Martin Scorsese zum 70. Geburtstag
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Martin Scorsese zum 70. Geburtstag
Martin Scorsese Martin Scorsese und Michael Ballhaus bei den Dreharbeiten zu THE DEPARTED Martin Scorsese zum 70. Geburtstag 18 Das Kino als Schmelztiegel Kein anderer Regisseur scheint derart von der Freigebigkeit des Kinos überzeugt wie Martin Scorsese. Die Filmgeschichte birgt für ihn Reichtümer, an denen er sich ausgiebig bedienen kann. Seine prunkende Cinéphilie ist Ernte und Saat zugleich. Er versteht es wie kein zweiter Überlebender der ruhmreichen Epoche des New Hollywood, das neu zu erfinden, was er an seinen Vorbildern bewunderte und das Gelungene noch zu überbieten. Andere Filmemacher würden gewiss haushälterischer mit ihren Erzählideen umgehen und sie auf zwei, drei Filme verteilen. Er hingegen kann verschwenderisch sein, denn die Quellen seiner Inspiration werden nicht so schnell versiegen. Wie viel Disziplin es ihn kostet, im Schneideraum Entscheidungen zu treffen, wird nur seine treue Cutterin Thelma Schoonmaker ermessen können. Womöglich kann er sich deshalb so gut in die Erlebniswelt von Gangstern einfühlen, die sich ihrerseits der Verfügbarkeit der Welt gewiss sind. Er nähert sich ihnen mit dem Blick eines skeptischen Eingeweihten. In langen, subjektiven Plansequenzen demonstriert er in MEAN STREETS und GOODFELLAS, wie sich seine jungen Protagonisten als Fürsten durch ihr Milieu bewe- gen, sich im Zentrum eines dichten Netzes aus Ergebenheit und Loyalität wähnen. Wie im Rausch flanieren sie durch eine Welt, die ihnen als ein einziges, verlockend drapiertes Auslagenfenster erscheint. Ein gelehriger Meister Längst ist jeder neue Film von Martin Scorsese ein Ereignis; nicht nur in den Augen von eingeschworenen Bewunderern, sondern mittlerweile auch in den Bilanzen der Studios, für die er arbeitet. Er gilt vielen als der bedeutendste amerikanische Filmemacher seiner Generation. Sein Name steht für das große Publikum nicht mehr im Schatten seiner Hauptdarsteller, denen er in serieller Monogamie treu geblieben ist – anfangs Harvey Keitel, dann Robert De Niro und nun Leonardo DiCaprio –, er ist vielmehr zu einem Markenzeichen von großer eigener Strahlkraft geworden. Die unerschöpfliche Virtuosität seines Regiestils fasziniert selbst die strengsten Kritiker. Er hat jeden Aspekt seines Mediums reflektiert und beherrscht ihn. Es gibt keine Szene in seinem Werk, die er nicht durch ungekannte Kameraperspektiven und Rhythmen dynamisiert hätte. In seinen Filmen formiert sich der Blick auf das Vertraute neu. Martin Scorsese selbstverständlich hermetischen Umgebung auf (er betrat angeblich zum ersten Mal die West Side, als er anfing, an der New York University in Greenwich Village zu studieren). Nicht von ungefähr ist eine der dichtesten Passagen der Dokumentation Fellinis I VITELLONI gewidmet, der als direkte Inspiration für MEAN STREETS kenntlich wird. Das Viertel, das gerade einmal zehn Blocks umfasst, ist ein Bollwerk gegen die bedrängende Unübersichtlichkeit der Großstadt, aber es schürt zugleich Träume von Flucht und Aufstieg. So wie in seinen frühen Filmen hatte man das Milieu der italienischen Einwanderer im US-Kino noch nicht gesehen. In MEAN STREETS besitzen die hergebrachten Rituale von Gewalt und Familiensinn noch umfassende, unwidersprochene Macht. Scorseses Blick auf seinen Helden ist voller Empathie, aber ohne Komplizenschaft. Der Mafioso Charlie ist zerrissen zwischen maskuliner Loyalität, einer beklemmend paranoiden Sexualmoral, zwischen dem Katholizismus und der Klassenzugehörigkeit. Erlösung glaubt er nur durch Schmerz und Gewalt zu erlangen. »Man büßt für seine Sünden nicht in der Kirche,« sagt er, »sondern auf der Straße.« Angesichts der Brutalität und Ausweglosigkeit 19 TAXI DRIVER: Robert De Niro und Martin Scorsese Sein Kino schillert zwischen Tradition und Innovation. Es folgt einer persönlichen Vorstellung von Fortschritt und Bewahren. Er hat von den Besten gelernt und weiß, was er ihnen schuldig ist. In zwei großen Dokumentarfilmen erweist er seinen Vorbildern im amerikanischen und italienischen Kino seine Reverenz. Elia Kazan hat er eine Hommage gewidmet. Mit seiner Film Foundation bemüht er sich um die Restaurierung von Klassikern des Weltkinos. Die Filmgeschichte hat unverkennbare, verblüffende Spuren in seinem Werk hinterlassen. Es wird von dem ästhetischen Schock heimgesucht, den ihm die vagabundierende visuelle Phantasie eines Michael Powell in jungen Jahren bescherte. Bei GOODFELLAS hat er sich am Übermut der nouvelle vague inspiriert, an Truffauts JULES ET JIM und den launigen Regelbrüchen Godards. Referenzpunkte der Kampfszenen in GANGS OF NEW YORK sind das sowjetische Montagekino von Dovschenko, Eisenstein und Pudovkin sowie Orson Welles’ Shakespeare-Adaption CHIMES AT MIDNIGHT. Das Drehbuchmotiv des Helden, der sich in eine Gangsterbande einschleicht (und daraufhin in einen Gewissensund Loyalitätskonflikt gerät), ist an Sam Fullers UNDERWORLD, USA angelehnt. Die chinesische Pagode, in der einige Schlüsselszenen von GANGS OF NEW YORK spielen, ist dem Dekor nachempfunden, das Boris Leven (sein Szenenbildner bei NEW YORK, NEW YORK) für Sternbergs THE SHANGHAI GESTURE entwarf. In THE DEPARTED zitiert er versteckt Carol Reeds THE THIRD MAN, John Fords THE INFORMER und Howard Hawks’ SCARFACE. Derlei cinephile Verweise sind kein bloßer Selbstzweck, sondern entspringen einer biographischen Bringschuld. Das Kino war für ihn von Kindesbeinen an ein Instrument der Weltteilhabe und später eines, um sich über die eigenen Wurzeln Rechenschaft abzulegen. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass Scorsese parallel zu den Vorbereitungen für GANGS OF NEW YORK an seinem Dokumentarfilm über das italienische Nachkriegskino arbeitete, IL MIO VIAGGIO IN ITALIA. Er ist gewissermaßen die epische Fortsetzung von ITALIANAMERICAN, der Dokumentation, die er 1974 über seine Eltern gedreht hat. In den Erinnerungen an seine Kindheit verdichtet sich das Bild von Little Italy als einer nahezu autarken, in sich geschlossenen Gemeinschaft. Das Kino war dort ein Medium der Heimatverbundenheit. Seine Großeltern, die 1910 aus Sizilien kamen, hatten keinerlei Bezug zur ihrer neuen Heimat. Ihre Kinder gingen morgens zur Arbeit »in eine andere Welt« (Scorsese); ihre Straße, die Elizabeth Street, »war Sizilien, jedes Haus ein anderes Dorf«. Ihr Enkel wuchs noch in einer und der heillosen Fiebrigkeit seiner Protagonisten, die in Scorseses filmischen Rekonstruktionen seiner Heimat herrscht, überrascht der Eindruck von Geborgenheit, den die Dokumentation erweckt. Scorsese erweist sich in IL MIO VIAGGIO IN ITALIA als wehmütiger Archäologe einer Welt, die längst verschwunden ist (nicht zuletzt dank der Emsigkeit ihrer asiatischen Nachbarn: Chinatown hat Little Italy heute fast gänzlich verschlungen). Es ist mithin auch das Dokument eines uramerikanischen Impulses, der Stammeszugehörigkeit. Eigentlich darf es nicht verwundern, dass einige der Lieblingsfilme dieses urbansten aller US-Regisseure Western sind. Martin Scorsese 20 Emphatische Eroberung Als Kind war er jedes Mal verblüfft, wenn er im Abspann eines Films über seine Heimatstadt las: »Made in Hollywood, USA«. Zwar hat auch er in NEW YORK, NEW YORK einmal eine in den Westküstenstudios entstandene, stilisierte Technicolor-Vision der Metropole entworfen. Aber vor allem hat er dem Kino ihre Realschauplätze als Terrain erobert. Sein Bild von New York ist in der atmosphärischen Erfahrung der Zerrissenheit, Fragmentierung, des Heterogenen grundiert. Scorseses filmisches New York besteht dementsprechend aus streng voneinander geschiedenen Sphären. So ist die Mobilität der Protagonisten von TAXI DRIVER und BRINGING OUT THE DEAD nur eine berufsbedingte, keine soziale. Getrieben von den Dämonen der Einsamkeit und dem Wunsch nach Erlösung bleiben sie allenthalben isoliert. In TAXI DRIVER erscheint die Stadt als ein Pandämonium aus Dunkelheit, Schmutz und Gewalt (es war ein Glücksfall für das Filmteam, dass während der Dreharbeiten gerade die Müllabfuhr streikte). Diese Verworfenheit ist schillernd, wie der Taxifahrer Travis Bickle gleichermaßen mit Abscheu und Faszination diagnostiziert. Sie ist sein unwirtliches Lebenselement, er scheut auch jene verrufenen Ecken nicht, um die seine Kollegen einen großen Bogen machen, fährt seine Gäste nach Harlem, zum Times Square oder ins East Village. Visuell vollzieht Scorsese die Isolation seines Protagonisten, indem er ihn aus seiner Umgebung loslöst, Rauchschwaden schieben sich dazwischen, der Regen lässt die Fassaden verschwimmen, durch Unschärfe und Zeitlupe setzt er das Taxi und seinen Fahrer vom Hintergrund ab. Es ist kein realistischer, sondern ein paranoider Blick, den Scorsese und sein Drehbuchautor Paul Schrader auf die Stadt richten: Als wollten sie die schummrigen Bilderwelten des film noir in die Gegenwart hinüber retten. Auch BRINGING OUT THE DEAD ist von der subjektiven Perspektive des Helden geprägt, auch hier erscheint die Stadtlandschaft wie eine Halluzination. Die Feindseligkeit der Außenwelt macht Scorsese jedoch in einer divergierenden visuellen Strategie kenntlich: als Eindringen in das Gesichtsfeld des manisch-depressiven Rettungssanitäters. Jede Beobachtung, jeder Lichteinfall wirkt wie eine Aggression. Die Freizügigkeit, die Zirkulation innerhalb der Großstadt sind bei Scorsese stets gefahrvoll und schuldbesetzt, wie auch der Abstecher des Programmierers aus Uptown nach SoHo in AFTER HOURS illustriert. Er kommt gewissermaßen als Tourist aus einem anderen Manhattan. Selbst auf dem Erzählterrain einer schwarzen Komödie herrscht Paranoia. Dunkle, verlas- sene Straßen werden zur Bühne verstörender, schicksalhafter Begegnungen, die Etappen der nächtlichen Odyssee (eine Bar, ein Loft, ein Nachtclub) scheinen alle auf rätselhafte Weise miteinander verbunden. Spätestens mit THE AGE OF INNOCENCE verändert und erweitert sich sein Blick auf die Stadt. Die magistrale Edith-Wharton-Verfilmung ist ebenfalls die Chronik einer exklusiven, in sich geschlossenen Gesellschaft. Sie trägt sich im Wesentlichen in Interieurs zu, die Scorsese mit »anthropologischer Neugierde« erkundet und einem Zartgefühl und Raffinement, das an Ophüls und Visconti erinnert. Whartons New Yorker Aristokratie ist im engmaschigen Netz der Verwandtschaftsbeziehungen und gesellschaftlichen Konventionen gefangen. Die Vertreter dieser Schicht beziehen ihre Selbstgewissheit aus ihrer angestammten Umgebung und mondänen Ritualen, die freilich noch aus der alten Welt stammen. In GANGS OF NEW YORK wird er noch tiefer nach den europäischen Wurzeln des Schmelztiegels Amerika schürfen. Seither hat er zwar nicht endgültig mit New York abgeschlossen, aber sein Kino strebt anderen Horizonten entgegen. Verwurzelte Weltoffenheit Scorseses Filmografie, das wird mit den Jahren immer deutlicher, gewinnt Struktur und Schlüssigkeit aus dem Zusammenspiel von Komplementärfilmen: Man denke an TAXI DRIVER und BRINGING OUT THE DEAD, GOODFELLAS und CASINO, THE LAST TEMPTATION OF CHRIST und KUNDUN, RAGING BULL und spätere Biopics wie THE AVIATOR. In dem Maße, in dem er neue Schauplätze (Las Vegas in CASINO und THE AVIATOR, Tibet in KUNDUN, Boston in THE DEPARTED und SHUTTER ISLAND, schließlich Paris in HUGO CABRET) in den Blick nimmt, ist auch Scorseses Kino unvorhersehbarer geworden. Mit letzterem etwa hat er seinen ersten Kinderfilm gedreht, ein Plädoyer für Schaulust und Neugierde, bei dem er zugleich dem 3D-Kino den Ritterschlag verliehen hat, das er staunenswert phantasievoll einsetzt. Aber unberechenbar war er vielleicht schon immer. Mit ALICE DOESN’T LIVE HERE ANYMORE scherte er immerhin bereits 1974 erstmals aus dem maskulinen Universum seiner frühen Filme aus. Die Unvorhersehbarkeit ist freilich auch der Kern seines Schaffensprozesses. Es ist bekannt, dass ein Großteil seiner Regiearbeit im Schneideraum stattfindet. Es ist beinahe so, als würde dort, im Ringen um Narration und Abschweifung, der Film zum zweiten Mal entstehen. Die filmische Realität von Raum und Zeit wird aus dem Drehmaterial neu hergestellt. Durch den Soundtrack (auch das ein ▶ Freitag, 7. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Dienstag, 11. September 2012, 18.30 Uhr Martin Scorsese WHO’S THAT KNOCKING AT MY DOOR (WER KLOPFT DENN DA AN MEINE TÜR?) – USA 1968 – R+B: Martin Scorsese – K: Richard H. Coll, Michael Wadleigh – D: Harvey Keitel, Zina Bethune, Lennard Kuras, Michael Scarla, Harry Northup – 90 min, OmU – Ein junger New Yorker aus einer italienischen Familie möchte seine Freundin gerne heiraten, doch er kann nicht mit der Tatsache umgehen, dass sie einmal Opfer sexueller Gewalt war. WHO’S THAT KNOCKING AT MY DOOR wurde über Jahre hinweg gedreht und lief in unterschiedlichen Versionen unter diversen Titeln. Den Anfang nahm das Projekt als Studentenkurzfilm, auf Drängen eines Verleihers drehte Scorsese später (dezente) Sexszenen, um die Vermarktung zu erleichtern. BOXCAR BERTHA (DIE FAUST DER REBELLEN) – USA 1972 – R: Martin Scorsese – B: Joyce Hooper Corrington, John William Corrington, nach dem Roman »Sisters of the Road« von Ben L. Reitman – K: John M. Stephens – M: Herb Cohen – D: Barbara Hershey, David Carradine, Barry Primus, Bernie Casey, John Carradine, Harry Northup – 88 min, OmU – Die Bauerntochter Bertha verliert in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre ihr Zuhause und beginnt ein Leben am Schienenstrang. Sie schließt sich dem Gewerkschaftskampf der Gleisarbeiter an, der bald zum blutigen Widerstand wird. »Ein Partisanenfilm, aggressiv und zynisch. Nicht umsonst entwirft Scorsese für die Bewegungen seiner Helden keine wirkliche Zielrichtung. Die Balladenform kommt dieser Intention entgegen.« (Hans-Günther Pflaum) ▶ Samstag, 8. September 2012, 21.00 Uhr 21 MEAN STREETS (HEXENKESSEL) – USA 1973 – R: Martin Scorsese – B: Martin Scorsese, Mardik Martin – K: Kent Wakeford – D: Robert De Niro, Harvey Keitel, David Proval, Amy Robinson, Richard Romanus – 112 min, OmU – Freundschaft, Loyalität, Verrat, Gewalt und Schuld unter Kleinganoven in den 1960er Jahren im Little Italy New Yorks – ein period picture. Virtuos verwendet Scorsese bereits hier kühne Kamerabewegungen, überwältigende Musik und intensive Harvey Keitel und Zina Bethune in WHO’S THAT KNOCKING AT MY DOOR Schmelztiegel heterogener Quellen – Popsongs stehen hier gleichberechtigt neben klassischen Werken wie »Le Sacre du Printemps« oder Bachs »Matthäuspassion«) fügt er seinen Filmen eine weitere entscheidende Dimension hinzu. Selbst seine engsten Mitarbeiter sind in der Regel verblüfft, das Endergebnis zu sehen: Sein Kameramann Michael Ballhaus erzählte einmal, bei der Premiere von GOODFELLAS habe er vollkommen vergessen, dass er den Film gedreht hatte. Gerhard Midding Farbeffekte. Scorsese sagte, er habe das Rot so eingesetzt wie sein Idol Michael Powell in THE RED SHOES; da traf es ihn umso schwerer, dass Powell den Film nicht mochte. Mit MEAN STREETS wurden Scorsese, De Niro und Keitel schlagartig weltbekannt. solle mir MEAN STREETS ansehen, der damals noch nicht herausgekommen war. Genau sowas suchten wir, denn unser Drehbuch war sehr gut geschrieben, aber ein bisschen zu glatt. Ich wollte was Rauheres.« ▶ Sonntag, 9. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mitt- tag, 18. September 2012, 18.30 Uhr Martin Scorsese woch, 12. September 2012, 18.30 Uhr 22 WHAT’S A NICE GIRL LIKE YOU DOING IN A PLACE LIKE THIS? – USA 1963 – R+B: Martin Scorsese – K: James Newman – M: Richard H. Coll – D: Zeph Michaelis, Mimi Stark, Sarah Braveman, Fred Sica, Martin Scorsese – 9 min, OF – Ein blockierter Schriftsteller entwickelt eine Obsession für ein Gemälde. – IT’S NOT JUST YOU, MURRAY! – USA 1964 – R: Martin Scorsese – B: Martin Scorsese, Mardik Martin – K+M: Richard H. Coll – D: Ira Rubin, Sam DeFazio, Andrea Martin, Catherine Scorsese – 15 min, OF – Ein Gangster blickt zurück auf seine Karriere und seinen vermeintlich besten Freund. – THE BIG SHAVE – USA 1967 – R+B: Martin Scorsese – K: Ares Demertzis – M: Peter Bernuth – 5 min, OF – »Eigentlich wuchs der Film aus meinen Gefühlen über Vietnam. Gemeint war er als wütender Aufschrei gegen den Krieg.« (Martin Scorsese) – ITALIANAMERICAN – USA 1974 – R: Martin Scorsese – B: Mardik Martin, Larry Cohen – Mit Catherine Scorsese, Charles Scorsese, Martin Scorsese – 49 min, OF – Scorseses Eltern sprechen von ihren Erfahrungen und Ansichten – und nebenbei erfahren wir ein hervorragendes Kochrezept. – AMERICAN BOY: A PROFILE OF STEVEN PRINCE – USA 1978 – R: Martin Scorsese – B: Mardik Martin, Julia Cameron – K: Michael Chapman – Mit Steven Prince, Martin Scorsese, Mardik Martin, Julia Cameron – 54 min, OF – Stephen Prince, der in TAXI DRIVER den Waffenhändler spielte, erzählt haarsträubende Begebenheiten aus seinem Leben. ▶ Freitag, 14. September 2012, 21.00 Uhr ALICE DOESN’T LIVE HERE ANYMORE (ALICE LEBT HIER NICHT MEHR) – USA 1974 – R: Martin Scorsese – B: Robert Getchell – K: Kent L. Wakeford – M: Richard LaSalle – D: Ellen Burstyn, Kris Kristofferson, Diane Ladd, Jodie Foster, Harvey Keitel – 112 min, OF – Als Alice Hyatts Mann durch einen Unfall ums Leben kommt, hofft sie ihre frühere Gesangskarriere wieder aufnehmen zu können. Der Weg mit ihrem Sohn in ein neues Leben ist schwer und desillusionierend. Treibende Kraft hinter diesem Film war Hauptdarstellerin Ellen Burstyn, die stark in der Frauenbewegung engagiert war: »Ich rief Francis Coppola an und fragte ihn nach jungen, aufregenden Filmemachern. Er sagte, ich ▶ Samstag, 15. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens- TAXI DRIVER – USA 1976 – R: Martin Scorsese – B: Paul Schrader – K: Michael Chapman – M: Bernard Herrmann – D: Robert De Niro, Cybill Shepherd, Albert Brooks, Harvey Keitel, Jodie Foster, Peter Boyle, Martin Scorsese – 110 min, OmU – Travis Bickle, 26 Jahre alt, Vietnamveteran, fährt nachts in New York Taxi. Vom Elend und der Gewalt rund um ihn zugleich angewidert und angezogen, entwickelt er Erlöserphantasien. Paul Schrader fuhr selber Taxi, als er das Drehbuch verfasste, er wohnte in seinem Auto. Für ihn war die Verarbeitung seiner Situation die Rettung. Die brillante Filmmusik mit ihrer schizoiden Gespaltenheit zwischen zwei Musikstilen war der letzte Score, den der einzigartige Bernard Herrmann einspielte: Er starb in der Nacht nach der letzten Session. ▶ Sonntag, 16. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mitt- woch, 19. September 2012, 18.30 Uhr NEW YORK, NEW YORK – USA 1976 – R: Martin Scorsese – B: Earl Mac Rauch, Mardik Martin – K: Laszlo Kovacs – M: Ralph Burns – D: Liza Minnelli, Robert De Niro, Lionel Stander, Barry Primus, Mary Kay Place, Georgie Auld – 163 min, OF – 1945 tun sich der Saxophonist Jimmy und die Sängerin Francine zusammen und bauen eine gemeinsame Big-Band-Karriere auf. Als Francines Weg nach Hollywood führt, hat der drogensüchtige Jimmy Angst, abgehängt zu werden. Scorsese schuf in enger Zusammenarbeit mit den Architekten, Ausstattern und Kostümbildnern ein modernes Hollywood-Musical über die Big-Band-Ära der 1950er Jahre. Sein Kameramann Laszlo Kovacs vollbrachte das Kunststück, den klassischen TechnicolorLook wiederauferstehen zu lassen. ▶ Freitag, 21. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens- tag, 25. September 2012, 19.00 Uhr THE LAST WALTZ (THE BAND) – USA 1978 – R+B: Martin Scorsese – K: Michael Chapman, Laszlo Kovacs, Vilmos Zsigmond, David Myers, Bobby Byrne, Michael Watkins, Hiro Narita – Mit Robbie Robertson, Rick Danko, Levon Helm, Garth Hudson, Richard Manuel, Bob Dylan, Joni Mitchell, Neil Diamond, Emmylou Harris, Neil Young, Van Morrison, Eric Clapton, Ringo Starr, Martin Scorsese – 117 min, OF – Das monumentale Martin Scorsese Jerry Lewis und Robert De Niro in THE KING OF COMEDY 23 Abschiedskonzert der kanadischen Formation The Band brachte eine unglaubliche Zahl von Musikstars als »Gastmusiker« auf die Bühne. Scorsese verdichtete die fünf Stunden des Konzerts auf knapp zwei Stunden und schuf einen Meilenstein des Konzertfilms. Gespräche mit den Musikern vermitteln die Geschichte von The Band. ▶ Samstag, 22. September 2012, 21.00 Uhr RAGING BULL (WIE EIN WILDER STIER) – USA 1980 – R: Martin Scorsese – B: Paul Schrader, Mardik Martin, nach der Autobiographie von Jake LaMotta – K: Michael Chapman – D: Robert De Niro, Cathy Moriarty, Joe Pesci, Frank Vincent, Nicholas Colasanto – 129 min, OmU – Die Geschichte Jake LaMottas, des ehemaligen Boxweltmeisters im Mittelgewicht, ist weder eine faktentreue Biographie noch nur ein Film übers Boxen. RAGING BULL erzählt vielmehr von Ängsten – Angst vor Sex, Angst um die eigene bröckelige Identität –, die in Gewalt nach außen und innen münden, ohne je bewältigt zu werden, und von (auch religiös motivierten) Schuldgefühlen. Alle Schläge im Ring helfen da nicht, und erst als Jake eingesperrt wird, stellt er sich seinem wahren Feind – sich selber. Der radikal stilisierte Film wurde in brilliantem Schwarzweiß gedreht. ▶ Sonntag, 23. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mitt- woch, 26. September 2012, 18.30 Uhr THE KING OF COMEDY – USA 1983 – R: Martin Scorsese – B: Paul D. Zimmerman – K: Fred Schuler – M: Robbie Robertson – D: Robert De Niro, Jerry Lewis, Sandra Bernhard, Diahnne Abbott, Ed Herlihy, Lou Brown – 109 min, OF – Rupert Pupkin ist von der Vorstellung einer eigenen Talkshow besessen. Er beschließt sein Idol, den Fernsehstar Jerry Langford, zu entführen und einen Fernsehauftritt zu erpressen. Ein Film voller umwerfender, schmerzhafter Komik, und doch keine Komödie, sondern eher eine Farce mit Trauerrand, die ein präzises Bild der Medienwelt zeichnet. ▶ Freitag, 28. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens- tag, 16. Oktober 2012, 18.30 Uhr AFTER HOURS (DIE ZEIT NACH MITTERNACHT) – USA 1985 – R: Martin Scorsese – B: Joseph Minion – K: Michael Ballhaus – M: Howard Shore – D: Griffin Dunne, Rosanna Arquette, Verna Bloom, Thomas Chong, Teri Garr – 97 min, OF – Beim Versuch, sich nachts auf eigene Faust in Manhattan durchzuschlagen, gerät Paul Hackett in haarsträubende Verstrickungen und irrwitzige Katastrophen. Michael Ballhaus’ entfesselte Kamera liefert die perfekten Bilder für Scorseses Groteske voll schwarzem, grimmigem Humor und absurder Komik. – MIRROR, MIRROR – USA 1985 – R: Martin Scorsese – B: Joseph Minion – K: Robert M. Stevens – M: Michael Kamen – D: Sam Waterston, Helen Shaver, Dick Cavett, Tim Robbins, Dana Gladstone – 24 min, OF – Episode aus Steven Spielbergs Fernsehserie AMAZING STORIES: Nachdem sich ein erfolgreicher Autor von Gruselromanen in einer Talkshow über seine eigene Zunft lustig gemacht hat, sieht er im Spiegel eine geheimnisvolle Gestalt, die ihn bedroht. ▶ Samstag, 29. September 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mitt- woch, 17. Oktober 2012, 18.30 Uhr Martin Scorsese ROUND MIDNIGHT (UM MITTERNACHT) – USA 1986 – R: Bertrand Tavernier – B: David Rayfiel, Bertrand Tavernier – K: Bruno de Keyzer – M: Herbie Hancock – D: Dexter Gordon, François Cluzet, Gabrielle Haker, Sandra Reaves-Phillips, Herbie Hancock, Martin Scorsese, Philippe Noiret – 133 min, OF – Die Jazzszene in New York und Paris in den 1950er Jahren. Im Blue Note tritt der alkoholkranke Tenorsaxophonist Dale Turner auf, der Züge von Lester Young und Bud Powell in sich vereint. Ein Fan versucht ihm dabei zu helfen, sich vom Trinken zu befreien. Als Scorsese mit seinem Produzenten Irwin Winkler für Vorbereitungen zu THE LAST TEMPTATION OF CHRIST in Paris war, trafen sich die beiden mit Tavernier zum Essen. »Das Ergebnis des Mittagessens war, dass Bertrand mich bat, in seinem Film mitzuspielen. Er sagte, wenn ich spreche, hört man sofort New York heraus. Das würde ihm eine Menge establishing shots ersparen.« (Martin Scorsese) 24 ▶ Sonntag, 30. September 2012, 21.00 Uhr THE LAST TEMPTATION OF CHRIST BAD – USA 1987 – R: Martin Scorsese – B: Richard Price – K: Michael Chapman – D: Michael Jackson, Adam Nathan, Wesley Snipes, Paul Chalderon, Roberta Flack – 16 min, OF – Wer nur das Musikvideo zu Michael Jacksons BAD kennt, hat noch gar nichts gesehen: Der komplette Kurzfilm erzählt eine Geschichte von großen Hoffnungen und verlorenen Wurzeln, von Selbstachtung und street credibility. – THE COLOR OF MONEY (DIE FARBE DES GELDES) – USA 1986 – R: Martin Scorsese – B: Richard Price, nach dem Roman von Walter Tevis – K: Michael Ballhaus – M: Robbie Robertson – D: Paul Newman, Tom Cruise, Mary Elizabeth Mastrantonio, Helen Shaver, John Turturro – 119 min, OF – Ein alternder Poolbillardspieler nimmt ein junges Talent unter seine Fittiche und vermittelt ihm die Psychologie des Spiels und die Kunst des Abzockens. Paul Newman brilliert in seiner Rolle und erhielt seinen einzigen Oscar als bester Darsteller, Michael Ballhaus lässt seine Kamera kreisen. ▶ Sonntag, 14. Oktober 2012, 21.00 Uhr THE LAST TEMPTATION OF CHRIST (DIE LETZTE VERSUCHUNG CHRISTI) – USA 1988 – R: Martin Scorsese – B: Paul Schrader, nach dem Roman von Nikos Kazantzakis – K: Michael Ballhaus – M: Peter Gabriel – D: Willem Dafoe, Harvey Keitel, Paul Greco, Verna Bloom, Barbara Hershey, John Lurie – 163 min, OF – Der Schreiner Jesus ringt mit mystischen Visionen, mit Versuchungen und mit seinen Schuldgefühlen, da er für die Römer Kreuze zimmert. Als er selbst ans Kreuz geschlagen wird, träumt er davon, seinem Schicksal zu entgehen und ein ganz gewöhnliches Leben zu führen. Der Film löste heftige Proteste aus. Religiöse Funda- mentalisten erhoben Vorwürfe von Blasphemie und Sakrileg, natürlich ohne den Film gesehen zu haben. NEW YORK STORIES (NEW YORKER GESCHICHTEN) – USA 1989 – R: Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Woody Allen – B: Richard Price, Francis Ford Coppola, Sofia Coppola, Woody Allen – K: Nestor Almendros, Vittorio Storaro, Sven Nykvist – D: Nick Nolte, Rosanna Arquette, Patrick O’Neal, Heather McComb, Giancarlo Giannini, Woody Allen, Mia Farrow – 124 min, OF – Drei Vignetten: Scorseses LIFE LESSONS zeigt einen erfolgreichen Maler, der sich im Kunstbetrieb aufreibt und eine private Krise heraufbeschwört. In Coppolas LIFE WITHOUT ZOE bringt die 12jährige Tochter ihre zerstrittenen Eltern wieder zusammen. In Woody Allens OEDIPUS WRECKS fühlt sich der Klient eines Therapeuten von seiner Mutter tyrannisiert, die riesengroß im Himmel über New York erscheint. streift sein Alter Ego durch eine Ausstellung mit Gemälden von Vincent van Gogh, steigt buchstäblich in eines der Bilder hinein und begegnet dem Künstler, der von Martin Scorsese gespielt wird. ▶ Sonntag, 11. November 2012, 21.00 Uhr ▶ Samstag, 9. November 2012, 21.00 Uhr GOODFELLAS – USA 1990 – R: Martin Scorsese – B: Nicholas Pileggi, Martin Scorsese, nach dem Roman »Wiseguy« von Nicholas Pileggi – K: Michael Ballhaus – D: Robert De Niro, Ray Liotta, Joe Pesci, Lorraine Bracco, Paul Sorvino, Frank Sivero, Catherine Scorsese – 146 min, OF – Die Lebenserinnerungen von Henry Hill, der von klein auf den Traum hatte, Karriere in der Mafia zu machen. Scorsese gelang eine weder romantisierende noch moralisierende Darstellung der Gangster. Er wusste sofort, wie der Film aussehen sollte: »GOODFELLAS sollte wie ein Revolverschuss beginnen und dann immer schneller werden, wie ein zweieinhalbstündiger Trailer. Nur so kann man den rauschhaften Lebensstil spüren und verstehen, warum er auf viele Leute so anziehend wirkt.« ▶ Mittwoch, 7. November 2012, 19.00 Uhr (Zu Gast: Michael Ballhaus) ▶▶ Samstag, 10. November 2012, 21.00 Uhr DREAMS (AKIRA KUROSAWAS TRÄUME) – Japan 1990 – R+B: Akira Kurosawa – K: Takao Saitô, Shôji Ueda – M: Shinichirô Ikebe – D: Akira Terao, Misuko Baishô, Chishû Ryû, Martin Scorsese, Mieko Harada – 119 min, OmeU – In acht »Träumen« lässt Kurosawa sein Alter Ego Stationen von der Kindheit bis ins hohe Alter besuchen. Angeblich dienten Kurosawa seine eigenen Träume als Vorbilder für die Episoden. Doch nicht nur deshalb ist dies wohl sein persönlichster Film. Hier wird die Besinnung auf seine in der Malerei liegenden Wurzeln offensichtlich: In der Episode »Die Krähen« THE KEY TO RESERVA (DER SCHLÜSSEL ZU RESERVA) – USA 2007 – R: Martin Scorsese – B: Ted Griffin – K: Harris Savides – M: Bernard Herrmann – D: Simon Baker, Kelli O’Hara, Michael Stuhlbarg, Christopher Denham, Martin Scorsese – 10 min, OF – Scorsese verfilmt ein Drehbuchfragment »aus Alfred Hitchcocks Nachlass«. Ein ganz und gar im Stil des Meisters gehaltener Kurzfilm, der seine zweifelhafte Herkunft zugleich ironisch reflektiert. – CAPE FEAR (KAP DER ANGST) – USA 1991 – R: Martin Scorsese – B: Wesley Strick, nach dem Roman »The Executioners« von John D. MacDonald – K: Freddie Francis – M: Bernard Herrmann – D: Robert De Niro, Nick Nolte, Jessica Lange, Juliette Lewis, Robert Mitchum, Gregory Peck – 128 min, OmU – Max Cady, aus dem Gefängnis entlassen, hat nur ein Ziel: Rache an seinem Anwalt Sam Bowden, dem er die Schuld an seiner Haftstrafe wegen Vergewaltigung gibt. Scorseses Remake eines Thrillers von 1962 adaptiert dieselbe Filmmusik und lässt die Hauptdarsteller des Originals in Nebenrollen auftreten. ▶ Sonntag, 18. November 2012, 21.00 Uhr LOLA MONTEZ – BRD 1955 – R: Max Ophüls – B: Max Ophüls, Jacques Natanson, Annette Wademant, Franz Geiger – K: Christian Matras – M: Georges Auric – D: Martine Carol, Peter Ustinov, Adolf Wohlbrück, Oskar Werner, Henri Guisol, Lise Delamare – 116 min – Die Geschichte der legendären Tänzerin Lola Montez, die zur Mätresse Ludwigs I. aufsteigt, als große, farbenprächtige Zirkusschau. Michael Ballhaus durfte als Achtzehnjähriger in München bei den Dreharbeiten zu- Martin Scorsese ▶ Freitag, 19. Oktober 2012, 21.00 Uhr 25 THE AGE OF INNOCENCE Martin Scorsese 26 schauen: »Was ich schon alles geklaut habe von diesem Film – bis ins Detail! Es gibt Einstellungen in THE AGE OF INNOCENCE, die sich unmittelbar an LOLA MONTEZ orientieren. Wie Ophüls mit dem Format umgegangen ist, mal wirklich Breitwand und dann wieder fast quadratisch, das hat bis heute niemand mehr so raffiniert geschafft. Wir haben es in THE AGE OF INNOCENCE wenigstens ansatzweise hingekriegt.« ▶ Mittwoch, 21. November 2012, 18.30 Uhr (Zu Gast: Michael Ballhaus) THE AGE OF INNOCENCE (ZEIT DER UNSCHULD) – USA 1993 – R: Martin Scorsese – B: Jay Cocks, Martin Scorsese, nach dem Roman von Edith Wharton – K: Michael Ballhaus – M: Elmer Bernstein – D: Daniel DayLewis, Michelle Pfeiffer, Winona Ryder, Miriam Margolyes, Geraldine Chaplin, Richard E. Grant – 138 min, OF – Ein wohlhabender junger Anwalt im New York der 1870er Jahre riskiert seine Karriere, als er eine Gräfin kennenlernt. Unter allen Filmen Scorseses zeigt dieser am deutlichsten Einflüsse von Visconti, Ophüls und Rossellini. Der visuelle Stil des Films in Ausstattung, Kostümen, Darstellung, Bildgestaltung ist lyrisch, schwebend, romantisch, hinreißend. Michael Ballhaus’ Kamera ist unaufhörlich in Bewegung, die komplexe Choreographie der Darsteller wirkt völlig ungezwungen. ▶ Mittwoch, 21. November 2012, 21.00 Uhr (Zu Gast: Mi- chael Ballhaus) ▶ Freitag, 23. November 2012, 21.00 Uhr CASINO – USA 1995 – R: Martin Scorsese – B: Nicholas Pileggi, Martin Scorsese – K: Robert Richardson – D: Robert De Niro, Sharon Stone, Joe Pesci, James Woods, Frank Vincent, Kevin Pollak – 178 min, OmU – Sam leitet in den 1970ern ein Casino in Las Vegas für die Mafia, sein alter Freund Nicky ist der Mann fürs Grobe. Ausgerechnet die drogensüchtige Prostituierte Ginger bringt das kleine Reich der beiden ins Wanken. »Scorsese kann die Vergangenheit vergrößern und verklären, ohne seinen erbarmungslos genauen Realismus aufzugeben, ohne die (meist brutale) Wahrheit der Glücksspielstadt verschweigen zu müssen. ›Las Vegas, das war für Spieler das, was Lourdes für Gebrechliche und Verkrüppelte war‹, sagt De Niro einmal. Genauso hat der Katholik Scorsese die Stadt mit inbrünstiger Wahrheit dargestellt.« (Hellmuth Karasek) ▶ Samstag, 24. November 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens- tag, 27. November 2012, 19.00 Uhr A PERSONAL JOURNEY WITH MARTIN SCORSESE THROUGH AMERICAN MOVIES (EINE REISE DURCH DEN AMERIKANISCHEN FILM) – USA 1995 – R+B: Martin Scorsese, Michael Henry Wilson – K: Jean-Yves Escoffier – M: Elmer Bernstein – Mit Martin Scorsese, Kathryn Bigelow, Clint Eastwood, Francis Ford Coppola, Brian de Palma, Samuel Fuller, Gregory Peck, George Lucas, Arthur Penn, Billy Wilder – 225 min, OF – Scorseses Reise beginnt bei Meistern des Stummfilms wie D. W. Griffith und endet 1969, als er seine eigene Filmkarriere begann: »Ich fände es anmaßend, meine eigenen Filme oder die meiner Zeitgenossen zu kommentieren.« Das Ergebnis ist hypnotisch, mitreißend, aufregend, erhellend. Es gibt kaum eine andere Dokumentation, die so brennende Begeisterung transportiert und so unbändige Lust aufs Kino weckt. ▶ Dienstag, 6. November 2012, 19.00 Uhr KUNDUN – USA 1997 – R: Martin Scorsese – B: Melissa Mathison – K: Roger Deakins – M: Philip Glass – D: Tenzin Thuthob Tsarong, Gyurme Thetong, Tencho Gyalpo, Tsewang Migyur Khangsar, Sonam Phuntsoik – BRINGING OUT THE DEAD – USA 1999 – R: Martin Scorsese – B: Paul Schrader, nach dem Roman von Joe Connelly – K: Robert Richardson – M: Elmer Bernstein – D: Nicolas Cage, Patricia Arquette, John Goodman, Ving Rhames, Tom Sizemore, Mary Beth Hurt – 121 min, OF – Der Rettungssanitäter Frank Pierce ist überarbeitet und erschöpft, dem Zusammenbruch nahe; die Geister derer, die er nicht zu retten vermochte, verfolgen ihn. Ein period picture vor der kosmetischen Verschönerung New Yorks, der Müll ist Requisite. Übergroße Close-Ups, schwindelerregende Kameraperspektiven, Schnittgewitter, Reißschwenks, Zeitlupe, Zeitraffer, Varispeed, digitale Effekte – was in den Händen anderer nur Mätzchen für Überwältigungskino sind, ist bei Scorsese funktional und mit Bedacht als Stilmittel gesetzt. Martin Scorsese ▶ Sonntag, 25. November 2012, 21.00 Uhr Scorsese – K: Phil Abraham – D: Martin Scorsese – 246 min, OmeU – Scorsese entdeckte das italienische Kino, als er zu Hause im Fernsehen Klassiker wie PAISA und ROMA CITTA APERTA von Roberto Rossellini sah. Seine Begeisterung für den Neorealismus geht einher mit der Suche nach seinen Wurzeln, nach seiner eigenen Familiengeschichte und der italienischen Kultur. Scorseses Blick auf die italienische Filmgeschichte ist einer seiner schönsten und persönlichsten Filme. Er betrachtet die etablierten Klassiker aus ungewohnter Perspektive und lenkt unsere Aufmerksamkeit auch auf vergessene und marginalisierte Filme. ▶ Dienstag, 20. November 2012, 19.00 Uhr GANGS OF NEW YORK – USA 2002 – R: Martin Scorsese – B: Jay Cocks, Steven Zaillian, Kenneth Lonergan, nach einem Buch von Herbert Ashbury – K: Michael Ballhaus – M: Howard Shore – D: Leonardo DiCaprio, Daniel Day-Lewis, Cameron Diaz, Jim Broadbent, John C. Reilly, Liam Neeson – 168 min, OmU – Eine lange schwelende Rachegeschichte vollendet sich vor dem Hintergrund der New Yorker draft riots im Juli 1863, als sich Slumbewohner gegen die Zwangseinberufung im Bürgerkrieg erhoben und die Kriegsmarine mit Kanonen in die Menge feuern ließ. Scorsese ließ für sein breit angelegtes Epos um die Entstehung der modernen amerikanischen Demokratie im römischen Cinecittà-Filmstudio ganze Straßenzüge und das Hafengelände am East River von Dante Ferretti nachbauen. ▶ Freitag, 30. November 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Mittwoch, 5. Dezember 2012, 18.30 Uhr ▶ Mittwoch, 28. November 2012, 19.00 Uhr ▶▶ Sams- IL MIO VIAGGIO IN ITALIA (MEINE ITALIENISCHE REISE) – USA 2001 – R: Martin Scorsese – B: Suso Cecchi d’Amico, Raffaele Donato, Kent Jones, Martin THE NEIGHBORHOOD – USA 2001 – R: Martin Scorses – B: Kent Jones, Martin Scorsese – K: Antonio Ferrara – Mit Martin Scorsese, Francesca Scorsese, Marie 27 tag, 1. Dezember 2012, 21.00 Uhr GANGS OF NEW YORK 134 min, OmU – Ein Spielfilm über die Jugend von Tenzin Gyatso, dem 14. Dalai Lama, linear erzählt von 1937 in Tibet bis 1959 im indischen Exil. »KUNDUN ist kein Film der großen Emotionen und kein Film, der Charaktere oder Story in den Vordergrund stellt. Kein Film, der viel erklärt oder Zusammenhänge und Motivationen ausbreitet. KUNDUN ist ein ungemein sinnlicher Film, der es versteht, durch Farbe, Rhythmus, Klang in seinen visionären Bann zu ziehen, den man nach einiger Zeit fast wie in Trance erlebt. Ein grandioser Rausch der Bilder und der Musik.« (Thomas Willmann) THE AVIATOR Martin Scorsese 28 Albanese – 7 min, OF – In seinem Beitrag für das als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 organisierte »Concert for New York« besucht Scorsese mit seiner Tochter die Elizabeth Street, in der er aufwuchs – FEEL LIKE GOING HOME – USA 2003 – R: Martin Scorsese – B: Peter Guralnick – K: Arthur Jafa – Mit Corey Harris, Sam Carr, Willie King, Taj Mahal, John Lee Hooker, Salif Keita – 83 min, OmU – Auf der Suche nach den Wurzeln des Blues fährt der Musiker Corey Harris ins Mississippi-Delta und von dort aus weiter bis nach Mali. ▶ Sonntag, 2. Dezember 2012, 21.00 Uhr THE AVIATOR – USA 2004 – R: Martin Scorsese – B: John Logan – K: Robert Richardson – M: Howard Shore – D: Leonardo DiCaprio, Cate Blanchett, Kate Beckinsale, John C. Reilly, Alec Baldwin, Alan Alda, Ian Holm, Jude Law – 169 min, OmU – Das komplizierte Leben des Multimilliardärs, Luftfahrtpioniers und Filmproduzenten Howard Hughes. Ein besonderes Stilmittel von THE AVIATOR ist die Farbgebung: Die Jahre bis 1935 sind in einer reduzierten Palette von Rot- und Blautönen gehalten, die an das damalige Multicolor-Verfahren angelehnt ist (Hughes war der Eigentümer von Multicolor). Die späteren Geschehnisse sind farblich den satten Technicolor-Tönen nachempfunden. In einigen Szenen fanden historische Schwarz-weiß-Materialien Verwendung, die entsprechend koloriert wurden. ▶ Freitag, 7. Dezember 2012, 21.00 Uhr NO DIRECTION HOME: BOB DYLAN – USA 2005 – R+B: Martin Scorsese – K: Mustapha Barat, Maryse Alberti, Oliver Bokelberg, Anghel Decca, Ken Druckerman, Ellen Kuras, James Miller, James Reed, Lisa Ritzler, Michael Spiller – Mit Bob Dylan, Pete Seeger, Joan Baez, Mavis Staples, Don Alan Pennebaker – 207 min, OmU – Eher das Portrait einer Ära als eine schlichte Musikerbiographie. Der Fokus liegt auf den Jahren 1961–66, in denen Bob Dylan vom Folksänger zum Protestsänger wurde, dann als Stimme einer ganzen Generation galt, sich schließlich zum Popstar im Folkrock wandelte, ehe er nach seinem Motorradunfall 1966 seinen Abschied vom Tourneebetrieb verkündete, an dem er acht Jahre festhielt. ▶ Sonntag, 9. Dezember 2012, 19.00 Uhr THE DEPARTED (UNTER FEINDEN) – USA 2006 – R: Martin Scorsese – B: William Monahan, nach dem Film INFERNAL AFFAIRS von Alan Mak und Felix Chong – K: Michael Ballhaus – M: Howard Shore – D: Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Vera Farmiga, Alec Baldwin – 151 min, OmU – Billy und Colin sind Nachwuchsbeamte der Staatspolizei in Massachusetts: Der eine soll als Undercover-Agent den Kopf des Bostoner Syndikats, Frank Costello, zu Fall bringen, der andere wurde von Costello in die Polizei eingeschleust. Beide geben ihr Insiderwissen an ihre wahren Auftraggeber weiter, beide sind durch ihre Doppelleben innerlich zerrissen. Das Remake eines Hong Kong-Thrillers ist angespannter und überdrehter, als es für US-Krimis üblich ist. ▶ Samstag, 8. Dezember 2012, 21.00 Uhr ▶ Mittwoch, 12. Dezember 2012, 19.00 Uhr SHINE A LIGHT – USA 2008 – R+B: Martin Scorsese – K: Robert Richardson – Mit Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts, Ron Wood, Christina Aguilera, Bill Clinton, Hillary Clinton, Martin Scorsese – 122 min, OmU – Mitschnitt zweier Konzerte der Rolling Stones im New Yorker Beacon Theatre im Jahr 2006. Eines ▶ Freitag, 14. Dezember 2012, 21.00 Uhr SHUTTER ISLAND – USA 2010 – R: Martin Scorsese – B: Laeta Kalogridis, nach dem Roman von Dennis Lehane – K: Robert Richardson – M: Robbie Robertson – D: Leonardo DiCaprio, Mark Ruffalo, Ben Kingsley, Max von Sydow, Michelle Williams, Emily Mortimer – 138 min, OmU – Ein suggestiver Horror-Thriller, eine virtuos inszenierte Welt der falschen Fährten und psychologischen Traumgespinste, die die Zuschauer in ein doppelbödiges Spiel zwischen Wahn und Wirklichkeit verwickeln. Eine Hommage an das klassische ParanoiaKino der McCarthy-Ära. »Für unsere Kriege, unsere Terrorangst, unseren Sicherheits- und Gesundheitswahn findet Scorsese einen Spiegel in den 1950er Jahren. Schwarze Aufklärung über die Nähe von Wahnsinn und Gesellschaft.« (Rüdiger Suchsland) ▶ Samstag, 15. Dezember 2012, 21.00 Uhr ▶▶ Diens- tag, 18. Dezember 2012, 18.30 Uhr PUBLIC SPEAKING – USA 2010 – R+B: Martin Scorsese – K: Ellen Kuras – M: Joe Rudge – Mit Fran Lebowitz, Ivo Juhani, Graydon Carter, Martin Scorsese – 84 min, OF – Unterhaltsame und aufschlussreiche Dokumentation über Fran Lebowitz, die in den frühen 1970er Jahren die New Yorker Literatenszene betrat und von Andy Warhol für eine Kolumne in seinem Magazin »Interview« verpflichtet wurde. Es ist ein Monolog, in dem Lebowitz rhetorisch brillant und mit bissiger Komik über Gott und die Welt, das Rauchen, Touristen in New York, die Wahrheit über Andy Warhols ›Superstars‹ und die desaströse Entscheidung räsoniert, New York City in eine Touristenattraktion zu verwandeln. ▶ Sonntag, 16. Dezember 2012, 21.00 Uhr A LETTER TO ELIA (EIN BRIEF AN ELIA) – USA 2010 – R+B: Martin Scorsese, Kent Jones – K: Mark Raker – 60 min, OF – Eine sehr persönliche Verbeugung Martin Scorseses vor seinem Regiekollegen Elia Kazan, der ihm ein wichtiges Vorbild war. Anhand zahlreicher Filmausschnitte offenbart Scorsese, was Kazans Filme für das US-Kino allgemein und speziell für ihn bedeuten. – AMERICA, AMERICA (DIE UNBEZWINGBAREN) – USA 1963 – R+B: Elia Kazan, nach seinem Roman – K: Haskell Wexler – M: Manos Hadjidakis – D: Stathis Giallelis, Frank Wolff, Harry Davis, Elena Karam, Estelle Hemsley, John Marley – 174 min, OF – Kurz vor 1900. Stavros Topouzoglou, Angehöriger der unterdrückten griechischen Minderheit in Anatolien, soll mit dem gesamten Geld der Familie nach Konstantinopel gehen und dort in den Teppichhandel eines Verwandten einsteigen. Doch er träumt davon, nach Amerika auszuwandern. Kazans Epos, das auf dem Leben seines Onkels basiert, ist eine der bewegendsten Darstellungen der immigrant experience. ▶ Donnerstag, 20. Dezember 2012, 19.00 Uhr GEORGE HARRISON: LIVING IN THE MATERIAL WORLD – USA 2011 – R+B: Martin Scorsese – K: Robert Richardson – Mit Paul McCartney, Ringo Starr, Terry Gilliam, Jane Birkin, Eric Clapton, Ravi Shankar, Yoko Ono, Jackie Stewart, Olivia Harrison – 208 min, OmU – Dokumentarfilm über den englischen Musiker George Harrison. »Formal bleibt Scorsese im konventionellen Rahmen, mischt Archivmaterial mit Interviews und geht chronologisch vor. Zeitzeugen und Weggefährten kommen ausführlich zu Wort. Als Mensch, der sich gründlich auf die fernöstliche Meditation einließ, lebte Harrison ganz in der ›materiellen Welt‹. Mit dem Erfolg war er schnell zu Geld gekommen und zugleich einer inneren Leere gewahr geworden, die er mit Drogen und Hippie-Träumen zu überspielen versuchte.« (Roland Mörchen) ▶ Samstag, 22. Dezember 2012, 19.00 Uhr HUGO 3D (HUGO CABRET) – USA 2011 – R: Martin Scorsese – B: John Logan, nach dem Roman von Brian Selznick – K: Robert Richardson – M: Howard Shore – D: Asa Butterfield, Ben Kingsley, Chloe Grace Moretz, Sacha Baron Cohen, Christopher Lee – 126 min, OmU – Scorseses Hommage an die Magie des Kinos und den Filmpionier Georges Méliès spielt im Paris der 1930er Jahre. »Der Bahnhof und die Züge, die raffinierten Uhrwerke und der kleine Automatenmensch, die Filmkamera und die Projektionstechnik sind hier alles andere als ›seelenlose‹ Maschinen; sie sind vielmehr handlungstragende Charaktere, Verlängerungen und Spiegelungen der menschlichen Figuren, Transportmittel für Assoziationen und metaphorische Bedeutungsebenen.« (Felicitas Kleiner) ▶ Mittwoch, 19. Dezember 2012, 18.30 Uhr ▶▶ Freitag, 21. Dezember 2012, 21.00 Uhr Martin Scorsese davon war eine Geburtstagsgala für Bill Clinton. »Das Intro des Films zeigt die Vorbereitungen für das zu filmende Konzertereignis in der Form eines making of, in dem es um die Bühne und um die Kameras, auch um die set list geht und die Abstimmung der Inszenierung auf die zu erwartenden Songs – eine spielerische Koketterie, die sich mehr und mehr zu Selbstironie auswächst. Und dann geht’s los, mit ›Jumping Jack Flash‹, viel Energie und einer Menge Rock’n’Roll.« (Harald Mühlbeyer) 29