoffer und langfristig muss es in
325
der Kultur verankert sein. Ich möchte ein einfaches Beispiel nennen aus dem
326
täglichen Leben. Wenn ich einem Kind, ein Kind in die Schule schicke, dann kann es
327
sein, dass dieses Kind ein wunderbarer Autor ist, solange das Kind nicht lesen und
139
328
schreiben kann, werden sie es nie erfahren. D.h. das Kind muss erst mal die
329
Grundprinzipien, wie werde ich Autor, ich kann nämlich lesen und schreiben,
330
vermittelt bekommen. Wenn das Kind über das Lesen und Schreiben eine
331
Begeisterung für Literatur entwickelt, dafür eigene Texte zu verfassen, dann wird es
332
das irgendwann verinnerlich haben und nicht mehr fragen, muss ich jetzt das A groß
333
oder klein schreiben, sondern es wird den Zusammenhang der Buchstaben selbst
334
erkennen und verinnerlichen. Und genauso ist es auch mit Lean. Sie brauchen
335
gewisse Werkzeuge, das sind in dem Fall bestimmte Methodiken, ob das jetzt Six
336
Sigma ist, ob das andere Dinge sind. Das brauchen Sie, damit man etwas hat, woran
337
man sich festhalten kann. Wie kann ich Autor werden, ohne die Buchstaben zu
338
haben. Aber Sie kommen irgendwann auf eine höhere Abstraktionsebene, da sehen
339
Sie nicht mehr den einzelnen Buchstaben, den der Tafelklässler mühsam geübt hat,
340
sondern die Wörter, die Sätze und die ganze Romane, die sie dann vielleicht
341
schreiben. D.h. der Anfang ist Methode, der Anfang sind Werkzeuge und er wird
342
später Kultur, nämlich dann, wenn ich es verinnerlicht habe. Wenn es mein Verhalten
343
beeinflusst, ohne dass ich es großartig merke. Ein Automatismus.
344
345
I: Dann schließt sich ja, aber, glaube ich so, wenn ich das jetzt für mich
346
zusammenfasse, der Kreis, auch sage, ich muss die Mitarbeiterin, den Mitarbeiter,
347
entsprechend entwickeln, jetzt basierend auf dem Beispiel, um ihm dann ja auch
348
quasi zu ermöglichen, zu ermächtigen, so zu handeln.
349
350
IP: Ich muss es konkret machen. Ich muss konkret sein, damit der Mitarbeiter weiß,
351
was ich von ihm erwarte und eben nicht sage, so jetzt liest Du mal durch in diesem
352
Buch, das ist Lean und ich erwarte von Dir, dass Du ab morgen Lean arbeitest. Dann
353
werden 2 große Fragezeichen in den Augen stehen und dann werden Sie keinen
354
Schritt weiterkommen. Dann wird der Mitarbeiter das Lean für sich interpretieren,
355
wird es verstanden haben oder nicht, vielleicht wird er das tun, was Sie von ihm
356
erwarten, vielleicht aber auch nicht.
357
358
I: Gibt es noch weitere Anmerkungen oder Ergänzungen, die ich nicht abgefragt
359
habe, aber die jetzt noch irgendwie im Raum stehen würden, die noch zu sagen
360
wären Ihrerseits?
140
361
362
IP: Nein, ich glaube, ich habe zu den Fragen schon Antworten gegeben, die vielleicht
363
jetzt an der Stelle noch erwähnenswert gewesen wären, aber ich denke, das war
364
ausführlich und gibt das wieder, was ich zu dem Thema zu sagen habe, derzeit.
365
366
I: Dann danke ich für das Gespräch.
367
368
IP: Gerne.
141
1
Interview 10: 3. Oktober 2012 / 13.00 Uhr
2
(I = Interviewer; IP = Interviewpartner)
3
4
IP: Das Unternehmen ist in Europa in 8 Business Centers unterteilt, das sind 8
5
Einheiten und dazu kommt noch Deutschland. Deutschland ist kein Business Center,
6
das wird zur Zeit ein bisschen speziell behandelt. Und wir sind eines dieser 8
7
Business Centers und das ist eine Einheit, die verantworltich ist, meistens für die
8
Funktionen wie HR, IT, Finanz, usw. Geschäft, die Business Divisionen sind vielfältig
9
gesteuert, also unsere Hauptverantwortung liegt darin, dass die Funktionen gut
10
organisiert sind. Das ist Business Center Region A, wir heißen Region A und das
11
sind unsere Länder (zeigt auf die Präsentation am Laptop) und die Farben haben
12
auch eine Bedeutung, weil das ist eine weitere Unterteilung innerhalb des Business
13
Centers.
14
Unternehmenseinheiten, Legal Entities. Wir machen auch Geschäft hier (zeigt auf die
15
Länder), aber nicht direkt, also wir haben dort keine Legal Entities vor Ort. Es ist eine
16
große Region, es ist weiter unterteilt nach Ländergruppen und da sind die 3
17
Ländergruppen und hier sehen Sie die Personalzahl, das ist Stand Ende Juni. Und
18
das
19
HR-Organisation ist auch nach diesen Ländergruppen untererteilt und jede dieser 3
20
Ländergruppen hat eine Zentrale in der jeweiligen Stadt. Und wir haben auch in den
21
Landesgesellschaften auch je eine Person, die teilzeitverantwortlich für HR ist, aber
22
die Strukturen, die Prozesse, die Policies kommen erst von mir, vom Business
23
Center und dann zu den Ländergruppen, und von den Ländergruppen dann weiter
24
verteilt zu den Legal Entities.
ist
Insgesamt
auch
eine
sind
wir
präsent
Grundinformation
zu
in
der
diesen
Ländern
HR-Organisation,
mit
weil
den
die
25
26
I: D.h. Sie sind aber für die gesamten 3 Ländergruppen verantwortlich.
27
28
IP: Genau, ich bin verantwortlich für alle 3 Ländergruppen. Also die Zentrale ist in
29
Stadt A, aber die Funktionalleiter sind in ganz Zentral- und Osteuropa verteilt.
30
31
I: Eine sehr virtuelle Organisation.
142
32
33
IP: Eine sehr virtuelle Organisation, genau, es ist virtuell auch von den Funktionen,
34
virtuell von den Divisionen, vom Business auch, weil die Führungskräfte sitzen hier
35
und dort in den Ländern, also virtuell. Die Kommunikation erfolgt sowieso auf
36
moderne Art und Weise und natürlich haben wir auch Meetings, wo wir uns dann
37
persönlich treffen, das ist auch für die HR-Organisation wichtig. Ich möchte Ihnen
38
noch weitere Folien zeigen.
39
40
I: Eine multi-layer Organisation eigentlich, so wie sie aufgebaut ist.
41
42
IP: Ja, genau. Insgesamt so und so viele FTEs, Full Time Equivalents. So und so
43
viele FTEs, also die Service-Ratio ist sehr gut, das ist auch für mich eine Aufgabe,
44
das zu prüfen, ob wir genug sind in HR oder ob wir mehr Arbeitskräfte benötigen.
45
Also wir sind so verteilt, vielfältig. Wir haben sehr kleine Standorte mit rund 20
46
Personen und wir haben große Produktionsstandorte mit rund 200 Personen und die
47
größte Legal Entity ist in Land B mit rund 250 Mitarbeitern, auch in der Größe sehr
48
vielfältig.
49
50
I: Die Herausforderung ist aber einfach diese Vielfalt an Entitäten in Verbindung mit
51
dieser Organisation.
52
53
IP: Die Herausforderung ist es, eine Policy für alle diese Legal Entities zu
54
implementieren.
55
56
I: Die für alle gleich gelten.
57
58
IP: Genau, das ist hier. Und, weil wir haben auch EU-Länder, Nicht-EU-Länder. Wir
59
haben viele Valuten, wir haben viele Sprachen, also diese Vielfältigkeit bringt schon
60
ein bisschen einen Layer in der alltäglichen Arbeit. Auf der anderen Seite sind diese
61
Länder sehr flexibel, aus Arbeitsrechtssicht, außer Österreich. Wir haben keine
62
großen
63
Betriebsvereinbarungen, also diese Mitarbeitervertretung ist sehr minimal. Wir haben
Betriebsratskonsultationsprozesse,
wir
haben
auch
keine
143
64
nur in Österreich einen Betriebsrat, mit dem wir zusammenarbeiten. Das ist dann die
65
positive Seite dieser Flexibilität.
66
67
I: Wann ist diese Organisationsstruktur entstanden und was war da eigentlich der
68
Auslöser damals?
69
70
IP: Die Business Centers sind 2005 gegründet worden in ganz Europa. Es waren
71
auch früher so organisatorische Einheiten, aber in dieser heutigen Struktur
72
entstanden sie in 2005. Und das war damals auch ein Projekt im Unternehmen, das
73
hatte auch diesen Zweck, diese Funktionen, wie HR, auch von der Zentrale aus zu
74
steuern. Weil früher war es so - und ich denke, das ist auch bei vielen Unternehmen,
75
wir sind eine Matrixorganisation, d.h. jeder hat mindestens 2 Chefs - und auch in HR
76
war es früher so, dass die Divisionen der Business Einheiten eigene HR-Funktionen
77
hatten und diese HR-Funktion hatte einen eigenen Chef irgendwo in Europa. Und
78
das gab eine lokale HR, die hatte auch einen Chef und das waren parallele
79
Strukturen, und das wurde 2005 gecancelt. Man hat gesagt, jede HR in der Region
80
berichtet dann an mich und ich berichte an den HR-Leiter Europa, und das gibt es
81
seit 2005.
82
83
I: D.h. die Zielsetzung war Verschlankung der Strukturen, Vermeidung von
84
Doppelgleisigkeiten?
85
86
IP: Ja, obwohl es war nicht eine automatische Verschlankung der Struktur, sondern
87
es ging darum, dass die Struktur klarer werden sollte, weil früher war es so, z.B.
88
nehmen
89
Produktdivision. Unser Unternehmen hat mehrere Divisonen (geht zu Flipchart und
90
beginnt zu zeichnen). Es gibt einen Standort mit – sagen wir 200 FTEs – und es ist
91
ausschließlich eine bestimmte Produktgruppe an diesem Standort. Da sitzt eine
92
Personalerin und die hat früher an den HR Verantwortlichen der Produktdivision
93
berichtet. Und dann bin ich, verantwortlich, jetzt hier die Ländergruppe. Es gibt eine
94
Personalerin, die für die Ländergruppe verantwortlich ist, aber sie berichtet an mich,
95
an die Business Center HR und die Zielvereinbarung und das gesamte Reporting
96
war parallel und die haben miteinander nichts zu tun in dieser Struktur (zeigt am
wir
einen
Produktionsstandort,
der
macht
nur
eine
bestimmte
144
97
Flipchart auf HR Verantwortlichen der Produktdivision und Business Center HR) und
98
er sagt, ich habe diese Policy, diese Richtung, diese Strategie umzusetzen. Ich habe
99
gesagt, das umsetzen. Es gibt dann 2 Standorte in einem Land, ich habe völlig
100
andere Prozesse und völlig andere Zielvereinbarungen, Reportingstrukturen und
101
nach 2005 war es dann so, das ist nicht mehr so ist (streicht am Flipchart die
102
Reportinglinie zwischen HR-Verantwortlicher am lokalen Produktionsstandort und
103
HR-Verantwortlichem für diese Produktdivision), sondern diese Produktdivision hat
104
diesen Business Partner vor Ort, das ist die klassische Business Partner Rolle, die
105
sagt mir, ich habe dies in meiner Business-Strategie, das ist, was ich in den
106
kommenden Jahren umsetzen möchte, dass Du das weißt, und unterstütze mich
107
bitte. Dann sage ich, ok (zeichnet Informationspfeile von Business Center HR in
108
Richtung Standort HR und Produktdivision HR). Und hier diese Linie ist nicht mehr
109
vorhanden
110
Produktdivision HR). Und das bedeutete nicht automatisch Verschlankung, natürlich
111
wenn es Synergien gibt, wollen wir die nützen, aber an 1. Stelle stand nicht die
112
Verschlankung, sondern die Vereinfachung der Strukturen.
(streicht
nochmals
Reportinglinie
zwischen
Standort
HR
und
113
114
I: Es war auch nicht vereinheitlicht, es war auch nicht abgestimmt.
115
116
IP: Genau, genau.
117
118
I: Das heißt, Standort HR ist diese vor Ort Local Business Partner HR
119
Ansprechperson für den Standort und Sie haben diese strategisch-planerischen
120
Policies, …
121
122
IP: Und wir haben dann auf der lokalen Ebene HR-Personen, die sitzen am Standort,
123
die haben eigentlich nur Scope für einen Standort (zeichnet unterhalb von
124
Ländergruppen HR noch Legal Entities). Das ist die Struktur.
125
126
I: Aber das Produktgruppen HR hat dann schon zur Ländergruppen HR berichtet,
127
oder, das schon?
128
145
129
IP: Ja, genau. Also, das sind diese 3 Layers in der HR-Organisation (zeichnet
130
entsprechende Linien). Wir benützen das Wort Lean nicht in HR, aber das ist…
131
132
I: Es hat die Attribute einer schlankeren, einer effizienteren Organisation.
133
134
IP: Ja, genau, einer effizienteren Organisation,
135
136
I: War diese Initiative nur auf HR bezogen?
137
138
IP: Alle Funktionen, das ist auch so bei Finanz, bei Procurement, alle Funktionen.
139
Das Business, das Geschäft selbst ist nicht in diese Prozesse eingebunden, weil das
140
ist Geschäft, die sind organisiert. Wir hier im Business Center, wir sind verantwortlich
141
für die Funktionen, wir sind mehr ein Serviceleister und wir haben auch ein Budget,
142
das ist dann aufgeteilt auf die Landesebene und wir leisten alle HR-Services vor Ort.
143
144
I: Lean wird nicht namentlich angewendet?
145
146
IP: Namentlich nicht.
147
148
I: Die größten Herausforderungen in diesem Prozess?
149
150
IP: Die größte Herausforderung ist auch heute diese Matrix, das ist eigentlich die
151
Herausforderung und das können wir mit klaren Prozessen und mit viel
152
Kommunikation dann leben, also das sind die Schlüsselelemente, dass wir klare
153
Prozesse haben und sagen, er spricht nicht mit ihm und gibt keine Zielvereinbarung
154
(zeigt auf Zeichnung), sondern es geht durch mich und ich bin wie ein Kanal, ich
155
kanalisiere alle diese Zielvereinbarungen und Ziele. Natürlich, zwischen uns muss
156
eine
157
Rollenänderung. Dass es mehr zentralisiert wird und diese Einheiten verlieren
158
eigentlich die zentrale Steuerung, die direkte Steuerung und es wird dann indirekt
159
sein.
sehr
gute
Zusammenarbeit
sein.
Also
die
Herausforderung
ist
die
160
146
161
I: Das ist auch hier eine meiner Fragen, wie würden Sie die Rolle HR
162
charakterisieren in der Organisation, die ist ja sehr vielschichtig, wie wir jetzt gesehen
163
haben in dieser Aufteilung und was hat sich durch diesen Prozess verändert?
164
165
IP: Die Rolle ist alles, was HR betrifft, ich übernehme auch die Business Partnerin,
166
weil ich bin die erste Ansprechpartnerin für die Divisionen damit, also von daher das
167
ist es das ganze HR Spektrum.
168
169
I: Aber es geht so in diese Richtung, ich habe in der Theorie dieses Modell gefunden,
170
dass man sagt, man hat einerseits, Centers of Expertise, man hat andererseits die
171
Local Business Partner, das erinnert mich so an dieses Modell, dass man sagt, man
172
hat die Local Business Partner vor Ort für die lokale HR-Arbeit und dann hat man
173
Ansprechpersonen zum Thema Recruiting an zentraler Stelle, das wäre dann
174
entweder auf dieser Ländergruppen HR-Ebene oder bei Ihnen auf der strategisch-
175
planerischen Policy Ebene. Also diese Rollenaufteilung auf verschiedene…
176
177
IP: Hier gibt es einen 4. Layer (zeichnet). Also hier meistens auf der Legal Entity
178
Ebene ist es Administration, ausschließlich.
179
180
I: Das sind diese Shared Service Center, glaube ich?
181
182
IP: Wir haben in Zentral-, Osteuropa kein Shared Service Center. Das haben wir
183
nicht, aber ich zeige Ihnen dann noch etwas dazu. In der Ländergruppen HR sind die
184
HR-Personen spezialisiert. Ich würde das nicht Centers of Expertise nennen, aber
185
die
186
Personalentwicklung, Rekrutierung. Das ist die Spezialisierung auf dieser Ebene,
187
weil wir sind dazu zu klein und zu vielfältig, Spezialisierung auch auf dieser Ebene zu
188
schaffen und hier gibt es auch sehr kleine Legal Entities, wo jemand heute ein
189
bisschen Personalarbeit macht. Das ist auch für uns eine Frage, wie das natürlich
190
weitergeht, weil das Beste wäre auch, Spezialisierung. Und das ist das Business
191
Center und das 4. ist Europa. Und Europa HR Organisation hat auch eine
192
Governance-Einheit, die eigentlich diese strategischen Themen, Planung, Policy-
193
Making macht. Und dort gibt es die Centers of Expertise, auf dieser Ebene. Und die
Personen
sind nach Themen
spezialisiert,
Compensation
& Benefits,
147
194
Centers of Expertise sind nach Themen unterteilt. 2 große Felder in HR, diese
195
Compensation & Benefits und das 2. ist Performancemanagement und hier ist diese
196
Personalentwicklung. Das sind diese 2 großen Felder, das ist auf Europa-Ebene und
197
dazu kommt (zeichnet), das ist das Shared Service Center in Deutschland für Europa
198
und es gibt auch eines in Nordamerika und in Asien. Ehrlich gesagt, wir sind zu
199
vielfältig, zu klein und zu günstig, also das Gehaltsniveau ist viel niedriger als in
200
Österreich, in allen diesen zentral- und osteuropäischen Ländern und in diesem
201
Shared Service Center sind eher die westeuropäischen Länder integriert. Und dieses
202
Shared Service Center macht die Gehaltsabrechnung, den Rekrutierungsprozess
203
und Training Management und weitere Themen. Wir haben, nicht nur wir als Zentral-
204
und Osteuropa, sondern auch Russland und die CIS-Länder, auch Mittlerer Osten
205
und auch Südafrika und Afrika sind auch nach dieser Struktur aufgeteilt, ohne dieses
206
Shared Service Element. Natürlich ist es für uns eine Frage, weil es viele Prozesse in
207
HR auch in Zentral-/Osteuropa gibt, welche ich dann in ein lokales Shared Service
208
Center integrieren könnte. Das ist für mich eine strategische Frage, wir prüfen das
209
natürlich. Jeder möchte das europaweit einheitlich machen, aber zur Zeit lohnt es
210
sich nicht, es wird nicht effizienter.
211
212
I: Also die Merkmale finden sich auch hier, aber entsprechend der Organisation
213
wurde das halt… das findet sich auch hier wieder dieses Modell. Das ist ja auch das
214
Schöne zu sagen, wie findet sich das in der Theorie beschriebene in der konkreten
215
Unternehmensumsetzungspraxis, und das kommt dem schon in hohem Maße nahe,
216
wie diese Aufteilung ist.
217
218
IP: Und bei den Zielvereinbarungen zum Beispiel, dieses Center of Expertise hat
219
eine neue Performancemanagement-Policy oder Struktur oder etwas ähnliches.
220
Dann gehen die hier (zeichnet)… diese direkte Zielvereinbarung zwischen uns (zeigt
221
auf Center of Expertise und Business Center HR) gibt es nicht. Es geht durch diese
222
Ebene, durch meinen Chef, die Leitung Europa HR an mich und das ist auch Lean,
223
es geht nicht direkt an die lokale Ebene weiter, sondern es gibt nur einen
224
kanalisierten Weg.
225
148
226
I. Gibt es eine Verbindung im Sinne der Rollenzuordnung, im Sinne der
227
Umsetzungskraft, gibt es da eine Verbindung im Sinne der Umsetzungsautiorität, ist
228
das relevant, auf welchem Layer sie dann sind, um diese Dinge…
229
230
IP: Also ehrlich gesagt, wir sind im Unternehmen sehr hoch zentralisiert. Auch unsere
231
Strategie
232
Personalentwicklungssystem, Performancemanagementsystem kommt alles von
233
diesem Center of Expertise auf Europa-Ebene und wir haben zu 70% von allen HR-
234
Themen eine Implementierungsrolle, das heißt wir haben ein zentrales europaweit
235
gültiges Compensation & Benefits-System und der Rest ist unsere Freiraum, von
236
daher bringt das natürlich mehr Zentralisierung und eine einheitlichere europaweite
237
Umsetzung der globalen HR-Strategie.
und
Richtung
ist
eine
abgeleitete
Strategie
und
unser
238
239
I: D.h. auch die Personalentwicklung war früher direkt, noch stärker direkter
240
angesiedelt und auch noch nicht so zentral koordiniert aus einem einheitlichen
241
Zugang.
242
243
IP: Genau, es war kein einheitliches Rahmensystem.
244
245
I: Und wo findet sich, das ist diese zweite Komponente… wo findet sich das Thema
246
Karrieremanagement?
247
248
IP.
Wir
haben
im
Rahmen
249
Mitarbeitergespräche.
250
Führungskraft ein Feedback vom Mitarbeiter, was der Mitrabeiter möchte, welche
251
Karriereentwicklung, entweder eine vertikale oder horizontale. Und die Führungskraft
252
geht dann an die Ebene der Ländergruppen HR, wo wir jährliche Personalklausuren
253
haben. Und in dieser Personalklausur sitzen dann gemeinsam die Führungskräfte mit
254
HR und besprechen diese Talente und es gibt hier eine Ebene (zeigt auf Ebene
255
Ländergruppen HR) und dann die Top-Talente, die dann weitergehen, besprechen
256
wir auf dieser Ebene (zeigt auf Business Center HR).
Und
in
des
diesen
Performancemanagements
Mitarbeitergesprächen
jährliche
bekommt
die
257
149
258
I: Das ist auch bei diesem Review-Auswahl Prozess zu sagen, wo identifiziert man
259
Nachwuchsführungskräfte oder auch auf einer Experten-Projektlaufbahn?
260
261
IP: Genau, das ist kanalisiert und letztendlich auf dieser Ebene (zeigt auf Business
262
Center HR Ebene) sprechen wir von rund 25 Personen, also die Top-Cream auf
263
Business Center Ebene und hier haben wir auch hunderte von Leuten (zeigt auf
264
Ländergruppen HR).
265
266
I: Zusammenfassend muss man sagen, das die Hauptveränderung war, durch diese
267
Multi-Layer-Organisation viel gestreamlineter, viel standardisierter, auch von der
268
Steuerungsfunktion viel effizienter und besser, anstatt eben alle lokalen Einheiten
269
oder Layers dazwischen hier sehr autark…
270
271
IP. Ja, genau, das die lokalen Einheiten dann völlig selbständig etwas machen, keine
272
Hilfe, und auch keine Kontrolle.
273
274
I: Und es dürfte auch, wenn ich das so heraushöre, ein klares Rollenverständnis…
275
Sie sagen ja selbst auch, es ist immer wieder ein, wenn man das ja lange gewohnt
276
ist ein gewisses Handeln, jetzt für den Produktdivisions HR… bitte berichte jetzt an
277
mich, hier immer wieder dran zu bleiben, weil natürlich dieser Wechsel von sehr
278
autarkem Handeln, eigenständigem Handeln hin in diese Struktur...
279
280
281
IP: Ja, obwohl ehrlich gesagt, ich denke, es ist besser für diese Business Partnering-
282
Rollle, weil die können dann statt auf diese administrativen Prozesse auf die pure
283
Business Partnering-Rolle fokussieren und von daher ist es dann eine klarere Rolle
284
für alle.
285
286
I: Und noch eine Frage. Die administrativen, oder die Abrechnungsprozesse, die
287
klassischen, finden - in Westeuropa gebündelt im Shared Service Center - aber für
288
Ihre Business Center Region, findet das dann auf Ländergruppen HR-Level statt,
289
also die Gehaltsabrechnung und diese Dinge?
290
150
291
IP: Je nach dem, weil in Ländergruppe HR A ist es sehr einfach, da ist es ein Land
292
und dort haben wir 4 Standorte, aber jeder Prozess ist gesteuert und wird auch
293
physisch dort selbst gemacht, in Stadt A. In Ländergruppe B werden alle diese
294
Prozesse aus Stadt B gemacht, aber wir haben Produktionsstandorte, wo man
295
jemanden haben muss, der vor Ort teilweise HR macht und das haben wir und in
296
Ländergruppe C, das ist die vielfältigste von allen, da haben wir auch vor Ort
297
jemanden und dann machen wir das lokal, z.B. die Gehaltabrechnung, also je nach
298
dem.
299
300
I: Freispielen für die richtige HR-Arbeit, wie man es sich vorstellt, Standort HR hat
301
genau da gewonnen in dieser Qualifizierung als Local HR Business Partner,
302
aufgewertet eigentlich auch dadurch die Rolle im Sinne der Personalarbeit.
303
304
IP: Ja.
305
306
I: Ich nehme auch mit, dass eben, das habe ich auch in den Interviews vorher
307
gesehen, viele Aktivitäten werden einerseits begrifflich als Lean implementiert,
308
kommt natürlich auch darauf an, ist es eher ein Produktionsunternehmen, wenn es
309
ein Serviceunternehmen, ist es vielleicht nicht so sehr, da ist es eben unter dem
310
Motto, ja, Verschlankung, aber da wird einfach jetzt nicht mit der Begrifflichkeit
311
gearbeitet. Und da habe ich auch gesehen, dass auch wo nicht Lean draufsteht,
312
können aber genau die Attribute im Sinne der Steigerung von Effizienz und
313
Effektivität…
314
315
IP: Das ist genau, was Lean bedeutet. Wie können wir das, effizienter, besser,
316
schlanker machen, weil wenn wir nur 1 Kommunikationsweg haben und 1
317
Zielvereinbarungsweg und klare Aussage, wer macht was, also wir haben auch die
318
Stellenbeschreibungen, alles ist auch vereinheitlicht, dann ist es natürlich einfacher
319
und daher auch günstiger.
320
321
I: Für Sie ist es in Gedanken Lean, aber es wird halt das Wort nicht verwendet.
322
323
IP: Nein, wir benützen das nicht in HR.
151
324
325
I: Weil, ich habe 2 Fragen, Sie haben nämliche 1 Frage, was assoziieren Sie mit dem
326
Begriff Lean, das haben Sie mir jetzt gesagt.
327
328
IP: Lean für mich ist, mehr zu machen, in der heutigen Zeit, in der heutigen Welt,
329
mehr zu machen, effizienter, daher weniger Kosten und wir als Service HR, als
330
klassische Servicefunktion, wir sind immer gepusht, mehr Leistung bringen,
331
effizienter, mit weniger Kosten, also von daher, das könnte ich auch so benützen für
332
unsere internen Prozesse.
333
334
I: Wäre das auch eine Assoziation, weil der Titel meiner Arbeit heisst ja Lean HR.
335
Wäre das Bild, das Sie gezeichnet haben, das in der Organisation existiert, so etwas
336
wie Sie Lean Human Resources, wenn es dieses Begriff jetzt gäbe, so
337
charakterisieren würden?
338
339
IP: Ja, obwohl ich würde sagen, das ist nicht die Endstation zum Lean. Weil es ist
340
auch für mich eine Aufgabe, solche Prozesse zu finden, was vielleicht ein Shared
341
Service Center für uns erledigen kann. Also das ist sehr gut, das funktioniert, das
342
funktioniert sehr gut auf der oberen Ebene, dieses Rollenverständnis wird auch so
343
gesehen, aber für mich ist die Frage natürlich, wir können nie Lean genug sein.
344
345
I: Es ist ein kontinuierlicher Prozess.
346
347
IP: Ja, genau.
348
349
I: Vielen Dank.
152

Documentos relacionados