eidesstattliche erklärung - Donau
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EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich, Helmut Oswald, geboren am 9. Mai 1972 in Wien erkläre, 1. dass ich meine Master Thesis selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen bedient habe, 2. dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe, 3. dass ich, falls die Master Thesis mein Unternehmen oder eine/n externe/n KooperationspartnerIn betrifft, meinen Arbeitgeber über Titel, Form und Inhalt der Master Thesis unterrichtet und sein/ihr Einverständnis eingeholt habe. Wien, 6. Oktober 2012 LEAN HUMAN RESOURCES Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Business Administration (MBA) der Donau-Universität Krems Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften Danube Business School eingereicht von Helmut Oswald 1. Begutachter(in): Dr. Liselotte Zvacek 2. Begutachter(in): Helga Wannerer, MA Wien, 6. Oktober 2012 Abstract (Deutsch) Diese Master Thesis beschäftigt sich mit dem Begriff Lean Human Resources und den Auswirkungen, die eine Lean-Einführung in einem Unternehmen auf die Position sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources sowie im Besonderen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung und Karrieremanagement haben kann. Da der Lean-Begriff sich über die vielen Jahre seit seinem erstmaligen „Erscheinen“ sukzessive weiterentwickelt hat, dazu Unterschiede in der Definition bzw. dem Verständnis von Lean bestehen, sowie Unterschiede in Bezug zu Unternehmenskulturen, Ländern sowie weiteren Merkmalen existieren und ebenso die Aufgaben und das Rollenbild von Human Resources einem ständigen Wandel unterliegen, werden in dieser Arbeit die verschiedenen Ausprägungen von Lean Human Resources in Theorie und Praxis herausgearbeitet. Ziel dieser Master Thesis ist, über eine Literaturanalyse ein theoretisches Bild bzw. eine theoretische Annäherung zu Lean Human Resources gemäß der formulierten Forschungsfrage zu erarbeiten und mittels der Empirie der in Unternehmen praktisch zur Anwendung gelangenden Herangehensweise gegenüberzustellen. Ein besonderes Augenmerk wird auf das Herausarbeiten von Lean bzw. Lean Human Resources Attributen im Kontext der Forschungsfrage gelegt, um herauszufinden, in welchen Formen und Ausprägungen Lean Human Resources auftreten kann, selbst wenn dieser Begriff nicht ausdrücklich verwendet bzw. angewendet wird. Lean – Human Resources – Lean Human Resources - Personalmanagement i Abstract (Englisch) This Master‘s Thesis deals with the term Lean Human Resources as well as the consequences relating to a Lean implementation with regard to the organisational unit Human Resources in terms of its hierarchical position and its role within a company as well as the consequences for the Human Resources development activities of education, advanced training and career management. Over the past years the term Lean has gradually developed since its first appearance. Therefore a vast number of different definitions exist together with different ways of comprehension. Lean has a different meaning in different cultures and countries as well as towards other attributes. The tasks and roles of Human Resources also undergo a continuous process of change. Based on these statements the different specifications of Lean Human Resources in theory and practice will be carved out in this Master‘s Thesis. The objective of this Master‘s Thesis is to compile a theoretical picture respectively establish a theoretical approach towards Lean Human Resources based on the research question. Research will be conducted through a literature analysis followed by empirical research, which shows the approaches applied in practice within different companies. Particular focus is put on attributes relating to Lean and Lean Human Resources in the context of the research question in order to find out, which forms and specifications of Lean Human Resources can emerge, even if this term is not explicitly used. Lean – Human Resources – Lean Human Resources - Personalmanagement ii Vorwort Die vorliegende Master Thesis LEAN HUMAN RESOURCES stellt nicht nur die Abschlussarbeit meines MBA-Studiums an der Donau-Universität Krems dar, sondern kennzeichnet auch das Ende einer 2jährigen Aus- und Weiterbildungsreise in einem institutionellen Rahmen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinen StudienkollegInnen bedanken, denen ich auf dieser Reise begegnen durfte. Neues Wissen entsteht nicht nur durch Vorträge, sondern auch in hohem Maße durch persönliche Begegnungen und daraus resultierende Dialoge. Diese Arbeit ist zu allererst Herrn Albert Gaubitzer, CEO der RSC Raiffeisen Service Center GmbH gewidmet. Für ihn hat die persönliche und fachliche Weiterentwicklung der MitarbeiterInnen der RSC oberste Priorität. Ich danke ihm sehr für die Möglichkeit, diese Ausbildung durchführen zu können. Meine weitere Widmung gilt Frau Mag. Martina Mader, Leiterin Personalmanagement & Corporate Identity der RSC Raiffeisen Service Center GmbH. Ihre praxisbezogene Fragestellung bildete die Grundlage für die Forschungsfrage dieser Master Thesis. Ich bedanke mich bei ihr für ihre wertvollen Inputs und ihre Feedbacks im Rahmen des Entstehungsprozesses dieser Master Thesis. Danken möchte ich auch meiner Kollegin Frau Mag. Beate Wolf, die mir ihre Zeit als Reflexionspartnerin für den Schreibprozess dieser Master Thesis geschenkt hat. Bedanken möchte ich mich bei meiner Kollegin Frau Edith Hofka, die sich die Zeit für eine Korrekturlesung dieser Master Thesis genommen hat. Abschließend gilt mein besonderer Dank meinen InterviewpartnerInnen, die sich wertvolle Zeit für die Beantwortung meiner Fragen genommen und mir interessante Einblicke in ihre praktische Arbeit gewährt haben. iii Inhaltsverzeichnis Abstract (Deutsch) .................................................................................................................. i Abstract (Englisch) ................................................................................................................. ii Vorwort .................................................................................................................................. iii Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. iv Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................... viii Tabellenverzeichnis ............................................................................................................... x Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... xi Executive Summary ............................................................................................................. xiii 1 2 Einleitung ........................................................................................................................ 1 1.1 Hinführung zum Thema ............................................................................................ 1 1.2 Problemstellung und Relevanz des Themas ............................................................ 4 1.3 Ziel dieser Master Thesis und Forschungsfrage ....................................................... 9 1.4 Aufbau der Arbeit und Forschungsablauf ............................................................... 11 Theoretischer Teil ......................................................................................................... 12 2.1 Die englischen Begriffe Lean und Human Resources im deutschsprachigen Kontext dieser Master Thesis .............................................................................................. 12 2.2 Grundlagen: Human Resources im Kontext der Forschungsfrage .......................... 14 2.2.1 Positionierung der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines Unternehmens ................................................ 14 2.2.2 Rollenbilder der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines Unternehmens ................................................ 15 2.2.3 Modelle zur Umsetzung der HR-Arbeit ........................................................ 19 2.2.4 Komparatives HRM und die HRM Organisation .......................................... 21 2.2.5 Personalentwicklung allgemein ................................................................... 24 2.2.6 Personalentwicklung am Beispiel der Aus- und Weiterbildung .................... 27 2.2.7 Personalentwicklung am Beispiel Karrieremanagement.............................. 28 2.3 Grundlagen: Die Lean-Historie vom Toyota Production System zu Lean Six Sigma ............................................................................................................................... 29 2.3.1 Die Anfänge des Toyota Production Systems als Basis für Lean ................ 29 2.3.2 Die Ziele des Toyota Production Systems................................................... 31 2.3.3 Kontinuierliche Verbesserung/Kaizen ......................................................... 33 2.3.4 Six Sigma und Lean Sigma ......................................................................... 34 iv 2.4 2.4.1 Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität........................................... 37 2.4.2 Dynamische Aspekte der Kosteneffizienz ................................................... 38 2.4.3 Corporate Governance ............................................................................... 38 2.4.4 New Public Management (NPM) ................................................................. 40 2.4.5 Neues St. Galler Managementmodell ......................................................... 41 2.4.6 EFQM Excellence Modell ............................................................................ 43 2.4.7 Steigerung von Effizienz und Effektivität durch Lean Human Resources .... 45 2.5 Lean Human Resources – eine theoretische Annäherung ...................................... 46 2.5.1 Die Rolle der MitarbeiterInnen bei Lean-Prozessen .................................... 46 2.5.2 Lean-orientiertes Führungsverhalten .......................................................... 48 2.5.3 Coaching von Kontinuierlicher Verbesserung ............................................. 49 2.5.4 Lean als Unternehmenskultur: Toyota Weg und Toyota Kultur .................. 51 2.5.5 Lean als Change-Management Prozess ..................................................... 54 2.5.6 Position der Organisationseinheit HR im Kontext von Lean ........................ 56 2.5.7 Die Restrukturierung der Personalabteilung bei Toyota, USA ..................... 56 2.5.8 Die Rolle von HR bei der Einführung von Lean ........................................... 58 2.5.9 Die Rolle von HR in einem Lean-Transformationsprozess .......................... 62 2.5.10 Die Rolle von HR in einem Lean-Unternehmen........................................... 63 2.5.11 Personalentwicklung durch Aus- und Weiterbildung im Kontext von Lean .. 70 2.5.12 Personalentwicklung durch Karrieremanagement im Kontext von Lean ...... 72 2.5.13 Lean Production als Form der Arbeitsorganisation ...................................... 75 2.6 3 Grundsätzliche Überlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von Effizienz und Effektivität ......................................................................................... 36 Zusammenfassung der Theorie – Teilantwort der Forschungsfrage ....................... 79 2.6.1 Was versteht die Theorie unter Lean? ........................................................ 80 2.6.2 Was versteht die Theorie unter Lean Human Resources? .......................... 81 2.6.3 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der Organisationseinheit Human Resources? ................................................... 83 2.6.4 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der Organisationseinheit Human Resources? ................................................... 83 2.6.5 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie Karrieremanagement? ................................................................................ 85 2.6.6 Zusammenfassende theoretische Beantwortung der Forschungsfrage ....... 87 Empirischer Teil ............................................................................................................ 88 3.1 Konzeption und Ablauf der empirischen Untersuchung .......................................... 88 v 3.1.1 Auswahl der Forschungsmethode ............................................................... 88 3.1.2 Auswahl der InterviewpartnerInnen und Rahmenbedingungen für das Interview ..................................................................................................... 92 3.1.3 Transkription der Interviews ........................................................................ 93 3.1.4 Angewendete Methode der qualitativen Inhaltsanalyse ............................... 94 3.1.5 Praktische Umsetzung der zusammenfassenden Inhaltsanalyse am Textmaterial der empirischen Untersuchung ............................................... 96 3.2 4 Ergebnisse der empirischen Untersuchung ............................................................ 97 3.2.1 Einleitung .................................................................................................... 97 3.2.2 Was verstehen die InterviewpartnerInnen unter Lean? ............................... 97 3.2.3 Was verstehen die InterviewpartnerInnen unter Lean Human Resources?101 3.2.4 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der Organisationseinheit Human Resources? ................................................. 103 3.2.5 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der Organisationseinheit Human Resources? ................................................. 109 3.2.6 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie Karrieremanagement? .............................................................................. 110 3.2.7 Empirisch-analytische Zusammenfassung: Teilantwort der Forschungsfrage ................................................................................................................. 116 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Theorie und Empirie ..................................... 117 4.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfrage .................................... 117 4.2 Schlussfolgerungen und Auswirkungen auf die betriebliche Praxis ...................... 119 Literaturverzeichnis ............................................................................................................ 122 1. Selbständige Werke ................................................................................................... 122 2. Sonstige Quellen ........................................................................................................ 126 Anhang A - Scan des FT-Artikels „Lean cuts fat off GE’s production line“ .............................. 1 Anhang B - Interview-Leitfaden .............................................................................................. 2 Anhang C - Transkriptionen der Interviews ............................................................................ 3 Interview 1: 24. Juli 2012 / 08.30 Uhr ..................................................................................... 4 Interview 2: 26. Juli 2012 / 08.00 Uhr ................................................................................... 21 Interview 3: 26. Juli 2012 / 16.00 Uhr ................................................................................... 43 Interview 4: 22. August 2012 / 15.30 Uhr ............................................................................. 67 Interview 5: 24. August 2012 / 09.00 Uhr ............................................................................. 84 vi Interview 6: 5. September 2012 / 11.00 Uhr ......................................................................... 94 Interview 7: 11. September 2012 / 12.00 Uhr ..................................................................... 106 Interview 8: 17. September 2012 / 08.30 Uhr ..................................................................... 123 Interview 9: 20. September 2012 / 11.00 Uhr ..................................................................... 130 Interview 10: 3. Oktober 2012 / 13.00 Uhr.......................................................................... 142 vii Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Lean Management wird in verschiedenen Wirtschaftszweigen eingesetzt ............................................................................................. 5 Abbildung 2: HR Roles in Building a Competitive Organization .............................. 16 Abbildung 3: Definition of HR Roles ........................................................................ 16 Abbildung 4: Die Rollen von PersonalmanagerInnen .............................................. 17 Abbildung 5: HR Business PartnerIn Modell nach Dave Ulrich – eigene Darstellung ........................................................................................................... 17 Abbildung 6: Comparison of HR Roles in the Ulrich and Brockbank (2005b) model and the Ulrich (1997) model ............................................................... 18 Abbildung 7: 3-Säulen-Modell/Three-legged HR structure – eigene Darstellung .... 20 Abbildung 8: HR Service Delivery-Modell – „Trias plus Technologie“ ..................... 20 Abbildung 9: Optionen für die HRM Organisation – nach Brandl et al. – eigene Darstellung ......................................................................................... 23 Abbildung 10: Inhalte der Personalentwicklung ......................................................... 26 Abbildung 11: Konzepte der Personalentwicklung .................................................... 27 Abbildung 12: Die alternativen Karrieremodelle ........................................................ 29 Abbildung 13: Die Definition des Toyota Production Systems ................................... 31 Abbildung 14: Bedeutung des Begriffs KAIZEN in Japan und der Deutschen Übertragung. (KAIZEN nach KAIZEN-Institut of Europe und Siemens AG, Elektronikwerk Karlsruhe = EWK) ............................................... 34 Abbildung 15: Gegenüberstellung von Lean Management und Six Sigma – eigene Darstellung basierend auf Dahm/Haindl ............................................. 35 Abbildung 16: Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von Effizienz und Effektivität aus verschiedenen Perspektiven – eigene Darstellung...................... 37 Abbildung 17: Inhalte governance-orientierter Führungskräfteentwicklung ............... 39 Abbildung 18: Das neue St. Galler Management-Modell........................................... 42 Abbildung 19: EFQM-Modell ..................................................................................... 44 Abbildung 20: Toyotas Führungskräftemodell ........................................................... 48 Abbildung 21: Die Verbesserungs-Kata kurzgefasst ................................................ 49 Abbildung 22: Toyota Coaching-Kata ....................................................................... 49 Abbildung 23: Wie Toyota auf einen Zielzustand hinarbeitet .................................... 50 viii Abbildung 24: Der PDCA-Zyklus .............................................................................. 50 Abbildung 25: Der „Toyota Way“ ............................................................................... 51 Abbildung 26: Ein „4P“-Modell des Toyota-Wegs ...................................................... 52 Abbildung 27: Einige Lektionen zum Thema Transformation .................................... 53 Abbildung 28: Der Toyota Way [In Anlehnung an Cho, Fujio: The Toyota Way 2001, Toyota Motor Marketing Europe 2003 (interne Publikation)] .............. 54 Abbildung 29: Change-Management-Ansätze der letzten zwei Jahrzehnte .............. 54 Abbildung 30: Management by Objectives versus hoshin kanri ................................ 66 Abbildung 31: Education System – Toyota Motor Corporation Website .................... 71 Abbildung 32: Distribution of work organisation classes, by country (%) ................... 78 Abbildung 33: Auswahlweg zur Forschungsmethode ................................................ 89 Abbildung 34: Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse ............................. 95 ix Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Phasen der PE.......................................................................................... 26 Tabelle 2: HR-Beiträge in den unterschiedlichen Lean-Entscheidungsprozessen .... 61 Tabelle 3: Arbeitsorganisation in den EU-27 Ländern ............................................... 77 Tabelle 4: Forschungsfrage, Sub-Fragen, Fragen des Interview-Leitfadens ............. 91 Tabelle 5: Überblick InterviewpartnerInnen ............................................................... 92 Tabelle 6: Historie der Lean-Aktivitäten der befragten Unternehmen ........................ 97 x Abkürzungsverzeichnis BENELUX Belgien, Niederlande, Luxemburg BPR Business Process Reengineering bzw. beziehungsweise CEO Chief Executive Officer CI Continuous Improvement CoC Centers of Competence CoE Centers of Expertise COCS Costs Of Goods Sold CSO Chief Sales Officer CSR Corporate Social Responsibility CV Curriculum Vitae EFQM European Foundation for Quality Management ESS Employee Self Service EUROFUND European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions FTE Full Time Equivalent GE General Electric HR Human Resources HRM Human Resource Management ISO International Organisation for Standardization IT Information Technology KPI Key Performance Indicator KVP Kontinuierlicher Verbesserungsprozess MIT Massachusetts Institute of Technology MSS Managers Self Service xi NPM New Public Management OJT On the Job-Training PDCA Plan-Do-Check-Act PE Personalentwicklung SLA Service Level Agreement SSC Shared Service Center STP Straight Through Processing TPS Toyota Production System TQM Total Quality Management u.a. unter anderem UE Unternehmensentwicklung z.B. zum Beispiel xii Executive Summary Diese Master Thesis beschäftigt sich mit dem Begriff Lean Human Resources und den Auswirkungen, die eine Lean-Einführung in einem Unternehmen auf die Position sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources sowie im Besonderen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung und Karrieremanagement haben kann. Ziel dieser Master Thesis ist, über eine Literaturanalyse ein theoretisches Bild bzw. eine theoretische Annäherung zu Lean Human Resources gemäß der formulierten Forschungsfrage zu erarbeiten und mittels der Empirie der in Unternehmen praktisch zur Anwendung gelangenden Herangehensweise gegenüberzustellen. Ein besonderes Augenmerk wird auf das Herausarbeiten von Lean bzw. Lean Human Resources Attributen im Kontext der Forschungsfrage gelegt, um herauszufinden, in welchen Formen und Ausprägungen Lean Human Resources auftreten kann, selbst wenn dieser Begriff nicht ausdrücklich verwendet bzw. angewendet wird. Als empirische Forschungsmethode wird die Form des teilstrukturierten, nicht standardisierten, mündlich geführten Interviews mit offenen Fragen angewendet. Die Ergebnisse dieser Master Thesis sollen Einblick in das gegenwärtige Verständnis von Lean Human Resources in der Theorie und in der betrieblichen Praxis gewähren, die verschiedene Zugänge zu dieser Thematik beschreiben und einige Handlungsempfehlungen für Unternehmen, welche im Kontext der Forschungsfrage Aktivitäten setzen, aufzeigen. Diese Master Thesis ist in 1. Linie als eine thematische Standortbestimmung im Kontext der Forschungsfrage und als Orientierungsleitfaden für die betriebliche Praxis zu sehen. xiii Lean Human Resources ist ein Begriff, der großen Interpretationsspielraum offen lässt. Theorie und Empirie haben gezeigt, wie vielfältig der Zugang sein kann. Gleichzeitig haben sich aber einige Charakteristiken herauskristallisiert, die eine sehr gute thematische und inhaltliche Annäherung an Lean Human Resources erlauben. Lean Human Resources kennzeichnet einen effizienten Personalressourceneinsatz, der die MitarbeiterInnen als hochqualifizierte und motivierte Know-How-TrägerInnen mit hoher Teamorientierung und als unmittelbare UmsetzerInnen einer Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung darstellt. Die Vermeidung von Verschwendung in den täglichen Arbeitsprozessen und die Umsetzung kontinuierlicher Verbesserungsmaßnahmen geschehen dabei vor dem Hintergrund einer nach diesen Prinzipien ausgerichteten grundlegenden Geisteshaltung bei den MitarbeiterInnen. Lean Human Resources beschreibt weiters die Organisationseinheit HR, welche selbst Lean organisiert ist und sich durch hoch-qualitative, effiziente HR-Prozesse auszeichnet. Dabei sind verschiedene Modelle zur Umsetzung der HR-Arbeit zu evaluieren und die Organisationseinheit HR entsprechend auszurichten. Auf Basis dieser Grundlagen ist es der Organisationseinheit HR möglich, Maßnahmen und Handlungsweisen bei der Einführung von Lean oder der Aufrechterhaltung einer Lean-Unternehmenskultur zu setzen. Dabei hat sich HR zu einer umfassenden und ausbalancierten Business PartnerIn-Rolle hinzuentwickeln. Durch die Reduzierung von Hierarchieebenen und einer Verschlankung der Organisationsstruktur innerhalb von Lean müssen neue motivierende Anreize in Form alternativer Karrieremodelle und monetärer Incentivierungen geschaffen werden. Dabei sind verstärkt verschiedenen Formen von Projekt- bzw. ExpertInnenlaufbahnen zu etablieren. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind bei einer Lean-Einführung an die in dem Unternehmen zur Anwendung gelangenden Lean-Prinzipien anzupassen bzw. auszurichten. xiv Der gemeinsame Nenner, der letztlich alle in dieser Master Thesis angeführten Maßnahmen und Handlungsweisen zusammenführt, ist die Zielsetzung der Steigerung von Effizienz und Effektivität von Arbeitsprozessen, MitarbeiterInnen und Unternehmen. Dies geschieht aber nicht in einmaliger Form, sondern als kontinuierlicher Prozess der Verbesserung. Dieser Aspekt der langfristigen Ausrichtung führt zu einem Automatismus in lösungsorientiertem Denken und zu einer grundlegenden Geisteshaltung der ständigen Verbesserung bei allen Beschäftigten eines Unternehmens. Dies stellt eine Grundvoraussetzung für rasches, flexibles Handeln in einer dynamischen, global vernetzten Wirtschaftswelt dar. xv 1 Einleitung 1.1 Hinführung zum Thema „HR-Verantwortliche wissen bereits seit längerem wohin die HR-Reise geht: Ziel ist, exzellente Services und Beiträge zum Unternehmenserfolg zu liefern. Die Partnerschaft mit der Geschäftsführung bedeutet, als relevanter Akteur für die Strategieumsetzung aufzutreten und entsprechende Verantwortung zu übernehmen.“ Diese Zeilen stammen aus dem Vorwort der Studie „HR-Benchmark 2011“1, welche zum 3. Mal von der Deloitte Consulting GmbH in Wien unter 174 österreichischen Unternehmen durchgeführt wurde und beschreiben ein anspruchsvolles und sich veränderndes Rollenbild von Human Resources. Holtbrügge2 beschreibt in diesem Zusammenhang, dass sich auch die Anforderungen an PersonalmanagerInnen im Wandel von eher harten zu eher weichen Anforderungsmerkmalen befinden. Standen in der Vergangenheit vor allem arbeits- und sozialrechtliche Aspekte im Vordergrund, sind z.B. nun viel stärker Kenntnisse der Organisationssoziologie und –psychologie erforderlich. Nachhaltigen, langfristigen Unternehmenserfolg und Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen, ist in einer Zeit der globalisierten Wirtschaft mit immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen und fast ständigem Innovationsdruck gegenüber den MitbewerberInnen und den mobilen, elektronisch immer stärker vernetzten KonsumentInnen zunehmend herausfordernder geworden. Dahm/Haindl3 weisen darauf hin, dass eine Differenzierung von der Konkurrenz für Unternehmen zunehmend schwieriger wird, da sich durch die Globalisierung immer mehr AkteurInnen in den verschiedenen Märkten gegenüberstehen. Sie betonen auch, dass viele Rationalisierungspotenziale ausgeschöpft sind und große Produktivitätssprünge durch technischen Fortschritt nicht zu erwarten sind. Qualität 1 Vgl. Schmidt et al. 2011: 3 Vgl. Holtbrügge 2010: 55 3 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 21 f. 2 1 allein reicht nicht, es ist vielmehr die genaue Kenntnis über die wahren KundInnenbedürfnisse erforderlich. Dahm/Haindl sprechen in diesem Zusammenhang gar von einer neuen Hochkultur der Effizienz, in welcher die Unternehmen täglich um Marktanteile und Gewinnmaximierung kämpfen müssen.4 Vor diesem Hintergrund zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ergeben sich auch für Human Resources neue Herausforderungen, ihren Anteil zu Effizienzsteigerungen zu leisten, um wie in der Aussage zu Beginn dieses Kapitels beschrieben, exzellente Services und Beiträge zum Unternehmenserfolg zu liefern. Der Einsatz von Ressourcen zur Positionierung eines Unternehmens und Schaffung von Wettbewerbsfähigkeit ist auch ein Thema des strategischen Managements. Das strategische Management stellt eine spezifische Denkweise dar, die sich mit der Unternehmensentwicklung auseinandersetzt. Das strategische Management hat seine Ursprünge in den US-amerikanischen Business Schools zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Grundvorstellung dabei bildet die Annahme einer geplanten Unternehmensevolution und dabei werden alle für die Entwicklung des Unternehmens als wichtig erachteten Themen aufgegriffen. Müller-Stewens und Lechner betonen dabei das Aufgreifen von intendierten und emergenten Initiativen und einen Ressourceneinsatz, welcher zu einer einzigartigen Positionierung und nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen verhilft.5 Ein Managementansatz zur Steigerung der Effektivität und Effizienz wurde unter dem Begriff „Lean“ bzw. „Lean Production“ bekannt. Dieser Ansatz der „schlanken Produktion“, bei dem Toyota nach dem 2. Weltkrieg Pionierarbeit geleistet hat, beschreibt immer mehr mit immer weniger zu produzieren.6 4 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 22 Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 21 6 Vgl. Womack/Jones 2004: 15 5 2 Der Begriff „Lean Production“, der die Herangehensweise von Toyota beschreibt, wurde vom amerikanischen Fabrikspezialisten John Krafcik geprägt. Krafcik war Mitglied des Teams unter der Leitung von Daniel Roos, Daniel T. Jones und James P. Womack, welche seit 1985 im Rahmen einer fünfjährigen weltweiten Studie mit dem Titel „International Motor Vehicle Program“ des Massachusetts Institute of Technology (MIT) forschten. Kern der Forschung innerhalb der Automobilindustrie war der Vergleich zwischen neuen japanischen Techniken, welche als schlanke Produktion („Lean Production“) bezeichnet wurden und den älteren, westlichen Massenproduktionstechniken. Die Ergebnisse dieser Studie wurden 1990 in Buchform unter dem Titel „The machine that changed the world“ (Titel der deutschsprachigen Fassung: „Die zweite Revolution in der Autoindustrie – Konsequenzen aus der weltweiten Studie aus dem Massachusetts Institute of Technology“) publiziert.7 Womack/Jones nennen in diesem Zusammenhang 5 Schlüsselprinzipien des Lean Thinking:8 Genaue Spezifikation des Wertes durch das spezifische Produkt Identifikation des Wertstroms für jedes Produkt Flow des Wertes ohne Unterbrechungen Pull des Wertes durch den Kunden beim Produzenten Streben nach Perfektion Die Autoren beschreiben in diesem Werk die Anfänge und die Ausbreitung der schlanken Produktion sowie die Auswirkungen auf die Arbeitsweise der MitarbeiterInnen. In Bezug zu Human Resources ist es das Hauptziel der schlanken Produktion, die Verantwortung in der Hierarchie weit nach unten bis auf die MitarbeiterInnenebene zu verlagern. Dies bedeutet einerseits die Freiheit, selbständig seine eigene Tätigkeit zu überwachen, aber gleichzeitig vergrößert es die Angst bei den MitarbeiterInnen, teure Fehler zu machen. Ein weiteres Merkmal der schlanken Produktion ist die Ausweitung von beruflichen Fähigkeiten zur kreativen Anwendung innerhalb von Teams. Der hierarchische Aufstieg auf der Karriereleiter 7 8 Vgl. Womack et al. 1992: 10 ff. Vgl. Womack/Jones 2004: 16 3 mit immer mehr Verantwortung innerhalb eines Spezialbereichs bei gleichzeitig steigender Anzahl an Untergebenen steht dabei nicht im Mittelpunkt. Damit sich MitarbeiterInnen in der schlanken Produktion weiterentwickeln, werden diese kontinuierlich mit hohen Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert, damit sie das Gefühl bekommen, ihre Fähigkeiten zu verbessern und für die Breite ihres Wissens geschätzt zu werden.9 Eine weitere Definition von „Lean Production“ findet man im Gabler Wirtschaftslexikon: „Unter Lean Production versteht man den sowohl sparsamen als auch zeiteffizienten Einsatz der Produktionsfaktoren Betriebsmittel, Personal, Werkstoffe, Planung und Organisation im Rahmen aller Unternehmensaktivitäten.“10 Aus dieser Definition und den von Womack/Jones/Roos beschriebenen Auswirkungen auf die Arbeitsweisen innerhalb der schlanken Produktion lässt sich ableiten, dass es Human Resources über den Produktionsfaktor Personal möglich ist, Beiträge zur Steigerung der Effektivität und Effizienz im Kontext von LeanAktivitäten in einem Unternehmen zu liefern. Diese Master Thesis behandelt durch theoretische Ausarbeitung und empirische Befragungen, welche Zugänge es zu diesem Thema gibt und was unter Lean Human Resources verstanden wird. 1.2 Problemstellung und Relevanz des Themas In den 1980er und 1990er Jahren wurde Lean in der westlichen Automobilindustrie fast ausschließlich als Instrument zur Kostenreduktion angewendet, was gleichbedeutend mit Personalabbau gesehen wurde. Ein gesamtunternehmerischer Managementansatz, der auch die Bedeutung der MitarbeiterInnen und ihrer Fähigkeiten berücksichtigt, blieb aus. Viele Lean-Initiativen scheiterten auch frühzeitig, da diese als isolierte Projekte irgendwo innerhalb eines Unternehmens bei gleichzeitig fehlender Top-Management Unterstützung durchgeführt wurden.11 9 Vgl. Womack et al.: 1992 20f. Vgl. [Internet]: <http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/72970/lean-production-v6.html> 3. Oktober 2012 11 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 60 ff. 10 4 Die Jahrtausendwende markierte den Eintritt in die Wissensgesellschaft, in der die MitarbeiterInnen als wichtige Faktoren gesehen werden. Durch veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen (z.B. Stichwort „Platzen der New EconomyBlase“) und daraus resultierende negative konjunkturelle Aussichten - verbunden mit einer neuen Sichtweise auf die handelnden Personen - kam es zu einer Art LeanRenaissance.12 Innerhalb von Lean gerieten die Mitverantwortung der MitarbeiterInnen sowie die Personalentwicklung wieder stärker in den Fokus. Für den Erfolg einer LeanEinführung stand auch nicht mehr der Einsatz bestimmter Management-Tools, sondern die Mittelpunkt, Einführung eines umfassenden welches auf die jeweilige Lean-Management-Systems im Unternehmensphilosophie und Unternehmenskultur ausgerichtet wird.13 Womack/Jones nennen in diesem Zusammenhang ein Zeitminimum von rund 3 Jahren, um die Anfänge eines Lean organisierten Systems zu realisieren. Sie rechnen in Folge mit 2 weiteren Jahren, um die MitarbeiterInnen zu schulen, damit sich das Lean-System von selbst trägt.14 Darüber hinaus wird Lean mittlerweile in verschiedenen Wirtschaftszweigen eingesetzt, wie in nachfolgender Grafik von Dahm/Haindl dargestellt wird: Abbildung 1: Lean Management wird in verschiedenen Wirtschaftszweigen eingesetzt 15 12 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 64f. Vgl. Dahm/Haindl 2011: 65 ff. 14 Vgl. Womack/Jones 2004: 175 15 Dahm/Haindl 2011: 65 13 5 Lean und Lean Production sind auch rund 22 Jahre nach dem Erscheinen des Buches von Womack, Jones und Roos wichtige Begriff in der Unternehmenswelt, wie die beiden nachfolgenden Bespiele zeigen: ŠKODA AUTO eröffnete am 24. Juli 2012 in Mladá Boleslav, Tschechien, ein „Lean Center“, welches als Trainingszentrum für „Lean Production“ und „Lean Management“ dient. In diesem vierstöckigen Trainingskomplex liegt der Focus auf die kontinuierliche Qualifikation der Beschäftigten zur Optimierung von Fertigungsund Verwaltungsprozessen.16 Die Financial Times berichtete am 2. April 2012, dass es General Electric in seiner Haushaltsgeräte-Sparte am Produktionsstandort in Louisville, Kentucky, USA durch Anwendung von Lean Manufacturing gelungen ist, Arbeitsplätze aus bisherigen Produktionsstandorten in China und Mexico in die USA zurückzuholen.17 Jeffrey R. Immelt, CEO von General Electric, schreibt dazu im März 2012 in einem Artikel in der „Harvard Business Review“, dass Lean Manufacturing ein Element der „Human Innovation“ Strategie ist, die am Produktionsstandort in Louisville zur Steigerung der Produktivität und Effizienz angewendet wird. Dadurch ist es General Electric auch gelungen, den Produktionsstandort USA durch Schaffung neuer Arbeitsplätze zu stärken. Die 2009 begonnen Lean-Initiativen beziffert Immelt am Beispiel der Produktionslinien für Geschirrspülmaschinen: 30% Steigerung der Arbeitseffizienz, mehr als 60% Senkung der Lagerbestände, Senkung der Produktionszeit um 68% sowie Reduktion der Produktionsflächen um 80%.18 In einer Presseaussendung19 vom 6. August 2012 berichtet General Electric (GE) ausführlich über die Implementierung von Lean Manufacturing Prinzipien in den Produktionslinien für Geschirrspülmaschinen. Eine neue Kultur der kontinuierlichen Verbesserung und eine gemeinschaftlich agierende Arbeitsumgebung stellten die 16 Vgl. [Internet]: <http://www.skoda-auto.de/index.php?mitteilung=1256&e=348-15-1> 3. Oktober 2012 17 Vgl. [Internet]: <http://www.ft.com/intl/cms/s/0/25ee1d1a-7994-11e1-8fad00144feab49a.html#axzz2408ovgX8> 3. Oktober 2012 (siehe auch Scan des FT-Internetartikel im Anhang A) – übersetzt durch den Autor 18 Vgl. Immelt 2012: 43-46 – übersetzt durch den Autor 19 Vgl. [Internet]: < http://www.genewscenter.com/News/GE-s-Newest-Dishwasher-Production-LinesExemplify-Changing-Culture-and-Strategy-3aea.aspx> 3. Oktober 2012 – übersetzt durch den Autor 6 Grundlagen dar. In der Presseaussendung wird betont, dass Lean Manufacturing jeden Aspekt der Prozesse verbessert hat. Lean wird zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt, in dem Effizienz und Produktivität verbessert und die Qualität gesteigert werden. Das Gesamtinvestitionsvolumen von General Electric wird bis 2014 am Standort Louisville rund $ 800 Millionen betragen. Auch in der Finanzdienstleistungsindustrie hat Lean Einzug gehalten. In einem Interview mit Dr. Herbert Stepic, CEO der Raiffeisen Bank International AG in der Zeitschrift FORMAT vom 27. Dezember 2010 berichtet dieser über einen in Gang gesetzten Prozess der „Verschlankung“ („Lean Process“) mit dem Ziel der Reduktion von Kosten.20 Lean wird ebenso mit der Reduzierung von Komplexitäten sowie Corporate Social Responsibility (CSR) in Verbindung gebracht, wie in 2 „Schumpeter“-Kolumnen in der Zeitschrift „The Economist“ nachzulesen ist. In der Economist-Ausgabe21 (Schumpeter-Kolumne „Simplify and repeat“) vom 28. April 2012 wird auf das Buch „Repeatability“ der Autoren Chris Zook und James Allen (Consultants bei Bain & Company) Bezug genommen. Zook und Allen plädieren für eine Simplifizierung von Geschäftsmodellen nach dem Motto „vereinfachen und wiederholen“. Einen der Aspekte zur Anwendung des „Repeatability-Models“ sehen die beiden Autoren in der Anwendung eines einzigen Managementmodells auf verschiedene Geschäftszweige eines Unternehmens. Als Beispiel nennen sie die amerikanische Holding-Firma Danaher (Spezialist im Produktionsbereich), welche ihr Lean Management System, das Danaher Business System, innerhalb der letzten 10 Jahre auf alle ihre 85 Geschäftszweige angewendet hat. In der Schumpeter-Kolumne „Good business; nice beaches“ des Economist22 vom 19. Mai 2012 wird die aktuelle Bedeutung von „Nachhaltigkeit“ im Rahmen von CSR thematisiert. Bezuggenommen wird auf einen Bericht der MIT Sloan Management 20 Vgl. [Internet]: < http://www.format.at/articles/1052/525/285190_s1/herbert-stepic-chef-raiffeisenbank-international-format-interview> 3. Oktober 2012 21 Vgl. [Internet]: <http://www.economist.com/node/21553425> 3. Oktober 2012 – übersetzt durch den Autor 22 Vgl. [Internet]: <http://www.economist.com/node/21555539> 3. Oktober 2012 – übersetzt durch den Autor 7 Review in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group. Darin wird die gegenwärtige Bedeutung von Nachhaltigkeit auf 2 Gründe zurückgeführt. Einer dieser Gründe ist die Tatsache, dass ManagerInnen sich zunehmend bewusst sind, aus begrenzten Ressourcen den größtmöglichen Output generieren zu müssen. Lean Production und eine straffe Beschaffungskette passen daher sehr gut zu diesem Grund. Unilever hat dabei Lean aus der Fabrik in den Haushalt übertragen. Unilever produziert Waschmittel, die weniger Wasser beim Waschen der Wäsche verbrauchen. Sucht man in der Literatur konkret nach der Bezeichnung Lean Human Resources, so finden sich explizit nur sehr wenige Quellen, welche diesen Begriff näher charakterisieren bzw. thematisieren. Der Begriff Lean Human Resources findet sich z.B. in einem englischsprachigen Buch mit dem Titel „Lean Human Resources – Redesigning HR Processes for a Culture of Continuous Improvement“23, in welchem sich die Autorin Cheryl M. Jekiel u.a. mit nachfolgenden Themenblöcken beschäftigt:24 Verschwendung durch Nichterkennen der Fähigkeiten und Talente der MitarbeiterInnen Einbeziehung von Human Resources als Business PartnerIn Bereitstellung besserer Services für das Unternehmen durch Verbesserung der HR-Prozesse Möglichkeiten seitens Human Resources, Arbeitskulturen zu beeinflussen und zu verändern Redesign der Rollen der MitarbeiterInnen, um bessere Resultate zu erzielen Strategien zur Angleichung von Human Resources Prozessen an eine nach Lean ausgerichtete Unternehmensstrategie 23 24 Vgl. Jekiel 2011: v ff. – übersetzt durch den Autor Vgl. Jekiel 2011: v ff. – zusammengefasst und übersetzt durch den Autor 8 Einen weiteren Zugang findet man unter dem Titel „HR Lean Management – Outsourcing als strategische Option für das HR Shared Service Center?“25, publiziert im Dezember 2010 von Kienbaum Management Consultants, Berlin aus der Serie „Kienbaum Diskussionsbeiträge zum Personalmanagement“. Darin beschäftigen sich die Autoren mit dem Thema der Auslagerung von Personalprozessen am Beispiel von Kooperationen mit externen Dienstleistungsunternehmen und internen Service Centern. Aus den vorangegangenen Absätzen ergibt sich auch zwangsläufig die Fragestellung nach der Rolle von Human Resources in einem Unternehmen, die Art der organisatorischen Einbettung in die Aufbauorganisation, sowie die konkrete Organisation von HR selbst in Bezug zu Lean-Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens. 1.3 Ziel dieser Master Thesis und Forschungsfrage Da der Lean-Begriff sich über die vielen Jahre seit seinem erstmaligen „Erscheinen“ sukzessive weiterentwickelt hat, dazu Unterschiede in der Definition bzw. dem Verständnis von Lean bestehen, sowie Unterschiede in Bezug zu Unternehmenskulturen, Ländern sowie weiteren Merkmalen existieren und ebenso die Aufgaben und das Rollenbild von Human Resources einem ständigen Wandel unterliegen, werden in dieser Arbeit die verschiedenen Ausprägungen von Lean Human Resources in Theorie und Praxis herausgearbeitet. Die Ausführungen in Kapitel 1.2 lassen ebenso den Schluss zu, dass einerseits Lean, im Speziellen aber Lean Human Resources auch oftmals nicht explizit in diesen Begrifflichkeiten auftreten, sondern als Prinzipien und Attribute beschrieben werden, die auf Lean oder Lean Human Resources hinweisen. Ziel dieser Master Thesis ist, über eine Literaturanalyse ein theoretisches Bild bzw. eine theoretische Annäherung zu Lean Human Resources gemäß der formulierten Forschungsfrage zu erarbeiten und mittels der Empirie der in Unternehmen praktisch zur 25 Anwendung gelangenden Herangehensweise gegenüberzustellen. Ein Vgl. Bruhn/Hölzle 2010: 1 ff. 9 besonderes Augenmerk wird auf das Herausarbeiten von Lean bzw. Lean Human Resources Attributen im Kontext der Forschungsfrage gelegt, um herauszufinden, in welchen Formen und Ausprägungen Lean Human Resources auftreten kann, selbst wenn dieser Begriff nicht ausdrücklich verwendet bzw. angewendet wird. Um in der Forschungsfrage einen Bezug zur betrieblichen Praxis herstellen und eine entsprechende inhaltliche Einschränkung bei der Formulierung vornehmen zu können, wurden 3 Top-Prioritäten aus dem Executive Summary der Studie „HRBenchmark 2011“ ausgewählt, die Human Resources in den untersuchten österreichischen Unternehmen innerhalb der Studie beschäftigen:26 „Die strategische Einbindung von HR (Human Resources) in die Gestaltung des Gesamtunternehmens ist auf der Prioritätenliste für PersonalistInnen weiterhin ganz oben. In dieser neuen Rolle kann HR die Unternehmensplanung mitgestalten, aber nun auch wesentlich besser verstehen. Die Ausrichtung der HR-Leistungen an umzusetzenden Geschäftsaktivitäten wird erst möglich, wenn die Stoßrichtungen bekannt sind.“ „Die Führungskräfteentwicklung und die Organisationsentwicklung sind – wie schon die Jahre zuvor – jene HR-Themen, die von PersonalistInnen als höchste Priorität eingestuft werden.“ „Die Arbeit an den HR-Prozessen steht ganz weit oben auf der Agenda von Österreichs PersonalistInnen. Viele HR-LeiterInnen arbeiten bereits aktiv am Management ihrer Prozesse, andere überlegen aktuelle diesbezügliche Weiterentwicklungen. Die Bereitstellung stabiler und effizienter HR-Prozesse, die aufeinander abgestimmt und im Idealfall IT-gestützt sind, wird zur unverzichtbaren Basis jeder Personalabteilung.“ In Anlehnung an diese 3 Prioritäten wurde nachfolgende Forschungsfrage formuliert. Zentrale Forschungsfrage: Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean Human Resources und welche Auswirkungen hat konkret die Einführung von Lean auf die Position sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources sowie im Besonderen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie Karrieremanagement? 26 Schmidt et al. 2011: 4 f. 10 Die Operationalisierung der zentralen Forschungsfrage führt zu den folgenden Subfragen, welche gleichzeitig die Basis für die offenen Fragen im LeitfadenInterview (siehe Anhang B) bilden: Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean? Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean Human Resources? Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines Unternehmens? Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines Unternehmens? Welche Auswirkungen hat Personalentwicklungsmaßnahmen die Einführung Aus- von und Lean auf Weiterbildung die sowie Karrieremanagement? Die Ergebnisse dieser Master Thesis sollen Einblick in das gegenwärtige Verständnis von Lean Human Resources in der Theorie und in der betrieblichen Praxis gewähren, die verschiedene Zugänge zu dieser Thematik beschreiben und einige Handlungsempfehlungen für Unternehmen, welche im Kontext der Forschungsfrage Aktivitäten setzen sind, aufzeigen. 1.4 Aufbau der Arbeit und Forschungsablauf Der Aufbau dieser empirischen Arbeit erfolgt in Anlehnung an das Modell zum Ablaufplan einer empirischen Arbeit nach Spindler, Steger.27 Im 1. Kapitel „Einleitung“ erfolgt eine Hinführung zum Thema, die Ausführung der Problemstellung und Relevanz des Themas sowie das Ziel dieser Master Thesis und die Angabe der Forschungsfrage und der operationalisierten Sub-Fragen. In weiterer Folge werden der Aufbau dieser Arbeit und der Forschungsablauf beschrieben. 27 Spindler/Steger 2010: 44 11 Das 2. Kapitel „Theoretischer Teil“ beschäftigt sich mit der theoretischen Fundierung der Forschungsfrage und Sub-Fragen. Durch die Gewinnung von Textmaterial hauptsächlich aus der Lean- und Human Resources-Literatur erfolgt eine theoretische Positionierung bzw. Annäherung an die Forschungsfrage. Zu Beginn des Kapitels erfolgt die Erklärung der Begriffe Human Resources und Lean im Kontext dieser Arbeit. Danach folgen grundsätzliche Überlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von Effizienz und Effektivität. Im Kapitel 2.5 erfolgt eine theoretische Annäherung zu Lean Human Resources durch eine Literaturanalyse von relevanten Werken in Bezug zu Lean sowie eine Analyse von HR-Literatur, um Bezüge sowie Hinweise zu Lean sowie Lean Human Resources zu identifizieren. Zum Abschluss von Kapitel 2 erfolgen eine Zusammenfassung der Theorie, die Teilbeantwortung der Forschungsfrage aus theoretischer Sicht sowie eine Überleitung zum empirischen Teil. Kapitel 3 „Empirischer Teil“ beschreibt zuerst die Vorgehensweise bei der Methodenauswahl Untersuchung für wurde die die empirische qualitative Untersuchung. Methode des Für die empirische teilstrukturierten, nicht standardisierten Leitfadeninterviews mit offenen Fragen gewählt. Nach der Auswertung und Darstellung der Ergebnisse erfolgt eine empirisch-analytische Zusammenfassung und Teilbeantwortung der Forschungsfrage aus empirischer Sicht. Im Kapitel 4 „Zusammenfassung der Ergebnisse aus Theorie und Empirie“ erfolgt zuerst die Zusammenführung von Theorie und Empirie und in weiterer Folge die Beantwortung der Forschungsfrage. Abschließende Schlussfolgerungen leiten zu den Auswirkungen auf die betriebliche Praxis über. 2 Theoretischer Teil 2.1 Die englischen Begriffe Lean und Human Resources im deutschsprachigen Kontext dieser Master Thesis Da diese Master Thesis einen englischsprachigen Titel trägt, soll zu Beginn dessen englischsprachliche Herkunft in der deutschsprachigen Übersetzung dargelegt und die konkrete Bedeutung in Bezug auf diese Arbeit hergestellt werden, bevor ab 12 Kapitel 2.2 die inhaltliche Definition von Lean und Human Resources im Kontext dieser Arbeit eingehender erfolgt. Schlägt man im Langenscheidt Studienwörterbuch Englisch unter „Lean“ nach, finden sich mehrere Gruppen von Einträgen zur entsprechenden deutschsprachigen Übersetzung. Die erste angegebene Übersetzung für das Adjektiv „lean“ lautet: mager, schmal, hager sowie schlank. In Kombination mit einem Subjekt findet sich dort u.a. die Bezeichnung „Lean Production“, welche mit schlanker Produktion übersetzt wird.28 Im Kontext dieser Master Thesis steht die englische Bezeichnung „Lean“ sowohl in seiner Verwendung als Adjektiv, als auch als Kombination mit einem Subjekt für den Begriff „schlank“. Unter dem Eintrag „Human Resources“ findet sich die deutschsprachige Übersetzung „Arbeitskräftepotenzial“.29 Der Begriff „Human Resources“ steht im Kontext dieser Master Thesis für die Organisationseinheit Personalwesen, also die Personalabteilung selbst, sowie ihrer Rolle, Aktivitäten und Aufgaben. Die englischsprachige Bezeichnung „Human Resources“ kommt in dieser begrifflichen Bedeutung in der betrieblichen Praxis immer häufiger zur Anwendung. Dies ist möglicherweise auf die zunehmende Internationalisierung von Unternehmen und den in diesem Zusammenhang stärker werdenden Gebrauch von angloamerikanisch geprägten Bezeichnungen in der globalisierten Wirtschaft zurückzuführen (siehe zum Vergleich auch Kapitel 2.2.4, wo der typische Weg von aus den USA kommenden HRM-Trends bzw. HRM- Innovationen und deren weltweiter Verbreitung beschrieben wird). Die Wortkombination „Lean Human Resources“, welche den Titel dieser Arbeit darstellt, ist Forschungsgegenstand dieser Master Thesis und wird theoretisch und empirisch im Kontext der Forschungsfrage erarbeitet. 28 29 Vgl. Langenscheidt Redaktion 2005: 359 Vgl. Langenscheidt Redaktion 2005: 306 13 2.2 Grundlagen: Human Resources im Kontext der Forschungsfrage Nach Wunderer/Dick30 kann die Rolle von PersonalmanagerInnen in 2 Dimensionen dargestellt werden: Hierarchische Dimension Funktionale Dimension (Beitrag zur Zielerreichung oder Aufgabenerfüllung) 2.2.1 Positionierung der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines Unternehmens Holtbrügge beschreibt nachfolgende Möglichkeiten der hierarchischen Positionierung der Personalabteilung in einem Unternehmen:31 „Der Leiter der Personalabteilung ist Mitglied der Unternehmensleitung (Personalvorstand). Die Personalleitung untersteht dem Vorsitzenden der Unternehmungsleitung. Die Personalleitung untersteht einem Mitglied der Unternehmungsleitung. Die Personalleitung untersteht der Unternehmungsleitung als Ganzes. Die Personalleitung untersteht einer Instanz unterhalb der Unternehmungsleitung.“ Als einen von mehreren Einflussfaktoren hinsichtlich der Positionierung nennt Holtbrügge die Einstellung des Top-Managements zum Stellenwert der Humanressourcen und betont gleichzeitig, dass sich die zunehmende Bedeutung von Human Resources Personalleitung ausdrückt. in einer höheren hierarchischen Einordnung der 32 Jung33 weist in ähnlicher Form darauf hin, dass die organisatorische Einbettung sowie die Stellung von Human Resources innerhalb eines Unternehmens davon abhängig ist, welche Bedeutung dem Personalmanagement beigemessen wird. Auch die Sichtweise, dass Personal (die MitarbeiterInnen) ein Erfolgsfaktor für das Unternehmen darstellt, hat zu einer Veränderung der Aufgaben von rein administrativen hin zu gestaltenden Funktionen für die Personalabteilung geführt mit der Folge einer entsprechenden hierarchischen Positionierung. 30 Vgl. Wunderer/Dick 2006: 226 f. Holtbrügge 2010: 58 32 Vgl. Holtbrügge 2010: 58 33 Vgl. Jung 2006: 29 31 14 Jung führt in weiterer Folge aus, dass die organisatorische Einordnung innerhalb der Aufbauorganisation u.a. von der Größe und Struktur des Unternehmens abhängig ist. Er betont, dass Human Resources aber in jedem Fall als zentralisierte Funktionseinheit einen hierarchisch hohen Rang einnehmen sollte. Entsprechend der jeweiligen Struktur kann Human Resources innerhalb einer Linien-, Sparten-, oder Matrixorganisation eingebettet sein.34 Der von Kienbaum Consultants International publizierte HR-Klima Index 2012, für den 418 Personalverantwortliche in Deutschland, Schweiz und Österreich (88 Personalverantwortliche) Personalleitung bei befragt 26% wurden, der zeigt, österreichischen dass in Österreich Unternehmen auf die Ebene Vorstand/Geschäftsführung, bei 68% auf der 1. Ebene darunter und bei 6% auf der 2. Ebene darunter angesiedelt ist.35 2.2.2 Rollenbilder der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines Unternehmens Die funktionale Dimension kann z.B. hinsichtlich des Rollenmodells nach Dave Ulrich dargestellt werden. Irion/Schmidt-Schröder36 beschreiben die mit einer HR-Strategie verbundenen Rollenbilder des Personalmanagements als Ausgangspunkt für PerformanceMessung anhand der von Dave Ulrich entwickelten Rollen. Sie erläutern weiter, dass Dave Ulrich Mitte der 90er Jahre die Rolle des Personalmanagements umschrieb, indem er zwischen strategischem und operativem Fokus einerseits und System- und Personenorientierung anderseits unterschied (siehe Abbildung 2). Daraus leitete er allgemeine Rollen des Personalmanagements ab (siehe Spalte „Metaphor“ in Abbildung 3): Strategic Partner / Change Agent / Administrative Expert / Employee Champion 34 Vgl. Jung 2006: 30 ff. Vgl. Kirch/Prinz 2012: 4 36 Vgl. Irion/Schmidt-Schröder 2006: 31 35 15 Die Nummerierung in Abbildung 2 stellt einen Bezug zu der Nummerierung in Abbildung 3 her und wurde vom Autor ergänzt. 1 4 2 3 Abbildung 2: HR Roles in Building a Competitive Organization 37 1 2 3 4 Abbildung 3: Definition of HR Roles 38 In einer deutschsprachigen Übersetzung der 4 Rollen werden diese von Wunderer/Dick wie folgt wiedergegeben:39 „Strategischer Partner der Geschäftsleitung Administrativer Experte Mitarbeiter-Helfer Change Agent“ 37 Ulrich 1997: 24 Ulrich 1997: 25 39 Wunderer/Dick 2006: 227 38 16 Wunderer/Dick charakterisieren auf Basis dieses Modells die 4 Rollen in nachfolgender Abbildung:40 Abbildung 4: Die Rollen von PersonalmanagerInnen 41 Ulrich weist in seinem Buch 1997 darauf hin, dass HR ProfessionistInnen oftmals in der Rolle „Business Partner“ beschrieben werden, diese Bezeichnung aber nicht umfassend, sondern nur sehr eng mit der Charakterisierung als „Strategic Partner“ assoziiert wird. Ulrich schlägt daher ein dynamischeres und umfassenderes Konzept zur Beschreibung des „Business Partners“ vor, welche sich durch die gleichzeitige Ausübung aller 4 Rollen seines Modells kennzeichnet (siehe Abbildung 5). Abbildung 5: HR Business PartnerIn Modell nach Dave Ulrich 42 – eigene Darstellung 40 Wunderer/Dick 2006: 227 Wunderer/Dick 2006: 227 42 Vgl. Ulrich 1997: 37 41 17 Ulrich betont, dass jede einzelne der 4 Rollen wichtiger Bestandteil des umfassenden Business PartnerIn Rollenbildes ist. Die Rollen sollen auch gleichberechtigt betrachtet werden. Der/die HR Business PartnerIn leistet einen wichtigen Unternehmensbeitrag durch die Strategieumsetzung, administrative Effizienz, einer Verpflichtung gegenüber den MitarbeiterInnen sowie durch Wandel der Unternehmenskultur.43 Ulrich/Brockbank44 entwickelten 2005 den Ansatz auf 5 generelle Rollen weiter: Employee Advocate / Functional Expert / Human Capital Developer / Strategic Leader / HR Leader Diese 5 Rollenbilder fokussieren auf den Wertschöpfungsbeitrag von HR. Sie lassen sich auf die Rollen von 1997 zurückführen (siehe Abbildung 6).45 Abbildung 6: Comparison of HR Roles in the Ulrich and Brockbank (2005b) model and the Ulrich (1997) model 46 43 Vgl. Ulrich 1997: 38 – teilweise übersetzt durch den Autor Vgl. Irion/Schmidt-Schröder 2006: 31 45 Vgl. Torrington/Hall/Taylor 2008: 784 – übersetzt durch den Autor 46 Torrington/Hall/Taylor 2008: 784 44 18 Irion/Schmidt-Schröder47 weisen darauf hin, dass beide Modelle (aus 1997 und 2005) die Rolle des Personalmanagements sowohl hinsichtlich ihrer Steuerungs- als auch Supportfunktion hervorheben (= strategische vs. operative Ausrichtung). Das in der Vergangenheit häufig negativ betrachtete Personalmanagement resultierte in einer zu starken Systemorientierung mit operativem Fokus. Das moderne Bild des Personalmanagements geht mittlerweile über die Personaladministration hinaus. Die Gestaltung der Unternehmenskultur und die Personalentwicklung verbunden mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens sind neue Themen, welche durch das Personalmanagement u.a. durch Coaching- und Change-Management-Maßnahmen begleitet werden. Das Business PartnerIn-Modell wird auch in Umfragen eingebaut. Der von Kienbaum Consultants International Personalverantwortliche publizierte in HR-Klima Deutschland, Index Schweiz 2012, und für den 418 Österreich (88 Personalverantwortliche) befragt wurden, zeigt, dass in Österreich Human Resources von 51% der befragten Personen als „Business PartnerIn“ gesehen (stark bis sehr stark) wird. 46% sehen diese Rolle als wenig bis weniger stark. Hinsichtlich der Präsenz von Human Resources in strategischen Projekten bzw. Initiativen weisen die österreichischen HR-Abteilungen einen etwas geringeren Mitwirkungsgrad auf (so sind zum Vergleich die Schweizer Personalbereiche zu über einem Drittel stark eingebunden).48 2.2.3 Modelle zur Umsetzung der HR-Arbeit Ausgehend von den Arbeiten von Dave Ulrich hat sich ein 3-Säulen-Modell der HRFunktion für die Umsetzung von HR-Arbeit herausgebildet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass vor allem in größeren Unternehmen dieses 3-Säulen-Modell (siehe Abbildung 7) das integrierte HR-Modell abgelöst hat, wonach bisher alle Rollen von HR selbst durchgeführt wurden.49 47 Vgl. Irion/Schmidt-Schröder 2006: 31 Vgl. Kirch/Prinz 2012: 4 49 Vgl. Torrington/Hall/Taylor 2008: 785 f. – übersetzt durch den Autor 48 19 Strategic/ business roles •working with senior managers and business leaders on business issues, strategic organisational change and design Shared service centers, outsourcing contractors, and HR intranet support • all focusing on administrative and routine issues Centers of HR expertise • providing specialist support to the service centres, providing expert advice and being involved in the design of HR policy and activities Abbildung 7: 3-Säulen-Modell/Three-legged HR structure – eigene Darstellung 50 Kienbaum Consulting51 gibt an, dass ihre Studien belegen, dass sich das 3-SäulenModell in der Praxis bereits weitgehend durchgesetzt hat. Sie beschreiben die Aufgaben innerhalb der 3 Säulen nachfolgend: HR Business PartnerIn: Beratung und Unterstützung der Führungskräfte Center of Competence/Center of Expertise: Entwicklung und Steuerung moderner Personalprozesse und –instrumente Shared Service Centers: Effiziente Abwicklung von HR Basisprozessen (z.B. Abrechnung) und Bearbeitung von Standard-MitarbeiterInnenfragen. Capgemini skizziert dazu ein mögliches HR Service Modell für die Praxis: Abbildung 8: HR Service Delivery-Modell – „Trias plus Technologie“ 52 50 Torrington/Hall/Taylor 2008: 786 Vgl. [Internet]: <http://www.kienbaum.de/desktopdefault.aspx/tabid-409/550_read-1185/> 3. Oktober 2012 52 Kern/Köbele 2011: 14 51 20 Capgemini beschreibt in ihrer „Studie HR Business Partner“ die Rollen ihres Modells wie folgt:53 Zu Abbildung 8/Nr.1: „Kostenoptimierte und qualitätsgesicherte Bereitstellung von transaktionsorientierten HR-Dienstleistungen, am besten durch standardisierte, automatisierte und zentralisierte Shared Service Center (SSC). Diese Dimension stellt derzeit eine gewaltige Gestaltungsaufgabe für viele Unternehmen dar. Sie wird aber in dieser Analyse nicht weiter vertieft, obwohl hier die Technologisierung von HR übrigens oft einen richtigen Quantensprung bedeutet.“ Zu Abbildung 8/Nr. 2: „Übersetzung von Business-Problemen in HR-Lösungen bzw. von HRHerausforderungen in Business-Ergebnisse durch ‚Kundenbetreuer’ oder – wie inzwischen weithin geläufig – (Human Resources) Business Partner. Diese Dimension steht im Zentrum dieser Studie und der folgenden Darstellungen. Dabei geht das Konzept des Business Partner weit über das traditionelle des Personalreferenten hinaus.“ Zu Abbildung 8/Nr. 3: „Effiziente und kompetente Beantwortung von Spezialfragen und Lösung von kaum skalierbaren Problemstellungen aus dem breiten Set von HR Expertenthemen, oft mit Richtliniencharakter wie etwa Arbeitsrecht, Compensation & Benefits oder Gesundheitsmanagement durch kleinformatige Centers of Expertise (CoE) bzw. Centers of Competence (CoC). Hier werden ‚Strategies’ entwickelt, ‚Policies’ gestaltet und die Grenzziehung zu ‚Operations’ und ‚Politics’ in der tagtäglichen Mikropolitik des Unternehmens getestet. Dieses spannende Themenfeld bleibt in dieser Studie ebenfalls außen vor.“ Zu Abbildung 8/Nr. 4: „Zudem werden dem Mitarbeiter bzw. der Führungskraft – gewissermaßen als Vorfilter für einfache Fragestellungen und vermeintliche Serviceangebote – Employee Self Service (ESS), Managers Self Service (MSS) mit Intranet- und Internet-Anwendungen sowie Kiosk-Lösungen bei fehlender flächendeckender ITVernetzung angeboten.“ 2.2.4 Komparatives HRM und die HRM Organisation Brewster/Mayrhofer weisen darauf hin, das Human Resource Management (als Studienobjekt in den USA Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre entdeckt mit der Betonung einer HR-Rolle, die über Personaladministration hinausgeht), wie es in 53 Claßen/Kern 2006: 9 21 der Praxis umgesetzt wird, von Kontext zu Kontext variiert. Kontexte sind z.B. das jeweilige Land, in dem HRM durchgeführt wird und die Art und Weise, wie HRM in seiner jeweiligen Bedeutung und seinem Zweck umgesetzt wird. HRM-Trends und Innovationen haben meist folgende Weg: Von den USA ausgehend, über Großbritannien, über die BENELUX-Länder nach Deutschland, Frankreich und danach weiter nach Südeuropa; und danach zum Rest der Welt. Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass HRM mit amerikanischer Prägung letztlich in jedem Land unterschiedlich zur Anwendung gelangt. Komparatives HRM als Forschungsfeld beschäftigt sich damit, die Unterschiede in den Kontexten in den verschiedenen Ländern (inklusive dem Grad der Veränderung über die Zeit) zu verstehen und zu erklären. Ein besonderer Fokus in der Forschung liegt vor dem Hintergrund der Globalisierung auf der sich abzeichnenden weltweiten Harmonisierung von HRM und in wie weit dabei die Länder ihre jeweilige unverwechselbare, nationale HRMPrägung beibehalten.54 Komparatives HRM beschäftigt sich mit HRM-Forschung vor dem Hintergrund nationaler, kultureller und regionaler Unterschiede.55 Brewster/Mayrhofer betonen, dass es nur eine geringe Übereinstimmung hinsichtlich der Wortbedeutung HRM gibt, sich aber 2 Kategorien unterscheiden lassen:56 HRM als Objekt: Diese Definition umfasst alle Prozesse einer Organisation zur Sicherstellung des Einsatzes von Arbeitskräften für den Geschäftsablauf. Dazu gehören die traditionellen Themen des Personalmanagements wie z.B. Personalplanung, -training, -entwicklung, etc. sowie Untervergabe von Arbeitsleistungen an Externe, weiters Outsourcing und alle Formen von HRArrangements, wenn MitarbeiterInnen nicht fix angestellt sind. HRM als Beitrag zur Organisations-(Geschäfts-)Effizienz. Diese Definition wird auch als strategisches HRM bezeichnet und beschäftigt sich hauptsächlich mit den Aktivitäten des Managements und jenen Praktiken, die das Management übernehmen kann, um Effektivität und Effizienz zu steigern. 54 Vgl. Brewster/Mayrhofer 2012: 1 f. – übersetzt durch den Autor Vgl. Brewster/Mayrhofer 2012: 5 – übersetzt durch den Autor 56 Vgl. Brewster/Mayrhofer 2012: 3 f. – übersetzt durch den Autor 55 22 Die Autoren betonen, dass auch diese Definitionen von Forschern unterschiedlich betrachtet werden können. Die Gründe dafür sind: Unterschiede in ihrem institutionellen und kulturellen Kontext, unterschiedliche historische Vorgeschichten in Bezug auf die Forschungsziele, unterschiedlicher Erklärungsbedarf hinsichtlich praktischer Probleme. Brandl et al. weisen darauf hin, dass HRM nicht eindeutig einer speziellen Person oder Einheit innerhalb einer Organisation zugeordnet werden kann. Stattdessen umfasst die HRM-Arbeit HRM-SpezialistInnen, Linienverantwortliche und das Top Management.57 Brandl et al. differenzieren zwischen 3 Formen, wie HRM organisiert werden kann: NeoKlassische HRM Organisation Klassische HRM Organisation Moderne HRM Organisation Formen von HRM Abbildung 9: Optionen für die HRM Organisation – nach Brandl et al. – eigene Darstellung 58 Brandl et al. charakterisieren diese Formen wie folgt:59 Klassische HRM Organisation: Hoher Standardisierungsgrad der HRMTätigkeiten; Hauptverantwortung ist die Administration der HRM-Prozesse. Die HRM-Aufgaben sind „UmsetzerInnen“ zentralisiert der und Vorgaben die der Linienverantwortlichen HRM-Abteilung. sind Die Linienverantwortlichen benötigen in diesem Modell nur geringe HRMFähigkeiten. Der Austausch von HRM-MitarbeiterInnen sowie die Externalisierung von HRM-Tätigkeiten sind sehr einfach. Dies reicht von der Schaffung von „Centers of Expertise“ bis hin zum Outsourcing sämtlicher 57 Vgl. Brandl et al. 2012: 239 – übersetzt durch den Autor Vgl. Brandl et al. 2012 : 240 ff. – übersetzt durch den Autor 59 Vgl. Brandl et al. 2012: 240 ff. – übersetzt durch den Autor 58 23 HRM-Tätigkeiten. Die Autoren weisen darauf hin, dass empirische Studien belegen, dass dieses Modell das am häufigsten in der Praxis angewendete ist. Neo-Klassische HRM Organisation: Verhaltensorientierter Zugang zur Organisation mit starkem Abhängigkeitsverhältnis zwischen HRM-Abteilung und Linienverantwortlichen. HRM-Abteilung unterstützt Linienverantwortliche bei der Umsetzung der HRM-Aufgaben und gleichzeitig benötigt HRMAbteilung Feedback seitens des Managements zur Entwicklung umsetzbarer Lösungen. Fähigkeiten der HRM-MitarbeiterInnen werden jenen der Linienverantwortlichen ähnlicher und umgekehrt. HRM-Abteilung entwickelt Business-Kompetenz während gleichzeitig die Linienverantwortlichen HRMKompetenzen entwickeln. Durch diesen höheren Fähigkeiten-Level wird es zunehmend schwieriger, HRM-Aufgaben und –MitarbeiterInnen auszutauschen. Moderne HRM Organisation: HRM-Arbeit ist eine Aufgabe von allen ManagerInnen und sogar allen Organisations-Mitgliedern, da diese Form von HRM mit hoch komplexen, dynamischen Umwelten mit unkontrollierbaren Entwicklungen gekennzeichnet ist. Die HRM-Strukturen sind dezentral, flexibel, informell, nicht linear und einem Prozess der ständigen Veränderung unterworfen. HRM-Spezialisten und Linienverantwortliche teilen ihre Personalentwicklung alle Erfahrungen und haben ähnliche Fähigkeiten und Hintergründe. 2.2.5 Personalentwicklung allgemein Nach Holtbrügge60 bilden den Gegenstand der planmäßigen und zielgerichteten Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung sowie des Karrieremanagements, welche der individuellen beruflichen Entwicklung und Förderung der MitarbeiterInnen dienen und diesen unter Beachtung ihrer persönlichen Interessen und Bedürfnisse die zur Wahrnehmung ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben notwendige Qualifikation vermitteln. Bei der Anreizwirkung der Personalentwicklung unterscheidt man zwischen der Finalfunktion (= der Aktivierung und Entwicklung latent vorhandener Fähigkeiten) und der Instrumentalfunktion (für eine mögliche Beförderung). 60 Vgl. Holtbrügge 2010: 124 24 Personalentwicklung verfolgt die folgenden Ziele:61 Verbesserung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen Anpassung der Qualifikation der MitarbeiterInnen an veränderte Arbeitsanforderungen Erhöhung der Flexibilität der MitarbeiterInnen Steigerung der MitarbeiterInnenzufriedenheit und –loyalität Verbesserung des Unternehmensimage Sicherung eines qualifizierten MitarbeiterInnenstammes Befriedigung individueller Bedürfnisse und bildungspolitischer Ansprüche Mayerhofer/Michelitsch-Riedl62 weisen darauf hin, dass das Verständnis und die gesetzten Aktivitäten, die unter dem Begriff Personalentwicklung verstanden werden, ebenso der Veränderung unterliegen, wie die Rolle von Personalmanagement im Unternehmen insgesamt. Demnach lassen sich nachfolgende Phasen darstellen:63 Phase 1 Ab ca. 1950 Steuerung des Sozialsystems PE als AdministratorIn Phase 2 Ab ca. 1965 Instandhaltungs- und Reparaturbetrieb Phase 3 Ab ca. 1975 PE als LückenfüllerIn Anerkannte Servicefunktion durch strukturierte Personalentwicklung PE als DienstleisterIn Phase 4 Ab ca. 1985 Strategische Personalentwicklung PE als strategische/r MitspielerIn Phase 5 Ab ca. 1995 Integrierte PE und UE PE als InitiatorIn für soziale und kulturelle Innovation Phase 6 Ab ca. 2000 Diversität in der PE PE als FördererIn von De facto keine PE Neue Führungsstilkonzepte Psychologische Eignungstest „Entertainment without Development“ Anpassungsqualifizierung (zukünftiger) Führungskräfte Motivationsprogramme Maßgeschneiderte Serviceangebote für Abteilungen PE-Programme für PotenzialträgerInnen Schwerpunkt Führungskräfteplanung und -auswahl Personalbestandsanalysen und strategische Einbindung Human-Ressourcen als Engpassfaktor Internationalisierung Begleitung von UE-Prozessen Strategie folgt Personal und Personal folgt Strategie Qualifikationsmanagement/Wissenskapital einer Organisation als Erfolgsfaktor Breitbandqualifizierung und Bindung der Stammbelegschaft Individualisierte Karrierestrukturen und wege Zielgruppenspezifische Förderung Kompetenzmodelle und Kompetenzmanagement 61 Vgl. Holtbrügge 2010: 124 Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 407 63 Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 407 f. 62 25 Internationalisierung und High Potentials Phase 7 Ab ca. 2008/2009 PE in der Krise – Krisenbewältigung durch PE? PE als Kostenfaktor und zur Bindung von Talenten Internationalisierung großer Belegschaftsgruppen Berücksichtigung der Diversität des Personals: Alter, Generationenunterschiede, Migration, Work-Life-Balance Reaktion auf globale Finanz- und Wirtschaftskrise: o Einsparungen insbesondere im Weiterbildungsbereich o Intensiver Aufbau von Kompetenzen Identifizierung und Bindung von qualifizierten Fach- und Führungskräften mit Entwicklungspotenzial (Talent Management) Tabelle 1: Phasen der PE 64 Unabhängig von der zeitlichen Abfolge findet sich in der heutigen betrieblichen Praxis die praktische Ausgestaltung von PE in Unternehmen mit Schwerpunktsetzungen von Phase 1 bis 7.65 Mayerhofer/Michelitsch-Riedl66 betonen die Bedeutung von qualifiziertem und motiviertem Personal als zentrale unternehmerische Ressource im dynamischen Wettbewerb. Die Personalentwicklung übernimmt in diesem Zusammenhang verschiedene Rollen: planerisch, gestalterisch, informierend, beratend. Becker sieht den Begriff der Personalentwicklung weit gefasst, von der Bildung zur Förderung bis hin zur Organisationentwicklung, wie Abbildung 9 zeigt: Abbildung 10: Inhalte der Personalentwicklung 67 64 Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 407 f. Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 410 66 Vgl. Mayerhofer/Michelitsch-Riedl 2009: 462 67 Becker 2009: 5 65 26 Becker weist darauf hin, dass aufgrund der Geschwindigkeit, wie sich Unternehmen entwickeln, die Personalentwicklung durch eine entsprechende Dynamik betroffen ist. Durch die Verschiedenartigkeit und Vielfalt der PE-Umwelten muss die Personalentwicklung eine entsprechende Komplexität bewältigen. Diese Faktoren bewirkten, dass neue systematische Förderungsinstrumente (wie z.B. strukturierte MitarbeiterInnen-Gespräche, Nachfolge- und Karriereplanung, etc.) hinzugekommen sind. Diese Ausweitung basiert auf der Tatsache, dass durch Rationalisierungen und Produktinnovationen hoch qualifizierte und motivierte MitarbeiterInnen erforderlich sind, die Schlüsselpositionen einnehmen. Durch „Lean“ getrimmte knappe Personalressourcen wird jeder/jede MitarbeiterIn zum „Unikat“. Eine entsprechende systematische Förderung sorgt für ein entsprechend zur Verfügung stehendes Humanvermögen.68 2.2.6 Personalentwicklung am Beispiel der Aus- und Weiterbildung Aus- und Weiterbildung ist dann erforderlich, wenn es gilt, Unterschiede zwischen den Arbeitsanforderungen und dem Eignungsprofil der MitarbeiterInnen auszugleichen. Inhaltlich wird dabei zwischen der Vermittlung von Fachwissen (knowledge), Erweiterung von Fähigkeiten (skills) sowie der Bildung neuer Einstellungen (attitudes) unterschieden. Dabei hat die Bildung von neuen Einstellungen den langfristigen Horizont im Auge, da jene tief in der Persönlichkeit der MitarbeiterInnen verankert sind.69 Für die Vermittlung bzw. Umsetzung entsprechender Maßnahmen stehen dafür nachfolgende Möglichkeiten zur Verfügung: Abbildung 11: Konzepte der Personalentwicklung 70 68 Vgl. Becker 2009: 14 f. Vgl. Holtbrügge 2010: 126 f. 70 Thom/Zaugg 2007: 14 69 27 Thom/Zaugg71 sehen die Entwicklung weg von einer ressourcenorientierten hin zu einer kompetenzorientierten Unternehmensführung mit primärer Ausrichtung auf das intellektuelle Kapital. Daraus ergeben sich u.a. folgende Konsequenzen für die Personalentwicklung: Vorgesetzte werden zu Coaches der MitarbeiterInnen Steigende Bedeutung von effektiven Lernformen und on the Job-Maßnahmen Dies geschieht z.B. durch E-Learning, Counselling (Beratung von Vorgesetzten durch MitarbeiterInnen), Coaching, Teamentwicklung, Projektarbeit, Job Rotation, Bildung autonomer Arbeitsgruppen.72 2.2.7 Personalentwicklung am Beispiel Karrieremanagement Nach Holtbrügge befasst sich das Karrieremanagement mit der effizienten Nutzung von Fachwissen, Unternehmens- Fähigkeiten und und Einstellungen MitarbeiterInnenziele. zur Dabei unternehmungsorientiertem Verwirklichung kann der zwischen individuumsorientiertem und Karrieremanagement unterschieden werden. Beim individuumsorientierten Karrieremanagement wird zwischen einer statischen und dynamischen Perspektive unterschieden. Bei der statischen Perspektive stehen die Ermittlung von Anforderungsprofilen einer Position und der Abgleich mit den Eignungsprofilen der MitarbeiterInnen im Vordergrund, welche in regelmäßigen Abständen überprüft werden. In der dynamischen Perspektive steht die Festlegung von Positionsfolgen im Mittelpunkt, welche die MitarbeiterInnen während der Unternehmenszugehörigkeit durchlaufen können.73 Thom/Zaugg weisen darauf hin, dass durch die verstärkte Globalisierung und den zunehmenden Zeitdruck, vielfach unternehmensinterne Umstrukturierungen durchgeführt werden, welche sich durch einen Abbau von Führungsebenen und einer damit verbundenen Reduktion von Positionen bemerkbar machten. Vor diesem Hintergrund bilden sich (vor allem in Großunternehmen) neue alternative Karrieremodelle heraus:74 71 Vgl. Thom/Zaugg 2007: 35 f. Vgl. Thom/Zaugg 2007: 36 73 Vgl. Holtbrügge 2010: 135 ff. 74 Vgl. Thom/Zaugg 2007: 11 f. 72 28 Abbildung 12: Die alternativen Karrieremodelle 75 2.3 Grundlagen: Die Lean-Historie vom Toyota Production System zu Lean Six Sigma Im Kapitel 1.1 wurde bereits die Namensherkunft von „Lean“ bzw. „Lean Production“ beschrieben. Aber wie kam es dazu, dass Toyota die zuvor erwähnte Pionierarbeit in der „schlanken Produktion“ leistete? 2.3.1 Die Anfänge des Toyota Production Systems als Basis für Lean Toyota war nach Ende des 2. Weltkrieges im Vergleich zur amerikanischen Konkurrenz ein kleiner Autoproduzent, der aber im großen Stil mit der Produktion von Personenkraftwagen und Lastkraftwagen beginnen wollte. Toyota stand in Japan vor einer Vielzahl von Herausforderungen, darunter vor der Tatsache, dass sich ein Massenproduktionssystem, wie es Ford in den USA betrieb, in Japan nicht umsetzen ließ. Zu klein war der Markt, zu gering die zu produzierenden Stückzahlen bei gleichzeitigem Erfordernis einer Produktvielfalt. Mitglieder der Toyoda-Familie reisten wiederholt in die USA, genauer nach Detroit, um sich dort u.a. die Automobilproduktion bei Ford, welche auf Massenproduktion basierte, genauer anzusehen und zu analysieren. Toyotas damaliger leitender Produktionsingenieur, Taiichi Ohno wusste, dass er im Gegensatz zur Herangehensweise der amerikanischen Automobilproduzenten einen neuen - „japanischen“ Ansatz entwickeln musste, der die Elemente von handwerklichen Produktionsmethoden und Massenproduktion verband.76 75 76 Thom/Zaugg 2007: 13 Vgl. Womack et al. 1992: 53 ff. 29 Daraus entstand in den Folgejahren das „Toyota Production System“, welches den Kern jener „Lean Production“ bildet, die Womack et al. in ihren Studien als Erfolgsmodell identifiziert haben. Die bedeutende Rolle der MitarbeiterInnen, welche diese innerhalb des TPS inne haben, wurzelt aber in Unternehmensgeschichte einem Toyota‘s einschneidenden aus den Ereignis 1940er Jahren, in der welches richtungsweisend für das Verhältnis zwischen Toyota-ArbeitnehmerInnen und Toyota werden sollte. Toyota befand sich 1940 in einer tiefen Krise, welche durch eine wirtschaftliche Depression in Japan ausgelöst wurde. Toyotas damaliger Präsident, Kiichiro Toyoda schlug als Lösung vor, ein Viertel der Arbeitskräfte zu entlassen. Die durch die amerikanischen Besatzer eingeführten neuen Arbeitsgesetze stärkten aber die Position der Betriebsgewerkschaften. Toyota fand sich plötzlich in einem Arbeiteraufstand wieder, der zur Besetzung der Fabrik führte. 1946 wurde zwischen der Familie Toyoda und der Gewerkschaft ein Kompromiss ausgearbeitet, der heute noch die Grundlage für das Verhältnis zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen in der japanischen Automobilindustrie bildet. Es wurde ein Viertel der ArbeitnehmerInnen entlassen, Kiichiro Toyoda nahm dafür die Verantwortung auf sich und trat zurück. Gleichzeitig erhielten die verbliebenen Beschäftigten die Garantie auf lebenslange Beschäftigung sowie abgestufte Entlohnung nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, welche über Bonuszahlungen an die Unternehmensgewinne gekoppelt waren. Die Beschäftigten waren somit Mitglieder der Toyota-Gemeinschaft mit vielen Rechten. Im Gegenzug stimmten die MitarbeiterInnen einer flexiblen Arbeitszuordnung zu. Weiters verpflichteten sie sich zu einem aktiven Eintreten für das Unternehmensinteresse durch Einleiten von Verbesserungsmaßnahmen, anstelle von bloßem Reagieren auf Probleme. Ohno erkannte, dass die Arbeitskräfte plötzlich zu einem langfristig bedeutsamen Fixkostenproduktionsfaktor geworden waren, aus denen es galt, das Maximum während ihrer Betriebszugehörigkeit zu Toyota herauszuholen. Es war also sinnvoll, 30 die Fähigkeiten der MitarbeiterInnen kontinuierlich zu verbessern sowie ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Muskelkraft zu nutzen.77 Die Kenntnis der soeben beschriebenen Ereignisse ist eine wichtige Voraussetzung, um die Ausgangsbasis für das Toyota Production System und dem Lean Management vor allem hinsichtlich seiner Human Resources-Elemente besser zu verstehen. 78 Abbildung 13: Die Definition des Toyota Production Systems 2.3.2 Die Ziele des Toyota Production Systems Das Toyota Production System wird heute immer noch als Best Practice zitiert und gilt als Quelle jeglichen Lean Gedankentums. Das Ziel von TPS sind schnelle und schlanke Prozesse. Dabei werden all jene Prozessschritte, die einem Produkt oder 77 Vgl. Womack et al. 1992: 52 ff. Vgl. [Internet]: <http://www.toyotaforklifts.at/SiteCollectionDocuments/Toyota%20brochures/TPS_Broschüre.pdf> 3. Oktober 2012: 5 78 31 einer Dienstleistung keinen Wert zufügen, beseitigt, da diese Verschwendung (japanisch: Muda) darstellen.79 Im Geleitwort zur deutschen Ausgabe des Buches „Das Toyota Produktionssystem“ von Taiichi Ohno, welches 1993 publiziert wurde, findet sich nachfolgende Feststellung von Eberhard C. Stotko:80 „Der Ausdruck „lean“ steht dabei symbolisch für Effizienz der Prozesse, weitgehende Fehlerfreiheit der Produkte und Präzision bei Planung und Synchronisation parallel auszuführender Aufgaben, kurz dafür, die richtigen Dinge von Anfang an richtig zu tun, oder wie die Amerikaner sagen würden: Doing the right things right, first time around.“ Ohno betont, dass das Ziel von Anfang an Kostensenkung bedeutete, um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben.81 Er nennt ausdrücklich, dass man beim TPS im Zusammenhang von Wirtschaftlichkeit Personalabbau und Kostensenkung sieht (Personalreduzierungspolitik als Mittel zur Kostensenkung).82 Die Schaffung von schlanker Produktion, also der Steigerung der Produktivität, wurde u.a. dadurch erzielt, dass die Maschinen neu angeordnet wurden, damit ein System „ein/e MitarbeiterIn, viele Maschinen“ eingeführt werden konnte. Das Ziel war dabei, dass die MitarbeiterInnen ein breites Spektrum an Fähigkeit entwickeln konnten und somit auch vielfältiger einsetzbar waren. Die MitarbeiterInnen nehmen auch selbst beim Aufbau von Systemen in der Fabrik teil und Ohno verweist in weiterer Folge auf eine gestiegene Arbeitsbefriedigung bei den MitarbeiterInnen.83 Verbesserungen bei Toyota fanden nach seinen Aussagen immer aus Notwendigkeiten heraus, verbunden mit klaren Zielen, statt. Er sagt, dass die Notwendigkeit die Mutter der Erfindung ist, und dass daraus auch das TPS entstanden ist.84 79 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 7 Ohno 1993: 13 81 Vgl. Ohno 1993: 35 82 Vgl. Ohno 1993: 81 83 Vgl. Ohno 1993: 41 84 Vgl. Ohno 1993: 40 f. 80 32 Ohno sieht den Schlüssel für Verbesserungen (in der Produktion) darin, dass die ArbeiterInnen in den Fabriken die Notwendigkeiten spüren müssen.85 2.3.3 Kontinuierliche Verbesserung/Kaizen Wie aus den vorangegangenen Kapiteln ersichtlich ist, stellt das Thema der Verbesserung bzw. kontinuierliche Verbesserung einen zentralen Punkt in der LeanThematik dar. Der japanische Begriff des Kaizen wird in die deutsche Sprache mit „ständige Verbesserung“ übersetzt (siehe Abbildung 14). Das Pendant im deutschsprachigen Raum ist KVP (Kontinuierlicher prozessorientierte Denkart und Verbesserungsprozess). grundlegende Kaizen Verhaltensweise stellt in eine einem Unternehmen dar. Kaizen ist auch gleichzeitig eine Führungsphilosophie zur ständigen Arbeitsprozessverbesserung durch die MitarbeiterInnen. Damit wird ausgedrückt, dass Kaizen nicht im Bedarfsfall, sondern permanent im Unternehmensalltag, jede Minute umgesetzt wird und somit zu einer permanenten Haltung und Arbeitseinstellung wird. Kaizen steht für eine geordnete und kontinuierliche Verbesserung in kleinen Schritten.86 Becker wiederum sieht KVP nicht als konkretes Führungsinstrument, sondern als mentale Neuorientierung, die sich in kleinen Schritten vollzieht. Voraussetzung dafür ist ein mitarbeiterInnenorientiertes Management.87 Kaizen bildet eine der beiden Säulen des Toyota Weges (siehe Kapitel 2.5.4 / Abbildung 25) und ist ein wichtiges Element im Toyota Production System (siehe Kapitel 2.3.1 / Abbildung 13). Mike Rother (siehe Kapitel 2.5.3) fand im Rahmen seiner beruflichen Praxis heraus, dass kontinuierliche Verbesserung bei Toyota eine verinnerlichte, automatisierte Verhaltensroutine im täglichen Arbeitsablauf darstellt. Aus diesen genannten Gründen wird nachfolgend der Begriff Kaizen näher beschrieben. 85 Vgl. Ohno 1993: 40 f. Vgl. Koch 2011: 126 f. 87 Vgl. Becker 2009: 616 f. 86 33 Abbildung 14: Bedeutung des Begriffs KAIZEN in Japan und der Deutschen Übertragung. (KAIZEN nach KAIZEN-Institut of Europe und Siemens AG, Elektronikwerk Karlsruhe = EWK) 88 Während in westlichen Unternehmen Verbesserungsaktivitäten eher an finanziellen Kennzahlen, der Erzielung von kurzfristigen Ergebnissen sowie Rationalisierungen ausgerichtet sind, verstehen japanische Unternehmen darunter einen langfristigen Prozess, der konsequente Planung und Durchhaltevermögen erfordert. Ein wichtiges Element stellen dabei die MitarbeiterInnen dar, die sich im Rahmen dieser Prozesse aktiv engagieren und beteiligen. Dabei ist es Hauptaufgabe des Managements, eine Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung zu etablieren. Dabei bildet die Mentalität der JapanerInnen eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung dieser Prozesse.89 2.3.4 Six Sigma und Lean Sigma In den 1980er Jahren entstand mit Six Sigma ein Instrument, welches Motorola aus Qualitätsproblemen heraus entwickelte. Motorola in den USA litt in den 1980er Jahren unter schwerwiegenden Qualitätsproblemen, welche auch nicht durch kostenintensive Qualitätssicherungsprogramme behoben werden konnten. Motorolas Produktionsingenieur Bill Smith fand 1986 heraus, dass eine starke Korrelation zwischen der Lebensdauer fertiger Produkte und der Häufigkeit von Reparaturen währen deren Produktionsprozess bestand. Smith’s Prämisse bestand darin, dass Qualitätsmanagement nur dann effektiv ist, wenn Fehler nicht während des 88 89 Koch 2011: 127 Vgl. Koch 2011: 134 34 Produktionsprozesses behoben werden, sondern erst gar nicht gemacht werden. Daraus entstand der Six-Sigma Ansatz, der auf quantitativen Messungen der Abweichungen von Prozessen beruht. Dabei konzentriert sich Six-Sigma auf Prozesse, unabhängig von deren Inhalten und Ergebnissen. Sigma steht dabei für das mathematische Symbol der Standardabweichung einer Gauß‘schen Normalverteilung. Der Wert Six Sigma steht für 3,4 Fehler pro 1.000.000 Fehlermöglichkeiten. Dies entspricht einem Qualitätslevel von 99,99966%.90 Den konzeptionellen Rahmen bildet ein durch Six-Sigma Experten gesteuertes und geführtes System, welches sich am „Gürtelsystem“ („Belt“-System) des asiatischen Kampfsports Karate orientiert.91 Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Lean Management und Six Sigma stellt nachfolgende Übersicht dar: Abbildung 15: Gegenüberstellung von Lean Management und Six Sigma – eigene Darstellung basierend auf Dahm/Haindl 92 90 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 73 f. Vgl. Dahm/Haindl 2011: 82 f. 92 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 7, 70, 74, 106 f., 109 91 35 Eine Weiterentwicklung von Lean Management und Six Sigma bildet die Kombination von beiden unter dem Namen Lean Sigma. Lean Sigma bildet sozusagen einen ganzheitlichen Ansatz, der das Beste aus den beiden Welten von Lean Management und Six Sigma kombiniert.93 Lean Sigma wird auch immer mehr in produktionsfernen Unternehmenssektoren angewendet. Beispiele sind: Finanzdienstleistungsunternehmen wie Bank of America, Citibank, GE Capital, JP Morgan, Xchanging Transaction Bank, Credit Suisse Private Banking, Norddeutsche Retail Service AG; Unternehmen aus dem Krankenhauswesen: Stanford Hospital and Clinics, Pocono Medial Center (beide USA), Red Cross Hospital, Canisius Wilhelmina Hospital (beide Niederlande).94 2.4 Grundsätzliche Überlegungen zur Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von Effizienz und Effektivität Die in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigten Themen Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz und Effektivität werden in diesem Kapitel in einem umfassenderen Kontext dargestellt. Dabei wird dieser Themenkomplex aus mehreren Perspektiven analysiert um Analogien und Verbindungen zu Lean Human Resources aufzuzeigen. Dabei werden in diesem Kapitel grundsätzliche Überlegungen zur Unternehmensführung, Referenzrahmen des Managements und Initiativen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit mit Bezug zur Forschungsfrage analysiert. Nachfolgende Übersicht dient dabei als Orientierung für die nachfolgenden Kapitel. 93 94 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 111 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 138 ff. 36 Abbildung 16: Wettbewerbsfähigkeit durch Steigerung von Effizienz und Effektivität aus verschiedenen Perspektiven – eigene Darstellung 2.4.1 Unterschied zwischen Effizienz und Effektivität Der Unterschied von Effektivität und Effizienz wird von Peter Drucker im Buch „The definitive Drucker“ im Kontext des Wissensarbeiters wie folgt beschrieben:95 “Peter believed this new type of worker required a different type of management. He articulated this difference as effectiveness versus efficiency. For manual work, efficiency, that is, the ability to get things done is key to management. For knowledge workers, effectiveness, or the ability to get the right thing done, is paramount. So instead of just getting the job done, a knowledge worker has to decide which job to do. Peter was the first writer to pick up on this critical distinction, understand it, and translate it to management principles.” Drucker stellt auch einen Bezug von Management, Menschen und Leistung her:96 “Management is about human beings. Its task is to make people capable of joint performance, to make their strengths effective and their weaknesses irrelevant.” Zusammengefasst werden im Deutschen Effektivität und Effizienz heute nachfolgend verwendet:97 Effektivität: „Die richtigen Dinge tun.“ / Effizienz: „Die Dinge richtig tun.“ 95 Edersheim 2007: 161 Edersheim 2007: 157 97 Vgl: [Internet]: < http://de.wikipedia.org/wiki/Effektivit%C3%A4t> 3. Oktober 2012 96 37 2.4.2 Dynamische Aspekte der Kosteneffizienz Grant/Nippa weisen auf die Bedeutung von dynamischen Effizienzsteigerungsansätzen hin. Dazu zählen sie den Focus auf kontinuierliche Verbesserung (im Japanischen „Kaizen“ genannt) und die Elemente des TQM (Total Quality Managements), welche große Auswirkungen auf das Kostenmanagement eines Unternehmens haben. Die Betonung von Prozessvereinfachung, Ausbildung und Weiterbildung sowie verstärkte Einbeziehung der MitarbeiterInnen auf der Ausführungsebene stehen dabei im Mittelpunkt.98 Müller-Stewens und Lechner weisen gleichzeitig darauf hin, dass Lean-Werkzeuge, ähnlich wie KVP, TQM, BPR oftmals Modeerscheinungen darstellen und die Gefahr besteht, dass es diesen an „strategischer Unterfütterung“ sowie dem Bezug zum lokalen Kontext fehlt.99 2.4.3 Corporate Governance Die Corporate Governance spielt im Zusammenhang mit strategischem Management eine wichtige Rolle, weil sie den organisatorischen sowie inhaltlichen Rahmen ausgestaltet, der die Führung und Überwachung eines Unternehmens betrifft.100 Kernelement bei Corporate Governance ist der Grundgedanke der Trennung von Eigentum und Management.101 Nach Welge/Eulerich versteht man unter Corporate Governance:102 „Unter Corporate Governance wird der faktische und rechtliche Ordnungsrahmen von Unternehmen verstanden, der eine gute und ordnungsgemäße Unternehmensführung, -kontrolle und -überwachung im Sinne aller Shareholder und Stakeholder gewährleistet und unterstützt.“ Hilb103 weist auf die weltweit gestiegene Bedeutung von Corporate Governance hin, welche vor allem durch die in den letzten Jahren aufgetretenen Unternehmensskandale sowie die weltweiten Finanzkrisen zurückzuführen sind. Als Hauptursachen für eine Corporate Governance Krise werden u.a. genannt: die 98 Vgl. Grant/Nippa 2006: 340 Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 560 100 Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 97 101 Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 98 102 Welge/Eulerich 2012: 6 103 Vgl. Hilb 2011: 3 f. 99 38 Dot.com Krise auf technologischer Ebene, die globalen Finanzkrise auf wirtschaftlicher Ebene, die High Risk Strategien auf ökologischer Ebene, sowie das Value Denken der Top Executives auf sozialer Ebene. Becker104 weist auf die Bedeutung der Rolle der Führungskräfte eines Unternehmens in Bezug zur alltäglichen Umsetzung der Corporate Governance hin. Konkret nennt er Charaktereigenschaften, die als moralisch unzweifelhaft angesehen werden, wie z.B. Ehrlichkeit, Empathie, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Strebsamkeit. Da Führungskräfte auch nicht frei von Egoismus, Eigennutz und Fehlern sind, empfiehlt er, die Auswahl und Entwicklung von Führungskräften an den unternehmenseigenen Corporate-Governance Regeln auszurichten sowie eine governance-orientierte Führungskräfteentwicklung zu etablieren. Abbildung 17: Inhalte governance-orientierter Führungskräfteentwicklung 105 Becker106 betont, dass zwar die Führung eines Unternehmens durch die Qualität und Professionalität der handelnden Personen im Vorstand und Aufsichtsrat entscheidend sind, aber entsprechende Corporate-Governance Standards auch das Denken und Handeln der Führungskräfte und MitarbeiterInnen bestimmen müssen. Die Personalentwicklung sei dementsprechend gefordert. Wie in Kapitel 1.2 bereits beschrieben, scheint Lean auch im Kontext der Corporate Social Responsibility im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und der optimalen Nutzung begrenzter Ressourcen auf. 104 Vgl. Becker 2009: 355 ff. Becker 2009: 356 f. 106 Vgl. Becker 2009: 357 105 39 2.4.4 New Public Management (NPM) „New Public Management (NPM) ist der Oberbegriff der weltweit terminologisch einheitlichen „Gesamtbewegung“ der Verwaltungsreformen, die auf einer institutionellen Sichtweise basieren. Charakteristisch für NPM-Reformen ist der Wechsel der Steuerung von der Input- zur Outputorientierung.“107 Im Kern geht es bei New Public Management um die Modernisierung öffentlicher Einrichtungen und um neue Formen öffentlicher Verwaltungsführung. Das „Neue“ am New Public Management ist die institutionelle Sichtweise der Verwaltung und deren Kontaktpartnern, sowie die konzeptionelle Vorstellung zur Steuerung dieser Institutionen.108 New Public Management hat sich Ende der 80er Jahre international und in den 90er Jahren im deutschsprachigen als sprachlicher Begriff für ein Reformmodell mit dem Ziel zur Etablierung moderner Verwaltungen, etabliert.109 Explizite Leistungsstandards und –messgrößen (also Ziele, Erfolgsindikatoren hauptsächlich in quantitativer Form) sowie Betonung größerer Disziplin und Sparsamkeit im Ressourceneinsatz wie z.B. mittels Kostenreduktion und Erhöhung der Arbeitsdisziplin.110 Zu New Public Management gibt es einige Grundprämissen zu berücksichtigen. Eine davon lautet, dass das zu lösende Problem der Verwaltung die mangelnde Effizienz und Effektivität und nicht die Legalität und Legitimation sind.111 Zur Messung der daraus resultierenden Effizienz und Effektivität kommt ein sogenanntes 3-E Modell zur Anwendung, welches auf die drei Elemente Ressourcen, Leistungen und Wirkungen abzielt. Dazu wird Efficiency (Wirtschaftlichkeit) von 3 E’s ausgegangen:112 Economy (Sparsamkeit) / / Effectiveness (Wirksamkeit) 107 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 5 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 5 109 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 40 f. 110 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 40 f. 111 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 57 112 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 81 f. 108 40 Ein weiteres strategisches Element bildet die Qualitätsorientierung, welche sich in produktbezogene, kundenbezogene, prozessbezogene, wertbezogene sowie politische Qualität unterscheiden lässt.113 Einen Schwerpunkt aus Sicht der Ressourcen bildet im New Public Management das Humanpotential und das dazugehörende Personalmanagement, welches weg vom beamtenhaften, unflexiblen, privatwirtschaftlichen Privilegiensystem Gesichtspunkten management transformiert werden soll. zu einem ausgerichteten modernen modernen nach Personal- 114 Dazu sollen z.B. Instrumente wie das Führen durch Zielvereinbarung, Assessment Centers zur Identifikation und Selektion von Führungskräften und Instrumente zur Personal- und Organisationsentwicklung zur Anwendung gelangen.115 Schedler/Proeller betonen die Bedeutung der Personalentwicklung im New Public Management und die damit verbundene Umorientierung, dass Personal nicht mehr als reiner Kostenfaktor, sondern als „strategisches Erfolgspotential“ für die Verwaltung gesehen wird. Dazu gehören z.B. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen wie Führungsfortbildung, Nachwuchsförderung sowie der Aufbau von Schlüsselqualifikationen und die Einführung von Methoden und Richtlinien im Personalbereich selbst (wie z.B. Potentialbeurteilung, Bedarfserhebung, Fortbildungsplanung, etc.). Im Rahmen einer mitarbeiterInnenorientierten Verwaltung stellt auch die Schaffung individualisierter Entwicklungspfade unter Berücksichtigung individuenspezifischer Muster ein weiteres Element im Rahmen der Personalentwicklung dar.116 2.4.5 Neues St. Galler Managementmodell Das neue St. Galler Managementmodell (aus dem Jahr 2003) stellt einen systemorientierten Bezugsrahmen mit dem Verständnis von Management als Gestalten, Lenken und Entwickeln zweckorientierter sozialer Institutionen dar (siehe Abbildung 18).117 113 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 83 f. Vgl. Schedler/Proeller 2011: 245 f. 115 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 250 ff. 116 Vgl. Schedler/Proeller 2011: 260 f. 117 Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 6 f. 114 41 Die zur grafischen Darstellung des Modells erarbeiteten Texte zeigen die im Modell betrachteten Handlungsspähren auf und beschreiben bestimmte Wirkungszusammenhänge.118 Abbildung 18: Das neue St. Galler Management-Modell 119 Die in Abbildung 18 genannten 6 Grundkategorien beziehen sich auf zentrale Dimensionen des Managements.120 Rüegg-Stürm121 weist darauf hin, dass die Bedeutung von Ablaufstrukturen, also der Gestaltung von Prozessen, im Vergleich zur Aufbauorganisation, stark gewachsen ist. Der Grund darin besteht in den Veränderungen innerhalb der Umweltspähren in den 10 Jahren vor 1993. Zu diesen Veränderungen zählen u.a. gestiegene Kundenanforderungen, Deregulierung und Globalisierung vieler Märkte, die wachsende Bedeutung des Kapitalmarkts und vor allem die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Alle diese Faktoren haben zu einer 118 Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 15 Rüegg-Stürm 2003: 22 120 Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 21 121 Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 65 119 42 Intensivierung des Wettbewerbs geführt. Als Folge daraus ist der Faktor Zeit neben den Faktoren Qualität und Preis zu einem wettbewerbsentscheidenden Kriterium geworden. Rüegg-Stürm122 nennt Prinzipien im Sinne des Lean-Managements als Antwort darauf, um in diesem Zeitwettbewerb bestehen zu können. Die Abläufe sind durch die Minimierung fehlerträchtiger Schnittstellen und durch eine systematische Elimination jeglicher „Blindleistungen“ (non value-adding work), die keinen Kundennutzen generieren, möglichst schlank zu gestalten und gleichzeitig auf eine Verstärkung der eigenen Kernkompetenzen ausgerichtet werden. Dazu sind die Wertschöpfungsprozesse - also die horizontale Perspektive der Organisation - als zentrale Bezugsgröße zur Organisationsgestaltung heranzuziehen. Dabei wird die traditionell vertikale Unternehmensgliederung nach Funktionen ergänzt oder komplett substituiert durch die horizontale Ausrichtung auf kundenorientierte Prozesse. Bei den Geschäfts- und Unterstützungsprozessen bedarf es eines aktiven Prozessmanagements, welches sich in Prozessentwicklung und Prozessführung gliedert. Die Prozessführung beschäftigt sich u.a. mit der Sicherstellung der Qualität eines Prozesses. Dazu gehört auch die kontinuierliche Prozessoptimierung, welche von Qualitätszirkeln oder bereichsübergreifenden KVP-Teams (KVP = Kontinuierliche Verbesserung) durchgeführt wird.123 2.4.6 EFQM Excellence Modell Das EFQM Excellence Modell bildet eine auf 9 Kriterien basierende unverbindliche Rahmenstruktur zur Beurteilung der Unternehmensqualität, welche durch unabhängige Assessoren durchgeführt wird. Dieses Modell dient als Werkzeug für die Erarbeitung von Stärken und Verbesserungspotentialen eines Unternehmens zur ganzheitlichen Weiterentwicklung.124 Es wird der Kategorie strategischer Performance-Messungs-Systeme zugeordnet und soll in seinem Kern dem Unternehmen dienen, seine Leistung zu verbessern.125 122 Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 65 Vgl. Rüegg-Stürm 2003: 76 ff. 124 Vgl: [Internet]: <http://www.qualityaustria.com/index.php?id=2196> 3. Oktober 2012 125 Vgl. Müller-Stewens/Lechner 2011: 603 123 43 Als Steuerungsmodell bietet es verschiedene mit einander verknüpfte Beobachtungskriterien zur kritischen Analyse des Unternehmens, welche zum Ziel haben, Stärken und Verbesserungspotentiale zu identifizieren.126 Das EFQM Excellence Modell stellt gleichzeitig ein Management-Modell dar auf dem Weg von Unternehmen auf dem Weg zu Spitzenleistungen, welches logische Verbindungen und gewisse Wirkungszusammenhänge aufzeigt. Die zur Anwendung gelangenden Beurteilungskriterien sind dabei unterschiedlich gewichtet.127 Abbildung 19: EFQM-Modell 128 Durch eine Teilnahme am European Quality Award-Programm können sich Unternehmen durch externe Assessoren gemäß dem EFQM-Modell bewerten lassen. Nagel/Wimmer weisen kritisch darauf hin, dass dabei zwar neue Perspektiven entstehen, aber die Selbstverantwortung des Managements und der MitarbeiterInnen für den permanenten Lernprozess jedoch nicht unbedingt gefördert werden. Da diese Audits meist nur in größeren zeitlichen Abständen durchgeführt werden, werden die definierten Regelkreise meist langsamer durchlaufen, wodurch die rückkoppelnden Lernimpulse in der Praxis verlangsamt werden.129 126 Vgl. Nagel/Wimmer 2009: 338 Rüegg-Stürm 2003: 14 128 Rüegg-Stürm 2003: 14 129 Vgl. Nagel/Wimmer 2009: 342 127 44 Dahm/Haindl weisen darauf hin, dass das Problematische bei dieser Art von Zertifizierung ist, dass Unternehmen zwar gewisse allgemeine Standards erfüllen, diese aber keine Vorreiter in Sachen Qualität werden.130 2.4.7 Steigerung von Effizienz und Effektivität durch Lean Human Resources Wie in Kapitel 2.3.2 bereits beschrieben, betonte Taiichi Ohno, dass das Ziel des Toyota Production Systems von Anfang an Kostensenkung bedeutete, um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben.131 Ergänzt man diese Feststellung um die Aussage von Dahm/Haindl, dass das Toyota Production System heute immer noch als Best Practice zitiert wird und als Quelle jeglichen Lean Gedankentums gilt132, lässt sich daraus schließen, dass die Leitgedanken, Ziele und Prinzipien des TPS gleichbedeutend mit Lean sind und dies im Zusammenhang mit Human Resources im Kontext der Forschungsfrage in Form von Lean Human Resources wiederum zu Steigerungen von Effizienz und Effektivität in einem Unternehmen führt. Meyer133 betont, dass Kostenargumente dem Konzept des Lean Management zum Siegeszug verholfen haben. Dies führe in Verbindung mit der Konzentration auf Kernkompetenzen zu einer Verschlankung der Hierarchien. Meyer merkt weiters an, dass dadurch im Verwaltungsbereich ähnliche Rationalisierungsgewinne eingefahren wurden wie dies zuvor mit Lean-Production in den Fabrikshallen gelungen war. Damit verbunden war der Gedanke der Prozessorientierung, welcher sich vor allem in den 90er Jahren im Konzept des Business Process Reengineering (BPR) wiedergefunden hat. Meyer weist darauf hin, dass BPR allerdings seine radikale Forderung, Organisationen entlang ihrer Kernprozesse vollkommen neu zu strukturieren, so nicht einlösen konnte. In den vorangegangenen Kapiteln wird auch deutlich, dass sich innerhalb der verschiedenen Modelle und Herangehensweisen zur Steigerung von Effizienz und Effektivität Elemente finden, die konkret den Begriff Lean verwenden, aber auch Elemente, in denen sich Lean-Attribute wiederfinden, ohne den Begriff Lean anzuwenden. 130 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 47 Vgl. Ohno 1993: 35 132 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 7 133 Vgl. Meyer 2009: 246 f. 131 45 2.5 Lean Human Resources – eine theoretische Annäherung 2.5.1 Die Rolle der MitarbeiterInnen bei Lean-Prozessen Die zwei Säulen des TPS, welche die Vermeidung von Verschwendung unterstützen sind „Just-in-Time“ und „Autonome Automation bzw. Automation mit menschlichen Zügen“. „Just-in-Time“ im Kontext der Produktion bedeutet, dass bei jedem Arbeitsgang genau jenes Teil vorliegt, das benötigt wird, genau im richtigen Moment und exakt in der richtigen Menge, die man benötigt.134 Einfache Automation bedeutet, dass Maschinen während der Produktion von alleine laufen und dabei die Gefahr durch Unregelmäßigkeiten (z.B. durch hineinfallende Metallteile) besteht, welche dadurch eine Vielzahl defekter Teile produzieren, die sich in weiterer Folge dann im Lager auftürmen. Autonome Automation bedeutet, dass Maschinen, wenn Sie angeschaltet sind und die Produktion läuft, sich selbst (daher autonom) durch einen eingebauten Sicherheitsmechanismus automatisch stoppen, damit die Produktion von fehlerhaften Teilen verhindert wird. Es wird dabei ein Signal ausgelöst, welches dem/r ArbeiterIn zu erkennen gibt, dass er/sie ein Problem zu lösen hat. Durch die autonome Automation ist es den ArbeiterInnen daher möglich, eine Vielzahl von Maschinen zu bedienen, ohne jede einzelne dabei permanent beaufsichtigen zu müssen. In Fällen der einfachen Automation ist der/die ArbeiterIn aufgefordert, das Band selbst anzuhalten und für eine Problemlösung zu sorgen. 135 Ohno vergleicht dabei das Zusammenspiel von Just-in-Time und autonomer Automation mit Teamarbeit in der Analogie eines Baseballspiels. Autonome Automation soll von den Managern und MeisterInnen eingeführt werden und die MitarbeiterInnen mit den Fähigkeiten ausstatten, die es Ihnen ermöglicht, diese Maschinen zu bedienen. Das Produktionsteam, das Just-in-Time beherrscht, entspricht dabei dem Team und ManagerIn und MeisterIn als TeamchefIn bzw. TrainerIn haben dafür zu sorgen, dass das Zusammenspiel der beiden Prinzipien 134 135 Vgl. Ohno 1993: 30 f. Vgl. Ohno 1993: 32 f. 46 optimal läuft und gegebenenfalls die ArbeiterInnen trainieren, Unregelmäßigkeiten im Produktionsfluss von ihnen behoben werden können. damit 136 Ohno betont, dass es wichtig ist, keine isolierten Arbeitsinseln zu schaffen, sondern die ArbeiterInnen in Teams zusammenzuführen, damit auch menschliche (soziale) Bedürfnisse berücksichtigt werden. Dies ist für Ohno die Grundlage, damit die MitarbeiterInnen durch ihre Anstrengungen, Kreativität und Kraft die Methoden des TPS in der Praxis optimal umsetzen können.137 Im Kontext von HR lässt sich daraus zusammenfassen, dass Ohno die Wichtigkeit von Teamarbeit sowie Selbstverantwortung und optimal eingesetzter Fähigkeiten der MitarbeiterInnen betont. Durch den steigenden Automatisierungsgrad der Produktion erwarten Womack et al. eine Verlagerung hin zu hochqualifizierten ProblemlöserInnen, deren Hauptaufgabe es ist, permanent über Verbesserungen nachzudenken.138 Ridder fasst die durchzuführenden Aufgaben der ArbeiterInnen innerhalb eines Arbeitsteams in der schlanken Produktion wie folgt zusammen:139 Beherrschung aller in einem Arbeitsteam durchzuführenden Tätigkeiten, damit eine kurzfristige Änderung der Arbeitsverteilung bzw. ein Einspringen bei einer anderen Tätigkeit möglich ist Erwerb zusätzlicher Fertigkeiten von vor- und nachgelagerten Arbeitsschritten außerhalb des Arbeitsteams Erarbeiten von Lösungen im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zur Vereinfachung der Arbeitsabläufe Nach Heimerl-Wagner sind MitarbeiterInnen in einem schlanken Unternehmen nicht bloß Kostenfaktor, sondern Träger des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. 140 136 Vgl. Ohno 1993: 34 f. Vgl. Ohno 1993: 97 138 Vgl. Womack et al. 1992: 105 f. 139 Vgl. Ridder 1993: 21 140 Vgl Heimerl-Wagner 1995: 18 137 47 2.5.2 Lean-orientiertes Führungsverhalten Womack/Jones betonen bereits die Bedeutung von Führungsverhalten im Lean Management. Lean Thinking steigert die Arbeitszufriedenheit, weil die MitarbeiterInnen im Rahmen ihrer Bemühungen nach der Umwandlung von Verschwendung (japanisch: Muda) in Wert ein direktes, möglichst positives Feedback enthalten. Dies wiederum ist ein Ansporn für kontinuierliche Verbesserung.141 Ein Merkmal ist das Aufbrechen zentralisierter, vertikaler Unternehmensstrukturen hin zu horizontalen Produktteams für jede Produktlinie.142 Durch den wertstromorientierten Ansatz ist es erforderlich, traditionelle Arbeitsorganisation in Bezug zu Jobs, Karrieren und Funktionen sowie die Arbeitspraktiken selbst neu, nach Lean-Prinzipien, zu gestalten.143 Toyota-Führungskräfte sind überzeugte Verfechter der Involvierung MitarbeiterInnen, da diese durch kontinuierliche Prozessverbesserung der eine wertschöpfende Arbeit leisten.144 Toyotas Führungskräftemodell besteht aus einer zweidimensionalen Führungsmatrix. Eine Toyota Führungskraft vereinigt dabei die Eigenschaften aus allen 4 Feldern, um diese dann situationsbezogen anzuwenden145: Abbildung 20: Toyotas Führungskräftemodell 146 141 Vgl. Womack/Jones 2004: 23 und 36 Vgl. Womack/Jones 2004: 265 143 Vgl. Womack/Jones 2004: 68 144 Vgl. Liker 2011: 260 145 Vgl. Liker 2011: 261 f. 146 Liker 2011: 261 142 48 Der Führungsstil bei Toyota wird ganz im Sinne des „Toyota-Weges“ als „dienende Führung“ bezeichnet und die Führungskräfte selbst werden als maßgebliche GestalterInnen der Unternehmenskultur gesehen.147 2.5.3 Coaching von Kontinuierlicher Verbesserung Im Rahmen seiner beruflichen Praxis hat Mike Rother versucht herauszufinden, welche Methoden bzw. Handlungen Toyota langfristig so erfolgreich gegenüber anderen Unternehmen machen. Dabei ist er auf nicht sichtbare, aber täglich bei Toyota praktizierte Managementmuster bzw. Verhaltensmuster gestoßen, die es Toyota ermöglichen, kontinuierliche Verbesserung und Adaption unmittelbar allen MitarbeiterInnen durch entsprechendes Führungsverhalten zu vermitteln. Diese Routinen werden in Japan als Kata bezeichnet.148 Rother konnte 2 Verhaltensmuster identifizieren, die er als Verbesserungs-Kata und Coaching-Kata bezeichnet. Die Verbesserungs-Kata beschreibt die Handlungsweisen der MitarbeiterInnen bei Toyota in Bezug zu kontinuierlicher Verbesserung und Adaption. Die Coaching-Kata wiederum ist jene Routine, welche den MitarbeiterInnen das Handeln bzw. Verhalten im Sinne der Verbesserungs-Kata vermittelt.149 Abbildung 21: Die Verbesserungs-Kata kurzgefasst Abbildung 22: Toyota Coaching-Kata 150 151 147 Vgl. Liker/Hoseus: 2009: 411 Vgl. Rother 2009: 14 149 Vgl. Rother 2009: 16 150 Vgl. Rother 2009: 86 151 Vgl. Rother 2009: 177 148 49 Eine weitere Darstellungsform von Toyotas Vorgehen in Richtung eines Zielzustandes ist das Treppendiagramm in nachfolgender Darstellung. Abbildung 23: Wie Toyota auf einen Zielzustand hinarbeitet 152 Dieses hypothesengeleitete Verfahren durch Experimentieren wird durch den PlanDo-Check-Act-Zyklus dargestellt.153 Abbildung 24: Der PDCA-Zyklus 154 PDCA geht auf W. Edwards Deming bzw. Walter A. Shewhart zurück.155 Die Coaching-Kata verdeutlicht, dass es bei Toyota primäre Aufgabe der ManagerInnen und Führungskräfte ist, die Verbesserungsfähigkeit der MitarbeiterInnen zu entwickeln.156 152 Vgl. Rother 2009: 140 Vgl. Rother 2009: 140 f. 154 Vgl. Rother 2009: 141 155 Vgl. Rother 2009: 142 f. 156 Vgl. Rother 2009: 188 153 50 2.5.4 Lean als Unternehmenskultur: Toyota Weg und Toyota Kultur Um ein grundlegendes Verständnis für die Rolle der MitarbeiterInnen innerhalb des TPS zu bekommen, ist es zuvor erforderlich, die dahinterliegende Unternehmensphilosophie von Toyota, den „Toyota Way“ zu betrachten, in welche das TPS eingebettet ist. Den „Toyota Way“ bilden dabei die beiden Säulen „Kontinuierliche Verbesserung“ sowie „Achtung des Menschen“, wie nachfolgende Darstellung veranschaulicht: : Abbildung 25: Der „Toyota Way“ 157 Liker sieht im nachhaltigen Erfolg Toyotas neben den Lean-Instrumenten vor allem eine Geschäftsphilosphie, welche auf dem Verständnis für Menschen und ihrer Motivation aufbaut.158 157 Vgl. [Internet]: <http://www.toyotaforklifts.at/SiteCollectionDocuments/Toyota%20brochures/TPS_Broschüre.pdf> 3. Oktober 2012 - 5 158 Vgl. Liker 2011: 29 51 Auf Basis seines mehr als 20 Jahre dauernden Studiums von Toyota hat Liker ein 4stufiges Modell (4P-Modell) mit 14 Prinzipien erstellt, welches in nachfolgender Abbildung dargestellt ist.159 160 Abbildung 26: Ein „4P“-Modell des Toyota-Wegs Liker fügt zudem zu den von Taiichi Ohno genannten 7 Arten von Verschwendung eine weitere, HR-relevante Verschwendung hinzu: Ungenützte Kreativitätspotentiale. Liker meint damit, dass MitarbeiterInnen nicht gehört werden und somit auch ein Verlust an Zeit, Ideen, Fähigkeiten, Verbesserungen und Lernmöglichkeiten einhergeht.161 Liker/Hoseus162 weisen im Zusammenhang mit dem Toyota Weg und dem TPS auf die Bedeutung und gleichzeitigen Herausforderung von Organisations- und Kulturwandel hin und haben in ihren Toyota-Forschungen zur Umsetzung des Toyota-Weges in die Praxis nachfolgende Punkte identifiziert: 159 Vgl. Liker 2011: 29 Liker 2011: 30 161 Vgl. Liker 2011: 60 162 Vgl. Liker/Hoseus 2009: 629 f. 160 52 Abbildung 27: Einige Lektionen zum Thema Transformation 163 Aufgrund der „Ausblendung“ der Ressource MitarbeiterInnen und dem oben genannten Focus wurde bzw. wird Lean Management oft mit Personalabbaumaßnahmen gleichgesetzt. Die Erkenntnisse aus der MIT-Studie wurden oftmals als „Schlank muss die Fertigung sein – also weg mit allen unnötigen MitarbeiterInnen“ beschrieben.164 Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung über Toyota aus unternehmenskultureller Sicht kommt zu dem Schluss, dass es Toyota verstanden hat, seine Unternehmenskultur als Enabler für Motivation und Kreativität der MitarbeiterInnen sowie für Qualitätsund Leistungsverbesserung in Fertigung und Service zu nutzen. Für Toyota ist die Unternehmenskultur der Wegbereiter für Fortschritt, Dynamik und Kontinuität.165 163 Liker/Hoseus 2009: 630 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 63 165 Vgl. Sackmann 2005: 4 164 53 Abbildung 28: Der Toyota Way [In Anlehnung an Cho, Fujio: The Toyota Way 2001, Toyota Motor Marketing Europe 2003 (interne Publikation)] 166 2.5.5 Lean als Change-Management Prozess Vahs skizziert Lean als einen von mehreren möglichen Change-ManagementAnsätzen und nimmt damit eine weitere Perspektive zur Betrachtung von Lean ein. Abbildung 29: Change-Management-Ansätze der letzten zwei Jahrzehnte 167 Er weist gleichzeitig darauf hin, dass durch die Dynamik des Wandels eine Vielzahl von Konzepten entstanden ist, die fast mit „Organisationsmoden“ gleichzusetzen sind und Orientierungsprobleme bei der inhaltlichen Einschätzung der verschiedenen Konzepte verursacht.168 166 Vgl. Sackmann 2005: 16 Vahs 2009: 282 168 Vgl. Vahs 2009: 282 ff. 167 54 Schlankes Management als Change-Prozess bedeutet für ihn das Übertragen eines Prinzips auf das gesamte Unternehmen verbunden mit einer ganzheitlichen Ausrichtung der Unternehmensführung –organisation und auf die Wertschöpfungskette.169 Er verweist auch auf die geübte Kritik an den MIT-Forschern Womack, Jones und Roos bei der Untersuchungsmethodik (z.B. fehlende Definition eines „Standardautomobils“, Vernachlässigung von Fertigungstiefen und unterschiedlichen Automobiltypen) sowie an der Interpretation ihrer Ergebnisse, in denen rechtliche, ökonomische und kulturelle Unterschiede in den Herstellerländern nicht berücksichtigt wurden.170 Diese Unterschiede werden auch im Kapitel 2.5.13 unter dem Aspekt des komparativen HRM in Bezug zu den verschiedenen Formen der Arbeitsorganisation deutlich.171 Dennoch haben eine Vielzahl von Unternehmen von der Automobilindustrie bis hin zur öffentlichen Verwaltung begonnen, Lean-Prinzipien auf die jeweilige Organisation zu übertragen und Veränderungsprozess damit jeweils ausgelöst. einen Damit entsprechenden wurde die grundlegenden Bereitschaft bei den EntscheidungsträgerInnen gefördert, sich überhaupt mit dem geplanten Wandel ihrer Organisation auseinanderzusetzen. Verbunden mit Lean-Change Management ist eine steigende Beunruhigung bei den Führungskräften hinsichtlich des Schwindens von Karrieremöglichkeiten und dem möglichen Verlust bisheriger Statussicherheit.172 Becker wiederum stellt Lean Management mit Total Quality Management und Change Management auf dieselbe Stufe, da alle 3 Ansätze das Ziel eines effizienten, erträglichen Zustandes einer Organisation verfolgen.173 Für Heimerl-Wagner ist permanente Verbesserung der organisationalen Effektivität und Effizienz ein zentrales Element im Rahmen von Lean Management. Fehler sind dabei der Ausgangspunkt für Verbesserungen.174 169 Vgl. Vahs 2009: 287 Vgl. Vahs 2009: 288 171 Vgl. Kapitel 2.5.13 172 Vgl. Vahs 2009: 288 173 Vgl. Becker 2009: 643 174 Vgl. Heimerl-Wagner 1995: 17 170 55 Dem mittleren Management kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle als Change-Manager zur Handhabung von Veränderungsprozessen zu. Dabei sind neue Anforderungen wie Moderations- und Entscheidungsfindungstechniken sowie Konfliktmanagement zu berücksichtigen.175 Womack/Jones betonen bei der Beschreibung eines Aktionsplans zur Einführung von Lean den Einsatz von Change Agents, die den Veränderungsprozess antreibt.176 Sie nennen einen entscheidenden Punkt, um eine Organisation Lean werden zu lassen, wenn ManagerInnen zu Coaches anstatt zu Tyrannen und die MitarbeiterInnen selbständig werden müssen.177 Womack/Jones geben nach ihrer Erfahrung an, dass es mindestens 5 Jahre dauert, bis Lean in einem Unternehmen institutionalisiert ist und weitere 5 Jahre, um das neue Lean-Denken im gesamten Unternehmen zu verankern.178 2.5.6 Position der Organisationseinheit HR im Kontext von Lean Im Rahmen der Recherchen wurden diesbezüglich keine Informationen gefunden. 2.5.7 Die Restrukturierung der Personalabteilung bei Toyota, USA Liker/Hoseus179 berichten von einer tiefgreifenden Restrukturierung der Personalabteilung im Toyota-Werk in Georgetown, Kentucky, USA, welche durch eine schwerwiegende Verfehlung durch dortige Vorgesetzte und Mitglieder des Managements gegenüber MitarbeiterInnen entstanden war. Dieser kritische Vorfall resultierte in einem massiven Vertrauensverlust der MitarbeiterInnen gegenüber der Personalabteilung, da diese nicht in ihrer Rolle als Anwalt der MitarbeiterInnen, sondern als Teil des Managements, also als Teil des Problems, wahrgenommen wurden. Ein umfassende Untersuchung und Problemanalyse durch externe Berater führte zu einer Vielzahl von Verbesserungsmaßnahmen. Dazu gehörte die Zielsetzung der Rückbesinnung auf die Werte des Toyota-Wegs und intensive Kommunikation in Richtung Management und MitarbeiterInnen. In weiterer Folge 175 Vgl. Heimerl-Wagner 1995: 19 Vgl. Womack/Jones 2004: 290 f. 177 Vgl. Womack/Jones 2004: 316 178 Vgl. Womack/Jones 2004: 252 179 Vgl. Liker/Hoseus: 2009: 455 ff. 176 56 wurde für das Werk in Kentucky verstärkend eine eigene Vision sowie ein Wertekatalog erarbeitet. Zur Kontrolle der Personalabteilung wurde zusätzlich eine Corporate-Compliance-Hotline eingerichtet. Die Personalabteilung unterzog sich einer kritischen Selbstanalyse, um erforderliche Veränderungen vornehmen zu können. Eine Arbeitsgruppe identifizierte dabei nachfolgende Problemstellungen:180 Personalabteilung lag inhaltlich und räumlich außerhalb der Fertigung Zwiespältige Rolle der Personalabteilung: Zum einen fungierte man als Anwalt/Anwältin der MitarbeiterInnen, andererseits nahm man gleichzeitig eine gegnerische Position im Fall von Fehlverhalten und daraus resultierenden Nachforschungen und Disziplinarverfahren ein (bedeutete Vertreter des Managements zu sein). Arbeitsschwerpunkte der Personalabteilungen lagen auf formalen und administrativen Aufgaben Die Arbeitsgruppe schlug erstens 4 neue Schlüsselrollen für die Personalabteilung vor, welche auf der Basis des Modells von Dave Ulrich basierten:181 Strategische/r PartnerIn VerwaltungsexpertIn Vorkämpfer der MitarbeiterInnen OrganisationsentwicklerIn (Change Agent) Damit diese Rollen auch effektiv gelebt werden konnten, wurden auch strukturelle Veränderungen des Personalmanagements durchgeführt:182 Einrichtung von „Mini-HR-Teams“ in allen Fertigungsabschnitten, um bessere Partnerschaft mit Fertigung zu erreichen und besser die Rolle des MitarbeiterInnenanwalts leben zu können. Um eine bereichsübergreifende HR-Konsistenz sicherzustellen, wurde eine zentrale HR-Gruppe geschaffen, die sich den HR-Themen auf Werksebene widmen. 180 Vgl. Liker/Hoseus: 2009: 458 ff. Vgl. Liker/Hoseus 2009: 460 f. 182 Vgl. Liker/Hoseus 2009: 461 ff. 181 57 Die administrativen Agenden wurden in einem HR-Call-Center gebündelt und zusätzlich wurde für gewisse Prozesse (z.B. Versetzungsinformationen) selbstbedienungsfreundliche Computerkioske für die MitarbeiterInnen installiert. Zur Wiederherstellung des Vertrauens zur Personalabteilung wurde die Verantwortung von Ermittlungs- und Disziplinierungsverfahren aus den MiniHR-Teams bzw. HR-Repräsentanten herausgenommen und als eigenes Ermittlungsteam in den zentralen HR-Gruppen etabliert. Die zentral HR-Gruppe wurde schließlich auch zu einem Projekt- und Planungsteam umfunktioniert, welches als „Change Agent“ der Organisationsentwicklung arbeitete. Die dargestellte Restrukturierung der Personalabteilung resultierte zwar nicht aus einer Lean-Initiative heraus, weist aber hinsichtlich der eingeleiteten Änderungen und Neuausrichtungen einige wesentliche Lean-Prinzipien auf. Im Zentrum steht die Rückbesinnung auf die Unternehmenskultur (Toyota Kultur), von der aus die Lösungen eingeleitet wurden (siehe dazu Kapitel 2.5.4).183 Toyota orientierte sich bei der Neugestaltung des Rollenbildes von HR am bereits in Kapitel 2.2.2 beschriebenen Ansatz von Dave Ulrich.184 2.5.8 Die Rolle von HR bei der Einführung von Lean Cheryl M. Jekiel hebt in ihrem Buch hervor, dass die Nutzung der Fähigkeiten der MitarbeiterInnen bei Prozessverbesserungen, bei kontinuierlicher Verbesserung sowie bei Lean Einführungen die Schlüsselkomponenten darstellen, dass aber durch die „Nichtnutzung“ bzw. die „Verschwendung“ der Fähigkeiten/Talente der MitarbeiterInnen viele der Verbesserungs-/Lean-Initiativen fehlschlagen (siehe auch die Ausführungen von Liker/Hoseus in Kapitel 2.5.4). Jekiel sieht die Ursache dafür in der mangelnden Nutzung und Einbindung von HR und den HR-Systemen und Programmen.185 183 Vgl. Kapitel 2.5.4 Vgl. Kapitel 2.2.2 185 Vgl. Jekiel 2011: xv – übersetzt durch den Autor 184 58 Jekiel schreibt HR wichtige Beiträge bei einer Lean-Implementierung zu:186 HR-Einbindung bei Lean-Kultur Einführung Die Lean-Kultur Einführung bedingt das Einbetten von Lean-Prinzipien in das tägliche Arbeitsverhalten und die Arbeitseinstellung. HR kann diesen Prozess unterstützen, indem es diese in Kommunikation, Aktivitäten, Jobinhalte und HR-Programme einbaut. Wenn zum Beispiel kontinuierliche Verbesserung in tägliche Meetings eingebaut werden soll, kann HR diesen Prozess unterstützen, in dem es Trainings durchführt, welche die Aspekte Kommunikation und Behandlung von MitarbeiterInnenvorschlägen berücksichtigt und im Kontext dieser Meetings behandelt. HR-Unterstützung beim Design neuer MitarbeiterInnenführungsprozesse HR soll neue Prozesse im Umgang mit dem Vorschlagswesen und den sich verändernden Rollen von Führung begleiten. HR soll als PartnerIn der Führungskräfte beim Entwickeln und Implementieren von Prozessen agieren, die das MitarbeiterInnen-Engagement, das Lösen von Problemen, Visuelles Management und Team-Work unterstützen. HR-Unterstützung beim Umgang mit Widerständen aus den Änderungen beim Führungsverhalten Dies geschieht durch Unterstützung von Führungskräften bei der Neustrukturierung ihrer Arbeitsinhalte, durch Koordination der Evaluierung der aktuellen MitarbeiterInnenfähigkeitenprofile, durch Ausarbeitung von Trainingsplänen für Managern zur Entwicklung von erforderlichen Fähigkeiten und durch die Formulierung einer Leadership-Vision, welche es den MitarbeiterInnen ermöglicht, ihre Ziele zu erreichen, Probleme zu lösen und bessere Entscheidungen zu treffen. Im Rahmen einer Lean-Einführung ist es auch wichtig, dass HR selbst Fähigkeiten zur Anwendung von Lean-Methoden erlernt. Dazu gehört das Erkennen von Verschwendung und Möglichkeiten zu Verbesserungen durch spezifische „LeanWerkzeuge“ wie z.B. durch Wertstromanalysen. HR MitarbeiterInnen werden bei Lean-Trainings oftmals nicht berücksichtigt, da es nicht offenkundig ist, wie HR zur Reduktion von Verschwendung oder Prozessverbesserungen beitragen kann. Da HR 186 Vgl. Jekiel 2011: 23 – übersetzt durch den Autor 59 bei den Erstellungen von Jobbeschreibungen eingebunden ist, sollte es die entsprechenden Prozessveränderungen kennen, welche sich auf die Arbeit und die Arbeitsaspekte auswirken. HR MitarbeiterInnen mit sehr guten Trainingsfähigkeiten können in weiterer Folge Lean-Prinzipien den MitarbeiterInnen auf allen Ebenen des Unternehmens lehren.187 Tracey/Flinchbaugh berichten in einem Artikel mit dem Titel „HR’s Role in the Lean Organizational Journey“ (erschienen im WorldatWorkJournal, fourth quarter 2006) über die Ergebnisse einer von ihnen durchgeführten Umfrage unter 220 ManagerInnen und MitarbeiterInnen in Bezug zu Wirkungsvariablen für eine erfolgreiche Lean-Implementierung. Dabei identifizierten sie 5 Wirkungsvariablen:188 1) Die Entwicklung von Teams als unterstützende Struktur von Lean 2) Die Kalkulation und Kommunikation von Kennzahlen 3) Kommunikation zwischen Organisationsmitgliedern untereinander, speziell über Organisationsgrenzen (Abteilungen und Funktionen) hinaus 4) Aufklärung der Mitarbeiterrolle bei der Lean-Einführung durch die ManagerInnen 5) Die Anerkennung und das Feiern von Erfolgen am Weg zur Lean-Einführung In Bezug zur Rolle von HR bei einer Lean-Einführung weisen sie darauf hin, dass HR strategisch platziert ist, um diesen Prozess anzuführen. HR ist in der Praxis aber entweder gar nicht beteiligt und wenn doch, dann nicht in dem Ausmaß und Potential, welches HR für diesen Prozess beitragen kann.189 Tracey/Flinchbaugh gehen in ihrem Artikel auch der Frage nach, wie sich HR in den Lean-Einführungsprozess einbringen kann. Grundvoraussetzung dafür ist die Kenntnis darüber, wie der Entscheidungsprozess für eine Lean-Initiative etabliert wird, bevor HR eine entsprechende Rolle einnimmt oder entsprechende Beiträge leisten kann:190 187 Vgl. Jekiel 2011: 53 – übersetzt durch den Autor Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 50 ff. – übersetzt durch den Autor 189 Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 51 – übersetzt durch den Autor 190 Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 57 f. – übersetzt durch den Autor 188 60 „Gremium“- Lean Steering Committee Formales Lean Office (Lean Variante (häufigste Variante) Promotion Office) Direct Leadership Model Auslöser: „Lokale“ LeanInitiative einer Organisation bzw. Organisationseinheit sowie wenn die MitarbeiterInnenbeteiligung als vorher festgelegtes Ergebnis definiert wurde Gremium- Change-Agents aus allen Teilen MitarbeiterInnen mit hohem Lean- Meist eine Person (CEO, Line Teilnehmer der Organisation, die sich Lean Verständnis aus Teilen des Manager, verpflichtet fühlen, mit dem Ziel Managements, ProduktionsstättenleiterInnen) den Lean-Prozess zur Realität ProzessingenieurInnen, mit einer klaren Vision, was werden zu lassen (Vorteil: breite ProduktionsmitarbeiterInnen, aber Lean für ihn/sie selbst Reichweite und Repräsentation; mit mangelnden Change- bedeutet. Diese Vision basiert Nachteil: Fehlen klarer Management Fähigkeiten (Gefahr auf einer Sichtweise, wie die Entscheidungsprozesse und der Frustration durch Organisation arbeitet und „Ownership“) aussichtsloses Unterfangen bei performt. Herausforderung Lean-Initiative) dabei: Diese Person hat Schwierigkeiten, diese Vision den anderen so zu vermitteln, dass sie jeder versteht. Diese Person ist hoch aktiv und die anderen versuchen laufend zu folgen und zu verstehen, in welche Richtung sie gehen. HR-Beitrag in HR Fähigkeiten, wie z.B. Lean-Botschaft erstellen und unter Unterstützung bei der Gremium Personalbeschaffung und – die MitarbeiterInnen bringen, Zusammenstellung eines auswahl, Leistungsbeurteilung, Teamorganisation, Leadership Planes, die Vision in greifbare Team Building, Know-How, Verwendung von Handlungen zu übersetzen, Kommunikationsprozesse und bestehenden Systemen zur damit die MitarbeiterInnen Training um dem Gremium als Bereitstellung von Anreizen und verstehen, was diese Vision solches zu helfen, über seine Motivation genau ist und welchen Beitrag Grenzen hinauszuwachsen und sie diesbezüglich leisten die Erfolgsrate zu erhöhen können. Wie nimmt HR in Gremium wird HR-Teilnahme Gremium wartet nicht auf HR- Gremium teil? nicht ablehnen, da „jede Hilfe Teilnahme, da diese nicht wissen, benötigt wird“ mit den zur Verfügung stehenden HR-Fähigkeiten umzugehen. HR muss aktiv aufzeigen, um mitzumachen. Tabelle 2: HR-Beiträge in den unterschiedlichen Lean-Entscheidungsprozessen 191 191 Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 57 f. – übersetzt durch den Autor 61 Sobald HR einen Platz in einem dieser Gremien (bzw. Entscheidungsprozesse) eingenommen hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die zuvor genannten Wirkungsvariablen eine gesteigerte Aufmerksamkeit erhalten. Tracey/Flinchbaugh empfehlen HR daher:192 A) Sich zuerst einen Platz in einem der Gremien sichern B) Dann einen Weg finden, umgehend wertvolle Beiträge jenen zu liefern, die Lean möglich machen. 2.5.9 Die Rolle von HR in einem Lean-Transformationsprozess In ihrem Artikel „How Human Resource Departments Can Help Lean Transformation“ im TARGET Magazine (Vol 22, No 3, Third Issue 2006) der AME – Association for Manufacturing Excellence ergänzen Tracey/Flinchbaugh die Ergebnisse ihrer Studie um einige konkrete Handlungsempfehlungen für HR in Bezug zu den identifizierten Wirkungsvariablen im Rahmen einer Lean-Transformation.193 Die beiden AutorInnen betonen nochmals, das Lean mehr als Lean-Tools und LeanWerkzeuge ist. Es geht vor allem um über Menschen, Kultur, Leadership. Sie merken an, dass HR aber selten eine aktive Rolle im Lean-Transformationsprozess einnimmt und dass das Beitragspotential, sobald HR eine Rolle übernimmt, bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.194 Sie erläutern 4 Handlungsgebiete, in denen sich HR im Lean-Transformationsprozess positionieren und mitarbeiten soll:195 Kultur: Unterstützung bei der Schaffung einer Lean-Kultur, die eine Arbeitsumgebung schafft, die vor allem die Wirkungsvariablen 1) bis 4) unterstützt (siehe Seite 60). Recruiting von MitarbeiterInnen mit Lean-Charaktereigenschaften: Berücksichtigung von Lean-typischen Charaktereigenschaften wie z.B. Kommunikationsstärke, Teamarbeitsfähigkeit, Flexibilität in Bezug zum Arbeitsgebiet bei der Rekrutierung und Anstellung von MitarbeiterInnen. Tracey/Flinchbaugh 192 Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006a: 58 – übersetzt durch den Autor Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 5 ff. – übersetzt durch den Autor 194 Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 5 – übersetzt durch den Autor 195 Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 9 – übersetzt durch den Autor 193 62 führen an, dass Grundzüge dieser Lean-Charaktereigenschaften in den Menschen bereits vorhanden sein müssen, dass diese weiterentwickelt werden können. Entlohnungs-/Vergütungssystem: Schaffung eines fairen und passenden Entlohnungs-/Vergütungssystem im Rahmen einer Lean-Implementierung in Bezug zur Stärkung von Wirkungsvariable 5 (siehe Seite 60). Entwicklung, Auswahl und Bindung von Lean Leaders: Unterstützung bei der Entwicklung, Auswahl und Bindung von Lean-Führungskräften unter der Berücksichtigung von langfristigen, evolutionären Entwicklungsschritten. Die beiden Autoren weisen darauf hin, dass die 5 genannten Wirkungsvariablen allesamt hauptsächlich HR-relevante Themen sind und daher eine Domäne von HR sein sollte.196 Sie unterscheiden auch 2 Betrachtungsweisen in Bezug zu Lean und HR:197 Lean in Human Resources: Meint im Kontext von Lean das Vermeiden und Reduzieren von Verschwendung innerhalb der HR-Prozesse selbst. HR-enabled Lean: Meint, wie HR durch seine HR-Prozesse und HRFunktionen eine erfolgreiche Lean-Einführung in der gesamten Organisation unterstützt. 2.5.10 Die Rolle von HR in einem Lean-Unternehmen Jung weist auf die Diskussion um den zentralen Stellenwert von Organisation und Personalarbeit als Resultat der in Kapitel 1.1. genannten MIT-Studie hin, deren Erkenntnisse und leitende Prinzipien auch für eine systematische Personalarbeit in der gesamten Wertschöpfungskette auch außerhalb der Automobilindustrie in anderen Industrie- und Dienstleistungsbereichen bedeutsam sind.198 196 Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 9 – übersetzt durch den Autor Vgl. Tracey/Flinchbaugh 2006b: 9 – übersetzt durch den Autor 198 Vgl. Jung 2006: 907 197 63 Jung nennt dabei 3 Ebenen des Lean-Managements:199 Lean Management Techniken (z.B. Just in Time, Total Quality Control, etc.) Lean Management Grundsätze (z.B. Gruppenorientierung, Eigenverantwortung, permanentes Feedback, etc.) Lean Management Kultur (z.B. Permanente Lernorientierung, Wertschöpfungsorientierung, Kooperation, Humankapitalorientierung, etc.) Jung bezieht sich auf ExpertInnenprognosen und verweist auf eine stärkere Betonung der Selbstverwirklichung in der Arbeit, ausgelöst durch einen Wertewandel. Dabei wird die Identifikation unabhängig vom Ausbildungsniveau und der Hierarchiestufe bedeutungsvoller.200 Er betont weiters, dass die Ansätze zum Lean Management umfangreiche Konsequenzen für das betriebliche Personalmanagement mit sich bringen und benennt die innere Organisation als den Schlüssel für den Markterfolg eines Unternehmens.201 Jung hebt dabei u.a. nachfolgende Einflussbereiche des Personalwesens auf betriebliche Gestaltungsfelder im Lean Management hervor:202 MitarbeiterInnenorientierung o V.a. durch MitarbeiterInnenorientiertes Führungsverhalten und planvolle Organisations- und Personalentwicklung Einbeziehung der MitarbeiterInnen in Entscheidungen o Selbstkontrolle durch verantwortungsvolle MitarbeiterInnen und Freiraum durch die Führungskräfte führt zu gesteigerter Selbstmotivation o Förderlich dazu ist eine Organisation mit wenigen Hierarchiestufen Personalentwicklung durch Qualifizierung o Mit Focus auf das Anforderungsprofil der MitarbeiterInnen in Bezug zu Lean-Schlüsselqualifikationen wie z.B. Teamfähigkeit, Selbstorganisationsfähigkeit, Innovationsfähigkeit, etc. 199 Vgl. Jung 2006: 907 Vgl. Jung 2006: 907 201 Vgl. Jung 2006: 910 202 Vgl. Jung 2006: 910 f. 200 64 o Permanente Qualifizierung ist Grundlage für „lebenslanges Lernen“ o Qualifizierung durch Jobrotation Team-Bildung o Gruppenarbeit mit dem Ziel der Effektivitäts- und Effizienzsteigerung o Steigert Arbeitszufriedenheit und Motivation o Teambildung mit dem Ziel zur Etablierung von Prozessverantwortung o Sukzessiver Change-Prozess von Individual- zu Gruppenarbeit durch Intensivierung der Qualifizierung und Entwicklung neuer Perspektiven für SpezialistInnen und bisherige Leistungsträger Schnittstellengestaltung o Transformation von Schnittstellen zu Verbindungsstellen durch klare Stellenbeschreibungen und Organisationsbeschreibungen Das Feindbild „Arbeit“ abbauen o Durch gegenseitige Wertschätzung, welche zu Wohlbefinden am Arbeitsplatz führt o Schaffung einer Kultur, die Fehler erlaubt Entlohnungskonzepte o Einführung flexibler Entlohnungsformen, welche an der gesteigerten Arbeitsflexibilität innerhalb von Lean ausgerichtet wird Auch im Kontext von Lean für die Organisation der Personalentwicklungsarbeit nennt Gogoll einige Grundsätze bzw. Kernanforderungen:203 Integration der operativen Personalentwicklungsarbeit in die operative Linie (über Division und Vorgesetzte zu den einzelnen MitarbeiterInnen) Schaffung von „Kompetenz-Zentren“ wie z.B. für: zentrale Rekrutierung von Führungskräften, Entwicklungssteuerung von High-Potentials, etc. Dezentrale Personalentwicklungsarbeit wird durch föderalistisch entwickelte und dann „gesetzte“ Standards gesteuert Ablauforganisation der PE-Arbeit wird wie ein Produktionsprozess kontinuierlich verbessert (Kaizen). 203 Nachfolgeplanung als dauernde Aufgabe ist zu erhalten Vgl. Gogoll 1995: 177 65 „Make-or-Buy“-Überlegungen bei Personalentwicklungsmaßnahmen sind durchzuführen Die Personalabteilung nimmt bei Toyota eine einflussreiche Stellung ein. Das Aufgaben- und Tätigkeitsgebiet geht weit über die administrativen Personalaufgaben hinaus. Die Personalabteilung ist PartnerIn der Herstellung und eng mit der Produktionsleitung verflochten und damit auch in die täglichen Belange der Fertigungsteammitglieder involviert. Zu den Aufgaben der Toyota-Personalabteilung gehören u.a. die Karriereplanung der MitarbeiterInnen sowie die Ressourcen/Personalbedarfsplanung, welche auch eine stabile Beschäftigung sicherstellen soll. Die MitarbeiterInnen der Personalabteilung praktizieren selbst Genchi Genbutsu und verbringen Zeit in den Abteilungen selbst, um sich über die Entwicklungen im Unternehmen am Laufenden zu halten. Bei der Entwicklung von Führungskräften wird auf eine langfristige Perspektive Wert gelegt.204 Zur Ausrichtung und Messbarkeit von Zielen auf allen Unternehmensebenen ist bei Toyota das sogenannte Hoshin Kanri-System (engl. Policy Deployment) etabliert. Die Unternehmensziele werden Top-Down über alle Führungsebenen bis zu den einzelnen MitarbeiterInnen formuliert.205 Hoshin Kanri ist mit dem westlichen Management-by-Objectives vergleichbar, weist aber dennoch einige Unterschiede zu diesem auf:206 207 Abbildung 30: Management by Objectives versus hoshin kanri 204 Vgl. Liker/Hoseus 2009: 82 ff. Vgl. Liker/Hoseus 2009: 84 206 Vgl. Liker/Hoseus 2009: 545 207 Liker/Hoseus 2009: 546 205 66 Hoshin steht im Japanischen für „Kompass“ und Kanri für „Kontrolle“, was in Summe mit „Steuerung der Richtung und der Mittel“ übersetzt werden kann.208 Die Personalabteilung koordiniert Schulungen, welche ab dem Zeitpunkt des Eintritts der MitarbeiterInnen beginnen und in weiterer Folge in systematischer Form auf allen Organisationsebenen durchgeführt. Mitarbeiterschulungen und on-the-job Trainings finden aber zu Großteil von den ManagerInnen und Vorgesetzten in den jeweiligen Bereichen statt (diese Verhaltensweisen finden sich auch in den Beobachtungen von Mike Rother in Kapitel 2.5.3, welche er als Kata bezeichnet209). Die Jobrotation zur Ausweitung der Fertigkeiten außerhalb des angestammten Aufgabengebietes gehört ebenso zur Personalentwicklung der MitarbeiterInnen.210 Die zuvor genannte Studie der Bertelsmann-Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass bei Toyota die jeweilige Führungskraft den Kern der Aus- und Weiterbildung “on the job“ bildet. Die Grundsätze des Toyota Personalmanagements sind der Rahmen für Kompetenzentwicklung „on the job“, dem Leben und Lernen der Toyota-Kultur verbunden mit der jeweiligen Rolle der MitarbeiterInnen und der Schaffung eines vertrauensbildenden Arbeitsumfeldes.211 Liker/Hoseus beschreiben in einem Artikel für den Industry Month Guide 2008 der Economic Development for Central Oregon 3 Möglichkeiten, wie sich die Rolle von HR durch Einführung von Lean Production verändern kann:212 1) Unterstützende Rolle bei der Identifikation und Reduzierung von Verschwendung durch Bereitstellung von Auswertungen aus Daten zu indirekter und direkter Lohnkosten, um festzustellen, ob z.B. der Overhead „Lean“ ist. 2) HR ist selbst das Lean-Subjekt, wo gefragt wird, wie Verschwendung aus HRProzessen eliminiert Einstellungsprozess werden oder kann durch das (z.B. durch Eliminieren Wertstromanalysen nicht im wertschöpfender Arbeitsschritte z.B. durch Outsourcing an einen günstigeren externen Partner). 3) Jene Rolle, die dem Toyota-Weg von Lean aber am meisten entspricht, wäre: Was trägt HR zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer Toyota-Kultur (im Sinne von Lean) bei? 208 Vgl. Liker/Hoseus 2009: 518 Vgl. Kapitel 2.5.3 210 Vgl. Liker/Hoseus 2009: 194 ff. 211 Vgl. Sackmann 2005: 29 212 Vgl. Liker/Hoseus 2008: 26 209 67 Laut Jekiel soll HR hinsichtlich des HR-Rollenbildes ein/e strategische/r PartnerIn werden, die/der das Unternehmen dabei unterstützt, Erträge zu steigern und Kosten zu senken. Dafür sind ein klares Verständnis der Unternehmensstrategie und die Fähigkeiten innerhalb von HR zur Mitarbeit bei der strategischen Planung erforderlich.213 Hinsichtlich eines weiteren Rollenbildes soll sich HR zu einem „Champion für Verbesserung“ entwickeln. HR ist deswegen dafür prädestiniert, da vieles, was zu einer Veränderung hin zu einer Lean Organisationskultur erforderlich ist, sich in den Schulungsprogrammen von HR befindet. HR soll in diesem Zusammenhang eine aktive und bedeutende Führungsrolle einnehmen, da es eine Unternehmenskultur schafft, die sich in besseren Unternehmensergebnissen niederschlägt. 214 Durch das Schaffen von HR-Prozesslandkarten soll auch innerhalb von HR selbst evaluiert werden, welche Prozesse verbessert werden können. Dabei werden Prozessbeginn, Inhalt des Prozessschrittes sowie Prozessende dokumentiert.215 Folgende HR-Prozesse sollen dabei analysiert werden:216 Auswahl, Beschaffung und Orientierung von Personal Durchführung von Trainings- und Entwicklungsprogrammen Überwachung der MitarbeiterInnenleistung Behandlung von Anerkennung und Entlohnung Administration von Sozialleistungen Gehaltsabrechnung Durchführung von MitarbeiterInnenumfragen Jekiel spricht in ihrem Buch in Bezug zu Lean hauptsächlich im Kontext der „kontinuierlichen Verbesserung“. In diesem Zusammenhang nennt sie einige Konzepte zur Schaffung einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung: 217 Kundenfocus Kontinuierliche Verbesserung 213 Vgl. Jekiel 2011: 54 – übersetzt durch den Autor Vgl. Jekiel 2011: 54 – übersetzt durch den Autor 215 Vgl. Jekiel 2011: 73 f. – übersetzt durch den Autor 216 Vgl. Jekiel 2011: 68 – übersetzt durch den Autor 217 Vgl. Jekiel 2011: 98 f. – übersetzt durch den Autor 214 68 Breite MitarbeiterInnenbeteiligung Prozessmanagement Sachbezogenes, team-basiertes Lösen von Problemen Visuelle Messung Visionäres Leadership HR kann in allen diesen genannten Punkten mitarbeiten. Am Beispiel der kontinuierlichen Verbesserung kann dies so erfolgen:218 Verbesserung als Grundeinstellung und somit Voraussetzung beim Rekrutierungsprozess von Führungskräften Entwicklung von Fähigkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung im Rahmen von HR-Schulungsprogrammen Zur Schaffung MitarbeiterInnen einer ist Kultur es der kontinuierlichen erforderlich, Verbesserung entsprechende bei allen Verhaltensweisen und Fähigkeiten in die Jobbeschreibungen einzubauen. Diese Aspekte sind auch bei den Jobanforderungen zur Rekrutierung von neuen Führungskräften zu berücksichtigen. Fähigkeiten der kontinuierlichen Verbesserung werden auch in HR Schulungsprogramme eingebaut, damit die MitarbeiterInnen lernen, wie man Ergebnissteigerungen erzielt.219 Dies geschieht durch die Schaffung eines Kompetenzmodells, welches wiederum die Basis für die meisten HR-Schulungsprogramme bildet. In Bezug zu den Jobinhalten können 4 Kompetenzgruppen innerhalb dieses Modells unterschieden werden:220 Gesamte Organisation Jeder/jede in einer Führungs- bzw. Management-Rolle Funktionsbezogen Positionsbezogen bzw. Job-spezifisch 218 Vgl. Jekiel 2011: 100 – übersetzt durch den Autor Vgl. Jekiel 2011: 100 – übersetzt durch den Autor 220 Vgl. Jekiel 2011: 143 f. – übersetzt durch den Autor 219 69 2.5.11 Personalentwicklung durch Aus- und Weiterbildung im Kontext von Lean Im Jänner 2002 wurde das Toyota Institute als interne HR- Personalentwicklungseinheit gegründet, um den Toyota Weg innerhalb der Organisation zu promoten. Seit 2003 haben Toyota Tochtergesellschaften in den USA, Europa (Belgien), Asien (Thailand, China), Afrika (Südafrika) und Ozeanien (Australien) ihre eigenen HR Trainingsorganisationen nach dem Modell des Toyota Instituts gegründet.221 Personalentwicklung Zusammenspiels ist vom ein Toyota Teil des Weg Toyota mit Gesamtverständnisses verschiedenen und personalrelevanten Themenblöcken. Im Rahmen der PE wird OJT („on the job Training“) explizit als wesentliches Element genannt. Den Ausgangspunkt für die Personalentwicklung bei Toyota bildet das Ziel der Vermittlung des Toyota Weges in die Praxis (= „Mission“ des Toyota Instituts). Verschiedene Ausbildungsprogramme auf Basis der jeweiligen Jobbeschreibungen und Qualifikationsstufe dienen zur Erweiterung von Expertise und Fähigkeiten der MitarbeiterInnen, um „gutes Verbesserungsaktivitäten Denken“, „gute (Kaizen-Aktivitäten) Produkte“ zu voranzutreiben. verfolgen Die und praktischen Fähigkeiten werden durch Vorträge vermittelt und dann durch die Praxis erprobt und umgesetzt. Die MitarbeiterInnen-Ausbildung wird bei Toyota dabei immer unter der „Genchi Genbutsu“-Philosophie (bei Toyota bedeutet Genchi Genbutsu, sich an den Ort des Geschehens zu begeben, um die eigentliche Situation zu sehen und zu verstehen222) adressiert.223 221 Vgl. [Internet]: <http://www.toyotaglobal.com/company/vision_philosophy/globalizing_and_localizing_manufacturing/> 3. Oktober 2012 – übersetzt durch den Autor 222 Vgl. Liker 2011: 316 223 Vgl. [Internet]: <http://www.toyota-global.com/sustainability/stakeholders/employees/> 3. Oktober 2012 – übersetzt durch den Autor 70 Abbildung 31: Education System – Toyota Motor Corporation Website 224 Gogoll weist darauf hin, dass Personalentwicklung sich ebenso nach Lean-Prinzipien auszurichten hat. Dies geschieht durch nachfolgende Maßnahmen:225 Organisationsstruktur und organisatorische Abläufe der Personalentwicklung sind Lean zu gestalten Inhalte sind komplett auf die Lean-Organisation ausgerichtet Einsatz von Methoden, die den Anforderungen von Lean entsprechen Dabei ist zu beachten, dass für diese Maßnahmen und die PE selbst das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung (wie in der Produktion) anzuwenden ist.226 Gogoll zählt weiters einige PE-Maßnahmen auf, welche den Lean-Prinzipien Rechnung tragen, u.a.:227 Förderung von Lernen am Arbeitsplatz selbst Rekrutierung der richtigen Talente Unterstützung der MentorInnen und Ausbildung von Führungskräften zu „Coaches“ und PersonalentwicklerInnen Lernen durch Projekttätigkeit Schulungen und Trainings werden den Lean-Prinzipien des Unternehmens nach ausgerichtet 224 Vgl. [Internet]: <http://www.toyota-global.com/sustainability/stakeholders/employees/> 3. Oktober 2012 225 Vgl. Gogoll 1995: 177 226 Vgl. Gogoll 1995: 177 227 Vgl. Gogoll 1995: 178 ff. 71 Berücksichtigung, dass Personalentwicklung auch gleichzeitig Organisationsentwicklung bedeutet Die Bedeutung der Ressource MitarbeiterIn betonen auch Dahm/Haindl. Viele Unternehmen fokussierten bei der Umsetzung der Lean-Ansätze zu sehr auf Kostensenkungen und Rationalisierungen und ließen gleichzeitig aber den Grundsatz der Personalentwicklung außer Acht. Dies bedeutete erhebliche Komplikationen bei der Umsetzung, denn „wer nicht das Wissen der MitarbeiterInnen und deren Motivation ins Zentrum der Verbesserungen bringt, wird immer scheitern“ (Aussage eines Toyota-Managers eines Werkes in den USA).228 Bösenberg/Mentzen betonen, dass die Qualifikation und permanente Weiterbildung der MitarbeiterInnen eine wesentliche Rolle spielen, damit diese ihre eigenen Ideen zur Verbesserung des Arbeitsbereichs entsprechend aufzeigen und einbringen können. In der Breite findet dies durch Job-Rotation statt, welches sich in einer Flexibilität der Einsetzbarkeit bemerkbar macht. In der Tiefe durch verschiedene Methoden der Problemlösung und Qualitätskontrolle.229 In Bezug zur Personalentwicklung in schlanken Unternehmen weist Heimerl-Wagner auf nachfolgende Erfordernisse hin:230 Vermittlung von entsprechenden Fähigkeiten zur Durchführung von kontinuierlicher Verbesserung Mehrfachqualifizierung und Mehrfachspezialisierung sowie Prozesskompetenz der MitarbeiterInnen Förderung von Mehrfachqualifikationen auf fachlicher, sozialer und konzeptueller Ebene aufgrund der teamorientierten Strukturen 2.5.12 Personalentwicklung durch Karrieremanagement im Kontext von Lean In Bezug zu Karrieren verweisen Womack/Jones/Roos darauf, dass man im Westen gewohnt ist, Karriere als kontinuierlichen Aufstieg zu immer höheren Ebenen des 228 Vgl. Dahm/Haindl 2011: 58 f. Vgl. Bösenberg/Metzen 1992: 13 230 Vgl. Heimerl-Wagner 1995: 40 f. 229 72 fachlichen Wissens und Könnens in immer engeren Spezialbereichen bei gleichzeitiger Ausweitung der Anzahl an untergebenen MitarbeiterInnen zu verstehen. Im Gegenzug dazu steht in der schlanken Produktion die Ausweitung der Fähigkeiten im Rahmen von Teams im Vordergrund, was bedeutet, dass weniger fundiertes Spezialwissen erlangt wird, welches auch die Möglichkeit für Firmenwechsel einschränkt. Um MitarbeiterInnen in dieser Arbeitsumgebung zu entwickeln ist es erforderlich, immer neue hohe Aufgaben zu geben, damit bei diesen das Gefühl der Wertschätzung in Bezug zu ihrem Wissen und ihren Fertigkeiten entstehen kann. Diese ständigen Herausforderungen sind wichtig, damit die MitarbeiterInnen nicht das Gefühl bekommen, bereits einen Karriereendpunkt erreicht zu haben. Dies würde somit bedeuten, dass sie ihr Engagement und ihr Wissen zurückhalten würden, womit dabei der Hauptvorteil in der schlanken Produktion verloren gehen würde.231 In Bezug zu den Karrieremöglichkeiten erwähnen Womack et al., dass es in Bezug zur Produktion wichtig ist, den MitarbeiterInnen durch immer anspruchsvollere Problemlösungen die Möglichkeit zur Erweiterung der eigenen Fähigkeiten zu geben. Die Problemlösung ist der wichtigste Teil der Arbeit. Dies ist insofern bedeutsam, da in der schlanken Produktion nicht immer eine hierarchische Beförderung zu Abteilungs- oder Werksleitern möglich ist. In japanischen Unternehmen ist die Entlohnung zudem von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig. Es gibt aber auch Leistungszuschläge. Die schlanken Unternehmen mit flacher Hierarchie kommunizieren ihren MitarbeiterInnen, dass ihre stetig steigende Problemlösungskompetenz ein wichtiger Beitrag für Lean und das Unternehmen darstellt, auch wenn sich ihre Titel nicht ändern. MitarbeiterInnen mit diesen erweiterten Fähigkeiten wechseln in andere Teams, um dort mitzuarbeiten und ihr Wissen einzubringen, sowie sich neues Wissen im neuen Team anzueignen. 232 Womack et. al. betonen weiters, dass in japanischen Unternehmen vor allem BerufsanfängerInnen eingestellt werden und diese dann das Unternehmen nicht mehr verlassen, da wie bereits vorher erwähnt die Entlohnung an die Betriebszugehörigkeit geknüpft ist. Das westliche Karriereverständnis ist dazu ein 231 232 Vgl. Womack et al. 1992: 20 Vgl. Womack et al. 1992: 209 f. 73 ganz anderes, außerdem betont es die Entwicklung von „portablen“ Fähigkeiten. Diese können bei einem Jobwechsel ihre erworbenen Fachkenntnisse in ein anderes Unternehmen mitnehmen. Dafür sei auch das westliche Bildungssystem, welches nach Fachkompetenzen gegliedert ist, und den Absolventen eine entsprechende Befähigung attestiert, verantwortlich. Für die schlanke Produktion sind jedoch teamorientierte, lernwillige, GeneralistInnen erforderlich, die vor allem in ihren jeweiligen Teams erfolgreich sind. Daraus resultiert die Gefahr des Gefühls von Gefangensein und würde bedeuten, dass Kenntnisse und Engagement zurückgehalten werden. Die Autoren regen daher bei der Einführung von Lean in westlichen Unternehmen an, ihre Personalsysteme und Karrierewege zu überdenken.233 Aufgrund flacher Hierarchien in einem schlanken Unternehmen weist HeimerlWagner auf das Erfordernis der Trennung von beruflichem Aufstieg und Hierarchie hin. Dies bedingt die Etablierung von integrierten Karriereplanungskonzepten für Fach- und Führungskräfte, Orientierungsgesprächen welche basieren. auf strukturierten Personalentwicklung in MitarbeiterInneneinem schlanken Unternehmen ist viel stärker in der „Linie“ zu verankern.234 Da in einem schlanken Unternehmen Ebenen und Positionen wegfallen, die mit der Organisation von Arbeit zu tun hatten und der immer größere Anteil der MitarbeiterInnen direkt mit wertschöpfenden Tätigkeiten beschäftigt ist, ist es auch erforderlich, neue Karrieremöglichkeiten auszuarbeiten. Womack/Jones nennen dies „alternierende Karriere“, bei dem MitarbeiterInnen sich hin und her bewegen zwischen der Anwendung von erworbenem Wissen in einem Team und dem Erwerben neuer Fähigkeiten auf der Basis von Funktionen. Ein Beispiel ist die temporäre Mitarbeit bei einem Projekt und eine darauffolgende Rückkehr in die angestammte Tätigkeit, wo wiederum die neuen Fertigkeiten gelernt werden oder in fortgeschrittenen Projekten mitgearbeitet wird.235 233 Vgl. Womack et al. 1992: 262 f. Vgl. Heimerl-Wagner 1995: 42 235 Vgl. Womack/Jones 2004: 327 f. 234 74 Das bisherige Karrieremodell des Aufstiegs in leitende Positionen mit immer mehr Untergebenen muss aufgegeben werden, da dies für den Wertstrom eines Produktes nicht von Nutzen ist. Ein neues Karrierekonzept ist erforderlich, welches die Erwerbung immer neuer Fähigkeiten verbunden mit der Lösungsorientierung von immer schwierigeren Problemen berücksichtigt.236 2.5.13 Lean Production als Form der Arbeitsorganisation Gonzalez/Almond analysieren vor dem Hintergrund des komparativen HRM die Forschung und Ergebnisse aus dem Bereich „Flexible Arbeitspraktiken“, da die Suche nach „Flexibilität“ ein beständiges Hauptmotiv für HRM darstellt.237 Das gestiegene Interesse zur Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitssystemen resultierte aus der Forschungsarbeit der 1980er Jahre, in dem die Unterschiede zwischen westlichen und japanischen Managementmethoden eingehend analysiert wurden (siehe auch Kapitel 2.3.1). Aus der Analyse von amerikanischer HRM-Literatur zu diesem Thema lässt sich schließen, dass jene innovativen HRM-Praktiken die Produktivität erhöht haben, die nachfolgende Merkmale aufwiesen:238 Verwendung von Systemen entsprechender Arbeitspraktiken, welche so ausgelegt sind, die Partizipation und Flexibilität der MitarbeiterInnen einerseits durch die Arbeitsausgestaltung sowie andererseits die Dezentralisierung von Führungsaufgaben und Führungsverantwortung zu steigern Nach Gonzalez/Almond239 hat die Forschung der Arbeitsflexibilität die Phase der „Post Lean Produktion“ erreicht. Diese basiert auf den vorherrschenden „bestpractice“ HRM- und Arbeitsorganisation-Modellen, welche aus einer Mischung von japanischen Arbeitsorganisationspraktiken (oder vielmehr einer „westlichen“ Interpretation davon – siehe Kapitel 1.1 / „Lean Production“) und neo-liberalen amerikanischen HRM-Ideen besteht. Durch die internationale Verbreitung dieser Modelle durch amerikanische und japanische multinationale Unternehmen und in 236 Vgl. Womack/Jones 2004: 328 Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 322 – übersetzt durch den Autor 238 Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 324 f. – übersetzt durch den Autor 239 Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 326 f. – übersetzt durch den Autor 237 75 weiterer Folge Nachahmung in anderen Firmen ergibt sich eine Vielfalt von Ausprägungen, welche bereits 1994 durch Appelbaum und Batt identifiziert wurden und hier beispielhaft angeführt werden: Schwedische sozio-technische Systeme Japanische Lean Produktion Amerikanische Lean Produktion Amerikanische Team Produktion Gonzalez/Almond240 verweisen in Bezug zu quantitativer Forschung auch auf die Ergebnisse einer Sekundäranalyse mit dem Titel „Working Conditions in the European Union: Work organisation“241 (Zusammenfassung publiziert am 19. September 2008242) auf Basis der vierten Europäischen Erhebung243 über Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (EUROFUND - European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions), welche 2005 von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (EUROFUND) durchgeführt und ein entsprechender Bericht 2007 publiziert wurde. In dieser Sekundäranalyse wurden Untersuchungen zu den unterschiedlichen Formen der Arbeitsorganisation in Europa auf Basis unterschiedlicher Merkmale (strukturelle, demografische, länderübergreifende) durchgeführt. Auf Basis dieser Merkmale wurden die verschiedenen Formen bestimmt und Zusammenhänge zwischen Arbeitsorganisation und den unterschiedlichen Dimensionen der Qualität von Arbeit und Beschäftigung eingehender betrachtet. Weiters enthält die Studie eine Analyse hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen der Arbeitsorganisation und der Praxis des Personalmanagements.244 Dabei wurden nachfolgende 4 Hauptformen der Arbeitsorganisation herausgearbeitet. 240 Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 335 – übersetzt durch den Autor Vgl. Valeyre et al. 2009 242 Vgl. EUROFUND 2008 243 Vgl. Parent-Thirion et al. 2007 244 Vgl. EUROFUND 2008: 1 241 76 Merkmale bzw. Ausprägungen Hauptform der %-Anteil basierend auf Arbeitsorganisation aller EU-27 Analysen und Variablen Selbstbestimmtes Lernen Hohes Maß am Autonomie am Arbeitsplatz (Discretionary Learning) Lernen und Problemlösungstechniken Komplexität der Aufgaben 38% Selbstbewertung der Arbeitsqualität Autonome Teamarbeit (in geringerem Maße) Schlanke Produktion (Lean Production) Höheres Maß an Teamarbeit und Jobrotation Selbstbewertung von Arbeitsqualität 26% Qualitätsnormen Faktoren, die das Arbeitstempo hemmen Geringe Autonomie bei der Arbeit (vor Tayloristische Arbeitsorganisation allem hinsichtlich der Arbeitsmethoden) Geringe Lerndynamik Geringe Komplexität Überrepräsentation der Variablen, die das 20% Arbeitstempo hemmende Faktoren, den repetitiven Charakter und die Monotonie der verrichteten Aufgaben sowie die Qualitätsnormen messen Traditionelle bzw. einfach strukturierte Formen der Sämtliche Variablen der Arbeitsorganisation sind unterrepräsentiert Methoden sind weitgehend informeller Arbeitsorganisation 16% Natur und nicht in kodifizierter Form festgelegt. Tabelle 3: Arbeitsorganisation in den EU-27 Ländern 245 Die in den EU-27 Ländern vorherrschenden Formen der Arbeitsorganisation variieren hinsichtlich verschiedener Dimensionen, wie z.B. in Bezug zu Land (siehe Abbildung 49), Wirtschaftszweig, Erwerbstätigkeit.246 Die nachfolgende Tabelle zeigt die Formen, deren Merkmale bzw. Ausprägungen sowie die Verteilung der 4 Formen innerhalb der 27 EU-Mitgliedsstaaten. 245 246 Vgl. EUROFUND 2008: 1 Vgl. EUROFUND 2008: 1 f. 77 Abbildung 32: Distribution of work organisation classes, by country (%) 247 Ein weiteres Merkmal zur Unterscheidung der verschiedenen Formen der Arbeitsorganisation bilden die Maßnahmen des Personalmanagements. Entscheidende Rollen spielen dabei:248 Strategien im Bereich der Weiterbildung Art des Arbeitsvertrags Art des Entlohnungssystems Konsultations- und Diskussionsmechanismen in Arbeitsfragen So sind zum Beispiel in den Arbeitsorganisationsformen des „selbstbestimmten Lernens“ sowie der „schlanken Fertigung“ nachfolgende Merkmale tendenziell vorhanden:249 Höherwertiges Weiterbildungsangebot des/der ArbeitsgeberIn 247 Valeyre et al. 2009: 22 Vgl. EUROFUND 2008: 2 249 Vgl. EUROFUND 2008: 2 248 78 Verstärkter Einsatz variabler oder auf Anreizmodellen basierende Entlohnungssysteme Sicherere Arbeitsverhältnisse mit einem größeren Anteil an unbefristeten Arbeitsverträgen Stärkere Einbindung der ArbeiternehmerInnen in Konsultations- und Diskussionsprozessen in Arbeitsfragen Vor allem aus den Ergebnissen dieser Sekundäranalyse schließen Gonzalez/Almond in Bezug zu ihren Forschungen zur funktionalen Flexibilität auf hohe Unterschiede in den verschiedenen Ländern (in diesem Fall lag der Focus auf die EU-27) ungeachtet der verschiedenen Kräfte der Annäherung zueinander (Konvergenz). 250 2.6 Zusammenfassung der Theorie – Teilantwort der Forschungsfrage Forschungsfrage: Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean Human Resources und welche Auswirkungen hat konkret die Einführung von Lean auf die Position sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources sowie Personalentwicklungsmaßnahmen im Aus- Besonderen und auf Weiterbildung die sowie Karrieremanagement? Diese Frage kann aus Theorie bzw. den Literaturanalysen heraus nicht vollständig beantwortet werden, da die zur Verfügung stehenden Informationen und Daten hauptsächlich auf Toyota und US-amerikanische Unternehmen Bezug nehmen. Eine entsprechende Beantwortung in Bezug zu österreichischen Unternehmen wird durch die empirische Analyse erwartet. Nachfolgend erfolgt insofern eine Teilbeantwortung der Forschungsfrage, als dass die gewonnen Erkenntnisse in Bezug zur Forschungsfrage gestellt werden, um damit einen theoretischen Rahmen für eine Überleitung zum empirischen Teil zu bilden. 250 Vgl. Gonzalez/Almond 2012: 338 – übersetzt durch den Autor 79 2.6.1 Was versteht die Theorie unter Lean?251 In Kapitel 2.4.7 wurde bereits darauf verwiesen, dass das Toyota Production System heute immer noch als Best Practice zitiert wird und als Quelle jeglichen Lean Gedankentums gilt.252 Die Ausgangsbasis zur Beantwortung dieser Frage bildet daher die Definition des TPS gemäß Abbildung 13 in Kapitel 2.3.1:253 „Das Toyota Production System versetzt Mitarbeiter in die Lage, die Qualität durch ständige Verbesserung von Prozessen und Vermeidung der Verschwendung von natürlichen, menschlichen und unternehmerischen Ressourcen zu optimieren. Das TPS wirkt sich auf jeden Aspekt unserer Organisation aus und beinhaltet eine gemeinsame Basis an Werten, Wissen und Verfahren. Die Mitarbeiter werden mit gut definierten Verantwortlichkeiten in jedem Produktionsschritt betraut und jedes Teammitglied wird ermutigt, nach Verbesserungen zu streben.“ Die Verbesserung von Prozessen und die Vermeidung von Verschwendung führen dabei nicht nur auf der Ebene der Prozesse, sondern auch in der Organisationstruktur eines Unternehmens zu einer „Verschlankung“. „Verschlankung“ im Sinne von Verbesserung und Vermeidung von Verschwendung ist keine einmalige Aktivität, sondern ein kontinuierlicher, ständig andauernder Prozess. Diese eine gesamte Organisation betreffende „Verschlankung“ führt gleichzeitig zu höherer Effizienz und Effektivität eines Unternehmens und letztlich zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Maßnahmen zur „Verschlankung“ werden einerseits im Rahmen umfassender begrifflicher Konzepte wie z.B. Lean, Lean Six Sigma, Lean Sigma, als auch im Rahmen aller Unternehmensaktivitäten, die zur Steigerung der Effizienz und Effektivität führen (und dabei gleichzeitig nicht explizit Lean genannt werden), umgesetzt. Bei der Einführung von Lean sind unterschiedliche rechtliche, ökonomische und kulturelle Unterschiede (je nach Land) zu berücksichtigen. 251 Vgl. Kapitel 2 Vgl. Kapitel 2.4.7 253 Kapitel 2.3.1 252 80 2.6.2 Was versteht die Theorie unter Lean Human Resources?254 Der Begriff Lean Human Resources wird in der Theorie äußerst selten genannt und tritt dabei in Bezug zur Forschungsfrage in zweifacher Form in Erscheinung: 1. Lean Human Resources im Kontext der Rolle von Human Resources als Organisationeinheit diese Form wird auch als „HR-enabled Lean“ bezeichnet und beschreibt, wie HR durch seine HR-Prozesse und HR-Funktionen Lean in der gesamten Organisation unterstützt. Punkt 1. wird im Kapitel 2.6.4 näher erläutert. 2. Lean Human Resources im Kontext der Prozesse von Human Resources (als Organisationeinheit) Damit ist die Vermeidung und die Reduzierung von Verschwendung innerhalb der HR-Prozesse selbst gemeint. Mittels Erstellung von HR-Prozesslandkarten sollen die eigenen HR-Prozesse verbessert werden. Dabei ist Verschwendung innerhalb von HR-Prozessen selbst zu eliminieren. Verschwendung HR muss daher auch Lean-Fähigkeiten erwerben, zu identifizieren (z.B. durch Wertstromanalysen um im Einstellungsprozess oder das Eliminieren nicht wertschöpfender Arbeitsschritte z.B. durch Outsourcing an einen günstigeren externen Partner). Die Verbesserung der HR-Prozesse führt dabei zu besseren Services für die „internen HR-Kunden“ im Unternehmen (Management, Führungskräfte, MitarbeiterInnen). Innerhalb der Literatur lässt sich noch eine 3. Erscheinungsform identifizieren, die zwar nicht konkret dem Begriff Lean Human Resources zugeordnet ist, aber genauso auf diesen Begriff anzuwenden ist. Gemeint sind die Arbeitsorganisation sowie die Handlungsweisen - die den Attributen von Lean entsprechen - und von den MitarbeiterInnen (Human Resources in diesem Fall für den Produktionsfaktor MitarbeiterIn) im täglichen Arbeitsablauf umgesetzt werden. 254 Vgl. Kapitel 1 und 2 81 Diese Erscheinungsform könnte analog der Punkte 1. und 2. so beschrieben werden. 3. Lean Human Resources im Kontext der Lean-Arbeitsabläufe, welchen von den MitarbeiterInnen (= Human Resources als Produktionsfaktor) angewendet und umgesetzt werden. Dazu finden sich in der Literatur nachfolgende Charakteristiken: Das Wissen der MitarbeiterInnen und deren Motivation sind das Zentrum der Verbesserungen. MitarbeiterInnen stellen nicht bloß einen Kostenfaktor dar, sondern sind TrägerInnen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Dabei sind Fehler der Ausgangspunkt für Verbesserungen. MitarbeiterInnen werden zu hochqualifizierten ProblemlöserInnen, die permanent über Verbesserungen nachdenken. Im täglichen Arbeitsablauf wird die Teamarbeit immer wichtiger und die Selbstverantwortung der MitarbeiterInnen wird im Rahmen ihrer Arbeitsprozesse gefördert. Dabei sollen die MitarbeiterInnen entsprechend ihrer Fähigkeiten optimal eingesetzt werden. Den Rahmen bildet dabei die Etablierung einer Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung verbunden mit einem Verständnis für Menschen und deren Motivation (z.B. bei Toyota, das seine MitarbeiterInnen als eigene Gruppe von Stakeholdern im Rahmen der CSR betrachtet. An 1. Stelle der Zielsetzungen steht dabei die Personalentwicklung). In diesem Zusammenhang sind auch die Durchführung von Stimmungs- und Meinungsumfragen bei MitarbeiterInnen von Bedeutung. 82 2.6.3 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der Organisationseinheit Human Resources? In der analysierten Literatur fand sich dazu kein Hinweis. Eine theoretische Beantwortung dieser Frage ist somit nicht möglich. 2.6.4 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der Organisationseinheit Human Resources?255 HR soll „strategische/r PartnerIn“ werden, um das Unternehmen zu unterstützen, Erträge zu steigern und Kosten zu senken. Die HR-MitarbeiterInnen benötigen dabei Fähigkeiten zur Mitarbeit bei strategischer Planung und ein Verständnis der Unternehmensstrategie. HR ist aktiv in Bezug zu Karriereplanung und Ressourcenplanung. Gleichzeitig sollen HR-Kompetenzzentren für Rekrutierung und Personalentwicklung geschaffen werden. HR soll selbst zum Champion (Vorbild) der Verbesserung werden. Die damit gemeinte Verbesserung der HR-Prozesse wurde im Kapitel 2.6.2 bereits behandelt. Dabei sind Strategien zur Angleichung von Human Resources Prozessen an eine nach Lean ausgerichtete Unternehmensstrategie zu entwickeln. Der Change-Prozess zur Lean-Organisationskultur ist durch HR-Schulungsprogramme beeinflussbar. HR soll daher eine aktive Führungsrolle einnehmen. Des weiteren unterstützt HR im Umgang mit Widerständen aus den Änderungen des Führungsverhaltens auf dem Weg zu einer Lean-Organisation. HR sollte sich gleich zu Beginn bei der Einführung einer Lean-Kultur aktiv einbringen bzw. engagieren, um in Gremien, welche im Rahmen einer Lean-Einführung etabliert werden, mitzuarbeiten. Wird Lean als Change-Management-Ansatz betrachtet, ist zu berücksichtigen, dass Wandel Grund und Vision benötigt. Im Rahmen dieser Veränderungsprozesse kommt dabei den Mitgliedern des mittleren Managements als Change-ManagerInnen eine tragende Rolle zu. Auch in diesem Kontext hat HR eine begleitende und unterstützende Rolle inne, da seitens HR die Möglichkeiten besteht, 255 Vgl. Kapitel 2 83 Arbeitskulturen zu beeinflussen und zu verändern (z.B. durch Aufklärung der Mitarbeiterrolle bei einer Lean-Einführung). Die wichtigste Frage in diesem Zusammen ist: Was trägt HR zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer LeanUnternehmenskultur bei? Durch die Bereitstellung Verschwendung im und Auswertung Unternehmen in Bezug von zur Daten seitens HR kann MitarbeiterInnenressourcen identifiziert werden (u.a. in Form von Daten der indirekten und direkten Lohnkosten, um festzustellen, ob z.B. der Overhead „Lean“ ist). Die soeben genannten Rollen weisen auf das Erfordernis einer umfassenden HR Business PartnerIn-Rolle hin. Bei der Einführung von Lean ist das Entlohnungs-/Vergütungssystems zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechend der Lean-Arbeitsprinzipien neu aufzustellen. In Bezug zur Arbeitsorganisation hat HR die Aufgabe, die Kommunikation zwischen Organisationsmitgliedern untereinander, speziell über Organisationsgrenzen (Abteilungen und Funktionen) hinaus zu fördern. Weiters sind die Job- bzw. Rollenprofile der MitarbeiterInnen zu evaluieren und entsprechend dem Lean-Zugang des Unternehmens anzupassen bzw. zu aktualisieren. Die Mitarbeit bei der Entwicklung und Etablierung von Teams als unterstützende Struktur von Lean ist ein weiterer wichtiger Faktor. Lean-Know-How ist innerhalb der Organisationseinheit HR zu etablieren. Durch die Lean-Fähigkeiten bzw. Lean-Kenntnisse innerhalb von HR ist es HR dadurch möglich, selbst Trainings durchzuführen (neben der Koordination von LeanSchulungen). Die MitarbeiterInnen der Personalabteilung praktizieren selbst Genchi Genbutsu und verbringen Zeit in den Abteilungen selbst, um sich über die Entwicklungen im Unternehmen am Laufenden zu halten (bei Toyota bedeutet 84 Genchi Genbutsu, sich an den Ort des Geschehens zu begeben, um die eigentliche Situation zu sehen und zu verstehen256). Lean ist bereits beim Recruiting von MitarbeiterInnen zu berücksichtigen, in dem beim Rekrutierungsprozess besonders auf die entsprechenden Lean– Charaktereigenschaften geachtet wird. HR unterstützt beim Design neuer MitarbeiterInnenführungsprozesse nach LeanPrinzipien. Dies ist vor allem für die Rolle und das Verhalten der Führungskräfte innerhalb von Lean von großer Bedeutung. Führungskräfte stellen eine wichtige Säule innerhalb von Lean dar. Diese sind vor allem durch interne Rekrutierung auszuwählen, langfristig zu entwickeln und durch geeignete Führungskräfteprogramme an das Unternehmen zu binden. Führungskräfte sollen zu Vorbildern, Lean-Leaders entwickelt werden. Führungskräfte sind GestalterInnen der Unternehmenskultur mit dem Ziel des Erschaffens einer lernenden Organisation. Der Führungsstil wird als „dienende Führung“ bezeichnet. Dabei nehmen Führungskräfte auch MentorInnenrollen ein und coachen die MitarbeiterInnen, um deren Verbesserungsfähigkeit zu entwickeln. Verbesserung ist eine Grundeinstellung und muss beim Rekrutierungsprozess von Führungskräften berücksichtigt werden. 2.6.5 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie Karrieremanagement? 257 Die Inhalte der Personalentwicklung sind auf Lean auszurichten. Dabei sind unter anderem Personalentwicklungsmethoden einzusetzen, die Lean entsprechen. Die Ausgangsbasis für Personalentwicklung bildet die Vermittlung der Unternehmenskultur und des Leitbilds. Als mögliche „Verschwendung“ ist dabei das Nichterkennen der Fähigkeiten und Talente der MitarbeiterInnen zu berücksichtigen. 256 257 Vgl. Liker 2011: 316 Vgl. Kapitel 2 85 Kaizen/Kontinuierliche Verbesserung ist auch bei den Personalentwicklungsprozessen selbst anzuwenden. PE-Organisation und PEAbläufe sind Lean zu gestalten. Die Ablauforganisation der PE-Arbeit wird dabei wie ein Produktionsprozess Zusammenhang sind kontinuierlich verbessert (Kaizen). „Make-or-Buy“-Überlegungen bei In diesem Personalent- wicklungsmaßnahmen durchzuführen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Schaffung von „Kompetenz-Zentren“ wie z.B. für zentrale Rekrutierung von Führungskräften, Entwicklungssteuerung von High-Potentials, etc. Durch die wertstromorientierte Ansätze innerhalb von Lean müssen Jobs, Karrieren, Funktionen sowie Arbeitspraktiken nach Lean-Prinzipien ausgerichtet werden. Des Weiteren sind Lean-Prinzipien in die Job- und Rollenbeschreibungen (z.B. Schaffung von Kompetenzmodellen) einzubauen. Personalentwicklung in Lean ist viel stärker in der operativen „Linie“ bei den Führungskräften zu verankern. Diese Integration von PE in die operative Linie wird dabei durch vorgegebene HR-Standards unterstützt. HR-Grundsätze bilden den Rahmen für Kompetenzentwicklung „on the job“, „on the job“-Training und KVP. Dezentrale Personalentwicklungsarbeit wird durch föderalistisch entwickelte und dann „gesetzte“ Standards gesteuert. Job-Rotation ist Teil der Personalentwicklung. Das Ziel ist dabei der Erwerb zusätzlicher Fähigkeiten innerhalb (einspringen in andere Tätigkeiten) und außerhalb des Teams. Mehrfachqualifizierung, Mehrfachspezialisierung und Erlangen von Prozesskompetenz bei MitarbeiterInnen stehen dabei im Vordergrund. Qualifikation und permanente Weiterbildung spielen dabei eine wesentliche Rolle für Verbesserungen im Arbeitsbereich durch Job-Rotation in der Breite und Methoden der Problemlösung und Qualitätskontrolle in der Tiefe. HR unterstützt durch HR-Schulungsprogramme die Fähigkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung. Anspruchsvollere Problemlösungen dienen dabei der Erweiterung der Fähigkeiten der MitarbeiterInnen (in Lean-Organisation ist oftmals durch den Wegfall von Hierarchien keine vertikale Aufstiegsmöglichkeit gegeben). 86 Karrieren innerhalb von Lean sind nicht durch kontinuierliche Aufstiege gekennzeichnet, sondern bei Lean erfolgt eine Ausweitung der Fähigkeiten im Rahmen der Teams. Dabei werden immer neue, höhere Aufgaben gestellt, um ein Gefühl der Wertschätzung bei MitarbeiterInnen zu erzeugen. Diese ständig neuen Herausforderungen sind für die längerfristige Karriereperspektive wichtig. Wichtig bei Lean ist auch die Trennung von beruflichem Aufstieg und Hierarchie durch die Etablierung von integrierten Karriereplanungskonzepten für Fach- und Führungskräfte basierend auf strukturierten MitarbeiterInnen-Gesprächen. Durch den Wegfall von Ebenen und Positionen in einer Lean Organisation ist die Schaffung von „alternierender Karrieren“ (z.B. durch temporäre Projektmitarbeit und dann Rückkehr in angestammte Tätigkeit, um dort wiederum neue Fertigkeiten zu lernen oder in fortgeschrittenen Projekten mitzuarbeiten) zu berücksichtigen. Neue Karrierekonzepte beinhalten den Erwerb neuer Fähigkeiten verbunden mit Lösungsorientierung von immer schwierigeren Problemen. In Lean sind teamorientierte, lernwillige GeneralistInnenn erforderlich. Dabei besteht die Gefahr des Gefühls des Gefangenseins. Auch aus dieser Perspektive sind neue Personalsysteme und Karrierewege zu überdenken. Die Nachfolgeplanung ist dabei ein stetig andauernder Prozess. 2.6.6 Zusammenfassende theoretische Beantwortung der Forschungsfrage Lässt man die geografische Bezugskomponente in der Forschungsfrage weg, lässt sich nachfolgend zusammenfassen: Unter dem Begriff Lean Human Resources versteht man einerseits, dass sich die Organisationseinheit Human Resources selbst Lean aufstellt, Lean organisiert und Lean agiert und andererseits alle Maßnahmen und Handlungsweisen seitens der Organisationseinheit Human Resources in Bezug zu den Lean-Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens (in zeitlicher Dimension von der Einführung bis zur Unterstützung/Aufrechterhaltung von Lean). 87 Eine weitere Perspektive zu Lean Human Resources betrachtet das Verhalten und die Arbeitsweisen innerhalb von Lean in Bezug zu den MitarbeiterInnen eines Unternehmens, die in diesem Kontext den Produktionsfaktor Personal darstellen. Durch eine Lean-Einführung kann es zu Auswirkungen auf das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources kommen. Können die neuen LeanAnforderungen nicht mehr durch ein bestehendes Rollenbild seitens HR abgedeckt werden, ist eine entsprechende Neuausrichtung bzw. Adaptierung hin zum Rollenbild Business PartnerIn – vor allem in den Ausprägungen Strategic Partner, Administrative Expert sowie Change Agent – erforderlich. Bei einer Lean-Einführung sind die bestehenden Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung hinsichtlich der neuen Lean-Anforderungen zu überprüfen und gegebenenfalls an die zur Anwendung gelangenden Lean-Prinzipien auszurichten. Diese Lean-Prinzipien müssen in die Job- und Rollenbeschreibungen der MitarbeiterInnen sowie in die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen eingebaut bzw. berücksichtigt werden. Führungskräfteentwicklung gelegt, Ein besonderes da die Augenmerk Führungskräfte zu wird auf die Lean-Leaders entwickeln werden sollen. Durch den Wegfall von Ebenen und Positionen in einer Lean-Organisation sind neben der klassischen Führungslaufbahn alternative Karrieremodelle mit starkem Fokus auf die Etablierung von Expertenkarrieren zu etablieren. 3 Empirischer Teil 3.1 Konzeption und Ablauf der empirischen Untersuchung 3.1.1 Auswahl der Forschungsmethode Ausgehend von der Forschungsfrage wird basierend auf Atteslander und seinem Vorschlag zur systematischen Analyse der sozialen Wirklichkeit nachfolgender 88 Auswahlweg eingeschlagen, um festzustellen, welche Methode der empirischen Sozialforschung 1 für die empirische Untersuchung angewendet wird: • Aktuelles menschliches Verhalten 2 • Verhalten in "natürlichen" Situationen - "Feld" 3 • Lösung von Zeit und Raum des Besprochenen möglich 4 • Anzuwendende Forschungsmethode: Befragung Abbildung 33: Auswahlweg zur Forschungsmethode 258 Hinsichtlich des Strukturierungsgrades der Befragung wird die teilstrukturiere Form gewählt, da der zu untersuchende Gegenstand in der Theorie nur sehr eingeschränkt behandelt wird und gleichzeitig aufgrund der vorgegebenen Inhalte aus der Forschungsfrage eine konkrete Befragungsabfolge möglich ist. Teilstrukturierung bedeutet, aus der Forschungsfrage abgeleitet werden Fragen vorbereitet und vorformuliert, wobei die Abfolge der Fragen offen ist. Dies erlaubt neben der konkreten Beantwortung der vorbereiteten Fragen eine Flexibilität und die Möglichkeit, sich aus dem Gespräch ergebene Themen aufzunehmen und vom Interviewer weiter zu verfolgen.259 Für die Kommunikationsform im Rahmen der Befragung wird die Form einer mündlichen Befragung gewählt, da die qualitativen (inhaltlichen) Dimensionen zur Beantwortung der Forschungsfrage von Bedeutung sind.260 Wendet man nun die teilstrukturierte, mündlich Befragungsform an der Matrix „Typen der Befragung“ nach Atteslander an, ergeben sich daraus einige Möglichkeiten der Befragung.261 258 Vgl. Atteslander 2010: 54 Vgl. Atteslander 2010: 134 f. 260 Vgl. Atteslander 2010: 135 f. 261 Vgl. Atteslander 2010: 133 259 89 Für die gegenständliche empirische Untersuchung wird die Leitfaden-Befragung in Form von persönlich geführten Interviews ausgewählt, da nach Atteslander Leitfadengespräche das einzig sinnvolle Forschungsinstrument darstellen, wenn Gruppen von Menschen, die auch in großen Stichproben oft in zu kleiner Zahl angetroffen werden, erforscht werden sollen.262 Hinsichtlich des Standardisierungsgrades des Instruments wird für den InterviewLeitfaden die nicht-standardisierte Form gewählt, da Häufigkeitsverteilungen der Antworten nicht Untersuchungsziel sind. Eine Kategorisierung wird – in Bezug zur Forschungsfrage – später vollzogen (nach Auswertung der Interviews).263 Zur Kategorisierung werden die operationalisierten Sub-Fragen der Forschungsfrage herangezogen.264 Die Fragen selbst werden in offener Form gestellt, da ausgehend von der Forschungsfrage diese helfen, Unwissenheit, Missverständnisse und unerwartete Bezugssysteme zu entdecken. Offene Fragen können weiters den Gesprächskontakt sowie das Interesse am Interview fördern, weil sie einer alltäglichen Gesprächssituation ähnlich sind.265 Zusammenfassend wird somit nachfolgende empirische Forschungsmethode angewendet: Teilstrukturiertes, nicht standardisiertes, mündlich geführtes Interview mit offenen Fragen. Ausgehend von der Forschungsfrage und den operationalisierten Sub-Fragen wurden auf den Sub-Fragen basierende offene Fragen für den Interview-Leitfaden formuliert. Die Sub-Fragen wurden gewissermaßen ein weiteres Mal operationalisiert. Die Zusammenhänge zwischen den Fragen sind in Tabelle 4 dargestellt. 262 Vgl. Atteslander 2010: 142 Vgl. Atteslander 2010: 144 f. 264 Vgl. Kapitel 3.2 265 Vgl. Atteslander 2010: 148 263 90 Zentrale Forschungsfrage: Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean Human Resources und welche Auswirkungen hat konkret die Einführung von Lean auf die Position sowie das Rollenbild der Organisationseinheit Human Resources sowie im Besonderen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie Karrieremanagement? Operationalisierung der Forschungsfrage Fragen des Interview-Leitfadens Sub-Fragen Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean? Was verstehen Unternehmen mit Hauptsitz oder Standort in Österreich unter Lean Human Resources? Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? Wie wird Lean im Unternehmen angewendet? Wann wurde mit der Einführung von Lean begonnen? Was war der Grund/was waren die Gründe für die Einführung von Lean? Wie wurde Lean im Unternehmen eingeführt? Was waren die größten Herausforderungen bei der Einführung von Lean? Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean Human Resources? Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean und Human Resources? Unternehmens? Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der Organisationseinheit Human Resources innerhalb der Organisationsstruktur eines Unternehmens? Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- Wo ist der/die LeiterIn Human Resources in der Betriebshierarchie angesiedelt? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der organisatorischen Position von Human Resources innerhalb der Betriebshierarchie und der Einführung von Lean? Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf diese Position? Wie würden Sie das Rollenbild von Human Resources im Unternehmen beschreiben? Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen dem Rollenbild von Human Resources und der Einführung von Lean im Unternehmen? Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf dieses Rollenbild? Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean und den Maßnahmen zur Personalentwicklung im Unternehmen? Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf die Personalentwicklung, speziell auf die Maßnahmen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung und des Karrieremanagements? und Weiterbildung sowie Karrieremanagement? Tabelle 4: Forschungsfrage, Sub-Fragen, Fragen des Interview-Leitfadens 91 3.1.2 Auswahl der InterviewpartnerInnen und Rahmenbedingungen für das Interview Die Bandbreite der befragten Unternehmen reicht von einem Familienunternehmen bis hin zu global agierenden Konzernen. Die befragten Unternehmen haben entweder Ihren Hauptsitz oder eine Niederlassung (Standort) in Österreich. Die Anzahl der MitarbeiterInnen in diesen Unternehmen reicht von rund 150 bis rund 135.000 (weltweit). Lean als Thema in der öffentlichen Verwaltung ist nicht Gegenstand dieser Master Thesis. Mit Focus auf den Inhalt der Forschungsfrage wurden die Interviews 1 bis 7 sowie 10 mit PersonalmanagerInnen in leitender Position sowie einem Geschäftsführer (mit Verantwortung für HR) durchgeführt. Die diesbezüglichen Unternehmen haben Lean entweder bereits eingeführt und verwenden dabei auch den Begriff Lean explizit oder haben Maßnahmen durchgeführt, welche nicht explizit den Begriff Lean dabei verwenden, aber Attribute im Sinne einer „Verschlankung“ im Sinne von Lean aufweisen. Um eine Perspektive von außerhalb der Unternehmen zu gewinnen, wurden in den Interviews 8 und 9 zwei Consultants befragt. Die Funktionsbezeichnungen in Tabelle 5 wurden vom Autor in einer generalisierten Form angegeben, um der Anonymität Rechnung zu tragen. Unternehmen Funktion Datum Interview 1 LeiterIn Group HR 24. Juli 2012 Interview 2 LeiterIn Regional HR Supply Chain 26. Juli 2012 Interview 3 LeiterIn HR 26. Juli 2012 Interview 4 LeiterIn Group HR Interview 5 Geschäftsführer Interview 6 LeiterIn HR 5. September 2012 Interview 7 LeiterIn PE 11. September 2012 Interview 8 Consultant 17. September 2012 Interview 9 Consultant 20. September 2012 Interview 10 LeiterIn Regional HR 22. August 2012 24. August 2012 3. Oktober 2012 Tabelle 5: Überblick InterviewpartnerInnen Nicht berücksichtigt wurden InterviewpartnerInnen von Unternehmen, welche zwar Lean-Aktivitäten eingeführt haben, dabei HR jedoch keine Rolle in Sinne von Lean Human Resources einnimmt. Das bedeutet, dass in dieser Arbeit die Gründe, warum HR bei Lean-Aktivitäten nicht eingebunden wird bzw. keine Rolle diesbezüglich hat, nicht betrachtet werden. 92 Der Erstkontakt zu den InterviewpartnerInnen erfolgte sowohl telefonisch, als auch per E-Mail. Dabei wurde im Vorfeld auf die Erfordernis der digitalen Aufzeichnung des Interviews und die spätere Anonymisierung im Rahmen der InterviewTranskription hingewiesen. Zur Vorbereitung auf die Interviews wurde den InterviewpartnerInnen der Interview-Leitfaden vorab elektronisch übermittelt. Die mit den InterviewpartnerInnen durchgeführten persönlichen Interviews fanden im Zeitraum von 24. Juli bis 2. Oktober 2012 statt. 3.1.3 Transkription der Interviews Die digital aufgezeichneten Interviews wurden in einem 1. Schritt mittels Transkription verschriftet und anonymisiert und bilden die Ausgangsbasis für die qualitative Inhaltsanalyse. Flick266 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich hinsichtlich der Transkription bislang kein Standard durchgesetzt hat. Zur Erfassung sprachanalytischer Zusammenhänge ist ein Höchstmaß an erzielbarer Genauigkeit bei der Klassifikation von Äußerungen, Pausen und in ihrer Darstellung zu erzielen. Gleichzeitig weist Flick darauf hin, dass die Formulierung von Transkriptionsregeln häufig zu einem Fetischismus führen, der in keinem begründeten Verhältnis mehr zur Fragestellung und dem Ertrag der Forschung stehen. In jenen Fällen, bei denen sprachlicher Austausch das Medium zur Untersuchung bestimmter Inhalte bei soziologischen Fragestellungen ist, sind übertriebene Genauigkeitsstandards nur in Sonderfällen gerechtfertigt. Nach Flick ist es sinnvoller, nur so viel und so genau zu transkribieren, wie die Fragestellung erfordert, da bei zu genauer Transkription von Daten häufig Zeit und Energie gebunden werden, welche sich sinnvoller in die Interpretation stecken lassen. Flick weist auf klare Regeln bei der Transkription von Äußerungen, Sprecherwechseln, Pausen, Satzabbrüchen, etc. hin und betont die nochmalige Kontrolle der Transkription mit der Aufzeichnung sowie eine Anonymisierung der Daten. Basierend auf Flick267 wurde bei der Transkription der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Interviews auf ein hohes Maß an Genauigkeit in Bezug zur 266 267 Vgl. Flick 2000: 192 f. Vgl. Flick 2000: 192 f. 93 inhaltlichen Wiedergabe der Gespräche Wert gelegt (im Gegensatz zu übertriebenen Genauigkeitsstandards, welcher bei sprachanalytischen Zusammenhängen angeregt wird). Um die Bedeutung der inhaltlichen Wiedergabe aus den Interviews zu betonen, wurde auf eine Transkription von nonverbalen Äußerungen, Pausen sowie aussprachlicher Besonderheiten verzichtet. 3.1.4 Angewendete Methode der qualitativen Inhaltsanalyse Nach Mayring268 lassen sich aus dem Umgang mit sprachlichem Material und den Charakteristiken des Interpretationsvorganges von Texten 3 Grundformen des Interpretierens unterscheiden: Zusammenfassung: Ziel ist eine Reduktion des Materials, wobei die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben. Dabei wird durch Abstraktion ein überschaubarer Corpus geschaffen, der ein Abbild des Grundmaterials darstellt. Explikation: Zu einzelnen fraglichen Texteilen wird zusätzliches Material herangetragen, welches das Verständnis erweitert und die betreffende Textstelle erläutert, erklärt, ausdeutet. Strukturierung: Dabei werden bestimmte Aspekte aus dem Material herausgefiltert, wobei ein Querschnitt durch das Material mittels vorher festgelegter Ordnungskriterien gelegt wird, oder das Material aufgrund bestimmter Kriterien eingeschätzt wird Um aus dem umfangreichen Textmaterial der Interviews eine Beantwortung der Forschungsfrage zu ermöglichen, wird als Methode der qualitativen Inhaltsanalyse die Zusammenfassung gewählt. Die Zusammenfassung der textlichen Bedeutungseinheiten (Propositionen) erfolgt aufsteigend (textgeleitet) durch den Einsatz von 6 reduktiven Prozessen 269 (Makrooperatoren). Auslassen: Weglassen von Propositionen, wenn sie zum Verständnis anderer Propositionen nicht erforderlich sind bzw. für die nächsthöhere Reduktion (zur Makro-Propositionen) nicht von Bedeutung sind. 268 269 Vgl. Mayring 2010: 64 f. Vgl. Mayring 2010: 43 ff. 94 Generalisation: Zusammengehörende Propositionen werden zur begrifflich übergeordnete, abstraktere (Makro-Propositionen) zusammengefasst. Konstruktion: Zusammenhängende Propositionen werden in einem umfassenderen, globaleren Sachverhalt als Makro-Proposition ausgedrückt, welche so nicht im Text vorzufinden ist. Integration: Verwendung von im Text enthaltenen Propositionen, die zusammenhängende Propositionen als Ganzes vertreten. Selektion: Zentrale Propositionen aus der Textbasis werden in die nächsthöhere Reduktion überführt, da sie so inhaltstragend sind, dass sie nicht weggelassen werden können oder als Generalisation oder Konstruktion überführt werde können. Bündelung: Im Text verstreut liegende Propositionen werden zusammengetragen und zusammenfassend als Ganzes wiedergegeben. Für die zusammenfassende Inhaltsanalyse gilt daher nachfolgendes Ablaufmodell: Abbildung 34: Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse 270 270 Mayring 2010: 68 95 3.1.5 Praktische Umsetzung der zusammenfassenden Inhaltsanalyse am Textmaterial der empirischen Untersuchung Zu Beginn wurden nachfolgende Analyseeinheiten festgelegt:271 Kodiereinheit: Jede vollständige Aussage der InterviewpartnerInnen Auswertungs-/Kontexteinheit: Im 1. Durchgang jedes einzelne Interview, im 2. Durchgang alle Interviewtexte Die nachfolgenden Interpretationsregeln der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse basierend auf Mayring: 272 1. Schritt - Paraphrasierung Als übergeordnetes Kategoriensystem zur Zuordnung von Propositionen dienen die offenen Fragen des Leitfaden-Interviews. Im 1. Schritt werden alle nicht oder wenig inhaltstragenden Textbestandteile gestrichen. Parallel dazu werden einzelne vom Autor dieser Master Thesis als inhaltstragende Propositionen identifizierten Aussagen der InterviewpartnerInnen selektiert und als Ankerbeispiele in die empirisch-analytische Zusammenfassung in Kapitel 3.2. übergeführt. 2. Schritt – Generalisierung Das Abstraktionsniveau wurde so festgelegt, dass alle relevanten Propositionen die zur Beantwortung der Fragen des Leitfaden-Interviews dienen, herangezogen werden. Können Propositionen keiner Frage des Leitfaden-Interviews zugeordnet werden, wird eine neue Kategorie geschaffen. 3. Schritt – Erste Reduktion Innerhalb dieses Durchgangs werden die generalisierten Paraphrasen pro InterviewpartnerIn zu neuen Äußerungen gebündelt, integriert oder konstruiert. 4. Schritt – Zweite Reduktion Innerhalb dieses Durchgangs werden die bei der ersten Reduktion geschaffenen Paraphrasen erforderlichenfalls in einer weiteren Reduktion gebündelt, integriert oder konstruiert. 271 272 Vgl. Mayring 2010: 59 Mayring 2010: 70 96 3.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung 3.2.1 Einleitung Die befragten Unternehmen haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten, mit unterschiedlicher Intensität und aus den verschiedensten Gründen mit LeanAktivitäten begonnen. Nachfolgende Übersicht gibt einen zeitlichen und inhaltlichen Überblick dazu (die Interviews 8 und 9 mit den Consultants werden hier nicht berücksichtigt): Unternehmen Beginn Interview 1 2002 Interview 2 2012 2008 Interview 3 ~ 2010 Interview 4 Interview 5 2009 ~ 2004 ~2010 <2000 ~2000 Interview 6 ~2009 Interview 7 Interview 10 ~2006 ~2007 Form der Einführung Lean Six Sigma - konzernweit (in Österreich Focus auf administrative Prozesse) Integrated Lean Six Sigma - Focus auf Produktionsprozesse, regionsweit Lean-Aktivitäten unter Begriffen Toyota Production Management und Total Quality System - Focus auf Produktionsprozesse Lean-Aktivitäten unter Begriff Business Excellence - flächendeckend im Unternehmen Lean-Aktivitäten im Rahmen von Projekten für Effizienzsteigerungsmaßnahmen Lean Einzelinitiativen von interessierten MitarbeiterInnen (Bottom-Up Effekt) - in einigen Unternehmensbereichen (Fokus Produktionsprozesse) Lean flächendeckend im Unternehmen Vor ~2000 aus KVP-Ansätzen zu Lean Management im Sinne von abschlanken, Hierarchien vereinfachen und reduzieren Ab ~2000 mit dem Ansatz, dezentrale Strukturen zu schaffen (verbunden mit Prozessorientierung und Prozesse durchgängig gestalten) Lean Management Gesamtkonzept: Als Projekt mit Einsparungs- und Restrukturierungsansatz mit Lean Methoden und Lean Werkzeugen (Schwerpunkte: neues operatives Geschäftsmodell zu implementieren und Beibehaltung der Vorteile dezentraler Strukturen in Verbindung mit Einheiten zur zentralen Steuerung) Lean Manufacturing, Lean Management im Produktionsbereich Verwirklichung des Lean-Gedankens in der Personalentwicklung Keine Lean-Einführung und keine begriffliche Verwendung des Wortes "Lean", sondern Durchführung eines Projektes zur Vereinfachung sowie 2005 Kanalisierung von Reporting- und Informationsstrukturen, gleichzeitige Reduktion bzw. Eliminierung diesbezüglicher Parallelstrukturen und Schaffung standardisierter, vereinheitlicher Prozesse und Policies. Gründe bzw. Auslöser Unternehmen knapp am Konkurs vorbeigeschrammt Finanzieren des Wachstums durch Erzielen von Kosteneinsparungen Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit Kostendruck Lean Einzelinitiativen von interessierten MitarbeiterInnen KVP, Prozessoptimierung, Einsparungsund Restrukturierungsansätze Kostendruck Projekt: Zentralisierung von Servicefunktionen wie HR, IT, Finanzen, Procurement in Verbindung mit Standardisierung sowie Vereinheitlichung diesbezüglicher Prozesse und Schaffung kanalisierter Informations- und Reportingwege Tabelle 6: Historie der Lean-Aktivitäten der befragten Unternehmen 3.2.2 Was verstehen die InterviewpartnerInnen unter Lean? Auf die konkrete Frage, was unter Lean verstanden wird, lassen sich zusammenfassend nachfolgende Aussagen treffen. 97 Lean verfolgt eine ganzheitliche, gesamthafte Organisationsveränderung hin zu einer schlanken, effizienten Organisation, u.a. durch das Reduzieren von Hierarchieebenen. Dabei steht wendiges, agiles, schnelles Agieren im Vordergrund möglichst ohne Verschwendung mit optimalem Ressourceneinsatz. Optimaler Ressourceneinsatz bedeutet dabei, mit einem geringer Ressourceneinsatz einen möglichst hohen Output zu erzielen. Ein weiteres Ziel ist die Schaffung von effizienten Wertschöpfungsketten und von operativen Prozessen, die zu akzeptablen Kosten führen. Diese werden durch ein entsprechendes Verständnis für die Bedürfnisse der KundInnen erreicht. Das Ziel auf der Ebene der Arbeitsabläufe ist die Schaffung von hoch qualitativen, möglichst fehlerfreien, schlanken Prozessen durch das Weglassen von überflüssigen, nicht-wertschöpfenden Schritten bzw. deren Eliminierung. Während der Durchführung der Prozesse ist auf das Vermeiden von Verschwendung zu achten. Die Schaffung von schlanken Prozessen geschieht durch schrittweises Umsetzen entsprechender Verbesserungsmaßnahmen unter Einbeziehung des MitarbeiterInnen-Know-Hows und laufender Information/Kommunikation (Feed- Backs) zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn. Dabei ist auf die Schaffung einer Fehlerkultur zu achten, in der möglichst wenige Fehler gemacht werden, aber gleichzeitig auch Fehler zugelassen werden. „Lean heißt eben in erster Linie Effizienz für mich und an dieser Effizienz gilt es halt in vielen kleinen Schritten zu arbeiten und es ist eigentlich ein mühsames Tagesgeschäft. Also es ist einerseits ein Konzept, aber die Umsetzung mündet dann sozusagen in einem operativen Tagesgeschäft, wo ich Schritt für Schritt, klein und klein, um klein, Maßnahmen setzen muss, um dann zu so einer effizienten Organisation und Abläufe zu kommen.“273 Six Sigma wird z.B. in 6 der befragten Unternehmen in unterschiedlichen Ausprägungen angewendet, entweder in expliziter Verbindung mit Lean als Lean Six Sigma oder in komplementärer Form zu Lean. Six Sigma wird dabei flächendeckend im Unternehmen oder in einzelnen Bereichen (wie z.B. im Qualitätsmanagement) umgesetzt. 273 Interview 4: 67, Z 14 98 InterviewpartnerIn 4 Einsparungsprinzip betont, reduziert dass Lean werden darf, nicht bei auf ein dem reduktionistisches Initiativen (z.B. im Zusammenhang mit Produktinnovationen oder Stärkung der Marke), die als langfristige Investitionen im Hinblick auf das Wachstum des Unternehmens ausgelegt sind, unter dem Titel Lean nicht durchgeführt oder abgewürgt werden. „Also wenn ich Lean auf so ein rein reduktionistisches Prinzip der Einsparung reduziere, dann mag das in bestimmten Situationen des Unternehmens ganz, ganz wichtig sein und ist vielleicht auch permanent wichtig, aber davon alleine kann eine Firma nicht überleben oder auch sich nicht am Markt möglicherweise innovativ entfalten, um ein Beispiel zu sagen. Da muss man aufpassen, dass man nicht unter dem Titel Lean Initiativen abwürgt, die vielleicht für die spätere Zukunft des Unternehmens wichtig sind, aber am Anfang aber Geld und eben Initiative erfordern.“274 Die InterviewpartnerInnen heben dabei die bedeutende Rolle der Führungskräfte und der erforderlichen Leadership-Fähigkeiten hervor. Leadership im Kontext von Lean bedeutet dabei, dass Führungskräfte ihre MitarbeiterInnen mit Eigenverantwortung, Eigeninitiative, Befugnissen ausstatten und sie dadurch zu proaktivem Handeln ermuntern. Schlankes, effizientes Handeln ist dabei gekennzeichnet durch das Erkennen von Verschwendung, dem Voraussehen von Problemen, dem Verhindern von Problemen sowie lösungsorientiertes Denken bei auftretenden Problemen. Dieses Agieren soll letztlich zu einer Geisteshaltung und permanenten Grundeinstellung im Sinne einer automatisierten Handlungsweise werden. Um ein Lean-Verständnis bei den MitarbeiterInnen zu erzielen, ist dabei nicht nur mit systematisierten Begriffen zu arbeiten. Die MitarbeiterInenn sind auch mit Analogien aus dem Alltag und Privatleben abzuholen. „Also Lean ist das Empowerment von Leuten, die tatsächlich den Werksprozess machen und die nicht die Hände in den Schoss legen und warten, was ihnen der Chef anschafft.“275 Der Weg zu einer Lean-Organisation bedeutet für die MitarbeiterInnen eine bedeutende Veränderung in der Denkweise und im Verhalten im Rahmen der 274 275 Interview 4: 76, Z 304 Interview 2: 21, Z 23 99 täglichen Arbeitsabläufe. Diesem Change-Prozess ist dabei seitens HR große Aufmerksamkeit zu schenken. „Also Lean als solches ist natürlich auch ein riesiges Einstellungsthema. Also Lean ist auch eine Sache, die in Fleisch und Blut übergehen muss und nach der auch so gelebt werden muss, letztendlich.“276 Im Interview 3 werden praktische Beispiele beschrieben, an denen HR beteiligt ist: „Wir haben gerade heute eine go-and-see Session gehabt, wo wir vom ManagementKreis einmal im Monat ausströmen ins ganze Unternehmen und diese Whiteboards, wo diese Vorschläge alle aufgeschrieben sind, eines hängt draußen im Vorzimmer bei mir, auch einmal dort anschauen, mit den Leuten dort sprechen, wie geht’s euch? Wir lösen nicht Probleme vor Ort, das sollen die Leute tun, aber gibt’s irgendwelche Hindernisse, wo ihr glaubt, wir können euch vom Management helfen und die Dinge mehr.“277 „Und auch dieser Practice-Ground-Lauf bei mir jeden Donnerstag in der Früh, alle Mitarbeiter, die aus meinem Bereich da sind, da zerreißt es fast das Büro, weil da hängt dann die Tafel bei mir im Raum. Da sehen Sie eine 2. Aufhängung hinten, da kommt das Flipchart runter und dann hängt das dann dort auf den orange eingefärbten Dingen und dann wird raufgeschrieben, die ganz trivialen Dinge: Wer, wann, was?“278 3 InterviewpartnerInnen betonen die Wichtigkeit der laufenden Kommunikation bei einer Lean-Einführung: „Und da sage ich, es reicht halt nicht, wenn man das alle 2 Jahre einmal erwähnt, es ist Teil der Werkszeitung, genauso wie in Intranet-Einträgen, wie Mitarbeiterinformationstage, wie Führungskräftedialoge.“279 „…d.h. wir haben einzelne Bereiche mit recht prestigeträchtigen Projekten vergeben und haben die dann auch dementsprechend zu feiern gewusst. D.h. wir haben auch dementsprechend in der Mitarbeiterzeitung, internen Informationsaussendungen, usw., immer wieder propagiert, damit dann auch die anderen letztendlich sich an den guten Beispielen orientieren und auch die Schritte mitmachen.“280 „…ob das jetzt in der Mitarbeiterzeitung, bei Mitarbeiterveranstaltungen, bei Mitarbeiterevents dieses Thema Lean führen, Lean produzieren, dass das Hand in Hand gehen muss.“281 276 Interview 5: 92, Z 286 Interview 3: 48, Z 167 278 Interview 3: 48, Z 196 279 Interview 3: 50, Z 241 280 Interview 5: 85, Z 57 281 Interview 7: 118, Z 414 277 100 Lean zu agieren bedeutet aber auch konkret am Beispiel von Interview 10, dass Maßnahmen zur Reduktion und Eliminierung von Verschwendung nicht zwangsläufig unter dem Begriff „Lean“ bzw. als „Lean-Konzept“ durchgeführt werden müssen. Innerhalb der in Interview 10 dargestellten Zielsetzungen wurde der Begriff „Lean“ nicht verwendet, gleichzeitig weisen die durchgeführten Maßnahmen aber deutlich entsprechende Lean-Attribute auf. Die in diesem Unternehmen skizzierten Ebenen und Rollen zur Umsetzung der HR-Arbeit weisen einen hohen Deckungsgrad mit dem in Kapitel 2.2.3 beschriebenen 3-Säulen-Modell nach Dave Ulrich und dem HR Service Modell von Capgemini auf. 3.2.3 Was verstehen die InterviewpartnerInnen unter Lean Human Resources? Auf die konkrete Frage, was unter Lean Human Resources verstanden wird, lassen sich zusammenfassend nachfolgende Aussagen treffen. Lean Human Resources steht für einen optimalen Personalressourceneinsatz durch Einsatz motivierter MitarbeiterInnen gemäß ihren Potentialen, Fähigkeiten, Kompetenzen, damit zielorientiert, produktionsorientiert und nachhaltig gearbeitet wird. Dabei stellt der/die MitarbeiterIn ein wichtiges Rädchen als Teil des Ganzen dar. In Unternehmen mit etablierten Lean Prozessen agiert HR als PartnerIn der Führungskraft bei ihrer Personalarbeit. HR nimmt hier eine stimulierende Rolle ein und ist auch VermittlerIn zwischen Führungskräften und MitarbeiterInnen. HR hat die Aufgabe Zahlen, Daten, Fakten für die Gesamtorganisation zu liefern, um in der Lage zu sein, die richtigen Verbesserungsansätze zu finden (z.B. das Verhältnis Personalkapazitäten vs. Prozesse in Zahlen ausgedrückt). Lean bedeutet Change in HR und in der Organisation. In diesem Zusammenhang muss HR die Führungskräfte sensibilisieren und entsprechende Informations- und Trainingsmechanismen bereitstellen. HR soll dabei bewusstmachen und den Change-Prozess begleiten. 101 HR hat eine tragende Rolle zur Schaffung einer Lean Unternehmenskultur durch die Etablierung HR-naher Prozesse wie z.B. regelmäßige Reviewprozesse, Assessmentfeedbackprozesse, Teamwork. HR als eigene Organisationseinheit ist deswegen erforderlich, um personalpolitische und strategische Dinge bewegen zu können. HR arbeitet auch in verschiedenen Projekten mit: Coaching oder Projektleitung, als MitgestalterIn der Unternehmenskultur, bei der Analyse von HR-Prozessen (Verknüpfung Lean und Best Practice). Die HR-Abteilung ist selbst Lean aufzustellen. Dies geschieht durch die Schaffung durchgängiger, hocheffizienter Prozesse z.B. in Bezug zu Rekrutierung, Schulungen, Personaladministration oder durch Outsourcing von Aufgaben. Um eine effiziente Gestaltung der HR-Aufgaben zu gewährleisten, ist auch innerhalb von HR mit Kennzahlen zu arbeiten. Ziel ist es, HR kundenorientiert aufzustellen, dabei administrative Prozesse in guter Qualität, mitarbeiterorientiert, einfach abzuwickeln und dies mit geringem, absolut notwendigem Aufwand. In der HR-Abteilung selbst kann es zur Zergliederung, genauer zur Prozesszergliederung, z.B. durch Teil-Outsourcing zu externen Partnern und durch den Einsatz IT-gestützer Self-Services, kommen. Es ist wichtig, innerhalb HR eher administrative und planerisch-strategische Aufgaben zu trennen, diese sollten aber weiterhin organisatorisch beisammen liegen. Durch diese Zergliederung kann es zur Abschaffung bzw. Teilabschaffung der HR-Rolle kommen. Es ist wichtig, wie HR als Abteilung die Fachabteilungen unterstützt und wie Lean in der HR-Abteilung selbst aussehen kann. Wenn systemgetrieben zergliedert wird, besteht die Gefahr der Zerstörung der Ownership-Philosphie für HR. Es ist erforderlich, Lean Know-How in HR selbst aufzubauen, damit HR als BegleiterIn auf dem Weg zu Lean und im Rahmen der daraus resultierenden Veränderungsprozesse als Change ManagerIn auftreten kann. 102 Lean Human Reources erfordert die Entwicklung von Mehrfachqualifizierungskonzepten, die zur Erhöhung der Mobilität und Flexibilität der MitarbeiterInnen innerhalb des Unternehmens dienen. Dabei sind regelmäßige Fähigkeiten-Checks bei MitarbeiterInnen zur Erhebung des Trainingsbedarfs durchzuführen. Recruiting ist einer der wichtigsten HR-Prozesse überhaupt. Durch Recruiting ist es möglich, die richtigen MitarbeiterInnen für eine Lean orientierte Firma zu finden, sie für die Firma zu begeistern und dann entsprechend zu entwickeln. Die Aufgabe von HR dabei ist es, Wege zur Förderung der intrinsische Motivation der MitarbeiterInnen zu suchen und zu finden. Dies beginnt eben schon beim Recruiting, weil intrinsische Motivation nicht erlernbar ist. „Lean und Human Resources, Personal, ist das Zusammenspiel in schlanken Strukturen, meine Aufgabe optimal auszufüllen und dabei mich nicht als Mensch zu vernachlässigen.“282 3.2.4 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Rolle der Organisationseinheit Human Resources? Bevor die Auswirkungen eine Lean-Einführung auf die Rolle von Human Resources beschrieben werden, ist zuvor ein zusammenfassendes Bild der Rollenausprägungen aus Sicht der InterviewpartnerInnen zum besseren Verständnis hilfreich. Dabei zeigt sich ein sehr aktives Rollenbild in vielfältigen Ausprägungen. HR als Deployment ManagerIn für Lean Six Sigma: Verantwortung für Trainingsprogramme, Controlling und Berichtswesen über laufende Lean Six Sigma Projekte. HR als PartnerIn, UnterstützerIn, Coach des Managements und der MitarbeiterInnen durch eine aktive, proaktive Partnerschaftsrolle: o In Bezug zum Personalentwicklung, Management sind Personalfreisetzung, es Personalauswahl, Sicherstellung der Personalressourcen. 282 Interview 9: 269, Z 131 103 o In Bezug zu den MitarbeiterInnen sind es Bedürfnisse, Notwendigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten, Qualifizierung und Empowerment, Etablierung von Teamarbeit. o In Bezug zu Führungskräften, wie man mögliche Umsetzungen in Richtung Lean-Führung weiter verbessern kann und damit die Führungskräfte Personalentwicklung im Rahmen ihrer Verantwortung betreiben. HR als MediatorIn im Kommunikationsprozess zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn HR als UmsetzerIn und GestalterIn von Workshops und Trainings mit Führungskräften verbunden mit dem Ziel, dass die Führungskräfte das Vermittelte dann auch leben. HR als ModeratorIn, GestalterIn, BegleiterIn, OrdnungshüterIn im Rahmen der Change Management Prozesse (vor allem im Umgang mit den Reaktionen/Bedenken der MitarbeiterInnen); bei sichtbaren „schmerzhaften“ Veränderungen ist es Aufgabe von HR, die Entwicklung dieser Veränderungen genau zu beobachten, zu antizipieren, zu intervenieren und zu begleiten, damit nicht zu viel Widerstand entsteht und Verbesserungsansätze steckenbleiben (Der Begriff „Change“ wurde von 5 InterviewpartnerInnen aufgegriffen). HR als TreiberIn des kulturellen Wandels; HR nimmt dabei zentrale Rollen in entsprechenden Gremien ein und behandelt Fragen der Unternehmenskultur. HR als ImplementiererIn und UmsetzerIn von zentraler Stelle vorgegebenen HRPolicies und HR-Prozessen. Etablierung von HR-Rollen basierend auf dem 3-Säulen-Modell nach Dave Ulrich bzw. dem HR Service Modell von Capgemini: diese Rollenmodelle werden vor allem in international agierenden, in ihrem Organisationsaufbau komplexen Unternehmen etabliert: u.a. durch Schaffung von lokalen („vor Ort“) HR-Business PartnerIn-Rollen z.B. an Produktionsstandorten. Innerhalb einer Konzernstruktur ist das Rollenbild von HR von der organisatorischen Einbettung innerhalb der Organisation abhängig. So hat HR auf Konzernebene (z.B. in einer Holding) vor allem strategisch-planerische Aufgaben umzusetzen, wie z.B.: Entwicklung und Umsetzung von Personalstrategien und Erarbeitung entsprechender Richtlinien (Policies); Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Organisation im 104 Top-Management oder auch im Bereich von Talentmanagement, Nachwuchsförderung und Führungskräfteentwicklung. Von Seiten der interviewten Consulter wird betont, dass HR keine Sonderrolle einnehmen und eigene Unternehmensziele verfolgen darf, damit sich HR nicht zum Selbstläufer entwickelt. In Bezug zu Lean und anderen Aufgaben hat HR die Funktion, das Unternehmen durch optimalen MitarbeiterInnen-Ressourceneinsatz zu unterstützen. HR muss im Unternehmen verankert sein und mit einem klarem Bewusstsein für Unternehmenszweck und Ziel der Arbeitsergebnisse agieren. Nachfolgend werden nun die Auswirkungen auf die Rolle HR anhand der Interviews mit den Personalverantwortlichen zusammengefasst skizziert: Interview 1: Veränderung des Rollenbildes in Richtung Business PartnerIn: „Das Rollenbild geht wahrscheinlich, ich meine grundsätzlich geht das Rollenbild bei uns in Richtung Business Partner. Ich glaube schon, dass das auch begleitet wurde, durch das Six Sigma, das man einfach sagt, man hat ein Verständnis für die gesamten Prozesse und wendet die Lean-Tools sozusagen dann auch dort an.“283 Interview 2: Integrated Lean Six Sigma Konzept ist programmatisches Mittel und Verstärker für die Rolle von HR als PartnerIn von Management und MitarbeiterInnen; speziell für das Schulen der Führungskräfte bei der Einführung von Lean Six Sigma: „Also insoweit ist das eine Verstärkung oder ein zusätzliches Mittel, das wir in die Hand bekommen haben, programmatische Mittel, um die Rolle als HR zu leben, als Partner für die Leute, die dann eigentlich einerseits weniger Ebenen haben, die hoffentlich natürlich auch mehr Output haben, weil wenn ich proaktiv bin, habe ich weniger downtime usw., senke die Kosten, aber in einer Art Win-Win-Situation hoffentlich, diese erhöhte Arbeitszufriedenheit habe, oder besser gesagt diese erhöhte Arbeitszufriedenheit bedingt mehr Interesse, mehr Proaktivität und bedingt einen finanziellen Output“.284 283 284 Interview 1: 10, Z 225 Interview 2: 32, Z 372 105 Interview 3: Keine Veränderung im HR-Rollenbild, aber in Bezug auf das Image der HRAbteilung: „Das Rollenbild vielleicht nicht unbedingt, aber das Image hat sich verändert. Das glaube ich sehr wohl, nämlich das Image, auch unserer Abteilung. Weil ich sage einmal, machen wir uns nichts vor, für manche ist auch die HR-Abteilung ja eine limitierende Abteilung, eine reglementierende und vielleicht ein Bürokraten-Job und außer den Lohn- und Gehaltsabrechnungen tun sie eh nicht viel und hin und her. D.h. es war für uns eine gute Gelegenheit, darum habe ich so geschaut, dass massiv meine Leute auch vertreten sind, neben meiner Steuerungsfunktion in diesem Programm und da glaube ich, dass es uns gelungen ist, auch vom Image her, ich glaube eine Verbesserung herbeizuführen, das traue ich mir zu behaupten. Weil ich sage immer einen schönen Spruch: Qualität liegt vor, wenn der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt.“285 Interview 4: Aus den Projekten der Effizienzsteigerungsmaßnahmen ergaben sich Veränderungen im HR-Rollenbild hin zu einem 3-Säulen-Modell zur Umsetzung der HR-Arbeit nach Dave Ullrich bzw. dem HR Service Modell von Capgemini: „Wir haben für Österreich, in Österreich ein HR Shared Service Center implementiert, welches in erster Linie für Payroll und Administration zuständig ist. Wir haben im Corporate HR-Bereich ein Center of Expertise eingerichtet, sprich Experten, die zu verschiedenen Themen, wie Development, Recruiting, Training, Compensation und Benefits, Arbeitsrecht, um da jetzt ein paar wichtige Themen zu nennen, Talentmanagement, dass wir dort Leute haben, die wissen, wie man solche Prozesse gestaltet und die auch als Mentor diese Prozesse initiativ vorantreiben und ausrollen und auch sozusagen dann in der Personalcommunity das dann entsprechend weiterbringen und der 3. Bereich ist dann halt die verbliebene Personalfläche, Businesspartner, Local HR Manager, die dann vor Ort sind und entweder ein oder mehrere Werke oder Standorte betreuen oder eine ganze Division betreuen und hier eben in erster Linien einmal Ansprechpartner für das lokale Management sind in Beratungsthemen, in Entwicklungsthemen, in Fragen mit dem Betriebsrat, was sozusagen alles an lokalen Themen auftaucht.“286 285 286 Interview 3: 51, Z 270 Interview 4: 72, Z 186 106 Interview 5: Veränderung von der reinen AdministratorInnenrolle hin zu einer zielorientierten, prozessorientierten, kundenorientierten, unternehmerisch denkenden internen UnterstützerInnen- und DienstleisterInnenrolle: „… aber ich würde es im Gesamtkontext so beschreiben, die Abteilung war davor eher rein administrativ, also die ganze Lohnbuchhaltung und jetzt gibst mir eine Personalanforderung, okay, dann schreib mir kurz eine Stellenbeschreibung und ich suche dir jemanden. Hin zu einer Rolle, die sehr unternehmerisch jetzt, sehr, sehr unternehmerischer denkt, wesentlich unternehmerisch, unternehmerisch im Sinne von, es ist, ein Angestellter würde niemals ein Unternehmer sein, aber er denkt unternehmerisch, fürs Unternehmen in Sinne von, ich sag einmal, wenn es um Gehälter geht, wenn es um Konditionen geht, wenn es um das schnelle Besorgen geht, er ist ein deutlich besserer Dienstleister, interner Dienstleister, Supporter geworden, als er davor reiner Administrator war. Er versteht ganz klar, wer ist sein interner Kunde? Wer ist eigentlich mein Kunde? Natürlich zahlt letztendlich alle unsere Gehälter der Endkunde am Markt draußen, aber sein unmittelbarer, ist eben die Organisation und da muss er eben mit all seinen Künsten und Kräften unterstützen und das Rollenbild ist deutlich zielorientierter, prozessorientierter und kundenorientierter geworden.“287 Interview 6: Ausüben einer balancierten Rolle zwischen TreiberIn bzw. SensibilisiererIn im Change-Prozess und der gleichzeitigen Controlling-Funktion in Bezug zu den Personalkapazitäten: „Ob man es will, oder nicht, HR hat die nicht immer dankbare Rolle, auf jeden Fall als Treiber bzw. Sensibilisierer im Change-Prozess und HR hat mit Sicherheit dort, wo es ein stabiles, fundiertes Personal-Controlling gibt, auch die Rolle – vor allem in größeren Unternehmen – sicherzustellen, dass alles rund um Personalkapazitäten annähernd gleich beschrieben und bemessen wird. Also ein durchaus herausfordernder Balanceakt. Ich muss auf der einen Seite erstens einmal sicherstellen, dass - wenn ich jetzt sage, ich starte so einen Prozess, so ein Projekt die Absprungbasis klar beschrieben ist, man sich einig ist, um nämlich nachvollziehen zu können, welche Verbesserungen haben wir denn im Vergleich zu den Zielen, die wir uns gesetzt haben, tatsächlich geschafft. Klären der Ausgangsbasis, klären der Spielregeln, was gilt jetzt als Einsparung, was gilt nicht, bis hin zum Controlling der einschlägigen Zahlen. Man muss auf der anderen Seite, das was wahrscheinlich als erstes einfällt, die Change-Management Seite von A bis Z bedienen.“288 287 288 Interview 5: 92, Z 267 Interview 6: 99, Z 166 107 Interview 7: Stärkeres Bewusstmachen des Lean Gedankens in die Führungsarbeit: „Ich glaube, dass, obwohl wir den Lean Gedanken über die Produktion im Hause eigentlich begonnen haben, bewusster zu machen, auch wenn ich schon von Haus aus schon gesagt habe, ich bin nicht der Personalentwickler, ich bin einer der hilft, Personal zu entwickeln hat sich das Bild vielleicht ein bisschen gewendet, wenn ich diesen Lean Führungsgedanken Ernst nehme und tue, dann kann dies wahrscheinlich auch helfen, in den ganzen Produktionsprozessen diesen Lean Gedanken, versuchen zu nutzen, umzusetzen, weil wir halt dann damit effizienter, mit weniger Fehlern, also alles was dazu gehört, produzieren. Also von der Vorreiter Lean Production, jetzt Lean Führungsgedanken, dass man da jetzt so ein bisschen, wie soll man es am besten formulieren, das es eine Kulturführungsfrage bei uns im Haus ist. Lean führen heißt, auch Lean produzieren zu können.“289 „Einfach dieses Bewusstmachen, Bewusstmachen, um das noch einmal zu unterstreichen. Bewusstmachen, dass schlankes Führen Effizienz automatisch in sich hat. Nicht nur ermöglicht, sondern schlankes Führen heißt, wirklich vor Ort, faceto-face in überschaubaren Größen.“290 Interview 10: Etablierung eines vertikalen 4-Ebenen-Modells innerhalb der HR-Organisation in Anlehnung zu einem 3-Säulen-Modell zur Umsetzung der HR-Arbeit nach Dave Ullrich bzw. dem HR Service Modell von Capgemini und Etablierung von Implementierungsrollen und lokalen HR-Business PartnerIn-Rollen: „Also ehrlich gesagt, wir sind im Unternehmen sehr hoch zentralisiert. Auch unsere Strategie und Richtung ist eine abgeleitete Strategie und unser Personalentwicklungssystem, Performancemanagementsystem kommt alles von diesem Center of Expertise auf Europa-Ebene und wir haben zu 70% von allen HRThemen eine Implementierungsrolle, das heißt wir haben ein zentrales europaweit gültiges Compensation & Benefits-System und der Rest ist unsere Freiraum, von daher bringt das natürlich mehr Zentralisierung und eine einheitlichere europaweite Umsetzung der globalen HR-Strategie.“291 „Und wir haben dann auf der lokalen Ebene HR-Personen, die sitzen am Standort, die haben eigentlich nur Scope für einen Standort (zeichnet unterhalb von Ländergruppen HR noch Legal Entities). Das ist die Struktur.“292 289 Interview 7: 117, Z 374 Interview 7: 119, Z 398 291 Interview 10: 149, Z 230 292 Interview 10: 145, Z 122 290 108 3.2.5 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Position der Organisationseinheit Human Resources? Zur Beantwortung dieser Frage ist eine Differenzierung zwischen der Leitung HR und der Organisationseinheit HR erforderlich. 7 der 8 befragten InterviewpartnerInnen (Consultant-Interviews wurden nicht berücksichtigt) berichteten von keinerlei Veränderungen hinsichtlich der Leitung HR also Folge einer Lean Einführung. Im Unternehmen aus Interview 5 wurde im Zuge eines Wechsels in der Geschäftsführung vor 2 Jahren daraus resultierend die Personalleitung direkt der Geschäftsführung unterstellt. Diese Entscheidung resultierte aus einer gesteigerten Bedeutung in Bezug zu HR aus Sicht der Geschäftsführung und fiel zeitgleich mit der flächendeckenden Einführung von Lean im Unternehmen zusammen. Betrachtet man die Organisationeinheit HR an sich, fanden ebenso in 6 von 8 Unternehmen (Consultant-Interviews wurden nicht berücksichtigt) keine Änderungen statt. Dafür fanden im Unternehmen aus Interview 4 gravierende Veränderungen in der Ausführung der HR-Arbeit durch Schaffung eines Shared-Service-Centers, von Centers of Expertise und lokalen Business PartnerInnen statt. Im Unternehmen in Interview 10 wurde 2005 durch die vertikale Neuausrichtung der HR-Organisation zusätzlich eine hoch angesiedelte HR-Implementierungsrolle geschaffen. Die diesbezüglichen Ausführungen in Kapitel 3.2.4/Interview 4 in Bezug zu den Rollenveränderungen können auch zur Beantwortung dieser Frage herangezogen werden. Die InterviewpartnerInnen betonen in ihren Ausführungen, dass HR in der Aufbauorganisation handlungswirksam sehr zu hoch sein. angesiedelt Diese sein muss, Funktionsautorität um entsprechend ist wichtig, da sonst möglicherweise Lean-Initiativen zum Scheitern verurteilt sind. Dabei ist aber gleichzeitig die Unternehmensstruktur zu berücksichtigen. Strategischplanerische HR-Aufgaben sind dabei meist im Konzern-HR in einer Holding angesiedelt, wodurch eine entsprechende Handlungskraft gewährleistet ist. In Unternehmen, wo diese Einbettung nicht existiert, ist auf eine entsprechende 109 inhaltliche Ausstattung von HR zu achten, die über eine rein Zahlen aufbereitende Stabstellenfunktion weit darüber hinaus zu gehen hat. Nach diesen Ausführungen ist zu schließen, dass eine ausschließlich hierarchische Zuordnungsbetrachtung von HR und ihres Handlungsvermögens nicht ausreicht. Es ist vielmehr die inhaltliche Funktionsausstattung (Vgl. Rollenbild HR) dabei mit zu berücksichtigen. Aus Consulter-Sicht wird betont, dass der CEO als oberste/r Personalverantwortliche/r für eine entsprechende HR Einordnung zu sorgen hat und dass vor allem strategisches HR (Recruiting, MA-Entwicklung) hoch angesiedelt sein muss (unter dem CEO), um die Themen dann in die operativen Prozesse, wertschöpfenden Prozesse hineinzutragen und etablieren zu können. Dies hängt aber auch von der Branche ab (z.B. Produktionsbereich vs. Servicebereich). Vor allem im Bereich der (Financial-)Services gehört die HR Rolle entsprechend berücksichtigt. 3.2.6 Welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie Karrieremanagement? Der nachfolgende Querschnitt durch die Interviews zeigt, dass die Lean-Einführung in einem Unternehmen Auswirkungen auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung sowie in erheblichem Maße auf das Karrieremanagement hat. „…als wir in einem großen professionell agierenden Unternehmen nicht so sehr den Werkzeugkoffer jetzt völlig neu sortieren müssen. Das eine oder andere Werkzeug kommt neu dazu, sondern es geht darum, die Mannschaft, das beginnt bei der Führung, in einem möglicherweise anderen Gebrauch der Werkzeuge fit zu machen.“293 Die befragten Unternehmen kombinieren theoretische Schulungen in Form von Präsenztrainings oder e-Learning mit einer unmittelbar danach praktischen 293 Interview 6: 98, Z 143 110 Anwendung des gelernten bzw. in Form von Projekten (z.B. bei Lean Six Sigma) oder einer direkten Umsetzung „on the job“. Gibt es in einem Konzern oder Unternehmen bereits etablierte Lean-Aktivitäten, werden an diesen Standorten BestPractice Trainings durchgeführt. Führungskräfte erhalten auch zusätzliche Schulungen zu den Themen Leadership und Organisationsentwicklung. Weiters werden auch die Themen Effizienz und Effizienzsteigerungen in die Schulungen integriert. Im Interview 5 sind die Auswirkungen für HR an einem Beispiel eindrücklich beschrieben: „Die Herausforderung, die es für ihn gegeben hat, ist natürlich ganz klar, wir sind stark in Trainingsprogramme eingestiegen, wir haben Mitarbeiterumfragen großflächig angelegt, also nicht nur wie geht’s euch, sondern Mitarbeiterumfragen, die hat ihn jetzt sehr herausgefordert haben. Mitarbeiterumfrage, wo wir gesagt haben, wir machen alles und schauen dann darunter in den einzelnen Bereichen mit Workshops ohne den Vorgesetzten, wie interpretiert ihr die Mitarbeiterumfrage, die Ergebnisse und was wäre denn jetzt das Optimierungspotential, was liegt euch wirklich am Herzen, ohne noch dazu, das möchte ich noch erwähnen, ohne jeweils den einzelnen Bereichs-/Abteilungsleitern, damit die Leute wirklich komplett frei von der Leber auch, das Ganze zu erinnern und interpretieren können.“294 „Also diese Orientierung hin zur Person, hin zur Organisation, die Person steht im Mittelpunkt des Unternehmens, das war eigentlich eines der wichtigsten Changes für ihn selbst. Also das ganze Trainingsprogramm inklusive die Orientierung hin, die Person steht im Mittelpunkt. Nicht nur der Rekrutierungsprozess, sondern also auch die Requalifizierung und Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter, das hat ihn ganz speziell herausgefordert und fordert ihn nach wie vor heraus.“295 Betrachtet man Lean auch als Change-Prozess, so werden seminarartige Bildungsmaßnahmen bis hin zu Trainings der Team- und Organisationsentwicklung durchgeführt. Wichtig ist dabei auch die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses und einer gemeinsamen Zielrichtung zwischen Management und MitarbeiterInnen. In diesem Zusammenhang kommt HR eine wesentliche Rolle zu: Organisation und Durchführung von Veranstaltungen in sozialem angenehmen Rahmen zur Findung der gemeinsamen Zielrichtung und Verständnisschaffung. 294 295 Interview 5: 88, Z 151 Interview 5: 88, Z 162 111 In Zusammenhang mit den Change-Prozessen weisen 3 InterviewpartnerInnen auf die richtige Geschwindigkeit hin. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich ein Unternehmen im Verhältnis seiner Führungskräfte zu deren MitarbeiterInnen gleichartig und gleichzeitig bewegen sollte. Weiters ist das richtige Maß in Bezug zum Arbeitseinsatz zu wahren, um die Führungkräfte und MItarbeiterInnen weder zu über- noch zu unterfordern. Da eine Lean-Einführung mit großen Veränderungen verbunden ist, benötigt dieser Prozess Zeit. Dabei ist die richtige Veränderungsgeschwindigkeit - nicht zu schnell, nicht zu langsam - zu finden. Aufgrund des Change-Prozesses hin zu einer Lean-Organisation in Verbindung mit dem Ziel der langfristigen Verankerung von Lean in einem Unternehmen kommt der Weiterbildung und Entwicklung von Führungskräften eine entscheidende Bedeutung zu. Wichtig ist dabei vor allem die Vorbildwirkung der Führungskräfte. Bei der Bewertung einer Führungskraft sind Leadership-Fähigkeiten und der Umgang mit Change Management von Bedeutung. Dabei sind nachfolgende Attribute von Führungskräften kennzeichnend: unternehmerisches Denken und Handeln, fachliche Kompetenz, soziale Kompetenz, Wirkung der Persönlichkeit. Dienende Führung („Servant Leadership“), dies bedeutet das Arbeiten als Führungskraft für die MitarbeiterInnen, bildet ebenso eine wichtige Umsetzungssäule. Bereits in der Nachwuchsführungskräfteausbildung werden Rotationsprogramme im Unternehmen durchgeführt, um breite fachliche Tragfähigkeit und Akzeptanz der Leute zu erzielen. Hinzu kommt auch das Einbetten von Lean im Zielvereinbarungsprozess bei Führungskräften. Die Bedeutung von Leadership bzw. Führungsarbeit wird von 4 InterviewpartnerInnen behandelt: „Ganz richtig, das ist haargenau der Punkt, der Angelpunkt ist die Leadership und wir können es uns dann auch noch anschauen und es ist zwingend nicht: Ich habe 200 Leute, die für mich arbeiten, sondern ich arbeite für 200 Leute. Also dieses Servant Leadership ist ja auch eine Leadership-Schule, …“296 296 Interview 2: 25, Z 158 112 „Wenn die Führungsqualität gut ist und die Führungskultur, dann haben wir viele Probleme von Haus aus nicht. Und da brauche ich soziale Kompetenz und Wirkung der Persönlichkeit.“297 „Das müssen Sie den Führungskräften massiv mitgeben, dass in ihrer Verantwortung neben dem kostenmäßigen Ergebnis aber auch liegt, dass die Mitarbeiter, die da drinnen arbeiten, weder von der Führungskraft überfordert werden, noch sich selbst überfordern, …“298 „Und da ist eine wichtige Aufgabe, wenn ich eingangs gesagt habe, ich mache nicht Personalentwicklung, ich bin Coach der Führungskräfte und ein wesentlicher Zusammenhang ist hier aus meiner Sicht, dass ich also Führungskräfte berate, trainiere, coache, wie man mögliche Umsetzungen in Richtung Lean Führung weiter verbessern kann.“299 Die Verschlankungsmaßnahmen haben erhebliche Auswirkungen auf das Karrieremanagement eines Unternehmens. Durch das Kappen von Hierarchien, den Wegfall klassischer Karrierewege und somit Wegfall des Motivationsfaktors Karriereweg muss HR kompensierende Alternativen entwickeln und vorstellen, z.B. Neugestaltung des Entgelt-Systems, Etablierung von Expertenkarrieren und sichtbarmachen der alternativen Entwicklungsmöglichkeiten. Ein weiterer Weg ist die Entwicklung weg von einer klassischen, hierarchischen Linienorganisation hin zu einer rollenorientierter Organisation (z.B. Chief Experts), welche dadurch neue, flexible Karrierepfade für MitarbeiterInnen bieten kann. 3 InterviewpartnerInnen weisen auf die Bedeutung und den Einsatz der Visualisierung in Bezug zu Zielen und der Messung von Zielerreichungen hin. „Das muss jedem klar sein. Sprich, und die gehen dann auch durch, also auch der oberste Chef, der geht da durch, der fragt die Leute auch an der Linie, soweit die Englisch können, oder lasst sich es halt übersetzen, und fragt sie, ob denen diese Ziele bewusst sind. D.h. das Entscheidende ist, dass ich die Teams an der Linie, wie ich das jetzt visualisiere oder in welchen Schulungen, Informationsveranstaltungen, die müssen wissen, was sind unsere Measurements?“300 „Dann haben sie gesagt beim nächsten Durchgang, aber gescheit wäre es, wenn wir die Kabel auf der linke Seite grün machen, weil die haben eine bestimmte Länge, die anderen sind rot. D.h. visualisieren von Dingen und ich sage es Ihnen, der Output 297 Interview 3: 55, Z 397 Interview 6: 105, Z 369 299 Interview 7: 112, Z 203 300 Interview 2: 26, Z 192 298 113 wurde um ungefähr, ich sage einmal, das 2 bis 2,5fache gesteigert, innerhalb weniger Stunden.“301 „Zweiter, wichtiger Punkt ist, ich kann meine Dinge beeinflussen, aus dem kommt auch Lean-Management inklusive Visualisierung, ganz wichtig. Nur LeanManagement einzuführen, ohne Visualisierungskonzepten, ohne dementsprechenden Plan-Do-Check-Act Zyklen, wo ich sehe, ich tue was und habe dahinter auch eine Reaktion und ich habe auch Ergebnisse, die sich noch dazu idealerweise irgendwann am Ende des Jahres oder Monats auch irgendwo monetär auswirkt, das motiviert die Leute und dazu gehört natürlich auch der 3. Punkt, wieder der Brückenschlag zum Karrieremanagement, die Leute brauchen irgendwo einen Horizont. Wo kann ich mich hin entwickeln, wo geht die Reise hin?“302 Eine hierarchische Karriereentwicklung wird durch flachere Organisation schwieriger. Daher ist es wichtig, den MitarbeiterInnen Freiraum für eigenes Agieren im Rahmen der Tätigkeit zu geben, da dies motivationssteigernd wirkt und sich auch positiv auf die Arbeitszufriedenheit auswirkt. Da durch die Lean-Maßnahmen eher keine neuen Karriererollen entstehen, ist es möglich, dass durch eine stetige Lean-Geisteshaltung von Ownership, Karrieremöglichkeiten Selbstverantwortung, entstehen, da proaktivem Denken die MitarbeiterInnen durch neue Ihre Lean- Grundeinstellung Commitment zeigen. In Unternehmen, die Six Sigma Ausbildungen anbieten, kommt noch ergänzend die Entwicklungsmöglichkeit über die BeltTrainings hinzu, welche eine Qualifikationsausweitung der MitarbeiterInnen bedeuten und dadurch auch die Karrierechancen erhöhen. Gehaltssteigerungsmöglichkeit sind (ergänzend zu den Führungskarrieren) auch bei Fachkarrieren zu etablieren. Personalentwicklung, Qualifizierung, Training sind zur Schaffung von LeanKompetenzen auszurichten. Diese Aktivitäten sind mit einer Incentivierung in monetärer Form und über Karrierepfade zu verbinden. Dem Einsatz von MitarbeiterInnen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Schaffung eines Verständnisses von end-to-end Prozessen kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Der Wegfall von Hierarchien bedeutet auch einen Wegfall entsprechender Entwicklungsmaßnahmen. Es ist daher ein Kompetenz- und Wissensmanagement 301 302 Interview 3: 46, Z 122 Interview 5: 90, Z 221 114 erforderlich, um das Niveau der Organisation zu halten. Durch Wegfall von Hierarchien erhöht sich auch die Führungsspanne. HR ist dabei aufgefordert, Kompetenzmanagement-Modelle zu entwickeln, welche von den Führungskräften genutzt werden können. Programme zur Analyse von MitarbeiterInnen bzgl. der Eignung für eine Führungsoder ExpertInnenlaufbahn sind vor allem unter dem Gesichtspunkt zu etablieren, wer als Führungskraft eine Lean-Organisation leiten und vorantreiben kann. Dies ist bereits bei entsprechenden internen oder externen Rekrutierungen zu berücksichtigen und auch die Aus-/Weiterbildung darauf auszurichten. Der Durchführung von Qualifikationsmaßnahmen in wirtschaftlichen Krisenzeiten kommt eine erhöhte Bedeutung zu, um nach einer Krise auf einem höherem Qualifikationsniveau agieren zu können. HR hat auch die Aufgabe, neu eintretenden MitarbeiterInnen („onboarding“) Lean im Unternehmenskontext zu vermitteln, damit eine entsprechende Geisteshaltung und Handlungsweise von Beginn an am Arbeitsplatz umgesetzt werden kann. Auffrischungstrainings sollten durchgeführt werden, wenn gewisse Handlungsroutinen noch nicht umgesetzt werden. Um einen Blick über den Tellerrand anzubieten, soll HR die MItarbeiterInnen und Führungskräfte beim Vernetzen mit KollegInnen in– und ausserhalb des Unternehmens unterstützen. Maßnahmen zur Verschlankung können auch zu einer Vereinheitlichung und Standardisierung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (z.B. von Personalentwicklungssystemen, Performancemanagementsystemen) sowie zu einer effizienten, kanalisierten Form von Karrieremanagement innerhalb von komplexen Unternehmensorganisationsstrukturen führen. 115 3.2.7 Empirisch-analytische Zusammenfassung: Teilantwort der Forschungsfrage Die InterviewpartnerInnen sehen in Lean Human Resources einen effizienten Personalressourceneinsatz mit ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzten, motivierten MitarbeiterInnen. Der Organisationeinheit Human Resources kommt dabei eine bedeutende Rolle in vielfältiger Form zu, die alle Ausprägungen des Business PartnerIn-Modells beinhaltet. HR kommt dabei als Change Agent im Rahmen der Veränderungsprozesse eine wichtige Bedeutung zu. Eine Lean-Einführung hat nur sehr geringe bis gar keine Auswirkungen auf eine bestehende hierarchische Einordnung der Leitung HR bzw. der Organisationseinheit HR. Die InterviewpartnerInnen betonen aber die Erfordernis einer in der Betriebshierarchie hoch angesiedelte Positionierung, um eine entsprechende Handlungs- und Umsetzungsautorität zu bekommen. Innerhalb von HR selbst ist Lean-Know-How aufzubauen, um die Rollen des Business PartnerIn-Modells einerseits erfolgreich ausführen zu können und andererseits Verschwendung in den eigenen HR-Prozessen zu identifizieren. HR ist gefordert, sich selbst Lean aufzustellen. Dies geschieht durch Verbesserung der HR-Prozesse (u.a. mit dem Ziel der Standardisierung und Vereinheitlichung) und durch eine Neuorganisation im Sinne des 3-Säulen Modells basierend auf Dave Ulrich bzw. des HR Service Modells von Capgemini. Eine entsprechende Neuorganisation hat möglicherweise auch Auswirkungen auf die hierarchische Einbettung der HR-Leitung bzw der Organisationseinheit HR sowie der diesbezüglichen Rollen. Die Bedeutung der Führungskräfte und ihrer Leadership-Fähigkeiten werden als zentraler Erfolgsfaktor im Zusammenhang mit Lean-Aktivitäten gesehen. Die Visualisierung von Zielen und Zielerreichungen bilden in diesem Zusammenhang einen wichtigen Bestandteil im Rahmen der Führungsarbeit. 116 Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen werden im Anschluss von theoretischen Bildungsveranstaltungen unmittelbar mit on the job-Umsetzungen trainiert und umgesetzt. Spezielle Führungskräfte Trainings zu den Themen Leadership und Organisationentwicklung haben vor dem Hintergrund der Change-Prozesse an Bedeutung gewonnen. Durch den Wegfall von Hierarchieebenen kommt der Schaffung alternativer Karrieremanagementmodell mit einem verstärkten Focus auf die Etablierung von Projekt- bzw. ExpertInnenlaufbahnen eine große Bedeutung zu. Lean zu denken und Lean zu handeln kennzeichnet dabei wichtige Charakterzüge bei den MitarbeiterInnen aus. Maßnahmen zur Reduktion und Eliminierung von Verschwendung im Sinne von Lean werden aber auch umgesetzt, ohne dass der Begriff oder das Konzept „Lean“ explizit verwendet wird. Die gesetzten Handlungen weisen dabei aber die Attribute von Lean auf. Dies lässt darauf schließen, dass in der betrieblichen Praxis viele Unternehmen Lean-Aktivitäten mit dem Ziel der Steigerung von Effizienz durchführen, ohne ausdrücklich das Wort „Lean“ dabei zu verwenden. 4 Zusammenfassung der Ergebnisse aus Theorie und Empirie 4.1 Zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfrage Lean Human Resources kennzeichnet einen effizienten Personalressourceneinsatz, der die MitarbeiterInnen als hochqualifizierte und motivierte Know-How-TrägerInnen mit hoher Teamorientierung und als unmittelbare UmsetzerInnen einer Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung darstellt. Die Vermeidung von Verschwendung in den täglichen Arbeitsprozessen und die Umsetzung kontinuierlicher Verbesserungsmaßnahmen geschehen dabei vor dem Hintergrund einer nach diesen Prinzipien ausgerichteten grundlegenden Geisteshaltung bei den MitarbeiterInnen. 117 Die Führungskräfte haben in diesem Zusammenhang eine starke Vorbildwirkung und die Aufgabe, die MitarbeiterInnen entsprechend ihrer Fähigkeiten im Sinne einer Lean-Organisation zu führen, zu coachen, zu entwickeln und weiterzubilden. Ein gegenseitiger permanenter Feedback-Prozess in Verbindung mit transparenten Zielvereinbarungsprozessen sowie Zielerreichungskontrollen mit visueller Unterstützung bildet dabei eine wesentliche Grundlage. Lean Human Resources beschreibt weiters die Organisationseinheit HR, welche selbst Lean organisiert ist und sich durch hoch-qualitative, effiziente HR-Prozesse auszeichnet. Dabei sind verschiedene Modelle zur Umsetzung der HR-Arbeit zu evaluieren und die Organisationseinheit HR entsprechend auszurichten. Auf Basis dieser Grundlagen ist es der Organisationseinheit HR möglich, Maßnahmen und Handlungsweisen bei der Einführung von Lean oder der Aufrechterhaltung einer Lean-Unternehmenskultur zu setzen. Dabei hat sich HR zu einer umfassenden und ausbalancierten Business PartnerIn-Rolle hinzuentwickeln. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen und Handlungsweisen ist es erforderlich, dass die Organisationseinheit HR innerhalb der hierarchischen Aufbauorganisation sehr hoch angesiedelt ist, um eine entsprechende Handlungsautorität für das Agieren innerhalb der Business PartnerIn-Rolle zu erhalten. Der Leitung HR kommt als Strategic Partner von Management bzw. Geschäftsführung bei der Einführung bzw. Aufrechterhaltung einer Lean-Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle zu. Durch die aus einer Lean-Einführung resultierenden Veränderungen hinsichtlich der Arbeitsprozesse und der Organisation selbst kommt in dieser Phase vor allem der Ausprägung des Change Agents innerhalb der Business PartnerIn-Rolle eine hohe Bedeutung zu. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind bei einer Lean-Einführung an die in dem Unternehmen zur Anwendung gelangenden Lean-Prinzipien anzupassen bzw. auszurichten. Die Basis bildet dabei die Berücksichtigung dieser Lean-Prinzipien innerhalb der Job- bzw. Rollenbeschreibungen, welche die Grundlage für das 118 Performancemanagement und die Personalentwicklungsmaßnahmen bilden. Neben den fachlichen Trainings mit hoher on-the-job-Orientierung für die MitarbeiterInnen kommt dem Training der Führungskräfte in Bezug zu Leadership und Organisationsentwicklung eine wichtige Bedeutung zu. Innerhalb der Trainings sollte der Fokus auf die Entwicklung der Problemlösungskompetenz und der Verbesserungskompetenz gelegt werden. Lean erfordert auch die stärkere Ausrichtung auf eine Mehrfachqualifizierung der MitarbeiterInnen und Führungskräfte, welche durch Projektmitarbeit und Job-Rotations erzielt wird. Durch die Reduzierung von Hierarchieebenen und einer Verschlankung der Organisationsstruktur innerhalb von Lean müssen neue motivierende Anreize in Form alternativer Karrieremodelle und monetärer Incentivierungen geschaffen werden. Dabei sind verstärkt verschiedenen Formen von Projekt- bzw. ExpertInnenlaufbahnen zu etablieren. 4.2 Schlussfolgerungen und Auswirkungen auf die betriebliche Praxis Diese Master Thesis ist in 1. Linie als eine thematische Standortbestimmung im Kontext der Forschungsfrage und als Orientierungsleitfaden für die betriebliche Praxis zu sehen. Lean Human Resources ist ein Begriff, der großen Interpretationsspielraum offen lässt. Die Interviews haben gezeigt, wie vielfältig der Zugang sein kann. Gleichzeitig haben sich aber einige Charakteristiken herauskristallisiert, die eine sehr gute thematische und inhaltliche Annäherung an Lean Human Resources erlauben. Der gemeinsame Nenner, der letztlich alle in dieser Master Thesis angeführten Maßnahmen und Handlungsweisen zusammenführt, ist die Zielsetzung der Steigerung von Effizienz und Effektivität von Arbeitsprozessen, MitarbeiterInnen und Unternehmen. Dies geschieht aber nicht in einmaliger Form, sondern als kontinuierlicher Prozess der Verbesserung. Dieser Aspekt der langfristigen 119 Ausrichtung führt zu einem Automatismus in lösungsorientiertem Denken und zu einer grundlegenden Geisteshaltung der ständigen Verbesserung bei allen Beschäftigten eines Unternehmens. Dies stellt eine Grundvoraussetzung für rasches, flexibles Handeln in einer dynamischen, global vernetzten Wirtschaftswelt dar. Lean Human Resources in seinen Ausprägungen, eine Lean-Einführung mit allen daraus resultierenden Auswirkungen auf die Organisationseinheit HR sowie auf die Personalentwicklungsmaßnahmen Aus- und Weiterbildung und Karrieremanagement sind genauso in diesem Kontext zu sehen. Wichtig ist auch, nicht ausschließlich an - meist vordefinierten - Begriffen und Konzepten (Lean, Lean Human Resources, TQM, BPM, etc.) hängenzubleiben, sondern vielmehr auf Basis der Attribute, die Aktivitäten und Handlungen im Zeichen der Steigerung von Effizienz und Effektivität kennzeichnen, entsprechende Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Dabei ist zuvor ein Status-Quo zu erheben, der aufzeigt, auf welche Maßnahmen der Vergangenheit und auf welche bestehenden Handlungsweisen der Gegenwart möglicherweise bereits aufgebaut werden kann. Für die Umsetzungsarbeit ist dabei das Unternehmen gesamthaft zu betrachten. Einen wesentlichen Referenzrahmen bilden dabei die jeweilige Unternehmenskultur und die Formen der vorhandenen Arbeitsorganisationen in der jeweiligen Organisation. Diese Maßnahmen, vor allem jene der Verschlankung im Sinne von Reduktion und Einsparungen, sollten immer nur eine Seite der Medaille darstellen. Kreativität und Innovationsfähigkeit eines Unternehmens stellen gleichberechtige Gegenpole zu Lean dar. Beide Seiten gemeinsam dienen der langfristigen Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Die Organisationseinheit Human Resources ist in Bezug zu diesen Aktivitäten aufgerufen, eine aktive, strategisch orientierte Business PartnerIn-Rolle einzunehmen, um durch ihre eigenen HR-Prozesse und durch einen optimalen Einsatz von hochqualifizierten MitarbeiterInnenressourcen nachhaltige Beiträge zur Steigerung von Effizienz und Effektivität innerhalb eines Unternehmens zu leisten. 120 Im Mittelpunkt des Handelns stehen dabei die Menschen als MitarbeiterInnen und TrägerInnen einer Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung. Abschließend möchte ich daher eine Antwort aus Interview 9 zitieren, die aus meiner Frage, welche Assoziationen zum Begriff Lean Human Resources bestehen, resultierte: „Im ersten Moment klingt das für mich wie ein Widerspruch. Lean bedeutet verschlanken, Mitarbeiter bedeutet immer, sich Zeit für Menschen nehmen. Assoziation zunächst ein Widerspruch. Der löst sich dann auf, wenn man sich mit dem, was hinter Lean steckt, beschäftigt. Menschen sind auf der einen Seite da, dass man mit ihnen Zeit verbringt, auf der anderen Seite, wenn man es in den Kontext des Arbeitslebens stellt, dann steht jeder an seinem Platz und hat eine Aufgabe zu erfüllen. Und die ist so zu erfüllen, dass sie im Gesamtkontext eines Unternehmens optimal abgewickelt wird, das bedeutet manches Mal, in schlanken Strukturen zu agieren.“303 303 Interview 9: 133, Z 119 121 Literaturverzeichnis 1. Selbständige Werke a. Bücher Atteslander, P. (2010): Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 13., neu bearbeitete und erweiterte Auflage Becker, M. (2009): Personalentwicklung – Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 5. aktualisierte und erweiterte Auflage Bösenberg, D., Metzen, H. (1992): Lean Management – Vorsprung durch schlanke Konzepte. Landsberg/Lech: Verlag moderne industrie Dahm, M.H., Haindl, C. 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Oktober 2012 129 Anhang A - Scan des FT-Artikels „Lean cuts fat off GE’s production line“ <http://www.ft.com/intl/cms/s/0/25ee1d1a-7994-11e1-8fad00144feab49a.html#axzz2408ovgX8> 3. Oktober 2012 Da der Artikel im Internet aufgrund von Zugriffsbeschränkungen manchmal nicht abrufbar ist, wurde der Artikel in eingescannter Form hier ergänzt. 1 Anhang B - Interview-Leitfaden INTERVIEW-LEITFADEN Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? Wie wird Lean im Unternehmen angewendet? Wann wurde mit der Einführung von Lean begonnen? Was war der Grund/was waren die Gründe für die Einführung von Lean? Wie wurde Lean im Unternehmen eingeführt? Was waren die größten Herausforderungen bei der Einführung von Lean? Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean Human Resources? Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean und Human Resources? Wo ist der/die LeiterIn Human Resources in der Betriebshierarchie angesiedelt? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der organisatorischen Position von Human Resources innerhalb der Betriebshierarchie und der Einführung von Lean? Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf diese Position? Wie würden Sie das Rollenbild von Human Resources im Unternehmen beschreiben? Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen dem Rollenbild von Human Resources und der Einführung von Lean im Unternehmen? Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf dieses Rollenbild? Welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean und den Maßnahmen zur Personalentwicklung im Unternehmen? Welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf die Personalentwicklung, speziell auf die Maßnahmen im Rahmen der Aus- und Weiterbildung und des Karrieremanagements? Welche weiteren Anmerkungen bzw. Ergänzungen gibt es Ihrerseits zu den vorher gestellten Fragen? 2 Anhang C - Transkriptionen der Interviews Anmerkung des Autors: Da die Aussagen der InterviewpartnerInnen im Originalwortlaut wiedergegeben sind, wird die geschlechtergerechte Formulierung in den transkribierten Interviews nicht angewendet. 3 1 Interview 1: 24. Juli 2012 / 08.30 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Herzlichen Dank nochmals für das Gespräch. Ich würde gerne mit der 5 Einstiegsfrage beginnen. Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? 6 7 IP: Für mich ist ganz allgemein der Begriff Lean ein Prozess, oder Prozesse, die 8 auskommen ohne unnötige Kontakte, also ohne Non-Value-Add steps, das ist 9 letztendlich der Hauptzweck von Lean, sozusagen. Hat den Zweck, dass man eben, 10 so aus der Erfahrung heraus sagt, die Prozesse laufen letztendlich rascher durch, 11 man hat weniger Prozesse, oder Arbeitspakete, die im Prozess drinnen sind, die oft 12 gefährlich sind. Das ist auch so ein bisschen, eine Katze, die sich nachher in den 13 Schwanz beißt. Je mehr Prozesse oder Aktivitäten im Prozess drinnen sind, desto 14 eher kommt der Prozess zum Stillstand. Und das ist letztendlich für mich die 15 Hauptaussage. Also Lean heißt für mich alles Eliminierung, wirklich von allen 16 Schritten, so weit wie möglich, die jetzt Non-Value-Add steps sind, um in der 17 amerikanischen Diktion zu bleiben. 18 19 I: Zum Ursprung zurück. Und wie ist Lean im Unternehmen eingeführt worden und 20 was waren die Gründe, Auslöser? 21 22 IP: Der Auslöser war relativ, also wir haben jetzt 10 Jahre, bei uns ist Lean immer 23 verknüpft mit Six Sigma, also bei uns ist es Lean Six Sigma und wurde im 24 Unternehmen implementiert so vor rund 10 Jahren. Das war so eine Zeit, in der es 25 dem Unternehmen nicht besonders gut gegangen ist. Das Unternehmen war knapp 26 am Konkurs vorbeigeschrammt. Die damalige CEO hat sich das von anderen großen 27 amerikanischen 28 Unternehmen, die recht erfolgreich Six Sigma implementiert hatten, hauptsächlich in 29 der Produktion. Und die Idee von ihr war, es über die gesamte Unternehmung 30 auszurollen. Und im Zuge dessen hat es dann auch spezielle Ausbildungen 31 gegeben, die übrigens heute noch laufen, so eine dreistufige, es gibt Yellow Belts, Unternehmen abgeschaut, wie Caterpillar und ähnliche 4 32 das ist bei uns ein Online-Training, ein zweitägiges, wo einem so die Grundbegriffe 33 von Six Sigma und Lean beigebracht werden. Da streben wir danach, dass eigentlich 34 jeder Mitarbeiter dieses e-Learning, diesen Kurs absolviert. Das ist so, sagen wir, in 35 unseren Eintrittsroutinen drinnen, dass sich der Mitarbeiter mehr oder minder 36 verpflichtet, wenn es auch keine Sanktionen gibt, innerhalb eines Jahres diesen Kurs 37 zu machen. Aber man übt, wenn man drauf kommt, man übt ein bisschen positiven 38 Druck aus. Für die, die es mehr interessiert, gibt es dann den Green Belt, das ist so 39 die nächste Stufe, das ist eine einwöchige Ausbildung. Das ist auch im Zuge eines 40 Classroom-Trainings. Da geht man dann schon tiefer in die Schritte hinein. Ist auch 41 dazu gedacht, größere Projekte traden zu können und auch Verantwortung 42 übernehmen für größere Projekte und die 3. Stufe sind die Black Belts, das ist dann 43 schon ein fünfwöchiges Classroom-Training, also recht intensiv, mit der Zielsetzung, 44 wirklich große Projekte im Unternehmen zu übernehmen. Und darüber hinaus gibt es 45 dann noch die Master Black Belts. Es gibt also defacto eine richtige Organisation, die 46 sich mit Lean und Six Sigma beschäftigt, die auch auf Corporate Ebene rapportieren 47 müssen, welche Aktivitäten sind im Gang, welche Projekte sind im Gang, was haben 48 uns die Projekte gebracht, etc., etc. 49 50 I: Würden Sie das bereits als Karrieremanagement charakterisieren innerhalb des 51 Hauses, wie Sie den Weg beschrieben haben innerhalb dieser Black Belt- 52 Hierarchie? 53 54 IP: Na ja, es ist jetzt nicht notwendigerweise, also ich bin z.B. Black Belt. Ich habe 55 aber keinen Green Belt-Kurs gemacht, sondern es war damals die Gelegenheit 56 günstig im Jahr 2004, 2005, um dort einzusteigen. Setzt eine gewisse Flexibilität 57 voraus, weil es ist so im Unternehmen, d.h. wenn man die Black Belt-Ausbildung 58 macht, da legt man seine ganzen Aktivitäten zurück, macht diese Ausbildung und ist 59 dann in Europa unterwegs, diverseste Projekte zu übernehmen. Also das muss man 60 auch wollen, und da muss man auch die Bereitschaft dazu zu haben. Ist aber im 61 Unternehmen schon so integriert, dass man sagt, man macht diese Ausbildung, dann 62 ist man so 2, 3 Jahre unterwegs, und dann ist die Zielsetzung, wenn man nicht sagt, 63 man will im Six Sigma drinnenbleiben und in Lean drinnenbleiben, das man wieder 64 zurückgeht ins Unternehmen und eine entsprechende Funktion bekommt. 5 65 66 I: Darf ich daraus entnehmen, dass wäre also die Frage, in welchem Bereich es zum 67 Einsatz kommt, ich verstehe einerseits aus Ihren Aussagen, Lean ist jetzt nicht 68 isoliert von Six Sigma, es ist in dieser Kombination, in dem Kontext bei Ihnen im 69 Haus zu verstehen? 70 71 IP: Richtig. 72 73 I: Ich höre da so heraus, dass es sehr stark in Richtung Projekt oder Projektlastigkeit 74 geht. 75 76 IP: Richtig, ja. 77 78 I: Dass es also in diesem Segment angewendet wird, also z.B. als Gegenfrage, jetzt 79 nicht unmittelbar in einem streng administrativen Bereich, oder im Vertriebsbereich, 80 im 81 Wertschöpfungskette durch? Einkaufsbereich, oder setzt sich das dann doch über die gesamte 82 83 IP: Das setzt sich eigentlich über die gesamte Wertschöpfungskette durch, wenn wir 84 einen Blick auf Österreich werfen, also wir haben keine Produktion, wir kaufen ein 85 und wir verkaufen und dann haben wir doch jede Menge administrative Prozesse 86 dahinter. Und gerade in diesen administrativen Prozessen führen wir auch solche 87 Projekte durch. Und da geht’s eher so in Richtung Lean, was wir eingangs gesagt 88 haben, wenn man sich den Bereich Billing anschaut. Also ein Projekt war z.B., wir 89 kriegen zu viele Rechnungen zurück und dann ist man da so in dem Prozess drin, 90 die Rechnung geht raus, kommt zurück. Es gibt telefonische Kontakte mit dem 91 Kunden, etc., und dies sind alles diese Steps, die man versucht, auszuschalten. Und 92 um diesen Prozess eben Lean zu gestalten, Rechnungen ausstellen, Kunde 93 bekommt diese Rechnung und zahlt sie und ideal, und fertig. Was aber ganz wichtig 94 ist, dahingehend, ist dann schon, immer das Herausfinden der Gründe, warum 95 kommt denn die Rechnung überhaupt retour? Und dann ist man schon wieder bei 96 dem, sagen wir Six Sigma, den mehr statistischen Methoden. Da komme ich nicht 97 drum herum, wenn ich diesen Schritt nicht mache, wird es nicht funktionieren, wenn 6 98 ich nicht wirklich weiß, warum die Rechnungen zurückkommen und das kann ich de 99 facto meist nur mathematisch bzw. statistisch belegen. Dann setzte ich nicht am 100 richtigen Punkt an. 101 102 I: Das ist auch dabei dieser starke Kontext von Lean in Kombination mit der Six 103 Sigma Methode. 104 105 IP: Genau. 106 107 I: Ok, verstehe. 108 109 IP: Was waren dabei die größten Herausforderungen bei der Einführung von Lean 110 aus Ihrer Sicht, oder von Lean Six Sigma. Gab es überhaupt Herausforderungen? 111 112 IP: Also, grundsätzlich, die Einführung von Lean und Six Sigma war kein großes 113 Problem. Das war von der Corporation sehr gut vorbereitet. Da war auch glaube ich 114 ein gutes Marketing dahinter, da haben sich viele Leute beworben, dass sie in dieses 115 Programm hineinkommen und das ist also sehr geschätzt worden. Wo ich eher die 116 Probleme sehe, sind dann in der praktischen Umsetzung. Man sagt, man leitet jetzt 117 ein Projekt, und zwar diesen kulturellen Wandel, das ist eines der größten Themen. 118 Und 119 Zusammensetzung der Teams. Das habe ich selber auch am Leib gespürt 120 sozusagen, die Zusammensetzung der Teams auf der einen Seite ist ein 121 Erfolgskriterium und die zweite ist, man hat auch immer einen Projektsponsor. Der 122 Projektsponsor ist der, der sozusagen am meisten leidet unter dem Prozess. Das ist 123 jetzt von der Verantwortlichkeit eines Projektsponsors ist es der, der hat ein Problem, 124 der will es gelöst haben, sucht sich ein Team über den Black Belt im Unternehmen. 125 Dem seine Aufgabe ist es, dem Team es so leicht wie möglich zu machen, also wenn 126 z.B. im Zuge eines Projektes man irgendwo ansteht und man nicht weiterkommt, 127 wegen politischer Barrieren oder sonstigen Dingen, dann ist es die Aufgabe des 128 Projektsponsors sozusagen, diese Steine aus dem Weg zu räumen. Meistens von 129 der Seniorität her muss ein Projektsponsor ziemlich weit oben angesiedelt sein. weil man ja auch immer in Teams zusammenarbeitet, auch die 130 7 131 I: Und hatte Human Resources oder hatten Sie bei dieser Einführung eine konkrete 132 Rolle als HR-Verantwortlicher, in welcher Form? 133 134 IP: Also bei uns hat es sich so ergeben, dass ich auch für Österreich der sogenannte 135 Deployment-Manager für Lean Six Sigma bin. Ich mache HR und gleichzeitig 136 berichte ich in eine andere Organisation hinein über die Aktivitäten, die wir im Zuge 137 des Lean Six Sigma hier machen, d.h. meine Verantwortung ist es, auch zu schauen, 138 dass alle Leute trainiert sind, dass sie entsprechende Projekte laufen haben und es 139 fügt sich auch gut, weil jetzt im Moment ist ja das wirtschaftliche Umfeld ja relativ, ein 140 bisschen angespannt und da gilt es sehr viele Aktivitäten, wo wir sagen, wir müssen 141 mit den Kosten ein bisschen runterzukommen. Haben wir gesagt, da macht es aber 142 doch Sinn, dass man diese beiden Dinge zusammenspannt und wirklich versucht, 143 vernünftige Kostenziele auch mit vernünftigen Prozessmethoden zu begleiten. 144 145 I: Meine Master Thesis ist mit dem Titel Lean Human Resources betitelt und ich 146 möchte Sie einfach fragen, ob Sie mit diesem Begriff etwas anfangen können oder 147 wie Sie ihn charakterisieren würden, wenn Sie das hören? 148 149 IP: Also, für mich hat ja Human Resources letztendlich neben all den technischen 150 Dingen, die dazugehören, wenn man die einmal ein bisschen auf der Seite lasst, mit 151 der Bereitstellung von den richtigen Ressourcen, also menschliches Kapital im 152 Unternehmen zu tun. Und auch aus diesem Grund ist es, machen wir es so, dass wir 153 also permanent auch die Teams durchleuchten und auch die Arbeitspakete in den 154 Teams durchleuchten. Man hat oft so ein Bauchgefühl, das Ding ist zu groß, ist zu 155 klein und da haben wir nicht die nötigen Skills, da braucht man ein Training, und was 156 weiß ich. Aber das sind oft so Anforderungen, die kommen so ad hoc und was ich 157 immer versuche, ist so diese Anlassgesetzgebung ein bisschen zu vermeiden und 158 dann sage, ok ich höre das, also schauen wir uns das an. Vertragsabteilung, 159 Vertragsprüfung, und so. Die haben so viel zu tun, und dann, wenn man sich aber so 160 im 1. Schritt, die haben viel zu tun, ist so und so unser Geschäft, wir machen so und 161 so viele Geschäftsfälle pro Monat, ergibt, würde man annehmen, brauche ich 3 162 Heads, in Wahrheit haben wir 5 Heads, die sind alle 5 ausgelastet, warum? Und 163 dann geht das so hinein und schaut sich an, was machen denn die Leute wirklich? 8 164 Und auch dort wieder, ist das unnötig, kann ich das rausnehmen, kann ich die Leute 165 woanders besser platzieren im Unternehmen? Also in diese Richtung geht das. 166 167 I: Höre ich da auch so ein bisschen diesen Bedarf an einer Kontinuität, das es eben 168 nicht anlassbezogen ist, sondern durchaus dass es ein kontinuierlicher Prozess ist, 169 der so Teil der Organisation wird? 170 171 IP: Auch, richtig, ja. 172 173 I: So quasi, kontinuierlich am Laufen gehalten. 174 175 IP: Eine Unternehmung ist ja wie ein lebender Organismus. Der schaut ja auch alle 2 176 Monate fast bisschen anders aus, es wird permanent ein bisschen geschraubt und 177 gedreht und dann gibt’s andere Anforderungen, und da muss man auch am Ball 178 bleiben. Dazu lassen sich, lässt sich Lean oder diese Prozesse gut anwenden. 179 180 I: Hat es da bei der Einführung von Lean oder Lean Six Sigma jetzt in diesem Fall 181 Änderungen oder Veränderungen im Rahmen der Personalentwicklung gegeben 182 oder im Human Resources im Rollenbild? 183 184 IP: Also für das, rein für das Team Human Resources als solches sag ich einmal jetzt 185 nicht, außer dass es in Österreich halt in meiner Person vereint ist und in anderen 186 Ländern ist immer eine sehr enge Zusammenarbeit. Das hat sich irgendwie so 187 herauskristallisiert, dass Lean und Six Sigma eng oder in HR berichtet sind oder 188 verankert sind. 189 190 I: Interessant. 191 192 IP: Das ist vielleicht auch, vielleicht muss das auch so sein, weil die anderen 193 Bereiche, die großen anderen Bereiche, also der Vertrieb und Service und dann gibt 194 es noch Finanz, Finanz vielleicht noch am ehesten sich um aber diese Dinge nicht so 195 kümmern. Weil Sales muss verkaufen und Service hat einen SLA zu erfüllen, 196 letztendlich. Wobei auch dort man sagt, hat eine große Servicemannschaft, auch 9 197 dort müssen die Prozesse Lean sein. Also auch ein einfaches Beispiel. Ich kann 198 einen Techniker, kommt immer darauf an, das Arbeitspensum, dass er die Route 199 vernünftig macht. Die Route A, B, C, vielleicht dass es gescheiter ist, das er A, C, B, 200 D oder so fährt. Also da auch entsprechende Instrumente dazu einsetzen, dass er 201 effizienter fährt. 202 203 I: Sie haben auch erwähnt, dass es generell sehr nahe an, also Lean Six Sigma nahe 204 an HR ist. Sehen sie da einen Zusammenhang zwischen der Rolle Human 205 Resources und einer erfolgreichen Lean-Einführung? 206 207 IP: Finde ich schon. Also für mich HR, HR trägt ja die Verantwortung meistens für 208 den fast größten Kostenblock einer Unternehmung. Personal ist teuer und auch dort 209 ist aus strategisch langfristiger Sicht, fahre ich billiger, wenn ich die Ressourcen 210 wirklich richtig einsetze. Das hängt schon damit zusammen. Finanz macht es ein 211 bisschen anders. Finanz würde sagen, nein das gebe ich jetzt nicht aus oder das 212 verschiebe ich auf ein Jahr, etc. Das kann ich in HR nur bedingt tun, wenn ich 213 anfange, Personalentwicklung oder Ressourceneinteilungen zu stoppen, dann kriege 214 ich mittelfristig schon ein Problem, eher kurzfristig. Also wir haben es gesehen, also 215 die Krise war, usw. wie alle Unternehmen blitzartig auf null zurückgefahren sind. Ich 216 kann natürlich sagen, ich stelle jetzt 3 Monate niemanden ein, ich kann das von mir 217 aus auch noch 6 Monate sagen, aber dann irgendwann wird’s kritisch. Natürliche 218 Fluktuation, es wandern ein paar ab, dann fängt man an, im Unternehmen hin- und 219 herzuschieben, ist alles suboptimal. Und darum ist es da umso wichtiger, dass man 220 eher auch langfristige Perspektiven hat. 221 222 I: Hat sich durch diese Einführung von Lean das Rollenbild HR verändert, so wie Sie 223 HR charakterisieren würden, heute? 224 225 IP: Das Rollenbild geht wahrscheinlich, ich meine grundsätzlich geht das Rollenbild 226 bei uns in Richtung Business Partner. Ich glaube schon, dass das auch begleitet 227 wurde, durch das Six Sigma, das man einfach sagt, man hat ein Verständnis für die 228 gesamten Prozesse und wendet die Lean-Tools sozusagen dann auch dort an. 229 10 230 I: Also es ist auch durchaus ein evolutionärer Prozess hin zu dieser Rolle, hin zu 231 dieser Rolle, die eigentlich durchaus als Treiber/Trigger kann man sagen, diese Lean 232 Six Sigma Entwicklung dazu beigetragen hat. Könnte man so charakterisieren? 233 234 IP: Bin ich sicher, das kann man so sagen. 235 236 I: Von den klassischen Instrumenten der Personalentwicklung, also jetzt von den 237 Lean Six Sigma Trainings abgesehen, hat es da Veränderungen gegeben, als Lean 238 Six Sigma eingeführt wurde? Also, etwas wo sie sagen, das ist im Rahmen der 239 normalen Personalarbeit, Personalentwicklungsarbeit… 240 241 IP: Naja, es ist schon, wir haben, also was wirklich letztes Jahr z.B. auch gemacht 242 wurde, im Zuge des Lean Six Sigma Programms, das ist ein Programm, benennt sich 243 bei uns Quick Solver. Das ist so ein Mittelding zwischen was ich eingangs gesagt 244 habe, dem Yellow Belt und dem Green Belt irgendwo in der Mitte angesiedelt, haben 245 wir relativ viel Geld in die Hand genommen, das haben wir auch als Classroom- 246 Training abgehalten, das dauert so einen halben Tag in etwa. Aber da haben wir alle 247 Leute, also wir sind jetzt bei 90% durchtrainiert, und da ist dann auch die 248 Verpflichtung gewesen, innerhalb von 1 bis 2 Monaten auch ein kleines Projekt 249 hinten dran zu setzen und zwar jeder wurde trainiert und dann hat er, um diese Lean 250 Instrumente auch anzuwenden, ich mach jetzt ein kleines Projekt, um einfach auch 251 dafür ein Gespür zu kriegen und dass man auch ein bisschen mehr diese ganzen 252 Instrumente und Techniken intus hat und es bringt letztendlich auch der 253 Unternehmung etwas. Also jeder hat in seinem täglichen Arbeitsablauf immer wieder 254 Dinge, über die man drüber fliegt und sagt jetzt, es lauft jetzt nicht gut, da könnte 255 man besser machen, aber man macht‘s nie. Also es sind so kleinere Sachen, da sind 256 die Leute eben aufgefordert, jetzt wirklich sich etwas zu überlegen. 257 258 I: D.h. das ist für Sie auch sehr wichtig, eben eine Verbindung zwischen einerseits 259 dem theoretischen Training, aber dann relativ rasch nachher die unmittelbare 260 Umsetzung, um zu sehen, wie die Theorie an der Praxis angewendet wird? 261 11 262 IP: Genau, genau, so ist es. Also ein Beispiel aus dem Personal. Also wenn wir im 263 Monat die Payroll fertig machen, nachdem ein großer Teil Vertrieb ist und Vertrieb 264 40% variabel hat im üblichen Fall, war es ein mühsamer Prozess, die Daten zu 265 bekommen. Was ist jetzt verprovisionierungswürdig? Dann ging das an die Stelle, die 266 das gemäß dem Provisionsschema berechnet hat, dann ging‘s an die Payroll und 267 dann meistens 2, 3 Mal hin und her, manchmal zu spät auch noch, usw. Da haben 268 wir von HR gesagt, das läuft jetzt nicht gut. Und haben wir gesagt, dann machen wir 269 als HR-Team ein Quick Solver Projekt, wie wir versuchen, diesen Prozess zu 270 streamlinen, das wir auf jeden Fall, Payroll macht bei uns ein externer Partner, das 271 die zum wirklichen, zu der Deadline auch wirklich alle Daten haben, weil wenn wir 272 einen Tag später geliefert haben, dann haben wir ein paar Euro Strafe gezahlt, 273 Pönale, damit die das noch machen. Um das einfach zu verhindern und da konnte 274 man relativ klar sagen, schau, und jetzt ist dieser Prozess Lean, er kostet uns, was 275 weiß ich, 500 Euro oder 1.000 Euro im Monat weniger. Das ist keine Gehexerei, aber 276 man beschäftigt sich mit den Instrumenten und halt auch mit dem gesamten Prozess. 277 Weil oft weiß man ja gar nicht, da gibt es Anfangspunkt und Endpunkt und irgendwo 278 werkeln 4, 5, 6 Leute mit und dann institutionalisiert sich das und das macht dann oft 279 keinen Sinn mehr. 280 281 I: D.h. Sie benennen jetzt auch wieder die eher instrument- sagen wir so – den Lean 282 Six Sigma Instrumenten Einsatz. 283 284 IP: Ja. 285 286 I: Wie sehen Sie dies im Bezug zu Lean Unternehmenskultur versus Lean 287 Werkzeuge? 288 289 IP: Also, ich meine rein technisch, nicht, das ist wahrscheinlich in meiner Natur drin, 290 das ich schon ein sehr zahlenaffiner Mensch bin und gerne mit unterstützenden 291 Fakten und Daten operiere, aber nach wie vor ohne diese Information, ja, werde ich 292 irgendein ein Bauchgefühl treffen, das mag dann richtig sein, oder nicht richtig ein. 293 Und das ist meine feste Überzeugung, man kommt, man muss es jetzt nicht 294 übertreiben und ganz wilde Statistiken und irgendwelche Rechnungen machen, aber 12 295 Tatsache ist schon, es hilft nichts, wenn man vorher den Prozess anschaut und 296 durchleuchtet und misst, dann kann man auch die richtigen Entscheidungen treffen. 297 298 I: Glauben Sie, ist es auch wichtig, im Sinne dieses eben Sichtbarmachen, durch 299 dieses eben Hard Facts analysieren, zu zeigen, da ist wirklich etwas, also das man 300 nicht sagt, ich habe ein Bauchgefühl. 301 302 IP: Ja, das ist schon so, das ist auch, wird auch besser akzeptiert, ja, also wenn ich 303 dann sage, ich möchte dieses Projekt machen, es hat aber einen Impact in der 304 Organisation von ich weiß nicht, 3 Leuten weniger in der Abteilung, dann wird der 305 derjenige, der die Abteilung leitet, aufschreien und wird sagen, er kann es nicht 306 machen und wenn man das nicht dann begleitend wirklich mit Fakten basiert, 307 supporten kann, wird man da in Schwierigkeiten kommen. 308 309 I: Gibt es bei Ihnen im Haus auch ein Coach- oder Mentoring-System aus HR heraus 310 oder innerhalb der Organisation, die diese Prozesse oder dieses Lean Six Sigma 311 begleiten? 312 313 IP: Also, das ist, wir arbeiten daran, wir haben keines jetzt. Wir sind dabei, ein 314 Mentoring Programm ins Leben zu rufen. Coaching insofern gibt es schon, weil es 315 ein paar Leute gibt, die eben diese Coaching-Skills haben, auf die man auch auf 316 Bedarf zurückgreifen kann. 317 318 I: Vielleicht noch auf die organisatorische Position würde ich gerne noch einmal 319 zurückkommen. Sie sagen eben, haben schon eh vorher erwähnt auch im Sinne des 320 Rollenbildes. Ist es ähnlich, würden Sie es ähnlich charakterisieren? Die Zuordnung 321 der Leitung HR in der Betriebshierarchie in Bezug zu Lean oder einer Lean- 322 Einführung. Wie würden Sie es charakterisieren, ist es glauben Sie ein sehr 323 wesentlicher Faktor? 324 325 IP: Also bei uns ist es schon so platziert, dass die Lean oder Six Sigma 326 Verantwortlichen, also in Amerika berichtet der Verantwortliche für Global direkt an 327 das Board und auch in Europa gehört er zum Senior Leadership Team. Er ist 13 328 entweder meistens jetzt auf der Organisationebene entweder im Leitungsteam 329 drinnen oder berichtet direkt an den Geschäftsführer oder Verantwortlichen für die 330 Organisation. Es ist relativ hoch aufgehängt. 331 332 I: Hat es auf dieser Ebene, gut es ist wahrscheinlich auch aufgrund der 333 Unternehmensgeschichte schon von der Tradition her eher oben, auf diesem Level 334 wird sich eher weniger verändert haben hinsichtlich der organisatorischen Zuordnung 335 auf diesem Level? 336 337 IP: Nein, nein. Es war aber auch so, das ist aber auch darin begründet, weil das 338 Projekt eben von der damaligen CEO wirklich ins Leben gerufen und es ihr Baby 339 war, sozusagen. Das Unternehmen hat dann auch den Turnaround geschafft und 340 seit 10 Jahren geht’s relativ gut. Ich meine, jetzt geht’s wieder ein bisschen 341 schwieriger, aber es geht allen Unternehmen schwieriger. Ich glaube schon, dass 342 also dieses Lean und Six Sigma wesentlich dazu beigetragen hat, diesen 343 Turnaround mitzugestalten. 344 345 I: Also ich versuche noch so ein bisschen im Sinne meiner Forschungsfrage, 346 versuche ich dies jetzt einmal zusammenzufassen, ganz, d.h. in diesem Kontext hat 347 die Lean oder in diesem die Lean Six Sigma Einführung eine Änderung im Rollenbild 348 Human Resources durchaus eingeleitet? 349 350 IP: Ja. 351 352 I: Also da findet eine Veränderung statt und es ist schon wichtig, in welcher 353 hierarchischen Ebene, also je höher hierarchisch angesiedelt auch, in Lean, oder in 354 Lean Six Sigma Kultur? 355 356 IP: Ich glaube, dass das ganz wichtig ist, dass es schon entsprechend sichtbar ist im 357 Unternehmen, weil sonst, ist es möglicherweise zum Scheitern verurteilt. Ich meine, 358 vielleicht noch als Hintergrund, warum unsere CEO es damals eingeführt hat, wie es 359 dem Unternehmen so um die Jahrtausendwende relativ schlecht gegangen ist, war 360 auch der Grund, die Firma hat damals von 90.000 auf 60.000 Mitarbeiter reduziert 14 361 hat, innerhalb relativ kurzer Zeit und die Folge war, ja es waren natürlich gewisse 362 Kostenblöcke weg, aber es waren wahnsinnig viele broken processes, wie es so 363 schön heißt. Wissensträger sind weggegangen und, und, und, und. Und auch aus 364 dem Grund hat man das dann eben eingeführt, weil eben sehr viele, eben sehr viel 365 Know-How abgegangen ist, so dann hat man, damit man das Geschäft irgendwie 366 weiterbringt hat man es halt gemacht, wie man glaubt, und dann sind so diese 367 ganzen Prozesse entstanden, die wie ein Ping-Pong Ball hin- und hergegangen sind, 368 wo man sagt, und das ist jetzt wirklich nicht Lean. Weil dann habe ich 25 369 Berührungspunkte, wo ich vielleicht nur 3 oder 4 brauche sozusagen. Und das hat in 370 meinen Augen aber heute teilweise immer noch Gültigkeit, weil es liegt in der Natur 371 einer Unternehmung, sich da selber Arbeit zu erfinden, und dann irgendwo Prozesse 372 auf einmal ins Leben zu rufen, oder aufrecht zu erhalten, die gar nicht mehr 373 notwendig sind. Darum meine ich auch, dass ist jetzt nicht eine Erscheinung, weil es 374 gerade hip ist, es zu machen, sondern wenn man es konsequent betreibt, dass es 375 nachhaltig durchaus positive Effekte hat fürs Unternehmen. 376 377 I: Es ist ein Zugang, um genau diese Entwicklung, diese natürliche Entwicklung, die 378 Sie so charakterisieren, unter Anführungszeichen, einzufangen oder wieder quasi zu 379 glätten oder zu normalisieren. Kann man das so sagen, beschreiben? 380 381 IP: Genau, kann man durchaus so sagen. 382 383 I: Es gibt halt verschiedene Zugänge, und es ist halt der Zugang, der hier gewählt 384 wurde und der eben in dieser Form eben im Haus umgesetzt wird. 385 386 IP: Mhm. 387 388 I: Auch vielleicht noch für mich zusammenfassend, ob ich es auch richtig verstanden 389 habe. D.h. die klassischen Personalentwicklungsmaßnahmen, ich habe es in 390 meinem Beispiel der Aus- und Weiterbildung und des Karrieremanagements, wurde 391 mit Lean und Six Sigma etwas Zusätzliches heraus-, hereingeführt oder würden Sie 392 auch sagen, dass das eben bestehende Maßnahmen durchdringt? 393 15 394 IP: Naja, ich sage, ich glaube, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt und 395 gewisse Ausbildungen hat, dann ist es im CV, wenn man sich intern weiterbildet, 396 durchaus förderlich. Es ist auch so, wenn man sich anschaut, sagen wir mal, die 397 Mitarbeiter, die wirklich weiterkommen oder die auch wirkliche Spitzenjobs erreichen, 398 die haben zu meistens Black Belts oder haben zumindest diverseste Six Sigma 399 Ausbildungen, jedenfalls Green Belt, ein Green Belt-Training, ein Sponsor-Training. 400 Es ist erstens das Commitment da und zweitens zeigt sich schon auch, dass die 401 Leute, so viele Black Belts wurden nicht trainiert, aber doch, man verliert kaum 402 welche, das ist auch, was man beobachten kann. Und die meisten haben durchaus 403 wirklich ordentliche Jobs in der Unternehmung, also auch das ist, muss, da muss halt 404 dann auch die Unternehmung mitspielen, weil das hat so wie das Programm ins 405 Leben gerufen, ja Du machst jetzt diese Ausbildung und das und irgendwann, Du 406 hast also das Recht wirklich, einen adäquaten Job wieder, wir haben es damals 407 genannt, ins Business zurückkehren, sozusagen. Das hat auch funktioniert. Da muss 408 aber die Unternehmung mitspielen. Da muss man, da braucht man ein bisschen 409 Flexibilität, weil da kann man nicht sagen, ich will jetzt am 1. Oktober wieder zurück 410 ins Business, sondern ich sage, ich habe jetzt, was weiß ich 3, 4, 5 Projekte 411 gemacht, ich war jetzt 2 Jahre unterwegs, bei der nächsten Gelegenheit, es 412 interessiert mich, dann funktioniert das ganz gut. 413 414 I: Ich wollte nur nachfragen, aus dem Projektkontext wieder heraus zurück ins 415 Regular Business. 416 417 IP: Ins Regular Business, ja, wobei schon die Idee ist, trotzdem im eigenen 418 Arbeitsbereich die Instrumente weiter anzuwenden. 419 420 I: Das wollte ich noch fragen. Nicht nur zu sagen, ich bin jetzt im Projekt gewesen 421 und habe dort Lean Six Sigma gelebt und gemacht, aber jetzt bin ich ja wieder im 422 Daily Business, in der regulären Organisation zurück und bin ja immer noch 423 ausgebildet und somit bringe ich ja auch dort… 424 425 IP: Genauso ist es. 426 16 427 I: … dieses Thinking, Lean Six Sigma Thinking ins daily business rein. 428 429 IP: Der Unterschied ist, wenn Sie sozusagen, aus dem Geschäft draußen sind und 430 sie kommen sagen wir aus dem Finanzbereich, heißt dies aber nicht, dass Sie nur im 431 Finanzbereich jetzt Projekte machen, sondern auch für den Servicebereich, für den 432 Salesbereich und für die Logistik und was auch immer. Wenn Sie im Business wieder 433 zurück sind, werden Sie kaum Projekte machen, die crossfunctional sind, da werden 434 Sie eher im eigenen Bereich treiben. 435 436 I: Da schaut man im Projekt ja über den Tellerrand, kehrt dann aber wieder in den 437 angestammten… 438 439 IP: Was für die betreffenden natürlich einen sehr guten Nebeneffekt hat, wenn man 440 das Unternehmen unheimlich gut kennenlernt. Man hat sonst kaum die Chance, 441 wirklich so tief, ich weiß nicht, in Logistikprozesse hineinzuschauen, oder überhaupt 442 zu begreifen, was für Probleme haben überhaupt die in Europa, jetzt verantwortlich 443 sind, außer dass die Maschinen aus Japan kommen, rechtzeitig dann nach 444 Frankreich, dann nach Österreich, nach Deutschland und Irland und wo sie überall 445 hingehen, das abzuwickeln. Also das sind so, die Chance hat man normal nicht. 446 447 I: Darf ich noch fragen, wie finden Sie die Leute, die dann Kandidaten für die Black 448 Belt-Programme 449 Personalmanagementprozessen heraus oder wird da auch durchaus recruitet, um zu 450 sagen, hier ist Bedarf? sind, ergeben sich die aus laufenden 451 452 IP: Nein, recruitet wird nicht, aber wir, es gibt natürlich viele begleitenden 453 Personalentwicklungsmaßnahmen, die jetzt mit Lean und Six Sigma sagen wir 454 einmal nichts zu tun haben. Also, ich weiß nicht, ob Ihnen der Lominger-Prozess 455 etwas sagt, aber das sind so, da werden alle Mitarbeiter der Unternehmung, aber 456 Schwerpunkt First und Second Line beurteilt nach Potential und Performance, da gibt 457 es so eine schöne 9-Punkt-Matrix, daraus ergeben sich gewisse Vorstellungen, wo 458 man sich vorstellt, was der Mitarbeiter machen könnte, und begleitend daher gibt es 459 dann auch immer was sind meine Schlüsselposition, wer hat die jetzt, wer kann dem 17 460 nachfolgen, etc., etc. und wer ist jetzt drin, wie muss ich den weiterbilden, brauche 461 ich retention Maßnahmen, und, und, und. Da gibt es ein ganzes Set. Das ist mehr so 462 ein one-way, das wird selten zurückgespielt an den Mitarbeiter, aber damit arbeiten, 463 arbeitet Europa und auch wir in den Ländern, schon recht intensiv. Dass wir es nicht 464 zurückspielen an den Mitarbeiter, hat meistens einen Sinn, wenn Du auf der Liste 465 stehst, wir hätten die Phantasie, Du wirst in 3 Jahren CSO-Director, wenn er in 466 Pension geht, dass er sich nicht schon erstens, wenn es nichts wird, dass sie nicht 467 enttäuscht sind, und zweitens, dass sie nicht anfangen, die Bodenhaftung zu 468 verlieren, etc. 469 470 I: Also eine Form des Assessments? 471 472 IP: Richtig. 473 474 I: Kann ich das so zuordnen? 475 476 IP: So ist es. Und aus dem kann sich dann auch heraus entwickeln, ja also der hat, 477 wäre eine Potential, um einmal in die Six Sigma Ausbildung hineinzugehen. 478 479 I: Und wo sehen sie, wenn Sie die nächsten Jahre vielleicht, vorausblicken, wo 480 würden sie einschätzen, wo das Haus, wo sehen Sie die Entwicklung, wenn man 481 doch immer wieder denkt, es sind eben Trends, also wenn man rein in die Medien 482 geht, zu sagen, ja jetzt ist es einmal Lean, dann ist es einmal nicht Lean, dann ist es 483 plötzlich Six Sigma, dann ist es vielleicht Business Process Reengineering. 484 485 IP: Ja. Für mich irgendwie ist alles ziemlich dasselbe, also, nur für mich also Lean 486 gibt es nicht ohne Six Sigma. Ohne dass ich nicht ein bisschen was messe, oder so 487 irgendwas, kann ich keine Lean Maßnahmen machen, oder natürlich kann ich sie 488 tun, aber ob ich dann erfolgreich bin? Ich nehme an, der Erfolg is more predictable, 489 wenn man ein bisschen statistische Maßnahmen dahinter setzt. 490 491 I: Ich würde sagen, das war sehr umfassend. 492 18 493 IP: Und es gibt also, das Unternehmen denke ich hat das, andere Unternehmen auch 494 haben, es gibt da so, ich habe mir das jetzt runtergeladen von Morststream das ist 495 ein Add-In in ein Excel, da hat man alle Instrumente drinnen, die man braucht dafür 496 und es ist ganz simpel zu bedienen, da ist alles drin, wenn man so ein Projekt macht, 497 da hat man die ganzen unterschiedlichen Tools drinnen und auch die Formate, man 498 braucht sich mit den ganzen Sachen gar nicht mehr spielen. Es gibt schon sehr viele 499 begleitende Dinge, die kosten defacto gar nichts, und unterstützen die Prozesse, das 500 würde ich Ihnen sehr ans Herz legen, da sie da ein bisschen, „Moresteam“ heißen 501 die, glaube ich, die das anbieten. Allerdings muss da das Microsoft Office auf 502 Englisch eingestellt sein, sonst funktioniert es nicht. Und was noch wichtig ist, in 503 meinen Augen, womit wir auch relativ stark viel arbeiten, das sind so auch, wie ich 504 am Anfang gesagt habe, wenn man so sagt, ob ein Team erfolgreich sein kann, das 505 ist so diese Zusammensetzung des Teams und da gibt es ein Assessment-Tool oder 506 ein Analysetool, die die charakterlichen Grundhaltung des Mitarbeiters, da gibt es 507 auch 9 unterschiedliche Profile zuordnet, Belbin heißt es. Dann gibt’s die Kreativen, 508 dann gibt’s die, die es implementieren können und dann gibt’s die Netzwerker usw. 509 und da ist es immer wichtig. Ok man muss halt eine gute Diversität drinnen haben, 510 sonst wird es nicht funktionieren. Also wenn man nur die hat, die Implementer, die 511 haben dann keine Idee, wie man‘s macht, aber sie implementieren es, und wenn sie 512 nur die Kreativen haben, dann viele Ideen, aber kommt auch zu nichts. Also dies sind 513 so die begleitenden Maßnahmen, die wir auch im Unternehmen haben und das 514 kostet nicht viel, das kostet glaube ich, 15 Dollar für eine Analyse. 515 516 I: Also das Wesen Mensch steht hier wieder sehr, sehr im Mittelpunkt… 517 518 IP: Natürlich, ja absolut. 519 520 I: … also um nicht nur eben diese Werkzeug-, Statistik-Seite, sondern einfach zu 521 sagen, es braucht ja jemanden, der mit diesen Werkzeugen umgehen muss. Und da 522 setzen sie auch an, zu sagen… 523 524 IP: Das passiert de facto schon meistens im Vorfeld, oder ich sage, schau, ich habe 525 da meine 5 Leute und ich möchte wissen, was haben die jetzt für einen Schwerpunkt, 19 526 so ein Assessment geht ja immer so von Kollegen, Mitarbeitern, und Chefs, es ist 527 irgendwie so ein 360 Grad, es ist relativ rasch erledigt, innerhalb von 5 Minuten, ist 528 also kein großer Zeitaufwand und es ist, an kann man sich jetzt aus dem, was 529 gefragt wird, überhaupt nichts vorstellen, was auch immer für Methoden dahinter 530 liegen. Man kann‘s nicht, das ist recht clever gemacht, was auch gut so ist, weil sonst 531 gibt es diese sozial erwünschten Antworten, möglicherweise. 532 533 I: Jetzt ist mir noch etwas eingefallen, was ich Sie fragen wollte, nämlich jetzt speziell 534 in Ihrem Kontext, d.h. schon wenn ich es richtig verstanden habe, dass vor allem 535 Projekt, Projektarbeit, diese Projektkultur ein sehr wesentlicher Treiber für eben, für 536 Lean Six Sigma ist, als Träger, als sehr wichtiges Element. 537 538 IP: Genau. 539 540 I. Weil es ja außerhalb der Linienorganisation, es ist in der Projektorganisation, die 541 aber dann eine Rückkoppelung hat, wieder auf das Tagesgeschäft. 542 543 IP: Natürlich, ja. 544 545 I: Das ist also ein ganz wesentlicher… 546 547 IP: Und es ist bei uns in den Geschäftsleitungsmeetings ein fixer 548 Tagesordnungspunkt. D.h. wir schauen einmal im Monat genau an, welche Projekte 549 gibt es, wie ist der Status, gibt’s Ideen zu neuen, sind irgendwelche fertig geworden? 550 Da werden dann auch die Projektleiter sozusagen eingeladen, kurz einen Review zu 551 machen, kurz eine Präsentation zu machen, das ist auch immer so in Milestones 552 eingeteilt. 553 554 I: Ich glaube, es war sehr umfassend. 555 556 IP: Vielleicht habe ich ein bisschen Geschmack darauf gemacht, also das Thema ist 557 hoch interessant, ich hab‘s nie bereut, diese Ausbildung zu machen. 558 20 1 Interview 2: 26. Juli 2012 / 08.00 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? 5 6 IP: Lean ist in unserem Unternehmen ein Teil eines Bündels. Bei uns wird es 7 eingeführt unter IL6S (Integrated Lean Six Sigma). Wir können dann auch näher auf 8 die Details eingehen, so dass es ein Teil eines Bündels ist. Und Lean, verstehe ich 9 im Sinne, dass wir die traditionelle Organisation aufbrechen, dass wir weniger 10 Ebenen im Unternehmen haben, dass wir die Basis, die eigentlich den 11 Hauptwerksprozess betreut, näher an das Unternehmensziel heranbringen. Dass ein 12 engerer Bezug besteht auch zwischen den Führungskräften und das Thema 13 Leadership ist ja ein Kernbereich in Lean, und den Leuten, die es tatsächlich 14 ausführen. Da ich Personalleiter im Bereich Manufacturing, Logistik, Procurement bin 15 und bei uns Lean jetzt vornehmlich im Manufacturing, sprich in den Werken 16 eingeführt wird, ist das Kernstück von der Lean-Implementierung der Line-Operator, 17 der der für eine Linie, sprich für eine Produktionslinie A oder Produktionslinie B oder 18 C verantwortlich ist. Den versucht man, und ein großes Thema von Lean ist dieser 19 Ownership-Begriff, den versucht man, wirklich entsprechend auszustatten und 20 auszustatten meine ich im Sinne von Schulung, im Sinne von Befugnisse, im Sinne 21 von Ermunterung für Eigeninitiative und wir werden dann auch noch auf die 5 E‘s 22 noch kommen, usw., dass er diese Linie wie ein Eigenunternehmen führen kann. 23 Also Lean ist das Empowerment von Leuten, die tatsächlich den Werksprozess 24 machen und die nicht die Hände in den Schoss legen und warten, was ihnen der 25 Chef anschafft. 26 27 I: D.h. auch in dem Fall ist es ja eigentlich einen Schritt voraus, man muss ja erst 28 nicht diese Lines schaffen, diese Linien sind schon gegeben, daher lässt sich Lean 29 auch viel besser ansetzen, also man muss jetzt nicht irgendwelche großen 30 prozessualen Umorganisationen in dem Kontext machen? 31 21 32 IP: Na ja, schon, schon. Also, im Prinzip, ich habe so den idealen Endzustand 33 beschrieben, der unterschiedlich vorhanden ist. Wir haben ja 2 große Akquisitionen 34 und dadurch auch verschiedene Traditionen. In einem traditionellen Unternehmen 35 hast Du einen Werksdirektor, hast Du vielleicht einen Produktionsleiter, der hat 36 wieder einen Abteilungsleiter, der hat einen technischen, einen Maintenance-Leiter 37 und dann gibt’s einen Schichtleiter und dann gibt’s den an der Linie. Und das 38 versuchen wir aufzubrechen, dass wir eigentlich schon z.B. sagen, es gibt keine 39 Maintenance mehr, also Instandhaltung, dass wir direkt, wir nennen es Section- 40 Manager in die Produktion eingegliedert und das Arbeitsbild des Operators haben wir 41 auch schon in den letzten 2 Jahren, wir nannten das Technical Operator, gesagt, 42 dass wir Arbeitsschritte, wie Preventive Maintenance, First-Line Maintenance, also 43 dass das Zeug geschmiert ist und in Ordnung ist, aber auch gewisse Quality-Schritte 44 in das Arbeitsbild des Line-Operators eingegliedert haben. Das war früher, der hat 45 gesagt: Die Linie steht, ich ruf‘ den Maintenance-Menschen und warte, bis der 46 kommt und wir haben halt versucht, das Gedankliche schon rüberzubringen, dass 47 der sagt: Du musst schon voraussehen, was muss ich instand halten, was muss ich 48 schmieren, was muss ich sehen, „oh“ – da könnte was passieren, also diesen 49 Preventive-Gedanken, bzw. wenn Stoppages waren, Stillstände an der Linie, dass 50 der sofort einmal schaut, kann ich das reparieren und nur bei schwierigeren 51 Problemen den Fachmann, es gibt ja noch die „Gurus“ von Maintenance, rufen 52 konnte. D.h. das ist ein Prozess, der bei uns gelaufen ist und der jetzt einfach 53 programmatisch verstärkt wird, also plötzlich kommt jemand, der sagt, Lean Six 54 Sigma ist die Weisheit und wir sagen, wir haben eigentlich etliches schon und 55 können auf das aufbauen. 56 57 I: Also das ist dann doch von dem klassischen hierarchischen Zugang, eine 58 Transformation hin zu einer, eben, eher horizontaleren, integrativen… 59 60 IP: Ja , richtig. 61 62 I: …Transformation eben, ich gehe jetzt nicht von top-down. Ich sage Dir das, Du 63 sagst es dann weiter und dann irgendwann kommt es dann dort an, sondern eben 64 dieses schon Integrieren in diese Linie. 22 65 66 IP: Es ist die Geisteshaltung. Für mich ist es also, das kenne ich von einer meiner 67 früheren Firmen, da hatten wir einen Leadership-Ownership-Prozess und diese 68 Ownership zu kreieren, was heißt Ownership? Es ist ein Schlagwort, aber dass ich 69 nicht ein Problem melde, sondern dass ich idealerweise ein Problem voraussehe und 70 gar nicht eintreten lasse, oder wenn es eintritt, dass ich sofort in Lösungen denke 71 und das in einem Fabriksumfeld, mit dem klassischen „Hakler“, der sagt, ich gehe um 72 6 Uhr rein und um 2 Uhr heim und dann schaue ich mir mein Fußballmatch an. Das 73 ist eine ganz spannende Aufgabe, die aber gelingen kann, aber da geht’s darum, 74 einfach diese Geisteshaltung zu ermuntern, zu kreieren bzw. die entsprechenden 75 Spieler einzusetzen, die das machen können. 76 77 I: Der Grund für die Einführung dieses Integrated Lean Six Sigma war welcher, oder 78 was waren die Gründe? 79 80 IP: Der Grund ist der stetige Wachstumswahn der Großkonzerne, also man hat ja 81 teilweise Wachstumszahlen, Umsatzwachstum, Profitwachstum, und, und, und. Die 82 sind gewaltig und da hat einfach die Supply Chain die Aufgabe, sogenannte 83 Productivities zu schaffen, also Kosteneinsparungen. Wir haben jedes Jahr massive 84 Kosteneinsparungsziele, obwohl wir ja natürlich Inflationssteigerungen, usw. zu 85 verdauen haben, um die COGS, Cost Of Goods Sold, möglichst niedrig zu halten, 86 dass quasi der Profi dazwischen größer wird, ich das wieder reinvestieren kann in 87 Werbung und in Sales-Maßnahmen, usw., also im Prinzip man nennt das bei uns 88 „Virtuous Cycle“. Ich nehme die Kosten raus in der Produktion und in anderen 89 klassischen Kostentreiber Overhead-Costs, usw., investiere das, es geht nicht alles 90 in die Taschen der Aktionäre, sondern investiere das und finanziere so mein 91 Wachstum. Und das ist halt ein Mittel, wo ich generell, es ist ja nichts Neues, wo jetzt 92 gesagt wurde, mit dem kann man das steigern, einfach, und strukturierter steigern. 93 Wobei es ja eine Grundsatzphilosophiefrage ist. Will ich die Mitarbeiter gedanklich 94 und emotional am Unternehmen beteiligen, von einem, zu einem Wir-Gefühl führen, 95 oder nicht? Es ist sehr eine Einstellungssache und eine spannende ist, wie erreiche 96 ich diese Einstellung, weil die plakativen Charts, wie es sein sollte, die sind klar. Aber 97 wie erreiche ich es? 23 98 99 I: Wird Lean oder ist geplant Lean, auch in anderen Bereichen einzuführen? Oder ist 100 es schwerpunktmäßig in dieser Supply Chain, dieser Integrated Supply Chain, oder 101 ist es auch geplant, im Bereich Finanzen, Marketing, Sales? 102 103 IP: Ja, also gesagt wird es. Gesagt wird es, es sind aber keine konkreten Schritte 104 noch gemacht worden, wobei auch hier wieder. Ich glaube, es wird in vielen 105 Bereichen gelebt, weil der klassische Marketing Brandmanager hat heute schon eine 106 hohe Identifikation mit seinen Marken oder mit den Marken halt des Unternehmens 107 und ist ja vom Jobbild her schon dauernd gefordert, innovative Ideen zu kreieren und 108 idealerweise auch, es geht ja auch um die Zusammenarbeit zwischen den 109 Abteilungen, na dass da kein Abteilungsdenken herrscht, das heißt, diese 110 übergreifenden Abteilungen, das ist schon der Arbeitsalltag bis zu einem gewissen 111 Grad, d.h. auch hier glaube ich, es kann vielleicht eine Beschleunigung geben, aber 112 dieser Ownership-Gedanke sowohl in der Logistik, als auch im Marketing, als auch in 113 Sales ist in einem hohen Bereich da und ich würde auch sagen, vor allem in den 114 kleineren Organisationen, auch in HR, in einem hohen Bereich da. 115 116 I: D.h. verstehe ich das richtig, dass es nicht unwesentlich, sondern sogar sehr 117 wichtig ist, bevor jetzt eben eine Methodik, in diesem Fall jetzt IL6S, sich 118 anzuschauen, was darunter verstanden wird und was haben wir eben in den 119 Bereichen, die es betrifft schon und baue eben auf dem auf, weil es ja einfach eine 120 Welt von Definitionen und Begriffen ist, die sehr viel aber im Grundkern sehr, sehr 121 ähnlich sind und man jetzt nicht so quasi gleich außen andockt. 122 123 IP: Ja, wobei ich glaube, wenn schon einiges da ist, dann tut man sich leichter, es 124 einzuführen, also insoweit ja, der Aufbau. Also wenn wir sagen, wir versuchen uns 125 hinzuführen, wo wird Wert kreiert und man sagt, die Linie ist der einzige Platz, wo der 126 Wert kreiert wird und der einzige wahre Leader adds Value, dass er die Leute, die 127 richtigen Leute hinsetzt, die Leute entsprechend schult und ihnen auch die 128 Möglichkeit gibt, von ihrem Handlungsspielraum an der Linie entsprechend zu 129 arbeiten. Also möglichst wenig Layers. Und wenn das schon vorhanden ist, bin ich 130 schneller dort, weil was dann auch in dieser Präsentation vorkommt, ist das geht 24 131 nicht einfach so zack und jetzt machen wir‘s, weil Leute, die über lange Zeit gewöhnt 132 waren, Befehlsempfänger zu sein und entscheiden tut der Chef, da kann ich jetzt 133 nicht sagen, und so ab morgen entscheidest Du selber. Ich glaube, dieses Enabling, 134 in dem steckt sehr viel drinnen und das ist, wir haben irgendwo diese 5 E‘s (zeigt 135 Schulungspräsentation am Laptop) also das ist jetzt eine Schulungspräsentation, 136 dass wir sagen, wenn wir mit den Leuten arbeiten, so quasi, die Envision, wo wollen 137 wir hin, warum machen wir das Ganze, damit einfach der Zweck gesehen wird, der ja 138 ein unheimlich intrinsischer Motivator ist und eigentlich bedingt, wenn das gut 139 funktioniert, wenn das auf fruchtbaren Boden fällt, komme ich in Richtung Engage 140 und Energize, das ist eigentlich so eine Stufen-Geschichte und dann in Enable steckt 141 relativ viel drinnen. Und wie das halt hier aufgebaut wurde, da haben sie immer 142 irgendwelche Sprecher und dann haben sie es immer so. What is it? How do you do 143 it? What signals a need for more, also wenn man also, Korrektivmaßnahmen. Also 144 deswegen, glaube ich, ja vollkommen richtig, sobald schon was da ist, bin ich 145 schneller dort, weil die Leute in ihrem Denken und in dieser Eigenverantwortung 146 vielleicht schon weiter sind, als in einem sehr traditionellen, verknöcherten 147 Unternehmen. 148 149 I: D.h. wenn ich das auch richtig verstehe, oder ich höre da raus, dass der Zugang 150 hier auch sehr stark über, sehr hoch bei den Führungskräften, sozusagen über 151 Leadership, ich muss über Leadership diese Transformation beginnen, die sich dann 152 durchdringt bis an die Quelle, wo es dann exekutiert wird. D.h. ich sage jetzt nicht, 153 ILS und da gibt es die und die Tools und das erwarten wir uns und dann gibt es halt 154 irgendwelche Coaches oder Mentoren, sondern man sagt, es ist Teil eines 155 Leadership-Styles, der wesentliche Voraussetzung ist, dass eine durchgängige, 156 nachhaltige Entwicklung dorthin möglich ist? 157 158 IP: Ganz richtig, das ist haargenau der Punkt, der Angelpunkt ist die Leadership und 159 wir können es uns dann auch noch anschauen und es ist zwingend nicht: Ich habe 160 200 Leute, die für mich arbeiten, sondern ich arbeite für 200 Leute. Also dieses 161 Servant Leadership ist ja auch eine Leadership-Schule, finde ich ja ganz interessant, 162 wo steht „Humility is a Core Factor“, also wenn man, ich glaube, dass man da einige 163 Diskussionen führen kann mit etlichen Führungskräfte, dass ich sage, Demut, mir 25 164 persönlich gefällt das gut, aber dieses Erkennen, wie bringe ich das Gefüge dieser 165 Leute, wenn ich sage, ich habe ein Werk mit 200, 300, 400 Leuten, wie bringe ich 166 dieses Gefüge zum Arbeiten, dass die nicht nur Arbeiten, wenn ich da stehe mit der 167 Peitsche oder mit Anordnungen, sondern wenn ich weg bin, arbeiten die genauso. 168 Das ist eigentlich der höchste Erfolgsbeweis, dann wenn das funktioniert. Also 169 genau, Leadership ist der Angelpunkt, dass ich den Leuten sage, warum machen wir 170 was, wo wollen wir hin, dass ich sie qualifiziere und dass ich ihnen die Freiheit gebe, 171 dass ich sie Fehler machen lasse, ist ja alles Leadership. 172 173 I: Ich denke, dass kommt in der Form auch mit Toyota Production System als einer 174 dieser beiden Säulen vor, wo auch „Respekt vor den Menschen“… 175 176 IP: Ja, ist auch dieses Servant Leadership. 177 178 I: … diese Servant Leadership-Analogie, die da in TPS bei den Japanern so 179 charakteristisch ist. 180 181 IP: Das wird auch hier verwiesen, also Toyota ist ja eine dieser Urstunden von Lean 182 Six Sigma und also, das Six Sigma ist ja nur der statistische Teil, dass wir z.B. 183 sagen, wir wollen jetzt einmal mit so und so viel Linien auf 3 Sigma kommen und 184 dann das Ziel, auf 4,5 Sigma zu kommen. 185 186 I: Um das auch nachzuweisen. 187 188 IP: Richtig, das ist ja auch wichtig bei dem Ganzen, also wo wollen wir hin, dass wir 189 ein paar angreifbare Ziele haben. Dass wir sagen, die Linie soll auf 3 Sigma 190 kommen, oder wir wollen eine Global Efficiency Rate von 85% haben, wir wollen eine 191 Unplanned Downtime von kleiner 5% haben. Also, da ist so ein Set of Goals von ca. 192 10. Das muss jedem klar sein. Sprich, und die gehen dann auch durch, also auch der 193 oberste Chef, der geht da durch, der fragt die Leute auch an der Linie, soweit die 194 Englisch können, oder lasst sich es halt übersetzen, und fragt sie, ob denen diese 195 Ziele bewusst sind. D.h. das Entscheidende ist, dass ich die Teams an der Linie, wie 196 ich das jetzt visualisiere oder in welchen Schulungen, Informationsveranstaltungen, 26 197 die müssen wissen, was sind unsere Measurements? Weil klar, in der Fabrik haben 198 wir die Möglichkeit, gut, die Measurements zu sagen, da kannst nicht rütteln dran, 199 wie lange ist die Maschine gelaufen, was ist die Mean-Time between Stoppages, 200 also da gibt es so Parameter, die muss jeder wissen und das ist dann schon mit der 201 Envision hängt das zusammen. 202 203 I: Schätzen Sie das so ein, oder erwarten Sie Änderungen oder Neuerungen, 204 Adaptierungen in Bezug zu Personalentwicklungsmaßnahmen in diesem Kontext? 205 206 IP: Ja, also da sind wir jetzt dran, es wurden sogenannte Lead Sites kreiert, das ist 207 bei uns nur Sankt Petersburg, in Middle East haben wir 2 Werke und in Westeuropa 208 haben wir auch ein paar Werke und in diesen Lead Sites werden diese 209 Grundprinzipien jetzt einmal ausgeführt. Da gibt es Schulungen in Punkto Leadership 210 für die Führungskräfte, da gibt es Organisation für die Führungskräfte auch, weil der 211 1. Punkt ist Leadership, der 2. Punkt ist Organisation, weil die Organisation muss so 212 gesetzt sein, dass sie das zulässt. Das fällt schon wieder ein bissl in Richtung 213 Enable, das heißt das Spannende, und das ist der Themenbereich, wo wir als HR 214 gefordert sind, von Regional-HR jetzt, das wird jetzt eben beginnen bzw. wir haben in 215 jedem Werk einen HR-Manager. Dass wir hier mit den Führungskräften in 216 Workshops das angehen, also es geht, das ist im Prinzip ein Training, wenn wir 217 einen Tag lang gestalten mit diesen 80 Slides haben wir eben, haben Sie ja 218 gesehen, dass da verschiedene Beispiele von Persönlichkeiten drin sind, es ist ja 219 auch so aufgebaut, etwas breiter im Sinne, dass man es auch als Workshop 220 verwenden kann und das ist die Aufgabe von HR jetzt auch, unter anderen, von den 221 11 Pillars sind also die 2 also auf jeden Fall HR; die dann aber gelebt werden 222 müssen von den Führungskräften, klarerweise. 223 224 I: D.h. kann man es auch so beschreiben, es gibt so ein bisschen vielleicht diese 225 werkzeug- oder kulturorientierten Zugänge zu dieser Thematik? D.h. kann man das 226 so beschreiben, dass es eher fast ein durch dieses Leadership ein Denk- oder 227 Kultur-Ansatz ist, ich setze jetzt nicht gleich bei den Tools an, so quasi an diesen 228 klassischen Lean Six Sigma Tools, sondern versuche eben über dieses 229 Grundverständnis, über die Kultur dieses Hineinzubringen in die Organisation, also 27 230 nicht zu sagen, ich plugge jetzt vorne die Werkzeuge an und alles andere ergibt sich 231 von selbst, sondern ich schaffe eben durch diesen Leadership-Zugang ein 232 Grundverständnis? 233 234 IP: Ja. 235 236 I: Irgendwie ohne Tools wahrscheinlich, letztlich geht’s ja ohne konkrete Werkzeuge, 237 ja die braucht man ja auch, weil sonst würde man ja sonst diese konkreten Ziele, so 238 wie es das jetzt verstehe, auch nicht exekutieren können? 239 240 IP: Ja, da ist Six Sigma z.B. ein Werkzeug. Nein, nein, es ist haargenau so, 241 haargenau so. Wenn ich jetzt so zugehört habe, fällt mir dieser altbekannte Satz von 242 Saint-Exupéry ein, wenn Du willst, das die Männer ein Schiff bauen, dann sage ihnen 243 nicht, sie sollen Bauholz holen, Nägel und Hämmer, sondern lehre sie die Sehnsucht 244 vom großen, weiten Meer. Also, ich muss versuchen, mit den Führungskräften zuerst 245 und die müssen dann aber relativ tief unten ansetzen, im Endeffekt ist es 246 wahrscheinlich der Line-Operator, dieser Owner der Linie, mit dem das kreiert 247 werden muss, wo ich ein zukünftiges Bild, wo das „what does good look like?“ wie 248 eine Linie laufen soll, d.h. da muss, und diese Leute müssen als Problemlöser, als 249 Mitplaner gewonnen werden, dass plötzlich ein Ehrgeiz entsteht, ich will, dass meine 250 Linie, was weiß ich, eine Efficiency von 85% erreicht, oder mehr, ich will sogar mehr, 251 es geht sogar 90%. Dieser Ehrgeiz muss entstehen, und sobald der Ehrgeiz entsteht, 252 bedienen sich ja dann die Leute automatisch dieser Measurements und dieser 253 Methoden und dieser Tools und sagen z.B. hier können wir noch direkter sein, hier 254 brauchen wir eine Linie, also hier brauchen wir irgendeine Organisationeinheit nicht 255 mehr, weil wir machen das mit, also werde ich noch leaner. Wenn die Einstellung, die 256 natürlich durch die Führungskräfte wie Plant-Director, usw. Plant-Management-Team 257 gelebt werden muss, erklärt werden muss, aber gelebt werden muss, teile, dass sie 258 auch präsent sind, am Shop-Floor unten und da sind und mitreden, aber nicht sagen, 259 Du hast versagt, das ist nicht richtig, sondern, aha, schau, Du, da können wir doch 260 das und das machen, dass wir doch besser, also dieses Miteinbringen, damit eine 261 Geisteshaltung kreieren, ganz richtig, so wie Sie gesagt haben. Und sobald das 262 funktioniert, werden die Tools als Tools genommen, um das zu erreichen. 28 263 264 I: Zum Aspekt des Karrieremanagements würde ich gerne noch anknüpfen. Hat es, 265 da würde ich die Frage analog mit der Personalentwicklung stellen, hat das auch 266 eine Auswirkung, oder wird es eine Auswirkung haben auf Karriererollenbilder 267 innerhalb der Organisation, jetzt mit dieser Einführung, sprich gibt es dann neue 268 Rollen, Six Sigma-Verantwortliche, Lean-Verantwortliche? 269 270 IP: Na ja, ich glaube nicht, dass es neue Rollen gibt. Es hat aber sehr wohl einen 271 großen Einfluss in die Karrieremöglichkeiten, denn die Leute werden Karriere 272 machen, 273 Selbstverantwortung, proaktiven Denken usw., die das zeigen im Alltag. Die werden 274 in der Organisation eines Werkes wachsen und ja, natürlich schauen wir, dass gute 275 Ausbildung da ist, usw. Wir werden dann wahrscheinlich auch vermehrter versuchen, 276 Leute mit universitärer, Technikerausbildung als Line-Operator zumindest einmal 277 beginnen zu lassen, und dann wird man sehen, wie leben sie das? Spannender 278 Grundsatz ist ja auch, wir haben ja schon vorher CI – Continuous Improvement. Also 279 das ist so ein bisschen, wo ich gesagt habe, wir haben es ja schon gelebt, es heißt 280 jetzt nur ein bisschen anders, gehabt und als einen Hauptworkstream in der 281 Produktion mit dem interessanten Gedanken, wenn die erfolgreich sind, sprich wenn 282 Continuous Improvement, und wir haben in jedem Werk einen Continuous 283 Improvement Manager, wenn die erfolgreich sind, machen sie sich selbst obsolet. 284 Sprich, wenn über Jahre das Continuous Improvement so einsickert in das Personal, 285 in die Art des Arbeitens in einem Werk, kann ich nach einiger Zeit den Continuous 286 Improvement Manager auflassen, weil ja vom Werksleiter angefangen bis zum Line 287 Operator und sogar bis zum Transportarbeiter jeder das Continuous Improvement 288 lebt, sprich das proakive Sehen, oh, da ist was nicht optimal, da tropft was von der 289 Linie runter, irgendeine Masse, oder was. Viele Arbeiter gehen einfach vorbei, ist 290 ihnen egal, da tropft was runter, ist nicht mein Bier, ich bin da. Ein anderer, um 291 Gottes Willen, was ist da, ich schau da, die Ursache zu finden, das in Ordnung zu 292 bringen. die werden wachsen, die diese Geisteshaltung von Ownership, 293 294 I: Und wohin entwickeln Sie jetzt dann im Sinne dieser freiwerdenden Ressourcen 295 oder dieses Ressourcenmanagements? Ist das dann, würde das dann bedeuten, 29 296 dass neue Aufgaben für die Betroffenen dazukommen, die sich dann eben 297 weiterentwickeln? 298 299 IP: Na ja, je flacher die Organisation ist, umso enger ist der Bottle-Neck nach oben. 300 Angenommen, es gelingt uns jetzt Ebenen drunter, im Moment haben wir den Plant- 301 Director, haben wir den Section-Manager, was weiß ich, einen für Processing, einen 302 für Packaging, dann haben wir darunter entweder Shift-Leader oder Team-Leader, 303 dann haben wir die Line-Operators, sagen wir einmal also klassischerweise auf 4 304 Ebenen. Wenn es jetzt gelingt, eine Ebene rauszunehmen, weil man sagt, die Line- 305 Operators sind derartig im Autonomous Maintenance und in diesem Gedankengut 306 soweit, können direkt 14 Leute, oder 12 Leute an den Section-Manager berichten, 307 dann fallt eine Ebene raus. Dann steht man vor der Aufgabe, möglicherweise die 308 Section-Manager wieder als Line-Operator so quasi zu integrieren, dass teilweise 309 natürlich als Demotion empfunden werden kann. Auf der anderen Seite ist das Bild 310 des Line-Operators aufgewertet, oder dann natürlich kann er in Richtung Section- 311 Manager oder in Richtung Safety-Environment, man hat ja ein paar nicht jetzt 312 extrem, deswegen sage ich, Bottle-Neck wird enger, weil Du hast ein Plant- 313 Management Team, das wird sich nicht vergrößern und wenn eine Ebene 314 rauskommt, wenn ich eine flachere Hierarchie habe, habe ich eine größere Gruppe 315 von denen drunter, d.h. die Chance, von denen einer dieser 2 Section-Manager 316 Posten zu bekommen, ist geringer, als sie bisher konnten sie dazwischen noch einen 317 Team-Leader erreichen. Auf der anderen Seite bauen wir natürlich darauf, dass 318 durch das Engagement und Enablement und den Freiraum die Motivation des Line- 319 Leaders so hoch ist, das der nicht sagt, na wenn ich jetzt nicht in einem halben Jahr 320 Section 321 Arbeitszufriedenheit relativ hoch ist. Aber richtigerweise verändert das natürlich, da 322 es ein Prozess ist, kann man dann meistens schon vorausschauend bei Job 323 Besetzungen manche Rollen nicht besetzen, um dann nicht irgendwann vor der 324 Situation zu stehen, jemand wieder einzugliedern, oder in Extremfällen sogar sich zu 325 trennen. Wenn man irgendjemand hat, ja, macht zwar gute Arbeit, aber die Rolle ist 326 unnötig, kommt manchmal in die Situation, das man manchmal sagt, tut uns Leid, wir 327 müssen eine einvernehmliche Trennung machen, die Rolle gibt es nicht mehr, weil 328 die anderen sind schon so weit. Manager werde, gehe ich wieder, sondern dass einfach die 30 329 330 I: Ich würde noch gerne kurz auf diese Metaebene gehen. Wie würden Sie das 331 Rollenbild Human Resources charakterisieren? Jetzt in Ihrer Verantwortung. 332 333 IP: Das Rollenbild Human Resources ist Gegenstand von verschiedenen 334 Diskussionen. Ich sehe es als integrierten Partner des Managements und der 335 Mitarbeiter, also ich habe mich eigentlich immer gesehen als Partner der Mitarbeiter 336 selber, vom niedrigen Salary Grade angefangen, und deren Bedürfnissen, 337 Notwendigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch des Management in der, 338 von 339 Personalentwicklung natürlich auch idealerweise habe ich den Draht zu den anderen 340 Leuten und weiß, wo wollen die hin und kann vielleicht dem Manager ergänzend 341 hoffentlich auch zur Hand gehen und sagen, das und das könnten wir noch machen. 342 Teilweise wird ein aggressives wirtschaftliches HR-Bild vertreten, wo dann plötzlich 343 ist our purpose is the shareholder value growth, wo ich sage, kann ich als Personaler 344 wenig damit anfangen, natürlich ist das Gesamtziel eines Unternehmens, das der 345 Shareholder Value wächst, das ist aber nichts, was mich persönlich motiviert in 346 meiner täglichen HR-Arbeit und was das Rollenbild, ich will damit nur andeuten, da 347 gibt es Diskussionen, wie also auch unsere oberste HR-Führung versucht, HR zu 348 definieren, was ist unser Zweck, warum sind wir da? Ich definiere es eben so, ich 349 definier‘s auch hier wieder, in dieser aktiv, proaktiven Partnerschaftsrolle, thinking out 350 of the box, outside thinking, also ich glaube, wo wir alle mehr tun können, wir sind 351 viel zu sehr inside focused, wir sollten viel mehr nach außen schauen, mit Kollegen 352 reden, mit anderen Leuten reden, wie kann man es sonst noch machen, und die 353 Gedanken einbringen in diese Partnerschaftsrolle für Management und auch für 354 Mitarbeiter. der Personalauswahl angefangen, Personalentwicklung, usw. 355 356 I: Gibt es da ein Zusammenhang zwischen dem Rollenbild und einer Einführung von 357 hier jetzt am konkreten Beispiel des IL6S? 358 359 IP: Ja, ich finde schon, also ich persönlich bin sehr froh, weil das für mich eine 360 Verstärkung meiner Grundphilosophie gibt, weil dieser Ownership-Gedanke und 361 diese Motivation, diese echte Motivation ohne plakative Vision-Sätze, usw., an die 31 362 glaube ich sehr, weil es einfach die Mitarbeiter in ihre Rolle bringt, in der Rolle, das 363 nötige Verständnis, die nötige Orientierung im Sinne wo wollen wir hin, welche 364 Qualität müssen wir halten, warum wollen wir dort hin, was machen die anderen 365 Abteilungen, es ist ja auch dieses interne über die Grenzen schauen, dass das eine 366 höhere Zufriedenheit schafft für die Mitarbeiter und dass wir als HR, um zu der Frage 367 zurückzukommen, daran beitragen können, sprich ob wir bei solchen Schulungen 368 mitmachen, ob wir versuchen, die Leute zusammenzubringen, die Führungskräfte, 369 die sollen ja auch diese Schulungen teilweise machen, dann aber auch vor allem 370 leben, weil wenn wir diese Schulungen machen und der Chef macht ganz was 371 anderes, spielt den Autokraten nachher, dann können wir das gleich wieder 372 vergessen, da haben wir einen massiven Rückschlag. Also insoweit ist das eine 373 Verstärkung oder ein zusätzliches Mittel, das wir in die Hand bekommen haben, 374 programmatische Mittel, um die Rolle als HR zu leben, als Partner für die Leute, die 375 dann eigentlich einerseits weniger Ebenen haben, die hoffentlich natürlich auch mehr 376 Output haben, weil wenn ich proaktiv bin, habe ich weniger downtime usw., senke 377 die Kosten, aber in einer Art Win-Win-Situation hoffentlich, diese erhöhte 378 Arbeitszufriedenheit habe, oder besser gesagt diese erhöhte Arbeitszufriedenheit 379 bedingt mehr Interesse, mehr Proaktivität und bedingt einen finanziellen Output. Ich 380 persönlich in meiner jetzt eher kapitalismuskritischen Denkweise wehre mich 381 dagegen, gegen, nur diesen Profit in den Vordergrund stellen. Ich finde, man muss 382 die Leute woanders abholen und ich bin ehrlich überzeugt, dass das auch der Zweck 383 ist. Nicht nur ich hole sie dort ab, damit ich das erreiche. Es ist ein schönes 384 Abfallprodukt, dass der Profit im Werk sich steigert, weil die Leute zufriedener sind, 385 weil die Leute aktiver sind. Und da ist die Rolle von HR mitten drinnen, weil ich dann 386 ja auch einer Führungskraft das Feedback geben muss. Idealerweise sollte sich 387 dann der Mitarbeiter, der Line-Operator auch trauen, das Feedback zu geben und 388 dem zu sagen, also bitte wir haben dies und das gesagt, Dein Verhalten war aber 389 nicht so, traut sich nicht jeder. Wir sind alle gewachsen in einem sozialen Umfeld, 390 und da hat vielleicht HR die Rolle, wenn das gemerkt wird, dass man hier wieder 391 mehr Mediator ist und mit Feedback zurückkommt an den Vorgesetzten und sagt, Du 392 das könnte so und so aufgefasst werden und ich habe schon gehört, wie könnten wir 393 das machen, also uns gibt dieser Rahmen eigentlich wieder ein Spielfeld, wo wir 394 mehr in der Hand haben und uns auf Sachen berufen können, die programmatorisch 32 395 ausgerufen wurden. Es ist immer hilfreich, dass wir uns auf etwas berufen, was ein 396 Programm des Konzerns ist. 397 398 I: Und noch die 2. Dimension aus dem Rollenbild HR, nämlich im Sinne der 399 organisatorischen Eingliederung. Es wäre noch meine Frage, wie sind Sie hier 400 konkret zugeordnet in der Betriebshierarchie und gibt es, das war die 1. Teilfrage, 401 und die 2. Teilfrage, gibt es einen Zusammenhang zwischen der Zuordnung Leitung 402 oder Management Human Resources in Bezug zu einer, jetzt an diesem Beispiel, 403 IL6S Einführung? 404 405 IP: Naja, ich bin so eingeordnet, die klassische Matrix. Ich berichte funktional an den 406 Vice-President Personal CEE, aber arbeite dotted-line an die Vice-Presidentin 407 Integrated Supply Chain Central & Eastern Europe, und für die arbeite ich eigentlich 408 auch, also die ist sozusagen meine funktionale Chefin in der Integrated Supply 409 Chain, mit der arbeite ich, aber direct report ist in die HR-Funktion. Ich erwarte keine 410 direkte Umänderung, also es ist ja, es wird manchmal über solid-line, dotted-lines 411 diskutiert. Ich hatte vor einiger Zeit einmal einen Chef, der hat gesagt, die lines 412 interessieren mich einmal überhaupt nicht, weil man arbeitet je nach dem in 413 verschiedenen Business-Situationen mit verschiedenen Leuten zusammen, z.B. 414 arbeite ich auch mit den Plant-HR-Managern zusammen und habe keinerlei Linie zu 415 denen, weil die berichten wiederum direkt an den Werksleiter und im Land dotted-line 416 an den Landespersonaldirektor, was auch einen Sinn hat, weil man ja, sagen wir in 417 Polen gewisse Rahmenbedingungen in HR für das Land sicherstellen will, die 418 genauso gelten für Commercial-Leute wie für Produktions-Leute und andererseits 419 aber in der täglichen Arbeit berichtet man an den Werksleiter. Also nein, ich erwarte 420 jetzt nicht eine Änderung der organisatorischen Eingliederung. 421 422 I: Dann würde ich gerne auf die Pillars zurückkommen. 423 424 IP: Da es sehr viele Seiten sind (zeigt Präsentation am Laptop) will ich, ich finde es 425 aber trotzdem interessant einmal durchzugehen, auch wenn wir jetzt sehr schnell 426 durchflippen, damit man einmal sieht, wie geht unser Konzern heran an die … so … 427 also das ist auch ganz interessant, dieser Learn-Do-Teach approach. Also, wenn wir, 33 428 ich sehe das jetzt immer als Material, wenn wir mit den Leuten im Werk reden, also 429 wir lernen was, wichtig ist, dass Du es auch tust, nicht nur dass Du es auch weißt, 430 dass Du es tust, und wenn Du es tust, das ist so in diesen Phasen, von Phase 0, wo 431 dann das Lead Site dann auch soweit sein soll, das sie dann schon lehren können, 432 dieser Learn-Do-Teach approach. Da hat man diese verschiedenen Rollen. Der CI- 433 Director, der VP, Driving the Change, Development Expert, schaut dass die Experts 434 da sind, dann der Lead-Plant-Manager, der ist eben in dieser Phase 0, der schaut 435 dass die Leute dieses Knowledge erwerben, und der macht den Rollout im Lead 436 Plant zum Beispiel. Also ich habe jetzt vor, wir haben im großen Werk in der Nähe 437 von Hannover, das ist auch ein Lead Site und ich habe immer einmal im Jahr ein 438 Plant-HR-Meeting, von allen Plant-HR-Managern, da bin ich gerade dabei, das zu 439 planen, dass wir vielleicht dorthin gehen können, als Plant-HR-Manager, um dort uns 440 genau das anschauen können, was ist dort passiert, was haben die Leute gelehrt, 441 gelernt, welche Veranstaltungen haben die gemacht, was hat funktioniert, was hat 442 nicht funktioniert? 443 444 I: Noch eine Frage dazu. Es gibt ja in dieser Six Sigma-Philosophie diese Belt- 445 Hierarchie. Kommt die zur Anwendung? 446 447 IP: Die haben wir auch. Ja, ja, also wir haben gewisse Vorgaben, wir sollen so und 448 so viele Green Belts und so viele Black Belts haben und so viele Master Black Belts 449 haben. Wir haben auch in der Organisation in der neuen, wir haben jetzt eine 450 Integrated Supply Chain Director Produkt A, einen für Produkt B und einen für 451 Produkt C und Produkt D und da haben wir die Werksleiter und einen CI-Manager 452 und der CI-Manager, Continuous Improvement Manager, der sollte idealerweise ein 453 Master Black Belt sein, der sollte diese ganze Belt-Gruppe immer wieder auch leiten 454 und refreshen. Also, ja, richtig. Human Resources to lead the culturale change, 455 eigentlich genau die Frage auch beantwortet, die vorher gestellt wurde. Dann gibt es 456 Coaches dort und dann gibt es auch Global Supply Chain Excellence, die, das meine 457 ich, es ist global aufgehängt, wenn man merkt, es gibt Schwierigkeiten, kann man 458 sich auf etwas berufen, damit man durchkommt und das sind jetzt dann 459 verschiedene Stories halt (zeigt Präsentation) und da kommt so das business- 460 mäßige, wir wollen cost-savings, revenue growth, cash-flows haben wir, 34 461 verschiedene Ziele, dieses one-by-one, power of one, das finde ich jetzt interessant, 462 weil vorher erwähnt. Es gibt gewisse Metrics, wir wollen on-time, wir wollen ein case- 463 fill-rate von 98,5% als Liefertreue, oder eben diese global efficiency soll mehr als 464 85% sein, unplanned down-time kleiner als 5% und dann gibt es also verschiedene, 465 diese Linien zu 4, 5 Sigma zu kommen. Saftey 0,5, incident rate, also Unfälle usw. 466 Also das sollte jeder wissen, also im Prinzip sollte jeder Line-Operator nach diesen 467 Workshops das wissen. 468 469 I: Ist das dann auch Teil der Zielvereinbarung und der Ergebnismessung? 470 471 IP: Ja, es ist jedes Werk, also auch wenn wir jetzt, wir haben jetzt gestern gerade ein 472 Budget Meeting gehabt, man hat im Budget Meeting, wird diese Scorecard dann 473 danach besprochen und dann auch das Werk wird dann danach beurteilt und dann 474 natürlich in der Folge auch der Line-Operator. Es wird nicht jeder Line-Operator über 475 all die Parameter, aber soll in der Gruppe drin sein, dieses Zero Defects, Zero 476 Losses. Ich meine, ist auch ganz interessant, courages, inspiring, collaborative, also 477 nicht, es wird dem Autokraten schon die Absage erteilt, learn continuously, und dann 478 natürlich wieder das Kaufmännische, ultimately delivers breakthrough results. Dann 479 ist eine Beschreibung. 480 481 I: Es kommt immer wieder durch diese Kombination, einerseits der softere kulturelle 482 Human-Anteil und dann in Verbindung mit dem für das Business erforderliche. 483 484 IP: Die Ergebnisse müssen da sein. Ich mache es nicht nur aus Spaß. 485 486 I: Da sein, messbar. 487 488 IP: Genau, ganz richtig. Aber wie Sie vorher gesagt haben, ich setze an in der 489 Leadership, to have a high level of personal competency, the best today is not good 490 enough for tomorrow, dieses ständige Wachsen. 491 492 I: Das ist das Prerequisite, das ist die Voraussetzung. 493 35 494 IP: Aber das muss von den Leuten akzeptiert werden und das wird nicht akzeptiert 495 durch eine Präsentation und das ist das Spannende, wie mach ich‘s? Und in dem 496 sind wir jetzt, wir habe jetzt unsere Values mit einer Kurzbeschreibung, unsere 497 Leadership-Werte, dann hat man hier, das ist auch ganz gut, so, was ist eine high 498 performing organisation, was ist traditional, was ist high-performing? Das hat man 499 auf 3 Seiten beschrieben. Es ist wirklich, deswegen gehe ich schneller durch, aber 500 Sie können es sich ja dann nachher anschauen. Hier, Servant Leadership, haben wir 501 gesprochen, Jim Collins, das ist eh so ein Guru, den haben wir einmal bei einem 502 Meeting sogar eingeladen gehabt. Dann der Gandhi, das gefällt mir, happiness does 503 not come from money, it can come from taking pride in one’s work and recognising 504 it’s contribution. Nun, er sagt natürlich zur Society. Aber ich glaube, dieser Kernsatz, 505 taking pride from ones work, den muss ich irgendwie einbauen in die Arbeit, auch 506 jetzt, bleiben wir jetzt beim Line-Operator, Toyota, wie besprochen. Dann das haben 507 wir uns schon vorher angeschaut, das sind finde ich sind auch ganz wichtige Sätze: 508 Was ist die Rolle des Leaders? Und der Line. Auf der Linie passiert’s, das ist der 509 Teammember, das ist der Teamleader, wenn die alle empowered sind, brauche ich 510 die nimmer, um es jetzt einmal salopp zu sagen. Confidence. Und dann sind so eine 511 Art Gruppenarbeiten, welche Effective Leaders hat man, welche Problem Leaders 512 hat man erlebt, und dann ist dieses 5E-Modell, wo immer irgend so einer drüber 513 redet und dann immer what is it, how do you do it, what signals you need more, wann 514 muss ich reagieren, entweder es kommen neue Leute, muss ich die wieder an Bord 515 holen oder, people not in touch with reality, also ich muss dauernd monitoren, bin ich 516 on track und das nächste wieder, wieder der Walton von Walmart sagt hier etwas, 517 und hier irgendeine Trainerin. 518 519 I: Da dringt auch durch: Es ist jetzt nicht ein Einmalprozess, sondern ein 520 langfristiger… 521 522 IP: Culture, culture, what is it, how do you do it, es sind jetzt alle Energize, Enable, 523 da ist auch ganz wichtig, das Enable und dann ganz wichtig, Execute, ich muss 524 Enablen, aber die Leute müssen es ausführen. Wieder noch einmal, das sind die 5 525 Rollen von Leadership. Da war irgendein Werk, der Everest-Mensch, Learn-Do- 526 Teach approach, das haben wir schon vorher gehabt. Was ist der Rahmen, dann 36 527 eine Bibliographie wird erwähnt. Wir haben auch ein dickes Buch bekommen, TPM, 528 das habe ich auch noch nicht gelesen, das haben wir jetzt vor kurzem bekommen. 529 Das war einmal die Präsentation. Und dann haben wir diese Pillars, weil das, 530 vielleicht nur, damit man auch hier sieht, das ist so eine allgemeine Engagement- 531 Präsentation, becoming a world-class site. Dann hat man ein Base Assessment, d.h. 532 wir können uns assessen, wie sind wir jetzt, dann ist dieses Training, das haben wir 533 uns gerade angeschaut, dann eines über Fundamentals, dann eins was sind die 534 Pillars, dann welche Phasen haben wir? Wir haben Phase 0 bis 4 in dem ganzen 535 Prozess und dann die Leadership Pillars und Organisational Pillars und Eduaction 536 and Training. Also das ist eigentlich, und dann ist noch ein Assessment, das ist so 537 das Package, was wir jetzt haben, um damit in den Werken arbeiten zu können. Und 538 wenn wir uns die Pillars anschauen wollen, haben wir die Pillars Orientation. Dann 539 what is a Pillar, und das ist auch ganz interessant, das ist eigentlich eher systemisch, 540 ein set of activities, es ist nicht irgendein Programm, welches ich kaufe und ausrolle. 541 Und es ist nicht eine Funktion oder ein Department. 542 543 I: Also eine Kombination Aktivitäten, Systeme und Tools und Methoden. Das wäre so 544 quasi Schritt-für-Schritt. 545 546 IP: Oder parallel, ich glaube es ist überlappend. Weil ich, ich muss mir die 547 Organisation anschauen, muss Leadership parallel machen, muss dann Autonomous 548 Maintenance, auch diese Ownership einführen, hab parallel education and training, 549 um in diese Richtung zu gehen. Durch education and training kann ich dann schon 550 am work process improvement, da sind auch Strukturen, oft sind es ja ganz einfache 551 Strukturen, die angewendet werden, aber es muss die Geisteshaltung, der Wille 552 muss da sein und eine gewisse Qualifikation, dass ich mit diesen Strukturen arbeite. 553 554 I: D.h. man könnte das vielleicht als leitende Handlungsschritte oder Dimensionen… 555 556 IP: Ja, oder Arbeitsbereiche. Alles, der Focus. Bei allen den Dingen kommt man ja 557 sehr oft in so eine diffuse, oh, das ist zwar richtig, aber es ist so diffus, und wenn ich 558 mich dann fokussiere und sag, auf 11 Workstreams, oder Tenants. Aber so 559 Zielrichtungen halt, Pillar-Standards, ich kann dann Standards definieren. Create 37 560 common work processes. Es ist oft eine Mischung aus so praktikableren und so 561 reinen future programmatischen Aussagen. Und dann haben sie es so gemacht, 562 auch hier für jeden Pillar, purpose, typical losses, also wo geht’s schief, typisches 563 Schiefgehen. Wer führt das, ja Leadership muss beim Plantmanager sein. Da sind 564 wir wieder bei der Leadership und dann work processes und natürlich direction 565 setting, organisation pipeline und succession planning. Ich muss schauen, dass 566 entsprechende nachrücken, das ich Talent im Unternehmen hab. Kaizen ist dabei. 567 Hab gewisse Standards, die ich vielleicht festlege. 568 569 I: Also wenn ich mir das so anschaue, sehe ich ja eben auch diese HR-Elemente 570 direkt drinnen, hier wirklich als Teil, hier wird’s als work process definiert, weil es als 571 Teil dieser Leadership-Verantwortung gesehen wird. 572 573 IP: Genau, genau, das vor allem in den ersten beiden, das ist Leadership, da wird 574 Leadership noch ein bisschen erklärt und dann kommt schon der nächste Pillar 575 Organisation nach dem gleichen System. Was ist es? Was ist typical losses? Der 576 Plant-HR-Manager, wobei gemeinsam mit dem Werksleiter natürlich. Und da hat man 577 Dinge, 578 onboarding, workplan, team development, auch das recognition system ist drinnen, 579 wobei das könnte man genauso unter Leadership stellen. Dann hat man wieder 580 Untergruppen erwähnt. Autonomous Maintenance, also es geht jetzt durch alle 11 581 Pillars. Also so schaut das aus und da könnten wir uns noch den… wie organisation assessment, communication, information system, 582 583 I: Sehr strukturierter, durchdachter Zugang… 584 585 IP: Phases… sehr gutes Grundgerüst gibt, damit man sich nicht verliert in dem 586 Ganzen. Das finde ich auch. 587 588 I: Wo setzte ich an oder wo … 589 590 IP: Es sind jetzt die Phases. What is a Phase? Well-defined set of activities across 591 Pillars, über alle 11, when rigorously completed achieves the stated intent in support 592 of defined business needs, every Phase has a business objectives, work processes 38 593 executed, right capabilities sind dann da, completion criteria und ein assessment 594 process danach. Why Phases? 595 596 I: Jetzt kommt quasi die zeitliche Komponente. 597 598 IP: Jetzt kommt die zeitliche Komponente rein. Also Leadership preparation of 599 learning, building capabilities, dann focus on equipment variability. In den Prozessen 600 schauen, gehen natürlich auch ins Technische. Equipment, expand time between 601 failures. Das ist diese meantime between failures. Da haben Sie ein Procter-Werk in 602 Mexiko gezeigt, das hat ich weiß nicht, 7 Stunden, zwischen, ist die durchschnittliche 603 Zeit, zwischen unplanned stoppages, rennt eigentlich ziemlich wie ein Uhrwerk. Und 604 da hat man eben equipment, materials, process variability, elimination, ja das die 605 Prozesse alle wirklich durchlaufen wie ein Uhrwerk. 606 607 I: Ist dies eher linear zu sehen, ich meine, es wird sicherlich auch überlappend sein, 608 aber man sieht hier schon, es ist ein auf mehrere Jahre ausgelegter Prozess. Was 609 vorher gesagt wurde, weil es etwas Kulturelles ist, das kann man nicht von heute auf 610 morgen… 611 612 IP: Es muss bei den Leuten wachsen, die müssen ja dann sehen, wenn sie langsam 613 diese Geisteshaltung haben, dann arbeiten Sie bei den Prozessen mit, dann sagen 614 sie, naja, das müsste aber verbessert werden, dann hat das vielleicht einen 615 technischen Schritt zur Folge, der kann nicht sofort gemacht werden, wird aber 616 gemacht, dann verstärkt das wieder das Vertrauen der Leute, ihr Input hat was 617 bewirkt, nämlich es ist eine technische Veränderung gemacht worden, die den 618 Prozess verbessert hat. Und das geht eigentlich über die Jahre. Das sind die 619 Phasen, der intent, der expected outcome und der culture shift. Every, z.B. Phase 2, 620 everyone passionately persuing zero losses. Priorities getting to and solving the root 621 cause. Irgendwas lauft nicht. Was ist der root cause, immer diese, was kann ich tun? 622 Reapplication or innovation appropriately applied to get zero losses. Ist dann immer 623 hier finde ich recht schön, culture auch beschrieben. Also so ein paar, einfach um ein 624 praktisches Bild, woran wir jetzt arbeiten, wo in den Lead Sites wird jetzt dran 625 gearbeitet und jetzt geht’s darum, wie können wir das auf alle Werke ausdehnen? 39 626 627 I: D.h. auch hier ist es jetzt eben kein, es dürfte jetzt nicht so sein, das es wie ein 628 Projekt, an sich ist es ein Projekt, aber es jetzt nicht portioniert in ein Projekt dort, ein 629 Projekt dort oder ein Projekt hier, es ist jetzt wirklich eine…. 630 631 IP: Eine Arbeitskultur im Werk zu schaffen. Ein Projekt, um eine Arbeitskultur über 2, 632 3, 4 Jahre in den Werken zu schaffen und damit gewisse Qualitätsstandards, weil 633 immer das Beispiel bei Six Sigma mit der Flugzeugindustrie, da darf eben kein Fehler 634 passieren, sonst stürzt das Flugzeug ab. Und das will man halt auch bei der 635 Fertigung. 636 637 I: Abschließend noch die Frage: Wenn ich sage, Lean Human Resources. Was 638 würden Sie darunter verstehen? 639 640 IP: Naja, das ist das was wir vorher besprochen haben. Ich glaube, dass man es in 2 641 Seiten sehen muss. Das eine ist die Rolle von HR in dem Lean-Prozess, z.B. in 642 Manufacturing, wo, ich bin ja immer ein Anhänger davon, dass sozusagen die 643 Personalarbeit macht der Line-Manager und wir Personaler sind Partner vom Line- 644 Manager, damit der die Personalarbeit machen kann. Der lebt jeden Tag die Art und 645 Weise, wie mit den Leuten umgegangen wird, der lebt den Respekt oder Nicht- 646 Respekt, der lebt die Information oder Desinformation, der lebt ein faires Verhalten, 647 der lebt einen breiten Blickwinkel, und, und, und. Wir können nur als Partner 648 versuchen, das auch zu stimulieren bzw. als Mittler zwischen der Führungskraft und 649 den Mitarbeitern sein, weil wir idealerweise auch einen Kontakt zu den Mitarbeitern 650 haben und nicht die Schergen des Unternehmens sind, die nur die Leute rauswerfen. 651 Also ist die eine Rolle, wie wir in der Abteilung, also in der Fachabteilung leben. Da 652 könnte man jetzt lang darüber philosophieren. Das andere ist in der HR-Abteilung 653 selber. Und hier erlebe ich bei uns eine Zergliederung, eine Prozesszergliederung, 654 es wird immer technischer, man hat Teil-Outsourcing gemacht, zu einem externen 655 Partner. Man hat dann gesagt, HR-Transformation usw., hat dann aggressive 656 Versuche gestartet, auch Manager-Self-Service usw., es hat ein Portal gegeben, 657 MyHROnline, es gibt es noch immer, wo man gesagt hat, da stellt man jetzt das 658 ganze Wissen drauf, die Knowledge Base und da ist Employee-Self-Service, und da 40 659 müssen die Leute einsteigen und halt ihre Adresse ändern und weiteres. Bank 660 account ändern und dann ist Manager-Self-Service und Manager-Self-Service 661 müssen die Manager einsteigen, wenn es um Gehaltserhöhungen geht, wenn es um 662 Beförderungen geht, wenn es um Recruitment geht, muss man einsteigen, muss das 663 dort eingeben entsprechend und dann kreiert man im System, dann geht das zu 664 irgendeinem Recruiter, der sitzt im Land irgendwo und ich habe mir gedacht, dass 665 sehe ich extrem problematisch, weil damit zerstöre ich eigentlich die direkte Mitarbeit 666 und das umfassende Wissen in HR. Ich glaube, dass es gut ist, in einer 667 Personalabteilung schon zwischen eher administrativ erledigenden Aufgaben zu 668 trennen und planerisch-strategischen Aufgaben zu trennen. Trotzdem müssten die 669 eng beieinander sein, aber hier ist es zu einer für mich eigentlich fast, Abschaffung 670 oder Teilabschaffung der HR-Rolle gekommen, weil die Kollegen dann dort gesessen 671 sind und dann gesagt haben: Ich könnte Dir schon sagen, wie es jetzt ausschaut 672 punkto Urlaubstage, aber ich darf‘s Dir nicht sagen, denn Du musst in der Knowledge 673 base nachschauen, musst in das System einsteigen. Oder, natürlich könnten wir eine 674 Beförderung machen, aber ich darf nicht, Du musst in MyHROnline die Beförderung 675 machen. Das war aber wie viele dieser Systeme leider sind, so kompliziert, ich habe 676 einmal, bei einer Beförderung von Salary Grade 11 auf 12 mit dem Manager als HR- 677 PL eine Stunde gebraucht, am Telefon 2 andere Kollegen, um diese Beförderung 678 durchzuführen, weil die Masken so kompliziert waren. D.h. das ist nach 9 Monaten 679 mit Bomben und Granaten gescheitert und der Konzern hat das Manager-Self- 680 Service wieder widerrufen und hat gesagt, die HR-Abteilung macht das und macht 681 diese Dinge wieder. D.h. ich finde, dass vor allem in kleineren Personalabteilungen 682 und mir hat das damals in der österreichischen Organisation eigentlich ohne jetzt 683 irgendwelchen theoretischen Background, für mich war‘s immer wichtig, dass mein 684 Mitarbeiter alles weiß. Wir haben alles besprochen und wenn ich jetzt nicht da war, 685 oder sonst wer hat der genau gewusst, aha, da ist was, bzw. wie handeln wir auch. 686 Da wir dauernd über die Sachen gesprochen haben, diese 1, 2 Kollegen, die in 687 meiner kleinen Abteilung in der Österreich-Organisation waren, unsere Philosophie 688 gekannt. Die haben einen Background gekannt, die haben genau gewusst, sie dürfen 689 nicht darüber reden über manche Dinge, aber sie haben den Background gekannt, 690 sie haben die Philosophie gekannt und hoffentlich dadurch auch die Motivation des 691 breiten Background-Wissens, der Beweggründe und der Zielrichtung gehabt. Was 41 692 eigentlich schon relativ weit in Richtung Ownership ist. Das was mir immer sehr viel 693 Freude bereitet hat, dass sehr viele dieser Kollegen, die über die Jahre dann in der 694 kleinen Abteilung waren, auch recht gut Karriere im Unternehmen gemacht haben. 695 Insoweit, wie arbeite ich in der Abteilung als Beitrag HR in der Fachabteilung und wie 696 kann Lean in der Abteilung selber ausschauen und ich glaube, wenn wir 697 systemgetrieben zergliedern, zerstören wir die Ownership-Philosophie. 698 699 I: Vielen Dank für die Einblicke und für das Gespräch. 700 701 IP: Sehr gerne. 42 1 Interview 3: 26. Juli 2012 / 16.00 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Dann darf ich mit der einleitenden Frage Sie einfach fragen: Was verstehen Sie 5 unter dem Begriff Lean? 6 7 IP: Lean ist für mich so eine Mischung, natürlich einmal, Lean wörtlich übersetzt ist 8 schlank, schlank allein ist aber noch nicht unbedingt Qualität. Schlank, mit schlank 9 verbinde ich agil, d.h. ich muss eigentlich relativ schnell auf Dinge reagieren können. 10 Wir kennen ja alle den wüsten Begriff, oder die wüste Definition: Wie lange braucht 11 ein Öltanker, bis er sozusagen seine Fahrtrichtung ändern kann? Das können bis zu 12 10, 12 km anscheinend sein und das ist genau das Gegenteil von Lean. Lean ist der 13 kleine Hafenmeister mit seinem Schlauchboot, der im Hafen die ganzen Schiffe 14 einweist und dort virtuos herumkurft. Er ist mit seinem kleinen Boot furchtbar wendig 15 und 16 ressourcenoptimiert, wenn ich das kurz noch einmal weiter ausführe, dann meine ich 17 einfach möglichst viel Vermeidung von – wir haben auch den Begriff „Waste“ bei uns 18 im Haus als solchen laufen, auch in der Produktion – das man einfach sagt, 19 möglichst ohne großartige Verschwendungen zu agieren, aber es ist für mich 20 wendig, agil und natürlich auch dementsprechend schnell und halt mit einem 21 optimalen Ressourceneinsatz. Das nenne ich jetzt eigentlich einmal Lean. schnell und Lean. Lean heißt aber auch ressourcenoptimiert. Und 22 23 I: Was war der Auslöser, der Grund oder die Gründe, dass es eingeführt wurde? 24 25 IP: Ich sage so, wir haben, wenn man so ein paar Schritte in diese Richtung, die wir 26 gegangen sind, einmal so wirklich ein paar Hauptelemente oder Programme 27 hernehmen, dann würde ich einmal sagen, da war sicher auch dieses Thema mit 28 TPS – Toyota Production System – das einmal vom Grundgedanken her schon, 29 glaube ich 60, oder 70 Jahre existiert. Dann ging es einmal von der Namensgebung 30 her in das Thema „Total Quality Management“ und jetzt kann ich sagen, die letzten 31 4 Jahre, die habe ich massiv begleiten können, war das Thema Manufacturing und in 32 neuester Zeit, so in den letzten eineinhalb Jahren Business Excellence. Und der 43 33 Unterschied, jetzt von den beiden letztgenannten, ist schlicht und ergreifend, das 34 Business Excellence jede Organisation im Unternehmen einschließt. Wir haben mit 35 Manufacturing begonnen, weil da draußen in der Produktion lässt sich viel messen. 36 Die Durchlaufzeit, die Rüstzeit, die Produktionszeit und all die Dinge mehr, und so in 37 den administrativen Bereichen kommen ja sofort die ersten Dinge: „Ja wie wollen Sie 38 denn meine Personalarbeit, wie wollen Sie die messen? Das geht ja überhaupt 39 nicht.“ Dann sage ich nur als ganz kleines Beispiel. Wir haben eine klare Zielsetzung, 40 wie schnell wir z.B. Anfragen nach Beschäftigung, also Bewerbungen, wie lange wir 41 brauchen für die Antwort. Wir haben uns ganz klar vorgenommen einen gewissen 42 Wert. Wir haben diesen 2 Mal erreicht in den letzten 3 Jahren, einmal nicht, gebe ich 43 auch zu. Und es ist z.B. auch dort eine Zielgröße, dass jeder, der bei uns anfragt, 44 eine Antwort bekommt. Wenn ich vorher gesagt habe, ich habe schon mit so vielen 45 Leuten zu tun gehabt und dann erzählen mir Leute, die sich ich weiß nicht wie oft 46 beworben haben, dass nicht einmal dort, wo sie persönlich vorsprechen konnten, 47 eine Rückmeldung kommt. Das ist für mich unfassbar. Daher sage ich, das sind 48 Dinge, die sind auch hier messbar. Wir kennen es aus der Allgemeinheit. Ja wie 49 sollen wir denn einen Lehrer bewerten, das geht ja gar nicht. Da fallen mir am Schlag 50 10, 15 Kriterien ein, wie man auch eine Lehrkraft messen könnte. Wir tun immer so, 51 als ob man nur die Umdrehungszahl einer Maschine messen könnte. Das ist ja nicht 52 wahr. Also der Auslöser, weil das war ja eigentlich der Kern Ihrer Frage, kann ich nur 53 sagen, 54 Wettbewerbsfähigkeit, ganz klar. Wir sind einfach weltweit konfrontiert mit allen 55 namhaften Mitbewerbern, die sitzen in Japan, in Amerika, in Deutschland und auch 56 in Schweden, aber dem Wettbewerb müssen wir uns einfach stellen. Und alles was 57 hier schnell passiert und ressourcenschonend und optimiert passiert, ist das, was 58 uns eigentlich gerade am Standort in Österreich, der nicht gerade zu den billigsten 59 gehört, einfach irgendwo noch gewisse Vorteile verschafft. Weil das ist auch unser 60 Status im Konzern, ich sage immer, damit man das auch relativiert, der Konzern hat 61 46.000 Mitarbeiter und wir haben 900 Stammmitarbeiter und so um die 100 62 Leasingkräfte im Moment. Wir sind ungefähr 1/50, nicht mehr und nicht weniger, von 63 der Mitarbeiterzahl, aber vom Stellenwert nehmen wir eine ganz andere Position ein. 64 Und da haben wir viele Dinge, die mit Flexibilität zu tun haben und vor allen Dingen, 65 weil wir es irgendwie geschafft haben, ich nenne es so ein bisschen den „sense of war der Erhalt oder vielleicht auch der weitere Ausbau der 44 66 urgency“ in die Mannschaft zu bringen. Wenn das gelingt, dann glaube ich, wird die 67 Geschichte gehen und wenn es uns nicht gelänge, oder gelungen wäre, dann hätten 68 wir wahrscheinlich immer noch ein Problem. Wenn jemand selbst erkennt, dass dies 69 notwendig ist, dann habe ich an und für sich die große Ernte schon eingefahren, weil 70 jedem nur in den Hintern zu treten, dass er etwas mitmacht, am Tisch ins Gesicht 71 lacht und eigentlich unterm Tisch in die Gegenrichtung fährt, da geht es auf Block. 72 73 I: Weil Sie diese „sense of urgency“ erwähnt haben, da würde ich gerne einhaken. 74 Wie haben Sie das im Unternehmen begonnen einzuführen? 75 76 IP: Ganz interessanter Punkt und da kann ich jetzt wirklich aus dem Nähkästchen 77 plaudern. 78 informationsveranstaltung und wie diese ausschaut, sage ich Ihnen jetzt ganz genau: 79 Unser Vorstand und ich treten dort auf, beginnen an einem Sonntagabend um 22.00 80 Uhr mit der Nachtschicht, weil diese dauert von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr Früh und 81 haben dort von 22.00 Uhr bis halb zwölf in der Nacht den ersten Teil. Am nächsten 82 Tag haben wir noch weitere 5 Durchgänge zu eineinhalb Stunden und am nächsten 83 Tag haben wir das ganze Unternehmen flächendeckend erreicht. Bei diesen 84 Informationsveranstaltungen geht es um die Lage der Nation, Hinweise auf 85 irgendwelche weltwirtschaftlichen Integrationen, wie schaut es aus im Konzern, wie 86 schaut es aus bei uns am Standort, welche Programme werden wir starten, starten 87 müssen, aus wirtschaftlichen Gründen, weil der Konzern oder die Gruppe etwas 88 vorgibt. Und dort haben wir erstmalig auch über das Thema Manufacturing 89 Excellence und zum Beispiel über Business Excellence berichtet, haben die Leute 90 ganz klar darüber informiert, dass wir massivst interessiert sind an der Mitwirkung 91 jedes Einzelnen, haben dort auch ein paar so Fragen gestellt, ein bisschen als 92 Säuretest, und da sage ich etwas dazu, weil es ganz, ganz wichtig ist. Es gibt, wenn 93 man so Programme startet, oder vielleicht auch Projekte in der Regel irgendwo 3 94 Gruppen. Es gibt welche, denen sieht über das ganz Gesicht an, dass sie ehrlich 95 dafür sind, die fangen schon mit den Fingern zu schnippen an. Es gibt immer welche, 96 und bei 900 Leuten wird das nicht anders möglich sein, die dann sagen, na ja, schon 97 wieder irgendetwas, haben wir eh schon gehabt und die sind auch nicht gefährlich. 98 Mit denen kann ich ganz gezielt umgehen. Die Frage ist, wie groß ist die Meute, die Wir haben im Jahr 3 Mal eine sogenannte Mitarbeiter- 45 99 sehr nickend im Raum sitzt und eigentlich bei der Tür draußen schon sagt, ja was 100 fällt ihnen denn da wieder ein, unsere Vorstände und unsere Manager und das ist 101 eigentlich immer etwas, da muss man die Dinge ein bisschen nach oben kippen, den 102 Eisberg, damit wir ein bisschen sehen, ob unter der Oberfläche etwas gärt. Und da 103 glaube ich, da haben wir es geschickt begonnen durch diese Mitarbeiterinformation 104 und der wirkliche Knackpunkt war eine völlig gleichartige Schulung für alle Mitarbeiter 105 über 2 Tage. Innerhalb von ein dreiviertel Jahren, nicht ganz 2 Jahre, weil wir haben 106 es sogar ein bisschen schneller geschafft, sind alle 900 Mitarbeiter und alle 107 Leasingkräfte 108 Schulungsprogramm hat ein ganz wesentliches Element beinhaltet: Wir nennen es 109 Principlay und dort haben die Mitarbeiter erlebt, was es bedeutet, nach gewissen 110 Standards zu arbeiten. Zuerst kommen jede Menge theoretischer Vorträge und dann 111 kommt es zu diesem Principlay-Spiel. Es besteht in der Regel aus 8 bis 10 112 Mitarbeitern und einer bereitgestellten Arbeitsorganisation. Die Aufgabe war, eine 113 Leiterplatte, eine elektrische, so zu konfigurieren nach einem Plan, dass, wenn das 114 ganz richtig gemacht wurde, am Ende ein grünes Licht leuchtet, bei der Lampe da 115 hinten. Am Anfang wurde das Material wüst auf den Tisch geschüttet. Es war alles 116 da, die Pläne usw. und dann haben sich die Mitarbeiter dafür interessiert, wie wäre 117 das Ganze in der Standardisierung der Arbeit, dann z.B. was wir da oben haben, bei 118 mir hängt es an der Wand oben, da gibt es diese 5 Prinzipien dieser Brücke of 119 Excellence. Und dann haben sie folgendes gemacht, dann war eine Pause von 120 ungefähr 1 Stunde mit der Aufgabe, die Arbeit besser zu organisieren. Und dann 121 haben sie gesagt, wir machen das anders, als es am Anfang vorgegeben war, wir 122 schauen, dass der eine da vorne die Kabel zuschneidet. Dann haben sie gesagt 123 beim nächsten Durchgang, aber gescheit wäre es, wenn wir die Kabel auf der linken 124 Seite grün machen, weil die haben eine bestimmte Länge, die anderen sind rot. D.h. 125 visualisieren von Dingen und ich sage es Ihnen, der Output wurde um ungefähr, ich 126 sage einmal, das 2 bis 2,5fache gesteigert, innerhalb weniger Stunden. Und jetzt 127 kommt die ganz große Erkenntnis, das Ganze hat nicht nur der Arbeitsverdichtung 128 gedient, wie zuerst die Betriebsräte auch angenommen haben, sondern die Leute 129 haben auch gemerkt, wenn wir uns die Arbeit super organisieren, dann geht sie uns 130 leichter von der Hand. Und da glaube ich, da war irgendwo ein springender Punkt 131 dabei. Dass es gute Nebeneffekte gab, weil wir haben es ja über die ganzen durch dieses Schulungsprogramm gegangen. Und dieses 46 132 Hierarchien völlig durchgemischt, über die unterschiedlichen Funktionen 133 durchgemischt, es gab so viele positive Nebeneffekte, ja jetzt habe ich den 134 kennengelernt, und den, von dem habe ich gar nicht viel gewusst, und, und, und. 135 Aber ich sage einmal, das wirklich, wir nennen es Dalli Klick, hat es im Gehirn 136 gemacht. Eine organisierte, standardisierte Arbeit und ich sage einmal das 137 permanente Optimieren, das bringt’s, Continuous Improvement. 138 139 I: War das eigentliche das erste Mal in dieser Form, dass die Mitarbeiter so 140 ermächtigt wurden, aufgefordert wurden, aktiv an diesen Prozessen teilzunehmen? 141 142 IP: Es war sicher in dieser Intensität, kann man sagen, einmalig. Vor vielen, vielen 143 Jahren ist bereits das Thema Innovations- und Ideenmanagement eingeführt worden 144 und immer wieder hat man natürlich über die Vorgesetzten, muss man auch dazu 145 sagen, die Sache ein bisschen getriggert, nach dem Motto, Freunde macht‘s 146 Vorschläge, eure Vorschläge sind willkommen, wir werten sie nicht gleich ab, als 147 übliche Brainstorming-Regel, und solche Dinge mehr. Aber ich sage, diese Sache 148 hat echt einen Schub ergeben und da merkt man halt ein bisschen auch den 149 Unterschied, ich sage einmal gehört, oder gesagt und getan. Das Bild, das hat 150 nachhaltig Spuren hinterlassen. Und was so wichtig ist, auf das lege ich immer Wert, 151 ich habe mir das auch ein bisschen notiert auf meinem Vorbereitungszettel, gibt es 152 noch Ideen oder Bemerkungen dazu? Ich sage, ein Unternehmen muss sich 153 gleichartig und gleichzeitig bewegen und was ich damit meine: Ich habe das Jahre 154 erlebt, Top-Management fährt nach St. Gallen, nächster Level bekommt ein Inhouse- 155 Seminar oder nur ein externes Seminar irgendwo an einem schönen Ort in 156 Österreich und die ganzen Player werden gerade mal im Haus 3 Stunden geschult – 157 nur und alles zum gleichen Thema, so wie das Projektmanagement. Und ich hab’s 158 erlebt, weil ich habe Jahre lang darüber referiert, was mir gesagt wurde. Das Top- 159 Management hat mir gesagt: Super haben Sie das vorgetragen, das sollten unsere 160 Mitarbeiter hören. Habe ich es mit den Mitarbeitern gemacht, haben diese gesagt: 161 ein Wahnsinn, klasse, das sollen meine Chefs einmal hören. Und daher sage ich, ein 162 Unternehmen muss sich gleichzeitig bewegen, sonst bewegen sie sich ja 163 auseinander und sie verstehen einander überhaupt nicht mehr. Und das ist, ich sage 164 einmal, für uns, ich sag es ganz ehrlich, ein riesen Schlüssel für uns gewesen in den 47 165 letzten Jahren, dass wir solche Programme wirklich gemeinsam gemacht haben, 166 jeder Mitarbeiter mitbeteiligt ist und heute noch beteiligt ist, weil wir diese Themen 167 fortgesetzt haben. Ich kann es ein bisschen erklären. Wir haben gerade heute eine 168 go-and-see Session gehabt, wo wir vom Management-Kreis einmal im Monat 169 ausströmen ins ganze Unternehmen und diese Whiteboards, wo diese Vorschläge 170 alle aufgeschrieben sind, eines hängt draußen im Vorzimmer bei mir, auch einmal 171 dort anschauen, mit den Leuten dort sprechen, wie geht’s euch? Wir lösen nicht 172 Probleme vor Ort, das sollen die Leute tun, aber gibt’s irgendwelche Hindernisse, wo 173 ihr glaubt, wir können euch vom Management helfen und die Dinge mehr. Und ich 174 sage einmal, es kommen dermaßen viele Besucher auch zu uns und jeder sagt, wie 175 habt ihr das gemacht? Und jetzt sage ich ganz hart etwas. Ich kenne renommierteste 176 Firmen, die machen es ungefähr, jetzt bin ich einmal ketzerisch, Management by 177 sage ich einmal Nilpferd – Maul aufreißen und untertauchen. Da gibt es irgendeine 178 Ansage von einem Vorstandsvorsitzenden oder sonst irgendeinem Guru und dann ist 179 er verschwunden und da sage ich, das ist genau unser Geheimnis, das bis zum 180 Vorstand die ganze Geschichte ganz gleichartig im Haus behandelt wird und ich 181 sage es nach wie vor, für mich ein Schlüssel. Sonst geht es nämlich los: 182 Hauptsache, wir müssen uns in der Produktion wieder anstrengen, damit die anderen 183 in den Büros ein schöneres Leben haben, und, und, und. Das ist weg, das Thema, 184 ab dem Zeitpunkt, wo auf allen, ich sage jetzt einmal, die gleiche Aufgabe und 185 gleiche Zielsetzung lastet. 186 187 I: D.h. da höre ich fast heraus, obwohl natürlich eine gewisse Hierarchie in der 188 Organisation besteht, wird sie aber durch diese, kollektive, ich nenne es jetzt einmal, 189 kollektive Anteilnahme, wird sie fast versinnbildlicht, verflacht. 190 191 IP: Ganz genau, finde ich exzellent, was Sie jetzt dazu gesagt haben, das gefällt mir, 192 das Wort. Weil ich sage immer wieder. Ich bin auch nicht der der sagt, wir brauchen 193 keine Hierarchie, wir brauchen ein Ordnungsprinzip. Es können 950 Leute nicht ohne 194 Ordnungsprinzip zusammenarbeiten, aber es wird genau durch die Dinge extrem 195 aufgeweicht, ob jemand als Hierarch erlebt wird, oder als einer, der genauso in dem 196 Programm darin steckt. Und auch dieser Practice-Ground-Lauf bei mir jeden 197 Donnerstag in der Früh, alle Mitarbeiter, die aus meinem Bereich da sind, da zerreißt 48 198 es fast das Büro, weil da hängt dann die Tafel bei mir im Raum. Da sehen Sie eine 199 2. Aufhängung hinten, da kommt das Flipchart runter und dann hängt das dann dort 200 auf den orange eingefärbten Dingen und dann wird raufgeschrieben, die ganz 201 trivialen Dinge: Wer, wann, was? Und wie oft scheitern wir an so banalen Dingen? 202 Wir haben jetzt eine Feedbackrunde gehabt nach einem Jahr ungefähr, weil ich bin 203 1 Jahr in etwa mit dem Ding jetzt konfrontiert und die Feedbackrunde hat ergeben, ja 204 wir haben früher auch viel gesprochen, und alles Mögliche vorgenommen, aber 205 irgendwie sind wir dann auseinander gegangen und keiner mehr hat so recht 206 gewusst, wer macht denn jetzt was und wann? Das haben wir jetzt nicht mehr. Und 207 daher sage ich, in diesen kleinen Schritten verbessern wir uns immer wieder und ich 208 sage immer, weil es kommt auch so bei den Fragestellungen vor, ich bin ein Freund 209 und ein Fan von den kleinstmöglichen Regelkreisen und sie kennen den schönen 210 Spruch: Ich liebe die gesamte Menschheit, aber nur meinen Nachbarn nicht oder wir 211 können nichts entscheiden, weil Brüssel, die Bundesregierung, die Landesregierung, 212 die Gemeinde und alle können miteinander nichts tun. Nur dass ich auch einen 213 Wirkungskreis habe, jetzt muss ich diesen zuerst einmal bedienen, unmittelbar. Aber 214 wie oft verstecken wir uns hinter diesen Plattitüden, wir konnten ja nicht, weil. Und 215 das haben wir einigermaßen geschafft, ich kann es nur ein bisschen an den 216 Reaktionen feststellen. Es waren sehr, sehr anerkannte Unternehmen bei uns auch 217 da, weil wir es da und dort natürlich ein bisschen publiziert haben und ein jeder sagt, 218 nein, es ist wirklich bei euch spürbar, dass es wirklich ein Ruck ist, in der ganzen 219 Mannschaft und nicht die Sache von irgendeinem Guru oder sonst wen. 220 221 I: Da würde ich gerne einhaken, auch weil es mich interessieren würde. Wie würden 222 Sie das Rollenbild Human Resources im Haus charakterisieren? 223 224 IP: Ich glaube, das kann ich charakterisieren. Wir haben irgendwo sagen wir ein 225 Mischbild aus mehreren Elementen. Ein Element und auch das leugne ich nicht, ich 226 habe gerade heute ein ganz dramatisches Gespräch mit einem Mitarbeiter gehabt, 227 der sich gewissen Substanzen hingegeben hat. Es ist auch niemand ganz gefeit von 228 diesen Dingen, aber wir haben ihm ganz klar, Betriebsrat, Betriebsarzt und ich, 229 aufgezeigt, wie die Eskalations-Maschinerie jetzt läuft. Und dort darf man keinen 230 Millimeter Spielraum geben, sonst ohne Konsequenz ist die Chance sowieso vorbei, 49 231 dass er aus der Schiene aussteigt. Ich bin auch Ordnungshüter als HR, ich bin 232 Gestalter, wenn ich sage, wir haben die ganzen Programme massiv mitgestaltet. Ich 233 habe alleine 3 Leute aus meinem Bereich, die als Moderatoren für dieses Change 234 Management ausgebildet und tätig sind und wir sind da und dort, würde ich einmal 235 sagen, Gestalter, Ordnungshüter und starke Mitbegleitung dieser ganzen Change 236 Management Prozesse. Ich bin auch Mitglied im Steuerkreis dieser Change 237 Management Prozesse und damit schon da drinnen eine starke Rolle, was aber nun 238 einen anderen Grund auch hat, ist vielleicht ein besonderer, weil nicht nur HR in 239 meinen Verantwortungsbereich gehört, sondern auch das Thema interne und externe 240 Kommunikation und da komme ich schon automatisch zu einem Punkt, weil es 241 einfach ein ganz massives Element ist, wie werden die Dinge kommuniziert? Und da 242 sage ich, es reicht halt nicht, wenn man das alle 2 Jahre einmal erwähnt, es ist Teil 243 der 244 Mitarbeiterinformationstage, 245 6 246 Personalführung hat, mit dabei ist. Und auch dort, sagen wir z.B., genau diese 247 Themen, wo ich immer ganz stark auf das Thema einwirke - „sense of urgency“. Ich 248 sage immer, es gibt nichts Eleganteres, als in jemanden irgendwo die Idee zu 249 wecken, es soll so sein, sonst laufe ich permanent hinten nach, wenn nicht jemand 250 selber zur Überzeugung kommt. Und dort liegt auch die Professionalität. Werkszeitung, Führungskräftedialoge genauso wie im Jahr, wie in Intranet-Einträgen, Führungskräftedialoge. wo jede Führungskraft Wir im wie haben Haus, die 251 252 I: Würden Sie das dann auch als Treiber für diese Kontinuität sehen, weil ich glaube, 253 dass es die Tendenz wahrscheinlich als Mensch, als System hat, wie man es nennt, 254 ich glaube, in einen Normalzustand zurückkehrt. 255 256 IP: Genau. Ich suche gerade einen Begriff, den ich aufgeschrieben habe. Genau, 257 nämlich eine konkrete Frage von Ihnen: Wie würden Sie das Rollenbild von Human 258 Resources beschreiben? Ich habe geschrieben: Gestalter, Moderator, Spielmacher, 259 Ordnungshüter. Dies sind genau die 4 Begriffe. Und da glaube ich, dass HR eine 260 ganz große Rolle zukommt, weil ja wir einfach auch mit diesen Reaktionen auf der 261 einen Seite der Leute umgehen müssen und da sage ich auch etwas: wenn Leute 262 irgendwo Bedenken gegen irgendetwas haben, dann kann ich nur eines empfehlen, 263 Bedenken ernst nehmen, weil zu sagen, was bist Du denn für ein Zauderer, hast 50 264 leicht Angst um Deinen Arbeitsplatz, und all diese Killerphrasen, die helfen überhaupt 265 nichts. Und dies nenne ich ein bisschen Professionalität. 266 267 I: Hat sich dieses Rollenbild verändert, als Sie mit diesen Initiativen begonnen 268 haben? 269 270 IP: Das Rollenbild vielleicht nicht unbedingt, aber das Image hat sich verändert. Das 271 glaube ich sehr wohl, nämlich das Image, auch unserer Abteilung. Weil ich sage 272 einmal, machen wir uns nichts vor, für manche ist auch die HR-Abteilung ja eine 273 limitierende Abteilung, eine reglementierende und vielleicht ein Bürokraten-Job und 274 außer den Lohn- und Gehaltsabrechnungen tun sie eh nicht viel und hin und her. 275 D.h. es war für uns eine gute Gelegenheit, darum habe ich so geschaut, dass massiv 276 meine Leute auch vertreten sind, neben meiner Steuerungsfunktion in diesem 277 Programm und da glaube ich, dass es uns gelungen ist, auch vom Image her, ich 278 glaube eine Verbesserung herbeizuführen, das traue ich mir zu behaupten. Weil ich 279 sage immer einen schönen Spruch: Qualität liegt vor, wenn der Kunde zurückkommt 280 und nicht das Produkt. Ich habe so viele Anfragen bekommen: Könnten nicht Deine 281 Leute noch den einen oder anderen Practice-Ground, so nennen wir diese 282 Veransammlungen und Veranstaltungen, wo wir an diesen Whiteboards stehen, 283 flächendeckend im Betrieb in der Zwischenzeit, und es werden meine Leute sehr, 284 sehr nachgefragt. Das ist das schönste Zeichen, das mir passieren kann. Wenn ich 285 jetzt kurz einen Schwenk mache, z.B. in eine klassische Aufgabe, nämlich Rollenbild. 286 Sie werden mir Recht geben, dass es z.B. Controller gibt, die man fürchtet. Da zuckt 287 man schon einmal vor und man plant sowieso einmal 10% dazu, weil 5 fallen dann 288 eh weg, aber es bleiben mir immerhin dann 5 übrig, die vielleicht zu viel sind, aber es 289 gibt ja Controller, die in erster Linie vielleicht einmal fragen, was bringt das und dann 290 sagen, naja, und die Konsequenz ist, das man so und so viel investieren muss, 291 Kosten bereit in irgendwas. Und das sage ich jedem Controller, bitte fragt nicht 292 zuerst, was kostet denn das schon wieder, sondern kalkuliert einmal etwas durch, zu 293 dem seit ihr ja berufen und geschult und schaut einmal, was da rauskommt und dann 294 fragen wir als Konsequenz, was müsste investiert werden, was wären Kosten, die 295 anfallen, und, und, und. Es ergibt ein völliges anderes Bild bei euch, weil dann gehe 296 ich gern zu euch, und sage, wisst ihr was, ich habe eine Idee, machen wir das so 51 297 oder so, was sagt denn ihr dazu, ist das wirtschaftlich sinnvoll? Es ist etwas anderes, 298 als der Cost-Cutter der Nation, oder? 299 300 I: Da wäre das von Ihnen beschriebene Rollenbild in diesen Ausformungen aber 301 genauso anwendbar. 302 303 IP: Hundertprozentig, ja ganz klar. Wenn ich gerne zum Controller geh… und 304 dasselbe ist, wenn ich sage, jetzt muss halt jemand, der zu HR kommt, einen 305 Kanossagang machen, sondern er kann hier Unterstützung erfahren. Dann sage ich, 306 dann haben wir gewonnen, und wenn nicht, dann haben wir etwas falsch gemacht, 307 ich sage es ganz eindeutig. Und es gibt ja einen schönen Spruch: Wer keinen 308 Kunden mehr hat im Unternehmen, ist überflüssig. Das ist eine knüppelharte 309 Geschichte. 310 311 I: Diese 2. Dimension, wie ich das Rollenbild auch beschreiben möchte, ist doch ein 312 bisschen: Wie ist die hierarchische Zuordnung von HR innerhalb des Unternehmens 313 zugeordnet und die Teilfrage daraus, ob das relevant ist für diese Prozesse, wie HR 314 in der Betriebshierarchie zugeordnet ist im Sinne der Leitung, in ihrer Rolle? 315 316 IP: Ja, es ist so – HR ist in der 1. Berichtsebene, d.h. direkt berichtend an den 317 Vorstand. Wir sind eine AG und damit sage ich aber auch etwas dazu, das ist 318 natürlich schon eine Voraussetzung, um auch irgendwo natürlich, ich sage, gewisse, 319 sagen wir Funktionsautorität auch zu haben. Weil wenn ich heute im 3. Glied 320 irgendwo tätig bin, dann sage ich mir, der 7. Zwerg von hinten hat an und für sich 321 nicht ein großes Mandat. Daher ist da die organisatorische Aufhängung auch richtig 322 und was mich freut, ist auch das, weil ich sage, ich merke einfach auch, wie ein 323 Vorstand immer wieder zu mir kommt und sagt, du pass einmal auf, was könnten wir 324 denn da und da, was hältst Du davon, sollen wir dort international einsteigen oder 325 nicht, halten wir uns da eher aus der Geschichte, hätten wir die richtigen Leute? Da 326 sage ich, wenn er mich als Berater sieht für die Dinge, dann bin ich dabei, nicht nur 327 dass ich zum Vorstand rennen muss und sage, bitte darf ich mein Budget nächstes 328 Jahr zumindest halten, oder muss ich es um 10% kürzen? Das ist schon ein Punkt 329 und ich kann auch ein bisschen ein Beispiel dazu erzählen, weil es viele Jahre aus 52 330 ist, es war in meiner vormaligen Zeit in einem anderen Unternehmen, haben wir ein 331 Seminar gehabt und irgendwo hat uns dann der Seminarleiter ein bisschen hinters 332 Licht geführt und zwar hat er gesagt: Was bedeutet Macht für Sie? Und er hat es 333 aber so geschickt formuliert, so dramatisch, dass wir alle ein bisschen 334 eingeschüchtert waren und wollten das Thema Macht einfach nicht besonders 335 betonen, sagt er, gehen Sie ans Flipchart und tragen Sie auf dieser Achse ein, wo 336 Ihre Macht sozusagen zuhause ist. Wir haben uns überlegt, lang, bescheiden, und 337 dann hat er gesagt, wie wir fertig waren: Und was wollen Sie bewirken im 338 Unternehmen? Bumm, sind wir alle da gesessen mit langem Gesicht, waren wir alle 339 nicht ehrlich. Es stimmt einfach ganz eindeutig, Macht ist ja nicht nur etwas 340 Schlimmes, wenn man es einmal genau nimmt. Ich sage ja genau wie Kritik nicht 341 immer nur etwas Negatives ist. Manchmal muss ich sagen, sind wir froh, dass wir 342 Kritik bekommen, egal wie, aber es gibt da Begriffe, die sind besetzt. Hat dich 343 jemand kritisiert, meint er sicher nicht im Positiven, oder? Und mit Macht ist es 344 genauso, du brauchst schon Power, wobei ich immer sage, es genügt eine reine 345 Anordnungsautorität auf Dauer nicht. 346 347 I: Sie haben auch schon ein bisschen ausgeführt die Veranstaltungen, die Events, 348 die dazu im jährlichen Zyklus, in verschiedenen Zyklen diesen Prozess am Laufen 349 halten oder auslösen, um ein bisschen auf diese Personalentwicklungsthematik 350 überzuschwenken. Haben sich, auch wieder mit dieser Lean Einführung, die 351 Personalentwicklungsmaßnahmen, haben sich die verändert, oder wurde etwas 352 adaptiert oder ist etwas Neues hinzugekommen oder hat es einen Einfluss gehabt? 353 354 IP: Diese Frage ist nicht nur gut, sondern diese Frage ist für mich eminent wichtig. 355 Weil würden wir darauf nicht reagieren, oder hätten wir nicht reagiert, dann würde ich 356 sagen, möglicherweise Rekrutierungen betreiben, die nicht ganz zielgerichtet sind, 357 würden interne Weiter- und Ausbildungsprogramme betreiben. Wir müssen genau 358 unter diesen Gesichtspunkten, wer kann diese Lean-Organisation fahren, die Leute 359 natürlich, ich sage jetzt einmal ausbilden, auch in Stellung bringen und da sind nicht 360 alle gleich. Es gibt Leute, wo ich sage, die sind nicht unbedingt für die 1. Reihe 361 geschaffen, sind wir froh, dass wir so viele haben, die eine gedeihliche Arbeit 362 machen und nicht den ganzen Tag in den Löchern scharren, aber sind wir jetzt dabei 53 363 und bei uns gibt es ganz klares Element in der Führungskräftebewertung. Wie geht 364 diese Führungskraft mit Change Management um? Ist das eine Lead-Figur? Und 365 jetzt gibt es den schönen Begriff, ich weiß nicht, wer ihn geprägt hat, vielleicht kommt 366 er aus dem anglikanischen, „Leaders have someone, who have followers“. Das heißt, 367 das sind die Fahnenträger und denen geht man nach und sagt, mit dem marschiere 368 ich, ich habe Vertrauen, das berühmte Analogiebeispiel vom Bergsteigen, der 369 Bergführer, der kann nicht hinten gehen und jeden in den Hintern treten, er muss 370 einfach dort signalisieren, dass er den Weg kennt, das er die Leute einfach 371 begeistern und motivieren kann und daher hat sich bei uns, ich sage sogar, 372 massives, geändert. Ich sage Ihnen ein ganz konkretes Beispiel. Es waren 4 373 Besetzungen in den letzten 3 Jahren für unsere ganzen Channel-Manager, 374 Strukturen 375 unternehmenseigen ist, nachdem das Unternehmen Teil eines internationalen 376 Konzerns ist, haben wir Englisch als Konzernsprache. Und damit diese Funktionen 377 einigermaßen vergleichbar sind, weltweit, haben wir uns auf diese Nomenklatur 378 geeinigt. 379 Linienverantwortlicher in einer Fertigung und dort haben wir ganz genau, ich sage, 380 auf diese Attribute geschaut, soziale Kompetenz und Wirkung der Persönlichkeit. Wir 381 haben im Mitarbeiterhaus so 4 Grundelemente, das eine ist, wo wir sagen: 382 Signalisiert 383 unternehmerisches Denken und Handeln, oder ist er jemand, der sagt, naja, bis 384 daher, aber dann ist Schluss und nicht mehr mit mir. Dann haben wir als 385 2. Hauptelement das Thema fachliche Kompetenz. Die hat so in etwa 2 386 Unterteilungen: Das ich sage, es gibt eine allgemeine Fachkompetenz, jetzt könnte 387 man als Beispiel sagen, guter Finanzer, guter Controller, guter Techniker, guter IT- 388 Mitarbeiter, aber es gibt auch eine spezifische, und zwar konkret auf eine Stelle 389 bezogen. Könnte ich sagen guter Techniker, aber auf die Stelle Konstruktion würde 390 ich ihn nicht setzen, weil Konstrukteur ist er keiner. Dann haben wir das 3. Element, 391 wo wir sagen, das ist die soziale Kompetenz und da kann man sagen, wie zeigt sich 392 die als Führungskraft, jetzt ist aber nicht jeder Führungskraft, als Kollege, als 393 Teammitglied, Projektmitglied, usw. Und dass sind Dinge, wo ich sage, genaue 394 dieses Element und die Wirkung der Persönlichkeit, die haben wir ganz massiv 395 stärker betont, weil wir sagen, wenn wir diese Multiplikatoren haben, dann kommen in In der Produktion. anderen jemand Channel-Manager Betrieben oder weiß würde man man auch da ist ja sagen, der Begriff, Meisterei Bescheid, das der oder Thema 54 396 wir dann dorthin, was ich mir hier unten aufgeschrieben habe, als wirklich ganz 397 massive Empfehlung. Wenn die Führungsqualität gut ist und die Führungskultur, 398 dann haben wir viele Probleme von Haus aus nicht. Und da brauche ich soziale 399 Kompetenz und Wirkung der Persönlichkeit. 400 401 I: Also dieser Leadership-Aspekt ist ein ganz ein wichtiger Punkt. 402 403 IP: Ganz ein wichtiger Punkt, absolut. Sie können sonst die Dinge, so wie wir so 404 gesehen Multiplikatorverfahren im Unternehmen nicht durchsetzen, wenn sie lauterer 405 Zauderer irgendwo haben, oder ich weiß nicht, ob Sie den Reinhard Sprenger 406 kennen von der Literatur. Ich hatte das Glück, weil ich seine Literatur exzellent 407 wirklich kenne und ihn auch schätze, natürlich überzeichnet er genauso wie alle 408 anderen, ihn kennenzulernen. Und der Sprenger hat es gesagt: der beste 409 Schraubendreher der Abteilung wird Leiter der Abteilung, 2 Effekte, in der Regel sagt 410 er, ein guter Schraubendreher weniger und eine schlechte Führungskraft mehr. 411 Wenn er nicht Führungskraft ist. Und wir machen jetzt sehr, sehr viele Programme, 412 die den Mitarbeitern auch zur Orientierung dienen, ob die Expertenlaufbahn oder die 413 Führungslaufbahn geeignet ist. Das passiert bei uns in diesem Radar-Screen 414 Programm, Radar-Screen ist jetzt eine Symbolik, da geht der Radarstrahl durchs 415 Unternehmen und mit der Bitte an alle Führungskräfte, nennt uns Leute, die 416 irgendwie auffallen, vielleicht in die oder die andere Richtung. Dann gedeihen wir 417 ihnen auch die Orientierung an, dieses HDI-Profil und dann ist, glaube ich vielen 418 Fällen, auch schon ein bisschen der Groschen gefallen, na ja, es ist zwar recht und 419 schön, Führungskraft vielleicht anzustreben, aber bin ich es wirklich. Und umgekehrt, 420 wir von der Organisationsentwicklung müssen massiv darauf schauen, und wir sind 421 am besten Weg dazu, dass wir von einem Beispiel wegkommen: dass man bei uns 422 nur in hohe Gehaltsklassen kommen kann oder in die hohe Hierarchie, wenn man 423 Führungsaufgaben hat. Ich sag Ihnen ein Beispiel von einem anderen Unternehmen. 424 Dort war auch das Thema Abteilungsleiter und Referent, so. Der Referent war so 425 deutlich 426 Dienstfahrzeuge und die Dinge, angesiedelt, dass einige Leute, Spitzenleute, die es 427 paar Mal in Europa gegeben hat, vielleicht zum Thema Abgastechnologie, das 428 Unternehmen verlassen haben, weil sie einfach gesehen haben, dass sie als unter dem Abteilungsleiter, gehaltlich, oder andere Zutaten wie 55 429 Referenten, als Fachspezialisten keine Chance auf eine Top-Hierarchie, oder auch 430 Top-Einkommen haben und da passieren massivste Fehler. Und dies machen wir 431 begleitend heute anders. 432 433 I: Da haben Sie nun schon hinübergeleitet, was Sie unter diesem Begriff 434 Karrieremanagement oder Laufbahn verstehen. D.h. das hat sowohl auch in diesem 435 Kontext eine Auswirkung gehabt? 436 437 IP: Absolut, ganz eindeutig. 438 439 I: Wie sich das jetzt entwickelt oder wie Sie die Laufbahn innerhalb des Hauses in 440 ihren verschiedenen Bereichen gestalten. 441 442 IP: Genau, vielleicht ein Punkt, dem wir sicher eine Veränderung gebracht haben. Ich 443 habe es einmal bezeichnet, ich möchte, wenn wir Leute, sage ich jetzt von der 444 Organisation her, sage ich, in hochwertige Positionen nehmen, möchte ich eine 445 breite 446 Kaminaufstiege im jeweiligen Fachbereich. Und das hat einen Sinn, weil ich sage 447 einmal erstens ist dadurch ein gewisses Rotationsprinzip überhaupt möglich, wenn 448 Leute akzeptiert sind. Weil, wenn einer sagt, den Mitarbeiter kannst Du Dir behalten, 449 der interessiert mich überhaupt nicht, mit dem kannst Du gut, aber sonst niemand, 450 dann werde ich wahrscheinlich auch nie irgendeine andere Aufgabe übernehmen, 451 um damit auch Verständnis über andere Bereiche zu gewinnen und das hat für 452 meine Begriffe jetzt ganz gut funktioniert in den letzten Jahren und wir haben 453 dadurch auch Leute schon jetzt kreisen lassen, nicht negativ, sondern die sich 454 wirklich eine breite Akzeptanz schaffen konnten und dann haben wir gewonnen, weil 455 dann haben wir genau die Leute, die jetzt einmal a) diesem Bild entsprechen, das 456 sind Fahnenträger, das sind Change-Manager und, und, und das sind aber dann 457 auch wirkliche Führungskräfte, wie man sie für solche Programme braucht. Wann Sie 458 da Führungskräfte haben, die aus falscher Loyalität agieren und dann folgendes tun: 459 Irgendwo im Management sitzen, dort werden Dinge, sage ich jetzt einmal 460 aufgesetzt, halt aus Wettbewerbsgründen, welche wichtig sind, allerdings Schmerzen 461 verursachen und der kommt dann zum Bereich zurück und sagt: Wisst ihr eh, ich Tragfähigkeit dieser Leute erreichen und nicht diese berühmten 56 462 muss euch jetzt ganz etwas Trauriges sagen, ich würde es ja eh nicht tun, aber. Da 463 ist bei mir der Ofen so was von aus, ich sag’s Ihnen Herr Oswald, das glauben Sie 464 nicht. Ich bin ein recht netter Mensch sagt man immer, aber irgendwann, wenn der 465 Punkt eintritt, dass sich Führungskräfte hinter diesen Dingen verstecken, hinter 466 anderen und es nicht so kommunizieren. Wir haben eine Spielregel bei uns im Haus, 467 wir haben Vetorecht während der Sitzung, während des Meetings, wenn wir dann 468 hinausgehen, dann haben wir einen Schulterschluss, dass kein Blatt Papier zwischen 469 uns reinpasst. Wo das nicht passiert, da können unser Vorstand und ich sehr, sehr 470 unangenehm werden. Und das halte ich für eminent wichtig, sage ich Ihnen, weil das 471 sind so ein bisschen die Durchlavierer, ich würde ja nicht, aber ihr wisst es eh, der 472 Chef und die Konzernleitung und Gott und die Welt, nur ich nicht. Das sind keine 473 Führungskräfte. 474 475 I: Da betonen Sie, höre ich da so heraus, diesen Aspekt, dieses, man schließt ja fast 476 eine Vereinbarung, wenn man hier in einem Meeting, in einer Sitzung, auch wenn 477 man den Mitarbeiter anspricht, im Prinzip ist es eine Art Pakt oder Vereinbarung, die 478 man ja dann trifft? 479 480 IP: Genau das ist es. Was glauben Sie, was passiert, wenn heute die Führungskraft, 481 ich sage jetzt z.B. dieses Thema Practice-Ground, das wir im ganzen Haus etabliert 482 haben, wie gesagt, inklusive aller administrativen Bereiche, wo die Mitarbeiter 483 beieinander stehen und jetzt sage ich etwas dazu. Natürlich gibt es dazu am Beginn 484 Stimmen, die dazu sagen: verstehe ich nicht, das ist doch eh Tagesaufgabe, das 485 haben wir immer schon gemacht, was ist denn da neu? Und dann sagt die 486 Führungskraft nichts, weil es halt unangenehm ist, jemanden dagegenzureden, oder 487 ob der dann sagt, he Freunde passt auf, so wie es jetzt bei mir passiert ist, wir haben 488 ziemlich genau eine Feedback-Runde, die ist keine 14 Tage her und dann sind wir 489 hier im Büro gestanden und ich habe es vorher schon gesagt, da haben viele aus 490 meinem Bereich gesagt, nein, wir haben oft darüber gesprochen, aber jetzt haben wir 491 es wirklich systematisch in der Verbesserung und heute trauen wir uns sagen, 492 kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Oder wenn er dort steht und sagt, na ja, ihr 493 wisst eh, mein Gott, wir habe es eh schon früher genauso gemacht. Man darf das 494 bisherige würdigen, aber man muss das neue schon vertreten, oder? Wann ich dann 57 495 sage, ihr wisst eh, seid gescheit, weil sonst kommt einmal der Vorstand vorbei und 496 dann hat es euch, da ziehe ich mich völlig aus der Verantwortung und das kann nicht 497 passieren. Und das sind lauter Dinge, ich habe jetzt ein bisschen ausgeholt, eine 498 große Rolle, wenn sie sagen, hat das Auswirkungen gehabt, dann sage ich, massive, 499 weil wir haben uns früher, ich gebe es wirklich zu, ich meine, ich bin nicht so lange im 500 Haus, jetzt werden es 5 Jahre im Oktober, aber es ist schon so ein bisschen, über 501 diese wie man sagt, die Kaminentwicklung gewesen, innerhalb der Produktion und 502 da und dort und man hat vom anderen nicht besonders viel gewusst und irgendwann 503 sind auch wir dem Peter-Prinzip zum Opfer zu gefallen, Beförderung bis zur 504 Inkompetenz. Das ist schlimm, weil in der Rolle und in der Haut möchte ich nicht 505 stecken, die sich nicht mehr wohl fühlen, aber nie sagen getraut haben oder vielleicht 506 die methodische Unterstützung nicht bekommen haben, dass sie am Irrweg sind und 507 ich sage immer wieder, Führungskraft zu sein, ist ein bisschen mehr, als vielleicht ein 508 Zertifikat, wie es dort hinten an der Wand steht, zu überreichen. Es ist etwas 509 anderes, ich habe mir das heute in der Früh gedacht, weil ich sage, so eine Rolle, die 510 muss man einmal irgendwo natürlich erstens vorbereiten, aber auch glaubwürdig 511 durchziehen, weil wenn nicht mit höchster Konsequenz und schon fast ein bisschen 512 brutal im Ausdruck die Dinge passieren, passiert nämlich gar nichts. 513 514 I: Was Sie auch jetzt öfter angesprochen haben, wenn ich dies richtig verstehe, 515 betonen Sie auch sehr wichtig dieses Thema Verständnis für Veränderung? 516 517 IP: Ja, absolut. 518 519 I: Veränderung begleiten und Bewusstsein für Veränderung zu entwickeln und das 520 höre ich so heraus, sehr, sehr stark präsent zu haben. 521 522 IP: Absolut. An dem führt kein Weg vorbei. Ich sage es immer wieder, wenn die 523 Sinnstiftung nicht passiert! Dasselbe könnte ich jetzt schon in der Analogie sagen, 524 vielleicht ist das schon 1. Aufgabe im Elternhaus einmal, den Kindern irgendeine 525 Sinnvermittlung gibt, weil ich höre immer mehr, also der hat irgendwo die 526 Orientierung verloren, und der hat in jungen Jahren schon keinen Sinn mehr fürs 527 Leben entdeckt und, und, und. Da haben wir aber ein Problem und ich sage einmal 58 528 genau für Veränderungen ist es noch wichtiger, Sinn zu stiften, weil der Mensch 529 natürlich gewisses Beharrungsvermögen hat und dort, wo seine Komfortzone bisher 530 war, lebt es sich sehr angenehm. Die Komfortzone zu erweitern, vielleicht sogar zu 531 verlassen, na dies liegt dem Menschen, aber nicht jedem. Es gibt ja auch 532 Abenteurer, die es sowieso keine 2 Tage irgendwo aushalten, aber in der Regel 533 behaupte ich, das kann kein Selbstläufer sein. Da braucht es garantiert ein paar 534 solche Leuchttürme, das ist so. Und die müssen aber dann schon quer übers 535 Unternehmen präsent sein, weil sonst kommen die Programme raus, die wir zur 536 Genüge kennen, irgendein Vorstand sich was eingebildet hat, aber die 6.000 537 dahinter nicht. 538 539 I: Weil Sie die Leuchttürme jetzt ansprechen. Sie haben das Leadership betont, die 540 Führungskraft, dieses Verständnis für Change. 541 542 IP: Ja. 543 544 I: Gibt es darüber hinaus auch so eine Art Coaching oder Mentoring, eben weil Sie 545 sagen, nicht nur jetzt vielleicht die Leuchttürme der Führungskraft, aber um diese 546 Durchdringung zu gewinnen? 547 548 IP: Ja, wir haben Mentoring-Programme im Haus und die haben wir schon, sagen wir 549 einmal, bis zu den Lehrlingen. Wir haben für die Lehrlinge Mentoren, wir haben z.B. 550 auch Führungskräfte im Haus als Mentoren eingesetzt, in der Zusammenarbeit mit 551 einer, ich nenne es, zusammen mit einer Produktionsschule. Dies ist eine Anstalt, die 552 Leute so zwischen 16 und 24 Jahren in das normale Berufsleben integrieren möchte. 553 Das sind Leute aus zerrütteten Familienverhältnissen und, und, und. Und sogar dort 554 haben wir Führungskräfte, um deren soziale Kompetenz zu erweitern, dort im 555 Einsatz. Wir nennen das Programm Social-Exchange. War übrigens auch ein Punkt, 556 warum wir eine Auszeichnung in der Richtung bekommen haben, weil es ein völlig 557 ungewöhnlicher Weg ist. Jetzt sage ich Ihnen nur ein Ergebnis. Wir haben 3, 4 aber 558 wirklich von unsere toughen Channel-Managern dort hingeschickt. Nach 3 Tagen, die 559 haben gesagt, also was wir hier im Unternehmen als Problem bezeichnen, da hat 560 kein Mensch eine Ahnung, wann Du mit Leuten zu tun hast, die nicht wissen, oder 59 561 überhaupt keine Idee haben, dass man irgendwann einen Arbeitsbeginn um 8.00 Uhr 562 vereinbaren kann, der heimgeht, wenn es ihn nicht mehr freut, der durch gewisse 563 andere Substanzen illuminiert durch die Gegend läuft, diese Ohnmacht, die dort 564 einsetzt, hat er gesagt, ist ja da hier im Unternehmen ein Kinderspiel. Nur als ein 565 Beispiel dazu, was da durchaus lehrreich war, würde ich auch einmal sagen. Und 566 Mentoren stellen wir immer auch bei, wir haben 3, 4 ganz exzellente Leute, 2 davon, 567 die habe ich ins Unternehmen „eingeschleppt“ aus meinen frühen Tätigkeiten, wo ich 568 sage, die verdienen den Namen. Es gibt ja auch genug Gaukler und sonstige, die 569 halt sagen, ich mache mich schnell einmal selbständig. Meine Mitarbeiter sind in der 570 Lage, Dinge wirklich so aufzuarbeiten, dass für die Leute einfach eine massive 571 Stütze und ein Gewinn rauskommt. Und da geht’s um 2 Dinge: Irgendwo auch die 572 Konsequenz, die Dinge, den Dingen auf den Grund zu gehen und wir sagen immer, 573 die Ursachenforschung hat 2 Elemente: sie braucht Methodik und sie braucht 574 Konsequenz und Zeit. Das kennen wir aus vielen Lebensbereichen, dass es 575 manchmal sehr mühsam ist, die Ursache zu finden. Mit den Symptomen sind wir sehr 576 schnell konfrontiert und haben auch gleich eine Therapie bei der Hand, aber die 577 passt halt nur dann, wenn die Ursache wirklich die ist und nicht eine andere. 578 579 I: Ich habe, wo habe ich das geschrieben, dieser Aspekt, ist es eher eine kultur- oder 580 eine werkzeugorientiert, habe ich mir gerade überlegt, weil wir ja möglicherweise mit 581 Lean als allererstes immer an die ganzen Lean-Tools denken? 582 583 IP: Genau. 584 585 I: Aber Sie haben doch sehr ausführlich diesen, ich nenne es jetzt mal so, kulturellen 586 Teil, diesen grundlegenden Teil… 587 588 IP: Ja. 589 590 I: … diesen nicht sichtbaren Teil, der aber möglicherweise sehr wichtig ist, betont. Es 591 gibt dann schon diese Umsetzungstools an sich, aber wenn ich jetzt das Gespräch 592 so ein bisschen zurückblicke, ist das einfach, höre ich diesen sehr, sehr großen 593 Anteil… 60 594 595 IP: Ich sage Kultur vor Tool. Tool brauchen wir hundertprozentig. Da bin ich ganz fest 596 dabei, aber ich sage, wenn die Kultur nicht passt und genau dieses Verständnis nicht 597 da ist, der Umgang mit Veränderungen, mit Einsprüchen, mit irgendwelchen, ich 598 sage jetzt einmal Dingen, ja, die halt Mitarbeiter betreffen, weil man darf nie 599 vergessen, es gibt so viele Dinge, die machen für die Allgemeinheit und im großen 600 Stil Sinn, aber vielleicht für den Einzelnen nicht, oder erzeugen beim Einzelnen 601 irgendeine Befangenheit, eine Angst, eine Irritation, da ist der professionelle Umgang 602 wichtig und da sage ich, das ist mehr kultureller Teil, als sage ich jetzt einmal, 603 irgendein Werkzeugteil. Dass ich heute Six Sigma nach einer knüppelharten 604 Methodik abfahre, ist ganz klar. Ein Projektmanagement ist ein Tool, aber ich habe 605 seinerzeit immer wieder gesagt, und ich würde mich heute korrigieren, wenn ich über 606 Projektmanagement referiert habe, habe ich auf die Tafel geschrieben als allererstes: 607 Projektmanagement ist 50% Werkzeug, 50% konsequentes Handeln und 50% ist es 608 auch kulturelle Sache, Psychologie. Dann haben die Ersten gesagt, aber das sind ja 609 150%, sage ich, genau, d.h. schon einmal, das ist etwas Besonderes. Heute würde 610 ich sagen, dass die Psychologie mindestens 70, 80% ist, weil genau an diesen 611 Dingen so viele Sachen scheitern und ich sage Ihnen nur ein Beispiel und ich habe 612 so oft recht bekommen: Was glauben Sie, was passiert, wenn heute ein, ich sage 613 jetzt einmal, ein sehr unnahbarer Vorstandsvorsitzender einen Mitarbeiter holt. Herr 614 Sowieso, ein Projekt, ich habe Sie da vorgesehen, Sie haben das locker im Kreuz, 615 und, und, und, gibt ihm irgendeine halblustige Projektdefinition. Was passiert, wenn 616 die Distanz zwischen den 2 zu groß ist. Traut sich der nachfragen, um einen Auftrag 617 zu präzisieren? Der geht von dannen, fängt dann irgendwie zum herumschustern an, 618 irgendwann kommt die 1. Präsentation, dann sagt der, aber so ist das eigentlich 619 nicht. Da fragt er noch nicht, wie es eigentlich sein sollte, das meine ich mit Kultur 620 und ich sage Ihnen, was ich jetzt gesagt habe, das ist nicht aus der Luft gezogen. 621 Solche Dinge gibt es. Es gibt heute noch so viele Chefitäten, wo die Leute schon 622 vorzucken, bevor sie überhaupt bei der Tür hereinkommen. Wissen Sie, was mir 623 einer gesagt hat, vor nicht allzu langer Zeit in Deutschland. Er hat einmal gesagt bei 624 einem Kongress: Kennen Sie einige der deutschen Vorstandsvorsitzenden der DAX- 625 geführten Unternehmen? Dann hat er gesagt: Wenn Sie jemanden kennen, der noch 626 herzhaft lachen kann, schicken Sie mir ein Foto von ihm. Bis heute habe ich keines 61 627 bekommen und das drückt was aus, was der sagt. Und da sind wir. Pfff, die 628 Ellbogen, sage ich einmal, in den Fingerspitzen und, und, und. Und das sind Dinge, 629 die haben so massiv mit Kultur zu tun, wie nur etwas. Und daher sage ich, wenn ich 630 mir überlege, welche Projekte da und dort gescheitert sind und immer wieder 631 scheitern, weil nicht einmal der Auftrag klar ist, aber weil man sich nicht einmal traut, 632 dass man irgendjemand anspricht. Die so auf Hierarchie spielen, die sind so 633 unnahbar, dass nicht nachgefragt werden kann, was überhaupt los ist. 634 635 I: Ich wollte gerade ergänzen, das ist genau diese Hierarchieachse, die hier so in 636 einer ganz starken Form… Positionsautorität. 637 638 IP: Das ist nur die Positionsautorität, und wenn nur die da ist, dann sage ich, ist es 639 schlecht, dann ist man zu wenig dran. Daher sage ich, Sie haben es blendend 640 formuliert vorher mit dem Thema Kultur und Werkzeug. Ich streite nicht ab, dass wir 641 Werkzeuge brauchen, aber ich sage, die Werkzeuge können eine fehlende Kultur 642 schon überhaupt nicht ersetzen. Ich behaupte sogar umgekehrt, dass vielleicht, ich 643 sage einmal, eine taugliche Kultur einige Werkzeuge vielleicht gar nicht notwendig 644 erscheinen lasst. Das ist schon eher der Fall, aber ich bin schon dafür und wir haben 645 es ja auch in unserem Standardisierungsprogramm auch, dass wir einfach, ich sage, 646 Dinge, sage einmal, konsequent einfach durcharbeiten, und wir sind, wie unser 647 Konzern-CEO sagt, wir sind auch eine Six Sigma-Company. Und das ist ja etwas, 648 dass man nach außen mit verkaufen kann. 649 650 I: Ich würde Sie noch gerne, nachdem der Begriff so in dieser Zusammensetzung, ich 651 habe ihn in der Literatur nicht gefunden, bis auf ein einziges Buch einer 652 Amerikanerin, die zufälligerweise aus Michigan stammt und die den Begriff Lean 653 Human Resources auf ihr Buch getitelt hat. Und ich würde Sie einfach gerne fragen, 654 was Sie unter dem Begriff Lean Human Resources verstehen? 655 656 IP: Na ja, unter Lean Human Resources würde ich jetzt einmal folgendes verstehen, 657 dass die Human Resources-Abteilung oder die Vertreter dieser Abteilung die Dinge 658 mitbegleiten können, die heute ein Lean-Unternehmen ausmachen, weil ich kann 659 nicht sagen, ich habe ein Lean-Abteilung, aber eigentlich bin ich eh in einem Umfeld 62 660 tätig, das alles andere als Lean ist, könnte theoretisch schon möglich sein, glaube ich 661 aber nicht. Das heißt im Klartext, ich brauche Leute, die genau das alles verstehen, 662 was zu Lean notwendig ist, weil würde ich Leute haben, die sagen, aber das haben 663 wir noch nie so gemacht und ich weiß nicht, warum machen wir da überhaupt mit und 664 das ist ja Sache der Produktion, von irgendwem aber nur von uns nicht. Dann bringe 665 ich sicher nicht diese Begleiter auf den Weg, die ich heute habe, die im Haus hoch 666 anerkannt sind, und die gewünscht werden als Begleiter, als Change Manager und, 667 und. Das ist mein Verständnis, dass ich in der Lage bin, weil machen wir uns nichts 668 vor, es gibt auch HR-Abteilungen, die als reine Administration betrachtet werden. Die 669 sagen eigentlich, aha, und wenn Du einen Krankenstand brauchst, dann gehst Du 670 dort hin und wenn Du einen Pflegefreistellung brauchst und spätestens dann, wenn 671 Du in Altersteilzeit und in Pension gehst, aber sonst sind sie irgendwelche 672 verstaubten Typen, die vielleicht auch noch ein Schild drauf haben, Mittwoch 11.00 673 bis 12.00 keine Amtsstunden, gibt’s alles, habe ich auch schon erlebt. Das sind 674 Dinge, da sage ich, da geht es mir eher darum, dass ein Lean-Verständnis in meiner 675 Mannschaft ist und das ich nicht selber auch das Gegenteil repräsentiere, indem ich 676 vielleicht eine üppige Abteilung habe, oder sonst was. Ich brauche dynamische, 677 pfiffige, wendige Leute. Dann sind wir dabei, Lean begleiten zu können, sonst kann 678 ich nicht. Weil sonst haben wir wieder den Zustand, es ist alles andere dynamisch, 679 nur wir nicht. Ähnliche, ähnliche, würde ich einmal sagen, Stati, haben ja oft auch 680 Finanzabteilungen, die Zahlenklamüserer, die Bohnen- und die Erbsenzähler und, 681 und, und. Und sage ich, da muss sich das Bild auch ändern, weil sonst haben wir 682 irgendwann ein Problem, dass wir uns auseinanderentwickeln. 683 684 I: D.h. da fällt mir jetzt auch das Wort dazu ein, d.h. es ist ja eigentlich nicht nur 685 relevant, zu sagen, es ist über die Hierarchie im gesamten Haus, wie wir gesagt 686 haben, an einem Strang ziehen, durchgehend, dann ist es ja auch in der 687 horizontalen, also in den Geschäftsbereichen bis hin zu den Stäben, genau auch auf 688 dieser Ebene? 689 690 IP: Was mir z.B. noch einfällt, jetzt als Beispiel für Lean Human Resources. Wir 691 haben ein Qualifizierungskonzept in der Produktion. Das sieht so aus: Im Maximum 692 kann jemand, der dann in der Top-Lohngruppe ist, 9 unterschiedliche Maschinen 63 693 bedienen, das ist fast zufällig so eine 9er Matrix. Beginnen wird jemand, der z.B. bei 694 uns als Lehrling ausgelernt hat und die Facharbeiterprüfung macht, natürlich einmal 695 mit 1, 2. Und dann kann er sich über die Dinge hochqualifizieren und jetzt haben wir 696 folgendes festgestellt. 2009 hatten wir über 30% Produktionseinbußen wegen der 697 Wirtschaftskrise, haben das Ganze natürlich einerseits mit Hilfe der Leasingkräfte, 698 aber andererseits durch eine interne Mobilität und Flexibilität kompensieren können, 699 weil wir genau die Leute, die hochqualifiziert waren, in der Mehrmaschinenbedienung 700 kreuz und quer in der Produktion einsetzen konnten. Da sage ich z.B. das ist ein 701 Beispiel für Lean Human Resources. Nicht dass ich sage, die einen haben jetzt 702 zufällig keine Arbeit und die anderen haben zu viel, ja, aber wir können uns leider 703 nicht gegenseitig helfen oder austauschen, weil jeder für sich die Ressourcen 704 irgendwo definiert hat. Wir haben 127 Leute, ich weiß es auswendig, weil ich es in 705 einen Bericht hineingeschrieben habe, an die Gruppe damals, für den Jahresbericht, 706 umgesetzt in der Zeit, das heißt auf einen anderen Arbeitsplatz gebracht, weil sie 707 durch die Ausbildung, Qualifikation dazu fähig waren. Das nenne ich Lean Human 708 Resources. Irgendwo jeder für sich, dann schauen wir halt einmal, wie es dem 709 nächsten geht, wir tun schon mal vorsichtshalber nix für den, da sind wir aber wieder 710 bei der Kultur. Ist das etwas, wo man dann sagt, die Leute werden brutal versetzt, 711 oder kann ich den Leuten erklären, dass man durch diese Maßnahmen die 712 Stammmannschaft halten konnte und keine Stammmitarbeiter kündigen mussten. Ich 713 sage Ihnen noch ein Beispiel. Wir hatten eine gewisse Jahresprämie aus dem Jahr 714 2008 pro Mitarbeiter zur Verfügung. Wir haben ein Drittel ausbezahlt und haben den 715 verbliebenen Anteil in Zeitguthaben gewandelt. D.h. wir haben einfach Zeit aus der 716 Produktion nehmen müssen und der Betriebsrat und ich haben gleichartig dies den 717 Leuten kommuniziert, es dient ja eigentlich dem Erhalt der Arbeitsplätze hier, und da 718 waren einige dabei, ganz wenige muss ich sagen, wo der Betriebsrat denen über den 719 Mund gefahren ist. Da hat einer wortwörtlich gesagt, zum Betriebsratsvorsitzenden: 720 Herr Sowieso, wissen Sie, ich habe jetzt schon ein Problem, mit den freien Tagen 721 kann ich leider nicht einkaufen gehen. Hat er gesagt, ok, Dir schauen ohnehin die 722 Euros aus den Augen, hat er gesagt und denke einmal ein bisschen nach, was es 723 bedeuten würde, wenn man auch nur 20, 30, 40, 50 Leute freisetzt – ist Dir das egal? 724 Und da sage ich, dann haben wir beim „sense of urgency“ glaube ich, das richtig 725 gemacht. 64 726 727 I: Es ist diese Hinterlegung, die Sie ansprechen, auch die Dinge zu artikulieren, 728 transparent zu machen, zu hinterlegen, begründen will ich es gar nicht nennen, 729 begründen ist so der Begriff, einen Grund finden. Aber einfach, nicht einfach nur als 730 Aktion im Raum stehen zu lassen. 731 732 IP: Genau, dann hätte jeder gesagt, sie haben es natürlich von der Analogie herleiten 733 können, wir haben die Jahre zuvor ja auch gut verdient, und dann haben sie gesagt, 734 naja, wenn es voriges Jahr so viel gegeben hat, wird es heuer so viel geben. Wenn 735 wir 736 Betriebsversammlungen gemacht, was hätten sie dann gesagt? Na heuer hat es nur 737 so und so viel Euro gegeben, voriges Jahr das dreifache, sind die wahnsinnig, wo wir 738 so ein Ergebnis gehabt haben, damit haben wir das 9er Jahr gesichert, nämlich um 739 nicht in Kündigungen zu gehen. Und so funktioniert es im Endeffekt ja, ich sage, das 740 was wir Arbeitsplatzsicherung nennen, weil ich sage ganz klar, eine logische 741 Konsequenz, wann ich immer höre, wer alles Arbeitsplätze sichert in Österreich, 742 sage ich, da schaue ich gerne zu, wie macht ihr das? Habe ich gesagt, es gibt eine 743 Logik, Arbeitsplätze sind die Folge von Arbeit und Arbeit ist die Folge von 744 Wettbewerbsfähigkeit, 745 Wettbewerbsfähigkeit uns orientieren, und sonst gar nichts. Das hat es einmal in der 746 Verstaatlichen, da hat es 20 Jahre funktioniert und dann hat es die Betriebe ohnehin 747 zerrissen, oder sagen wir, sie sind dann implodiert, statt explodiert. nichts mitkommuniziert d.h. hätten, im sage Endeffekt, ich wir jetzt, das müssen haben immer wir an in der 748 749 I: Ich bin mit meinen Fragen wunderbar durch, ich habe so ein umfassendes Bild von 750 Ihnen mitbekommen, ich würde jetzt… wenn Sie noch Anmerkungen, Ergänzungen 751 haben? 752 753 IP: Ich habe noch Ergänzungen, die gebe ich Ihnen gern, aber ein paar Dinge habe 754 ich schon vorweggenommen. Ich habe geschrieben: Unternehmen muss sich 755 gleichzeitig, gleichartig entwickeln und verändern, sonst kommen wir irgendwo außer 756 Balance, ist einmal ein Punkt. Dann habe ich es übrigens auch schon erwähnt: 757 Führungsqualität ist von eminenter Bedeutung und durch nichts zu ersetzen. Dann: 758 Erfolgsstories a) in den jeweiligen Meetings einmal sagen, nicht nur jammern, weil 65 759 derzeit hätten wir auf der großen Bühne den ganzen Tag Zeit, zu jammern, und Stoff 760 bis Ende nie. Wir müssen trotzdem schauen, dass wir auch da und dort wieder 761 einmal einen Kick nach vorne zusammenbringen und dann habe ich gesagt: 762 Laufende Information an alle, ich habe da hergeschrieben, Führungskräftedialoge, 763 Mitarbeiterinformationen, und authentische Führung und nicht instrumentelle 764 Führung, weil die instrumentelle Führung ist die Stempeluhr und ist die anonyme 765 Mitarbeiterbefragung, das interessiert mich nicht. Ich möchte authentisch führen und 766 authentisch führen heißt direkt, zeitnah und nicht irgendwann vor 6 Monaten haben 767 sie einmal, glaube ich, einmal eine Zeitüberschreitung gehabt, ich weiß zwar nicht 768 mehr ganz genau, wann, aber irgendwo ist es evident, so kann man nicht arbeiten. 769 Oder ich habe über Sie gehört, wenn es dann ans Eingemachte gehen, wissen wir 770 eh nicht mehr, wer es gesagt hat. Ich bin für die Führungsarbeit, ich sage es Ihnen, 771 Herr Oswald, da geht mir mein Herzblut über. Die ist nicht ersetzbar. Führung ist 772 nicht ersetzbar, eine gute. Ich wüsste nicht, mit welchen Dingen man eine gute 773 Führung kompensieren könnte, ist mir bis heute nicht untergekommen und ich stehe 774 schon einige Zeit im Berufsleben. 66 1 Interview 4: 22. August 2012 / 15.30 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean, schlank, schlankes Unternehmen? 5 6 IP: Für mich ist der Begriff Lean, er umfasst alle Maßnahmen, die zu einer effizienten 7 Produktion bis hin, also vom Einkauf über die Produktion bis hin zum Vertrieb von 8 Industriegütern ermöglicht, in einer möglichst schlanken Organisation und aber auch 9 in möglichst schlanken Abläufen, Prozessen, die halt alles Überflüssige – unter 10 Anführungszeichen - weglassen. D.h. aber auch, dass eine Lean-Organisation 11 versuchen muss, möglichst wenig Abfälle zu erzeugen, möglichst wenige Fehler zu 12 machen, was auch eine besondere Herausforderung darstellt, weil man gewisse 13 Fehler ja auch zulassen muss. Das ist ein speziell schwieriger Punkt, aber natürlich 14 Lean heißt eben in erster Linie Effizienz für mich und an dieser Effizienz gilt es halt in 15 vielen kleinen Schritten zu arbeiten und es ist eigentlich ein mühsames 16 Tagesgeschäft. Also es ist einerseits ein Konzept, aber die Umsetzung mündet dann 17 sozusagen in einem operativen Tagesgeschäft, wo ich Schritt für Schritt, klein und 18 klein, um klein, Maßnahmen setzen muss, um dann zu so einer effizienten 19 Organisation und Abläufe zu kommen. 20 21 I: Wann sind diese Initiativen das erste Mal gestartet worden, die Sie hier gesetzt 22 haben? 23 24 IP: Es war eigentlich, ja es war so, dass wir 2009 in einem Geschäftsbereich das 25 erste Mal darüber gesprochen haben, wobei man muss sagen, Effizienzsteigerungen 26 haben immer schon stattgefunden und waren nicht eine Erfindung von Lean und ich 27 glaube, 28 Tagesordnung, sich zu überlegen, wie kann ich effizienter werden. Aber unter dem 29 Begriff Lean haben wir 2009 erstmalig operiert. Und da ging es darum einerseits um 30 ein Projekt in einem Geschäftsbereich, also in dem Fall im Geschäftsbereich, wo wir 31 verschiedene Prozesse in diesem Segment untersucht haben und dann eben jedes vernünftige Unternehmen hat dies ja sowieso auf seiner 67 32 verschiedene Einsparszenarien und Verbesserungsschritte definiert wurden und die 33 dann auch Schritt um Schritt implementiert wurden. Ein 2. Projekt war dann auch im 34 Bereich der diversen Prozesse konzernübergreifend, da ging es also um ein Projekt, 35 das auch mit externer Unterstützung eben begleitet wurde, wo es eben in 36 verschiedenen Streams darum ging, Effizienzsteigerungen zu bekommen. 37 38 I: Ein sehr umfassender Ansatz. 39 40 IP: Ein sehr umfassender Ansatz mit einem riesen Volumen. Das hat also den 41 Einkauf, die Logistik, den Verkauf, Personal, Finanzen, also da hat es sehr viele 42 Bereiche gegeben, wo wir gesagt haben, da schauen wir uns jetzt die einzelnen 43 Kunden an, Forderungen an, da analysieren wir, wie die Prozesse im Augenblick 44 laufen, wo es über die Geschäftsbereiche hinweg Synergien möglicherweise gibt, wo 45 Prozesse doppelgleisig sind oder optimiert werden können und das wurde in einem 46 großen Firmenprojekt durchgeführt, weil das dann doch 2009 bis 2011 alles gedauert 47 hat, also es hat über 2 Jahre gedauert, bis man dann gesagt hat, dass man jetzt das 48 Projekt dann auch wieder beendet. Aber meiner Meinung nach gibt es immer wieder 49 noch Nachfolgeprojekte unter anderen Titeln und Ausflüsse aus diesem Projekt gibt 50 es auch heute noch. 51 52 I: Ich glaube, was Sie eingangs auch gesagt haben, dass man das am Laufen hält, 53 eine Nachhaltigkeit, das der Prozess ja eigentlich nie zu Ende ist, sondern in kleinen 54 Schritten immer wieder in Effizienz, in Effektivitätsgenerierung geschaut wird. 55 56 IP: Auf der anderen Seite ist es so, dass man ein Projekt auch einmal abschließen 57 sollte, wenn man es als Projekt betitelt und beginnt, sollte man es auch einmal 58 abschließen 59 Verbesserungsprozess einfließen lassen. oder halt dann, wie Sie sagen, in einen permanenten 60 61 I: Haben Sie da auch Six Sigma eigentlich angewandt? 62 63 IP: Nein, nein. Im Qualitätsmanagement wird Six Sigma zum Teil verwendet, aber für 64 Lean haben wir es nicht verwendet. 68 65 66 I: Ich würde da gerne überleiten und einhaken, weil ich glaube es passt vielleicht 67 ganz gut. Wie würden Sie das Rollenbild HR charakterisieren im Unternehmen und 68 welche Rolle hatten Sie, hatte HR in diesen von Ihnen vorher geschilderten 69 Prozessen dieser Maßnahmen? 70 71 IP: Da muss man jetzt differenzieren, weil das Unternehmen natürlich, wir sind hier 72 jetzt in der Holding der Gruppe mit über 50 Produktionsstandorten und in 22 Ländern 73 tätig. Wir sind auch nicht jetzt im jeden Geschäftsbereich global tätig sondern eben 74 global im Segment A, im Segment B ist eher ein österreichisch zentral 75 osteuropäisches Geschäft und insofern hat auch jeder Geschäftsbereich andere 76 Bedürfnisse und andere Zielsetzungen und wir können auch von HR-Seite nicht über 77 alle Geschäftsbereiche quasi mit einem Kamm drüberfahren, d.h. wir sind hier im 78 Corporate HR dazu da, Personalstrategien zu entwickeln, vorzugeben, umzusetzen 79 und dann gilt es Policies z.B. aufzustellen in verschiedenen Bereichen, die für die 80 das Unternehmen insgesamt wichtig sind, Schritte zu setzten, also vor allem im 81 Bereich der Organisation im Seniormanagement oder auch im Bereich von Talente, 82 Nachwuchs, Nachwuchsförderung, Führungskräfteentwicklung, also dort wo es 83 sozusagen über den einzelnen Geschäftsbereich hinausgeht und es Sinn macht, 84 eine Gemeinsamkeit zu kreieren und auch z.B. in Fragen der Unternehmenskultur, 85 dort sind wir als Corporate HR im Einsatz. Wenn es natürlich darum geht, operatives 86 Personalmanagement in den Ländern oder in den Geschäftsbereichen umzusetzen, 87 dort sind dann die Kollegen vor Ort gefordert, das entsprechend auf die Reihe zu 88 bringen und entsprechend auch eben weiterzuentwickeln, aber da sind wir, glaube 89 ich, jetzt auch nach diesem Projekt gut aufgestellt. In dem HR-Projekt waren wir 90 natürlich als HR-Stream sowieso nicht nur die, die das planen und umgesetzt haben, 91 sondern da waren wir ja quasi auch selber das Objekt der Studie, wenn man so 92 möchte und gleichzeitig der Gestalter dieses Veränderungsprozesses. Bei 93 Prozessen, wenn es jetzt darum geht, das Beispiel im Geschäftsbereich, wo wir eine 94 Zentralisierung in Deutschland durchgeführt haben mittels eines IT-Systems, im 95 Salesbereich, da hat HR und da auch sag ich jetzt einmal der Businesspartner für 96 den Geschäftsbereich eher eine begleitende Rolle nur gehabt und nicht federführend 97 im Sinne der Umsetzung des kompletten Projektes. Also es hängt sehr stark 69 98 sozusagen von den Schwerpunkten ab, ob es sehr fachspezifisch ist oder ob es eher 99 z.B. ein Changeprozess ist. 100 101 I: Die Veränderung zu begleiten? 102 103 IP: Ja. 104 105 I: Weil Sie das vorher gesagt haben, dieses Effizienzsteigerungsprojekt und die 106 Analyse der Wertströme, wo Sie selbst als HR ein Teil waren. Wäre das schon 107 etwas wo Sie auch sagen würden, das könnte man unter Lean Human Resources 108 skizzieren, weil so habe ich auch meine Master Thesis betitelt und da könnte ich jetzt 109 anknüpfen und Sie fragen, was assoziieren Sie oder wie würden Sie Lean HR 110 skizzieren oder charakterisieren? 111 112 IP: Es kommt meiner Meinung nach darauf an, welche Prozesse einem 113 Unternehmen wesentlich sind und da gibt es in der Praxis sehr große Unterschiede, 114 wie Unternehmen das gestalten wollen und das beginnt damit, dass manche Firmen 115 meinen, die Personaladministration ist sozusagen der wichtigste Punkt für mich und 116 alle personalpolitischen Themen machen bei mir sowieso die Führungskräfte, d.h. ich 117 brauche eigentlich nur eine möglichst leane administrative Abteilung, die mir die 118 ganze Administration sehr effizient erledigt. Möglicherweise kann ich das auch noch 119 outsourcen, dann brauch ich fast überhaupt keinen HR-Bereich mehr und das 120 komplette qualitative Personalgeschäft wird ausschließlich von Führungskräften 121 gemacht, das ist in der Linie, das ist ein Extrem, das es aber in Österreich durchaus 122 in verschiedenen Branchen gibt. Das birgt meiner Meinung nach eine große Gefahr 123 in sich und ist aus meiner Erfahrung unbefriedigend, weil sich da sehr rasch 124 meistens herausstellt, dass die verschiedenen Führungskräfte eher unterschiedlich 125 agieren, es schwer ist, eine gemeinsame Linie zu finden und zum anderen ist es 126 auch so, dass die Linienvorgesetzen halt schon in erster Linie ihr tagtägliches 127 Geschäft im Auge haben und sich nicht noch zusätzlich um alle möglichen 128 Personalthemen gerne kümmern. D.h. Personalaufgaben oder HR-Aufgaben 129 nebenbei von wem immer mitzumachen, halte ich für unbefriedigend. Manchmal 130 lässt sich das aus wirtschaftlichen Gründen vielleicht nicht anders machen, also z.B. 70 131 es gibt ja sehr viele Firmen, kleinere vor allem, wenn ich sage ein HR-Manager 132 rechnet sich erst vielleicht ab einer Größenordnung von 100 Mitarbeitern, kann es 133 natürlich sein, dass wenn ich eine kleine Firma mit 50 Personen habe, dann muss 134 der Finanzmanager noch IT mitmachen und Controlling und Treasury und HR hat er 135 dann auch noch. Oder es liegt beim Geschäftsführer ganz einfach in Personalunion, 136 das sind Lösungen, die aus wirtschaftlichen Gründen entstehen. Allerdings beraubt 137 man sich damit halt auch einer wichtigen strategischen Möglichkeit, weil ich glaube, 138 dass ganz einfach, wie es im Leben überall halt Rollen und Experten gibt, ist es auch 139 für die HR-Rolle besser, ich habe eine eigene Person, die sich nur um diese Dinge 140 kümmert und darum sind in der Regel größere Firmen auch besser aufgestellt und 141 haben mehr Möglichkeiten, hier personalpolitisch und strategisch Dinge zu bewegen, 142 wo es klar ist auf Grund der größeren Zahl ist es dann auch leichter umsetzbar. Es ist 143 aber auch, muss man dazu sagen, eine philosophische Frage oder eine Frage des 144 Herangehens. US-Amerikanische Firmen sind da in der Regel sehr strikt, legen 145 größeren Wert, Stellenwert, auf das HR-Business, dort sind Personalisten auch sehr 146 häufig in der Geschäftsführung anzutreffen, was in traditionellen österreichischen 147 Unternehmen nicht immer der Fall ist, gibt es natürlich auch, aber nicht so häufig wie 148 z.B. im angloamerikanischen Raum. Bei uns im Unternehmen ist, glaube ich, ist 149 diese Wertschätzung für Personalarbeit da und man muss, glaube ich einen Weg 150 finden, dass man nicht sagt, nur weil ich alles möglichst Lean haben möchte, schaffe 151 ich jetzt alle jene Dinge, die ich über eine Personaladministration dringend brauche, 152 ab. Also Dinge eben wie Personalentwicklung, um die komme ich nicht herum, um 153 ein qualitatives Recruiting komme ich nicht herum, um Themen eben wie Change 154 Management, Organisationsüberlegungen, etc. Also da bin ich als, kann ich als 155 Personalist auch Themen wie Gehaltspolitik, Gehaltsmanagement, auch Fragen der 156 Firmenkultur, also da gibt es eine Menge Punkte glaube ich, wo wir jetzt nicht sagen 157 können, das ist ein Luxus und das ist etwas, was sozusagen das Business, was ein 158 Lean-Management nicht benötigt, sondern ich glaube, es ist nicht nur im Personal 159 so, ich muss mir in allen Bereichen die Frage stellen, was brauche ich, um hier 160 sozusagen nicht nur eine möglichst effiziente Organisation zu haben, aber auch 161 einen möglichst hohen Output zu haben und grad bei Mitarbeitern ist der Output vor 162 allem dann sehr hoch, wenn nicht nur die Organisation gut aufgestellt ist und jeder 163 weiß, was er zu tun hat, was seine Aufgaben sind, wenn da ein klares Verständnis 71 164 über die Rollen herrscht, sondern eben auch, wenn die Leute motiviert sind. Das ist 165 eine ganz wichtige Aufgabe meines Erachtens für HR, immer wieder Wege zu 166 suchen und zu finden, wie man Mitarbeiter entsprechend motiviert und zu Leistungen 167 anspornt und zu Leistungen anspornt nicht nur dadurch, dass ich mit einer Prämie 168 winke, sondern dass es hier wirklich eine intrinsische Motivation gibt, was aber auch 169 schon damit anfängt, dass ich ganz einfach die richtigen Mitarbeiter am Arbeitsmarkt 170 finde, weil intrinsische Motivation zu lernen, bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich 171 geht. 172 173 I: Es beginnt mit dem Recruitingprozess entsprechend. 174 175 IP: Recruiting ist überhaupt meines Erachtens einer der wichtigsten HR-Prozesse 176 überhaupt, weil da entscheide ich schon einmal primär, ob ich die richtigen Leute an 177 Bord hole oder nicht. Wenn ich mich da jedes zweite Mal irre, dann bin ich als 178 Recruiter nicht am richtigen Platz. 179 180 I: Dieses Projekt hat bei Ihnen dann eher, wenn ich das so richtig verstehe, HR- 181 Prozesse optimiert. Hat es dann eine Veränderung gegeben im Rollenverständnis 182 oder in dieser Palette der HR Dienstleistungen oder dieser Felder, die Sie vorher 183 erwähnt haben oder war doch eher der Focus auf administrative Prozesse, oder hat 184 es da irgendwelche Verschiebungen, Veränderungen gegeben, damals? 185 186 IP: Wir haben für Österreich, in Österreich ein HR Shared Service Center 187 implementiert, welches in erster Linie für Payroll und Administration zuständig ist. Wir 188 haben im Corporate HR-Bereich ein Center of Expertise eingerichtet, sprich 189 Experten, die zu verschiedenen Themen, wie Development, Recruiting, Training, 190 Compensation und Benefits, Arbeitsrecht, um da jetzt ein paar wichtige Themen zu 191 nennen, Talentmanagement, dass wir dort Leute haben, die wissen, wie man solche 192 Prozesse gestaltet und die auch als Mentor diese Prozesse initiativ vorantreiben und 193 ausrollen und auch sozusagen dann in der Personalcommunity das dann 194 entsprechend weiterbringen und der 3. Bereich ist dann halt die verbliebene 195 Personalfläche, Businesspartner, Local HR Manager, die dann vor Ort sind und 196 entweder ein oder mehrere Werke oder Standorte betreuen oder eine ganze Division 72 197 betreuen und hier eben in erster Linien einmal Ansprechpartner für das lokale 198 Management sind in Beratungsthemen, in Entwicklungsthemen, in Fragen mit dem 199 Betriebsrat, was sozusagen alles an lokalen Themen auftaucht. 200 201 I: Also Multilayer kann man sagen und eben auch durch diese Regions..., durch 202 diese Vielfalt in den Ländern entsprechend vor Ort die Kombination… 203 204 IP: Also diese Businesspartnerrolle ist dann eher eine Generallistenrolle, die Rollen, 205 die wir hier in der Holding haben, sind eher sozusagen Experten oder 206 Speziallistenrollen oder auch Senior Expert Rollen und im Shared Service Center 207 geht es einerseits eben um die Payroll, wo wir ein Payroll Team haben, das ist 208 allerdings ausschließlich für Österreich tätig und auch für administrative Aufgaben, 209 mit unterteilt in einen Help-Desk, oder Front Office und einen Back-Office Bereich. 210 211 I: Das kann man dann, diese Entwicklung auf jeden Fall als Ergebnis der Effizienz 212 und Effektivität und einer … 213 214 IP: Also wir haben dadurch, dass muss ich schon sagen, grad im HR-Bereich haben 215 wir dadurch, durch diese Organisationsänderung keine personellen Einsparungen 216 gehabt. Es war also nicht so, dass ich von den rund 20 Personalisten, die in 217 Österreich für das Unternehmen tätig waren, jetzt FTE’s oder Köpfe einsparen 218 konnte. Es sind einige Rollen eben weggefallen und wir konnten qualifiziertere Rollen 219 aufbauen. Also diese Businesspartner hat es in dieser Form vorher nicht gegeben 220 und das war durchaus, aus meiner Sicht durchaus ein Upgrade der Personalarbeit 221 vor allem in den Werken und an den Standorten, weil dort war zuvor eigentlich eine 222 reine Personaladministration, die Payroll und Administration bewerkstelligt hat, aber 223 für 224 Stellenbewertungen, Compensation-Management, etc., eigentlich weder Zeit noch 225 Qualifikation hatten, oder auch für qualifiziertes Recruiting nicht geeignet waren und 226 diese Stellen sind ja in das Shared Service Center gewandert und wurden vor Ort 227 durch einen, sag ich jetzt einmal, qualifizierten Businesspartner ersetzt oder durch 228 einen Local HR-Manager. Und das ist schon ein starker Schritt nach vorne in einer 229 qualitativen Personalarbeit. alle anderen Themen, Entwicklung, Training, Stellenbeschreibungen, 73 230 231 I: Das wollte ich Sie fragen, 232 Qualifikationsausweitung erfahren? die Stelle, die Person hat einfach eine 233 234 IP: Genau, ja. Das war also der Ansatz, der eine Punkt, diese qualitative Aufwertung 235 verschiedener Position im HR-Bereich, das war ein Schritt und der zweite Schritt, wo 236 wir gesagt haben, warum tun wir das, ist ganz einfach durch die Zusammenlegung in 237 einem Shared Service Center, wird man ganz einfach gezwungen, Dinge zu 238 harmonisieren, Prozesse gleich zu standardisieren, Abläufe zu vereinheitlichen. Also 239 alle diese Themen konnten wir damit zumindest einmal angehen, dass ist noch lange 240 nicht abgeschlossen, weil man muss sich vorstellen, über Jahrzehnte hat sich das 241 alles in unterschiedlichen Gesellschaften anders entwickelt und das kann man auch 242 nicht in 1, 2 Jahren alles vereinheitlichen. Das wird aus meiner Sicht noch Jahre 243 dauern, bis alles einmal wieder auf einem gemeinsamen gleichen Niveau und Level 244 sein wird. Ohne diese Zentralisierung in einem Shared Service Center würde das nie 245 stattfinden. 246 247 I: Das war durchaus ein Auslöser oder Trigger. 248 249 IP: Ja, weil eine Einsparung konnten wir dadurch nicht erzielen, die kommt 250 hoffentlich in der Folge dann einmal, wenn die IT-Prozesse entsprechend, wenn die 251 Prozesse gestaltet sind, das in der IT auch entsprechend abgebildet ist und auch 252 Prozesse mehr und mehr automatisiert sind. Wir haben z.B. die elektronische 253 Personalakte eingeführt im Zuge des Projekts, wir haben jetzt ein E-Recruiting-Tool, 254 das jetzt gerade eingeführt wird. Wir werden auch im Bereich der IT mit dem Org- 255 Management einen nächsten Schritt setzten, dass dann auch die Organisation 256 besser abgebildet werden kann und auch Prozesse, Genehmigungs-Prozesse 257 leichter verfolgt werden können, also Urlaubsgenehmigungen, Meldewesen usw. 258 Technologie ist natürlich ein starker Treiber in solchen Projekten, weil ohne diese 259 technischen Möglichkeiten wären auch die organisatorischen Veränderungen in 260 dieser Form nicht möglich, also die IT ist eigentlich Grundvoraussetzung und kostet 261 aber auch viel Geld, muss man auch dazu sagen, vor allem in der Anfangsphase. 262 74 263 I: Das ist dieses Upfront-Investment, dass man dann in späteren… 264 265 IP: Das ist ein Investment am Anfang, welches ich halt brauche, weil ohne dieses 266 Investment kann ich die Organisation nicht umstellen. 267 268 I: Es ist jetzt nicht so eine Frage eben des Begriffes, sondern des Grundzugangs. 269 Wenn man jetzt sagt, Lean ist jetzt eine Methodik, Six Sigma ist eine Methodik, aber 270 dahinterliegend ist ja quasi Effizienzen, Effizienzsteigerungen. Es muss nicht jetzt 271 unbedingt unter einem expliziten Titel laufen, sondern eine Geschäftsgrundtendenz 272 oder man folgt dem Ziel, was halt dann in den verschiedenen Benennungen 273 auftaucht, nicht? Würden Sie das auch so sehen? 274 275 IP: Ja, also man muss eines sagen, Lean ist nur eine Seite der Medaille für mich, 276 weil beim Begriff Lean konzentriert man sich sehr stark darauf, wie kann ich 277 effizienter, rascher, schneller, auch sozusagen, genauer und auch wie kann ich es 278 auch billiger machen? Also genau diese Fragen, die ja für eine Wertsteigerung des 279 Unternehmens von der Produktionsseite her und von den Abläufen her sehr wichtig 280 sind. Auf der anderen Seite gibt es ja einen Faktor, den man nicht unterschätzen 281 darf, also wenn ich nur in dieser Kategorie denke, dann tut man, glaube ich, einem 282 Unternehmen auch nicht wirklich gutes, weil ich glaube z.B. nicht, dass ein Apple das 283 reichste Unternehmen der Welt geworden wäre, wenn Sie nur in Lean denken 284 verhaftet wären. Also wenn die sich nur konzentriert hätten, wie mache ich 285 sozusagen mein iPad noch effizienter, dann glaube ich nicht… Das hat sich Apple 286 sicher auch überlegt, wo kaufe ich meine Rohstoffe ein, woher bekomme ich das 287 Aluminium, wo lasse ich es zusammen bauen und wo kann ich das möglichst billig 288 produzieren lassen, um hier dann die größtmögliche Wertschöpfung herauszuholen. 289 Aber sie haben sich auf der anderen Seite sehr stark natürlich den Kopf zerbrochen, 290 wie komme ich zu Produktinnovationen, wie setze ich meine Kreativität ein, um ein 291 Produkt zu schaffen, das mir die Leute dann aus der Hand reißen. Wie schaffe ich 292 ein Image, dass jeder sagt, das ist genau die „Brand“, die ich brauche, das ist 293 mittlerweile so, der angebissene Apple, wer den nicht hat, dem fehlt etwas, also es 294 ist auch gelungen hier eine „Brand“ zu erzeugen und das sind alles Themen, die mit 295 Lean Management meiner Meinung nach, wenig bis gar nichts zu tun haben, wo ich 75 296 auch viel Geld in die Hand nehmen muss, für Entwicklung, für alle möglichen 297 kreativen Prozesse und die kosten am Anfang einmal eine Menge Geld. Wenn ich 298 also jetzt sage, Moment, das passt nicht in mein Lean Konzept, weil da muss ich 299 zuerst einmal daran denken, wie ich noch die dritte Schraube von links einspare, 300 dann kann ich so einen Erfolg wahrscheinlich nicht landen. 301 302 I: Das wäre dann fast ein reduktionistisches Prinzip. 303 304 IP: Also wenn ich Lean auf so ein rein reduktionistisches Prinzip der Einsparung 305 reduziere, dann mag das in bestimmten Situationen des Unternehmens ganz, ganz 306 wichtig sein und ist vielleicht auch permanent wichtig, aber davon alleine kann eine 307 Firma nicht überleben oder auch sich nicht am Markt möglicherweise innovativ 308 entfalten, um ein Beispiel zu sagen. Da muss man aufpassen, dass man nicht unter 309 dem Titel Lean Initiativen abwürgt, die vielleicht für die spätere Zukunft des 310 Unternehmens wichtig sind, aber am Anfang aber Geld und eben Initiative erfordern. 311 312 I: Also eben, spezielle Lean Personalentwicklungsmaßnahmen seitens der Firma hat 313 es nicht gegeben, in diesem Sinne? 314 315 IP: Personalentwicklung? 316 317 I: Ja, so dass man sagt, ich schule jetzt hier Leute genau nach diesen Prinzipien 318 oder einfach, weil es jetzt einen Projektcharakter im Sinne der Effizienzsteigerung 319 hatte. Jetzt nicht so sehr diese … 320 321 IP: Nein, es hat keine Lean-Schulung im dem Sinne gegeben und es wurde auch 322 nicht Lean in irgendeiner Form als Konzept implementiert, es ist aber glaube ich in 323 allen Köpfen, in Mitarbeitern und des Managements drinnen, das wir effizient 324 arbeiten müssen und Effizienz auch kontinuierlich steigern müssen. 325 326 I: Da fällt mir ein Begriff ein, ich glaube den kann man gut mit Attribute nennen, das 327 sind Attribute, die ja quasi in den Köpfen verankert sind. 328 76 329 IP: Genau. 330 331 I: Eigenschaften, ich such noch so ein bisschen … 332 333 IP: Ja das sind fast, muss man sagen, es sollten aus meiner Sicht so eine Art 334 Automatismen sein, so wie ich weiß beim Autofahren, wenn ich jetzt eine rote Ampel 335 sehe, dass ich stehenbleiben muss oder wenn es grün wird, steige ich halt auf das 336 Gas und fahre wieder an, falls grad nicht noch jemand anderer bei Rot über die 337 Kreuzung fährt, aber solche… dass ich es noch verinnerliche, eine Verinnerlichung 338 dieses Themas, das ich also sage, ok, ich schaffe eben keine überflüssigen 339 Positionen an oder ich lass Dinge nicht doppelt bearbeiten oder weite Abteilungen 340 nur deshalb aus, weil ich dann vielleicht mehr Einfluss in der Organisation habe. Also 341 da gibt es ja alle möglichen Spielwiesen und da ist es ganz einfach wichtig, im Sinne 342 des Unternehmens zu denken und zu sagen ja, was passiert denn wirklich, wenn ich 343 da jetzt meine Organisation z.B. aufblähe, von der Kostenseite her, von der 344 Zufriedenheit der Mitarbeiter her, dass die dann plötzlich unzufrieden sind, wenn sie 345 die Hälfte der Zeit Däumchen drehen würden, usw. Das ist etwas, was ganz einfach, 346 wie Sie sagen, verinnerlicht werden muss. Ich kann Ihnen da in dieser Präsentation 347 kurz nur Folien zeigen, das war das Projekt in dem Geschäftsbereich, wir hatten hier 348 sozusagen einen Focus auf Kosten und Organisation, Optimierung der Kosten und 349 Organisationsstruktur. Deshalb, weil wir dort unter sehr starken Kostendruck 350 gestanden sind. Produkte A sind ein Commodity-Produkt und klarerweise ist das mit 351 Importen von China, China ist Marktführer im Produkt A und auch mit einer 352 schwierigen Rohstoffpreissituation, war damals grad ein Jahr, 2008, wo man gesagt 353 hat, so, wir müssen uns Kosten und die Organisation anschauen und versuchen, 354 Verbesserungsschritte zu setzen, um die Profitabilität wieder zu steigern. Ein Punkt 355 „we used to do“ also „never say, we used to do”, was kann man anders tun und was 356 kann man anders tun als bisher. 357 358 I: Das wäre entsprechend dem Wienerischen „es war immer schon so“. Kann man 359 das so sagen? Ich glaube, das geht in diese Richtung? 360 77 361 IP: Das haben wir schon immer so gemacht. Ja, ich glaube, das geht in diese 362 Richtung. Es wurde der komplette Produktionsablauf in den Ländern untersucht, z.B. 363 also für Ungarn hier, dieser Produktionsablauf dann in verschiedene Schritte 364 unterteilt, die man dann in so Mikroprojekte, wie z.B. eben Automatisierung, 365 Instandhaltung, die Reduzierung von der Anzahl von Start-Ups, die Schichtplanung, 366 ob man dort etwas verbessern kann, die Reduktion von Produktionsverlusten, usw., 367 wie die KPI’s ausschauen sollen, wie man die Prozessoptimierung gestalten kann, 368 auch logistisch, also alle diese Themen, wie Rohmaterialen bewegt werden, usw. 369 Das waren alles verschiedene Projektthemen und man hat dann halt dann 370 Bewertungen 371 identifiziert. Das ist in Kleingruppen dann mit den Personen durchgeführt worden und 372 darüber hat es eine Steeringgruppe gegeben, dasselbe ist dann z.B. in Polen 373 passiert. Dann hat es gegeben, auch organisatorische Maßnahmen, man hat also für 374 Europa die komplette Sales, Back-Office, Logistik und Quality Management- 375 Organisation zentralisiert, vor allem Sales wurde an einem Standort in Deutschland 376 zentralisiert und es gab dann nach der Änderung eigentlich nur mehr einen zentralen 377 Verkauf von diesem Standort in Deutschland aus, was auch zu einer Einsparung 378 vom Personal geführt hat. Das Zweite war, dass das Accounting und Controlling zur 379 Gänze nach Österreich verlagert wurde, d.h. die ganze Finanzbuchhaltung wurde 380 dann nicht mehr in den einzelnen Ländern durchgeführt, sondern von Österreich aus. 381 Im Personalbereich, wie gesagt dieses Outsourcing der Payroll in das Shared 382 Service Center, das war parallel dann auch unser Projekt, was wir im HR-Bereich 383 gehabt haben. Die dänische Niederlassung und die deutsche Niederlassung wurden 384 personell von Wien aus auch mitbetreut, ebenso wie auch die österreichische, also 385 wir haben eine komplette Zentralisierung der Personalbetreuung in diesem Bereich 386 gehabt, wobei man sagen muss, der Geschäftsbereich hat insgesamt weltweit so 387 500 Mitarbeiter nur, also wir reden da nicht von einer so großen, oder hatte zu 388 diesem Zeitpunkt 500 Mitarbeiter. In der Zwischenzeit sind wir ja in einem Joint 389 Venture in diesem Bereich eingetreten und haben diese Aktivitäten in einem Joint 390 Venture zusammengelegt, also dadurch ist das jetzt wieder größer geworden und 391 gewachsen, aber damals war das eben in diesem Bereich und auch hier wieder eine 392 IT-Lösung, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, das Sales Back-Office 393 einerseits in Deutschland zu installieren mit Möglichkeit der Abfrage dezentral auch durchgeführt und ein entsprechendes Einsparpotential einmal 78 394 an allen Standorten und für die Sales-Leute auch, dass jeder Zugang zu den Daten 395 hat und das Finanzwesen in Österreich zu etablieren, also das war nur durch 396 integrierte IT-Lösungen möglich. Dieses Projekt mag jetzt vielleicht nicht Millionen 397 eingespart haben, aber man sieht schon die Einsparungen wurden ja beziffert und es 398 ist doch insgesamt rund 1 Million Euro dabei herausgekommen und was aber noch 399 viel wichtiger war, war sozusagen die Ausrichtung dann für die Zukunft und die 400 Harmonisierung, wieder auch hier der Prozesse und Abläufe. 401 402 I: Es ist einmal so ein Punkt, dass man es so verpackt und ab da ist man gefordert 403 über welche Maßnahmen auch immer, ob das jetzt eben, einerseits verinnerlicht ist 404 oder über die Führungsebenen, Management Board. 405 406 IP: Ja, das geht nur mit den Mitarbeitern selber, auch wenn dann möglicherweise der 407 eigene Arbeitsplatz gefährdet ist und mit den Führungskräften gemeinsam, also von 408 außen etwas da aufzuoktroyieren, bringt eigentlich nichts, weil dann die Leute in 409 Konfrontation gehen und sich eigentlich nicht beteiligt fühlen und nicht mitwirken, 410 also das Engagement der betroffenen Personen ist essentiell. 411 412 I: War das auch eine Herausforderung bei diesen… die Reaktion oder eine 413 Herausforderung … 414 415 IP: Das ist immer bei solchen Themen, meistens mit einem de facto, immer mit 416 einem externen Berater verbunden, der das auch entsprechend treibt und verkauft, 417 allerdings natürlich mit Unterstützung vom Top-Management, die das auch 418 vorantreiben und dann ist es wie in allen Change-Projekten so, dass man halt einige 419 initiative Leute dabei hat, die das vorantreiben und einige, die halt mitmachen, weil 420 es halt grad am Arbeitsplan stehen und einige die, die dem eher reserviert 421 gegenüberstehen. Aber das ist die klassische Geschichte wie in jedem Change- 422 Prozess. 423 424 I: Glauben Sie, kann man das auch so sagen, das ist ja auch eine Frage der 425 Wettbewerbsfähigkeit, was hier gemacht wurde, einerseits ein Kostenthema und 426 Effizienzthema, aber ich glaube schon durch diese Vielfalt der Aktivitäten, die Sie 79 427 hier erläutert haben, ist es ja so eine Art subsummieren des Ganzen, auf mehr oder 428 weniger unternehmensstrategischen Ebenen zu legen. Es ist ein Teil, den auch Sie 429 im Rahmen Ihrer Funktion, Ihres Team beitragen, gemeinsam mit den operativen 430 Einheiten, aber dann doch auch auf Grund, wie Sie auch sagen, sehr, sehr starken 431 Konkurrenz aus Fernost, die einen enormen Druck eben, wo man auch sagt, 432 einerseits geht es in die Richtung, man muss schauen wo wir effizienter sind, 433 andererseits darf man nicht vernachlässigen Innovation, Vision, in die Zukunft 434 schauen und das zusammen im Prinzip die Position... 435 436 IP: Stimmt, wir haben nicht nur das getan, sondern parallel dazu auch auf der 437 Produktseite Veränderungen getroffen und 1, 2 Produkte lanciert, die uns auch 438 wieder umsatzmäßig und auch ergebnismäßig entsprechend noch mitgeholfen 439 haben, nach oben zu bringen, also das war die 2. Seite und das hat wesentlich mehr 440 Ergebnis gebracht, als hier die Einsparung, also das neue Produkt hat mehr für das 441 Ergebnis beitragen als das, aber man sollte sich nicht nur auf eines eben 442 konzentrieren, sondern immer beides im Auge behalten, ankurbeln des Geschäfts 443 und Entwicklung neuer Geschäftsmöglichkeiten und Geschäftsmodelle und auf der 444 anderen Seite aber auch, wie kann ich die möglichst effizient anbieten. Natürlich da 445 gebe ich Ihnen recht, die Frage die Sie gestellt haben, ist das eine Frage der 446 Wettbewerbsfähigkeit, klar das ist so, ohne dem werden viele Geschäftsbereiche 447 oder Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig, wenn sie das vernachlässigen und 448 darum ist jeder gut beraten, sich mit dem Thema Lean auch auseinanderzusetzen. 449 450 I: Aber als Teil eines größeren Bildes, glaube ich. 451 452 IP: Als Teil eines gesamten Konzeptes, also ich muss das Gesamtbild sehen. 453 454 I: Eine abschließende Frage hätte ich noch, gibt es, weil Sie gesagt haben, das 455 Verinnerlichen, gibt es in diese Richtung so eine Art Coaching oder Mentoring- 456 Programm eigentlich, für Führungskräfte oder Mitarbeiter oder von HR in Richtung 457 Führungskräfte, um diesen Prozess hier zu begleiten, zu steuern? Weil auch bei 458 dieser Thematik, in dieser Unmittelbarkeit ist mir das schon einmal begegnet und 459 jetzt wollt ich einmal fragen, ob dies in der Praxis auch ein Thema ist, oder ob das 80 460 eher jetzt, man sagt, das ist der neue Mitarbeiter und der bekommt jetzt mal einen 461 Mentor für diese Einführungsphase, so etwa im Sinne eines kontinuierlichen 462 Coaching oder Mentorings? 463 464 IP: Nun ja, ein kontinuierliches Mentoringkonzept gibt es derzeit nicht, wir arbeiten 465 aber natürlich sehr viel in Projekten und projektbezogenen Themen zusammen. Es 466 gibt schon eine Einführungsveranstaltung, da wird aber jetzt nicht speziell, dort wird 467 schon, ja muss man schon sagen, das Thema Effizienz ist schon dort ein Thema, 468 aber eines von vielen und wird jetzt nicht, es ist keine intensive Schulung was Lean 469 betrifft, aber es wird doch von meiner Seite, also ich mach dort immer den 470 Einführungsvortrag zu Beginn und da ist es ein Thema, oder ein Punkt die Effizienz 471 und wie wir uns das vorstellen, das in unserem Unternehmen produktiv und effizient 472 und Lean gearbeitet wird, diese Botschaft gebe ich schon zu Beginn, das stimmt. 473 474 I: Das passt hier aber auch sehr gut wieder zu dem Ansatz, den Sie gesagt haben, 475 es ist jetzt nicht reaktiv, sondern das Ganze ist ja schon der Denkprozess, beginnt ja 476 schon zu Beginn, im Sinne welche Konsequenzen. Das ist natürlich das Optimalbild, 477 glaube ich, aber das versuchen Sie ja auch gleich so, ich komm nicht ein halbes Jahr 478 später und erzähle euch die Geschichte, sondern die Rahmenvoraussetzungen, wie 479 die Denke ist, gebe ich am Anfang auch wenn es jetzt, mal ganz frisch ist. 480 481 IP: Möglichst am Anfang, weil es kann natürlich sein, dass diese Veranstaltung für 482 den einen oder anderen erst nach 6 Monaten ist, weil wir werden das natürlich nicht 483 jede Woche wiederholen können, aber wir haben es 2 Mal im Jahr, also spätestens 484 dann nach 6 Monaten oder früher kommen die Leute dazu und da kommt das vor. 485 486 I: Also ich hätte keine weiteren Fragen. Ich habe einen sehr guten Zugang ihrerseits 487 bekommen. 488 489 IP: Ja ich hoffe, Sie können was damit anfangen, weil … 490 491 I: Ich glaube auch, das habe ich so gesehen, das hat zwei Zugänge, wenn ich das 492 jetzt Lean HR nenne. Das eine ist so glaube ich der Zugang, wie Sie es auch selbst 81 493 erlebt haben. Wie optimiere ich meine eigenen HR-Prozesse, oder wie werde ich 494 schlanker, als Organisationseinheit HR, also bin ich Teil dieses Effizienzdenkens, 495 des Optimierens. Auf der anderen Seite, wie bin ich als HR in Bezug zu diesen 496 Initiativen im Haus. Das sind so, für mich habe ich das jetzt so herausgefunden zwei 497 Betrachtungsdimensionen, wenn ich mich jetzt zu diesem Thema nähere, sehe ich 498 es aus dieser Sicht oder sehe ich es aus der Sicht „begleite ich und unterstütze ich“ 499 diese Prozesse aus der Rolle HR, aus dieser Funktion heraus. Es ist spannend, weil 500 der Zugang unterschiedlich natürlich ist, je nach Initiativen, die gesetzt werden und 501 eben je nach Konzepten, die zur Anwendung gelangen. 502 503 IP: Das kann sein, eben von einer Projektleitung bis zu einem Coaching, einer 504 Projektbegleitung oder auch nur einfach als Teilnahme in Projekten. Also da gibt es 505 keine Struktur, die für alle Fälle gleich vorgegeben ist, aber wir sind doch in sehr 506 vielen diesen Bereichen einbezogen, z.B. wie wir das Thema hatten, die ganzen 507 Akquisitionen im Geschäftsbereich, das hat also 2003 begonnen, war dann 2006 508 abgeschlossen, da haben wir einige Unternehmen gekauft, also da ist ein ganzes 509 Konglomerat zusammengekauft worden, ein weiteres Unternehmen mit rund 4.000 510 Mitarbeitern, dieses Unternehmen war Weltmarktführer im Geschäftsbereich, was wir 511 auch heute noch sind. Wir haben, man kann also sagen, 30 % oder jedes 3. Produkt, 512 das weltweit erzeugt wird, hat Produktbestandteile unseres Unternehmens drinnen, 513 was also schon eine ganze Menge darstellt. Wir haben das einmal ausgerechnet, ich 514 glaube, es geht da so 2 Mal um den Globus herum, wenn man die Produkte 515 hintereinander anreihen würde und da war natürlich schon die Frage, wie wir die 516 Unternehmenskultur, die bestehende Unternehmenskultur, die aus dem traditionellen 517 österreichischen Unternehmen kommt, mit einem global denkenden Unternehmen 518 verbinden und das war auch eine ganz spannendes, jetzt nicht vielleicht im Sinne, 519 aber auch, es ist immer eine Verknüpfung von Lean und auch Best-Practice, weil wir 520 gesagt haben, das Unternehmen, das bisherige Unternehmen hat Personalprozesse 521 gehabt, die neue Firmengruppe hat auch Personalprozesse gehabt, schauen wir uns 522 an, wie funktionierten diese bis dato und wo können wir sozusagen Synergien holen, 523 welcher der beiden, wenn ich jetzt sage ein Recruiting-Prozess, wie wird der hier 524 gestaltet, wie wird er dort gestaltet und haben dann versucht, aus den einzelnen 525 Themen heraus wieder eine neue Struktur zu schaffen und natürlich muss man 82 526 sagen, man muss sich ja dann überlegen, wie setze ich das dann organisatorisch 527 um? Weil es gibt da jede Menge neue zusätzliche Mitarbeiter, Kollegen und wie 528 passt das dann zusammen und wie, aber das wichtigste ist, zunächst die Aufgaben 529 und welche Aufgaben soll HR überhaupt erfüllen, in welcher Tiefe in welchem 530 Ausmaß und wie organisiere ich es dann am Ende des Tages und das kann immer 531 nur unter dem Blickwinkel auch einer möglichst effizienten Gestaltung erfolgen. Also 532 sprich, mit geringsten oder mit dem absolut notwendigsten Aufwand den 533 größtmöglichen Erfolg zu erzielen. 534 535 I: Super, vielen herzlichen Dank, es war sehr umfassend. 536 537 IP: Bitte, gerne. 83 1 Interview 5: 24. August 2012 / 09.00 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Meine erste Frage an Sie: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? 5 6 IP: Der Begriff Lean für mich ist, mit möglichst effizienten, geringen Ressourcen 7 einen möglichst hohen Output zu erwirtschaften. 8 9 I: Wie wird Lean konkret in Ihrem Unternehmen angewendet? 10 11 IP: Lean als solches ist ja eine Einstellung, d.h. so wie ich es anfangs gesagt habe, 12 bis es tatsächlich auch als Output rauskommt, bedarf es sehr viel Training für die 13 Leute, damit sie auch verstehen, was wir unter Lean verstehen. Lean gibt es im 14 privaten Bereich, da denkt man sehr oft Lean und für uns ist es ganz wichtig, dass 15 man Lean, die Einstellung und die Denke auch in das Unternehmen mit hinein 16 nimmt. 17 18 I: Wann wurde Lean bei Ihnen hier begonnen und was waren die Gründe für die 19 Einführung von Lean? 20 21 IP: Lean hat man aufgrund von Einzelinitiativen begonnen, d.h. es haben sich einige 22 Leute dafür interessiert, also ein Bottom-up Effekt. Sie haben sich 23 interessieren begonnen und es haben sich leider eben nur einzelne Inseln entwickelt, 24 die das betrieben haben und das war ca. vor 7, 8 Jahren. dafür zu 25 26 I: Der konkrete Auslöser für das war eben diese …? 27 28 IP: Das waren die Leute, die sich dafür selbst interessiert haben, sprich, sie haben 29 das mitbekommen über Kollegen aus anderen Betrieben, sie haben es durch die 30 Presse, durch andere Institutionen mitbekommen und haben sich dafür interessiert 84 31 und dachten sich, dass ist jetzt wichtig. Leider damals eben noch kein Top-down 32 Prozess, eben ein Bottom-up Prozess. 33 34 I: Was war dabei die größte Herausforderung wenn Sie so zurückblicken, bei diesem 35 Einführungsprozess? 36 37 IP: Dass die Leute damals begonnen haben, die damalige Geschäftsleitung zu 38 überzeugen. Das war einmal so der erste Schritt, dass sie gesagt haben „Darf ich 39 das?“ „Wir wollen das!“ Sie haben dann auch gedurft, also sie durften da praktisch 40 rausgehen und durften die Schulungen machen und durften es umsetzen. Ist aber 41 leider eben, war auch nicht anders zu erwarten, auch dort stecken geblieben, sprich 42 es gibt Bereiche die sich damit beschäftigt haben und dann hat es natürlich etliche 43 Bereiche gegeben, die sich dafür überhaupt noch nicht interessiert haben und die 44 sind auch letztendlich hinten geblieben. Das war das Thema der letzten eineinhalb 45 Jahre, wo wir begonnen haben, das systematisch flächendeckend auszurollen. 46 47 I: Wie wurde das eingeführt, durch Trainings oder durch …? 48 49 IP: Ja, also Qualifizierung ist also einmal ganz, ganz essentiell. Wir haben begonnen 50 einmal grundsätzlich unseren Fahrplan aufzulegen, d.h. damit die Leute mal wissen, 51 wo geht die Reise hin. Ganz wichtig ist, damit Leute auch in die richtige Richtung 52 sich weiter entwickeln, ist ganz klar zu wissen, wo wollen wir hin. Das 2. Thema war, 53 dass wir dann einen Schulungsplan dementsprechend entwickelt haben, sprich 54 Qualifizierung ist eines der wichtigsten Themen für Lean. Wenn wir wollen, dass sich 55 Leute anders verhalten, eben in einer schlanken Gesellschaft, effizient bewegen, 56 dann müssen sie ganz klar auch die Qualifizierung dazu bekommen. Und der 57 3. wichtige Schritt war, wir haben es modulweise aufgebaut, d.h. wir haben einzelne 58 Bereiche mit recht prestigeträchtigen Projekten vergeben und haben die dann auch 59 dementsprechend zu feiern gewusst. D.h. wir haben auch dementsprechend in der 60 Mitarbeiterzeitung, 61 propagiert, damit dann auch die anderen letztendlich sich an den guten Beispielen 62 orientieren und auch die Schritte mitmachen. Wir wollen, dass die Leute aus dem 63 eigenen Antrieb die Initiativen auch mitbetreiben. Natürlich gibt es einen gewissen internen Informationsaussendungen, usw., immer wieder 85 64 fordernden Druck, möchte ich sagen, aber wenn man sieht, dass es eben 65 Erfolgserlebnisse von anderen Abteilungen, anderen Bereichen gibt, dann folgen 66 dahinter natürlich die anderen wesentlich leichter. 67 68 I: Ist Six Sigma auch da in dem Kontext ein Thema, in dieser Kombination? 69 70 IP: Ja, also Six Sigma ist aus unserer Sicht eine hervorragende Ergänzung. Es gibt 71 eben diese traditionell alte Welt, wenn man so 20 - 30 Jahre zurückgeht und sagt, 72 okay das eine war eben das Toyota Produktionssystem, das Taiichi Ohno, der da 73 eben als Hauptbegründer von Lean gilt, war die eine Schiene und die zweite ist eben 74 dort, wo Motorola, aus der Notwendigkeit heraus - die über den vielstufigen Prozess 75 derartig viele Fehlerquoten zu haben - Six Sigma zu entwickeln. Ich finde es ist auch 76 - es ist unsere Meinung auch in der Organisation - eine super Ergänzung. Weil Lean 77 eben eine Einstellung ist, die man so und so benötigt. Die braucht man auch bei Six 78 Sigma. Lean als solches mit den Methoden die es gibt, setzt sehr stark auf das 79 Know-how der Leute und auf Information/Kommunikation und auf den Blick für 80 Verschwendung. Auf jeden Fall erreicht man den Plafond und sagen wir so, der 81 Spruch, der ist absolut treffend aus meiner Sicht: Wenn du mit Brainstorming nicht 82 mehr weiterkommst, dann brauchst Du Methode und das ist dann Six Sigma. Also 83 wenn man einen Optimierungsprozess laufen hat, irgendwann hat man einmal dann 84 dementsprechend den Plafond erreicht und wenn man so sagt, bei 95, 97%, da wird 85 die Luft dann dünn, dann komme ich nicht mehr weiter, da ist unser Ansatz, dass 86 man wirkliche statistische Methoden, wie Six Sigma verwendet. 87 88 I: O.k., da beginnt das dann quasi, zuerst Lean und dann Six Sigma. 89 90 IP: Ja, als komplementäre Methode, das ist aber so, dass wir eben im Lean-Bereich 91 noch so viel zu tun haben, dass eben Six Sigma noch einige Jahre für uns weg ist, 92 wirklich einzuführen. Wir haben schon in Summe jetzt 3 Green-Belts, die es eben 93 von sich aus interessiert und wir verwenden Six Sima dort, wo es partiell 94 Qualitätsprobleme gibt und wo man eben nicht weiß, wo kommt es her, da 95 verwenden wir es wirklich partiell als Methode, aber da gibt es zur Zeit nur 3 Leute, 96 die sich dafür interessieren. Wir haben es eben auch noch nicht so richtig gefördert, 86 97 weil eben der Weg, Lean-Management einmal ordentlich einzuführen, noch vor uns 98 liegt. 99 100 IP: Meine Master Thesis hat ja den Überbegriff und Titel „Lean Human Resources”. 101 Was würden Sie damit assoziieren, wenn ich sage: „Was verstehen, was würden Sie 102 unter „Lean Human Resources“ verstehen? Welche Assoziation hätten Sie da? 103 104 I: Für mich gibt es jetzt 2 Möglichkeiten, entweder den Prozess „Human Resources“ 105 in einer Organisation. Da würde mir jetzt dazu einfallen, wenn es ein Prozess ist, 106 wenn es eine Abteilung gibt, verantwortliche Leute gibt, Human Resources und darin 107 den Prozess Lean abzudecken. Dann hätte man natürlich auch traditionell interne 108 Kunden, eben andere Abteilungen, andere Mitarbeiter, die eben Support von Human 109 Resources bekommen, um Mitarbeiter zu rekrutieren, Mitarbeiter zu schulen und so 110 weiter, diese Geschäftsprozesse, mit dieser verantwortlichen Abteilung Human 111 Resources „HR“, könnte man dann dementsprechend Lean aufstellen. Lean heißt 112 dann in dem Fall wirklich kundenorientiert, was will mein Kunde wirklich und den 113 internen Kunden, spricht der Restorganisation, dementsprechend auch durchgängig 114 Effizienz und was genau der Kunde will, auch so aufzustellen. Das ist das Eine, was 115 ich damit assoziieren würde. Anderseits Human Resources, wenn ich sage, als 116 solches, wenn ich also sage, nicht Prozess, sondern Human Resources, Lean, dann 117 würde ich damit verbinden, dass es da Personen gibt, die Human Resources, also 118 rein als Wort, die dementsprechend ausgebildet sind, um Lean zu denken und Lean 119 zu arbeiten. Wie es gemeint ist, weiß ich jetzt nicht, ob es eben als eine 120 Organisationseinheit in einer Firma wäre, oder eben als Person? Wenn ich also 121 sage, die Ressourcen als solche, würde ich assoziieren, das sind Leute die 122 dementsprechend Erfahrung haben, ausgebildet sind und fit sind auf dem Gebiet von 123 Lean. 124 125 I: Diesen nächsten 3er Block werde ich jetzt so kombinieren, die Frage ist auch in 126 diesem Kontext: Wo ist bei Ihnen der Leiter Human Resources angesiedelt? Besteht 127 ein Zusammenhang zwischen dieser Position und der Einführung von Lean und hat 128 sich nach der Lean-Einführung daran etwas verändert? 129 87 130 IP: Der Abteilungsleiter für Human Resources war bis vor meinem Eintreten in das 131 Unternehmen eben in der Finanzabteilung angesiedelt, sprich eine Stufe zwischen 132 der Geschäftsleitung und der ist eben, was für mich ganz wichtig ist, direkt an mich 133 berichtend, abgebildet in der Organisation, mit seinen Leuten. Das zum Einem, also 134 er berichtet direkt an mich, für mich persönlich natürlich neben den ganzen 135 Leistungsprozessen, ja von Logistik, Produktion, etc., die Unterstützungsprozesse 136 und Unterstützungsabteilungen neben Finanzbereich und Human Resources sind für 137 mich eigentlich auf gleicher Höhe. Für mich ist Finanz und IT genauso wichtig, wie 138 Human Resources. Es ist für mich einfach nicht unwichtiger, meiner Meinung nach 139 gehört Human Resources ganz prominent in der Organisation aufgehängt. Das war 140 die eine Antwort, die 2. Frage war, was sich da geändert hat. In dem Bereich von 141 Ausbildung und Ausbildungsprogrammen hat er natürlich dementsprechend mehr 142 Herausforderung auch gehabt, das für die Leute zu organisieren. Seinen eigenen 143 Prozess hat er schon relativ - 144 Abteilung bekleidet - schon recht gut eigentlich im Griff, der ist schon von Haus aus 145 sehr Lean. Obwohl er vielleicht unter Lean das noch gar nicht so verstanden hat. Es 146 gibt da viele andere deutschsprachige Begriffe dafür, manche sagen eben 147 Hausverstand dazu, aber er ist schon von Haus aus sehr, sehr Lean. Er versucht, 148 alle möglichen Dinge zu automatisieren, auch möglichst vieles zu rationalisieren, im 149 IT-System abzubilden und möglichst Routinetätigkeiten sauber abzuarbeiten und 150 sehr effizient abzuarbeiten. Aber da habe ich Gott sei Dank einen tollen Mitstreiter, 151 der dies auch so vertritt. Die Herausforderung, die es für ihn gegeben hat, ist 152 natürlich ganz klar, wir sind stark in Trainingsprogramme eingestiegen, wir haben 153 Mitarbeiterumfragen großflächig angelegt, also nicht nur wie geht’s euch, sondern 154 Mitarbeiterumfragen, 155 Mitarbeiterumfrage, wo wir gesagt haben, wir machen alles und schauen dann 156 darunter in den einzelnen Bereichen mit Workshops ohne den Vorgesetzten, wie 157 interpretiert ihr die Mitarbeiterumfrage, die Ergebnisse und was wäre denn jetzt das 158 Optimierungspotential, was liegt euch wirklich am Herzen, ohne noch dazu, das 159 möchte ich noch erwähnen, ohne jeweils den einzelnen Bereichs-/Abteilungsleitern, 160 damit die Leute wirklich komplett frei von der Leber auch, das Ganze zu erinnern und 161 interpretieren können. Da haben wir in Summe fast 20 Beratertage jetzt investiert. 162 Das war wirklich jede Menge und das fordert ihn natürlich. Also diese Orientierung die hat also ich spreche jetzt von dem Herrn, der diese ihn jetzt sehr herausgefordert haben. 88 163 hin zur Person, hin zur Organisation, die Person steht im Mittelpunkt des 164 Unternehmens, das war eigentlich eines der wichtigsten Changes für ihn selbst. Also 165 das ganze Trainingsprogramm inklusive die Orientierung hin, die Person steht im 166 Mittelpunkt. 167 Requalifizierung und Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter, das hat ihn ganz speziell 168 herausgefordert und fordert ihn nach wie vor heraus. Nicht nur der Rekrutierungsprozess, sondern also auch die 169 170 I: Das leitet mich zu der Frage, die auch habe, der Zusammenhang: Welchen 171 Zusammenhang sehen Sie zwischen Lean und eben den Maßnahmen der 172 Personalentwicklung im Unternehmen und welche Auswirkungen hat eben diese 173 Lean-Einführung auf diese Maßnahmen der Personalentwicklung? Ich habe es 174 konkret auf meine Fragestellung auf Aus- und Weiterbildung und Karriere- 175 management bezogen. 176 177 IP: Karrieremanagement gehört natürlich auch dazu, ganz klar. Da sind wir, wir 178 haben es auf der Roadmap darauf für HR, aber das werden wir erst, erstens einmal 179 ist der ganze Konzern in einer riesigen Umstrukturierungsphase. Ich möchte aber 180 jetzt nicht so sehr darauf eingehen, da könnten wir lange darüber diskutieren. Wäre 181 ein interessantes Gespräch, weil das ist momentan eine riesen Veränderung, die bei 182 uns in der Organisation gerade stattfindet, hin von einer - sage ich vielleicht kurz 183 dazu, damit sie es auch verstehen - von einer regionalen Organisation hin zu einer 184 Matrixorganisation, europaweit. Teilweise sogar bis nach Asien und in den 185 pazifischen Raum hinein. Da ist es natürlich eine Sache, da kann man, wenn man da 186 zwar den ersten Schritt macht mit Lean, ja, da sind wir zweifelsohne einer der 187 Protagonisten in der Gruppe, man muss trotzdem auch schauen, dass die anderen 188 auch ein Stück harmonisiert mitgehen, weil wenn man zu weit weg ist, wollen die 189 anderen natürlich hinten dann andere Dinge oder wenn sie die aus dem Horizont 190 verlieren, dann biegen sie woanders ab, sage ich jetzt so plakativ. Und aus diesem 191 Grund, dieses ganze Karriereplanungsthema ist auch am Konzern ganz weit oben 192 angesiedelt und es wird gerade momentan gemeinsam entwickelt. Ja, dass man 193 sagt, was macht man mit Talentmanagement, wie macht man so eine Bewertung, 194 gibt es ABC-Ratings, wer sind meine A-Player, meine B-Player, also diese ganze 89 195 Systematik, die wird jetzt gerade erstellt. Aber es ist ganz klar auch mit auf der 196 Roadmap drauf, gehört mit dazu. 197 198 I: Ist jetzt aber nicht ursprünglich der Driver aus Lean heraus, … 199 200 IP: Nein, nein, nein…. 201 202 I: ….sondern generelles Thema im Sinne der Umorganisation, dass man sagt, … 203 204 IP: … genau. 205 206 I: …diese HR-Aufgabe oder dieses Karrieremanagement als Thema an sich. 207 208 IP: Aber letztendlich, kurz der Brückenschlag, hin zu der Einstellung der Leute, was 209 motiviert Leute? Leute motiviert erstens, ich sag jetzt das krasse Beispiel. Was 210 motiviert sie nicht? Sie gehen jeden Tag da rein und sie wissen, dass sie in 5, 10, 20 211 Jahren noch das gleiche machen werden. Warum sollen sie sich dann Gedanken 212 machen, dass vielleicht gestern, vorgestern oder vor 2, 3 Jahren oder vor 10 Jahren, 213 vielleicht etwas gemacht haben, was sie heute besser machen könnten. Sie tun 214 einfach das, was sie bisher gemacht haben und sie werden es auch, weil sie keinen 215 Horizont haben, dementsprechend das gleiche in den nächsten Jahren tun. Ganz im 216 Gegenteil muss man dann eben, wenn ich sage, jetzt denke ich Lean, dann muss 217 klar sein, dass die Veränderung das wirklich einzig stetige im Leben ist. Das kann 218 man an Beispielen heranführen, von der Postkutsche, der Eisenbahn, bis hin zur 219 Telefonie, etc., es verändert sich einfach. Und wenn die Leute das verstehen und 220 auch akzeptieren, ich fühle mich sicher im Unternehmen, ich fühle mich gut 221 aufgehoben, auch das ist wichtig, damit die Leute motiviert sind. Zweiter. wichtiger 222 Punkt ist, ich kann meine Dinge beeinflussen, aus dem kommt auch Lean- 223 Management 224 einzuführen, ohne Visualisierungskonzepten, ohne dementsprechenden Plan-Do- 225 Check-Act Zyklen, wo ich sehe, ich tue was und habe dahinter auch eine Reaktion 226 und ich habe auch Ergebnisse, die sich noch dazu idealerweise irgendwann am 227 Ende des Jahres oder Monats auch irgendwo monetär auswirkt, das motiviert die inklusive Visualisierung, ganz wichtig. Nur Lean-Management 90 228 Leute und dazu gehört natürlich auch der 3. Punkt, wieder der Brückenschlag zum 229 Karrieremanagement, die Leute brauchen irgendwo einen Horizont. Wo kann ich 230 mich hin entwickeln, wo geht die Reise hin? 231 232 I: Diese Sichtbarkeit ist aber wichtig in diesem Element, höre ich da so heraus. 233 234 IP: Ja, ganz wichtig. 235 236 I: Sichtbar machen, nicht irgendwo in der Wolke, sondern, das ist ein Ziel, das ist ein 237 Erreichungsgrad, wo wollen wir hin, wo willst du hin. 238 239 IP: Deswegen war das Thema, nachdem eben diese Insellösungen entstanden sind, 240 in unterschiedlichsten Standards und Lean heißt natürlich auch, nach Standards zu 241 arbeiten, es sind unterschiedliche Standards entstanden. Eines der Themen, wie 242 man jetzt die Initiative, dies flächendeckend einzuführen begonnen hat, war mit dazu 243 ein großes Projekt, ganz kurz erwähnt, Teamboard. Also Teamboards, jedes Team, 244 jeder Bereich, oder ob man es Abteilung nennt, hat eben sein Teamboard von 245 Kennzahlen bis hin zu der Verwaltung von Ressourcen, Maschinen, etc., Layouts. 246 Heute kann ein Abteilungsleiter wirklich zu seinem Teamboard gehen und hat da 247 sofort alles parat und es ist ein lebendes Instrument. Inklusive des ganzen KVP- 248 Prozesses, wird genauso dort abgearbeitet. Also das haben wir mitbegleitend 249 mitentwickelt, damit eben das Sichtbarmachen auch echt gelebt wird. 250 251 I: Letzte Frage, noch einmal zurück zu HR. Das Human Resources hat ja auch, es 252 gibt unterschiedliche Rollenbilder, wie man HR sieht und wie sie selbst gesehen 253 werden. Wie würden Sie das Rollenbild Human Resources bei Ihnen im Haus 254 charakterisieren und auch hier wieder die Frage, welchem Zusammenhang 255 zwischen dem Rollenbild und der Lean-Einführung gibt es da und hat sich da etwas 256 verändert und wenn ja, was? 257 258 IP: Der bisherige HR-Bereich ist jetzt unter dem Lean-Aspekt, es hat natürlich zwei 259 Einflüsse, wenn ich sage, HR vor 2 Jahren und HR heute, hat natürlich zwei 260 Einflussgrößen. Das Eine ist einmal, dass die Abteilung eben jetzt direkt der 91 261 Geschäftsleitung unterstellt ist und den 2. Einfluss Lean, ob man das wirklich so 262 scharf trennen kann, ist jetzt vielleicht schwer genau zu differenzieren. Also dieses 263 Ergebnis, diese neuen Rollen, Wahrnehmung ist jetzt aufgrund von prominenter oder 264 prominenterer 265 zurückzuführen, da würde ich mir jetzt schwer tun, dies zu differenzieren, noch dazu 266 wo ich eben selbst als Geschäftsführer dann auch stark Lean orientiert bin, also das 267 ist schwer, aber ich würde es im Gesamtkontext so beschreiben, die Abteilung war 268 davor eher rein administrativ, also die ganze Lohnbuchhaltung und jetzt gibst mir 269 eine Personalanforderung, okay, dann schreib mir kurz eine Stellenbeschreibung und 270 ich suche dir jemanden. Hin zu einer Rolle, die sehr unternehmerisch jetzt, sehr, sehr 271 unternehmerischer denkt, wesentlich unternehmerisch, unternehmerisch im Sinne 272 von, es ist, ein Angestellter würde niemals ein Unternehmer sein, aber er denkt 273 unternehmerisch, fürs Unternehmen in Sinne von, ich sag einmal, wenn es um 274 Gehälter geht, wenn es um Konditionen geht, wenn es um das schnelle Besorgen 275 geht, er ist ein deutlich besserer Dienstleister, interner Dienstleister, Supporter 276 geworden, als er davor reiner Administrator war. Er versteht ganz klar, wer ist sein 277 interner Kunde? Wer ist eigentlich mein Kunde? Natürlich zahlt letztendlich alle 278 unsere Gehälter der Endkunde am Markt draußen, aber sein unmittelbarer, ist eben 279 die Organisation und da muss er eben mit all seinen Künsten und Kräften 280 unterstützen und das Rollenbild ist deutlich zielorientierter, prozessorientierter und 281 kundenorientierter geworden. Position im Unternehmen oder aufgrund von Lean jetzt 282 283 I: Wenn Sie keinen weiteren Anmerkungen haben, also ad hoc, haben wir es gut in 284 time geschafft. 285 286 IP: Ja, also gerade zur ersten Frage. Also Lean als solches ist natürlich auch ein 287 riesiges Einstellungsthema. Also Lean ist auch eine Sache, die in Fleisch und Blut 288 übergehen muss und nach der auch so gelebt werden muss, letztendlich. 289 290 I: Also nicht nur Methodik, sondern Einstellung … 291 292 IP: Nicht nur Methodik, ganz klar. Also Lean geht über die Einstellung. Six Sigma 293 dagegen ist natürlich schön, wenn’s Voraussetzungen gibt, ein Nährboden dafür da 92 294 ist, dass ich sage, okay, ich kann das Six Sigma Projekt bewältigen. Aber es ist 295 eigentlich ein sehr starkes Methoden getriebenes Ding. Da kommt jemand, der 296 seinen Werkzeugkoffer hat, wo die ganzen Six Sigma Dinge drinnen stecken und 297 fährt das nach Schema F, sag ich jetzt mal, ab, hat natürlich auch seine Workshops, 298 wo er Infos abholt, aber er ist eher strukturiert und nach Methode vorgegangen. Lean 299 ist 300 Riesenunterschied. Das tägliche Handeln und Tun, dann muss ich sagen, ist wirklich, 301 wie ich zuerst gesagt habe, mit Hausverstand, andere sagen XHV dazu, g’sunder 302 Hausverstand. Es gibt so viele Parallelen, was man zu Hause tut und in den privaten 303 Bereichen tut, was man in der Firma nicht tut. Ich sag einmal, da muss halt jemand 304 kommen und 5S als System einführen, bitte fragen sie einmal eine Hausfrau, was sie 305 im Frühjahr macht, das ist nichts anderes als Frühjahrsputz. Meine Kleindung, die ich 306 nicht länger als eineinhalb Jahre angezogen hab, weg damit. Bestandsminimierung, 307 Saubermachen, also das sind so Dinge… eine Sache, die das Verhalten von Leuten verändert, das ist der 308 309 I: Analogien gibt es ja genug. 310 311 IP: Absolut ja, aber es gibt halt unterschiedlichste Firmen, Unternehmer, 312 Persönlichkeiten, die das Ganze begonnen haben, zu systematisieren, für 313 Organisationen einzuführen, deswegen hat es einen anderen Namen. Aber an 314 solchen Beispielen, muss man, denke ich, die Leute immer wieder abholen, dass 315 man sagt, Leute, ihr macht es eigentlich im privaten Bereich auch. 316 317 I: Es geht eher in Richtung, dass man sagt, eben, es ist zwar nett, dass es diesen 318 Begriff gibt, aber es geht um die Handlungsweisen, die Prinzipien, die dahinter 319 stehen. Zurück zur Quelle, was ist eigentlich, was ist die Urbedeutung und dann 320 321 kommt man möglicherweise drauf, dass es im täglichen Alltag ja eigentlich… 322 IP: Es ist immer nur wichtig und es ist auch unser Zugang, dass man den Leuten ein 323 bisschen die Scheu davor nimmt. Weil da kommt was Neues, um Gottes Willen, 324 schon wieder etwas Neues und tatsächlich ist es ja nichts anderes als wenn man 325 sagt, es ist Eure kleine Firma, was ihr so und so auch tun würdet. 326 I: Vielen herzlichen Dank! 93 1 Interview 6: 5. September 2012 / 11.00 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Meine einleitende Frage: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? 5 6 IP: Wenn Sie mich sozusagen Word-Rap-artig antworten lassen: Toyota, 1990er, 7 Automobilindustrie, der 1. Begriff Lean-Production, und jetzt reden wir in der Regel 8 über Lean-Management. Und für mich zusammengefasst: Lean in wenigen Worten 9 soll dazu führen, dass wir unter Vermeidung von Fehlern, Verschwendung, hoch 10 effizient Qualität produzieren. Das ist es sozusagen im pragmatischen Überblick. 11 12 I: Wann wurde Lean bzw. Lean-Management hier eingeführt und was war der 13 Auslöser? 14 15 IP: Lean Management als solches ist nicht schlagartig eingeführt worden, sondern 16 Lean Management ist in unterschiedlichen Ausprägungen zu unterschiedlichen 17 Zeitpunkten fühlbar, spürbar geworden. Da gibt es sozusagen durchaus klassische 18 Ansätze im Verbesserungsprozess, der letztendlich bei uns zu einem recht 19 professionellen KVP-Ansatz geführt hat. Da gibt es als solche bezeichnete Lean 20 Aktivitäten, 21 Produktionsbereich hineinfragen, da werden Sie zur Antwort bekommen: So etwas 22 machen wir gerade, wir schauen gerade unsere Wertschöpfungskette an und 23 versuchen, unsere Organisation darauf einzustellen. Wenn Sie in die Vergangenheit 24 bei uns schauen, dann ist Lean in dem Sinn abschlanken, Hierarchien vereinfachen 25 und reduzieren. Vor 11, 12 Jahren mit dem Ansatz, aus einer sehr zentral 26 strukturierten Firma eine dezentrale Struktur zu machen, damals Schlagwort aus 27 einem großen unbeweglichen Tanker die kleinen Schnellboote machen, wo also die 28 Ansätze drinnen waren, in Bereichen, die bei uns durchaus große Bereiche 29 darstellen. Nur damit man sich in der Division ein kurzes Bild machen kann. Ein 30 großer Unternehmensbereich hat bei uns durchaus Personalkapazität von bis zu 31 2.000 Personen. Es ist für sich schon ein sehr großer Bereich und im damaligen wenn Sie heute z.B. in eine Tochtergesellschaft in einen 94 32 Ansatz hat man mit dem dezentrale Strukturen schaffen begonnen, auch verbunden 33 hohe Prozessorientierung und Prozesse durchgängig zu gestalten. Also durchaus ein 34 Lean Ansatz innerhalb von Business-Units und vor zweieinhalb, drei Jahren ist dann 35 – wenn man so will – ein Gesamtkonzept daraus geworden. Eigentlich aus dem 36 Ansatz, dass wir sozusagen das Pendel, das immer mehr in Richtung dezentrale 37 Strukturen ausgeschlagen hat, wieder ein bisschen zurückführen in Richtung 38 Steuerung. Wenn man sich die Begleitmusik dazu gibt, dann kommt man darauf, da 39 war schon wieder ein Lean-Ansatz drinnen, weil man gesagt hat, ein ganz ein 40 wesentlicher Punkt ist, dass wir jetzt über die Business-Units hinaus durchgängige 41 Prozesse schaffen. Also Lean eine Ebene höher noch. Sie werden bei uns, wenn Sie 42 so generell z.B. in den Führungsbereich hineinfragen und fragen: Lean, was soll ich 43 damit? Wenn Sie sagen: Da war doch ein großes Projekt? Ja, ein Projekt, das war 44 ein 45 Anführungszeichen hohen Anteil an Elementen, die man, wenn man jetzt das 46 Lehrbuch anschaut, sagt, ja genau, wenn ich Lean-Management einführe, dann habe 47 ich genau diese Methoden und Werkzeuge, die ich einsetze. Eckpunkte, 48 vorgenommen haben wir uns, über die Division 10% der Kosten einzusparen und ein 49 neues operatives Geschäftsmodell einzuführen, da stehen wir bei, zwischen 370, 50 380 Millionen Euro p.a. Einsparung, nachweislicher Einsparung und einem 51 implementierten operativen Geschäftsmodell, das ganz wesentlich auf 3 Eckpunkten 52 steht, auf neu implementierten Steuerungsstrukturen, auf Shared Services, das ist 53 wieder ein klassischer Lean-Ansatz im Sinne von Effizienz. Und als Versuch, die 54 Vorteile der dezentralen Strukturen beizubehalten, dezentralen Einheiten. Einsparungs- und Restrukturierungsansatz und natürlich mit unter 55 56 I: Würden Sie dies so charakterisieren, ich hätte da so herausgehört, es war 57 durchaus am Anfang so ein werkzeug- oder toolorientierter Zugang, der sich in so 58 einer unternehmenskulturellen Sache entwickelt hat. Es ist einerseits natürlich auf 59 diese Ebene drüber gelegt worden, aber würden Sie es mittlerweile so als – eben als 60 Kultur, weil der Begriff das war ein Projekt – ein abgeschlossenes, ist aber jetzt so 61 quasi eine Art Automatismus im täglichen Arbeitsablauf. 62 63 IP: Wenn ich gleich ein Stück nach vor springe und mich auf HR-Anforderungen 64 beziehe: Kultur ja, insofern als es einen riesen Change-Prozess bedeutet hat. 95 65 66 I: Was assoziieren Sie, wenn ich sage, Lean Human Resources, das ist ja auch der 67 Titel meiner Master Thesis, wie würden Sie dies charakterisieren und was 68 assoziieren Sie, wenn ich sage, Lean Human Resources? 69 70 IP: Auf der einen Seite ganz klar Lean jetzt auch auf die Unit HR umgelegt, d.h. auch 71 da Effizienz, da heißt auch dort durchgängige Prozesse, die hocheffizient sind. D.h. 72 ein Arbeiten, nicht nur für das gesamte Unternehmen, sondern auch im eigenen 73 Bereich mit Kennzahlen. Das ist sozusagen der Blick auf HR im engeren Sinn und 74 die 75 Gesamtorganisation entsprechende Zahlen, Daten, Fakten liefern zu können. Man 76 braucht immer angreifbares, messbares, zählbares. HR muss in der Lage sein, für 77 sich und für die Organisation abzubilden, wie schaut die Personalkapazität in den 78 einzelnen Berichtseinheiten aus, also ein wichtiger Schritt, nämlich, für HR selbst 79 genau zu wissen, für den Prozess brauche ich die Kapazität ausgedrückt in 80 Personenjahren und nicht in Köpfen, um überhaupt in der Lage zu sein, die richtigen 81 Verbesserungsansätze zu finden. Lean ist in der Regel mit Veränderung verbunden, 82 d.h. jetzt wieder intern, HR-intern, aber natürlich auch für die gesamte Organisation, 83 heißt Anforderung an HR in Richtung Sensibilisierung Führungskräfte, zur Verfügung 84 stellen geeigneter Informations- und Trainingsmechanismen und heißt letztendlich 85 Bewusstmachen und Begleiten des für mich unweigerlich damit verbundenen 86 Change-Prozesses. Das sind die gar nicht so kleinen Aufgaben, die mit dem 87 schlanken Wörtchen Lean verbunden sind. Anforderung, Lean HR heißt auch, in der Lage zu sein, für die 88 89 I: Darf ich da anknüpfen, weil ich habe das auch später als Frage hier stehen, 90 welcher 91 Personalentwicklung 92 Karrieremanagement und Aus-/Weiterbildung und ob sich dann durch diesen 93 Change-Prozess oder durch Lean etwas verändert hat, dadurch? Zusammenhang zwischen besteht? Ich Lean habe das und den konkrete Maßnahmen Beispiel jetzt zur eben 94 95 IP: Lean heißt z.B. Kappen von Hierarchien, d.h. dass Sie dem einzelnen Mitarbeiter, 96 der Mannschaft insgesamt, klassische Karrierewege nehmen. HR ist aufgefordert, da 97 irgendetwas vorzustellen, wo man diesen Wegfall an Karriere, der in der Regel 96 98 Motivation bedeutet, kompensieren kann. Das beginnt natürlich mit sensibilisieren, 99 bewusst machen, was passiert da gerade. D.h. eine Bedarfserhebung, was braucht 100 es jetzt und das heißt dann im konkreten von Review Entgelt-Systeme bis hin zu – 101 um etwas konkretes zu nennen – Expertenkarrieren, der Organisation zur Verfügung 102 zu stellen, damit der Mangel an sichtbaren Entwicklungsmöglichkeiten - aus der Sicht 103 des Mitarbeiters ist Karriere für ihn Entwicklungsmöglichkeit - gewahrt wird. Es ist 104 auch notwendig, sich mit dem Kompetenz- und Wissensmanagement in dem 105 Zusammenhang auseinanderzusetzen, weil bei diesen klassischen Karriereschritten 106 in der Regel auch Entwicklungsmaßnahmen in einem größeren Unternehmen 107 verbunden sind, die jetzt, wenn Du diesen Karriereschnitt rausnimmst, durch 108 irgendetwas sinnvollerweise ersetzt werden müssen, wenn Du die Organisation auf 109 einem gleichen Niveau halten willst. Das ist für mich auch insbesondere 110 Herausforderung, Kompetenzmanagement einzuführen, auch jetzt wieder das 111 einfache Beispiel: je mehr Vorgesetzte ich habe, desto sicherer ist in einzelnen 112 Köpfen und vielleicht auf einem Blatt Papier vorhanden, was denn die Mitarbeiter an 113 Kompetenzen brauchen. Je flacher ich dies gestalte, desto mehr muss dann eine 114 Person als Führungskraft überblicken können und desto schwieriger ist es jetzt, 115 durch eine vergrößerte Führungsspanne jeweils die benötigten Kompetenzen im 116 Kopf zu haben. Auch da ist HR gefordert, sich damit auseinanderzusetzen. Wie stelle 117 ich trotzdem sicher, dass ich idealerweise für jede Stelle, für jeden Mitarbeiter auch 118 weiß, was braucht denn der, damit ich einen vernünftigen Einsatz der Mittel für Aus- 119 und Weiterbildung gewährleisten kann, indem ich das Richtige, und das effizient, 120 schule. 121 122 I: Auf der konkreten Seite, Lean-Schulungsmaßnahmen? 123 124 IP: Lean ist selbstverständlich, wenn man sagt, Change-Prozess, etwas, was in den 125 Köpfen verankert werden muss. Ganz grundsätzlich darf man ja nicht davon 126 ausgehen, dass es naturgegeben Spaß macht, ständig nachzudenken, wie kann ich 127 einsparen, wie kann ich den eigenen Verantwortungsbereich aus manchen 128 Blickwinkeln heraus verkleinern und vereinfachen. Daher muss ich klarerweise 129 intervenieren und muss über geeignete Maßnahmen, das beginnt bei klassischen 130 Bildungsmaßnahmen, seminarartig, und hört bei Team- und Organisation97 131 entwicklung auf, wo ich dann sage, ich möchte durchgehend vom Top-Management 132 angefangen nach unten ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame 133 Zielrichtung haben. Auch da ist wieder HR gefordert, den ganzen Blumenstrauß zu 134 versuchen, anzubieten, von den eher weichen, gemeinsamen Veranstaltungen, um 135 in einem sozial angenehmen Rahmen Gemeinsamkeit zu finden, über Teambuilding 136 im engeren Sinn, klassisch verstanden bis hin zu Zielvorgaben, Zielvereinbarungen 137 und das Instrumentarium dazu, der Organisation zur Verfügung zu stellen. 138 139 I: D.h. da hat es ja gar nicht so große Änderungen im Sinne des Instrumentariums 140 eigentlich gegeben, sondern es fließt eben diese neue Situation, diese veränderte, ja 141 in das HR-Instrumentarium hinein. 142 143 IP: Ich gebe Ihnen insofern Recht, als wir in einem großen professionell agierenden 144 Unternehmen nicht so sehr den Werkzeugkoffer jetzt völlig neu sortieren müssen. 145 Das eine oder andere Werkzeug kommt neu dazu, sondern es geht darum, die 146 Mannschaft, das beginnt bei der Führung, in einem möglicherweise anderen 147 Gebrauch der Werkzeuge fit zu machen. In Wahrheit ist immer Knackpunkt, dort zu 148 suchen, wie schaffe ich es, was ich als Management für richtig, notwendig erachte 149 ins Mindset der Schlüsselpersonen und idealerweise möglichst vieler zugeordneter 150 rein zu bekommen. Da ist wieder die Aufgabenstellung vielfältig, von A) 151 Sicherstellen, dass im Top-Management ein gleiches Verständnis ist, B) Identifikation 152 der 153 sicherstellen, dass das Verständnis ein gemeinsames ist und die dann ausrüsten, 154 dass sie das, was sie jetzt als gemeinsames Verständnis haben, an die Mitarbeiter 155 weitergeben können. Noch einmal, so gesehen, die Instrumente als solche, hat ein 156 großes Unternehmen eigentlich immer griffbereit. Wenn ich eine, angefangen von 157 einem Personal-Controlling über Personalentwicklungs-, Organisationsentwicklungs- 158 abteilung habe, dann sind die Werkzeuge in der Regel gut sortiert da, es geht immer 159 darum, sei Dir bewusst, welches Werkzeug Du jetzt brauchst und gleichen wir ab, ob 160 Du es auch gut anwenden kannst. Schlüsselfunktionen und Schlüsselpersonen als Multiplikatoren. Dort 161 98 162 I: Das passt glaube ich auch zu meiner nächsten Frage sehr gut, nämlich, wie 163 würden Sie das Rollenbild von HR charakterisieren und welcher Zusammenhang 164 besteht hier zu Lean und dem Rollenbild, oder wie HR agiert? 165 166 IP: Ob man es will, oder nicht, HR hat die nicht immer dankbare Rolle, auf jeden Fall 167 als Treiber bzw. Sensibilisierer im Change-Prozess und HR hat mit Sicherheit dort, 168 wo es ein stabiles, fundiertes Personal-Controlling gibt, auch die Rolle – vor allem in 169 größeren Unternehmen – sicherzustellen, dass alles rund um Personalkapazitäten 170 annähernd 171 herausfordernder Balanceakt. Ich muss auf der einen Seite erstens einmal 172 sicherstellen, dass - wenn ich jetzt sage, ich starte so einen Prozess, so ein Projekt - 173 die Absprungbasis klar beschrieben ist, man sich einig ist, um nämlich 174 nachvollziehen zu können, welche Verbesserungen haben wir denn im Vergleich zu 175 den Zielen, die wir uns gesetzt haben, tatsächlich geschafft. Klären der 176 Ausgangsbasis, klären der Spielregeln, was gilt jetzt als Einsparung, was gilt nicht, 177 bis hin zum Controlling der einschlägigen Zahlen. Man muss auf der anderen Seite, 178 das was wahrscheinlich als erstes einfällt, die Change-Management Seite von A bis 179 Z bedienen. gleich beschrieben und bemessen wird. Also ein durchaus 180 181 I: Hätten Sie den Eindruck, dass dieses Change, dieses Managen von Change- 182 Prozessen generell, tendenziell, überhaupt stärker zugenommen hat, oder war das 183 Lean jetzt ein besonderer Verstärker, oder würden Sie es generell sehen, einfach 184 aufgrund dieser Dynamik, dieser globalisierten Welt, das dieses Veränderung, 185 Veränderungsprozesse, einfach viel bedeutender geworden sind, auch jetzt in Bezug 186 zur Rolle für HR. Das scheint mir jetzt doch ein markanter Punkt mittlerweile 187 geworden zu sein. 188 189 IP: Lean-Aktivitäten forcieren die Notwendigkeit von Change-Prozessen, 190 insbesondere, man muss es so sagen. Wenn ich Lean eher in die KVP-Ecke gebe, 191 also ich bin schon schlank und versuche jetzt ständig, besser zu werden, da ist 192 natürlich Change, das Managen der Veränderung, nicht so wesentlich, als wenn ich 193 sage, ich nehme mir jetzt einen sichtbaren Schritt vor. Da ist es unumgänglich, es ist 194 ganz, ganz wichtig, weil Lean unter Anführungszeichen, ich kenne kein Beispiel, wo 99 195 nicht, ich beschreibe es ein bisschen plastisch, schmerzhafte Veränderungen damit 196 verbunden sind und gerade in so einem Falle ist es unbedingt notwendig, 197 draufzuschauen, zu antizipieren, wo müssen wir denn möglicherweise rechtzeitig 198 begleiten und intervenieren, dass nicht so viel Widerstand entsteht, dass man letzten 199 Endes stecken bleibt, mit seinen Verbesserungsansätzen. 200 201 I: Es gibt ja auch noch für mich diese 2. Dimension in Bezug zu HR, nämlich diese 202 hierarchische Zuordnung. Sie sind ja in leitender Position. Sehen Sie da auch einen 203 Zusammenhang im Sinne eines Wirksamkeitszusammenhangs oder hat sich dadurch 204 etwas verändert, oder ist auch diese hierarchische Zuordnung der Positionierung im 205 Sinne der Personalverantwortung oder Organisationeinheit – hat sich da etwas 206 verändert, oder ist dies quasi – besteht da ein Zusammenhang, ob das wichtig ist, 207 wie diese hierarchische Zuordnung ist in diesem Bezug, zu diesen Aktivitäten? 208 209 IP: Auf der einen Seite ganz generell wird sich in allen Bereichen und auch in HR im 210 Lean-Zusammenhang eine verstärkte Teamorientierung ergeben. Wenn Hierarchien 211 rausfallen, hat man mehr Player auf einer Ebene, das gemeinsame Arbeiten ist dann 212 zwangsläufig eher im Team. Auf der anderen Ecke, Hierarchie, Positionierung, 213 Change-Prozesse bewusst zu machen, ist im Wirtschaftsleben per sé nicht wirklich 214 leicht und durchzusetzen, dass man dies professionell begleitet, was letzten Endes 215 auch heißt, dass Aufwand damit verbunden ist, ist noch einmal schwierig. Daher die 216 Positionierung von HR als solches ist gerade in solchen Ansätzen schon wichtig. 217 Jetzt kann man natürlich sagen, na ja, entscheidend wird wohl das informelle 218 Standing sein, letztlich drückt es sich aber immer ein bisschen aus, in welcher 219 hierarchischen Rangordnung wird HR wahrgenommen. Bin ich irgendwo eine 220 Stabstelle, die Zahlen aufbereitet, dann bin ich darauf angewiesen, dass sich 221 Führungskräfte überzeugen lassen oder von sich aus die Notwendigkeit einsehen, 222 dass man hier mit Personal – wirtschaftlichen – Werkzeugen, interveniert, wenn man 223 aber sichergehen möchte, dann braucht HR einen Steuerungshebel auch in der 224 Hand. Sonst wird es gerade in großen, heterogen aufgestellten Unternehmen kaum 225 möglich sein, das Du sichtbar, durchgängig Aktivitäten entfaltest. 226 100 227 I: Mir ist jetzt auch noch eingefallen, und zwar Lean hat sich ja auch in dieser 228 Kombination mit Six Sigma, Lean Six Sigma, und dieses einerseits Lean, 229 verschlanken, Six Sigma, Reduzierung der Streuung, Stabilisierung der Prozesse. 230 Ist das, wird das bei Ihnen auch angewendet, tritt dies in einer Kombination auf, oder 231 ist einfach Lean so der Hauptfaktor, weil da gibt es ja auch eine riesen Bandbreite, 232 wie es eingesetzt wird und die Begriffe werden vermischt? 233 234 IP: Also wir versuchen, ganz bewusst auf der einen Seite Experten zu schulen bzw. 235 zu haben, die auch theoretisch firm sind. Six Sigma genauso, wir schauen also, dass 236 wir diese Expertise im Unternehmen vorhalten, wir versuchen aber in der Umsetzung 237 nicht mit derartigen Schablonen zu agieren. Auf der einen Seite wollen wir ganz 238 bewusst weder verschrecken, wenn ich zu sehr theoriebeladen wohin gehen, jetzt 239 muss ich Dir zuerst einmal erklären, Lean Management, Six Sigma, 5S, wie auch 240 immer und dann reden wir weiter, dann habe ich möglicherweise eine Hürde, die 241 schwer zu umschiffen ist. Auf der anderen Seite haben wir immer ein Stück Sorge, 242 wenn man mit definierten Begrifflichkeiten arbeitet, dass wir Randbereiche nicht 243 beleuchten oder verlieren. Ok, ich habe verstanden, ich soll ¾ von der Seite 244 entweder neu gestalten oder irgendwas besser machen, da oben hast Du mir ja 245 nichts gesagt, da passt der Ansatz. Daher versuchen wir, bei solchen Aktivitäten 246 eher vergleichsweise einfach zu umschreiben. Wichtig ist, wie immer, Lokomotiven 247 zu gewinnen, die zwar wissen, ja, jetzt geht’s darum, das Unternehmen effizienter, 248 schlanker zu gestalten, aber wir verstehen den Auftrag gesamthaft. Dass es jetzt da 249 in dem Kästchen unterschiedliche Hilfsmittel dazu gibt, da kann ich jetzt schon 250 nachfragen, wie hat es ein anderer gemacht? Ja, wir haben eine Affinität 251 selbstverständlich zur Automobilindustrie und schauen dann natürlich dorthin und 252 sagen, aha, der hat es so gemacht, der hat es so gemacht, werden wir für uns nicht 253 unberücksichtigt lassen. Aber wir versuchen, wenn es irgendwie geht, den 254 gesamthafteren Ansatz zu finden. Wichtig ist natürlich auch darauf zu schauen, dass 255 ich irgendwo die Balance habe zwischen gesamthaft und trotzdem genau genug 256 umschrieben. Also in der Regel, wenn wir sagen, wir haben so einen Begriff geprägt, 257 Flughöhe. Will heißen, wir schauen darauf, dass wir in einem Projektfortschritt die 258 Flughöhe richtig absenken, dass man ja nicht am Anfang zu tief gleich in 259 irgendwelchen Details drinnen hängen, sondern hohe Flughöhe, mutig Hypothesen 101 260 aufstellen, was man alles verändern kann, was man alles erreichen will, aber 261 selbstverständlich dann irgendwann hinten muss eine Umsetzung stehen. Bei der 262 Umsetzung muss ich es genau wissen, da muss dann so rauskommen, im Bereich 263 XY heißt es minus 10,5 Personenjahre. Also Zeitablauf ist ein Thema und in den 264 Projektstrukturen versuchen wir es auch so einzubringen, das wir unterschiedliche 265 Ebenen haben, wo eine Auftraggeberprojektaufsicht angehalten ist, hohe Flughöhe 266 und, wenn es größere Projekte sind, in den Strukturen dann auch die Flughöhe 267 entsprechend abzusenken. 268 269 I: Ein spannender Vergleich. Also ich habe für mich so den Kreis jetzt auch 270 geschlossen, weil Sie jetzt gesagt haben, da kommt auch für mich so was Sie sagen 271 heraus, einfach diese ganz klare, konkrete Zieldefinition, ergebnisorientiert, wo 272 wollen wir hin und dann auch zu sagen, nicht jetzt schon, da ist jetzt der 273 Werkzeugkoffer und gehen wir los, sondern quasi über welche Prinzipien und 274 Handlungsweisen wollen wir diesem Ziel, das so konkret formuliert ist, näherkommen 275 und wenn wir dabei auf diesem Weg gute Werkzeuge haben und sie passend 276 einsetzen, dann werden wir das tun, aber wir haben eine klare Vorstellung, wo wir 277 hinwollen und wissen, wir gehen jetzt nicht, wir fliegen jetzt nicht, oder wir 278 schwimmen nicht, sondern, ich habe es so herausgehört, dieses Schaubild… 279 280 IP: Ja, wir haben das letzte große Projekt so losgestartet, dass wir gesagt haben, 281 Vordenker entwickeln einmal einfach Hypothesen, damit einmal ein Bild da ist. Dann 282 werden Experten beauftragt, diese Hypothesen mit Umsetzungsrealität zu erfüllen 283 mit dem klaren Auftrag, nicht zu erklären, warum es nicht geht, sondern alles zu 284 überlegen, wie komme ich möglichst nahe an diese Hypothese und sogar wenn es 285 geht, darüber hinaus. Wir versuchen, wenn so ein Prozessschritt erledigt ist, das ist 286 meistens Knochenarbeit, mühsam, da müssen sich Experten unterschiedlichster 287 Couleurs zusammenstreiten, wenn wir dann ein Ergebnis haben, praktisch, dann 288 gehen wir wieder ein Stück rauf und sagen, so, jetzt wird eine Steuerungsfunktion, 289 eine Führungskraft damit konfrontiert und Du lieferst mir jetzt Dein Commitment, dass 290 Du das umsetzen wirst, als Verantwortlicher, in Deinem Bereich. Es ist uns ganz klar, 291 Du selbst kannst nicht im Detail die Expertise für jeden Einzelschritt haben, aber wir 292 geben Dir jede Chance, schau Dir das Ergebnis dieser Expertenarbeiten an, gehe A) 102 293 mit Hausverstand, B) mit Deiner Erfahrung drüber und sag dann und unterschreibe 294 auch, ok, ich akzeptiere diese Vorgabe. Klar, es wäre realitätsfern, wenn man sagt, 295 dass nicht durchaus Druck dahinter ist und jetzt erwarten wir nicht, dass Du, wenn da 296 100 steht, gleich einmal sagst, na 50 werde ich bringen, sondern wenn 100 steht, 297 sollst 100 bringen, oder wirklich gut begründen, warum Du nur 95 erbringen kannst. 298 299 I: Das ist halt die Basis für die Vereinbarung, die ja getroffen wird. 300 301 IP: Genau, genau. 302 303 I: Dieses Commitment. 304 305 IP: Da haben wir beim letzten Mal in Härtegraden gearbeitet. Wir haben gesagt: so 306 eine Hypothese ist einmal Härtegrad 1, das ist dann, wenn ich konkrete Maßnahmen 307 entweder kenne oder entwickelt habe, wie ich dies erreichen kann, Härtegrad 2, das 308 Commitment ist Härtegrad 3, die folgenden Umsetzungsschritte sind 4 und 5, also 4 309 heißt, ich habe es committed, der 3er ist, ich stehe dazu, ich weiß aber noch nicht, 310 wie ich es mache. 4 ist, jetzt weiß ich auch, wie ich es mache, 5 ist, abgehakt. 6 ist 311 halt, gibt es auch, schaffe ich nicht, abgemeldet. Geländer, Orientierung und wichtig, 312 dass die Vorgehensweise möglichst gleich und standardisiert im Unternehmen ist. 313 314 I: Das führt wieder dann auch zu einem routinierteren Verhalten, eigentlich dann 315 auch dabei, also nicht dass es Routine wird, im Sinne von… 316 317 IP: Auf der einen Seite ist das, wenn Du ein riesiges, das ganze Unternehmen 318 umfassendes Projekt hast, der einzige Weg, wie Du zu bestimmten Zeitpunkten 319 einen vergleichbaren Stand kriegen kannst, wie ist denn jemand unterwegs, sonst 320 kriegst immer irgendwo Blitzlichter oder qualitative Aussagen, ja, mir geht es gut, 321 oder weniger gut und siehst erst irgendwann am Projektende, was ist denn 322 herausgekommen und wenn Du solche - wie natürlich bei einem großen Projekt 323 notwendig ist - Rahmen für Controllingschritte setzt, dann ist da relativ gut möglich zu 324 sagen, mhm, dort scheint es gut zu laufen, da passen die Zahlen und nämlich, etwas 325 Angreifbares, und dort mhm, dort muss ich unterstützen, da hängt jemand. 103 326 327 I: Was ja eben diese Messbarkeit, dieses Ergebnis messbar und sichtbar zu machen 328 einfach auch eine Grundlage ist eben für diese nächsten Schritte, wo bin ich, wo 329 muss ich hin, was muss ich noch tun? 330 331 IP: Klar. 332 333 I: Weil sonst, wie Sie sagen, bin ich bei einem Gefühl, weiß nicht, und am Schluss 334 kommen wir darauf, ich bin irgendwo abgebogen. 335 336 IP: Nächste Schritte, wie bei großen Projekten üblich, müssen immer von einer 337 quantifizierbaren Basis aus erfolgen, so wie ich zuerst gesagt habe. HR muss 338 sicherstellen, die Ausgangsbasis, im Bereich sowieso haben wir 83,5 Personenjahre, 339 das ist dann unstrittig. Irgendwo muss ich dann zusammenzählen und sagen, aha, ja, 340 das stimmt genau zusammen mit meiner Gesamtkapazität, sonst werde ich immer 341 ein Stück Überraschung erleben, was kommt denn da heraus und ich kann nicht 342 steuern, kann jetzt sagen, ich nehme mir vor, 10%, 5% und das heruntergebrochen 343 auf die und die Bereiche. 344 345 I: Ich habe jetzt gerade überlegt, ich bin alle meine Fragen durch. Wenn Sie noch 346 etwas hätten, was Sie mir mitgeben wollten, was ich jetzt nicht auf meiner 347 Fragenliste… 348 349 IP: Ja, da gibt es natürlich schon noch wesentliches, was ich gerade aus HR-Sicht 350 dazu sagen muss. Erfolgsfaktoren sind volles Commitment des Top-Managements, 351 das Bewusstsein, dass derartige Prozesse Zeit brauchen, wie gesagt, ganz wichtig, 352 da gibt es in jedem Projekt die Phase der Anfangseuphorie, dann geht‘s in die 353 Umsetzung hinein, dann kommt so eine Ernüchterung, zum Teil eine Enttäuschung, 354 weil es halt manchen nicht schnell genug geht. Und ganz wichtig, aus HR-Sicht ist 355 auch mitzuwirken, dass man so etwas wie 80/20-Regeln nicht aus dem Auge verliert. 356 Nicht in diesem Projektfortschritt sich aufreiben, die letzten 10% auch noch jetzt 357 unbedingt heben zu müssen, sondern immer im Auge zu haben, wie sichere ich auf 358 jeden Fall 80% ab, 90% ist natürlich noch besser. Und auch ein das richtige Maß zu 104 359 finden, wie fordere und vermeide ich aber Überforderung. Das ist wahrscheinlich 360 ganz alleine HR-Obsorge, bei den Führungskräften sicherzustellen, darauf zu 361 achten, dass die Mitarbeiter in solchen Prozessen auch hie und da wieder Luft 362 bekommen, dass nicht Leute verbrennen. 363 364 I: Das erfordert aber entsprechend – ich würde es einmal so beschreiben – durchaus 365 eine erhöhte Sensibilität und Einfühlungsvermögen für diese Prozesse auch 366 gegenüber den… dass ja auch dann die Führungskräfte auf die nächste Ebenen 367 weitertragen müssen. 368 369 IP: Das müssen Sie den Führungskräften massiv mitgeben, dass in ihrer 370 Verantwortung neben dem kostenmäßigen Ergebnis aber auch liegt, dass die 371 Mitarbeiter, die da drinnen arbeiten, weder von der Führungskraft überfordert 372 werden, noch sich selbst überfordern, der die Mitarbeiter, die sich so mit der Aufgabe 373 identifizieren, dass er übersieht, was er mit sich selbst anstellt. Das ist etwas, wo HR, 374 das ist diese, da durchaus zulässige softe Ecke, wo HR aber wesentlich ist, also 375 nicht so sehr hie und da belächelten Aktivitäten im Soft-Bereich, sondern da bist 376 wirklich auch durchaus kriegsentscheidend. Mit einer ausgelaugten Mannschaft 377 kannst nichts auf Dauer gewinnen. Das muss im Bereich des immer im Training 378 stehenden, aber nicht, rauskippenden bleiben. 379 380 I: Vielen Dank für den Einblick. 381 382 IP: Soweit aus der Praxis. 383 384 I: Herzlichen Dank, wirklich ganz toll, vielen Dank fürs Zeitnehmen. 385 386 IP: Gern. 105 1 Interview 7: 11. September 2012 / 12.00 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Meine 1. Frage: Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? 5 6 IP: Lean heißt für mich schlankes, effizientes Handeln, um es kurz auf den Punkt zu 7 bringen. 8 9 I: Wie wird Lean im Unternehmen bei Ihnen konkret angewendet? 10 11 IP: Wir sind ein Produktionsbetrieb, da geht es einfach darum, vor allem im ganzen 12 Produktionsbereich diesen Grundsatz zu verwirklichen, wenn wir - da möchte ich 13 noch 2 Sätze ausholen - als ein in Österreich ansässiger Familienbetrieb, der am 14 Weltmarkt agiert, wettbewerbsfähig bleiben wollen, heißt es, bei steigenden 15 Rohstoffpreisen, bei sinkenden Produktpreisen - ich sage immer scherzhaft, von der 16 Differenz leben wir - 17 organisieren und das heißt, wird im Produktionsbereich angewendet und natürlich 18 auch – das ja das Thema Ihrer Arbeit ist – im Personalmanagement, wenn ich das 19 einmal so pauschal sagen darf. Ich nehme jetzt vielleicht eine Antwort vorweg, die 20 dann nachher noch kommt, aber weil es hier gerade passt. Als ich vor 11 Jahren in 21 dieser Firma begonnen habe - mein Hauptaufgabenbereich ist HR-Management mit 22 Focus Personalentwicklung - hat es damals geheißen, jetzt haben wir ihn, der macht 23 jetzt die Personalentwicklung für uns und ich habe gesagt, nein, ich werde euch 24 helfen und unterstützen, dass ihr als Führungskräfte Personalentwicklung macht, 25 aber nicht die Personalentwicklung macht Personalentwicklung. optimal die Organisation, die Produktionsorganisation zu 26 27 I: In die Linie… 28 29 IP: In die Linie hinein, ganz richtig. 30 106 31 I: Wann wurde mit der Einführung von Lean begonnen und waren eben die 32 genannten Gründe schon die Gründe, oder gab’s noch andere? 33 34 IP: Das Thema ist sicher älter, wenn ich so zurückdenke im Produktionsbereich, wo 35 wir Lean Production, Lean Management angefangen haben, ist es sicher 4, 5, 6 36 Jahre zurück. Wenn ich sage, ich habe damals auf jedem Fall mit dem Grundsatz 37 schon begonnen, aber der Focus, der darauf gelegt wird, ist sicher auch 4, 5 Jahre 38 jung, diesen Focus im Personalmanagement, in der Personalentwicklung auch 39 diesen Lean Gedanken zu verwirklichen. 40 41 I: Die Wettbewerbsfähigkeit 42 produktionsgetrieben? war der Auslöser oder war es eher 43 44 IP: Es kommt sicher, oder es ist leichter verständlich zu machen im 45 Produktionsbereich, das auch Personalmanagement, Personalentwicklung diesen 46 Gedanken huldigt und versucht in ihrer Umsetzung zu verwirklichen. Mein Job ist, 47 Personalressourcen sicherzustellen und das bedeutet, mit den vorhandenen 48 Personalressourcen extern, intern mit den Qualifikationsmöglichkeiten, die wir vor Ort 49 haben, war das sicher ein Schwerpunkt in den letzten 5 Jahren, mit zunehmender 50 Wichtigkeit. 51 52 I: Wie wurde Lean eingeführt? War das eher ein werkzeugorientierter oder ein 53 kulturorientierter Einführungsprozess und was waren die Herausforderungen? 54 55 IP: Ist es richtig, wenn ich es ein bisschen auf den Produktionsbereich repliziere, weil 56 es dort der Vorläufer war? Das ist zwar jetzt nicht der Focus ihrer Arbeit, aber von 57 dieser Seite kommt sehr vieles. Es war sicher ein werkzeugorientierter Zugang. Wir 58 haben also da mit entsprechenden externen Partnern unsere Führungskräfte 59 trainiert, nachhaltig trainiert, wenn man weiß, dass man gewachsene, reifere, 60 Bäume, sprich Führungskräfte kaum bis nicht verändern kann, damit sie weiter 61 wirksam sind, kann man sich vorstellen, wie schwierig das ist und dieser 62 werkzeugorientierte, instrumentenorientierte Zugang heißt aber dann, Verhalten zu 63 ändern, nachhaltig, nachhaltig Verhalten zu ändern. Nur wenn man nachhaltig 107 64 Verhalten ändert, dann sind wir schon mitten im Personalmanagement, 65 Personalentwicklung, Lean Management Thematik drinnen, dann ist das ein sehr 66 kulturelles Thema, wie wohl, wir sind ein Familienunternehmen. Wir haben nächstes 67 Jahr ein Jubiläum und da ist noch immer sehr stark in vielen, vor allem in älteren 68 Führungskräften verankert, das muss der Chef entscheiden, und der Chef sind nicht 69 beiden Junioreigentümer, die schon 20 Jahre in der Firma sind, das ist immer noch 70 der Seniorchef, und halt, das muss der Chef entscheiden. Also, mit einem Beispiel, 71 das Bild der langen Leine bei der Personalführung, Leine ja, aber lange Leine, wird 72 noch viel zu wenig von den alt eingefleischten Führungskräften, die als gewachsene 73 Meister halt dann Führungsrolle übernommen haben, dass es ihr Job, ihre Aufgabe 74 ist, zu führen in der umfassenden Bedeutung des Wortes, an dem arbeite ich 75 nachhaltig, das das so sein soll. Ganz anderes bei den jungen Führungskräften, die 76 auch wissen, dass es Chefs dahinter gibt, aber schon sehr stark diesen 77 Kompetenzbereich, den man ihnen gibt, auch nutzen. 78 79 I: Die haben das Bewusstsein eigentlich schon. Dann leite ich direkt über auf die 80 Frage. Herausforderungen… 81 82 IP: Da würde ich noch gerne ergänzen. Eben Herausforderungen, zentrales, 83 patriarchalisches Familienunternehmen, diese Denke in die Umsetzung zu bringen, 84 doch sehr viele ältere Führungskräfte, dass man das dort hinbekommt und einfach 85 Herausforderung, gleichzeitig Chance, das Kostenargument, Kosten im Sinne von 86 Geld, Kosten im Sinne von Ressourcen, wie viele Ressourcen bin ich bereit, zu 87 investieren, in Veränderungen, in neue Abläufe. Wir sind ein prozessorientiertes 88 Industrieunternehmen und das sind einerseits Hürden, Prozesse, die man 89 theoretisch denkt und für gut befindet, umzusetzen. Aber auch wenn das 90 Kostenargument auf der Geldseite, als auch der Zeitressourcen, war das auch eine 91 Chance, diese Denke in einen Betriebsablauf, sei es Lean Production, sei es Lean 92 Personalmanagement, weiterzubringen. 93 94 I: Kotter sagt, „sense of urgency“, so quasi hin, dass sich etwas verändert, ein 95 auslösendes Moment zu schaffen, war das da auch dabei? 96 108 97 IP: Auslösendes Moment war und jetzt gehe ich auf 2008/09 zurück, 2009, Krise. Wir 98 waren von der Krise sehr intensiv betroffen. Diese Krise war aber auch wieder die 99 Chance, und das steckt ja schon im Wort Krise drinnen. Wir waren von Kurzarbeit 100 betroffen und haben Gott sei Dank diese Kurzarbeit auch für Qualifizierung genutzt, 101 gerade für Führungstrainings, Verhaltenstrainings der Kernmannschaft, mit der wir 102 weiterarbeiten wollen und da war das mit ein Auslöser, eben weil uns die Kosten 103 getrieben haben, wie können wir Geld sparen, damit wir die Krise durchtauchen und 104 uns entsprechend aufstellen. Ein Fakt dazu, wir haben damals 25% Auftragseinbruch 105 gehabt, hat geheißen 15% minus Personal, wir sind runtergefahren auf 365 106 Mitarbeiter und haben heute – und insofern hat diese Aufstellung glaube ich im 107 Großen und Ganzen funktioniert – mit 500 Mitarbeitern oder mehr den Stand wie nie 108 zuvor. D.h. es ist dieses Kostenargument, das uns gedrängt hat, jetzt uns schlank 109 aufzustellen, damit wir diesen Konkurrenzwettbewerb, den wir uns stellen müssen, 110 und unsere Mitbewerber sitzen nicht in Österreich und in den Bundesländern, auch 111 nicht in Europa, sondern sitzen weltweit und da ist einfach Erfordernis, im 112 Personalthema, aber auch im Produktionsbereich, das Lean so als Grundsatz sieht, 113 nicht nur wollen, sondern auch zu tun. 114 115 I: Da war eben die Zeit, so wie auch die Literatur auch so sagt, sie haben die Chance 116 genützt, 117 Mitarbeiterentwicklung genau da anzusetzen. diesen kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Sinne der 118 119 IP: Es war mit ein wesentlicher Grund. 120 121 I: Ich entwickle hier die Mitarbeiter, kann jetzt zwar nicht auf der Produktionsseite, 122 aber ich schaue, dass ich diese Zeit nutze… 123 124 IP: Wie kann ich also durch Qualifikationsmaßnahmen in Zeiten der Krise die 125 Kompetenzen der Mitarbeiter in die Richtung hinzuentwickeln, dass ich also dann für 126 die Zeiten, wo es wieder vollen Betrieb gibt und wir haben momentan volle 127 Auftragsbücher, das wir mit diesen Lean Gedanken effizienter produzieren und 128 führen, also gedankenhaft auf diese 2 Schienen zu legen. 129 109 130 I: Aber eigentlich ja auch gleichzeitig auf einem höheren Niveau, auf einem höheren 131 Qualifikationsniveau. Das ist ja eigentlich der Gewinn der Situation. 132 133 IP: Genau, auf einem höheren Qualifikationsniveau, was aber heißt und da gehe ich 134 einen Schritt zurück, dass es mit älteren, eingefleischten Führungskräften, wo halt 135 Meister dann Abteilungsleiter sind und geworden sind, halt da der Fortschritt, der 136 Umsetzungsfortschritt sich in Grenzen hält. Ich will nicht sagen, dass wir nicht einen 137 Fortschritt auch dort erreicht haben. Hier muss man auf die nächste Generation des 138 Abteilungsleiters setzen, weil der Baum lässt sich nicht wirklich ändern. Die sagen ja, 139 meinen auch ja, tun aber nur sehr in kleinen Schritten ja. 140 141 I: Ja, dann würde ich die nächste Frage stellen: Was verstehen Sie unter dem Begriff 142 Lean Human Resources in dieser Kombination. 143 144 IP: Die Personalkosten machen in unserem Bereich an die 50% der Kosten aus, 145 nicht ganz. D.h. wir müssen ja schauen, dass wir die Personalressourcen optimal in 146 den Entwicklungs- und Produktionsprozess auf Schiene bringen, d.h. motivierte 147 Mitarbeiter, dass die also ihren Potentialen, ihren Fähigkeiten, ihren Kompetenzen 148 entsprechend, zielorientiert, produktionsorientiert, nachhaltig arbeiten. Dass also z.B. 149 das Thema Krankenstände, dass in einem Produktionsbetrieb immer wieder ein 150 Thema ist, so gering als möglich gehalten wird, jetzt nicht über das Ziel 151 hinausgeschossen wird, weil wenn ich jetzt sage, er schleppt sich noch mit jeder 152 Grippe noch ins Büro oder in die Produktion, dann hat das ja wieder Folgewirkungen. 153 Aber hier also, optimaler Ressourceneinsatz in den unterschiedlichsten Bereichen, 154 wo unser Arbeitgeber Mitarbeiterressourcen braucht, Thema 1. auch entsprechend 155 motiviert, als wichtiges Rädchen, als Teil des Ganzen gesehen zu werden, als 156 Mitarbeiter und auch wenn ich also sehr viel dezentralisierte Verantwortungen vor Ort 157 habe, heißt das, dass man auch nicht nur das eigene Rädchen sieht, sondern das 158 Netzwerk, als Teil des Ganzen, um es vielleicht sehr pauschal zu formulieren. Um es 159 vielleicht in einem Satz zu sagen. Unser Unternehmen hat den Grundsatz „on-stop- 160 shop“. Alles aus einer Hand. Wenn ein Kunde z.B. ein neues Produktteil für sein 161 neues Produkt benötigt, dann sind unsere Entwickler draußen vor Ort und entwickeln 162 gemeinsam mit deren Technikern ein neues Produktteil. Dann bauen wir einen 110 163 Prototyp und hoffen, dass der Prototyp in Serie geht, mit eigenem Anlagenbau, mit 164 eigenem Maschinenbau bis hin zur Serienreife. Und damit dieses Lean im „one-stop- 165 shop“ quer durch alle Bereiche verstanden werden kann, braucht es das Verständnis 166 des Mitarbeiters, seiner Führungskraft, auch des einzelnen Mitarbeiters, was ist seine 167 Aufgabe, aber in Zusammenhang mit anderen. Und damit hier nicht über 4, 5 Stellen 168 kommuniziert, gefragt werden muss, soll es sehr viele dezentrale Verantwortungen 169 geben und das ist eine riesen Herausforderung, an der wir nach wie vor arbeiten. 170 171 I: Könnte man so als Schnittstellenkommunikation… 172 173 IP: Schnittstellenkommunikation ist ein gutes Stichwort, ja… 174 175 I: Wertschöpfungskette… 176 177 IP: Also Schnittstelle, wir sagen auch gerne, wir versuchen das Wort Schnittstelle zu 178 vermeiden… 179 180 I: Nahtstelle… 181 182 IP: Nahtstelle. 183 184 I: Nahtstellenkommunikation… 185 186 IP: Ja, genau, Nahtstelle hat ein positiveren Touch. Ja genau, darum geht’s. Und da 187 ist halt mein Job als Personalentwickler, HR-Manager, dieses Bewusstsein 188 nachhaltigst - mit drei Rufzeichen - bei Führungskräften, bei Mitarbeitern zu fördern. 189 190 I: Gibt es zur Frage noch einen Zusatzgedanken von Ihnen? Der Zusammenhang 191 zwischen Lean und… 192 193 IP: Ja, einfach die Rolle der ganzen, des Mitarbeiterklimas, Kulturfrage, z.B. macht 194 man Mitarbeiterbefragungen, die man nicht dem Grundsatz folgend zumindest alle 2- 195 3 Jahre macht, aber zumindest alle 3, 4 Jahre oder 5 Jahre macht. Wir haben leider 111 196 im Krisenjahr ausgelassen. Die letzte war jetzt 2010, die nächste steht hoffentlich 13, 197 oder spätestens 14 an. Dass man einfach diese rückgemeldeten Befindlichkeiten der 198 Mitarbeiter nach Gruppen aufbereitet, Gehör schenkt und durch Maßnahmen 199 motivierend wirkt. Ich will sagen, dass also hier Personal das rückspiegelt an die 200 Führungskräfte top-down und auch wieder von unten hinauf, was heißt motivierte 201 Mitarbeiter, die zielorientiert arbeiten? Und da ist eine wichtige Aufgabe, wenn ich 202 eingangs gesagt habe, ich mache nicht Personalentwicklung, ich bin Coach der 203 Führungskräfte und ein wesentlicher Zusammenhang ist hier aus meiner Sicht, dass 204 ich also Führungskräfte berate, trainiere, coache, wie man mögliche Umsetzungen in 205 Richtung Lean Führung weiter verbessern kann. Es ist ein steter Prozess, das ist 206 nicht erledigt, wenn ich sage, jetzt habe ich Maßnahme 1 erledigt, und das war’s, 207 sondern es ist ein stetes Mühen und Tun der Führungskräfte und da sehe ich die 208 wesentliche Aufgabe von Personal und Lean Production jetzt z.B. 209 210 I: Das heißt, da höre ich auch so raus, dieses viel stärker eben HR-Themen, HR- 211 Rollen, Personalentwicklung in die Linie, in dem Fall in die Produktionslinie, 212 Führungskräfte in der Produktionslinie bis dann runter auf die Mitarbeiterebene 213 hinein zu transportieren. 214 215 IP: 100% Zustimmung. Die Personalabteilung führt nicht Mitarbeiter. Ich führe meine 216 Mitarbeiterin, aber alles andere ist Unterstützung, Beratung, Coaching, wirklich in 217 diesen 3 Begriffen gesprochen. Die 1. Führungskraft vom Gruppenleiter, Schichtleiter 218 angefangen, hinauf bis zu den Bereichsleitern, bis zu den Geschäftsführern, dass sie 219 ihre Führungsaufgabe wahrnehmen, besser wahrnehmen können und auch ein 220 bisschen so eine Controlling-Rolle, also Schiedsrichter, wer Mitarbeitergespräche 221 führt, auch so rein mathematische Kennzahlen. Ich habe also in meinem HR- 222 Management, führe ich diverse Kennzahlen und da ist das Thema Führen von 223 Mitarbeitergesprächen ein Thema, wobei ich schon weiß, geführt sagt ja nicht, wie 224 geführt, aber da ist wieder die Coaching- und Beratungsrolle gefragt. 225 226 I: Quantitative und qualitative Dimension. 227 112 228 IP: Das Quantitative braucht’s, wobei ich schon weiß, dass das Quantitative noch 229 nicht eine gute Durchführung ist, aber als eine Voraussetzung, dass das Qualitative 230 eine Chance hat. 231 232 I: Da muss ich einhaken, das fällt mir etwas ein, weil sie quantitativ sagen. Ist auch 233 Six Sigma, auch immer wieder in Kombination und derzeit anscheinend en vogue, 234 diese Kombination von Lean und Six Sigma, eben Lean Sigma oder Lean Six Sigma. 235 236 IP: Ja, also Six Sigma ist bei uns einer der Grundsätze primär in den 237 Produktionsbereichen, war Teil des Trainings, das wir, vor 2, 3 Jahren beginnende 238 Krise bis 2, 3 Jahre nachher unsere Leute Six Sigma trainiert haben, auch mit diesen 239 Gürtelinhabern usw. mit allen, nicht in der 100% Konsequenz, aber doch in der 80% 240 Konsequenz bei uns im Haus Standard und Thema ist. 241 242 I: Die nächste Frage: Wo ist der Leiter HR in der Organisation angesiedelt? 243 244 IP: Wir haben die Eigentümer, da gibt es dann die 2 Geschäftsführer und dann gibt 245 es eine sogenannte 1. Führungsebene und ich bin also da einer in der 246 1. Führungsebene, einer aus 9, bin also dem Finanzgeschäftsführer, der für 247 Finanzen und Administration zuständig ist, zugeteilt, es gibt dann auch den 248 kaufmännischen 249 Finanzgeschäftsführer, 250 mindestens ähnlich coachend, betreuend, beratend auch den Geschäftsführer, der 251 für Verkauf und Technik zuständig ist, unterstütze. Also 1. Führungsebene, einer von 252 9. und technischen Geschäftsführer. Administrationsgeschäftsführer Wobei ich formal dem bin, aber zugeordnet 253 254 I: Und welcher Zusammenhang besteht aus dieser organisatorischen Position in der 255 Aufbauorganisation, in der Betriebshierarchie und einer Lean-Einführung? 256 257 IP: Ja, ein wichtiger Zusammenhang. Es braucht, ist ein bisschen auch ein 258 Widerspruch, ich glaube, es muss also sehr hochrangig derjenige, der da jetzt der 259 Motor, der Mentor und der Coach ist, dass der auch hochrangig angesiedelt ist. Das 260 es wirklich die Geschäftsführung will und einfordert. Umgekehrt mein Anspruch, dass 113 261 ich also einer von den Führungskräfte auch nur bin, dieses Spannungsfeld doch 262 relativ hochrangig positioniert, umgekehrt aber nicht oben, sondern einer von uns. 263 Dass ich halt versuche, halt, wirklich jetzt bei Besprechungen, wenn ich jetzt in die 264 Abteilungen gehe, und es dort eine geeignete Möglichkeit gibt, vor Ort bin. Und nicht, 265 man geht jetzt zum Personalchef, zum HR-Manager, zum Personalentwickler, auch, 266 aber dass man halt wirklich die Anforderungen, die Themen, die man transportiert, 267 möglichst vor Ort, um dieses Bild zu stärken, ich bin ja auch nur eine Führungskraft, 268 ein Teil, der halt versucht, das ist halt so eine Gratwanderung, und damit man es 269 einfordern kann, muss man schon klar sagen, das wollen wir. Da braucht es wieder 270 die doch hochrangige Positionierung. 271 272 I: Dieses Wechselspiel eigentlich… 273 274 IP: Ich kann es ja nicht anordnen. Das ist ja nicht meine Position, wie wohl ich 275 natürlich schon, dadurch dass halt die Personalkompetenz da ist, kommt ein 276 bisschen Anordnungscharakter, aber letzten Endes kann ich nur durch Überzeugung 277 gewinnen. 278 nachgeordneten Vorgesetzten, die das halt dann tun müssen, tun sollten und das ist 279 auch ein stetes Mühen. Weil einfordern müssen das die Chefs, deren Vorgesetzten, 280 281 I: Darauf aufbauend, welche Auswirkungen hatte die Einführung von Lean auf diese 282 Position? Hatte es überhaupt eine? Auch wieder auf diese hierarchische… 283 284 IP: Hatte Auswirkungen. Ich glaube schon, dass wir am Weg sind. Da kommt jetzt 285 wieder der Einwand, dass wir bei manchen alt eingesessenen Führungskräften das 286 verbale Ja und das quantitative Ja bekommt, aber das qualitative zu wenig. Also, 287 Auswirkung und das wir schon jetzt - eine sehr finanztechnische nachvollziehbare 288 Auswirkung -, dass wir mit einem, zwar wieder wachsenden Personalstand, auch von 289 der Führungsstruktur her, einen weit höheren Output an Ergebnissen produzieren, 290 als wir es schon vorher hatten. D.h. da war jetzt sicher auch die Krise der Auslöser, 291 aber wir sind personalmäßig zurückgefahren, sind also mit der Produktion rascher 292 gewachsen, als das Personal dazu, die Personalressourcen als gesamtes, auch im 293 Führungsbereich. Wir haben uns also hier nicht durch mehr Führungskräfte, sondern 114 294 durch mehr Führungskräfte in nachgelagerten Bereichen, aber nicht in der 295 Hierarchie, sondern in der Breite, sprich diese kleinere Einheit. Wir haben jetzt da 296 geschaffen z.B. im Produktionsbereich sogenannte Unit-Verantwortliche, die also für 297 gewisse Teilproduktionsbereiche doch sehr hohe Personalverantwortung und 298 Ressourcenverantwortung haben, aber nicht als Ebene dahinter, sondern z.B. in 299 einem Produktionsbereich, ist die größte Abteilung mit 130 Mitarbeitern, ist eine 300 Abteilung. Und die haben wir jetzt einfach in Units, Produktionsunits zerlegt und das 301 hilft, dass Entscheidungen näher bei den Betroffenen, aber doch im Wollen der 302 Gesamtlinie getroffen werden. Auswirkung war auch, letzte vielleicht, dass wir – das 303 wird jetzt die nächste Mitarbeiterbefragung zeigen, die wie gesagt für 13 ansteht – 304 aber so würde ich schon beurteilen, dass wir bessere Mitarbeiterwerte, ich verspüre, 305 ich hoffe, das ist nicht nur meine Wahrnehmung, sondern die wird durch die 306 Mitarbeiterbefragung bestätigt, aber so ein bisschen das Bild, das ich wahrnehme 307 und auch in Gesprächen zurückbekommen. Ich mache einmal im Jahr, daraus ziehe 308 ich diese Schlussfolgerung der Auswirkung, sogenannte ALPE-Gespräche, ALPE 309 steht für Abteilungsleiter, Personalentwicklung. Das ist immer so ein Sommerthema, 310 wo ich mir länger mit jedem Abteilungsleiter Zeit nehme und hier signalisiert man mir 311 mehr Wertschätzung, mehr Entscheidungen im eigenen Verantwortungsbereich, jetzt 312 im Gespräch. Ob dem so ist, wird uns die nächste Mitarbeiterbefragung zeigen. 313 314 I: Wie würden Sie Ihr Rollenbild von HR in Ihrem Unternehmen beschreiben? 315 316 IP: Zweifaches Rollenbild. Wie gesagt, die Rolle, die ich in der Stellbeschreibung zu 317 erfüllen habe, sind Personalressourcen sicherstellen, d.h. Personal suchen, Personal 318 ausbilden, Personal heimschicken, in dieser Bandbreite. Rollenbild 1, dass ich also in 319 Richtung Geschäftsführung denen die Notwendigkeit, die sie verbal immer wieder 320 bekennen, aber in Maßnahmen bewusst mache, was es heißt, in die Ressource 321 Personal zu investieren. Ausbildungen, mehr Qualifikation, wir haben z.B. jetzt 322 Strategieklausur, Strategieprozess gehabt über ein halbes Jahr, top-down und 323 wieder dann von unten hinauf und da ist ein Punkt herausgekommen, verstärkt 324 Potentiale der Mitarbeiter heben. Und das heißt, ich muss in die Ressource der 325 Mitarbeiter, in deren Qualifikation, der Führungskräfte investieren, dass da also das 326 auch wirklich auf Schiene gebracht werden kann. Das heißt also Rollenbild 1, die mir 115 327 übergeordneten Geschäftsführer im Konkreten so lästig zu sein, so nachhaltig zu 328 sein, dass das Thema Personal - es gibt ja diesen schönen Sager, der Mitarbeiter 329 steht im Mittelpunkt -, dass es nicht nur ein Sonntags Sager ist, also dass es - es 330 wird ja gerade bei Chefs gerne gesagt wird - bleibt. Rolle 1 und Rolle 2, dass ich halt 331 wirklich als positiv, lästiger Coach, Personalentwickler von den Führungskräften 332 akzeptiert werde. Und nicht, jetzt kommt er schon wieder, was will er denn schon 333 wieder. Also dieses Rollenbild und das ist ein stetes Mühen, aber ich nehme die 334 Rolle gerne war, ist ein lästiger, lässiger, nachhaltiger Coach von Führungskräften zu 335 sein. Das sind so die beiden Spannungsbilder zur Frage Rollenbild. 336 337 I: Auch in der Literatur habe ich das so gesehen, wird immer wieder gefordert, diese 338 aktive Rolle HR einzunehmen und die höre ich da auch einfach heraus, einfach diese 339 aktive Rolle nach oben hin, Richtung .. aber auch quasi in Richtung der 340 Führungskräfte 341 einzubringen… in die Organisation hinein, also diese aktive Rolle, sich 342 343 IP: Genau. 344 345 I: … und nicht zu warten auf etwas, das höre ich da auch sehr stark. 346 347 IP: Da muss ich dann immer auch gleich unterstreichen, weil Personal ist ja immer 348 eigentlich nur ein Nebenthema, oft, aber nicht immer, oft ein Nebenthema. Daher 349 nach oben und da gibt’s ein Instrument, wir arbeiten mit Zielvereinbarungen und da 350 habe 351 Zielvereinbarungen, die bei uns auch mit Prämien verbunden sind, auch verstärkt 352 gewisse Soft-Skills, gewisse Mitarbeitergesprächsziele in die Zielvereinbarungen 353 einfließen. Prämiensystem heißt, Unternehmenserfolg Konzern, Unternehmenserfolg 354 Standort und persönliche Ziele und diese Mitarbeiterführungsaufgaben als Ziel in den 355 persönlichen Zielen drinnen sein müssen, umso leichter werden die dann auch dann 356 Ernst genommen von den nachgelagerten Führungskräften, weil wenn er nur sagt, 357 wir brauchen das, ist es zu wenig. Es muss messbar, spürbar werden. ich jetzt verstärkt meine Chefs dafür gewonnen, dass bei den 358 116 359 I: Konkret sichtbar im Rahmen dieser Vereinbarung zwischen Führungskraft und 360 Mitarbeiter. 361 362 IP: Genau, da wird es auch formalisiert, standardisiert und wenn es dann heißt, 20 363 bis 30% sind also persönliche Ziele und wenn da ein Ziel Mitarbeiterführung ist, 364 passiert das nicht, ich habe so viele Sachaufgaben, ich komme zum Führen gar 365 nicht. Und das ist ein steter Kampf und dass Zielvereinbarungen mit Prämien 366 verbunden sind, hilft Führungskräfte nachgelagert zu motivieren, dass sie neben den 367 Fach- und Sachaufgaben auch die Führungsaufgaben mehr wahrnehmen. Das ist da 368 der Punkt. 369 370 I: Auch hier so wie vorher die Frage: Welcher Zusammenhang besteht für Sie 371 zwischen dem Rollenbild, das sie grad beschrieben haben und einer Lean 372 Einführung? 373 374 IP: Ich glaube, dass, obwohl wir den Lean Gedanken über die Produktion im Hause 375 eigentlich begonnen haben, bewusster zu machen, auch wenn ich schon von Haus 376 aus schon gesagt habe, ich bin nicht der Personalentwickler, ich bin einer der hilft, 377 Personal zu entwickeln hat sich das Bild vielleicht ein bisschen gewendet, wenn ich 378 diesen 379 wahrscheinlich auch helfen, in den ganzen Produktionsprozessen diesen Lean 380 Gedanken, versuchen zu nutzen, umzusetzen, weil wir halt dann damit effizienter, 381 mit weniger Fehlern, also alles was dazu gehört, produzieren. Also von der Vorreiter 382 Lean Production, jetzt Lean Führungsgedanken, dass man da jetzt so ein bisschen, 383 wie soll man es am besten formulieren, das es eine Kulturführungsfrage bei uns im 384 Haus ist. Lean führen heißt, auch Lean produzieren zu können. Lean Führungsgedanken Ernst nehme und tue, dann kann dies 385 386 I: Als Voraussetzung. 387 388 IP: Als Voraussetzung. 389 390 I: Als Handlungsweise. 391 117 392 IP: Als grundsätzliche Handlungsweise, dass es auch im Leitbild nicht nur steht, 393 sondern auch rüberkommt, genutzt, gesehen wird und gemacht wird. 394 395 I: Das wäre glaube ich schon die Überleitung zur nächsten Frage. Welche 396 Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf dieses Rollenbild? 397 398 IP: Einfach dieses Bewusstmachen, Bewusstmachen, um das noch einmal zu 399 unterstreichen. Bewusstmachen, dass schlankes Führen Effizienz automatisch in 400 sich hat. Nicht nur ermöglicht, sondern schlankes Führen heißt, wirklich vor Ort, face- 401 to-face in überschaubaren Größen. 402 403 I: Dann, welcher Zusammenhang besteht für Sie zwischen Lean und den 404 Maßnahmen zur Personalentwicklung im Unternehmen? 405 406 IP: Vielleicht 2, 3 Aspekte auf diese Frage. Die Qualifikation, die nachhaltige 407 Qualifikation der Führungskräfte zum Ersten, zum Zweiten das Einfordern im 408 Führungssystem durch Zielvereinbarungen, dass man das auch als Ziel laufend 409 sieht. Und der 3. Gedanke, dass es einen im Betrieb geben muss, der halt dieses, 410 mir fällt jetzt kein besserer Begriff als das schlechte Gewissen ein, der dieser 411 Controller, wenn man das jetzt finanztechnisch sieht, schlechte Gewissen, der dieser 412 gute Geist, der da das Thema am Leben hält, nachhaltig am Leben hält, sagen wir 413 so. Dass es eine Person gibt und das würde ich in meinem Rollenbild verankert 414 sehen, der auf dem Thema… ob das jetzt in der Mitarbeiterzeitung, bei 415 Mitarbeiterveranstaltungen, bei Mitarbeiterevents dieses Thema Lean führen, Lean 416 produzieren, dass das Hand in Hand gehen muss. 417 418 I: Und welche Auswirkungen hat die Einführung von Lean auf die 419 Personalentwicklung? Ich habe es jetzt speziell auf Maßnahmen der Aus- 420 /Weiterbildung und das Karrieremanagements bei Ihnen im Haus genannt? 421 422 IP: Auf die Personalentwicklung und auf die Personalabteilung, wenn ich das ein 423 bisschen breiter formulieren darf, dass wir eine kleine Abteilung sind, die 424 Personalmanagement im Hause führt, es gibt mich als Personal-/HR-Manager, es 118 425 gibt eine Assistentin, die mich in der Personalentwicklung administrativ, in der 426 Schulungsadministration unterstützt. Es gibt eine Personalverrechnerin und es gibt 427 eine Personaladministratorin, die auch Arbeitszeitadministration macht, d.h. wir 428 kämpfen mit diesen sehr engen Ressourcen, ich sage jetzt 5 Leute im 429 Personalbereich für 500 Mitarbeiter, diese Kenngröße, 1 Personalist für 100 430 Mitarbeiter, die es irgendwo gibt in der Lehre und auch in der Wissenschaft und in 431 der Praxis. Wir versuchen da wirklich, dadurch dass wir sagen, ihr müsst es tun, 432 auch uns als Support-Abteilung klein zu halten. 433 434 I: Selbst schlank aufzustellen. 435 436 IP: Selbst schlank beispielhaft aufzustellen, wiewohl ich schon gerne manchmal eine 437 Assistentin hätte, die mich also bei den Maßnahmen unterstützt, indirekt hole ich mir 438 dann Trainer, Referenten herein und trainiere irgendwelche Sachen, aber selbst 439 klein, schlank und fit zu sein. Das ist also ein Beispiel. Weil eigentlich gäbe es auch 440 Argumente, da auszuweiten, umgekehrt versuchen wir halt da, uns da klein zu 441 halten, um ja nicht… so werden sie auch breit. Und auch ein Punkt, der noch dazu 442 gehört, weil ich zuerst gesagt habe, qualifizieren von Mitarbeitern effizient zu 443 machen, was wir intern mit eigenen Leuten nur zum Teil kann, weil gewisse Sachen, 444 obwohl ich die Experten im Hause hätte, ja nicht kann, in der Organisation - ist jetzt 445 nur ein Sidestep - von Qualifizierungsverbünden, wo wir Trainings in der Region, wo 446 wir Leitbetrieb sind, einkaufen, um primär unsere Führungskräfte, Mitarbeiter zu 447 qualifizieren, in dieser fitten, schlanken Art, schlagkräftig zu sein. 448 449 I: Ich würde noch gerne beim Karrieremanagement … ob es da Veränderungen im 450 Sinne der Karrierearten gegeben hat durch Veränderungen in der Organisation, 451 Aufbauorganisation? 452 453 IP: Ganz ein wichtiger Punkt. In der Form, dass wir Trainees ausbilden, dass also 454 wir, da kommt auch jetzt die internationale Seite bei uns dazu, dass wir bei uns in der 455 der Ausbildung von Trainees, Trainees heißt bei uns, gut qualifizierte Leute, HTL- 456 Leute, FH-Absolventen durch 3 bis 5 Ausbildungsblöcke in 9 bis 15 Monaten 457 durchqualifizieren, wo sich erst am Schluss des Programms herausstellt, wo die 119 458 landen, die in dieser Denke, flexibel, gut ausgebildet, bereichsübergreifend 459 einsetzbar, handeln. Das ist das große Traineeprogramm und dass wir es durch 460 diese Trainees, die wir haben, schaffen, Fachexperten wie auch Führungskräfte für 461 Job-Rotation-Geschichten freizuspielen, um auch eine andere Welt, als die der 462 eigenen Abteilung nur zu sehen. D.h. dass was wir eingangs einmal erwähnt haben, 463 damit ich effizient, schlank arbeiten kann, muss ich auch andere Bereiche verstehen, 464 also dass man hier wirklich Qualifikationsprogramme, Traineeprogramme, große Job- 465 Rotation, im kleinen, bis hin der Grundsatz, wenn wir Fachexperten suchen, oder 466 auch Führungsnachwuchs suchen, immer zuerst im Haus schauen, d.h. nach Loch 467 auf, Loch zu, das ist schon richtig, aber am Beispiel einer Abteilung, also hätte diese 468 Karrieremöglichkeiten junge, fitte Leute, gut ausgebildet im Betrieb breit erfahren, 469 fördern. 470 471 I: … von innen heraus. 472 473 IP: Interne Stellenausschreibungen, und alles, was damit auch dazu gehört. 474 475 I: Wir sind mehr oder weniger durch. Meine abschließende Frage, was ich jetzt 476 vielleicht nicht habe, aber Sie vielleicht noch gerne anmerken würden oder ergänzen 477 würden, was wir vorher vielleicht nicht, was ich nicht konkret abgefragt habe, das 478 wäre meine abschließende Frage. 479 480 IP: Wenn man es jetzt noch einmal schnell Revue passieren lässt. Vielleicht als eine 481 Antwort, um dieser Modewelle, das jetzt angeblich wesentlich mehr Mitarbeiter burn- 482 out gefährdet sein, als früher, entgegenzuwirken, ich halte es für eine Modewelle, die 483 Sensibilisierung ist heute eine ganz andere, ich behaupte, dass sich dieses Bild nicht 484 dramatisch verändert hat, sondern es wird einfach sensibler wahrgenommen, aber 485 damit wir also Mitarbeiter nicht über Gebühr ausbeutet oder über Gebühr nutzt, 486 einfach diese Humanressourcen-Geschichte mit dem richtigen Umfeld, das ist 487 wichtig, damit ich volle Kraft auf Schiene von Mitarbeitern und Führungskräften 488 bekommen kann, muss auch das Umfeld passen. Dieses soziale Wohlfühlen, wie 489 wohl natürlich das Nutzen der Mitarbeiter – und da kommt den Führungskräften – 490 was heißt führen - führen heißt, Mitarbeiter zu deren Vorteil befähigen, dass man da 120 491 dieses volle Kraft auf die Schiene bringen, aber nicht ausbeuten oder ausnutzen, weil 492 dann geht es auf Krankheit, Burn-Out und was so kommt, also dieses Thema, wenn 493 ich Lean führe, Lean im Betrieb betreiben will, brauche ich diese Ausgewogenheit, 494 sich über die eigenen Fähigkeit auf Schiene bringen, dass ich auch das Umfeld 495 mitbeachte. Das ist glaube ich ein ganz wichtiges Thema, das ist die ganze 496 Unternehmenskultur, es ist auch das ganze auch klare trennen, das ist Job, das ist 497 privat. Wo ja die neuen Medien, das Handy und Internet nehme, ich bin rund um die 498 Uhr, 7 Tage die Woche erreichbar, dass man dort auch klar sagt, was erwarte ich, 499 dass man da – da sehe ich – da sind wir jetzt wahrscheinlich nicht beim Lean 500 Management, aber das ist ein wichtiges Thema, muss ja nicht gleich soweit gehen, 501 wie es andere Unternehmen machen, dass sie sagen, sie sind netzmäßig ab 17.00 502 Uhr nicht mehr zu erreichen, also dass man da diese Trennung Job und privat nicht 503 zu sehr unterstützt, oder gefördert, oder gefordert von den neuen Medien, zu sehr 504 aufweicht. Da droht etwas, was man mit Lean Management – denkst halt zuhause 505 weiter, mach das bis morgen und ich bin jetzt nicht der, der sagt, Arbeitsleistung 506 muss genau Arbeitszeit sein, da bin ich schon für eine breites Verständnis von 507 Arbeitszeit, aber dieses doch Job ist Job, Freizeit ist Freizeit und da gibt es eine 508 Grauzone, aber die Grauzone kann nicht 24 Stunden, 7 Tage die Woche sein. Das 509 wollte ich vielleicht noch so als Aspekt sagen. 510 511 I: Da nehme ich dann auch so mit, ich würde das Bild dann so beschreiben. Ich habe 512 einerseits als Unternehmer also die Verantwortung, eben diese Umgebung in Form 513 der Kultur, der konkreten Arbeitsorganisation zu schaffen und habe dann von allem, 514 ich glaube das zieht sich auch durch das, was Sie sagen, eine ganz, ganz besondere 515 Verantwortung liegt bei den Führungskräften, dass dieses Einschätzen, fördern, 516 qualifizieren, aber gleichzeitig nicht überfordert sein, ja dieses Leadership oder 517 Führungsaspekt, weil… 518 519 IP: Genau, die Führungskraft muss befähigt sein, den Mitarbeiter als Person, nicht 520 nur als Mitarbeiter, damit meine, der Mitarbeiter hat eine Firmenrolle und hat auch 521 eine private Rolle, ohne dass ich jetzt sage, das Privatleben ist zu sehr das Thema, 522 aber den Mitarbeiter als Person, als Gesamtperson zu sehen, der ein Privatleben 523 hat, mit Kindern, Familie und drum herum und diese Ausgewogenheit, diese 121 524 Qualifikation. Und das ist eine riesen Herausforderung für die Führungsgeschichte 525 und man lernt ja nicht wirklich führen, nicht in der Schule, nicht auf der Uni, auch 526 nicht in den FH‘s. 527 528 I: Das ist on-the-job par excellence. Man sagt es zwar nie in dem Kontext, aber … 529 530 IP: Es ist on-the-job und das sind die Leute, die also in der Jugend irgendwo in 531 Jugendorganisationen Funktionen haben, in der Jungschar fängt das an, oder bei 532 den Pfadfindern, um jetzt ein paar Beispiele zu nennen, dass man lernt, mit Leuten 533 umzugehen, zu führen. Und das ist glaube ich, ist ein riesen Thema. 534 535 I: Vielen herzlichen Dank. 122 1 Interview 8: 17. September 2012 / 08.30 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Meine 1. Frage an Sie. Was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? 5 6 IP: Also Lean wäre für mich bezogen auf die Wertschöpfungskette, dass diese 7 möglichst effizient gestaltet wird und Richtung Kunde ausgerichtet wird, d.h. alle 8 Aktivitäten aufeinander abstimmen und dann Richtung Kunde auszurichten. Da geht 9 es jetzt weniger um Automatisierung oder STP-Rate, sondern da geht es mehr um 10 Organisation, um ganzheitliche, gesamthafte Organisation. 11 12 I: Aus Ihrer Wahrnehmung, wie wird Lean in Österreich in Unternehmen angewendet 13 wird, in welchen Branchen? 14 15 IP: Also wenig bisher, es gibt Lean z.B. im Financial Services-Bereich aus meiner 16 Wahrnehmung, wenn dann hauptsächlich in den Bereichen Back-Office und jetzt 17 weniger so in diesen klassischen Vertriebsbereichen. Es ist jetzt weniger auch in 18 Österreich, eher mehr in Deutschland. Ich glaube, dass dieses Thema Lean sehr 19 stark verbreitet ist in der Industrie, wo man da sehr viel weiter ist. Es wird auch 20 übernommen in alle möglichen anderen Industrien und es findet natürlich auch 21 Eingang im Financial Services-Bereich, aber so, dass es methodisch, umfassend, 22 richtig angewendet wird, das habe so noch nicht wahrgenommen. Eine Zeit lang war 23 dabei auch Six Sigma aktuell. Da hat es Projekte gegeben, so im Six Sigma-Umfeld 24 im österreichischen Financial Services-Bereich. Aber selbst da sind die Projekte, 25 entweder weil es falsch angewendet wurde, dann quasi gescheitert, oder es ist dann 26 gar nicht zu den Projekten gekommen. 27 28 I: Da würde ich gerne einhaken mit dem Scheitern. Was waren da die 29 Herausforderungen, woran ist das gescheitert respektive gibt es da auch 30 unterschiedliche Zugänge im Sinne werkzeugorientierter Zugang oder eher ein 31 kulturorientierter Zugang. Wie sehen Sie das? 123 32 33 IP: Es scheitert in dem Fall, das einfach der Anwendungsbereich, wofür man es 34 angewendet hat, der falsche war. Man hatte hier konkret versucht, das Thema 35 Datenqualität damit zu optimieren und das zu sehr methodisch, zu sehr 36 werkzeughaften Form und weniger versucht, dass hier gesamthaft, so wie es auch 37 vorgesehen ist, gesamthaft, umfassend dann auch dieses Thema dort dann auch zu 38 etablieren. 39 40 I: Wie schätzen Sie das ein, was sind die häufigsten Gründe, dass Lean in einem 41 Unternehmen eingeführt wird? 42 43 IP: Einfach der Effizienzdruck, der Kostendruck, weniger jetzt das ganze mehr 44 Richtung, weniger jetzt, mehr Richtung Flexibilität, sondern Richtung Kunde, sondern 45 es ist einfach Kostensenkung. 46 47 I: Der Titel meiner Master Thesis lautet ja Lean Human Resources. Was wäre eine 48 Assoziation, was würden Sie darunter verstehen, wenn ich sage Lean HR? 49 50 IP: Also man muss jetzt unterscheiden in HR zwischen den mehr administrativen 51 Prozessen, also die Lohnabrechnung, oder beispielsweise Spesenabrechnung und 52 den 53 Mitarbeiterentwicklung, usw. Also grundsätzlich, das Thema Lean hat sich, ist 54 mittlerweile auch verbreitet auch auf diese klassischen Supportprozesse, wie z.B. 55 auch HR und die während es bei diesen administrativen Prozesse geht, das Ganze 56 in guter Qualität, mitarbeiterorientiert, einfach abzuwickeln, geht es bei diesen eher 57 strategischen Themen, wie Recruiting beispielsweise, die richtigen Mitarbeiter am 58 Markt für die Firma dann zu finden, die auch für die Firma zu begeistern und damit 59 quasi in die Firma aufzunehmen, Punkt 1, oder Punkt 2, sie dann auch zu entwickeln. 60 Das 61 Mitarbeiterentwicklung auch das Thema Teamwork, also gewisse Prozesse da, zu 62 etablieren, auch HR-nahe Prozesse dann zu etablieren, die für die Anwendung von 63 Lean 64 Assessmentfeedbackprozesse, ein gewisses Teamwork dann auch zu etablieren. mehr ist so das diesen eine essentiell strategischen Thema. notwendig Das sind, Aufgaben, Zweite z.B. ist, wie z.B. darüber regelmäßige das hinaus, Recruiting, über die Reviewprozesse, 124 65 Also da geht dann sehr stark darum, dass Lean dann Teil einer Unternehmenskultur 66 wird, oder die Unternehmenskultur dann auch wesentlich prägt und da hat HR dann 67 sicherlich eine sehr tragende Rolle. 68 69 I: Besteht ein Zusammenhang aus Ihrer Sicht zwischen der organisatorischen 70 Einbettung in der Betriebshierarchie von HR oder der Leitung HR und einer Lean- 71 Einführung? Sehen Sie da einen Zusammenhang? 72 73 IP: Also HR ist jetzt in der Regel jetzt zumindest in Unternehmen, wo ich bin, ist so 74 zweigeteilt, eben diese rein administrativen Funktionen und dann dieses andere 75 Thema, wo es darum geht, die richtigen Mitarbeiter zu finden und zu entwickeln und 76 da auch gewisse HR-Prozesse dann auch zu prägen. Also das letztere ist sicherlich 77 das, es ist wichtig, dass es irgendwo, dass es irgendwo an zentraler Stelle dann 78 auch etabliert ist, organisatorisch, dass man sagt, unter dem CEO, dann ist es, gibt 79 es dann dieses HR, dieses strategic HR, wo man dann auch in der Position ist, um 80 dann diese Themen dann auch in diese operativen Prozesse, wertschöpfenden 81 Prozesse dann reinzutragen und dann zu etablieren. Also ich glaube schon, dass 82 das auch organisatorisch an der richtigen Stelle HR, zumindest diese strategischen 83 Themen dann auch verankert werden müssen. Ich meine, es hängt auch ein 84 bisschen davon ab, ob es dann eher Manufacturing ist oder eher im Services- 85 Bereich, wie z.B. Financial Services, im letzteren ist es sicherlich dann nochmal 86 wichtiger, dass da HR diese Rolle auch irgendwo in der Organisation dann auch 87 berücksichtigt ist. 88 89 I: Das leitet auch schon über zu meiner nächsten Frage, es ist da schon 90 durchgeklungen, nämlich das Rollenbild von HR, dass es anscheinend auch wichtig 91 ist, nicht nur eben eine sehr prominente Positionierung in der Hierarchie zu haben, 92 sondern auch so eine Rolle strategischer Business Partner im Sinne eines 93 Rollenbildes. Sehen Sie das auch so? 94 95 IP: Sehr wohl. Also die HR steht hier beratend, unterstützend und auch gestaltend 96 mit den Kern-Business-Bereichen in Kontakt, um eben diese Themen wie z.B. 97 Qualifizierung der Mitarbeiter, Empowerment der Mitarbeiter, Team, diese 125 98 Etablierung von Teamarbeit, usw., um das auch in diese operativen wertschöpfenden 99 Prozesse dann auch reinzutragen. 100 101 I: Die Auswirkungen auf Personalentwicklung sind auch schon vorher ein bisschen 102 durchgedrungen und meine Frage noch konkret wäre noch. Welche Auswirkungen, 103 glauben Sie, hat die Einführung von Lean auf Personalentwicklung, wenn man Aus- 104 und Weiterbildung und Karrieremanagement ansieht. 105 106 IP: Welche Auswirkungen Lean auf die Karriereentwicklung hat… Man sollte 107 wegkommen von diesen klassischen Linie, hierarchischen Linien-Organisationen und 108 hin einfach zu Rollen, die man jetzt innerhalb des Unternehmens hat, um einfach 109 auch eine Perspektive für die Menschen zu schaffen, zu gewissen Karrierepfaden. 110 D.h. dass man jetzt nicht einen Abteilungsleiter hat, sondern dass man hier z.B. 111 einen Chief Expert hat, dass man einen Koordinator hat für das „Geschäft“, also das 112 man einfach jetzt nicht mehr diese starren Linienorganisationen hier weiterhin hier 113 etabliert, sondern hin einfach zu Rollen und hin zu flexiblen Karrierepfaden dann 114 kommt. 115 116 I: Welcher Zusammenhang besteht zwischen Lean und den Maßnahmen zur 117 Personalentwicklung in einem Unternehmen 118 119 IP: Also die Personalentwicklung, die Qualifizierung, das Training muss natürlich 120 dann darauf ausgerichtet sein, um dieses Lean-Kompetenz dann auch den Leuten 121 dann auch weiterzugeben und es muss dann auch ein Anreiz, eine Incentivierung 122 sein, dass man dann auch Lean, wo man gewisse Kennzahlen dann auch messbar 123 macht, dass man abhängig davon, dass das in irgendeiner Form incentiviert ist, also 124 Incentivierung von monetär und zum Zweiten Incentivierung von Weiterkommen im 125 Karrierepfad. Dass man relativ flexibel die Leute, die Lean lebt ja auch davon, dass 126 man die Wertschöpfungskette ganzheitlich optimiert, dass man die Leute auch 127 flexibel einsetzt in anderen Bereichen der Wertschöpfung, wo sie dann einfach 128 dieses Wissen aus ihrer früheren Tätigkeit dann auch sehr gut einbringen können, 129 um einfach dieses end-to-end Verständnis, für die Wertschöpfung für das was das 130 Unternehmen macht, dann auch zu schaffen. 126 131 132 I: Also Lean ist ja auch, um es ein bisschen zusammenzufassen, einerseits ein 133 methodischer Begriff, aber gleichzeitig geht es ja auch um Prinzipien im Sinne von 134 Effizienz- und Effektivitätssteigerungen. 135 136 IP: Mhm, zweifellos. Also Effizienz alleine ist zu wenig, es geht darum, den Kunden 137 zu verstehen und dann diese Aktivitäten, eigentlich geht es dann auch um Prozesse, 138 um operative Prozesse, es geht nicht um Aufbauorganisationen, genau darauf 139 auszurichten, damit man hier diese Kundenbedürfnisse entsprechend zu akzeptablen 140 Kosten und vor allem dann auch sehr zielorientiert dann auch bedient. 141 142 I: Gibt es noch etwas, was ich jetzt hier nicht bei meinen Fragen berücksichtigt habe, 143 was Sie mir noch mitgeben wollen zu dieser Thematik? 144 145 IP: Nicht viel mehr, außer das HR da sicherlich eine zentrale Rolle im Rahmen von 146 solchen Lean-Konzepten dann auch zukommt, wo HR einfach als Partner für die 147 wertschöpfenden Einheiten hier unterstützt, weil dies letztendlich lebt es davon, wie 148 stark – es ist eine Veränderung – und wie stark sind die Mitarbeiter bereit, diesen 149 Weg zu gehen, wie stark sind die Mitarbeiter bereit, sich dafür zu engagieren. Es lebt 150 auch davon, dass sich die Mitarbeiter sehr stark für diese jetzt im Sinne dieses Lean- 151 Gedankens dann auch einbringen und das HR hier die Rahmenbedingungen schafft 152 im Sinne von Qualifizierung, im Sinne von Incentivierung, im Sinne von Teamarbeit, 153 Kooperation, damit dieses Lean dann auch wirklich gelebt wird. Also ich glaube, so 154 ganz eine zentrale Rolle eigentlich eine Voraussetzung, damit das Lean auch 155 erfolgreich in einem Unternehmen werden kann und auch im Sinne der 156 Veränderungsgeschwindigkeit, ich meine, man muss auch darauf Rücksicht nehmen, 157 dass Lean, dass es eine große Veränderung ist und solche Veränderungen brauchen 158 Zeit und dass man das auch mit der richtigen Geschwindigkeit, nicht zu langsam, 159 auch nicht zu schnell, dann auch in einem Unternehmen dann etabliert. 160 161 I: Also dieser Aspekt des Change-Prozesses im Rahmen von Lean ist ein ganz, ganz 162 bedeutender? 163 127 164 IP: Ja, mhm. Also man sollte Lean keinesfalls dogmatisch anwenden, daran habe ich 165 gesehen, sind die Dinge dann auch gescheitert, wo dann die Mitarbeiter in einer 166 Abteilung gemeint haben, denen geht es ja nur darum, dass man dann irgendwelche 167 Prinzipien umsetzt, sondern es geht wirklich darum, dass man einfach diesen 168 Ergebnisbeitrag, den man damit schafft im Rahmen der Wertschöpfung, dass der 169 auch für die Mitarbeiter sichtbar ist und für jeden Einzelnen dann auch sichtbar ist, 170 weil nur dann wird man die Akzeptanz dafür haben. Effizient will jeder sein, die Frage 171 ist, wie kommt man dorthin, mit welchen Instrumenten und vor allem auch mit wie 172 bringt man die Mitarbeiter dazu, dass sie sich entsprechend diesem Gedanken dann 173 auch im Unternehmen dann auch danach arbeiten. 174 175 I: Jetzt ist mir doch noch eine Frage eingefallen, und zwar. Ursprüngliche Lean- 176 Konzepte stammen aus der Autoindustrie, Fertigungsindustrie. Ist das glauben Sie 177 eine große Herausforderungen, auch deswegen, dass vielleicht bei administrativen, 178 Nicht-Fertigungsprozesse, weil es einfach ein großer Unterschied ist, oder dass man 179 sagt, man kann jetzt nicht 1:1 eine Fertigungsstraße auf einen administrativen 180 Prozess anlegen… 181 182 IP: Man muss es halt anpassen, man muss sagen, was ist der Kunde, was will der 183 Kunde. Wenn das jetzt rein administrative Aufgaben sind, z.B. die Lohnabrechnung. 184 Der Kunde ist dann der Mitarbeiter, der will dass zu einem bestimmten Zeitpunkt der 185 richtige Betrag auf seinem Konto ankommt, eine gewisse Flexibilität, im Sinne der 186 Spesenabrechnung, oder wenn er irgendwie im Voraus irgendwas bezahlt werden 187 soll. Also man muss es einfach anpassen auf die Situation, es ist halt ein anderer, 188 ein interner Kunde und man muss die Wertschöpfung als Ganzes sehen, man muss 189 sich klar sein, was ist der Beitrag, wenn ich jetzt, wenn der Mitarbeiter jetzt mit dieser 190 Qualität, also mit dieser Präzisierung, mit dieser Flexibilität jetzt im HR jetzt bei den 191 administrativen Prozessen dann auch dann damit von HR aus unterstützt wird oder 192 bedient wird, also es ist schon, ich glaube schon, notwendig, überall dort, wo ich… 193 natürlich gibt es auch Grenzen bei Lean. Die Grenzen sind bspw. Bei sehr 194 individuellen, bei sehr individuellen Prozessen dann sicherlich auch, es muss 195 irgendetwas widerholbares, es muss irgendwie ein Prozess sein, der wiederholbar 196 ist. Es gibt sicherlich Grenzen, aber ich glaube schon, dass man auch bei diesen 128 197 Support-Prozessen das Ganze entsprechend dann so aufsetzen kann, das es auch 198 Sinn macht und etwas bringt. 199 200 I: Noch eine allerletzte Frage. D.h. auch – noch einmal einen Sprung 201 zurückzumachen – d.h. auch der Aspekt, weil Sie gesagt haben, dogmatischer 202 Zugang, auch die Unternehmenskultur ist durchaus entscheidend. Also man kann, 203 also im Umgang mit so einer Lean-Implementierung gibt es jetzt kein Schema F, 204 sondern man muss wahrscheinlich schauen, wie das Unternehmen als solches 205 aufgestellt ist, nicht nur im Sinne der Prozesse, aber auch als gesamtes vom 206 organisatorischen Framework her oder auch von der Unternehmenskultur. Würden 207 Sie das auch so sehen? 208 209 IP: Durchaus. Es muss irgendwo dieser Drang Richtung Effizienz, dieser Drang, den 210 Kunden auch flexibel und sehr effektiv dann auch zu bedienen, das muss irgendwo 211 in der Unternehmenskultur dann auch verankert sein. Das reicht nicht, wenn das nur 212 in der Unternehmensführung der Fall ist. Es reicht auch nicht, wenn das nur bei 213 gewissen Schlüsselmitarbeitern der Fall ist. Es muss wirklich quer durch das 214 Unternehmen, die Unternehmenskultur auch prägen, dass dort, wo man irgendwo 215 sieht, dass es Ineffizienzen gibt, dass jeder sich dazu berufen fühlt, das auch 216 aufzuzeigen und da auch irgendetwas dagegen zu tun. 217 218 I: Stichwort tolerante Fehlerkultur und Fehler ist Chance für Verbesserung. 219 220 IP: Genau, ja. 221 222 I: Vielen herzlichen Dank. 223 224 IP: Gerne. 129 1 Interview 9: 20. September 2012 / 11.00 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 I: Meine 1. Frage, was verstehen Sie unter dem Begriff Lean? 5 6 IP: Der Begriff Lean spiegelt für mich wider, dass Dinge, die nicht erforderlich sind, - 7 um einen Prozess zu gestalten, ein Ergebnis zu erzielen - weggelassen werden. 8 Lean heißt für mich wörtlich übersetzt, schlank, d.h. alles was an zusätzlichen 9 Dingen, an Speck angesetzt werden kann, wird weggelassen. Das ist einerseits im 10 Beratungsprozess, dass man eben keine Sonderlocken strickt, dass man bestimmte 11 Sonderwünsche weglässt und dass man sich auf den wesentlichen Inhalt fokussiert. 12 13 I: In Ihrer Wahrnehmung, wie wird Lean einerseits in Ihrem Unternehmen aber 14 andererseits auch in Ihrer Beraterfunktion in Österreich angewendet? 15 16 IP: Ich möchte auf eine Ausprägung von Lean eingehen. Für mich ist es unter dem 17 Stichwort „Scrum“ eine Art von Lean im Softwareentwicklungsprozess anzuwenden, 18 wobei man sagen muss, Softwareentwicklung ist in unserem Beratungskontext nicht 19 nur, wir erstellen ein Produkt, implementieren das und ziehen von dannen. 20 Softwareentwicklung heißt bei uns, dass wir zuvor die Prozesse beim Kunden 21 analysieren und dass wir die Lösung prozessentsprechend kreieren. Demzufolge 22 werden 23 Anforderungsmanagement und Entwicklung koppelt, um schnell zu Ergebnissen zu 24 kommen und nicht nach dem alten Wasserfallmodell riesige Konzepte zu schreiben, 25 die man dann in die Softwareentwicklung bringt. D.h. wir verwenden das dort, wo es 26 der Kunde bereits einsetzt und wir gehen mehr und mehr dazu über, in komplexen 27 Integrationsprojekten diese Idee von „Scrum“, nämlich iterativ zu entwickeln, zu 28 integrieren. Das ist ein Feld, wo das Thema Lean eine Rolle spielt, für mich selbst in 29 der täglichen Arbeit bedeutet Lean, sich auf Dinge zu fokussieren, wie eingangs 30 erwähnt, die wichtig sind und Dinge, die eine Art von Speck und Overhead bedeuten, Scrum-Elemente eingesetzt in der Form, dass man 130 31 dort zu machen, wo ich es für sinnvoll erachte, aber auch wegzulassen, wo sie nicht 32 zielführend sind. 33 34 I: Was würden Sie als Gründe oder als Grund nennen, warum mit Lean überhaupt 35 begonnen wird, oder mit Verschlankungsmaßnahmen? 36 37 IP: Es beginnt immer dort, wo ein Unternehmen begrenzte Ressourcen hat, d.h. 38 einerseits finanzieller Art, andererseits aber auch personeller Art, was natürlich 39 irgendwann in finanziellen Dimensionen mündet. Es beginnt dort, wo ich steigende 40 Anforderungen habe, hierzulande, und besonders auch bei meinen Klienten die 41 regulatorischen Anforderungen und das einer begrenzten, oder sogar rückläufigen 42 Ressourcenverfügbarkeit gegenüber steht. Dort beginne ich, Lean einzuführen, in 43 dem ich mir überlege, was muss ich wirklich tun, was ist notwendig und wie kann ich 44 es so schneidern, dass ich möglichst mehrere Anforderungen auf einmal abdecke. 45 Wo muss ich darüber nachdenken, schnell zu reagieren. Also Lean beginnt immer 46 dort, wo ich knappe Ressourcen habe, wo ich schnell reagieren muss und wo ich 47 erkenne, das nur durch das Fokussieren auf das Wesentliche ich überhaupt noch 48 überleben kann. Also Lean ist eigentlich für mich eine Überlebensfunktion. 49 50 I: Geht also auch in Richtung Thematik der Wettbewerbsfähigkeit? 51 52 IP: Beim Kunden, oder bei uns bei den Beratern? Beim Kunden geht es darum, wie 53 schaffe ich es, diese Anforderungen zu erfüllen. Ich bin in der Finanzdienstleistungs- 54 Branche tätig, d.h. wenn ich dem Regulator nicht gerecht werde, ja, dann ist meine 55 Existenz gefährdet, kriege ich im extremsten Fall die Lizenz entzogen, das ist auf der 56 Klientenseite, bei uns als Beratungshaus geht es natürlich auch ums Überleben, aber 57 es geht insbesondere darum, dass ich in dem Marktsegment, in der Branche, in der 58 ich tätig bin, auch glaubhaft bin. Wenn ich heute noch Projekte anbiete, bei denen ich 59 eine ausführliche Ist-Analyse mache, bevor ich dann dem Kunden eine Lösung 60 empfehle, dann hat der Kunde das Gefühl, dass ich sein Umfeld nicht verstanden 61 habe und dann wird er mit mir über kurz oder lang keine Aufträge mehr abwickeln 62 wollen. Also von daher im Endeffekt geht es immer ums Überleben. 63 131 64 I: Wie sind die Zugänge, auch aus Ihrer Praxis, aus Ihrer Wahrnehmung heraus, wie 65 diese Verschlankungsmaßnahmen, oder Lean Maßnahmen, welche Zugänge gibt es 66 da? Wie wird so etwas begonnen? 67 68 IP: Es gibt den schmerzhaften Zugang, nämlich dort, wo man schon kurz vor der 69 Wand steht. Da hilft es nur, diese Methodik oder diesen Gedanken von oben zu 70 verordnen und ihn anhand von Projekten, die für das Unternehmen richtungsweisend 71 sind, zu exekutieren. Dort, wo man noch einen gewissen Spielraum hat, kann man 72 durch das, wie auch in der Erziehung, durch Vorleben erzielen. D.h. das 73 Management verinnerlicht diese Denkweise, die Lean beinhaltet und lebt das den 74 Mitarbeitern vor. Das ist aber etwas, was nur dort einsetzbar ist, wo ich nicht ums 75 nackte Überleben kämpfen muss. Optimal ist natürlich eine kombinierte Form, d.h. in 76 einem Bereich, dem es vielleicht schlecht geht, die brachiale Tour anzuwenden, zu 77 sagen, ihr macht das jetzt nach diesen Prinzipien und lasst euch auch daran messen 78 und dort wo es noch gut läuft, zu sagen, vom Management her werden gewisse 79 Prinzipien vorgelebt und man geht mit den Mitarbeitern in einem längeren 80 Phasenplan langsam in diese Denkstruktur über. 81 82 I: Also auch einen sense of urgency zu schaffen, wenn auch jetzt noch nicht die 83 Bedrohung da ist… 84 85 IP: Ja… 86 87 I: … sondern eben diese Maßnahmen zu ergreifen, wenn es noch eine gute Zeit ist, 88 im Sinne, wo kann ich mich besser aufstellen… 89 90 IP: Ja… 91 92 I: … um eben genau nicht in diese Negativphase abzudriften, um das abzusichern. 93 94 IP: Ja, also nicht getreu dem Motto zu leben, uns geht’s eh noch gut und wir haben 95 noch lange Zeit. 96 132 97 I: Stichwort Schmerzen, schmerzhaft. Was würden Sie sagen, sind da die größten 98 Herausforderungen, weil das geht auch schon ein bisschen schon so in diese 99 Richtung, die Herausforderungen bei so einer Lean-Einführung. 100 101 IP: Die größten Herausforderungen sind, das Vertrauen, das das Management in 102 seine Mitarbeiter haben muss. Dass auf der einen Seite das Management das 103 vorlebt, dass aber auch das Management sicher sein muss, dass die Mitarbeiter 104 genügend Vertrauen dem Management entgegenbringen, damit sie wirklich glauben, 105 dass das eine Methode ist, die dem Unternehmen hilft. Wenn man so in unsere 106 derzeitige Wirtschaft hineinschaut, dann kann man erkennen, dass überall Vertrauen 107 verloren gegangen ist, nicht nur in der Politik, in allen Bereichen, in allen 108 Lebensbereichen und dass man dort, wo man Dinge verändern will, auch Dinge, die 109 vielleicht einschneidend sind, wo man Dinge weglassen muss, die man sich bequem 110 angefuttert hat, dass tut weh, das verursacht Schmerzen. Und das mache ich nur 111 dort, wo ich das Vertrauen habe, dass ich damit weiterleben kann und dass es damit 112 langfristig mir wiederum gut tut. D.h. für mich ist das Thema Vertrauen im 113 Zusammenhang 114 Schlüsselgröße. mit solchen einschneidenden Maßnahmen die absolute 115 116 I: Der Titel meiner Master Thesis hat den Überbegriff Lean Human Resources. Wenn 117 ich das so nenne, welche Assoziationen haben Sie dazu? 118 119 IP: Im ersten Moment klingt das für mich wie ein Widerspruch. Lean bedeutet 120 verschlanken, Mitarbeiter bedeutet immer, sich Zeit für Menschen nehmen. 121 Assoziation zunächst ein Widerspruch. Der löst sich dann auf, wenn man sich mit 122 dem, was hinter Lean steckt, beschäftigt. Menschen sind auf der einen Seite da, 123 dass man mit ihnen Zeit verbringt, auf der anderen Seite, wenn man es in den 124 Kontext des Arbeitslebens stellt, dann steht jeder an seinem Platz und hat eine 125 Aufgabe zu erfüllen. Und die ist so zu erfüllen, dass sie im Gesamtkontext eines 126 Unternehmens optimal abgewickelt wird, das bedeutet manches Mal, in schlanken 127 Strukturen zu agieren. Wenn ich auf der Bühne stehe, am Theater, muss ich nicht 128 schlank auftreten, dann kann ich meine Rolle ausfüllen, aber das ist nicht das 129 Arbeitsleben. Das ist für den Schauspieler das Arbeitsleben, aber nicht für die, über 133 130 die wir jetzt hier sprechen. D.h. ich würde in der 2. Assoziationsstufe sagen, Lean 131 und Human Resources, Personal, ist das Zusammenspiel in schlanken Strukturen, 132 meine Aufgabe optimal auszufüllen und dabei mich nicht als Mensch zu 133 vernachlässigen. 134 135 I: Das glaube ich beantwortet schon die nächste Frage. Welcher Zusammenhang 136 besteht zwischen Lean und Human Resources? Oder gibt es da noch einen 137 Gedanken, das war ja eigentlich schon fast die Antwort? 138 139 IP: Nein, es ist genau das. 140 141 I: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Positionierung, der 142 organisatorischen Positionierung in der Betriebshierarchie von Human Resources 143 bzw. der Leitung HR und einer Lean-Einführung? 144 145 IP: Muss ich ein bisschen ausholen, für mich bedeutet ein gelebtes Human 146 Resources, dass ich nicht nur einen Personalleiter habe, der eine Stabsfunktion zu 147 irgendeinem Vorstand darstellt, sondern für mich ist der oberste Human Resources 148 Chef der CEO eines Unternehmens. Von daher ist die Einordnung über diesen CEO 149 herzustellen, ob das dann noch separat als Stabsfunktion in HR positioniert wird, das 150 hängt davon ab, inwieweit die Organisation schon Lean kann und Lean integriert hat, 151 in die Struktur. Wenn ich am Anfang stehe, dann macht es Sinn, für eine gewisse 152 Zeit eine Lean-Funktion in HR anzusiedeln, wenn ich diese Idee schon verinnerlicht 153 habe, dann ist das die Persönlichkeit des CEO, wie er oder sie Prozesse gestaltet, 154 wo ich Lean ansiedeln muss. Und dann ist der CEO, wie eingangs erwähnt, der 155 oberste Personaler und hat damit diese Funktion. Die hat er schon als Person, als 156 Aufgabe in sich zu erfüllen. 157 158 I: Das geht auch schon so ein bisschen in dieses Rollenbild von HR, wo ich gerne 159 nachhaken würde. Wenn man sagt, welche Rollenbilder HR begegnen Ihnen oder 160 sind Ihnen begegnet, jetzt eben in dieser inhaltlichen Ausprägung und gibt es da 161 einen Zusammenhang zu einer Lean-Einführung in einem Unternehmen? Also 162 Stichwort Business Partner und diese verschiedenen Rollenbilder. 134 163 164 IP: Personal kann in diesem Zusammenhang die Aufgabe übernehmen, dass die 165 Mitarbeiter das Verständnis für Lean lernen, das heißt eine Trainingseinheit, eine 166 Einheit, bei der ich Fragen platzieren kann, bei der ich Rückfragen kann, für mich ein 167 Ressourcen- oder ein Know-How-Pool für Lean kann HR sein. Wenn das mal zu 168 einem späteren Zeitpunkt verinnerlicht ist, dann ist HR eigentlich, hat eigentlich keine 169 Sonderfunktion mehr im Zusammenhang mit Lean, sonst würde ich es ja außerhalb 170 des Unternehmens stellen. Es ist nur für die Einführung aus meiner Sicht 171 erforderlich, wenn ich Lean leben möchte im Unternehmen, die Prozesse Lean sein 172 sollen, dann muss ich das in jeder Abteilung, in jedem Bereich haben und zwar nicht 173 als Stabsfunktion, als Teil der Arbeit, als Teil der Prozesse. Und dann kann Lean im 174 HR-Bereich nur noch eine Restfunktion haben, also so nach dem Motto es kommen 175 neue Mitarbeiter, die kommen aus einem Unternehmen, die das nicht praktiziert 176 haben, schicken wir sie auf einen Kurs, den HR organisiert, aber holen wir sie dann 177 wieder ab und integrieren sie in der Abteilung und erläutern ihnen, was das für die 178 tägliche Arbeit bedeutet. Also kein Theoretisieren, das ist auch das, was ich aus der 179 täglichen Praxis und auch aus dem, wie es bei uns im Unternehmen gelebt wird. Wer 180 zu lange schult und zu lange die Verantwortung dem Personalbereich überträgt, der 181 schießt am Ziel vorbei, der hat dann eine weitere theoretische Ausbildung, hat aber 182 das Prinzip nicht verstanden und nicht ins Arbeitsleben integriert. 183 184 I: Das wäre so in Richtung gehend, es ist wirklich on-the-job, teilweise dann so quasi 185 ein Automatismus, den man jede Minute lebt, ohne darüber nachzudenken? 186 187 IP: Ja, genau. Es ist im Prinzip wie im täglichen Leben, wenn ich Trennkost lebe als 188 Ernährungsprinzip, dann mache ich vielleicht einen Kochkurs am Anfang und lese 189 ein Buch, um die Prinzipien zu verstehen, aber ich werde dann nicht im täglichen 190 Leben ein Buch neben dran legen und immer schauen, habe ich die richtige 191 Nährstoffgruppe erwischt. Ich verinnerliche das. Ich weiß, wenn ich Nudeln und 192 Kartoffeln esse, das ist dann die Kohlehydratgruppe und das kombiniere ich eben mit 193 was anderem. Nur ganz, aus dem anderen Lebensbereich, aber so als Vergleich, 194 glaube ich, ganz passend. 195 135 196 I: Da würde ich auch so raushören, sich eben nicht so sehr an Wörtern an sich, die 197 mögen bis zu einem gewissen Grad, für ein Grundverständnis zu schaffen, gut sein, 198 aber dann geht’s doch um ein Verinnerlichen von Handlungsweisen? 199 200 IP: Ja, eindeutig. 201 202 I: Auch schon vorher durchgeklungen, die Thematik des Trainings, wie Trainings HR 203 organisiert, in der Organisationsrolle. Meine Frage darauf aufbauen. Besteht für Sie 204 ein Zusammenhang zwischen Lean und Maßnahmen zur Personalentwicklung? 205 206 IP: Das besteht grundsätzlich, das würde ich noch nicht mal so sehr auf das Thema 207 Lean beschränken. Jedes Prinzip, was ich im Unternehmen anwenden möchte, jede 208 Grundidee, jede Grundhandlungsweise, die meine Mitarbeiter bei ihrer täglichen 209 Arbeit beachten sollten, spielt HR eine Rolle. Also bei jedem, nämlich dann, wenn ich 210 jemanden, der da vielleicht nicht mehr weiter kommt, der braucht vielleicht nochmal 211 einen Refresher und muss sich dann an jemand wenden können und das ist, wenn 212 es um so ein wichtiges Prinzip geht, zwangsläufig der Personalbereich. Bzw. wenn 213 dann ein Mitarbeiter nach diesem Prinzip nicht mehr leben kann, nicht mehr leben 214 will, muss er auch die Möglichkeit haben, mit Personal, und nicht mit seinem direkten 215 Chef sprechen zu können, sondern, und getreulich dem Motto, ich muss mir jetzt erst 216 mal darüber klar werden, wo ich hin will, einen Reflexionspartner zu haben, der nicht 217 sofort sagt, ja gut, dann kannst Du die Abteilung verlassen. Sondern dass man dann 218 über Personal einen Spiegel, gespiegelt kriegt, was denn jetzt die eigene 219 Einschätzung zu dem Thema bedeutet und was das für das Unternehmen bedeutet. 220 221 I: Das geht so ein bisschen fast in Coaching, Mentoring, Funktion, die HR in diesem 222 Kontext da ausübt? 223 224 IP: Ja, eindeutig. Aus diesem Grund ist es auch erforderlich, dass HR natürlich 225 einerseits außerhalb der normalen Hierarchie steht, aber andererseits im 226 Unternehmen verankert ist, und weiß, was das Unternehmen, welchen Zweck das 227 Unternehmen hat und was das Arbeitsergebnis sein muss. D.h. auf der einen Seite 228 theoretisch gebildet, außerhalb, um eine Möglichkeit zur Reflexion, zur neutralen 136 229 Reflexion zu geben, für den Mitarbeiter. Auf der anderen Seite aber so down-to- 230 earth, dass nicht theoretische Gebilde entstehen. D.h. HR hat für mich nach wie vor, 231 - ob das in Bezug auf Lean ist, oder auf andere Aufgaben, die Funktion, das 232 Unternehmen dahingehend zu unterstützen, dass die wichtigste Ressource, 233 Mitarbeiter, den Unternehmenszweck optimal erfüllen können - keine Sonderrolle. 234 Ganz, ganz wichtig. Ist leider bei vielen HR-Abteilungen, die haben sich zu 235 Selbstläufern entwickelt, ihre eigenen Unternehmensziele verfolgen, ganz schwierig, 236 dort wo Sie Mitarbeiter, wie im Beratungsumfeld, die einzige wichtige Ressource ist. 237 Denn damit kann man Mitarbeiter aus dem Unternehmen wegsteuern, indem man 238 ihnen Ideen einpflanzt, die im Unternehmen nicht realisierbar sind, ganz gefährliche 239 Sache. Aber geht jetzt, führt jetzt von Lean auch weg, weil das betrifft auch andere 240 Themen. 241 242 I: Aber es wäre in dem Kontext ein Thema, das halt das auch berühren würde, aus 243 dem heraus. 244 245 IP: Ja. 246 247 I: Eine Frage zum Thema, konkreter jetzt aus der Personalentwicklung heraus. 248 Welche Auswirkungen hat aus Ihrer Sicht Lean, einerseits auf Aus- und 249 Weiterbildungsthematik und andererseits auf Karrieremanagement, Karrieren. 250 251 IP: Zum ersten Teil der Frage, auf die Personalentwicklung hat es insofern 252 Auswirkungen, als ich verschiedene Kategorien von Mitarbeitern habe. Ich habe das 253 schon einmal erwähnt, einerseits das onboarding, ein Mitarbeiter kommt neu ins 254 Unternehmen, muss erst mal lernen, was bedeutet Lean im kulturellen Kontext 255 dieses speziellen Unternehmens. Dann weiter, wenn ein Mitarbeiter über Jahre im 256 Unternehmen ist, haben sich gewisse Dinge eingeschliffen, dann braucht man 257 vielleicht noch einmal einen Refresh auf die eigentlichen Ideen, die dahinterliegen. 258 Es ist so eine Art Innovationsanschub, dass man so etwas tut und auf der anderen 259 Seite Richtung Karrieremanagement. Das ist ein Thema, was sehr weit führend ist. 260 Auf der einen Seite, wenn man es für die fachliche Karriere betrachtet, dann heißt es, 261 ich muss Lean in meinem speziellen Aufgabengebiet weiterentwickeln. Ich muss 137 262 mich möglicherweise vernetzen mit gleichartigen Mitarbeitern aus anderen 263 Unternehmen, um zu verstehen, wie tun die das denn. Wenn man jetzt Karriere sieht, 264 als sich nach oben an die Unternehmensspitze entwickeln, dann muss ich die 265 Möglichkeit haben, und das ist erfahrungsgemäß schwer, das durch eine interne 266 Personalabteilung herzustellen, muss ich die Möglichkeit haben, zu sagen, was 267 bedeutet denn Lean, wenn ich den nächsten Karriereschritt mache? Denn Lean in 268 einer Stufe, wo ich noch Prozesse ausführe, hat eine andere Dimension, wie wenn 269 ich diese Prozesse nicht mehr ausführe, sondern Mitarbeiter steuere, die die 270 ausführen sollen. D.h. ganz wichtig ist es da, noch weitaus wichtiger, als bei dem 271 anfangs erwähnten Austauschen auf gleicher Ebene, dass man sich mit anderen 272 Unternehmen austauscht und einen Blick über den Tellerrand macht. Dass man 273 sieht, was es bedeutet, Menschen zu steuern, die dieses Prinzip, dieses Lean- 274 Prinzip anwenden sollen. Da kann ich nur empfehlen, oder da kann ich einfach nur 275 aus eigener Erfahrung und aus der Erfahrung, die ich mit den Kollegen teilen darf, 276 sagen, da heißt es, sich nach außen wenden und mit anderen Mitarbeitern außerhalb 277 des Unternehmens, mit anderen Menschen, die auch vielleicht in einer anderen 278 Branche tätig sind, auszutauschen. Also, es gibt ja genug Summer-Schools und 279 solche Einrichtungen würde ich dann nutzen. Das würde ich weniger im 280 Unternehmen selbst anbieten. Also einerseits auf der gleichen Ebenen, andererseits 281 auch außerhalb des Unternehmens, mich auszutauschen. Das halte ich für ganz 282 wichtig, dass man nicht zu lange im eigenen Saft schmort. 283 284 I: Ein Wort ist da gefallen, da würde ich noch gerne anknüpfen, weil es auch gerade 285 passt. Wie sehen Sie da die Rolle der Führungskraft in Lean-Prozessen oder am 286 Weg zu Lean? Jetzt eben, ich bin jetzt nicht mehr auf der Prozessebene, sondern bin 287 für die Prozesse verantwortlich und führe Mitarbeiter nach Lean-Prinzipien. 288 289 IP: Das hat 2 Dimensionen. Einerseits eine persönliche Dimension, das ist das 290 Vorleben, ich muss Dinge vorleben, wenn ich als Führungskraft nur 1. Klasse fliege 291 und nur in den teuersten Haubenlokalen speisen gehe, dann kann ich nicht von 292 meinen Mitarbeitern erwarten, dass sie sich Lean verhalten im Sinne von 293 kostenbewusst agieren, das ist die eine Dimension. Die andere Dimension, als 294 Führungskraft Prozesse zu steuern heißt nicht über Ahnungslosigkeit die Mitarbeiter 138 295 im Trüben fischen lassen, sondern über ein Wissen, was welchen Beitrag leistet 296 mein Bereich zum Erfolg des Unternehmens und sich auch mit den Dingen 297 auseinandersetzen und dann gemeinsam mit den Mitarbeitern eine Roadmap zu 298 entwickeln, wie kann ich die jetzigen Prozesse verschlanken, Lean machen, um den 299 Beitrag zum Unternehmen weiter zu sichern oder sogar zu optimieren. Also nicht 300 durch Ahnungslosigkeit glänzen, sondern sich mit den Inhalten auseinandersetzen. 301 302 I: Aktives Auseinandersetzen, aktives Einbringen, aktives Aufzeigen. 303 304 IP: Ja, und wenn ich es als Führungskraft nicht kann, weil ich da nicht ausgebildet 305 bin, dann hole ich mir jemanden, der das kann und versuche über denjenigen dieses 306 Know-How selbst zu gewinnen, selbst involvieren, nicht delegieren. So was kann 307 man nur erreichen durch vorleben und durch aktives Miteinbinden. Das ist es 308 eigentlich. 309 310 I: Noch vielleicht einen Gedanken, der mir jetzt gerade eingefallen ist, weil es auch 311 schon einmal gefallen ist, Begriff der Unternehmenskultur. Wie sehen Sie das im 312 Sinne des Zugangs zu dieser Thematik. Wir haben ja schon darüber gesprochen 313 über Handlungsweisen, über andererseits Prinzipien, dass man sagt, aus Ihrer 314 Wahrnehmung, welche Zugänge gibt es auch im Sinne, ist es eher ein 315 werkzeugorientierter Zugang, also Lean-Tools, oder ist es etwas, was über eine 316 unternehmenskulturelle Seite einzubringen ist, zu lancieren ist. Wie ist da so Ihre 317 Einschätzung im Sinne von konkreten Handlungs-Lean-Tools, Lean Six Sigma, also 318 dieser ganz Werkzeugkoffer, den es einerseits, diese konkretes Ausüben und 319 andererseits Handlungsweisen verinnerlichen, Prinzipien dann leben, also ein 320 bisschen diese subtilere, nicht sichtbare Dimension des Eisbergs, und auf der 321 anderen Seite aber dann quasi die konkrete Ausprägung im Sinne des 322 Werkzeugkoffers, den ich habe. 323 324 IP: Es ist kurzfristig, beginnen Sie mit dem Werkzeugkoffer und langfristig muss es in 325 der Kultur verankert sein. Ich möchte ein einfaches Beispiel nennen aus dem 326 täglichen Leben. Wenn ich einem Kind, ein Kind in die Schule schicke, dann kann es 327 sein, dass dieses Kind ein wunderbarer Autor ist, solange das Kind nicht lesen und 139 328 schreiben kann, werden sie es nie erfahren. D.h. das Kind muss erst mal die 329 Grundprinzipien, wie werde ich Autor, ich kann nämlich lesen und schreiben, 330 vermittelt bekommen. Wenn das Kind über das Lesen und Schreiben eine 331 Begeisterung für Literatur entwickelt, dafür eigene Texte zu verfassen, dann wird es 332 das irgendwann verinnerlich haben und nicht mehr fragen, muss ich jetzt das A groß 333 oder klein schreiben, sondern es wird den Zusammenhang der Buchstaben selbst 334 erkennen und verinnerlichen. Und genauso ist es auch mit Lean. Sie brauchen 335 gewisse Werkzeuge, das sind in dem Fall bestimmte Methodiken, ob das jetzt Six 336 Sigma ist, ob das andere Dinge sind. Das brauchen Sie, damit man etwas hat, woran 337 man sich festhalten kann. Wie kann ich Autor werden, ohne die Buchstaben zu 338 haben. Aber Sie kommen irgendwann auf eine höhere Abstraktionsebene, da sehen 339 Sie nicht mehr den einzelnen Buchstaben, den der Tafelklässler mühsam geübt hat, 340 sondern die Wörter, die Sätze und die ganze Romane, die sie dann vielleicht 341 schreiben. D.h. der Anfang ist Methode, der Anfang sind Werkzeuge und er wird 342 später Kultur, nämlich dann, wenn ich es verinnerlicht habe. Wenn es mein Verhalten 343 beeinflusst, ohne dass ich es großartig merke. Ein Automatismus. 344 345 I: Dann schließt sich ja, aber, glaube ich so, wenn ich das jetzt für mich 346 zusammenfasse, der Kreis, auch sage, ich muss die Mitarbeiterin, den Mitarbeiter, 347 entsprechend entwickeln, jetzt basierend auf dem Beispiel, um ihm dann ja auch 348 quasi zu ermöglichen, zu ermächtigen, so zu handeln. 349 350 IP: Ich muss es konkret machen. Ich muss konkret sein, damit der Mitarbeiter weiß, 351 was ich von ihm erwarte und eben nicht sage, so jetzt liest Du mal durch in diesem 352 Buch, das ist Lean und ich erwarte von Dir, dass Du ab morgen Lean arbeitest. Dann 353 werden 2 große Fragezeichen in den Augen stehen und dann werden Sie keinen 354 Schritt weiterkommen. Dann wird der Mitarbeiter das Lean für sich interpretieren, 355 wird es verstanden haben oder nicht, vielleicht wird er das tun, was Sie von ihm 356 erwarten, vielleicht aber auch nicht. 357 358 I: Gibt es noch weitere Anmerkungen oder Ergänzungen, die ich nicht abgefragt 359 habe, aber die jetzt noch irgendwie im Raum stehen würden, die noch zu sagen 360 wären Ihrerseits? 140 361 362 IP: Nein, ich glaube, ich habe zu den Fragen schon Antworten gegeben, die vielleicht 363 jetzt an der Stelle noch erwähnenswert gewesen wären, aber ich denke, das war 364 ausführlich und gibt das wieder, was ich zu dem Thema zu sagen habe, derzeit. 365 366 I: Dann danke ich für das Gespräch. 367 368 IP: Gerne. 141 1 Interview 10: 3. Oktober 2012 / 13.00 Uhr 2 (I = Interviewer; IP = Interviewpartner) 3 4 IP: Das Unternehmen ist in Europa in 8 Business Centers unterteilt, das sind 8 5 Einheiten und dazu kommt noch Deutschland. Deutschland ist kein Business Center, 6 das wird zur Zeit ein bisschen speziell behandelt. Und wir sind eines dieser 8 7 Business Centers und das ist eine Einheit, die verantworltich ist, meistens für die 8 Funktionen wie HR, IT, Finanz, usw. Geschäft, die Business Divisionen sind vielfältig 9 gesteuert, also unsere Hauptverantwortung liegt darin, dass die Funktionen gut 10 organisiert sind. Das ist Business Center Region A, wir heißen Region A und das 11 sind unsere Länder (zeigt auf die Präsentation am Laptop) und die Farben haben 12 auch eine Bedeutung, weil das ist eine weitere Unterteilung innerhalb des Business 13 Centers. 14 Unternehmenseinheiten, Legal Entities. Wir machen auch Geschäft hier (zeigt auf die 15 Länder), aber nicht direkt, also wir haben dort keine Legal Entities vor Ort. Es ist eine 16 große Region, es ist weiter unterteilt nach Ländergruppen und da sind die 3 17 Ländergruppen und hier sehen Sie die Personalzahl, das ist Stand Ende Juni. Und 18 das 19 HR-Organisation ist auch nach diesen Ländergruppen untererteilt und jede dieser 3 20 Ländergruppen hat eine Zentrale in der jeweiligen Stadt. Und wir haben auch in den 21 Landesgesellschaften auch je eine Person, die teilzeitverantwortlich für HR ist, aber 22 die Strukturen, die Prozesse, die Policies kommen erst von mir, vom Business 23 Center und dann zu den Ländergruppen, und von den Ländergruppen dann weiter 24 verteilt zu den Legal Entities. ist Insgesamt auch eine sind wir präsent Grundinformation zu in der diesen Ländern HR-Organisation, mit weil den die 25 26 I: D.h. Sie sind aber für die gesamten 3 Ländergruppen verantwortlich. 27 28 IP: Genau, ich bin verantwortlich für alle 3 Ländergruppen. Also die Zentrale ist in 29 Stadt A, aber die Funktionalleiter sind in ganz Zentral- und Osteuropa verteilt. 30 31 I: Eine sehr virtuelle Organisation. 142 32 33 IP: Eine sehr virtuelle Organisation, genau, es ist virtuell auch von den Funktionen, 34 virtuell von den Divisionen, vom Business auch, weil die Führungskräfte sitzen hier 35 und dort in den Ländern, also virtuell. Die Kommunikation erfolgt sowieso auf 36 moderne Art und Weise und natürlich haben wir auch Meetings, wo wir uns dann 37 persönlich treffen, das ist auch für die HR-Organisation wichtig. Ich möchte Ihnen 38 noch weitere Folien zeigen. 39 40 I: Eine multi-layer Organisation eigentlich, so wie sie aufgebaut ist. 41 42 IP: Ja, genau. Insgesamt so und so viele FTEs, Full Time Equivalents. So und so 43 viele FTEs, also die Service-Ratio ist sehr gut, das ist auch für mich eine Aufgabe, 44 das zu prüfen, ob wir genug sind in HR oder ob wir mehr Arbeitskräfte benötigen. 45 Also wir sind so verteilt, vielfältig. Wir haben sehr kleine Standorte mit rund 20 46 Personen und wir haben große Produktionsstandorte mit rund 200 Personen und die 47 größte Legal Entity ist in Land B mit rund 250 Mitarbeitern, auch in der Größe sehr 48 vielfältig. 49 50 I: Die Herausforderung ist aber einfach diese Vielfalt an Entitäten in Verbindung mit 51 dieser Organisation. 52 53 IP: Die Herausforderung ist es, eine Policy für alle diese Legal Entities zu 54 implementieren. 55 56 I: Die für alle gleich gelten. 57 58 IP: Genau, das ist hier. Und, weil wir haben auch EU-Länder, Nicht-EU-Länder. Wir 59 haben viele Valuten, wir haben viele Sprachen, also diese Vielfältigkeit bringt schon 60 ein bisschen einen Layer in der alltäglichen Arbeit. Auf der anderen Seite sind diese 61 Länder sehr flexibel, aus Arbeitsrechtssicht, außer Österreich. Wir haben keine 62 großen 63 Betriebsvereinbarungen, also diese Mitarbeitervertretung ist sehr minimal. Wir haben Betriebsratskonsultationsprozesse, wir haben auch keine 143 64 nur in Österreich einen Betriebsrat, mit dem wir zusammenarbeiten. Das ist dann die 65 positive Seite dieser Flexibilität. 66 67 I: Wann ist diese Organisationsstruktur entstanden und was war da eigentlich der 68 Auslöser damals? 69 70 IP: Die Business Centers sind 2005 gegründet worden in ganz Europa. Es waren 71 auch früher so organisatorische Einheiten, aber in dieser heutigen Struktur 72 entstanden sie in 2005. Und das war damals auch ein Projekt im Unternehmen, das 73 hatte auch diesen Zweck, diese Funktionen, wie HR, auch von der Zentrale aus zu 74 steuern. Weil früher war es so - und ich denke, das ist auch bei vielen Unternehmen, 75 wir sind eine Matrixorganisation, d.h. jeder hat mindestens 2 Chefs - und auch in HR 76 war es früher so, dass die Divisionen der Business Einheiten eigene HR-Funktionen 77 hatten und diese HR-Funktion hatte einen eigenen Chef irgendwo in Europa. Und 78 das gab eine lokale HR, die hatte auch einen Chef und das waren parallele 79 Strukturen, und das wurde 2005 gecancelt. Man hat gesagt, jede HR in der Region 80 berichtet dann an mich und ich berichte an den HR-Leiter Europa, und das gibt es 81 seit 2005. 82 83 I: D.h. die Zielsetzung war Verschlankung der Strukturen, Vermeidung von 84 Doppelgleisigkeiten? 85 86 IP: Ja, obwohl es war nicht eine automatische Verschlankung der Struktur, sondern 87 es ging darum, dass die Struktur klarer werden sollte, weil früher war es so, z.B. 88 nehmen 89 Produktdivision. Unser Unternehmen hat mehrere Divisonen (geht zu Flipchart und 90 beginnt zu zeichnen). Es gibt einen Standort mit – sagen wir 200 FTEs – und es ist 91 ausschließlich eine bestimmte Produktgruppe an diesem Standort. Da sitzt eine 92 Personalerin und die hat früher an den HR Verantwortlichen der Produktdivision 93 berichtet. Und dann bin ich, verantwortlich, jetzt hier die Ländergruppe. Es gibt eine 94 Personalerin, die für die Ländergruppe verantwortlich ist, aber sie berichtet an mich, 95 an die Business Center HR und die Zielvereinbarung und das gesamte Reporting 96 war parallel und die haben miteinander nichts zu tun in dieser Struktur (zeigt am wir einen Produktionsstandort, der macht nur eine bestimmte 144 97 Flipchart auf HR Verantwortlichen der Produktdivision und Business Center HR) und 98 er sagt, ich habe diese Policy, diese Richtung, diese Strategie umzusetzen. Ich habe 99 gesagt, das umsetzen. Es gibt dann 2 Standorte in einem Land, ich habe völlig 100 andere Prozesse und völlig andere Zielvereinbarungen, Reportingstrukturen und 101 nach 2005 war es dann so, das ist nicht mehr so ist (streicht am Flipchart die 102 Reportinglinie zwischen HR-Verantwortlicher am lokalen Produktionsstandort und 103 HR-Verantwortlichem für diese Produktdivision), sondern diese Produktdivision hat 104 diesen Business Partner vor Ort, das ist die klassische Business Partner Rolle, die 105 sagt mir, ich habe dies in meiner Business-Strategie, das ist, was ich in den 106 kommenden Jahren umsetzen möchte, dass Du das weißt, und unterstütze mich 107 bitte. Dann sage ich, ok (zeichnet Informationspfeile von Business Center HR in 108 Richtung Standort HR und Produktdivision HR). Und hier diese Linie ist nicht mehr 109 vorhanden 110 Produktdivision HR). Und das bedeutete nicht automatisch Verschlankung, natürlich 111 wenn es Synergien gibt, wollen wir die nützen, aber an 1. Stelle stand nicht die 112 Verschlankung, sondern die Vereinfachung der Strukturen. (streicht nochmals Reportinglinie zwischen Standort HR und 113 114 I: Es war auch nicht vereinheitlicht, es war auch nicht abgestimmt. 115 116 IP: Genau, genau. 117 118 I: Das heißt, Standort HR ist diese vor Ort Local Business Partner HR 119 Ansprechperson für den Standort und Sie haben diese strategisch-planerischen 120 Policies, … 121 122 IP: Und wir haben dann auf der lokalen Ebene HR-Personen, die sitzen am Standort, 123 die haben eigentlich nur Scope für einen Standort (zeichnet unterhalb von 124 Ländergruppen HR noch Legal Entities). Das ist die Struktur. 125 126 I: Aber das Produktgruppen HR hat dann schon zur Ländergruppen HR berichtet, 127 oder, das schon? 128 145 129 IP: Ja, genau. Also, das sind diese 3 Layers in der HR-Organisation (zeichnet 130 entsprechende Linien). Wir benützen das Wort Lean nicht in HR, aber das ist… 131 132 I: Es hat die Attribute einer schlankeren, einer effizienteren Organisation. 133 134 IP: Ja, genau, einer effizienteren Organisation, 135 136 I: War diese Initiative nur auf HR bezogen? 137 138 IP: Alle Funktionen, das ist auch so bei Finanz, bei Procurement, alle Funktionen. 139 Das Business, das Geschäft selbst ist nicht in diese Prozesse eingebunden, weil das 140 ist Geschäft, die sind organisiert. Wir hier im Business Center, wir sind verantwortlich 141 für die Funktionen, wir sind mehr ein Serviceleister und wir haben auch ein Budget, 142 das ist dann aufgeteilt auf die Landesebene und wir leisten alle HR-Services vor Ort. 143 144 I: Lean wird nicht namentlich angewendet? 145 146 IP: Namentlich nicht. 147 148 I: Die größten Herausforderungen in diesem Prozess? 149 150 IP: Die größte Herausforderung ist auch heute diese Matrix, das ist eigentlich die 151 Herausforderung und das können wir mit klaren Prozessen und mit viel 152 Kommunikation dann leben, also das sind die Schlüsselelemente, dass wir klare 153 Prozesse haben und sagen, er spricht nicht mit ihm und gibt keine Zielvereinbarung 154 (zeigt auf Zeichnung), sondern es geht durch mich und ich bin wie ein Kanal, ich 155 kanalisiere alle diese Zielvereinbarungen und Ziele. Natürlich, zwischen uns muss 156 eine 157 Rollenänderung. Dass es mehr zentralisiert wird und diese Einheiten verlieren 158 eigentlich die zentrale Steuerung, die direkte Steuerung und es wird dann indirekt 159 sein. sehr gute Zusammenarbeit sein. Also die Herausforderung ist die 160 146 161 I: Das ist auch hier eine meiner Fragen, wie würden Sie die Rolle HR 162 charakterisieren in der Organisation, die ist ja sehr vielschichtig, wie wir jetzt gesehen 163 haben in dieser Aufteilung und was hat sich durch diesen Prozess verändert? 164 165 IP: Die Rolle ist alles, was HR betrifft, ich übernehme auch die Business Partnerin, 166 weil ich bin die erste Ansprechpartnerin für die Divisionen damit, also von daher das 167 ist es das ganze HR Spektrum. 168 169 I: Aber es geht so in diese Richtung, ich habe in der Theorie dieses Modell gefunden, 170 dass man sagt, man hat einerseits, Centers of Expertise, man hat andererseits die 171 Local Business Partner, das erinnert mich so an dieses Modell, dass man sagt, man 172 hat die Local Business Partner vor Ort für die lokale HR-Arbeit und dann hat man 173 Ansprechpersonen zum Thema Recruiting an zentraler Stelle, das wäre dann 174 entweder auf dieser Ländergruppen HR-Ebene oder bei Ihnen auf der strategisch- 175 planerischen Policy Ebene. Also diese Rollenaufteilung auf verschiedene… 176 177 IP: Hier gibt es einen 4. Layer (zeichnet). Also hier meistens auf der Legal Entity 178 Ebene ist es Administration, ausschließlich. 179 180 I: Das sind diese Shared Service Center, glaube ich? 181 182 IP: Wir haben in Zentral-, Osteuropa kein Shared Service Center. Das haben wir 183 nicht, aber ich zeige Ihnen dann noch etwas dazu. In der Ländergruppen HR sind die 184 HR-Personen spezialisiert. Ich würde das nicht Centers of Expertise nennen, aber 185 die 186 Personalentwicklung, Rekrutierung. Das ist die Spezialisierung auf dieser Ebene, 187 weil wir sind dazu zu klein und zu vielfältig, Spezialisierung auch auf dieser Ebene zu 188 schaffen und hier gibt es auch sehr kleine Legal Entities, wo jemand heute ein 189 bisschen Personalarbeit macht. Das ist auch für uns eine Frage, wie das natürlich 190 weitergeht, weil das Beste wäre auch, Spezialisierung. Und das ist das Business 191 Center und das 4. ist Europa. Und Europa HR Organisation hat auch eine 192 Governance-Einheit, die eigentlich diese strategischen Themen, Planung, Policy- 193 Making macht. Und dort gibt es die Centers of Expertise, auf dieser Ebene. Und die Personen sind nach Themen spezialisiert, Compensation & Benefits, 147 194 Centers of Expertise sind nach Themen unterteilt. 2 große Felder in HR, diese 195 Compensation & Benefits und das 2. ist Performancemanagement und hier ist diese 196 Personalentwicklung. Das sind diese 2 großen Felder, das ist auf Europa-Ebene und 197 dazu kommt (zeichnet), das ist das Shared Service Center in Deutschland für Europa 198 und es gibt auch eines in Nordamerika und in Asien. Ehrlich gesagt, wir sind zu 199 vielfältig, zu klein und zu günstig, also das Gehaltsniveau ist viel niedriger als in 200 Österreich, in allen diesen zentral- und osteuropäischen Ländern und in diesem 201 Shared Service Center sind eher die westeuropäischen Länder integriert. Und dieses 202 Shared Service Center macht die Gehaltsabrechnung, den Rekrutierungsprozess 203 und Training Management und weitere Themen. Wir haben, nicht nur wir als Zentral- 204 und Osteuropa, sondern auch Russland und die CIS-Länder, auch Mittlerer Osten 205 und auch Südafrika und Afrika sind auch nach dieser Struktur aufgeteilt, ohne dieses 206 Shared Service Element. Natürlich ist es für uns eine Frage, weil es viele Prozesse in 207 HR auch in Zentral-/Osteuropa gibt, welche ich dann in ein lokales Shared Service 208 Center integrieren könnte. Das ist für mich eine strategische Frage, wir prüfen das 209 natürlich. Jeder möchte das europaweit einheitlich machen, aber zur Zeit lohnt es 210 sich nicht, es wird nicht effizienter. 211 212 I: Also die Merkmale finden sich auch hier, aber entsprechend der Organisation 213 wurde das halt… das findet sich auch hier wieder dieses Modell. Das ist ja auch das 214 Schöne zu sagen, wie findet sich das in der Theorie beschriebene in der konkreten 215 Unternehmensumsetzungspraxis, und das kommt dem schon in hohem Maße nahe, 216 wie diese Aufteilung ist. 217 218 IP: Und bei den Zielvereinbarungen zum Beispiel, dieses Center of Expertise hat 219 eine neue Performancemanagement-Policy oder Struktur oder etwas ähnliches. 220 Dann gehen die hier (zeichnet)… diese direkte Zielvereinbarung zwischen uns (zeigt 221 auf Center of Expertise und Business Center HR) gibt es nicht. Es geht durch diese 222 Ebene, durch meinen Chef, die Leitung Europa HR an mich und das ist auch Lean, 223 es geht nicht direkt an die lokale Ebene weiter, sondern es gibt nur einen 224 kanalisierten Weg. 225 148 226 I. Gibt es eine Verbindung im Sinne der Rollenzuordnung, im Sinne der 227 Umsetzungskraft, gibt es da eine Verbindung im Sinne der Umsetzungsautiorität, ist 228 das relevant, auf welchem Layer sie dann sind, um diese Dinge… 229 230 IP: Also ehrlich gesagt, wir sind im Unternehmen sehr hoch zentralisiert. Auch unsere 231 Strategie 232 Personalentwicklungssystem, Performancemanagementsystem kommt alles von 233 diesem Center of Expertise auf Europa-Ebene und wir haben zu 70% von allen HR- 234 Themen eine Implementierungsrolle, das heißt wir haben ein zentrales europaweit 235 gültiges Compensation & Benefits-System und der Rest ist unsere Freiraum, von 236 daher bringt das natürlich mehr Zentralisierung und eine einheitlichere europaweite 237 Umsetzung der globalen HR-Strategie. und Richtung ist eine abgeleitete Strategie und unser 238 239 I: D.h. auch die Personalentwicklung war früher direkt, noch stärker direkter 240 angesiedelt und auch noch nicht so zentral koordiniert aus einem einheitlichen 241 Zugang. 242 243 IP: Genau, es war kein einheitliches Rahmensystem. 244 245 I: Und wo findet sich, das ist diese zweite Komponente… wo findet sich das Thema 246 Karrieremanagement? 247 248 IP. Wir haben im Rahmen 249 Mitarbeitergespräche. 250 Führungskraft ein Feedback vom Mitarbeiter, was der Mitrabeiter möchte, welche 251 Karriereentwicklung, entweder eine vertikale oder horizontale. Und die Führungskraft 252 geht dann an die Ebene der Ländergruppen HR, wo wir jährliche Personalklausuren 253 haben. Und in dieser Personalklausur sitzen dann gemeinsam die Führungskräfte mit 254 HR und besprechen diese Talente und es gibt hier eine Ebene (zeigt auf Ebene 255 Ländergruppen HR) und dann die Top-Talente, die dann weitergehen, besprechen 256 wir auf dieser Ebene (zeigt auf Business Center HR). Und in des diesen Performancemanagements Mitarbeitergesprächen jährliche bekommt die 257 149 258 I: Das ist auch bei diesem Review-Auswahl Prozess zu sagen, wo identifiziert man 259 Nachwuchsführungskräfte oder auch auf einer Experten-Projektlaufbahn? 260 261 IP: Genau, das ist kanalisiert und letztendlich auf dieser Ebene (zeigt auf Business 262 Center HR Ebene) sprechen wir von rund 25 Personen, also die Top-Cream auf 263 Business Center Ebene und hier haben wir auch hunderte von Leuten (zeigt auf 264 Ländergruppen HR). 265 266 I: Zusammenfassend muss man sagen, das die Hauptveränderung war, durch diese 267 Multi-Layer-Organisation viel gestreamlineter, viel standardisierter, auch von der 268 Steuerungsfunktion viel effizienter und besser, anstatt eben alle lokalen Einheiten 269 oder Layers dazwischen hier sehr autark… 270 271 IP. Ja, genau, das die lokalen Einheiten dann völlig selbständig etwas machen, keine 272 Hilfe, und auch keine Kontrolle. 273 274 I: Und es dürfte auch, wenn ich das so heraushöre, ein klares Rollenverständnis… 275 Sie sagen ja selbst auch, es ist immer wieder ein, wenn man das ja lange gewohnt 276 ist ein gewisses Handeln, jetzt für den Produktdivisions HR… bitte berichte jetzt an 277 mich, hier immer wieder dran zu bleiben, weil natürlich dieser Wechsel von sehr 278 autarkem Handeln, eigenständigem Handeln hin in diese Struktur... 279 280 281 IP: Ja, obwohl ehrlich gesagt, ich denke, es ist besser für diese Business Partnering- 282 Rollle, weil die können dann statt auf diese administrativen Prozesse auf die pure 283 Business Partnering-Rolle fokussieren und von daher ist es dann eine klarere Rolle 284 für alle. 285 286 I: Und noch eine Frage. Die administrativen, oder die Abrechnungsprozesse, die 287 klassischen, finden - in Westeuropa gebündelt im Shared Service Center - aber für 288 Ihre Business Center Region, findet das dann auf Ländergruppen HR-Level statt, 289 also die Gehaltsabrechnung und diese Dinge? 290 150 291 IP: Je nach dem, weil in Ländergruppe HR A ist es sehr einfach, da ist es ein Land 292 und dort haben wir 4 Standorte, aber jeder Prozess ist gesteuert und wird auch 293 physisch dort selbst gemacht, in Stadt A. In Ländergruppe B werden alle diese 294 Prozesse aus Stadt B gemacht, aber wir haben Produktionsstandorte, wo man 295 jemanden haben muss, der vor Ort teilweise HR macht und das haben wir und in 296 Ländergruppe C, das ist die vielfältigste von allen, da haben wir auch vor Ort 297 jemanden und dann machen wir das lokal, z.B. die Gehaltabrechnung, also je nach 298 dem. 299 300 I: Freispielen für die richtige HR-Arbeit, wie man es sich vorstellt, Standort HR hat 301 genau da gewonnen in dieser Qualifizierung als Local HR Business Partner, 302 aufgewertet eigentlich auch dadurch die Rolle im Sinne der Personalarbeit. 303 304 IP: Ja. 305 306 I: Ich nehme auch mit, dass eben, das habe ich auch in den Interviews vorher 307 gesehen, viele Aktivitäten werden einerseits begrifflich als Lean implementiert, 308 kommt natürlich auch darauf an, ist es eher ein Produktionsunternehmen, wenn es 309 ein Serviceunternehmen, ist es vielleicht nicht so sehr, da ist es eben unter dem 310 Motto, ja, Verschlankung, aber da wird einfach jetzt nicht mit der Begrifflichkeit 311 gearbeitet. Und da habe ich auch gesehen, dass auch wo nicht Lean draufsteht, 312 können aber genau die Attribute im Sinne der Steigerung von Effizienz und 313 Effektivität… 314 315 IP: Das ist genau, was Lean bedeutet. Wie können wir das, effizienter, besser, 316 schlanker machen, weil wenn wir nur 1 Kommunikationsweg haben und 1 317 Zielvereinbarungsweg und klare Aussage, wer macht was, also wir haben auch die 318 Stellenbeschreibungen, alles ist auch vereinheitlicht, dann ist es natürlich einfacher 319 und daher auch günstiger. 320 321 I: Für Sie ist es in Gedanken Lean, aber es wird halt das Wort nicht verwendet. 322 323 IP: Nein, wir benützen das nicht in HR. 151 324 325 I: Weil, ich habe 2 Fragen, Sie haben nämliche 1 Frage, was assoziieren Sie mit dem 326 Begriff Lean, das haben Sie mir jetzt gesagt. 327 328 IP: Lean für mich ist, mehr zu machen, in der heutigen Zeit, in der heutigen Welt, 329 mehr zu machen, effizienter, daher weniger Kosten und wir als Service HR, als 330 klassische Servicefunktion, wir sind immer gepusht, mehr Leistung bringen, 331 effizienter, mit weniger Kosten, also von daher, das könnte ich auch so benützen für 332 unsere internen Prozesse. 333 334 I: Wäre das auch eine Assoziation, weil der Titel meiner Arbeit heisst ja Lean HR. 335 Wäre das Bild, das Sie gezeichnet haben, das in der Organisation existiert, so etwas 336 wie Sie Lean Human Resources, wenn es dieses Begriff jetzt gäbe, so 337 charakterisieren würden? 338 339 IP: Ja, obwohl ich würde sagen, das ist nicht die Endstation zum Lean. Weil es ist 340 auch für mich eine Aufgabe, solche Prozesse zu finden, was vielleicht ein Shared 341 Service Center für uns erledigen kann. Also das ist sehr gut, das funktioniert, das 342 funktioniert sehr gut auf der oberen Ebene, dieses Rollenverständnis wird auch so 343 gesehen, aber für mich ist die Frage natürlich, wir können nie Lean genug sein. 344 345 I: Es ist ein kontinuierlicher Prozess. 346 347 IP: Ja, genau. 348 349 I: Vielen Dank. 152