Statusfragen und kein Ende - Herzlich Willkommen bei AGGI
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Statusfragen und kein Ende - Herzlich Willkommen bei AGGI
Oberstleutnant a. D. Herbert Becker, Stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes Ost des DBwV Statusfragen und kein Ende (November 2000) Am 02. Oktober 1990, 24:00 Uhr, hörte eine deutsche Armee auf zu existieren. Kampflos fügte sich eine hochgerüstete und gut ausgebildete Armee dem Willen des Volkes zum Anschluß der DDR an die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23a GG. Es fügte sich eine Armee, die für sich in Anspruch nahm, dem Frieden gedient zu haben. Die Mehrheit der NVA-Angehörigen aller Dienstgrade war 1989/1990 nicht bereit, sich der Bewegung für eine bessere DDR mit bewaffneter Gewalt in den Weg zu stellen. Sie hatten, wie auch die Masse der Bevölkerung, das Vertrauen in die oberste politische und militärische Führung verloren und stimmten mehr oder weniger mit den Forderungen der Bevölkerung überein. Nicht wenige boten der Bürgerbewegung ihren Schutz an und hielten Hitzköpfe von unüberlegten Handlungen ab. Das Ergebnis der Volkskammerwahl vom März 1990 wurde als Entscheidung der Mehrheit der DDR-Bevölkerung akzeptiert, auch als sichtbar wurde, daß die Geschichte der NVA zu Ende ging. Mit wenigen Ausnahmen fanden sich die Soldaten der NVA bereit, den Eid auf die neue, freigewählte Regierung abzulegen. Und sie hielten ihr Wort. Sie haben sich trotz aller Benachteiligung und Unwägbarkeiten in und nach der Wende loyal verhalten, haben sich selbst abgerüstet, eine Unmenge an Waffen, Munition und technischem Gerät sicher verwahrt und sich so in Staat und Gesellschaft eingebracht. Heute nehmen sie am öffentlichen Leben teil und tragen Verantwortung in Verbänden und Organisationen. Einige von Ihnen und ihre Söhne oder Enkel dienen in der Bundeswehr. Die Soldaten der Bundeswehr, welche die Kasernen der Nationalen Volksarmee in der Übergangsphase betraten, wurden mit Achtung und Respekt empfangen und bei der Erfüllung ihrer zweifelsfrei komplizierten Aufgaben über Erwarten unterstützt. Die Soldaten der Nationalen Volksarmee aller Dienstgrade haben bis zum 02.Oktober 1990, 24:00 Uhr ihre nationalen und internationalen Aufgaben erfüllt. Um so mehr sind sie enttäuscht. Treffend formulierte Egon Bahr 1992: „ Es war der Stolz einer Armee, sich geordnet einzubringen oder zu übergeben oder sich aufzulösen, jedenfalls ihre Geschichte zu beenden. Es ist zweifelhaft, ob das auch so ruhig verlaufen wäre, wenn die Betroffenen in vollem Umfang die Konsequenzen der Regelungen klar gewesen wären, die am 12. September die westdeutsche Seite vorlegte... Drei Wochen später, am 03. Oktober, verweigerte die westdeutsche Seite der ostdeutschen den symbolischen Akt der Würde, die alte Fahne einzuholen, die neue zu hissen, den Einschnitt auch musikalisch durch das Abspielen der alten und dann der neuen Hymne zu markieren.“ (1) Viele ehemalige Soldaten der NVA betrachten sich als Hauptverlierer der deutschen Einheit. Sie fühlen sich als Besiegte ohne Rechte. Sie empfinden sich als jener Teil der DDR-Bevölkerung, der für alle Sünden und Rechtsverletzungen den Kopf hinhalten muß. Einige wenige beginnen ihre loyale Haltung in der Zeit der Wende zu bereuen. Ursachen Zum Verlust ihrer Tätigkeit, zu Arbeitslosigkeit, zur Nichtanerkennung eines Teils ihrer allgemeinen und fast aller militärischen Bildungsabschlüsse, zu Rentenkürzun- gen u.a. kamen die Aberkennung aller soldatischen Rechte, wie die Führung ihres Dienstgrades mit dem Zusatz „a. D.“, kam die als Diskriminierung empfundene Einstufung als „Gediente in fremden Streitkräften“ und die Strafverfolgung im Zusammenhang mit dem Grenzregime der ehemaligen DDR. Dies wurde ergänzt durch das Verbot der Dienstgradführung auch für die „Weiterverwender“, Benachteiligung von in die Bundeswehr als Berufssoldaten übernommenen Soldaten der NVA bei deren Pensionierung und der Bemessung deren Zuverdienstmöglichkeiten, der ungleichen Bewertung des in der NVA geleisteten Grundwehrdienstes z. B. nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz, einschränkenden Bestimmungen beim Zugang zur freiwilligen Reservistenarbeit u.a. Dies in Summe empfinden die ehemaligen Soldaten der NVA als deutliche und gewollte Zeichen der Ausgrenzung, als Verstoß gegen den Einigungsvertrag und als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Artikel 3 GG. Die Soldaten der NVA vertrauten den Politikern. Auch für sie galt das Primat der Politik. Sie glaubten an die Fairneß derjenigen, die über ihr Schicksal zu entscheiden hatten. Sie glaubten auch den Versprechungen der Politiker und den Vertretern des BMVg. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß ihnen alle Rechte streitig gemacht werden würden, daß international anerkannte Regeln und wohlerworbene Rechte für sie nicht gelten sollten. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß die Aberkennung ihrer Rechte schon beschlossen war, während sie noch den Eid auf die Regierung de Maiziere leisteten. Die Soldaten der ehemaligen NVA wurden bis zum Tag der deutschen Einheit über die sie betreffenden Festlegungen des Einigungsvertrages im unklaren gelassen. Entgegen den Versprechungen der Politiker, gegen den Willen des Verbandes der Berufssoldaten der DDR, ja selbst gegen den Willen des Ministers für Abrüstung und Verteidigung, Herrn Eppelmann, weigerte sich die westdeutsche Seite, Regelungen zur Wahrung von Rechten der Soldaten in den Einigungsvertrag aufzunehmen. Hatte man sich bis zum Vortag der deutschen Einheit pauschal und flächendeckend wie in keinem anderen Bereich vom Großteil der Soldaten getrennt, kam nun noch deren vollständige Entrechtung hinzu. Mit dem Einigungsvertrag wurden alle nach dem bisherigen Recht der Deutschen Demokratischen Republik bestehenden soldatischen Pflichten und Rechte der Soldaten der ehemaligen NVA für erloschen erklärt. Bilanz Seit dem Tag der deutschen Einheit ringen die ehemaligen Soldaten der NVA um die Lösung der sie betreffenden Statusfragen. Sie erhoffen sich von der Klärung der Statusfrage eine zumindest moralische Anerkennung ihrer Leistungen als Soldaten vor und in der Zeit der Wende und in den zehn Jahren nach Herstellung der deutschen Einheit. Sie verbinden mit der Forderung zur Klärung ihrer Statusfragen keine materiellen oder finanziellen Forderungen wie z. B. Pensionen analog den Regelungen der Bundeswehr. Seit der 14. Hauptversammlung ( 25.-28.Oktober 1993) gehört die Forderung zur Lösung der Statusfragen der ehemaligen Soldaten der NVA auch zum Programm des Deutschen Bundeswehrverbandes. Doch alle bisherigen Bemühungen, Statusfragen ehemaliger Soldaten der NVA zu klären, sind am Unwillen der Politiker gescheitert. Es ist bei den profilierten politischen Kräften, beim Gesetzgeber kein Wille erkennbar, die empörenden und nur für die Soldaten getroffenen, entrechtenden Festlegungen des Einigungsvertrages zu korrigieren. Es wurde zunehmend der Eindruck vermittelt, daß es keinerlei Aussicht auf Erfolg gäbe, der Handlungsbedarf und das Interesse sehr gering sei und eigentlich gar kein Erfordernis bestehe. Es gäbe ja eigentlich gar keine Einschränkungen, auf den früheren Dienstgrad könne jederzeit in geeigneter Form hingewiesen und Orden und Auszeichnungen getragen werden, waren die Beruhigungspillen, die verteilt wurden. Dabei wurde jedoch immer darauf hingewiesen, daß die unberechtigte Führung der Dienstgrade lt. § 132 a SGB unter Strafe steht. Alle Initiativen endeten scheinbar mit den gleichen, verneinenden Ergebnissen. Selbst im Deutschen Bundeswehr Verband machte sich angesichts der Probleme und Schwierigkeiten Resignation breit. Auffallend ist, daß alle ablehnenden Antworten auf diesbezügliche Fragen aus dem BMVg stammen bzw. auf dessen Grundaussagen basieren. (2) Auch nach dem Regierungswechsel hat sich an den Antworten nichts geändert. Auf eine Anfrage von MdB Rainer Eppelmann zu den Statusfragen wurde in einem Schreiben vom 06.Okt. 1999 unter dem Aktenzeichen 01-45-00 aus dem BMVg geantwortet: „ ... das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) hat hierzu stets darauf hingewiesen, daß es keine Veranlassung gibt, eine Initiative zur Änderung der insoweit abschließenden Regelungen des Einigungsvertrages zu ergreifen oder zu unterstützen. Der Einigungsvertrag bestimmt in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 2 § 4 Abs.1: ´ Die nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik bestehenden soldatischen Rechte und Pflichten der Soldaten der ehemaligen Nationalen Volksarmee sind erloschen.´ Dies war der politische Wille der Vertragspartner des Einigungsvertrages... Deshalb geht das BMVg davon aus, daß es erst recht heute, bald zehn Jahre nach Auflösung der NVA, nicht im Sinne der weit überwiegenden Mehrheit der Deutschen wäre, den ehemaligen Soldaten der NVA Rechte zu verschaffen, deren Sinn außer für einen Teil der Betroffenen für kaum jemand erkennbar sein dürfte... Noch durch eine entsprechende Anfrage aus dem Ministerium für Abrüstung und Verteidigung der DDR veranlaßt, hat eine im BMVg durchgeführte Prüfung ergeben, daß es keine Rechtsgrundlage zur Führung von NVA- Dienstgraden mit dem Zusatz ´a. D.´ oder ´d.R.´ gibt... .“ Auch in aktuellen Antworten im Jahre 2000 werden unverändert die sich seit zehn Jahren wiederholenden Ablehnungsgründe genannt: So wird in einem Antwortbrief aus dem BMVg vom 29.Februar 2000 auf eine Frage nach militärischen Ehren für ehemalige Soldaten der NVA ausgeführt: „ Rechtsstellung und Dienstgrad ehemaliger Soldaten, die nicht in der Bundeswehr gedient haben oder ihr nicht auf Dauer angehören, richten sich nach den soldatenrechtlichen Bestimmungen des Einigungsvertrages. Der Einigungsvertrag bestimmt... . die soldatischen Rechte und Pflichten der Soldaten der ehemaligen Nationalen Volksarmee sind erloschen. Danach gelten ehemalige Berufssoldaten der NVA, denen kein Bw-Dienstgrad übertragen wurde, als ´Gediente in fremden Streitkräften´ und erhalten keine militärische Ehren. In Sonderfällen, z. B. bei ehemaligen Berufssoldaten der NVA, die Inhaber/Träger von Tapferkeitsauszeichnungen des 2. Weltkrieges vom ´Ritterkreuz an aufwärts´ sind, entscheidet BMVg nach Prüfung des Einzelfalles über militärische Ehren. Für die Angehörigen der NVA bestehen auch keine offenen Statusfragen. Für die Führung von NVA-Dienstgraden mit dem Zusatz ‚a. D.´ oder ‚d. R.´ besteht keine Rechtsgrundlage....“ Mögen die Aussagen aus der Sachlage heraus richtig sein. Sicherlich ist es auch schwer, die Notwendigkeit der Klärung von Statusfragen und erforderliche Einsichten dafür zu vermitteln. Es ist auch einzusehen, daß Gesetze, welche die NVA betreffen, wie die Reservistenordnung und die Förderungsverordnung, kein fortgeltendes Recht mehr sein können, aber es ist nicht einzusehen, daß dies mit einer völligen Entrechtung verbunden wird. Die verantwortlichen Politiker müssen sich fragen lassen: 1. Wie lange soll Artikel 131 GG für ehemalige Angehörige des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR noch „vorläufig“ ausgesetzt bleiben? 2. Was ist mit Artikel 143 GG, der Geltungsdauer von Abweichungen, die nur bis 1995 bestehen sollten? 3. Gilt der Grundsatz „Alle Soldaten haben ein Recht auf ihren Dienstgrad „ nicht auch für ehemalige Soldaten der NVA? 4. Ist die Einstufung der ehemaligen Soldaten der NVA als „Gediente in fremden Streitkräften“ nur eine administrative Einstufung lt. Wehrpflichtgesetz zur Vermeidung einer erneuten Einberufung, wenn damit zugleich militärische Ehrenverweigert werden? 5. Steht den ehemaligen Soldaten der NVA, die letztlich auch bis zum 60. Lebensjahr der Wehrpflicht unterliegen, nicht auch das Recht auf Erweiterung bzw. Erhalt ihrer militärischen Grundkenntnisse z. B. über die Freiwillige Reservistenarbeit zu und werden die vorhandenen Bestimmungen diesem Anliegen gerecht? Es sollte alles Notwendige zur Integration der ehemaligen Soldaten der NVA getan werden. Denen, die in dieser anderen deutschen Armee Dienst taten, sollte soldatischer Respekt bezeugt und soldatisches Ethos als Beitrag für die innere Einheit zugestanden werden. Dies beinhaltet gesetzliche Regelungen zur Führung des Dienstgrades, zur Erweiterung des Zugangs zur Freiwilligen Reservistenarbeit, zur Einstufung des Dienstes als „gedient in der NVA“, zur Erweiterung der ZDv 10/8 „ Militärische Formen und Feiern der Bundeswehr“ und zur Anerkennung weiterer Bildungsabschlüsse. Ausblick Es ist nicht so, daß es kein oder nur geringes Interesse gibt, die Statusfragen zu lösen. Es ist keinesfalls so, wie das BMVg uns glauben machen will, daß es keine aktuellen Bestrebungen gibt, die Rechtslage zu ändern. Die Aktivitäten des Deutschen Bundeswehrverbandes, insbesondere im Landesverband Ost, haben etwas anderes gezeigt. So signalisierten der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, und der Ministerpräsident von Brandenburg, Manfred Stolpe in den 1999 mit dem Landesvorstand geführten Gesprächen ihre Bereitschaft, sich für gesetzliche Regelungen zu verwenden. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Harald Ringstorff, wandte sich nach Gesprächen mit Vertretern des DBwV am 23.03.2000 in einem Brief an den Bundeskanzler mit der Bitte um die Klärung der Dienstgradfrage. In diesem Brief führte er aus: „ Es sei nicht zu akzeptieren , daß Offiziere der Wehrmacht aus der Zeit vor 1945 berechtigt seien, ihren Dienstgrad mit dem Zusatz „a. D.“ im Namen zu führen, das gleiche Recht für Offiziere der NVA jedoch nicht gelte. ... Die ehemaligen Offiziere empfinden die geltende Rechtslage als Diskriminierung und als eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Offizieren der Wehrmacht, denen das Wehrrecht ausdrücklich die Führung ihres alten Dienstgrades a. D. ohne Hinweis auf die betreffende Armee gestattet.“ Der Ministerpräsident bittet den Bundeskanzler, eine gerechte Lösung für die Behandlung ehemaliger NVA-Offiziere zu finden: „... aus Sicht der Menschen in den östlichen Bundesländern würde dies als sehr positives Signal wahrgenommen werden.“ In dem am 05.Juli 2000 im Bundeskanzleramt mit Staatsminister Rolf Schwanitz geführten Gespräch bekundete auch er „ Handlungsbedarf“. Sicherlich ist es bis zur Lösung der Statusfragen noch ein weiter Weg. Es wird nun darauf ankommen, im DBwV die Positionen der Befürworter zu stärken und grünes Licht für die Lösung der Statusfragen als verbandspolitischen Auftrag durch die 16. Hauptversammlung des DBwV zu bekommen. Es müssen weitere Gespräche mit Politikern auf Landes- und Bundesebene geführt werden. Anmerkungen 1. Brief vom 28.5.93 von Prof. Egon Bahr an Dr. Werner Hübner anläßlich der Öffentlichen Anhörung „Gedient in fremden Streitkräften“ des Brandenburger Vereins für politische Bildung „ Rosa Luxemburg“ e.V. vom 12. Juni 1993. 2. Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung zur Führung von Dienstgrad-Bezeichnungen der ehemaligen NVA unter Berücksichtigung anderer Bereiche des öffentlichen Dienstes in der ehemaligen DDR“ entsprechend Beschluß des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 6.Sept. 1994 - Ausschußdrucksache 12/285